Stärken ausbauen – Existenzgründung von Migranten aus...

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Stärken ausbauen – Existenzgründung von Migranten aus Nicht-EU- Staaten Länderbericht Deutschland im Rahmen des Projekts INTI – Making Strength meet Demand Expertise von Evers & Jung Autoren: Dagmar Hayen, Michael Unterberg und Brit Tiedemann EUROPEAN COMMISSION: This event received funding from the European Commission Directorate- General Justice Freedom and Security INTI "Integration of third country nationals" programme

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Stärken ausbauen – Existenzgründung von Migranten aus Nicht-EU-Staaten

Länderbericht Deutschland im Rahmen des Projekts INTI – Making Strength meet Demand

Expertise von Evers & Jung Autoren: Dagmar Hayen, Michael Unterberg und Brit Tiedemann

EUROPEAN COMMISSION: This event received funding from the European Commission Directorate-

General Justice Freedom and Security INTI "Integration of third country nationals" programme

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 1

INTI - Making Strength Meet Demand

Partnerorganisationen:

EMN - European Microfinance Network – Paris

ADIE – Paris Evers & Jung GbR - Hamburg

Fonds de Participation – Brüssel First Step Ltd - Dublin

NCN –Network Credit Norway – Oslo Fundacio UN SOL MÓN - Barcelona

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 2

Inhaltsverzeichnis

Executive summary .................................................................................................... 4 1 Hintergrund des Länderberichts......................................................................... 9

1.1 Projekt INTI – Making Strength Meet Demand............................................ 9 1.2 Bericht Deutschland ................................................................................... 11

1.2.1 Migrationsgeschehen.......................................................................... 11 1.2.2 Entwicklung der Zuwanderung nach Deutschland........................... 13

2 Selbstständigkeit von Drittstaatenmigranten in Deutschland ....................... 18 2.1 Zahlen und Entwicklung............................................................................. 18 2.2 Gründungsfördernde Faktoren.................................................................. 20

2.2.1 Langfristige Verbleibeabsicht............................................................. 21 2.2.2 Selbstverwirklichung und sozialer Aufstieg...................................... 21 2.2.3 Schwierige Arbeitsmarktsituation...................................................... 22 2.2.4 Ressourcen Familie und ethnische Ökonomie ................................. 24

2.3 Gründungshemmnisse............................................................................... 25 2.3.1 Rechtliche Rahmenbedingungen ....................................................... 25 2.3.2 Bürokratische Erfordernisse .............................................................. 26 2.3.3 Bildungs- und Qualifikationsniveau................................................... 27

3 Existenzgründungsberatung von Drittstaatenmigranten ............................... 30 3.1 Empirische Untersuchung von Angebot und Nachfrage ........................ 32

3.1.1 Methodisches Vorgehen ..................................................................... 32 3.1.2 Ergebnisse der Experteninterviews ................................................... 33

3.1.2.1 Zielgruppenorientierung.................................................................. 33 3.1.2.2 Beratungsprozess und- inhalte ...................................................... 35 3.1.2.3 Besonderheiten der Zielgruppe ...................................................... 38 3.1.2.4 Zielgruppenspezifische Beratungsmethodik und -instrumente ....... 41 3.1.2.5 Erfolgsfaktoren der Gründungsberatung von Migranten................. 45

3.1.3 Ergebnisse der Fokusgruppen mit Migranten................................... 47 3.1.3.1 Motive und Motivationen der Existenzgründung ............................. 47 3.1.3.2 Größte Herausforderungen und Probleme ..................................... 49 3.1.3.3 Gründungsberatung: Erwartungen und Erfahrungen...................... 52

3.2 Abgleich der Ergebnisse unter Hinzuziehung externer Daten................ 55 3.2.1 Übereinstimmende Faktoren .............................................................. 55 3.2.2 Abweichende Sichtweisen.................................................................. 58

3.3 Fazit: Diskussionsimpulse für Fachwelt und Beratungspraxis .............. 61 4 Existenzgründungsfinanzierung von Drittstaatenmigranten ......................... 64

4.1 Existenzgründungsfinanzierung in Deutschland..................................... 65 4.1.1 Zuschussprogramme im Rahmen des Sozialgesetzbuches (SGB). 66 4.1.2 Öffentliche Kredit- und Bürgschaftsprogramme .............................. 68 4.1.3 Mikrofinanzierung................................................................................ 72

4.2 Finanzierungszugang von Drittstaatenmigranten.................................... 77 4.2.1 Zugang zu Förderung durch die Bundesagentur für Arbeit............. 77 4.2.2 Zugang zu Bankfinanzierung und öffentlichen Fördermitteln ......... 78 4.2.3 Zugang zu Mikrofinanzierung ............................................................. 83

4.3 Verbesserung des Finanzierungszugangs von Drittstaatenmigranten.. 87 5 Literaturverzeichnis........................................................................................... 91 ANHANG .................................................................................................................... 94

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 3

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Aufenthaltsdauer der ausländischen Bevölkerung in Deutschland

(Stand 31.12.2004; in Prozent)...................................................................................15 Abbildung 2: Verteilung und Anzahl selbständiger Migranten in Deutschland

nach Staatsangehörigkeit im Jahr 2003 (ohne eingebürgerte Personen) ............ 20 Abbildung 3: Mit Überbrückungsgeld und Existenzgründungszuschuss

geförderte Gründungen aus der Arbeitslosigkeit 1998-2004 (Zugänge) .............. 67 Abbildung 4: Gründer 2002 differenziert nach nationaler Herkunft und nach

Finanzierungsbedarf ................................................................................................. 79 Abbildung 5: Gründe warum keine öffentliche Förderung in Anspruch

genommen wurde, differenziert nach nationaler Herkunft (Mehrfachnennungen)

.................................................................................................................................... 81 Abbildung 6: Geförderte Ausländer im Förderbereich Existenz-

/Unternehmensgründungen 1990-2002 nach Staatsangehörigkeit....................... 82

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Ausländische Bevölkerung nach Staatsangehörigkeiten (Stand

31.12.2003) ................................................................................................................. 13 Tabelle 2: Ausländer in Deutschland und in Deutschland geborene Ausländer

nach Herkunftsgruppen (Stand 31.12.2003)............................................................ 16 Tabelle 3 Arbeitslose Ausländer nach ausgewählten Staatsangehörigkeiten

(Stand 31.12.2003)..................................................................................................... 23 Tabelle 4 Schulbildung und berufliche Qualifikation (Stand 2003; in Prozent) ... 28 Tabelle 5: Berufliche Bildung von selbständig und abhängig Beschäftigten in

den alten Bundesländern nach ausgewählten Staatsangehörigkeiten (Stand 2002

in Prozent)...................................................................................................................29 Tabelle 6: : Übersicht Beratungsprozess und -inhalte............................................35

Tabelle 7: Mikrokredit Programme in Deutschland Transaktionen 2002 und

2003..............................................................................................................................73

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 4

Executive summary

Der vorliegende Länderbericht Deutschland analysiert die Beratungs- und Finanzie-

rungssituation von Existenzgründern mit Migrationshintergrund und selbstständigen Migranten aus Nicht-EU-Ländern (Drittstaaten) in Deutschland. Hierzu sind als Hinter-grund einige generelle Aspekte des Migrationsgeschehens in Deutschland anzuführen:

• Hohe Anzahl von Menschen mit Migrationshintergrund: Ende 2004

lebten etwa 15 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Deuschland.

Davon hatten 7,3 Millionen keine deutsche Staatsbürgerschaft ( 8,9 % Anteil an der Gesamtbevölkerung). 69 % dieser Ausländer sind Drittstaatenangehörige, die meisten aus europäischen Staaten. Die größte

Gruppe bilden Menschen türkischer Herkunft, gefolgt von Personen aus dem früheren Jugoslawien und Russland.

• Gastarbeiterzuzug und Familiennachzug: Der bis 1973 andauernde Zuzug

von zumeist ungelernten männlichen Arbeitsmigranten aus dem Mittelmeerraum und die darauf folgende Phase des Familiennachzugs hat die Struktur der Migrantenbevölkerung in Deutschland nachhaltig geprägt. Der

Anteil von in Deutschland geborenen Vertretern der zweiten oder dritten Migrantengeneration nimmt kontinuierlich zu. In jüngster Vergangenheit spielt die Arbeitsmigration eine weit geringere Rolle, auch die Zahl der

Asylbewerber ging in den letzten zehn Jahren merklich zurück. • Veränderungen in der Einwanderungspolitik: Nachdem sich die Politik

über lange Zeit eher auf die Abwehr weiterer Zuwanderung nach Deutschland

als auf die Integration der bereits Zugewanderten konzentriert hat, signalisiert das neue Staatsangehörigkeitsgesetz und die Ablösung des Ausländergesetzes durch das Zuwanderungsgesetz eine neue

integrationsorientierte Phase der deutschen Einwanderungspolitik. Selbstständigkeit als Weg zur Integration in den Arbeitsmarkt kann hierbei eine bedeutenden Rolle spielen.

• Unzureichender Aufenthaltsstatus vieler Drittstaatenangehöriger: Nach

Angaben des Ausländerzentralregisters hatten 2003, etwa 2,8 Millionen Drittstaatenangehörige eine unbegrenzte Niederlassungserlaubnis ohne

Beschränkung des Arbeitsmarktzugangs. 1,6 Millionen Personen hatten nur eine beschränkte Aufenthaltserlaubnis, die die Aufnahme einer selbstständi-gen oder nichtselbstständigen Arbeit von der Zustimmung der Ausländerbe-

hörde abhängig macht.

Die Selbstständigkeit von Migranten insgesamt und von Drittstaatenangehörigen im

Speziellen hat sich in den vergangen 20 Jahren sehr dynamisch entwickelt:

• Steigende Selbstständigkeitsraten: Zwischen 1983 und 2003 ist die

Selbstständigkeitsrate unter Drittstaatenmigranten von 3,2% auf 7% angestiegen. Die Selbstständigkeitsrate in der gesamten ausländischen Bevölkerung hat die Rate der deutschen Bevölkerung fast eingeholt (9,6% vs.

10,1%). Für Aussiedler und Spätaussiedler existieren nur Schätzwerte. Die Anzahl der selbstständigen Türken hat sich im Zeitraum von 1999 bis 2003 verdoppelt.

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 5

• Intensive Gründungsaktivität: Die Anzahl der Gründungen pro 10.000 Er-

werbspersonen ist in der Migrantenbevölkerung deutlich höher als in der

deutschen Bevölkerung. Besonders gründungsfreudig sind türkische Migran-ten für die 2002 ein Wert von 197 Gründungen pro 10.000 Personen ermittelt wurde, deutlich mehr als in der deutschen Bevölkerung (122).

Der Literatur zufolge können für die wachsende Zahl der selbständigen Drittstaaten-angehörigen in Deutschland unterschiedliche Ursachen verantwortlich gemacht und

spezifische Ressourcen identifiziert werden, die Gründungen von Migranten in Deutschland begünstigen:

• Langfristige Bleibeperspektive: Die Zunahme der Gündungsaktivität und

die vermehrt langfristige Verbleibeabsicht vieler Migranten in Deutschland scheinen eng zusammenzuhängen. Auch in Deutschland sozialisierte

Migranten der zweiten oder dritten Generation sind überproportional häufig unter Selbständigen vertreten.

• Selbstverwirklichung und sozialer Aufstieg: Aspekte der

Selbstverwirklichung, (eigene Ideen umzusetzen, der „eigene Chef“ sein) und der damit verbundene soziale Aufstieg sowie die Anerkennung in der Gesellschaft und eine erwartete Einkommensverbesserung werden als

wichtige Motivlagen für Selbstständigkeit unter Migranten angeführt. • Arbeitslosigkeit: Drittstaatenmigranten haben erhebliche Probleme auf dem

regulären deutschen Arbeitsmarkt. Ihre Arbeitslosenquote betrug 2003 über

25%. Obwohl in Umfragen der Anteil der Gründungen als Ausweg aus der Arbeitslosigkeit relativ niedrig ausfällt, scheinen mangelnde Alternativen auf dem Arbeitsmarkt ein wichtiger Auslöser für Selbstständigkeit unter

Drittstaatsangehörigen in Deutschland zu sein. • Ethnische Communities / Familie: Ethnische Netzwerke wie die weitver-

breiteten türkischen Communities in Großstädten und Ballungsgebieten bie-

ten Migrantenunternehmern besonders in der Gründungsphase Unterstützungsstrukturen, z.B. einen ersten Kundenstamm und einen Rekru-tierungspool für Mitarbeiter. Die Unterstützung durch Familienmitglieder ist

ebenfalls eine bedeutende Ressource v.a. für türkische Gründer. Dem gegenüber stehen spezifische Hindernisse, die Drittstaatenmigranten auf dem

Weg in ihre Selbstständigkeit entgegenstehen:

• Rechtliche Rahmenbedingungen und Bürokratieanforderungen: Die

Erlaubnis, eine selbstständige Tätigkeit auszuüben, ist an den Aufenthaltsstatus gebunden. Flüchtlingen mit Duldungsstatus und Asylbewerbern steht diese Möglichkeit nicht offen. Zusätzlich ist der mit der

Selbstständigkeit verbundene bürokratische Prozess selbst für Deutsche ohne Unterstützung schwierig zu bewältigen.

• Sprachdefizite: Sprachbarrieren im verbalen und noch häufiger im

schriftlichen Bereich behindern die Kommunikation mit Behörden, Banken oder auch Kunden.

• Niedriges Qualifikationsniveau: Drittstaatenmigranten v.a. aus der Türkei

haben v.a. in der beruflichen Bildung im Durchschnitt ein niedrigeres Qualifikationsniveau als Deutsche. Dies und die Schwierigkeiten bei der Anerkennung von in Drittstaaten erworbenen Qualifikationen können vor

allem in regulierten Handwerksbereich Hindernisse darstellen. Zusätzlich

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 6

fehlt vielen Gründern mit Migrationshintergrund kaufmännisches und rechtliches Basiswissen.

• Finanzierungszugang: Zahlreiche Selbstständige aus Drittstaaten sind auf

Finanzierung aus dem familiären Umfeld angwiesen, da der Zugang zu Bankkrediten schwierig ist.

Vor diesem Hintergrund herrscht in der Fachwelt breiter Konsens über die Notwendig-keit von spezifischen Beratungs- und Unterstützungsangeboten für Gründer und

Selbstständige aus Drittstaaten. Der vorliegende Bericht hat die Angebots- und Nach-frageseite dieser Beratungs- und Unterstützungsstrukturen in Deutschland analysiert, indem qualitative Befragungen von Beratern und Fokusgruppen mit Migranten selbst

durchgeführt wurden. Bei den Beratungs- und Unterstützungsinstitutionen können zwei Ansätze unterschie-den werden:

• Diejenigen Gründungsinitiativen, die ausschließlich auf Gründer mit Migrati-onshintergrund abzielen.

• Einrichtungen der allgemeinen Gründungsberatung oder der Gründungsbera-tung sogenannter benachteiligter Zielgruppen, die sich explizit auch mit den Bedürfnissen der Migranten auseinandersetzen und ihre Angebotspalette z.B.

auch durch die Einstellung von Mitarbeitern mit Migrationshintergrund dahin-gehend ergänzen

Bezüglich der Charakteristika selbstständiger Drittstaatenmigranten haben die qualita-tiven Ergebnisse die meisten Statistiken aus Literatur und Forschung bestätigt. Der spezifische Beratungs- und Unterstützungsbedarf, der von den befragten Experten

benannt wurde, lässt sich wie folgt zusammenfassen:

• Allgemeine Fragen der Existenzgründung und Unternehmensführung

(Entwicklung eines Gründungskonzepts, Finanzplanung, Steuerfragen, Kun-dengewinnung, Standortfragen etc.).

• Spezielle Aspekte (administrative Erfordernisse, Kommunikation mit deut-

schen Institutionen, Verschriftlichung von Gründungskonzepten, Vermittlung der deutschen Sichtweise von Gründung und Selbstständigkeit etc.).

Hierbei setzen die Experten auf bestimmte Methoden und/oder Instrumente, um dem Beratungsbedarf der Migranten passgenau zu begegnen:

• Nutzung vielfältiger Informationskanäle, v.a. auch der Migrantencommuni-

ty, zur Verbreitung des Angebots • Interkulturelle Kompetenz der Berater und Trainer

• Vertrauensbildung durch Berater mit Migrationshintergrund und die Mög-

lichkeit der Kommunikation in der Herkunftssprache der Klienten • Angebot von mehrsprachigem Informationsmaterial

• Akzeptanz und Motivation für den Business Plan und die Finanzplanung

entwickeln • Flexibler und individuell angepasster Beratungsprozess mit Fokus auf die

Strukturierung der Migranten und des Gründungsvorhabens. • Vereinfachung Komplexer Sachverhalte in Seminaren und persönlicher

Beratung.

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 7

• Unterstützung beim Umgang mit deutschen Institutionen und Integration in

bestehende Strukturen.

Verglichen mit dem Unterstützungsbedarf der in den Fokusgruppen befragten Migran-ten stimmen diese Strategien zumeist mit der Nachfrage überein. Allerdings ließen

sich einige Punkte identifizieren, die von den Gründungsberatungen noch nicht ausrei-chend adressiert werden oder die im Konflikt mit ihren Strategien stehen:

• Der Informationsgrad der Migranten über bestehende Unterstützungsein-

richtungen kann noch immer als nicht ausreichend bezeichnet werden. • Es existiert ein Konflikt zwischen dem Fokus der Berater, Migranten in ih-

rer Spontaneität zu bremsen und zu strukturieren und dem Empfinden der

Migranten, demotiviert und nicht ernst genommen zu werden. • Auf Seiten der Migranten gibt es den starken Wunsch nach erfahrungsba-

sierter Prognosefähigkeit der Berater und stärkerer tatkräftiger Unter-

stützung z.B. beim Schreiben von Businessplänen. • Die Kritik der Berater wird selten als konstruktiv empfunden, das Angebot

von Alternativen bezüglich Gründungsidee oder –umsetzung wird ver-

misst. • V.a. nicht-türkische Gründer und Selbstständige wünschen sich stärkere Un-

terstützung beim Aufbau persönlicher und professioneller Netzwerke.

Literaturanalyse und Interviews zeigen, dass der Zugang zu Fremdfinanzierung für die

Gründung und Selbstständigkeit ein ernsthaftes Problem für Drittstaatenmigranten darstellt.

• Finanzierung mit Bankkrediten findet bei Drittstaatenmigranten deutlich sel-

tener statt als bei Deutschen. Gründe sind eine geringe Nachfrage von Seiten der Migranten sowie häufige Ablehnung durch die Banken.

• Ursachen für die Ablehnung: Schwierigkeiten bei der formalen Darstellung

von Geschäftskonzept und Kreditantrag. Außerdem fallen Migranten häu-

fig in Risikokategorien der bankinternen Ratingsysteme. • Den Banken wird von vielen Experten fehlende interkulturelle Beratungs-

kompetenz bescheinigt. • Auch die öffentlichen Förderprogramme werden nur unterdurchschnittlich

von Migranten beansprucht, ihnen fehlt häufig die Information über die beste-henden Möglichkeiten.

• Aufgrund des Bedarfs an i.d.R. geringen Kreditsummen sind Drittstaaten-migranten potenzielles Klientel von Mikrofinanzierung.

• Spezielle Förderprogramme oder Mikrofinanzierungsinitiativen mit der Zielgruppe Gründer mit Migrationshintergrund existieren nicht.

Da im europäischen Kontext die Vergabe von Mikrokrediten zunehmend als wichtiges Instrument der Unterstützung und Förderung von Gründungen durch Drittstaaten-

migranten gesehen wird, hat der vorliegende Bericht die deutsche Situation im Bereich der Mikrofinanzierung von Migranten eingehender betrachtet:

• Der Mikrofinanzierungsektor ist in Deutschland generell unterentwickelt • Mit Ausnahme der KfW-Programme sind keine offiziellen Daten über den

Zugang von Migranten zu Mikrokreditprogrammen verfügbar

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 8

• Der Anteil von Migranten in den öffentlichen KfW-Förderprogrammen, die auf kleine Gründungen und Unternehmen abzielen ist wesentlich größer als ihr

Anteil in den sonstigen Förderprogrammen • Die Erfahrungen aus dem Kleinstkreditprogramm in Hamburg, das Gründun-

gen aus der Arbeitslosigkeit unterstützt, weisen darauf hin, dass bei grün-

dungswilligen Drittstaatenmigranten ein hoher Bedarf an Kleinstkrediten besteht. Sie sind unter den Antragstellern für das Programm deutlich überre-präsentiert und weisen eine ähnliche Bewilligungsquote wie deutschen An-

tragsteller auf. Zur Verbesserung des Finanzierungszugangs von Existenzgründern und Unterneh-

mern mit Migrationshintergrund können folgende Empfehlungen gegeben werden:

• Verstärkte Lobbyarbeit bei Banken: Kreditkampagne für Migranten-

Unternehmen, Dialog zwischen Kreditinstituten und gründungswilligen Migranten herstellen, erfolgreiche Gründer in Publikationen portraitieren, Ver-trauen der Banken in die Gründer schaffen.

• Gleichermaßen Lobbyarbeit bei Mikrofinanzierern: Betonung, dass Mi-

granten hier potenzielle Zielgruppe sind und daher interkulturelle Trainings oder die Berücksichtigung besonderer Methodik in der Pre- und Post-loan Be-

ratung Einzug halten sollten. Kooperation der Gründungsinitiativen für Migranten mit Mikrofinanzierern.

• Regionale Kooperationen: Verstärkte Initiierung von regionalen Kooperatio-

nen zwischen Gründungsinitiativen für Migranten und Banken zur verstärkten Durchleitung von Mikrokrediten an die Zielgruppe.

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 9

1 Hintergrund des Länderberichts

1.1 Projekt INTI – Making Strength Meet Demand

Der Zugang zum Arbeitsmarkt und die Möglichkeit, eigenständig Erwerbseinkommen

zu generieren, sind in allen EU Mitgliedsstaaten maßgebliche Faktoren für die Integra-tion von Migranten aus Drittstaaten. Allerdings ist der Zugang zu abhängiger Beschäf-tigung für diese Gruppe vielfach aufgrund der schlechten Arbeitsmarktsituation und

erschwerter rechtlicher Regularien problematisch. Selbstständigkeit wird auch und gerade für Migranten aus Nicht-EU-Ländern zunehmend eine Alternative. Um das vorhandene Potenzial auszuschöpfen ist es essentiell, dass diese Migranten adäquate

Unterstützung bei der Entwicklung und Umsetzung ihrer Pläne erhalten. Dies kann zum einen in Form von Beratungsleistungen und konkreten Hilfestellungen erfolgen, die auf die Bedürfnisse dieser Zielgruppe zugeschnitten sind. Zum anderen ist der

Zugang zu Kapital ein bedeutender Aspekt, der sich trotz eines i.d.R. geringen Bedarfs für Drittstaatenmigranten noch schwieriger gestaltet als für EU Bürger selbst. Mikro-kredite wurden als Instrument der Zugangserleichterung für von der reinen Bankfinan-

zierung Ausgeschlossene bereits in vielen Mitgliedsstaaten eingeführt. Allerdings gibt es auch hier selten Mikrofinanzierungsprogramme, die bei Beratung, Kreditvergabe und Nachgründungsbetreuung explizit spezifische Hintergründe und Bedürfnisse der

Zielgruppe Drittstaatenmigranten einbeziehen. Vor diesem Hintergrund führte das European Microfinance Network (EMN) als Projekt-

träger gemeinsam mit sechs Partnern1 von Juni 2005 bis Dezember 2006 das Projekt „Integration of nationals of non-member countries through entrepreneurship and the strengthening of micro credit networking activities – making Strength meet Demand“ durch. Finanziert wurde das Projekt von der Europäischen Kommission, Generaldi-

rektion Justiz und Inneres über das Programm INTI – Integration von Drittstaats-

angehörigen. Das Programm verfolgt als Ziele die Förderung des Dialogs mit der

Zivilgesellschaft, die Entwicklung von Integrationsmodellen, die Suche und Bewertung bewährter Praktiken im Integrationsbereich und den Aufbau von Netzen auf europäi-scher Ebene.

Ein Meilenstein des Projekts liegt in der Erstellung von Länderberichten zur Situation von Selbstständigen und Existenzgründern aus Drittstaaten und zur Bestandsaufnah-

me existierender Unterstützungs- und Finanzierungsstrukturen für diese Zielgruppe. Hierbei waren in den Partnerländern v.a. folgende Dimensionen zu berücksichtigen:

1. Nationaler Hintergrund von Migration: Wie stellt sich die Entwicklung der Migrationsgeschichte dar, was sind die bedeutendsten Einwanderungsgrup-pen und welches die aktuelle Herausforderungen? Wie verhält es sich mit

Migrationspolitik und rechtlichen Rahmenbedingungen der Migration? 2. Selbstständigkeit von Drittstaatenmigranten: Wie ist sieht es bei dieser Ziel-

gruppe mit der Dynamik von Selbstständigkeit aus? Welches sind gründungs-

fördernde, welches gründungshemmende Faktoren?

1 First Step (Irland), Fundacion Un Sol Món (Spanien), Fonds de Participation (Belgien), Evers & Jung

(Deutschland), Adie (Frankreich) und NCN (Norwegen)

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 10

3. Existenzgründungsberatung von Drittstaatenmigranten: Wie sieht die allge-meine Landschaft der Existenzgründungsförderung im jeweiligen Partnerland

aus? Gibt es darüber hinaus zielgruppenspezifische Beratungs- und Unter-stützungsangebote und können hier Beispiele skizziert werden (best practi-ce)? Wie sieht der zielgruppenspezifische Beratungsbedarf aus und stimmt

dieser mit dem Angebot überein? 4. Zugang zu Finanzierung: Welche Eckpfeiler der Existenzgründungsfinanzie-

rung gibt es? Wie stark partizipieren Drittstaatenmigranten an den vorhande-

nen Finanzierungsprogrammen? Gibt es Mikrofinanzierungsinitiativen und wenn ja, berücksichtigen diese explizit die oben genannten Zielgruppe?

5. Handlungsempfehlungen: Wie ließen sich die Rahmenbedingungen für Exis-

tenzgründung von Drittstaatenmigranten in den Partnerländern verbessern? Wie ließe sich das vorhandene Gründungspotenzial in dieser Zielgruppe bes-ser ausschöpfen? Welche Unterstützungsmaßnahmen wären hierzu zusätz-

lich notwendig oder zu überdenken? Welche Möglichkeiten gibt es, den Finanzierungszugang von Drittstaatenmigranten zu verbessern, welche Rolle könnte Mikrofinanzierung hierbei spielen?

Evers & Jung als deutscher Partner des Projekts legt mit dieser Veröffentlichung den Länderbericht Deutschland vor, der über eine reine Bestandsaufnahme hinaus v.a.

Anregungen für Diskussionen in Politik und Praxis der Existenzgründungsförderung von Migranten liefern soll.

Die diesem Bericht zugrunde liegende Definition von Migranten lehnt sich aufgrund des Projektkontextes an die Zielgruppe der Drittstaatenmigranten des Rahmenpro-gramms INTI an. Wenn hier also von Migranten gesprochen wird, sind – sofern dafür

gesonderte Daten vorliegen – Migranten aus Staaten außerhalb der Europäischen Union gemeint. Ein Problem ist häufig, dass diese in Statistiken nicht gesondert aufge-führt werden oder auch von Beratungseinrichtungen nicht gesondert erfasst und ab-

grenzend wahrgenommen werden. Gemäß der INTI-Definition umfasst diese Studie sowohl die in Deutschland lebenden Staatsangehörigen von Nicht-EU Staaten sowie eingebürgerte Personen aus Nicht-EU Staaten. Die Kinder von Immigranten, die viel-

fach in Deutschland geboren und/oder aufgewachsen sind und somit nicht über eigene Migrationserfahrungen verfügen, werden (oft) als Menschen mit Migrationshintergrund definiert.2 Doch auch wenn diese Menschen die deutsche Staatsbürgerschaft besit-

zen, werden sie von der Mehrheitsgesellschaft als Ausländer oder als Fremde wahr-genommen und sind häufig von Integrationsproblemen betroffen.

Eine Definition die dem Verständnis des Verbandes deutscher Gründungsinitiativen (VDG) ähnelt, der in seinem Arbeitskreis Migration den Begriff „Migrant/in“ wie folgt definiert: „Einen Migrationsstatus besitzt ein Bürger, dessen Vater bzw. Mutter

und/oder deren Elternteile beide nicht aus der Bundesrepublik Deutschland stammen und/oder jeder, den – unwichtig, ob er über einen deutschen Pass verfügt oder nicht – die umgebende Gesellschaft für fremd hält bzw. als solchen behandelt.“3

Gerade in Deutschland gestaltet sich der Umgang und die Abgrenzung des Begriffs „Migrant“ schwierig. Rechtlich wird lediglich der Status „Ausländer“ in Abgrenzung zum

Status „Deutscher“ im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes bestimmt,

2 Vgl. Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration (2005), S. 23.

3 Vgl. Verband Deutscher Gründungsinitiativen (VDG) (2005), S. 6.

Definition Drittstaaten-migranten

In Deutschland wohnende Personen, deren Vater bzw. Mutter und/oder deren Elternteile beide nicht aus der Bundesrepublik Deutschland oder einem EU-Mitgliedstaat stammen

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 11

d.h. Ausländer sind solche Personen die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besit-zen.4 Dies spiegelt sich auch in allen amtlichen Statistiken wieder und erschwert die

Identifikation von Drittstaatenmigranten nach der obigen Definition. Wenn in diesem Bericht von Nicht-EU Ausländer oder Drittstaatenmigranten gesprochen wird, bezieht sich dies bei statistischen Aussagen somit - wenn nicht anders gekennzeichnet - auf

Personen, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.

1.2 Bericht Deutschland

Die Aufgabe der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Integration von Migranten insgesamt und Drittstaatenmigranten im Besonderen ist in Deutschland erst in den letzten Jahren zunehmend in die öffentliche Aufmerksamkeit gerückt. Dabei ist

Deutschland trotz oftmals geäußerter gegenteiliger Behauptungen schon seit vielen Jahren ein Einwanderungsland. Menschen und Familien ausländischer Herkunft sind längst integraler Bestandteil der Bundesrepublik Deutschland. Gemessen an der abso-

luten Zahl der Zuwanderer ist Deutschland innerhalb der OECD sogar das zweitwich-tigste Einwandererland hinter den USA.5 Doch im Gegensatz zur USA werden Migranten in Deutschland nur sehr zögerlich als Bereicherung der bundesdeutschen

Gesellschaft und ihrer sozio-ökonomischen Strukrturen angesehen. Es überwiegt die Perspektive auf Zuwanderung als Problem und Integration als Krisenbewältigung. Eine positiver Zugang zu Immigration, der es sich zur Aufgabe macht, die Potenziale und

Ressourcen der zugewanderten Menschen zu erkennen und für die deutsche Gesell-schaft und Wirtschaft zu nutzen lässt auf sich warten.

1.2.1 Migrationsgeschehen

Betrachtet man die Statistiken zum Migrationsgeschehen in Deutschland, verwundert es, wie hartnäckig sich die Weigerung, Deutschland als Einwanderungsland zu ver-stehen, gehalten hat. Ende 2003 lebten 7,3 Millionen Menschen mit ausländischem Pass in der Bundesrepublik Deutschland. Damit betrug der offizielle Anteil der Perso-nen ohne deutsche Staatsbürgerschaft an der Gesamtbevölkerung 8,9 %, wobei zwi-schen West- und Ostdeutschland erhebliche Unterschiede existieren. So lag 2003 der Anteil in Westdeutschland mit 10,2 % deutlich über dem Anteil von 2,3 % in Ost-deutschland (ohne Berlin).6 Die Zuzüge nach Deutschland nehmen seit Anfang der Neunziger Jahre beständig ab und sanken 2003 mit rund 769.000 das erste Mal seit auf unter die Grenze von 800.000 Personen. Im Jahr 2004 wurden etwa 780.000 Zu-züge registriert.7 Zuzüge aus Nicht-EU Ländern fanden dabei bevorzugt im Bereich der temporären Arbeitsmigration (Saisonarbeiter) statt. Da die offizielle Statistik zur ausländischen Bevölkerung ausschließlich auf der Staats-angehörigkeit basiert8, und somit eingebürgerte Personen ebenso wie die vorwiegend aus Russland und Osteuropa stammenden (Spät-)Aussiedler nicht erfasst, geben

diese Zahlen allerdings nur einen Teil der tatsächlichen in Deutschland lebenden Be-

4 Vgl. Hesselberger, Dieter (2001), S. 368.

5 Vgl. OECD (2005) S.2.

6 Quelle: Statistisches Bundesamt (2005).

7 Vgl.: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2006), S. 5.

8 Vgl. Haug (2005).

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 12

völkerung mit Migrationshintergrund wieder. Im Juni diesen Jahres legte das Statisti-sche Bundesamt erstmals Zahlen vor, die auf der Basis des Mikrozensus von 2005

diese Bevölkerungsgruppe näher bestimmte.9 Demnach weist fast ein Fünftel der Bevölkerung in Deutschland (19%) einen Migrationshintergrund auf. Insgesamt lebten 2005 dem Mikrozensus zufolge 15,3 Millionen Menschen in Deutschland, die nach der

angelegten Definition einen Migrationshintergrund haben. Diese umfasst sowohl aus-ländische (7,3 Millionen) als auch deutsche Staatsbürger (8,0 Millionen). Darunter sind etwa zugewanderte und in Deutschland geborene Ausländer, Spätaussiedler, Einge-

bürgerte mit persönlicher Migrationserfahrung sowie auch deren Kinder, die selbst keine unmittelbare Migrationserfahrung aufweisen. Personen mit Migrationshin-tergrund sind entweder selbst zugewandert oder gehören der zweiten bzw. dritten

Generation an. Über die Zahl der illegalen Einwanderer in Deutschland gibt es keine verlässlichen Zahlen. Schätzungen gehen von 150.000 bis 1 Millionen Personen in Deutschland ohne jeglichen legalen Status aus.10

Unterschieden nach der Herkunft11 dominieren in der ausländischen Wohnbevölke-rung der Bundesrepublik Deutschland Immigranten aus Europa (siehe Tabelle 1). Lediglich 10,9% aller in Deutschland gemeldeten Personen ohne deutsche Staatsbür-

gerschaft stammen nicht aus einem europäischen Land. EU-Bürger nehmen darunter einen recht großen Anteil ein. Etwa ein Viertel aller in Deutschland als Ausländer re-gistrierten Personen besaß Ende 2003 die Staatsangehörigkeit eines EU-Staates

(27,3%). Dieser Anteil ist seit Mitte der 90er Jahre weitgehend konstant geblieben, und hat lediglich durch die EU-Osterweiterung im letzten Jahr einen größeren Anstieg erfahren. Den größten Anteil an allen EU-Ausländern stellten zum Jahresende 2003

Staatsangehörige Italiens mit 25,6%, gefolgt von Griechenland mit 15% und Österreich (8%). Die größte Gruppe der ausländischen Wohnbevölkerung aus Nicht-EU Staaten bildeten 2003 die türkischen Staatsangehörigen. Obwohl ihr Anteil in den letzten Jah-

ren leicht zurückgegangen ist, stellen Migranten aus der Türkei mit 1,87 Mio Personen immer noch ein Viertel der gesamten ausländischen Bevölkerung in Deutschland. Nimmt man eingebürgerte Personen hinzu, lebten 2003 über 2,4 Millionen Menschen

türkischer Abstammung im Bundesgebiet. Die zweitgrößte ausländische Bevölke-rungsgruppe aus Nicht-EU Staaten stammt aus den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien. 2003 waren 568 240 Personen (7,7%) aus Serbien-Montenegro, 236 570

Personen (3,2%) aus Kroatien und 167 081 Migranten (2,3%) aus Bosnien-Herzegowina in Deutschland gemeldet. Unter den Ausländern nichteuropäischer Herkunft stellten 2003 neben den USA (112,900 Personen) Migranten aus dem Iran

(81 500 Personen), Marokko (79800) und China ( 76700) die größten Gruppen. Angesichts ihres Anteils von fast 40% an allen Nicht-EU Ausländern in Deutschland ist die Gruppe der türkischstämmigen Migranten in den meisten Studien zur wirtschaftli-

chen und gesellschaftlichen Integration von Migranten überrepräsentiert. Da für diesen Bericht keine statistische Primärerhebung durchgeführt wurde und eine Unterschei-dung nach EU-Bürgern und Nicht-EU-Bürgern in den meisten zugänglichen statisti-

schen Auswertungen nicht verfolgt wird, kommt auch dieser Bericht in einigen Fällen aus Mangel an detaillierteren Zahlen nicht umhin, auf Daten für die gut untersuchte Gruppe der türkischstämmigen Bevölkerung zu verwiesen, um wenigstens eine An-

nährung an die Situation der Nicht-EU Bevölkerung in Deutschland zu ermöglichen.

9 Vgl. Statistisches Bundesamt (2006), S.9.

10 vgl. Geißler (2004), S. 41.

11 Quelle: Statistisches Bundesamt (2005).

Herkunft der Migranten in Deutschland

• Die Migration nach Deutschland ist europäisch dominiert.

• Mit 2,4 Mio. Personen türkischer Herkunft stammt fast die Hälfte der Nicht-EU Migranten aus ei-nem Land, das in Beitrittsverhand-lungen zur EU steht.

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 13

Tabelle 1: Ausländische Bevölkerung nach Staatsangehörigkeiten (Stand 31.12.2003)

Insgesamt Land der Staatsangehörigkeit

1000 %

Europa

EU-Staaten insgesamt*

Nicht-EU Staaten insgesamt

Darunter:

Türkei

Ehem. Jugoslawien

Kroatien

Russische Föderation

Bosnien und Herzegowina

Rumänien

5800,4

2347,0

3112,2

1877,7

568,2

236,6

173,5

167,1

89,1

79,1

27,3

42,4

25,6

7,7

3,2

2,4

2,3

1,2

Afrika

Darunter:

Ghana

Marokko

Tunesien

310,9

24,0

79,8

24,5

4,2

0,2

1,1

0,3

Amerika 228,5 3,1

Asien

Darunter:

Afghanistan

China

Indien

Iran

Libanon

Sri Lanka

Thailand

912,0

65,8

76,7

43,6

81,5

46,8

41,1

48,7

12,4

0,9

1,1

0,6

1,1

0,6

0,6

0,7

Australien und Ozeanien 12,1 0,2

Staatenlos 17,0 0,2

Ungeklärt / ohne Angabe 53,8 0,7

Insgesamt

*EU-15

7334,6 100

Quelle: Statistisches Bundesamt (2005)

1.2.2 Entwicklung der Zuwanderung nach Deutschland

Historisch gesehen begann die Entwicklung der Einwanderung in die Bundesrepublik

Deutschland zehn Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und hat sich in den vergangenen 50 Jahren sowohl hinsichtlich ihrer Dynamik und politischen Bearbei-

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 14

tung mehrfach stark gewandelt. Grob lassen sich dabei nach Geißler12 vier Phasen identifizieren.

Die Jahre 1955 bis 1973 markieren dabei die erste und begründende Periode der Einwanderung nach Deutschland in der Nachkriegszeit. In dieser „Anwerbephase“ der Arbeitsmigration warb die deutsche Regierung gezielt Menschen aus den Mittelmeer-

Ländern zur Deckung des Arbeitskräftebedarfs der zunehmend prosperierenden deut-schen Wirtschaft an. Entsprechende Abkommen wurden mit Italien (1955), Spanien und Griechenland (1960), der Türkei (1961), Marokko (1963), Portugal (1964), Tune-

sien (1965) und Jugoslawien (1968) abgeschlossen. Die angeworbenen Arbeitskräfte sollten nach einigen Jahren wieder in ihre Heimatländer zurückkehren und bei Bedarf durch neue Arbeitsmigranten ersetzt werden. Zwischen 1955 und 1973 kamen ca. 14

Millionen Ausländer in die Bundesrepublik, etwa elf Millionen davon kehrten wieder in ihre Heimatländer zurück. Zu Beginn der Siebziger Jahre änderte die Ölkrise mit der folgenden Wirtschaftsrezes-

sion und nach Kriegsende erstmals drohender Arbeitslosigkeit die ökonomischen Rahmenbedingungen für diese Form der Förderung von Arbeitsmigration schlagartig. Die Bundesregierung verhängte 1973 einen bis heute gültigen Anwerbestopp für aus-

ländische Arbeitskräfte und leitete eine Phase der Konsolidierung und ersten Integrati-onsversuche ein, die bis 1980 dauern sollte. In dieser Zeit entschied sich die grundlegende demographische Struktur der ausländi-

schen Bevölkerung in Deutschland. Denn während die Zahl der ausländischen Arbeit-nehmer bereits kurz nach 1973 von 2,6 Millionen auf unter 2 Millionen sank, nahm die Zahl der ausländischen Wohnbevölkerung durch Familiennachzugsgelungen und hohe

Geburtenraten der Migranten rasch weiter zu. Die deutsche Gesellschaft und ihre politische Führung sah sich zunehmend vor die Herausforderung gestellt auf den Wandel von kurzfristigen „Gastarbeitern“ zu länger verweilenden ausländischen Ar-

beitnehmern zu reagieren und den bleibewilligen Teil der Arbeitsmigranten und ihrer Familien einzugliedern. Daher wurde 1978 auch das Amt des Integrationsbeauftragten eingerichtet.

Anfang der 80er wurde in Deutschland dann ein neues Migrationsphänomen offen-sichtlich: der Andrang Asylsuchender und Flüchtlinge aus europäischen und außereu-ropäischen Krisengebieten. Schon 1980 verdoppelte sich die Zahl der Asylbewerber in

Deutschland gegenüber dem Vorjahr und überstieg mit 108.000 erstmals die 100.000-Grenze. In den folgenden Jahren dominierte zunehmend eine Mischung aus Angst vor Überfremdung und Arbeitsplatzverlust die öffentliche Aufmerksamkeit zum Thema

Ausländer und Einwanderung. Auch unter diesem Aspekt ist die nachdrücklichen Wende in der deutschen Ausländerpolitik unter der christdemokratischen Regierung Helmut Kohls zu verstehen. Die Integrationsbemühungen der Siebziger Jahre wurden

von einer immer strikteren Begrenzungspolitik abgelöst. Deutlicher Ausdruck dieses Wechsels war die Umbenennung des Amt des Integrationsbeauftragten in „Ausländer-beauftragten“ Anfang der 80er. Diese „Abwehrphase“ in der deutschen Ausländerpoli-

tik sollte nahezu zwei Jahrzehnte andauern und erst 1998 mit der Zuwanderungspolitik der rot-grünen Regierung ein Ende finden. Nach der deutschen Vereinigung 1990 nahm in der Folge der Krise und des Zusam-

menbruchs der sozialistischen Systeme der Zuwanderungsdruck eine neue Qualität an. Zu den Asylsuchenden aus den Armuts- und Konfliktregionen der Dritten Welt kamen viele Menschen, die die geöffneten Grenzen im Osten dazu nutzten, den Kri-

sen und kriegerischen Auseinandersetzungen in Ost- und Südosteuropa zu entkom-men. 1992 erreichte die Zahl der Asylsuchenden mit 438.000 Antragstellenden einen

12 vgl. hierzu und folgend Geißler (2004) S. 35-41.

Vier Phasen der Ausländer-politik in der BRD

1955-1973

Anwerbephase – Arbeits-migration aus Mittelmeer-ländern

1973-1980

Konsolidierungsphase – Anwerbestopp und erste Integrationsversuche

1980- 1998

Abwehrphase - Asyl und Flüchtlinge bestimmendes Thema

Seit 1998

Reformphase – Einwande-rungssteuerung und neues Staatsangehörigkeitsgesetz

Flüchtlinge und Asylbewer-ber

• Zahl der Asylsuchende von über 400.000 im Jahr 1992 auf unter 40.000 gefallen.

• Gegenwärtig 1 Mio. Menschen mit dem Status“ Humanitärer Flücht-ling“

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 15

Höhepunkt. Mit der Änderung des Asylrechts durch die Drittstaatenregelung“ im Jahr 1993 ging die Zahl der Asylsuchenden schlagartig zurück. 2004 fiel sie mit 35.607 auf

den niedrigsten Stand seit 1978. Gegenwärtig leben etwa 1 Million humanitäre Flücht-linge in Deutschland. Doch trotz aller offiziellen Abwehrmaßnahmen und Beteuerungen, Deutschland sei

kein Einwanderungsland, nahm die ausländische Bevölkerung in Deutschland zwi-schen 1988 bis 1996 erneut stark von 4,5 Millionen auf 7,3 Millionen zu. Abseits der öffentlichen Wahrnehmung hatte sich der Einsatz ausländischer Arbeitskräfte wieder

verstärkt, die Zahl erwerbstätiger Ausländer nahm zwischen 1987 und 1993 um fast zwei Drittel von 1,8 Millionen auf drei Millionen zu. Außerdem hatten immer mehr Zu-wanderer aus den ehemaligen Anwerbeländer ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland

gefunden. Diese Entwicklung hat sich seitdem weiter verstärkt. So belegen Umfrage-daten des sozioökonomischen Panels, dass inzwischen nur noch ein kleiner Teil der ehemaligen Gastarbeiter und ihrer Familienangehörigen konkrete Rückkehrabsichten

hegt. Bezogen auf die gesamte deutsche Wohnbevölkerung mit ausländischer Staats-angehörigkeit kann von einer mehrheitlichen Verfestigung des Aufenthalts gesprochen werde. So lebten Ende 2004 knapp 61 % aller ausländischen Staatsbürger mehr als

10 Jahre in Deutschland, 42,3 % der Ausländer hatten Aufenthaltszeiten von mehr als 15 Jahren aufzuweisen, etwa ein Drittel (33,5%) lebte seit zwanzig Jahren oder länger in Deutschland, 20,1 % sogar 30 Jahre und mehr13.

Neben den langen Aufenthaltszeiten weist auch der Anteil der in Deutschland gebore-

nen Kinder und Jugendlichen darauf hin, dass Migranten inzwischen zu einem festen Bestandteil der deutschen Bevölkerung geworden sind. 64% der ausländischen Ju-gendlichen im Alter zwischen 6 und 18 leben seit ihrer Geburt in Deutschland und sind

hier aufgewachsen, in der Altersgruppe bis 6 Jahre sind es sogar fast 85%14. Jede fünfte in Deutschland lebende Person ohne deutsche Staatsangehörigkeit wurde in Deutschland geboren (20,5 %). Für Nicht-EU Staaten sind hohe Anteil von in Deutsch-

land geborenen Personen vor allem in der Gruppe der Staatsangehörigen der Türkei (34,9 %) und bei Marokkanern (21,1 %) festzustellen. Allerdings nimmt der Anteil der in Deutschland geborenen Kinder ohne deutsche Staatsbürgerschaft seit einigen Jah-

ren ab.

13 Quelle: Statistisches Bundesamt (2005)

14 Vgl. Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration (2005), S. 570f.

Zunehmende Verfestigung des Aufenthalts in Deutsch-land

• Lange Aufenthaltsdauer der aus-ländischen Bevölkerung

• Anteil der in Deutschland gebore-nen Personen mit Migrationshin-tergrund nimmt zu

Abbildung 1: Aufenthaltsdauer der ausländischen Bevölkerung in Deutschland (Stand 31.12.2004; in Prozent)

0

10

20

30

40

50

60

70

weniger als10 Jahre

mehr als 10Jahre

mehr als 15Jahre

mehr als 20Jahre

30 Jahreund mehr

Quelle: Statistische Bundesamt (2005),)

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 16

Tabelle 2: Ausländer in Deutschland und in Deutschland geborene Ausländer nach Herkunftsgruppen (Stand 31.12.2003)

Staatsangehörigkeit Ausländer in Deutschland In Deutschland geboren

EU-Staaten* 1 849 968 418 141

Europäische Nicht-EU-Staaten 3 950 443 909 224

Afrika 310 943 42 767

Asien 911 995 96 501

Sonstige

*EU-15

311 416 33 366

Quelle: Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration (2005), S. 581.

Die jahrelange politische Missachtung dieser Entwicklung führte zu einem erheblichen Regulierungsstau, den erst die 1998 ins Amt gewählte rot-grüne Regierung gewillt war aufzulösen. Die von ihr eingeleiteten Veränderungen in der politischen Regulation des

Einwanderungsgeschehens sind beträchtlich. So gilt seit 1. Januar 2000 ein liberalisiertes Staatsangehörigkeitsrecht, das eine gra-duelle Abkehr vom traditionellen Prinzip des ius sangus (Recht des Blutes) zum mo-

derneren Prinzip des ius soli (Recht des Bodens) markiert. Vier Jahre seit seinem Inkrafttreten hatten sich bereits 787.217 Personen einbürgern lassen (Stand 31.Dezember 2004); dies waren im Durchschnitt 157.443 Einbürgerungen pro Jahr15.

Mit dem im Rahmen des am 1.1.2005 in Kraft getretenen Zuwanderungsgesetz einge-führten Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Aus-ländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz – AufenthG) wurde schließlich zum

ersten Mal in der deutschen Geschichte die Integration der einwandernden Migranten als übergeordnetes Ziel der deutschen Ausländerpolitik festgelegt. Der Schwerpunkt der durch das Gesetz eingeführten Neuerungen liegt jedoch vor allem darauf, die

bürokratische Regulierung der Zuwanderung nach Deutschland transparenter zu ges-talten und die Zuwanderung in die Bundesrepublik für hochqualifizierte Migranten von außerhalb der EU zu erleichtern.

Die wichtigsten Änderungen stellen die Reduzierung der bislang fünf Aufenthaltstitel auf zwei (Niederlassungserlaubnis und Aufenthaltserlaubnis) und die Definition von konkreten Aufenthaltszwecken (Erwerbstätigkeit, Ausbildung, Familiennachzug und

humanitäre Gründe) für die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen dar. Die einge-schränkten Aufenthaltstitel der Duldung und der Aufenthaltsgestattung wurden beibe-halten.

Gemessen an den langen Aufenthaltszeiten – insbesondere der angeworbenen aus-ländischen Arbeitnehmerfamilien – und der Tatsache, dass für die meisten Ausländer Deutschland zum Lebensmittelpunkt geworden ist, beurteilt der Lagebericht der Migra-

tionsbeauftragten von 2005 den Aufenthaltsstatus und den Arbeitsmarktzugang vieler Drittstaatsangehöriger als nach wie vor unbefriedigend16. Für die bereits in Deutschland lebenden Migranten aus Nicht-EU-Staaten veränderte

sich mit dem neuen Gesetz wenig. Zwar wurden ihre bestehenden Aufenthaltstitel in die beiden neuen Titel überführt, doch die Erlaubnis der Erwerbstätigkeit und damit der Arbeitsmarktzugang bleibt weiterhin an den Aufenthaltstitel gebunden. Nur die

unbefristete Niederlassungserlaubnis (früher: Aufenthaltsberechtigung und unbefriste-te Aufenthaltserlaubnis) garantiert ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in der Bundesre-

15 Quelle: Statistisches Bundesamt (2005)/eigene Berechnung

16 vgl. Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration (2005)

Aufenthaltsgesetz (Auf-enthG)

• Seit 1.1.2005 in Kraft.

• Reduzierung der Aufenthaltstitel von fünf auf zwei.

• Erleichterung des Arbeitsmarkt-zugangs für hochqualifizierte Nicht-EU Migranten

• Kaum Veränderungen für bereits in Deutschland lebende Nicht-EU Migranten

• Selbstständigkeit wir als eigen-ständiger Aufenthaltszweck (Be-reich Erwerbstätigkeit) aufgeführt

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 17

publik Deutschland mit unbeschränkter Ausübung der Erwerbstätigkeit und ohne räumliche Beschränkungen17. Eine Aufenthaltserlaubnis berechtigt grundsätzlich nur

dann zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit (abhängige Beschäftigung oder Selbstän-digkeit), wenn die Aufenthaltserlaubnis dies ausdrücklich vorsieht. Dies wird im Pass mit einem Vermerk ,Rechtsgrundlage für die Aufenthaltserlaubnis ist ...’ genauer erläu-

tert. Hier wird angegeben, ob die Ausübung gestattet ist und welchen Umfang und Art die Erwerbstätigkeit umfassen darf. Dazu prüft die Ausländerbehörde, ob die allgemei-nen ausländerrechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis

vorliegen. Liegen diese Voraussetzungen vor, holt die Ausländerbehörde die Zustim-mung der Bundesagentur Arbeit für die Aufnahme einer Beschäftigung ein. Grundsätz-lich wird die Zustimmung nur erteilt, wenn ein Arbeitsplatz nicht mit einem Deutschen,

einem EU-Bürger oder einem anderen bevorrechtigten Arbeitnehmer (Drittstaatsange-hörige, die schon länger in Deutschland leben) besetzt werden kann (Vorrangprinzip). Ein mit Deutschen und EU-Bürgern gleichrangiger Arbeitsmarktzugang ist nach dem

Ablauf bestimmter Fristen möglich. Der Wechsel von der reinen Arbeitsmigration zu einer durch Familiennachzug und die Kettenmigration von ganzen Verwandtschaftssystemen geprägten Migration hat neben

einer demografischen auch zu einer nachhaltigen sozio-ökonomischen Umstrukturie-rung der ausländischen Bevölkerung in Deutschland geführt, da die Anteile der nicht-erwerbstätigen ausländischen Bevölkerung (Frauen, Jugendliche, Alte) ab Mitte der

Siebziger Jahre stark anstiegen. Gegenwärtig sind die meisten ausländischen Bevöl-kerungsgruppen trotz teilweise langer Aufenthaltsdauer immer noch schlecht in die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen Deutschlands eingebunden. So geht

aus den Berichten und Studien zur sozioökonomischen Situation der ausländischen Wohnbevölkerung in Deutschland hervor, dass Ausländer in Deutschland überdurch-schnittlich stark von Armut betroffen sind. Die Quote der Arbeitslosigkeit und des Be-

zuges von Sozialhilfe ist doppelt bzw. dreimal so hoch wie für die deutsche Bevölkerung. Insbesondere Frauen, Kinder und ältere Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft leben oftmals unter der Armutsgrenze. Der 2. Armuts- und Reich-

tumsbericht der Bundesregierung weist darauf hin, dass das Armutsrisiko von Perso-nen mit Migrationshintergrund zwischen 1998 und 2003 von 19,6% auf 24% gestiegen ist. Es liegt damit weiterhin deutlich über der Armutsrisikoquote der Gesamtbevölke-

rung (13,5%). Dabei sind die Zuwanderer türkischer Herkunft und aus dem ehemali-gen Jugoslawien am stärksten von Armut betroffen und haben auch die relativ längste Verweildauer in Armut18. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin

kommt in einem Bericht über die Armut von Zuwanderern in Deutschland zu ähnlichen Ergebnissen19.

17 Vgl. Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration (2005) S. 219.

18 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (2005a), S. 25f.

19 Vgl. Tucci/Wagner (2005).

Hohes Armutsrisiko unter Drittstaatenmigranten

Aus Nicht-EU-Staaten zugewanderte Personen sind:

• wesentlich häufiger von Armut betroffen als Nicht-Migranten,

• sind häufiger arbeitslos,

• beziehen häufiger Sozialhilfe.

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 18

2 Selbstständigkeit von Drittstaaten-migranten in Deutschland

Die Integration von Drittstaatenmigranten in den deutschen Arbeitsmarkt ist eine er-hebliche Herausforderung, der sich die deutsche Politik bislang nur zögerlich stellt.

Noch immer stehen Migranten aus Nicht-EU Staaten beim Arbeitsmarktzugang vor erheblichen arbeits- und berufsrechtlichen Schwierigkeiten. Daraus ergeben sich auch nachhaltige Schwierigkeiten für die gesellschaftliche und kulturelle Integration dieser

Migranten. Dass Selbstständigkeit ein Weg aus Arbeitslosigkeit und Sozialleistungsbezug darstel-len kann, wird in Deutschland zunehmend erkannt und durch entsprechende Öffent-

lichkeitsarbeit und Förderprogramme unterstützt. Die besondere Chancen und Potentiale die Selbstständigkeit für die ökonomische gesellschaftliche Integration von Migranten aus Nicht-EU Staaten bieten werden dagegen erst langsam wahrgenom-

men. Trotz fehlender Unterstützung hat sich die Selbstständigkeit unter Drittstaatenmigran-ten in Deutschland in den letzten Jahren äußerst dynamisch entwickelt und stellt in-

zwischen einen erheblichen Wirtschaftsfaktor dar.

2.1 Zahlen und Entwicklung

Unternehmensgründungen durch Migranten und Migrantinnen haben sich in der Bun-

desrepublik Deutschland über die letzten drei Jahrzehnte sowohl in absoluten Zahlen als auch hinsichtlich des Anteils an allen Erwerbspersonen äußerst dynamisch entwi-ckelt. War Anfang der 70er nahezu die gesamte in der BRD lebende ausländische

Erwerbsbevölkerung in abhängiger Beschäftigung und lediglich 40.000 MigrantInnen als selbständig gemeldet, umfasste 2003 die Gesamtanzahl der Selbständigen mit ausländischem Pass in Deutschland 286.000 Personen20. Das bedeutet einen Anstieg

von über 700%. Der Zuwachs in absoluten Zahlen bedeutete auch einen steilen An-stieg der Selbstständigkeitsquote unter Migranten in Deutschland. So waren 1975 lediglich 2,6 % aller ausländischen Erwerbstätigen selbständig (im Vergleich zu 9,8 %

der deutschen Erwerbstätigen). Dieser Anteil ist bis 2004 auf 9,7 % gestiegen und damit fast so hoch wie die deutsche Selbständigenquote von 10,9 %21. Dabei ist der Frauenanteil unter den ausländischen Selbständigen mit 26,2 %, genauso wie bei deutschen Gründern (28,7 %), deutlich unterrepräsentiert.22

Ein entscheidender Aspekt der Gründungsaktivität von Migranten ist ihre dynamische Entwicklung im letzten Jahrzehnt. Seit Mitte der 80er nahm die Zahl der Geschäfts-

gründungen durch Ausländer immer schneller zu, um in den Neunzigern die Zuwachs-raten der deutschen Selbständigen deutlich zu übertreffen. Zwischen 1991 und 2003 nahm die Zahl der ausländischen Selbständigen um 63% zu23 während der Anwuchs

20 Vgl. Leicht (2005a).

21 Vgl. Beauftragte der Bundesregierung für Migration (2005), S.72.

22 Vgl. Beauftragte der Bundesregierung für Migration (2005), S. 51 f. und Öztürk, Riza (2001), S. 151 und u.a.

(2005a). S. 27.

23 Vgl. Beauftragte der Bundesregierung für Migration (2005), S.72.

Entwicklung der migranti-schen Selbstständigkeit

• Dynamische Zunahme vor allem in den Neunziger Jahren

• Selbständigenquote nähert sich der von Nicht-Migranten

• Migranten aus Anwerbeländern überproportional vertreten,

• Selbstständigkeit unter Spätaus-siedler unterentwickelt

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 19

bei den deutschstämmigen Gründern lediglich 17% betrug.24 Die generelle Grün-dungsintensität von Migranten liegt inzwischen wesentlich höher als die der deutschen

Bevölkerung. Während 2003 auf 10.000 deutsche Erwerbspersonen rund 122 Grün-dungen kamen lag diese Zahl bei der ausländischen Bevölkerung insgesamt bei 160 Gründungen.25 Allerdings ist diese hohe Gründungsintensität von erheblichen Fluktua-

tionen begleitet, die verhindern, dass sie auf Dauer zu entsprechend hohen Selbst-ständigkeitszahlen führt. So geht die überproportional hohe Zahl an Markteintritten mit einer ebenfalls hohen Zahl an Markaustritten einher. Trotzdem war für die meisten

Migrantengruppen in den letzten Jahren ein deutlicher Gründungsüberschuss festzu-stellen. Diese Dynamik in der Gründungsaktivität ist allerdings nicht für alle Migrantengruppen

zu konstatieren. Unternehmerisch besonders aktiv waren in den letzten Jahren vor allem Migranten aus den ehemaligen Anwerbeländern mit langer Aufenthaltsdauer in Deutschland. So kam 2003 fast jeder zweite in Deutschland selbständig tätige Auslän-

der aus einem ehemaligen Anwerbeland. Rund 85% von diesen Selbständigen hatten eine Aufenthaltsdauer von über zehn Jahren aufzuweisen. Aber auch die in Deutsch-land aufgewachsenen Nachkommen der Gastarbeiter machten sich zuletzt verstärkt

selbständig. Insgesamt waren 2003 15% aller ausländischen Selbständigen in Deutschland geborene Vertreter der zweiten oder dritten Migrantengeneration.26 Als Migrantengruppe mit nur sehr geringer Gründungsaktivität sind die (Spät-) Aus-

siedler anzusehen. Da sie über die deutsche Staatsbürgerschaft verfügen, tauchen sie in den Statistiken über ausländische Selbständige nicht auf. Ihre Selbstständigkeits-quote kann daher nur annähernd bestimmt werden. Leicht verortete ihn in einer aktuel-

len Studie mit Verweis auf mehrere statistische Quellen bei 2 bis 3%.27 Deutliche Unterschiede sind auch zwischen EU-Bürgern und Migranten und Migrantin-nen aus Drittstaaten festzustellen. Während Migranten aus EU-Staaten, und hier ins-

besondere aus den Anwerbeländern Italien und Griechenland inzwischen ähnliche oder sogar höhere Selbständigenquoten als die deutsche Bevölkerung aufweisen, liegt die Quote unter Drittstaatenmigranten deutlich niedriger. Zwar hat sich ihre Selbst-

ständigkeitsrate von 3,2% im Jahr 1983 bis 2000 auf 6,5% erhöht und dürfte gegen-wärtig bei um die 7 % liegen28. Im Vergleich zu EU-Bürgern ist die Selbstständigkeit unter Drittstaatenmigranten in Deutschland aber immer noch unterentwickelt. Als eine

Erklärung für diesen Unterschied werden in der Literatur oftmals die unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen für Nicht-EU-Bürger und die damit verbundenen Einschränkungen für gründungswillige Drittstaatenmigranten angeführt.29

Die Entwicklung der Selbstständigkeit unter türkischstämmigen Migranten beweist allerdings, dass auch Migranten aus Nicht-EU Staaten trotz aller Beschränkungen in Deutschland zunehmend den Schritt in die Selbstständigkeit wagen. Im vergangenen

Jahrzehnt verzeichneten türkischstämmige Selbständige (inklusive eingebürgerte Personen) mit über 100% die stärkste Zuwachsrate unter allen Migrantengruppen in Deutschland und stellen gegenwärtig mit 60500 Personen in absoluten Zahlen30 die

24 Vgl. Leicht (2005a), S. 6.

25 Vgl. Leicht (2005a), S. 7.

26 Vgl. Ausländerbericht 2005

27 Vgl. Leicht (2006), S. 65.

28 Vgl. Werner (2003), S. 27.

29 vgl. z.B. Schuleri-Hartje u.a. (2005)

30 vgl. Leicht (2005a), S. 6.

Hohe Gründungsintensität unter Migranten

• Migranten und Personen mit Migrationshintergrund gründen häufiger als Nicht-Migranten

• Sie scheitern aber auch häufiger.

Türkische Selbständige

• Größte Selbständigengruppe in absoluten Zahlen

• Stärkste Zuwachsraten in den letzten zehn Jahren

• Hohe Gründungsintensität

• Immer noch großes Potential (le-diglich 5% Selbstständigkeitsquo-te)

• Hoher Anteil von Personen ohne Berufsabschluss, allerdings deut-lich geringer als unter allen türki-schen Erwerbspersonen

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 20

größte Gruppe ausländischer Selbständige. Angesichts ihres großen Erwerbsperso-nenpotential und dem niedrigen Selbstständigkeitsanteil unter den in Deutschland

lebenden Türken bis Ende der Achtziger Jahre liegt die Selbständigenquote in der türkischstämmigen Bevölkerung gegenwärtig lediglich bei 5 %. Es ist allerdings zu erwarten dass dieser Anteil in Zukunft weiter ansteigt. Denn die Gründungsintensität

unter Personen türkischer Herkunft lag 2003 mit 197 Gründungen pro 10.000 Erwerbs-tätigen deutlich über dem Durchschnitt alle Migranten31. Insgesamt stammt rund die Hälfte aller selbständigen Migranten in Deutschland nicht

aus EU-Staaten (siehe Abbildung 2). Diese Gruppe umfasst Personen aus ehemaligen Anwerbeländern des Mittelmeerraums (Türkei, Ex-Jugoslawien, Marokko, Tunesien) ebenso wie Personen aus Herkunftsländern ohne historische Arbeitsmigration nach

Deutschland (Iran, China, Afrika, Afghanistan ). Selbständige Migrant/innen aus Dritt-staaten können daher nicht als homogene Gruppe betrachtet werden.

Abbildung 2: Verteilung und Anzahl selbständiger Migranten in Deutschland nach Staatsangehörigkeit im Jahr 2003 (ohne eingebürgerte Personen)

Quelle: Leicht (2005a), S.5.

2.2 Gründungsfördernde Faktoren

Die in der Literatur genannten Gründe für den Anstieg der Selbstständigkeit bei Zu-wanderern insgesamt und solchen aus Drittstaaten (hier besonders bei türkischstäm-migen Migranten) sind vielfältig. Grundsätzlich wird dabei zwischen Push und Pull

Faktoren unterschieden.32 Unter Push Faktoren werden solche Situationen gefasst, bei der Selbstständigkeit aufgrund fehlender Alternativen zum Erwerb des Lebensun-

31 Vgl. Leicht (2005a), S. 7.

32 Vgl. ebenda, S. 17f.

Übrige Ausländer

(52.000)18%

Ex-Jugoslawen

(24.000)8%

(Übrige) Nicht-EU Europäer (33.000)

11%

Türken (44.000)

15%EU-15-Staaten

(143.000)48%

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 21

terhalts gewählt wird, also Benachteiligung am Arbeitsmarkt, Unzufriedenheit am Ar-beitsplatz oder Arbeitslosigkeit. Pull Faktoren umfassen dagegen Motivlagen, die

dazu beitragen, dass Selbstständigkeit als lohnenswertes und attraktives Ziel der Selbstverwirklichung verfolgt wird. Hierzu gehören neben der abnehmenden Rück-kehrabsicht in der Migrantenbevölkerung und dem Übergang von der Pioniergenerati-

on zu den in Deutschland sozialisierten Folgegenerationen ebenso der Einfluss kultureller Einstellungen zur Selbstständigkeit wie die schwierige Situation auf dem deutschen Arbeitsmarkt.33

2.2.1 Langfristige Verbleibeabsicht

Selbstständigkeit als Option zur Existenzgründung und –sicherung ist eng verbunden mit der Perspektive einer mittel- bis langfristigen Lebensplanung. Für Migranten wird

daher die Verbleibeabsicht in ihrem Gastland als ein entscheidender Faktor für die Bereitschaft zu gründen angesehen. Wird nur ein kurzfristiger Verbleib angestrebt oder ist es noch unsicher, wie lange der Aufenthalt im Gastland andauern wird, ist die Opti-

on der Selbstständigkeit weniger attraktiv. Für die Situation in Deutschland ist daher in dieser Hinsicht von einem positiven Grün-

dungsklima in der Migrantenbevölkerung auszugehen. So hat sich die Verbleibeabsicht vieler als Arbeitsmigranten nach Deutschland ge-kommenen Migranten und ihrer Familien in den letzten Jahrzehnten nachhaltig geän-

dert. Sie beginnen zunehmend in ihrem Gastland Deutschland zu investieren und sich eine langfristige Existenzperspektive, z.B. mit der eigenen Selbstständigkeit, aufzu-bauen. Für diese enge Kopplung des Wegs in die Selbstständigkeit an einen langfristi-

gen Aufenthalt in Deutschland spricht neben den hohen, vergleichsweise langen Aufenthaltszeiten von Existenzgründern mit Migrationshintergrund die Tatsache, dass nur wenige selbständige Migranten ihren Gründungswunsch schon in ihrem Heimat-

land entwickelt haben (laut der IfM Studie etwa 13%34). Auch ist generell ein deutlicher Wandel in der Sozialstruktur der Migrantenbevölkerung zu verzeichnen, wobei insbe-sondere die nicht-erste Migrantengeneration in der beruflichen Orientierung, der Be-

deutung persönlicher Unabhängigkeit und Selbstständigkeit zunehmend vom deutschen Wertesystem mitgeprägt ist.

2.2.2 Selbstverwirklichung und sozialer Aufstieg

Als weitere wichtige Pull-Faktoren bezüglich der Gründungsmotivation der Migranten, werden Aspekte der Selbstverwirklichung, (eigene Ideen umzusetzen, der „eigene Chef“ sein) und des damit verbundenen sozialen Aufstiegs sowie der Anerkennung in

der Gesellschaft betrachtet. So existiert Berechnungen des IfM zufolge unter türki-schen Migranten ein besonders hoher Prestigeunterschied zwischen Selbständigen und abhängig Beschäftigten35. Ebenso wie bei deutschen Selbständigen ist für Grün-

der aus Drittstaaten aber auch das klassische Motiv eines höheren Einkommens von

33 Vgl. Öztürk, Riza (2001) S. 11 f. und S. 28 ff.

34 Vgl. Leicht (2005a), S.19.

35 Vgl. Ebenda, S. 21.

Gründungsmotivation von Migranten in Deutschland

• Gründungsabsicht und lange Auf-enthaltsdauer hängen eng zu-sammen

• Sozialer Aufstieg, Prestigegewinn und Einkommensverbesserung sind wichtige Pull-Faktoren

• Kulturelle Motivlagen sind weniger wichtig als oftmals angenommen

• Arbeitslosigkeit ist Auslöser für viele Gründungsvorhaben von Mi-granten

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 22

Bedeutung. In der Hamburger Stichprobe von Burgbacher war es mit 63% sogar das meistgenannte Gründungsmotiv36.

Ergebnisse unterschiedlicher Studien legen nah, dass viele selbständige Migranten dieses Ziel anscheinend umsetzen können. So errechneten eine Studie des IZA auf der Basis des sozio-ökonomischen Panels, dass im Jahr 2000 selbständig beschäftig-

te Migranten fast genauso viel verdienten wie selbständige Westdeutsche. Für die Gruppe der türkischen Unternehmer konnte sogar der höchste Wochenverdienst unter allen untersuchten Selbständigengruppen ermittelt werden37. Da unter abhängig Be-

schäftigten der Einkommensunterschied zwischen Migranten und Nicht-Migranten sehr deutlich ausfällt, fällt der Einkommensunterschied zwischen abhängig und selbststän-dig beschäftigten Migranten entsprechend groß aus.

2.2.3 Schwierige Arbeitsmarktsituation

Die beschriebene Dynamik der Entwicklung von Selbstständigkeit unter Migranten in Deutschland fand in den letzten Jahren in einem äußerst schwierigem wirtschaftlichen

Umfeld statt. Das Wirtschaftwachstum in Deutschland stagnierte, Stellen in der verar-beitenden und produzierenden Industrie wurden in großem Maße abgebaut. Eine Entwicklung, die viele in Deutschland lebende Migranten aus Drittstaaten besonders

stark getroffen hat. So hat sich die Beschäftigungssituation von Migranten in Deutschland im Laufe des vergangenen Jahrzehnts zunehmend verschlechtert. Da aufgrund der jungen Alters-

struktur der ausländischen Wohnbevölkerung in den nächsten Jahren wesentlich mehr Ausländer in den Arbeitsmarkt eintreten (also eine Arbeit oder eine Lehrstelle suchen) als aus Altersgründen ausscheiden werden, ist für der Zukunft mit einer weiteren

Verschärfung der ohnehin schon prekären Beschäftigungssituation von ausländischen Erwerbspersonen zu rechnen. Während sich Ende der 1970er Jahre die Arbeitslosenquoten in der ausländischen

Erwerbsbevölkerung (3,9 %) und der gesamten Erwerbsbevölkerung (3,2 %) auf ähnlichem Niveau befanden, hat sich die Situation unter den erschwerten ökonomi-schen Bedingungen der letzten Jahrzehnte rapide verschlechtert38. 2003 waren von

den insgesamt 4,4 Millionen registrierten Arbeitslosen bereits 12,5 % (ca. 548.500) ausländische Staatsangehörige. Diese Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt hat sich weiter fortgesetzt. So lag 2004 die durchschnittliche Arbeitslosenquote unter Auslän-

dern bei 20,5 %. Allein im Monat August 2005 waren 664.552 Ausländern arbeitslos gemeldet, was einer Ausländerarbeitslosenquote von 24,8 % entspricht. Im Vergleich dazu lag die Arbeitslosenquote im August 2005 in der Bundesrepublik Deutschland bei

insgesamt 11,4 %. Die Unterscheidung nach Herkunftsländern zeigt, dass die türkischen Staatsangehöri-gen als größte ausländische Bevölkerungsgruppe mit fast einem Drittel (2003: 31 %)

auch den höchsten Anteil aller arbeitslosen Nichtdeutschen stellen. Insgesamt waren 2003 fast 80 % der arbeitslosen Ausländer Staatsangehörige aus Nicht-EU-Staaten. Vergleicht man die spezifischen Arbeitslosenquoten der in Deutschland lebenden

Unionsbürger mit der von Drittstaatsangehörigen so zeigt sich, dass von der in den „Beschäftigungspolitischen Leitlinien“ der EU geforderten Angleichung der Arbeitslo-

36 Vgl. Burgbacher (2004), S. 25.

37 Vgl. Constant u.a. (2003).

38 Vgl. Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration (2005), S. 81f.

Arbeitslosigkeit unter Mi-granten steigt weiter an

• Arbeitslosenquote doppelt so hoch wie unter Nicht-Migranten

• Drittstaatenmigranten sind beson-ders betroffen

• Fehlende Berufsabschlüsse und Wegfall einfacher Arbeiten sind Hauptproblem

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senquoten von Unionsbürgern und Drittstaatsangehörigen bisher für Deutschaland nicht die Rede sein kann: Während 1983 die Arbeitslosenquote von Drittstaatenange-

hörigen lediglich 2 Prozentpunkte über der von Unionsbürgern lag (11,9% vs. 9,7%)39, lag 2003 die Quote der Unionsbürger mit rund 16 % zehn Prozentpunkte unter der von Drittstaatsangehörigen (siehe Tabelle 5).

Tabelle 3: Arbeitslose Ausländer nach ausgewählten Staatsangehörigkeiten (Stand 31.12.2003)

Staatsangehörigkeit Insgesamt Arbeitslosenquote in

%*

Frauen Frauenanteil in

%

Alle Arbeitslosen 4 376 769 14 1 930

567

44,1

Deutsche 3 828 239 13,3 1 732

531

45,3

Ausländer zusammen 548 530 23,4 198 036 36,1

EU-Staaten insgesamt 110 318 16,1 39 519 35,9

Nicht EU-Staaten insgesamt 438 212 26,1 158 445 36,2

*Arbeitslose in Prozent der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten plus Arbeitslose der

jeweiligen Bevölkerungsgruppe

Quelle: Beauftragte für Integration (2005), S. 611.

Besonders für die zweite Migrantengeneration ist der Mangel an qualifizierten Berufs-

abschlüssen das Hauptbeschäftigungshindernis bei der Arbeitsmarktintegration. So ist einer aktuellen OECD-Studie40 zufolge die niedrige Beschäftigungsquote der zweiten Migrantengeneration in der Altersgruppe der 25- bis 35-Jährigen nahezu vollständig

auf fehlende Berufsabschlüsse zurückzuführen. Für die Vertreter der zweiten Migran-tengeneration mit Berufsabschluss sind die Beschäftigungsquoten sogar höher als für Personen ohne Migrationshintergrund mit vergleichbaren Abschluss.

Berufsabschlüsse in der Bundesrepublik Deutschland folgen einem streng formalisier-ten System nach Berufsbildungsgesetz, Handwerksordnung und speziellen Regelun-gen für besondere Berufsgruppen. Das hat zur Folge, dass Qualifikationen von

Migranten aus ihren Herkunftsländern in der Bundesrepublik Deutschland nicht oder nur sehr eingeschränkt anerkannt werden. Hinzu kommt, dass das System der Aner-kennung von außerhalb der EU erworbenen Abschlüssen sehr kompliziert und un-

übersichtlich ist, mit der Konsequenz, dass betroffene Migranten häufig – wenn überhaupt – unter ihrem eigentlichen Qualifikationsniveau beschäftigt sind oder in Deutschland abermals eine formale Ausbildung durchlaufen müssen. Für Nicht-EU

Migranten ohne unbeschränkte Niederlassungserlaubnis bestehen darüber hinaus unabhängig von ihrer Qualifikation rechtliche Barrieren, die einen Zugang zum Ar-beitsmarkt erschweren oder gar komplett versperren41.

39 Vgl. Werner (2003), S.19.

40 Vgl. OECD (2005), S.38.

41 So ist die Beschäftigung von Drittstaatenmigranten in Deutschland nur zulässig, soweit nicht arbeitslose

Deutsche, EU-Bürger oder bereits privilegierte Drittstaatsangehörige für einen bestimmten Arbeitsplatz in

Betracht kommen. Wie im Kapitel 1.2 ausgeführt, folgt auch das neu implementierte Zuwanderungsgesetz

diesem Grundsatz der Arbeitsmarktprüfung für Nicht-EU Bürger.

Arbeitslosigkeit als Grün-dungsmotiv

• Eher Auslöser von Gründungen als Gründungsmotiv

• Arbeitslosigkeit erhöht Bereit-schaft sich selbständig zu machen

• Notgründungen weniger häufig als Gründungen aus Unzufriedenheit und drohender Arbeitslosigkeit

• Eng verbunden mit Wunsch nach Besserstellung: Mischung aus Push- und Pull-Faktoren

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 24

Angesichts dieser schwierigen Situation erscheint es naheliegend, die Zunahme von Selbstständigkeit unter Migranten aus Drittstaaten vor allem auf einen fehlenden Zu-

gang zum deutschen Arbeitsmarkt zurückzuführen und Arbeitslosigkeit bzw. die Furcht vor einer solchen als zentrales Gründungsmotiv dieser Personengruppe anzuführen. Mit Befragungen unter Selbständigen aus Drittstaaten ist diese Annahme allerdings

nur bedingt belegbar. So gaben in der Hamburger Stichprobe 15% der selbständigen Drittstaatenmigranten Arbeitslosigkeit als Gründungsmotiv an und auch die IfM-Befragung ergab, dass nur jeder sechste türkische Selbständige wegen drohender

Arbeitslosigkeit gründete. Allerdings kann angenommen werden, dass hier Verzerrun-gen vorliegen. So hat eine quantitative Studie des DIW auf der Basis von Längs-schnittdaten des sozio-ökonomischen Panels42 berechnet, dass die Bereitschaft zu

gründen unter arbeitslosen Migranten zweimal so hoch ist wie bei Migranten die er-werbstätig sind. Die Befragungen machen allerdings deutlich, dass sogenannte Notgründungen, die

ausschließlich als Ausweg aus der Arbeitslosigkeit erfolgen unter Migranten eher die Ausnahme sind. Häufiger scheint der Verlust des Arbeitsplatzes lediglich den Auslöser für die Entscheidung sich selbständig zu machen darzustellen. Als Motive spielen die

aufgeführten Pull-Faktoren eine stärkere Rolle als zumeist angenommen. Allerdings ist der Wunsch nach sozialer Besserstellung und Einkommensverbesserung ebenfalls eng mit einer unbefriedigenden Situation im Arbeitsleben verbunden.

2.2.4 Ressourcen Familie und ethnische Ökonomie

Als ethnische Ökonomie wird in der Regel die selbständige Erwerbstätigkeit von Per-sonen mit Migrationshintergrund und die abhängige Beschäftigung in von Personen

mit Migrationshintergrund geführten Betrieben verstanden, die in einem spezifischen Migrantenmilieu verwurzelt sind43. In Deutschland existieren solche Ökonomien be-sonders in Großstädten und urbanen Ballungsgebieten mit hohem Migrantenanteil. Für

Selbständige mit Migrationshintergrund stellt die Beschäftigung von Familienmitglie-dern und Personen mit gleichem Migrationshintergrund ebenso wie eine enge Anbin-dung an ethnische Kundenkreise und Netzwerke eine wichtige Ressource dar, die

aber auch die weitere Entwicklung des Unternehmens einschränken kann. Alle für den Bericht herangezogenen Studien weisen darauf hin, dass von selbständi-gen Drittstaatenmigranten in Deutschland vorrangig Kleinst- und Kleinunternehmen mit

überdurchschnittlich viel Familienunterstützung betrieben werden. So hat das IfM festgestellt, dass rund die Hälfte aller türkischen Unternehmen in Deutschland abge-sehen von mithelfenden Familienangehörigen keine weiteren Beschäftigten haben. In

der Hamburger Stichprobe von Burgbacher schwankte die durchschnittliche Zahl der Beschäftigten zwischen 2,2 (Herkunftsland China) und 6,8 (Herkunftsland Türkei). Ein weiterer zentraler Befund der Studien ist, dass selbständige Migranten über Fami-

lienangehörige hinaus vor allem Personen der eigenen Ethnie beschäftigen. Drei Vier-tel der vom IfM befragten Unternehmer beschäftigten ausschließlich oder vorrangig Personen des eigenen Herkunftslands. Hinsichtlich Kundenkreis und Lieferanten

scheint die Herkunftsbindung allerdings weniger ausgeprägt zu sein, was auch die Untersuchung des IfM zumindest für die türkische Gruppe bestätigt. Demnach besteht bei etwa jedem sechsten türkischen Unternehmer der Kundenstamm zu einem Viertel

42 Vgl. Constant/Zimmermann (2004), S. 5f.

43 Vgl. Schuleri-Hartje u.a. (2005), S. 21.

Ethnische Ökonomien als Ressource

• Wichtige Unterstützungsstruktu-ren in der Gründungsphase

• Netzwerke für Waren, Arbeitskräf-te, Räumlichkeiten

• Nicht allen Ethnien zugängig, tür-kische Communities am stärksten vernetzt

• Familienunterstützung von großer Bedeutung

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 25

bis maximal zur Hälfte aus Türken, nur bei jedem Achten setzt sich die Kundschaft zu mehr als der Hälfte aus den Angehörigen der eigenen Ethnie zusammen44.

Ein Aufbrechen der ethischen Ökonomien wird in der Literatur als ausgesprochen wichtig für eine langfristige Bestandsperspektive erachtet, da ein ausschließliches Wirken innerhalb der eigenen ethnischen Nische in der Regel zu erheblichen Wachs-

tumsbeschränkungen und auch Wettbewerbsnachteilen führe. Allerdings bringt die enge Anbindung an innerethnische Strukturen, insbesondere in der Gründungsphase, erhebliche Vorteile. So starten vor allem Türken aber auch andere Drittstaatenmigran-

ten ihre Selbstständigkeit bevorzugt aus einem bestehenden ethnischen Netzwerk für Waren, Arbeitskräfte und Räumlichkeiten. In großen ethnischen Gemeinschaften (Communities) wie der türkischen in NRW hat sich mittlerweile auch ein innerethni-

sches Beratungsnetz (Rechtsanwälte, Steuerberater) entwickelt, das Personen türki-scher Herkunft auf dem Weg in die Selbstständigkeit in ihrer Muttersprache unterstützt.

2.3 Gründungshemmnisse

2.3.1 Rechtliche Rahmenbedingungen

Anders als Personen aus EU-Ländern, die nach dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU - FreizügG/EU) in Fragen

der Selbstständigkeit keinen Einschränkungen unterliegen, wenn sie die allgemeinen Berufszugangsvoraussetzungen erfüllen und Sprachkenntnisse und ein Unterneh-menskonzept vorweisen können, ist für Migranten aus Drittstaaten die Erlaubnis zur

Selbstständigkeit– freiberuflich oder gewerblich – vom Aufenthaltsstatus abhängig. Im seit 1.1.2005 geltenden Aufenthaltsgesetz ist die Erlaubnis zur selbständigen Tä-tigkeit zweifach geregelt. Zum einen umfasst die Definition des Begriffs Erwerbstätig-

keit in § 2 Abs. 2 AufenthG die unselbständige Tätigkeit (abhängige Beschäftigung) und die Selbstständigkeit (freiberufliche Tätigkeit und Gewerbe) und setzt diese nun-mehr gleich. Damit impliziert die mit der Niederlassungserlaubnis (§9 AufenthG) ver-

bundene Erlaubnis auf Erwerbstätigkeit auch immer den Weg, selbständig tätig zu werden. Zudem wird die selbständige Tätigkeit als eigenständiger Zweck des Aufent-halts in Deutschlands (§21 AufenthG) aufgeführt.

Neu zuwandernden Selbständigen kann somit nach §21 Abschn.4 AufenthG eine zunächst auf drei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer selbständi-gen Tätigkeit erteilt werden. Vorraussetzung ist, dass für ihre Tätigkeit ein „überge-

ordnetes wirtschaftliches Interesse" oder ein "besonderes regionales Bedürfnis" besteht. Die selbständige Tätigkeit „muss positive Auswirkungen auf die Wirtschaft erwarten“ lassen und die „Finanzierung zur Umsetzung durch Eigenkapital oder durch

eine Kreditzusage gesichert“ sein45. Wenn der zuwandernde Selbständige älter als 45 Jahre ist wird der Nachweis einer angemessenen Altersversorgung verlangt. Nach dem alten Ausländerrecht konnte für bereits in Deutschland ansässige Drittstaa-

tenmigranten, die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis waren, die die Aufnahme einer selbständige Tätigkeit nicht explizit erlaubt46 und Migrantengruppen denen die Er-

44 Vgl. Leicht (2005a), S. 10.

45 Vgl. Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Integration und Flüchtlinge (2005), S. 430.

46 Dies betraf alle befristeten Aufenthaltstitel, wie befristete Aufenthaltserlaubnis, Aufenthaltsbewilligung und

Aufenthaltsbefugnis.

Neues Gesetz, alte Rege-lung?

• Selbständige Beschäftigung ist eigenständiger Aufenthaltszweck

• Die Erlaubnis der Selbstständig-keit ist für bereits in Deutschland ansässige Drittstaatenmigranten abhängig vom Aufenthaltstatus

• Ermessensspielraum der Auslän-derbehörde bei der Erlaubnis ei-ner selbständigen Tätigkeit zur Sicherung des Lebensunterhalts

• Migranten mit Flüchtlingsstatus dürfen sich nur in Ausnahmefällen selbständig machen

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 26

werbstätigkeit per Gesetz grundsätzlich nicht gestattet ist (Geduldete und Asylsuchen-de) die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit von der zuständigen Ausländerbe-

hörde nach einer Ermessensprüfung erlaubt werden. Inwieweit die oben genannten Kriterien des § 21 AufenthG auf die Ermessungsprüfung der Erlaubnis einer selbstän-digen Tätigkeit durch bereits in Deutschland ansässige Drittstaatenmigranten anzu-

wenden sind, ist noch Gegenstand der Diskussion. Die Integrationsbeauftragte spricht sich in ihrem Bericht dafür aus, bei der Prüfung einen weiten Ermessensspielraum anzusetzen, da es sich nicht um einen Zweckwechsel des Aufenthalts in Deutschland

handele, wenn sich ein Migrant zur Sicherung seines Lebensunterhalts selbständig machen wolle47. Vor allem da ein Verbot der wirtschaftlichen Betätigung für diese Personen den Verweis auf den Bezug von Sozialleistungen bedeute, sei die Aufnah-

me einer selbständigen Tätigkeit im öffentlichen Interesse und daher in der Regel zuzulassen. In der Praxis ist der Weg in die Selbstständigkeit für Drittstaatenmigranten ohne Nie-

derlassungserlaubnis oder eine entsprechende spezifische Aufenthaltserlaubnis immer noch von der Ermessungsentscheidung der zuständigen Ausländerbehörde abhängig.

2.3.2 Bürokratische Erfordernisse

Trotz anhaltender Bemühungen des Gesetzgebers die bürokratischen Erfordernisse

von Unternehmensgründungen in Deutschland zu minimieren und somit mehr Trans-parenz im Gründungsprozess zu schaffen, ist die rechtliche Regulierung der Selbst-ständigkeit immer noch relativ aufwändig. Laut der „Doing Business“-Datenbank der

Weltbank48 betrug die durchschnittliche Dauer eines Genehmigungsverfahren in Deutschland im Jahr 2005 24 Tage. Es waren demnach 9 einzelne Schritte erforder-lich, um ein Unternehmen zu gründen, sowie 11 Prozeduren mit einer durchschnittli-

chen Gesamtdauer von 165 Tagen um den fortlaufenden Betrieb eines Unternehmens in Deutschland zu gewährleisten. So ist trotz Gewerbefreiheit in Deutschland jede Aufnahme einer selbständigen Tätig-

keit anzeigepflichtig, unabhängig davon, ob diese Tätigkeit haupt- oder nebenberuflich ausgeübt wird. Auch die Übernahme eines bereits bestehenden Gewerbebetriebs oder die Eröffnung einer weiteren Filiale muss angemeldet werden. Die Frage der Notwen-

digkeit einer Eintragung ins Handelsregister und andere rechtlichen Fragen überfor-dern oftmals selbst deutsche Gründer. Für Gründungswillige aus Drittsaaten stellen sich diese Probleme in verschärftem Maße. Insbesondere bei mangelnden Deutsch-

kenntnissen kann die Kontaktaufnahme zu Behörden ein erhebliches Hindernisse für gründungswillige Drittstattenmigranten darstellen. Ein weiteres Beispiel - allerdings an der Schnittstelle zwischen rechtlichen Rahmenbe-dingungen, bürokratischen Erfordernissen und der Anerkennung von Qualifikationen - ist die Meisterpflicht auf Basis des Gesetzes zur Ordnung des Handwerks (Hand-werksordnung - HwO). Für Migranten aus Drittstaaten war eine Gründung im Hand-werk in Deutschland jahrzehntelang erschwert, da die in der deutschen Handwerksordnung vorgeschriebene – nur in der Bundesrepublik Deutschland ange-botene - Qualifikation „Meisterbrief“ unumgängliche Zugangsvoraussetzung für eine Gründung im Handwerk war. Während sich der Qualifikationsnachweis für Handwerker aus EU-Staaten inzwischen am in der nationalen EU/EWR Handwerksverordnung umgesetzten EU-Recht orientiert, unterliegen Handwerker aus Nicht-EU-Staaten wei-

47 Vgl. Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Integration und Flüchtlinge (2005), S. 430f

48 Vgl. hierzu http://www.doingbusiness.org/ExploreEconomies/Default.aspx?economyid=75

Bürokratische Hindernisse

• Selbstständigkeit in Deutschland immer noch mit viel bürokrati-schem Aufwand verbunden

• Konfliktpotential zwischen intuiti-ven Gründungszugang vieler Migranten und hoher Regelungs-dichte

• Durch mangelnde Sprachkennt-nisse wird Behördenkontakt be-sonders erschwert

• Verbesserung der Rechtslage bei Gründungen im Handwerk

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 27

terhin den Regelungen der deutschen Handwerksordnung. Dabei ist die Anerkennung von ausländischen Prüfungen, die der deutschen Meisterprüfung gleichwertig sind zwar vorgesehen, die entsprechenden Verfahren sind jedoch sehr kompliziert und aufwändig. Mit der zum Jahresbeginn 2004 in Kraft getretenen Handwerksrechtsnovel-le wurde allerdings auch für Migranten ohne Meisterprüfung der Weg in die Selbst-ständigkeit im Handwerk vereinfacht.49 Die Gründung und Übernahme von Handwerksunternehmen wurde durch die Zulassungsfreiheit, d.h. Selbstständigkeit auch ohne Meisterbrief, in 53 der 94 Handwerke wesentlich erleichtert.50 Auch bei den 41 Handwerken mit Meisterpflicht haben sich durch die neue Altgesellenregelung die Bedingungen für den Schritt in die Gründung verbessert. In 35 (ausgenommen sind Gesundheitshandwerke und Schornsteinfeger) dieser Handwerke dürfen sich nun auch die Gesellinnen und Gesellen nach sechs Jahren Berufserfahrung in ihrem Handwerk, davon 4 Jahre in leitender Stellung, selbständig machen. Zusätzlich kön-nen handwerkliche Tätigkeiten nach zwei bis drei monatiger Qualifizierung auch ohne Meisterbrief als handwerksähnliche Gewerbe selbständig durchgeführt werden.51

Gegenwärtig werden 4,5 % aller registrierten Handwerksbetriebe, das sind 38.000

selbständige Handwerker, von Personen mit Migrationstatus betrieben. Gemessen an der Selbständigenquote von Migranten ist die Quote im Handwerk also noch gering. Mit der Novellierung der Handwerksordnung und den damit vereinfachten Zugangs-

möglichkeiten könnte dies nach Einschätzung von Experten in der Zukunft aufgeholt werden.52

2.3.3 Bildungs- und Qualifikationsniveau

Als zentrales Problem der Integration von Zuwanderern und ihrer Familien in Deutsch-

land werden seit längerer Zeit die Sprach- und Bildungsdefizite dieser Personengrup-pen identifiziert. So wird darauf hingewiesen, dass große Teile der in Deutschland lebenden Nicht-EU Migranten im Verhältnis zur Mehrheitsgesellschaft ein deutlich schlechteres schulisches und berufliches Qualifikationsniveau aufweisen53. Dieses

Problem besteht nicht nur für die nach Deutschland zugewanderte erste Migranten-generation, sondern auch für Vertreter der zweiten und dritten Migrantengeneration,

die ihre schulische und berufliche Bildungslaufbahn in Deutschland absolviert haben oder gerade absolvieren. So hat eine aktuelle Sonderauswertung der Ergebnisse der 2. PISA-Studie von 200354 belegt, dass gerade in Deutschland die Förderung von

Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund besonders schlecht gelinge. Auffällig sei, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund, die in Deutschland geboren sind, noch schlechtere Ergebnisse erzielen als Jugendliche, die im Ausland geboren

und zur Schule gegangen sind. Ein möglichst frühes Einreisealter scheint somit keine ausreichende Bedingung für Erfolg im deutschen Bildungssystem zu sein. Detaillierte Zahlen zur Unterscheidung der schulischen und beruflichen Bildung zwischen Migran-

ten aus EU und Nicht-EU Staaten waren nicht verfügbar. Betrachtet man aber die Situation in der türkischstämmigen Bevölkerung, lässt sich festhalten dass die geschil-

49 Vgl. Verband Deutscher Gründungsinitiativen (VDG) (2005).

50 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (2005a), S. 60.

51 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (2005b), S. 4 und Bundesministerium für Wirtschaft und

Arbeit (2005a), S. 60.

52 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (2005b), S. 4.

53 Vgl. beispielhaft Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2000), Beauftragte für

Migration, Integration und Flüchtlinge (2005) und OECD (2005).

54 Vgl. OECD / Programme for International Student Assessment (2006).

Integrationsprobleme im Bil-dungssystem

• Bildungsstand liegt unter dem der Mehrheitsgesellschaft

• Ausbleibendes Ansteigen der Bildungsleistungen in zweiter und dritter Migrantengeneration.

• Migrationshintergrund und soziale Herkunft entscheiden zunehmend über Bildungserfolg in Deutsch-land

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derte Problematik für sie in wesentlich verschärfter Weise zutrifft als für Personen aus EU-15 Staaten (vgl. Tabelle 3).

Tabelle 4: Schulbildung und berufliche Qualifikation (Stand 2003; in Prozent)

Deutsche Bevölkerung Türkische Staatsbürger EU-15

Bürger

Ohne Schulabschluss 2 21 13

Hauptschule 45 62 56

Realschule 27 9 11

Abitur 26 8 11

Ohne abgeschlossene

Berufsausbildung 20 61 41

Mit abgeschlossener Be-

rufsausbildung 64 32 39

Akademische Qualifikation 16 7 20

Quelle: Sozio-ökonomisches Panel (SOEP), eigene Tabellierung

Der Einfluss des Faktors Bildung auf die Zugangschancen zur beruflichen Selbststän-digkeit wird in der Gründungsforschung gemeinhin als äußerst hoch eingestuft. Mit steigender formaler Bildung nehmen in der Regel auch die Selbstständigkeitsquoten

zu. Für Migranten aus Drittstaaten gilt dieser Befund auf niedrigerem Niveau ebenfalls. So weist die Untersuchung des IfM über Selbständige aus den Anwerbeländern Italien, Griechenland und Türkei darauf hin, dass sich unter den türkischstämmigen Selb-

ständigen im Vergleich zur gesamten türkischen Erwerbsbevölkerung überproportional viele Personen mit höherem Qualifikationsniveau (Hochschulreife, Akademiker) fin-den55. Allerdings gibt es unter selbständig Beschäftigten mit türkischen Migrationshin-

tergrund erheblich mehr Personen ohne abgeschlossene Berufsausbildung als unter deutschen Selbständigen oder Unternehmern aus EU-Staaten (vgl. Tabelle 5).

55 Vgl. Leicht (2005a), S. 22.

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 29

Verallgemeinernde Aussagen hinsichtlich des Niveaus der Berufsausbildung von selb-ständigen Drittstaatenmigranten erweisen sich allerdings als schwierig, da zum einen die nationalen Berufsabschlüsse schwierig zu vergleichen sind und zum anderen die

Branchenschwerpunkte zwischen den verschiedenen Ethnien sehr unterschiedlich sind. So finden sich in der Hamburger Stichprobe von Burgbacher56 unter Selbständi-gen aus Ex-Jugoslawien viele Personen mit gewerblichen Berufsabschlüssen (60%),

die vor allem im handwerklichen Sektor angesiedelt sind. Bei Unternehmern aus China und dem Iran, die schwerpunktmäßig im Handel tätig sind, dominieren dagegen Per-sonen mit akademischen Abschlüssen (62% bzw. 48%). Die Gruppen afghanischer

und türkischer Selbständige weisen dagegen erhöhte Anteile an angelernten Personen ohne Berufsabschluss auf (38% bzw. 34%). Betrachtet man die gesamte Stichprobe der selbständigen Drittstaatenmigranten, konzentrieren sich die reinen Anlernqualifika-

tionen auf die Branchen Gastronomie und Transport, also jene Bereiche die in der Alltagsauffassung traditionell mit Migranten-Unternehmen assoziiert werden. Die Hamburger Befragung zeigt auch, dass sich Unternehmer/innen aus der Türkei in

mehrerer Hinsicht von Unternehmer/innen aus anderen Drittstaaten abheben. Sie sind zum Zeitpunkt der Gründung im Durchschnitt jünger (38) und sind länger in Deutsch-land zur Schule gegangen (9,6 Jahre)57 . Auch das IfM weist auf die niedrige Bran-

chenerfahrung vieler türkischer Selbständiger hin. Demnach haben 40% der türkische

56 Vgl. Burgbacher (2004), S. 16f.

57 Vgl. ebenda, S. 14f.

Qualifikationsniveau

• Schwierigkeit der Anerkennung und Vergleichbarkeit von im Aus-land erworbenen Berufsqualifika-tionen

• Überproportional viele gut ausge-bildete Drittstaatenmigranten in der Selbstständigkeit

• Fehlen kaufmännischer Grund-kenntnisse

• Türkische Selbständige oft ohne Berufsabschluss

Tabelle 5: Berufliche Bildung von selbständig und abhängig Beschäftigten in

den alten Bundesländern nach ausgewählten Staatsangehörigkeiten (Stand 2002

in Prozent)

Deutsche Ausländer

insgesamt Ausgewählte

Industrieländer

Türken

Selbständig Beschäftigte

Ohne Berufsabschluss 7,1 27,7 7,0 47,2

Berufliches Prakti-

kum/Anlernausbildung

1,1 2,3 2,3 2,8

Lehre/Berufsausbildung 43,7 38,6 37,2 38,9

Meister/Techniker 21,3 9,5 16,3 5,6

(Fach-)Hochschule 26,8 21,8 37,2 5,6

Abhängig Beschäftigte

Ohne Berufsabschluss 9,4 39,0 13,5 56,3

Berufliches Prakti-

kum/Anlernausbildung

1,4 3,2 1,8 3,3

Lehre/ Berufsausbildung 61,6 41,6 45,3 35,7

Meister/Techniker 9,2 4,5 8,1 1,4

(Fach-)Hochschule 18,4 11,8 31,4 2,7

Quelle: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 30

Unternehmer zum Zeitpunkt ihrer Gründung überhaupt keine Branchenerfahrung und weniger als 35% eine Erfahrung von über 5 Jahren58. Kaufmännische und rechtliche

Kenntnisse zu Beginn der Selbstständigkeit sind Leicht59 zufolge bei türkischen Selb-ständigen nur rudimentär vorhanden. Hierin unterscheiden sich türkische Selbständige allerdings nicht von Gründern aus den EU-Ländern Italien und Griechenland, für die

die Studie von Leicht ebenfalls überproportional häufig fehlende kaufmännische und rechtliche Kenntnisse attestiert.

3 Existenzgründungsberatung von Drittstaatenmigranten

Informationen rund um das Thema Existenzgründung und zu bestehenden Unterstüt-zungsangeboten werden auf nationaler Ebene gebündelt vom Bundesministerium für

Wirtschaft und Technologie verbreitet. Informationskanäle sind hier die Internetseite www.bmwi.de, eine gesonderte Internetplattform (www.existenzgruender.de) und eine Datenbank mit regionalen und nationalen Beratungs- und Finanzierungsangeboten für

Gründer und bestehende kleine und mittlere Unternehmen60. Ergänzend hierzu wer-den vom Ministerium themenbezogene Broschüren (z.B. GründerZeiten), Newsletter und Arbeitspapiere zu gründungsrelevanten Themen sowie eine Software kostenlos

zur Verfügung gestellt, sind über das Internet zu beziehen und werden über regionale Akteure verteilt. Neben dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie gibt es jedoch noch andere Ministerien, die bundesweite – z.T. zielgruppenspezifische – An-

gebote zur Förderung der Selbstständigkeit unterstützen. So finanziert beispielsweise das Ministerium für Bildung und Forschung die bundesweite Gründerinnenagentur (www.gruenderinnenagentur.de) , ein internetgestütztes Angebot für die Zielgruppe

selbstständiger Frauen. Wie auf Bundesebene sind auch auf der Ebene der Bundesländer die Wirtschafts- und/oder Arbeitsministerien in den Feldern Existenzgründung und Förderung kleiner

und mittlerer Unternehmen aktiv. Ergänzt werden diese Aktivitäten auf regionalen und kommunalem Level durch die Industrie- und Handelskammern sowie die Handwerks-kammern. Diese bieten wiederum über eigene Internetseiten oder Printmaterialien

relevante Informationen zu Gründung und Unternehmensführung an. Auch Beratungs-leistungen und Seminare zu gründungsrelevanten Themen werden regelmäßig von den Industrie- und Handelskammern sowie von den Handwerkskammern angeboten,

die allerdings vornehmlich auf ihre (potenziellen) Mitglieder abzielen. Dies eröffnete einen Bedarf an Beratung und Wissensvermittlung für die wachsende Anzahl an soge-nannten prekären Gründungen – Gründungen aus schwierigen Bedingungen, Kleinst-

und Sologründungen, die vornehmlich im Dienstleistungsbereich stattfinden etc. Zahl-reiche in erster Linie öffentlich finanzierte Träger und Projekte (vornehmlich auf regio-

58 Vgl. Leicht (2005b), S.3.

59 Vgl. Leicht (2005a), S. 22.

60 Vgl. http://db.bmwi.de

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 31

naler und lokaler Ebene) wurden als Reaktion auf die strukturellen und ökonomischen Probleme – vornehmlich die hohe und wachsende Arbeitslosigkeit – gegründet.

1999 wurden auf Bundesebene alles in allem ca. 3.500 Programme und Initiativen der Gründungsförderung gezählt die meisten konzentrierten sich auf nicht-monetäre Leis-

tungen wie Information, Kurse und Seminare sowie begleitendes Coaching von poten-ziellen Gründern.61 Abgedeckt wird das Spektrum von Einzelberatungen zur Gründungsidee, Unterstützung bei der Entwicklung von Businessplänen und Finanz-

planung und Beratung zu bürokratischen und rechtlichen Fragestellungen im Zusam-menhang mit der Gründung. Diese persönlichen Beratungen werden häufig begleitet durch Seminar- und Workshopangebote zu Themenbereichen wie Marketing, Control-

ling, steuerrechtlichen Fragen, Personalmanagement etc. Die Inanspruchnahme der oben beschriebenen nicht-monetären Informations- und

Beratungsleistungen wird durch ein weites Spektrum an Programmen der finanziellen Beratungsförderung für kleine und mittlere Unternehmen unterstützt. Das IfM Bonn zählte 2005 in der Datenbank des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

101 Programme, von denen acht Landes- und 38 Bundesprogramme tatsächliche Beratungsförderung anboten. Diese decken unter unterschiedlichsten Bedingungen einen Teil der Beratungskosten von Gründern und Selbstständigen ab, stellen aber für

die Gründer selbst einen Förderdschungel dar, dessen Durchdringung häufig kaum möglich ist.62

Grundsätzlich wird von Gründern und Selbstständigen mit Migrationshintergrund er-wartet, dass sie die oben beschriebenen allgemeinen Informations- und Beratungs-strukturen nutzen. Selten haben diese Institutionen allerdings einen aktiven Ansatz,

sich mit den spezifischen Bedürfnissen der Migranten auseinander zu setzen und diese in die Beratung mit einzubeziehen. Es soll aber auch nicht verschwiegen wer-den, dass in den letzten Jahren durchaus erste Schritte hin zu einem solchen Main-

stream-Ansatz gegangen wurden. So hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie eine Informationsbroschüre zum Thema Migranten und Selbstständigkeit herausgegeben, in der rechtliche und bürokratische Erfordernisse und Rahmenbedin-

gungen der Selbstständigkeit beschrieben werden, die für Migranten fremd erscheinen könnten. Die deutsche Förderbank KfW hat eine zeitlang türkische Infor-mationsmaterialien herausgegeben, dies aber nach eigener Auskunft mangels Nach-

frage und aufgrund schlechter Erfahrungen eingestellt. Informationskanäle wie ethnische Communities oder Kulturvereine werden von den allgemeinen Akteuren der Existenzgründungsberatung eher nicht genutzt. Der Zugang zu Informationen über

allgemeine Beratungs- und Unterstützungsangebote ist – z.T. auch aufgrund von Sprachbarrieren – für viele Migranten schwierig, ihr Informationsgrad gering.

Vor diesem Hintergrund, dass Migranten unterproportional von den existierenden Unterstützungsstrukturen erreicht werden, gründeten sich in den letzten 5-10 Jahren zunehmend zumeist öffentlich finanzierte Projekte und Initiativen, die Beratung, Trai-

ning und Coaching für den Bereich Gründung und Selbstständigkeit explizit für die Zielgruppe Migranten anbieten. Experten bzw. Berater von neun dieser Institutionen wurden im Rahmen dieses Berichtes interviewt, um Kurzprofile der Organisationen zu

61 vgl. IFF/ILO (1999) , S. 19.

62 Vgl. Haunschild/Clemens (2005)

Öffentliche Gründungsun-terstützung

• Bundesweit über 3500 Program-me und Angebote

• Aktivität auf nationaler, regionaler und kommunaler Ebenen

• Besonderer Bedarf an Unterstüt-zungsangeboten für „prekäre“ Gründungen

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 32

erstellen und einen generellen Überblick über die Besonderheiten der Gründungsbera-tung für Migranten geben zu können.

3.1 Empirische Untersuchung von Angebot und Nach-frage

3.1.1 Methodisches Vorgehen

Im Zeitraum Oktober 2005 bis Februar 2006 wurden telefonische Interviews mit Mitar-beitern von neun Beratungsstellen im gesamten Bundesgebiet geführt, die Grün-dungsberatung für die Zielgruppe ausländischer Existenzgründer oder – in einer

weiteren Definition – Gründer mit Migrationshintergrund anbieten63. Ziel dieser Befra-gung war die Erstellung von Kurzprofilen der Organisationen, die deren Ansatz, den Beratungsprozess und die –inhalte, die Besonderheiten der Zielgruppe Migranten aus

Sicht dieser Einrichtungen und die darauf ausgerichteten spezifischen Methoden und Angebote beschreiben. Abschließend äußerten sich die Befragten dazu, was sie – sowohl an ihren eigenen Angeboten als auch generell in der Gründungsberatung von

Migranten – als good practice bezeichnen würden. Die sich im Anhang befindlichen Kurzprofile geben einen zusammenhängenden Überblick über die jeweiligen Einrich-tungen. In Kapitel 3.1.2 werden die Aussagen der Experten zusammenfassend aus-

gewertet um einen Überblick über die bestehenden Ansätze und das Angebot der Existenzgründungsberatung von Migranten zu verschaffen.

Um die Perspektiven der Experten um die der Migranten und somit der Nachfrageseite zu ergänzen, wurden zwei Gruppeninterviews in Form von Fokusgruppen durchge-führt. Die Teilnehmer der Gruppeninterviews waren ausnahmslos Einwanderer aus

Nicht-EU-Mitgliedsstaaten. Für die erste Fokusgruppe wurden sieben potenzielle Gründer/innen rekrutiert, welche sich noch in der Phase der Informationssammlung befanden oder bereits erste konkre-

te Schritte zur Unternehmensgründung eingeleitet hatten. Die zweite Gruppe setzte sich aus fünf Unternehmern und Unternehmerinnen zusammen, deren Firmengrün-dungen weniger als sechs Monate zurücklagen. Weitere Voraussetzungen für die

Teilnahme waren nicht gegeben. Die Gruppen waren daher gemischten Geschlechts, Alters sowie gemischter Nationalität und aus verschiedenen Geschäftsbranchen. Durch die verschiedene Zusammensetzung der beiden Gruppen (vor Gründung / nach

Gründung) ergaben sich unterschiedliche Blickwinkel hinsichtlich der Erwartungen und Werthaltungen der Teilnehmer zum Thema Existenzgründung. Diese werden im Fol-genden auch z.T. vergleichend betrachtet und die Unterschiede herausgestellt.

63 Arbeitsgemeinschaft türkischer Unternehmer und Existenzgründer e.V. in Hamburg, Bengi e.V. in Kassel,

Bremer ExistenzGründungsInitiative B.E.G.IN, Enterprise Berlin, ProFimannheim – Zentrum für Existenz-

gründung, Gründungsberatung für Migranten TCH GmbH Technologie-Centrum Hannover

Gründerservice Region, ReTra - Regionale Transferstellen zur Förderung selbstständiger Migranten, Start-

bahn Brandenburg – Lotsendienst zur Beratung und Begleitung von Existenzgründungen von Migranten,

Unternehmer ohne Grenzen e.V. i n Hamburg

Qualitative Befragungen

• Erstellung von Kurzprofilen von neun Gründungsberatungen für ausländische Existenzgründer

• Zwei Gruppeninterviews mit Fo-kusgruppen

• Ziel: Erkenntnisse zum Verhältnis von Beratungsnachfrage und Be-ratungsangebot

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 33

Die Rekrutierung der Teilnehmer erfolgte in allen Fällen telefonisch. Die Durchführung der Gruppeninterviews fand abends und in Räumlichkeiten der Handelskammer Ham-

burg statt.

3.1.2 Ergebnisse der Experteninterviews

Im Folgenden werden die Angebote der befragten Einrichtungen zunächst hinsichtlich

Zielgruppenorientierung und Angebotspalette (Beratungsprozess und –inhalte) syste-matisiert. Die Notwendigkeit zielgruppenspezifischer Methoden oder Unterstützungs-leistungen, die sich nach Meinung der Gründungsberatungsstellen aus den

Besonderheiten der Zielgruppen Migranten ergibt (vgl. Kap. 3.1.2.3), wird ebenfalls überblicksartig dargestellt. Anhand der Erfolgsfaktoren (good practice), die von den Beratungsstellen benannt wurden, können abschließend Anforderungen an migran-

tenspezifische Gründungsberatung aus Sicht der Anbieter formuliert werden.

3.1.2.1 Zielgruppenorientierung

Die neun befragten Gründungsberatungsstellen sind hinsichtlich ihrer Zielgruppenori-

entierung in zwei Kategorien einzuteilen.

1. Einrichtungen, die explizit auf „ausländische Existenzgründer“ oder „Gründer

mit Migrationshintergrund“ abzielen. Arbeitsgemeinschaft türkischer Unternehmer und Existenzgründer (ATU) e.V. in Ham-

burg

Die Zielgruppe wird hier als ausländische Existenzgründer benannt, 60% der Rat su-chenden sind türkischer Nationalität. Dies ist offensichtlich, da der Verein bereits im

Namen an dieser Zielgruppe adressiert. Darüber hinaus findet sich ein breites Spekt-rum anderer Nationalitäten, ein weiterer Schwerpunkt ist hier nicht festzustellen.

Bengi e.V. in Kassel mit Tätigkeitsschwerpunkt Kassel und Umland

Der Fokus von Bengi e.V. liegt auf Frauen mit Migrationshintergrund, allerdings wer-den explizit auch Männer beraten. Auch hier handelt es sich bei mehr als der Hälfte der Fälle um türkische Migranten, was auch damit erklärt wird, dass die Beraterinnen

selbst einen türkischen Hintergrund haben und türkisch sprechen. Weitere große Gruppen kommen aus dem Iran und aus Afghanistan.

ReTra - Regionale Transferstellen zur Förderung selbstständiger Migranten

ReTra deckt mit seinem Angebot das Bundesland Nordrhein-Westfalen mit Schwer-punkt im Ruhrgebiet ab. Der Schwerpunkt liegt ebenfalls auf türkischen Migranten, weitere aber wesentlich kleinere Gruppen kommen aus Osteuropa, den Balkanländern

und Afrika.

Startbahn Brandenburg – Lotsendienst zur Beratung und Begleitung von Existenz-

gründungen von Migranten

Im Bundesland Brandenburg berät die Startbahn gründungswillige Migranten mit ständigem Wohnsitz in Brandenburg. Die Staatsbürgerschaft spielt hier keine Rolle, es ist ausreichend, wenn z.B. ein Elternteil eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt.

Die größte Gruppe der Migranten kommt aus der ehemaligen Sowjetunion, weiterhin werden viele Polen und Vietnamesen beraten. Eine geringere Anzahl von Migranten stammt aus Lateinamerika, China, Afrika, Türkei und Afghanistan.

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 34

Unternehmer ohne Grenzen e.V. (UoG)

Die Einrichtung berät in Hamburg Migranten. Die Staatsbürgerschaft spielt hierbei

keine Rolle, vielmehr das subjektive Zugehörigkeitsgefühl der Teilnehmer zu einer Nationalität. Im Jahr 2005 hat Unternehmer ohne Grenzen Klienten aus mehr als 80 Ländern beraten, den größten Anteil bildeten mit 40% türkischstämmige Migranten,

gefolgt von Iranern und Migranten aus Osteuropa.

2. Gründungsinitiativen, die sich an alle Existenzgründer oder zumindest an ei-

ne weiter gefasste Zielgruppe richten, in diesem Rahmen jedoch explizit Gründungsberatung für Migranten anbieten.

Bremer ExistenzGründungsInitiative B.E.G.IN

Die Gründungsinitiative (Netzwerk aus 14 Institutionen) richtet sich an alle Gründer. Seit Juli 2005 existiert eine zielgruppenspezifische Beratung für Migranten. Alle

Migranten haben Zugang zum Beratungsangebot. Es gibt noch keine Erhebung hin-sichtlich der vertretenen Gruppen, aber es spiegelt sich die Bevölkerungsstruktur von Bremen wider. Zumeist nutzen Türken und Osteuropäer das Angebot. Die Beraterin

hat selbst einen türkischen Hintergrund wodurch der Zugang hier besonders erleichtert wird. Außerdem erfolgt die Zusammenarbeit mit einer Organisation, die über Berater mit osteuropäischem Hintergrund verfügt.

Enterprise Berlin

Die Initiative arbeitet innerhalb Berlins mit einem lokalen Ansatz, Beratung findet in Stadtteilbüros statt. Zielgruppe sind alle Bezieher von Transferleistungen mit Grün-

dungsabsicht. Faktisch bilden Migranten aufgrund ihres hohen Anteils in Ballungsräu-men und an Beziehern von Transferleistungen in vielen Stadtteilbüros den Schwerpunkt. Enterprise hat hierauf mit dem Einsatz von Beratern mit Migrationshin-

tergrund und Sprachkenntnissen reagiert. Die größte Gruppe besteht wiederum aus Türken, gefolgt von EU-Migranten und vereinzelten Arabern und Afrikanern.

ProFimannheim – Zentrum für Existenzgründung

Das Zentrum bietet in der Rhein-Neckar Region (Schwerpunkt Heidelberg und Mann-heim) generell Beratung, Qualifizierung und Begleitung junger Existenzgründer (Deut-sche und Migranten) bis maximal 40 Jahre an. 1/3 davon sind Migranten., worauf wie

bei enterprise mit der expliziten Einstellung von Gründungsberatern mit Migrantions-hintergrund reagiert wurde. Größte Migrantengruppen sind Türken und Kurden, viele Beratende kommen aber auch aus dem Iran und den Ländern des früheren Jugosla-

wien.

Gründungsberatung für Migranten, TCH GmbH Technologie-Centrum Hannover

Gründerservice Region Die Gründungsberatung für Migranten und Personen mit Migrationshintergrund ist in den Gründerservice Region der TCH GmbH integriert, zwei Mitarbeiter/innen bieten hier zielgruppenspezifische Beratung an. Schwerpunktmäßig werden Aussiedler mit

russischem Hintergrund und Türken beraten, mit Abstand gefolgt von Polen, Iranern und Menschen aus dem arabischen Raum.

Die Zusammensetzung der beratenden Migrantengruppen nach Herkunft spiegelt deutlich die größten Einwanderergruppen in Deutschland wieder, Türken bilden in fast allen Einrichtungen den Schwerpunkt. Dies wird vor allem in Ballungsgebieten wie den

großen Städten Hamburg und Berlin als auch dem Ruhrgebiet deutlich. Durch den Einsatz von vermehrt türkischsprachigen Beratern oder der Initiative türkischstämmi-ger Migranten selbst, Gründungsberatungen ins Leben zu rufen (ATU, Unternehmer

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 35

ohne Grenzen, Begin), wird zum einen auf diese größte Migrantengruppe reagiert, zum anderen deren Übergewicht in der Beratung aber auch forciert.

Neben den Türken bilden Osteuropäer mit schwerpunktmäßiger Herkunft aus Russ-land und Polen sowie Migranten aus dem Balkanländern weitere häufig genannte Gruppen. Bezeichnend ist, dass die Startbahn Brandenburg als einzige befragte Bera-

tungsstelle in einem östlichen Bundesland als einzige Einwanderer aus der ehemali-gen Sowjetunion, Polen und Vietnamesen als starke Nachfrager angibt, Türken hier nur vereinzelt eine Rolle spielen. Dies spiegelt die Einwanderungsgeschichte der neu-

en Bundesländer wider. Auch hierauf wurde reagiert, indem eine Beraterin mit russi-schem Hintergrund die Unterstützungsleistungen anbietet, was wiederum auch zur hohen Frequentierung dieser Zielgruppe – ebenso wie zur geringeren Frequentierung

durch bspw. Türken – beitragen kann. Insgesamt lässt sich sagen, dass es sich beim Großteil der Klientel der befragten

Beratungsstellen um Drittstaatenmigranten handelt. Benannt wurden hier in erster Linie Migranten aus der Türkei, Ländern der ehemaligen Sowjetunion, Iran, Afghanis-tan, Afrika und Menschen aus arabischen Ländern. Die Erfahrungen und Ansichten

der Beratungsstellen hinsichtlich der Anforderungen an spezifische Gründungsbera-tung für Migranten sind somit im Rahmen dieses Länderberichts aussagekräftig.

3.1.2.2 Beratungsprozess und- inhalte

Die Beratungsprozesse der befragten Institutionen sind durch eine ganze Bandbreite unterschiedlicher Elemente und Inhalte geprägt. Diese reichen von der vorgeschalte-ten Vermittlung grundlegender Informationen zur Existenzgründung in Gruppenveran-

staltungen über Einzelberatungen zur Konzepterstellung oder die Vermittlung solcher Fachberatungen und Qualifizierungsmaßnahmen bis hin zu Elementen der Nachgrün-dungsbegleitung. In der nachfolgenden Tabelle sind diese Organisationen und ihre

Angebote überblicksartig dargestellt. Die Tabelle wurde auf Basis der Experteninter-views erstellt und gibt die Angebotspalette und Aktivitäten wieder, die von den Bera-tern auf Nachfrage explizit benannt wurde. Sie erhebt demnach keinen Anspruch auf

abschließende Vollständigkeit.

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Alle Beratungsstellen haben gemeinsam, dass sie individuelle Erst- und Orientie-rungsberatungen mit den interessierten Gründern durchführen, in denen vornehmlich

das Gründungsvorhaben durchgesprochen und Realisierungschancen ausgelotet werden. Die Gründungseinrichtungen stellen so den Unterstützungs- und Qualifizie-rungsbedarf der Gründer fest, den sie entweder durch eigene Angebote decken oder

hierfür geeignete externe Berater und Qualifizierungsmaßnahmen vermitteln. Die Begleitung der Gründer bei der Erstellung des Gründungskonzepts (Businessplan) und der Finanzplanung in Eigenregie oder durch externe Partner bildet bei allen Organisa-

tionen ein zentrales Element. Die Unterstützungsleistungen der Beratungsstellen variieren nicht nur in der Breite

sondern auch in der Tiefe. Ein Beispiel hierfür ist das Erstgespräch, in dessen Fokus neben der Gründungsidee bei allen Institutionen die Gründerperson steht. Während einige Gründungsberatungen jedoch mit „weichen“ Faktoren zu einer Einschätzung

gelangen (subjektiver Eindruck, den die Berater von ihrem Gegenüber hinsichtlich Gründungsmotivation, Durchsetzungsfähigkeit, Realitätsbezug etc. gewinnen), führen andere ein systematisches Profiling zur Beurteilung der Unternehmerqualitäten durch.

Betrachtet man abschließend die unterschiedlichen Abläufe der Beratungsprozesse,

so lassen sich die Einrichtungen bezüglich ihres Gesamtkonzepts in drei Gruppen einteilen

1. Erste Anlauf- und Vermittlungsstellen für Migranten (Netzwerkansatz) mit

dem Ziel der Integration der Migranten in die bestehenden Unterstützungs-

strukturen

Diese Institutionen vermitteln in erster Linie grundlegende Informationen über die Existenzgründung und Anforderungen an Gründer. Weiterhin werden bestehende Beratungsangebote der Region vorgestellt und die Gründer mit Migrationshin-

tergrund nach einem ersten intensiven Sondierungsgespräch (ggf. mit Profiling) gezielt an geeignete Ansprechpartner vermittelt. Es wird in erster Linie Hilfestel-lung bei der Kommunikation mit deutschen Institutionen geleistet, um bestehende

Vorbehalte und Hemmschwellen abzubauen. Intensivberatungen und Hilfestellun-gen bei der Konzepterstellung werden von diesen Institutionen nicht angeboten, in einigen Fällen aber themenspezifische Seminare und Qualifizierungsmaßnahmen

durchgeführt. In diese Kategorie lassen sich ATU e.V., reTra, Startbahn Branden-burg und die Gründungsberatung für Migranten des TCH einordnen.

2. Erst- und Folgeberatungen mit dem Ziel der Konzepterstellung, ergänzende

Qualifizierung durch externe Partner

Bei B.E.G.IN, Bengi e.V. und Enterprise Berlin werden Erstberatungen in Form von Sondierungsgesprächen oder systematischem Profiling zur Überprüfung der Tragfähigkeit der Gründungsidee durchgeführt und der Unterstützungsbedarf er-

mittelt. Daraufhin wird von diesen Organisationen die Folgeberatung zur Erstel-lung eines Businessplans eigenständig durchgeführt, notwendige gründungsrelevante Qualifizierungsmaßnahmen (Seminare) allerdings von exter-

nen Experten durchgeführt und vermittelt.

Ergebnisse 1: Elemente Gründungsberatung

• Orientierung- und Vermittlungs-sangebote

• Businessplanerstellung steht im Zentrum

• Erst- und Folgeberatungen (ex-tern/intern)

• Eng an allgemeine Gründungsbe-ratung angelehnt

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 38

3. Erst- und Folgeberatungen mit dem Ziel der Konzepterstellung, ergänzende

Qualifizierung durch eigene Seminarreihen

Wie die vorangehend genannten drei Einrichtungen führen auch ProFimannheim und Unternehmer ohne Grenzen e.V. Erstberatungen und Folgeberatungen zur Konzepterstellung eigenständig durch. Das Angebot wird hier aber noch durch

eigens durchgeführte ergänzende Seminarreihen und Qualifizierungsbausteine abgerundet.

Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Kernelemente der Beratungsprozesse grundsätzlich mit denen der Organisationen der allgemeinen Gründungsberatung übereinstimmen. So durchlaufen die Migranten in den an eine allgemeine Grün-

dungsberatung angegliederten zielgruppenspezifischen Beratungsstellen den gleichen Prozess wie deutsche Gründer. Dieser Rahmen scheint stark von den in der öffentli-chen Diskussion der letzten Jahre diskutierten Erfolgsfaktoren und Qualitätsstandards

der Gründungsberatung – besonders der Gründungsberatung sogenannter benachtei-ligter Zielgruppen wie Gründer aus Arbeitslosigkeit, junge und niedrig qualifizierte Gründer, Frauen und eben Migranten - geprägt zu sein. In den beschriebenen Bera-

tungsprozessen spiegelt sich die grundsätzliche Überzeugung wieder, dass Gründun-gen ohne ausreichende Vorbereitung und Planung, ohne Businessplan und dezidierte Finanzplanung und Gründer ohne ausreichende kaufmännische und unternehmeri-

sche Basisqualifikationen auf dem Markt kaum eine Überlebenschance haben. Ergänzend zu diesen allgemeinen Elementen der Gründungsberatung bieten die mi-

grantenspezifischen Beratungsstellen jedoch weitere Unterstützungsleistungen an, die auf die Bedürfnisse dieser Zielgruppe zugeschnitten sind.

3.1.2.3 Besonderheiten der Zielgruppe

Im Rahmen der Interviews wurden die Berater nach den Besonderheiten der Zielgrup-pe Migranten gefragt. Dies zielte sowohl auf statistische Daten wie Alter, Branchen, Unternehmensgröße als auch auf migrantenspezifische gründungsfördernde und –

hemmende Faktoren ab. Die Berater antworteten gemäß ihrer subjektiven Einschät-zung, statistische Werte wurden spontan aus der Erinnerung genannt und nicht an-hand der Auswertungen eigener Datenbanken kontrolliert. Dies hätte den Rahmen der

Interviews gesprengt. Statistische Rahmendaten

Der Altersschwerpunkt der Gründer liegt bei fast allen Organisationen zwischen 30 und 40 Jahren. Eine Organisation betreut vornehmlich jüngere Migranten (18-35/40 Jahre) und beobachtet, dass diese bei Gründung meist jünger als Deutsche seien.

Eine weitere stellt derzeit eine signifikante Zunahme jüngerer Gründer fest. Die Alters-spitze reicht bei den Gründungswilligen bis Mitte 50.

Hinsichtlich der Migrantengenerationen unterscheiden sich die Angaben stark. In eini-gen Fällen bildet noch die 1. Generation der Migranten den Beratungsschwerpunkt, in anderen eindeutig die 2. und 3. Generationen (v.a. bei Türken). Heiratsmigranten der

2. Generation mit ihrer Zwitterstellung (vornehmlich Frauen, die selbst eingewandert sind wie 1. Generation, der Ehepartner gehört aber der 2. Generation in Deutschland an) werden von einer Organisation am häufigsten beraten und als sehr gründungswil-

lig betrachtet.

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 39

Hinsichtlich der Branchen, in denen die Migranten gründen, dominieren der Einzel-

handel, die Gastronomie und Dienstleistungen. Ähnlich häufig, allerdings mit zahlen-mäßig geringerer Bedeutung, wird das Handwerk genannt, was auch auf nach wie vor strengere berufsrechtliche Vorschriften zurückgeführt werden kann. Neben diesen

Hauptsektoren wurden mehrfach die freien Berufe als zunehmende Gründungsberei-che genannt (Juristen, Designer, Musiker), vereinzelt wird auch in der Baubranche gegründet. Von mehreren Organisationen wurde angemerkt, dass Migranten im Unter-

schied zu Deutschen häufiger in Risikobranchen gründen.

Hinsichtlich der Unternehmensgröße handelt es sich bei den Gründungen, die durch

die befragten Organisationen begleitet werden, fast ausschließlich um Kleinstgründun-gen mit geringem Kapitalbedarf. Dies sind allerdings auch explizite Zielgruppen der interviewten Gründungsberatungsstellen (häufig sog. benachteiligte Zielgruppen mit

schwierigem Gründungshintergrund, Gründer aus Arbeitslosigkeit etc.). Migranten, die größer angelegte Gründungen und Unternehmen planen, werden so eher selten Klien-ten dieser Beratungsstellen sein. Ein Rückschluss auf die Gesamtheit der Migran-

tengründungen oder –unternehmen ist somit nicht zulässig. Die Rechtsformen der gegründeten Unternehmen sind dementsprechend vornehmlich Einzelunternehmen oder GbRs, GmbHs kommen sehr selten vor.

Gründungsmotivation und gründungsfördernde Faktoren

Als vornehmliche Gründungsmotivation ihres Klientels nennen alle Beratungsstellen

die – oft einzige – Möglichkeit, auf diesem Wege der Arbeitslosigkeit zu entkommen. Der Anteil dieser Gründungen, die häufig als „Notgründungen“ bezeichnet werden, liegt bei vielen Organisationen zwischen 60 und 70%. In diesem Zusammenhang spielt

nicht selten der Wunsche eine Rolle, Schwarzarbeit zu legalisieren. Zwei Organisationen haben zunehmend Berufseinsteiger (vornehmlich Studierende und Migranten nach Abschluss der Lehre) als Gründer. Gezielte Gründungen aus

einem Beschäftigungsverhältnis heraus hingegen sind bei allen Institutionen Ausnah-mefälle. Die Gründung genießt insgesamt bei vielen Migranten ein hohes Ansehen, die Möglichkeit, sein eigener Chef zu sein ist ein hohes Ideal.

Als gründungsfördernder Faktor wird häufig die Bedeutung der Familie gesehen. Diese ist vor allem in zweierlei Hinsicht wichtig, als Mitarbeiter im neuen Unternehmen und

als Finanzier. In vielen Fällen versuchen die Migranten erst gar nicht, eine Fremdfi-nanzierung zu erhalten, sondern besorgen sich das notwendige Startkapital wenn möglich im Verwandtenkreis (vgl. Kap. 4). Sowohl die Familienmitarbeit als auch die –

finanzierung bergen jedoch auch Nachteile. So wird Familienarbeit oft nicht in den kalkulierten Kosten berücksichtigt, Krankheit ist nicht abgesichert und eine Alterssiche-rung wird nicht systematisch aufgebaut. Auch kann bei Scheitern einer Selbstständig-

keit ein Großteil des Familienkapitals vernichtet werden. Die Bedeutung der Familie ist nach Beobachtung einiger Berater besonders bei den türkischen Migranten ausgeprägt, in etwas abgeschwächterem Maße auch noch bei

Osteuropäern. Afrikaner und andere Einwanderergruppen hingegen können – auch aufgrund nicht vorhandener Familienstrukturen im Einwanderungsland – nicht darauf zurückgreifen.

Die ethnische Ökonomie wird nur von einer Einrichtung als Nische für Gründer be-zeichnet, die eine Selbstständigkeit erleichtern könnte. Die anderen Interviewten se-

hen in der ethnischen Ökonomie keine bedeutende gründungsfördernde Rolle.

Ergebnisse 2: Charakteristi-ka der Zielgruppe

• Hauptsächlich Kleinstgründungen

• Hoher Anteil von Notgründungen aus Arbeitslosigkeit

• Lange Berufserfahrung vs. Niedri-ge formale Bildung

• Intuitiver Zugang zur Existenz-gründung

• Unterstützungsbedarf bei langfris-tiger Planung und Orientierung im Behördenkontakt

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 40

Gründungen, die lediglich auf die eigene ethnische Community abzielen, werden kaum beobachtet, deutsche Kunden sind i.d.R. ebenso wichtig.

Gründungshemmnisse

Ein geringer Bildungsstand, das Fehlen formaler Qualifikationen, wenig Branchener-

fahrung und ein schlechter Zugang zu externer Finanzierung werden von den Bera-tungsstellen als maßgebliche gründungshemmende Faktoren genannt. Zusätzlich wird dem besonderen Unterstützungsbedarf der Migranten v.a. in deutschen Institutio-

nen noch nicht flächendeckend Rechnung getragen, das vorhandene Gründungspo-tenzial somit nicht ausreichend freigesetzt.

Migranten verfügen häufig über langjährige Berufserfahrung, Fachkompetenz ist in vielen Fällen vorhanden, hingegen fehlen formale Abschlüsse (sowohl Schul- als auch Berufsabschlüsse). Sind diese vorhanden, gibt es häufig ein Problem mit deren Aner-

kennung durch die deutschen Institutionen. Hinsichtlich des Bildungsniveaus variieren die Aussagen der Befragten. Einige konsta-tieren ein niedriges Bildungsniveau v.a. der Migranten, die in den Bereichen Gastro-

nomie und Einzelhandel – also gerade in den Risikobranchen – gründen wollen. In anderen Bereichen wird z.T. ein ähnliches schulisches Bildungsniveau wie das der deutschen Klientel beobachtet, die berufliche Qualifikation ist aber häufig auch dann

niedriger. Einige Einrichtungen konstatieren ein sehr gemischtes Bildungsniveau mit 30-40% Klienten mit Hochschulabschluss / akademischem Abschluss. Dies hängt auch stark von den Migrantengruppen ab, die Hauptklientel der Einrichtungen sind. So

haben bspw. Migranten aus der ehemaligen Sowjetunion i.d.R. ein höheres Bildungs-niveau als türkische Migranten, selbst der 2. und 3. Generation. Als gründungshemmend wird auch erwähnt, dass viele Gründungswillige – unhängig

vom vorhandenen Bildungsniveau – keine Vorerfahrung in dem konkreten Bereich ihrer geplanten Gründung haben. Zusätzlich fehlt es häufig an betriebswirtschaftlichem Verständnis und diesbezüglichen Kenntnissen.

Besonderer Unterstützungsbedarf

Besonderer Unterstützungsbedarf wird nach Meinung fast aller Experten u.a. durch ein

anderes Vorgehen der Migranten bei der Gründung notwendig. So wollen Gründer mit Migrationshintergrund häufig sehr zügig gründen, gelten als spontan und planen nicht langfristig. Sie kennen häufig die bürokratischen Erfordernisse nicht bzw. haben wenig

Verständnis für diese. Das Verständnis für Regeln und die Einhaltung von Vorschriften muss in der Beratung erst gewonnen werden. Dies gilt auch für vorhandene Unterstüt-zungsstrukturen. Hilfsmöglichkeiten und unterstützende Institutionen auf dem Weg zur

Selbstständigkeit sind Migranten selten bekannt. Durch Sprachprobleme der Migranten wird häufig eine intensive Hilfe beim Schreiben z.B. von Businessplan und Lebenslauf notwendig.

Auch haben Migranten oft eine zurückhaltende bis ängstliche Haltung gegenüber Behörden und Institutionen, was auf schlechten Erfahrungen im Heimatland oder auch in Deutschland basieren kann. Das verwendete „Behördendeutsch“ übersteigt nicht

selten ihre sprachlichen Fähigkeiten zur Alltagskommunikation. In diesem Bereich scheint Unterstützung und Begleitung unerlässlich.

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 41

3.1.2.4 Zielgruppenspezifische Beratungsmethodik und -instrumente

Zugang zur Zielgruppe

Die Informationskanäle von potenziellen Gründern mit Migrationshintergrund reichen bei den befragten Institutionen über (mehrsprachige) Broschüren, Flyer, Veranstaltun-

gen, die Einbeziehung ausländischer Medien und Organisationen (Kulturvereine, Mo-scheen) bis hin zu aktiver Netzwerkarbeit in den jeweiligen Regionen. Hier werden insbesondere öffentliche Einrichtungen einbezogen, auch wird von vielen Beratungs-

stellen aktiv auf der Ebene der Stadtteile Öffentlichkeitsarbeit betrieben. Berater gehen auf Veranstaltungen der Zielgruppe und informieren über das Angebot, Mund- zu Mund-Propaganda spielt darüber hinaus bei den meisten Beratungsstellen eine wichti-

ge Rolle der Verbreitung ihres Angebots.

Vertrauensbildung: „Migranten beraten Migranten“

Die Mehrzahl der Organisationen schreibt bei der Frage nach zielgruppenspezifischen Besonderheiten in der Beratung von Migranten der Vertrauensbildung eine zentrale Bedeutung zu. Das Maß der Bereitschaft der Migranten, sich auf einen gemeinsamen

Prozess einzulassen, hängt demnach stärker als bei Deutschen vom Aufbau eines Vertrauensverhältnisses zwischen Berater und Gründer ab.

Zwei Faktoren werden im Zusammenhang mit Vertrauensaufbau häufig betont. 1. Die Bedeutung von Beratern mit eigenem Migrationshintergrund 2. Das Angebot von Beratung in der Herkunftssprache der Gründer.

So verfügen alle befragten Beratungsstellen über Mitarbeiter mit Migrationshin-tergrund. Neben dem expliziten Ziel der erleichterten Vertrauensbildung wird hier an-genommen, dass aufgrund ähnlicher Erfahrungen und Hintergründe

Missverständnisse seltener aufkommen. „Durch den eigenen Migrationshintergrund gibt es ein Verständnis, was in den Köpfen der Menschen abläuft.“

Dies wird auch immer wieder im Zusammenhang mit der Möglichkeit der Beratung in den Herkunftssprachen der Beratenden gesehen, die i.d.R. durch Berater mit Migrati-onshintergrund gegeben ist. „Die Beratung kann auf türkisch, persisch, afghanisch,

teilweise auch auf russisch und italienisch erfolgen. Die Vorteile sind, dass es weniger Missverständnisse gibt, das Vertrauensverhältnis lässt sich einfach aufbauen.“ Beratung in der Herkunftssprache

Nachdem im Zusammenhang mit der Vertrauensbildung grundsätzliche Einigkeit unter den Beratungsstellen im Hinblick auf die Bedeutung von Beratern mit Migrationshin-

tergrund und die Möglichkeit zur Kommunikation in mehreren Sprachen herrscht, gibt es unterschiedliche Positionen zum Angebot von mehrsprachigen Fachberatungen. Zwei Beratungsstellen führen Beratungen ausschließlich in Deutsch durch. Eine dieser

Organisationen ist grundsätzlich der Meinung, dass das ausreichende Beherrschen der deutschen Sprache Voraussetzung für eine erfolgreiche Gründung in Deutschland ist, Beratungsinhalte werden daher ausschließlich auf deutsch vermittelt. In der ande-

ren Beratungsstelle wird durchaus über ein zukünftiges mehrsprachiges Beratungsan-gebot nachgedacht. Eine dritte Beratungsstelle gibt explizit an, dass Deutschkenntnisse Voraussetzung für die Teilnahme sind, Beratungen können aber in

einer anderen Sprache erfolgen, wenn dies gewünscht und hilfreich ist. Zwei weitere Einrichtung sehen Deutsch als „Betriebsmittel“ bzw. Beratungssprache erster Wahl. Auch hier wird die Bedeutung von Grundkenntnissen in dieser Sprache für das Grün-

dungsvorhaben betont. Nichtsdestotrotz erfolgen auf Wunsch Beratungen in anderen

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 42

Sprachen. Die anderen Einrichtungen gaben keine klare Präferenz für Beratungen in Deutsch oder anderen Sprachen an, die Entscheidung hierüber wird den Gründer

überlassen. Eine Beratungsstelle wies explizit darauf hin, dass die Mehrzahl ihrer Beratungen in der Muttersprache der Rat suchenden durchgeführt wird. Die Mehrzahl der Einrichtungen bietet zusätzlich mehrsprachiges Informations-

und/oder Beratungsmaterial an, zumeist der Mehrheitsnationalität ihrer Klienten ent-sprechend auf türkisch. Interkulturelle Kompetenz

Neben der vertrauensbildenden Bedeutung des eigenen Migrationshintergrundes von Beratern fiel in diesem Zusammenhang auch immer wieder das Schlagwort „Interkultu-

relle Kompetenz“. Hier fiel auf, dass die meisten Beratungsstellen das Vorhandensein von Beratern mit Migrationshintergrund im Team mit interkultureller Kompetenz gleich-setzen. Mit interkultureller Kompetenz ist hier der kulturelle Bezug zu den Beratenden

gemeint, die Bedeutung kultureller Unterschiede für den Beratungsprozess können so erkannt und thematisiert werden. „Kulturelle Unterschiede werden intensiver behan-delt. Ein Beispiel ist hier der Jahresabschluss, die typisch deutsche kontinuierliche

Buchführung versus das einfache Sammeln von Belegen oder auch Hygienevorschrif-ten im Gastronomiebereich.“ Einige Beratungsstellen führen auch explizit interkulturelle Trainings ihrer Mitarbeiter

durch. Dies umfasst sowohl die deutschen als auch die Mitarbeiter mit Migrationshin-tergrund. Hier wurde auch kritisch angemerkt, dass das Vorhandensein eines Migrati-onshintergrunds nicht gleichzusetzen ist mit genereller interkultureller Kompetenz.

Diese Kompetenz mag automatisch hinsichtlich der eigenen Ursprungskultur hoch sein, da aber auch von Beratern mit Migrationshintergrund Gründer aus anderen Kul-turen beraten werden, kann denen gegenüber die interkulturelle Kompetenz nicht

automatisch gegeben sein. Somit sei interkulturelle Kompetenz eine über den eigenen Hintergrund hinaus gehende Kompetenz.

Zwei Beratungsstellen betonten, dass interkultureller Kompetenz in ihrem Beratungs-alltag keine große Bedeutung zugemessen wird, wohl aber Berater mit Migrationshin-tergrund und methodische Kompetenz. „Interkulturelle Kompetenz spielt keine explizite

Rolle bei dem Beratungsansatz. Die Berater müssen langsam sprechen und davon ausgehen, dass viele Dinge zum ersten Mal gehört werden. Es muss einfach gestrickt sein, Feinfühligkeit muss gegeben sein, Referenten sollten nicht belehrend wirken,

man sollte nicht besserwisserisch handeln, da das die Teilnehmer abschreckt.“ Im zweiten Fall wird interkulturelles Know How nicht für sehr wichtig erachtet, da das Hauptziel der Beratung darin bestehe, dass die Migranten Anschluss an die deutsche

Denk- und Wirtschaftslogik finden und dieses vornehmlich vermittelt wird. Methodische Anforderungen

Die Beratung gründungswilliger Migranten bedarf nach Ansicht aller Beratungsstellen besonderer methodischer Fähigkeiten und Elemente. In der Beratung sind zahlreiche

Besonderheiten der Migranten zur berücksichtigen, auf die einzugehen ist. Die in den Interviews am häufigsten genannten sind hier dargestellt.

1. Komplexe Sachverhalte einfach darstellen. Besonders, wenn die Beratung in Deutsch stattfindet – aber auch generell, um Überforderung und Wiederstände zu vermeiden – sollte der Lehrstoff auf das We-

sentliche zusammengefasst werden. Langsames Reden der Berater oder Semi-

Ergebnisse 3: Zielgruppen-spezifische Beratungsaspek-te

• Vertrauensbildung wichtig

• Vereinfachung komplexer Sach-verhalte

• Strukturierung des Gründungs-vorhaben unter Berücksichtigung der individuellen Gründungssitua-tion

• Umgang mit Behörden und Integ-ration in allgemeine Förder- und Beratungsstrukturen

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 43

narleiter sowie eine einfache und unterhaltsame Sprachebene ist von großer Be-deutung, um die Migranten „mitzunehmen“.

2. Individuelle Lösungen erarbeiten Die Mehrzahl der Beratungsstellen betont, dass sie großen Wert darauf legen, die

Beratung an den individuellen Bedürfnissen der Migranten zu orientieren. Dadurch wird immer wieder der individuelle Fall – möglichst ganzheitlich unter Einbezie-hung des Umfeldes und der Familie – betrachtet. Es werden individuell abge-

stimmte Seminarangebote herausgesucht, keine Standardprogramme aufgelegt, Praxisnähe und konkrete, umsetzbare Tipps stehen im Fordergrund.

3. Schwerpunkt auf Strukturierung des Gründungsvorhabens Ein Großteil der befragten Institutionen hat die Tatsache, dass Migranten in der Regel sehr schnell gründen wollen, als große Herausforderung bezeichnet. Die

Gründungsvorhaben sind oft nicht langfristig geplant, sondern haben eine starke kurzfristige Orientierung. „Insgesamt ist Zeit sehr fließend und nicht terminiert. Dies führt generell dazu, dass man einfach gründen will und dafür keinen struktu-

rierten zeitlichen Fahrplan festlegt und verfolgt. Zeitpunkte, die für Gründung an-gesetzt werden (mal eine Woche, mal 6 Monate), geschehen aber unabhängig vom eigenen Stand im Gründungsprozess und den noch zu unternehmenden ei-

genen Schritten.“ „Problem im Erstgespräch ist es oftmals, dass die Gründer sehr zügig gründen wollen. Die Idee ist im Kopf vorhanden und die Familie wird schon irgendwie das

Geld aufbringen. Die Migranten sind in ihrer Gründungsmentalität sehr impulsiv.“ Aus diesem Grunde wird immer wieder betont, dass die Beratung dieser Heraus-forderung begegnen sollte, indem die Spontaneität der Gründer zunächst ge-

bremst wird und ihnen die Anforderungen der Gründungsrealität und eine gewisse Struktur vermittelt wird. „Die Beratung soll den Gründern die Strukturierung des Gründungsprozesses sowie die eine zeitliche Festlegung der tatsächlichen Grün-

dung ermöglichen.“ „Die Migranten sind in ihrer Gründungsmentalität sehr impulsiv. Daher ist zu-nächst wichtig ihnen eine gewisse Struktur für die Gründung nahe zu bringen ist.

Es wird vermittelt, dass dies auch für sie selbst wichtig ist. Bürokratie ist in Kauf zu nehmen, damit die Gründung erfolgreich sein kann.“

4. Heranführen an den Businessplan Der Businessplan als Kern der Gründungsvorbereitung muss den Gründern mit Migrationshintergrund, auch aufgrund des oben beschriebenen kurzfristigen

Gründungswillens, häufig mit viel Überzeugungskraft nahe gebracht werden. „Das Beratungskonzept muss angenommen, der BP und dessen Notwendigkeit erkannt werden. Dabei gilt es eine gewisse Resistenz zu überwinden und die Leu-

te zur Auseinandersetzung zu bewegen.“ Dies gelingt längst nicht immer und nach Auskunft einiger Befragter springen nicht wenige Gründungswillige vor dem oder im Prozess der Businessplanerstellung

wieder ab. Dies heißt allerdings nicht zwangsläufig, dass die Gründung nicht voll-zogen wird. Gerade in Fällen, in denen die finanziellen Mittel z.B. durch die Fami-lie vorhanden sind, wird häufig trotzdem gegründet.

Die Konfrontation der Migranten mit der Komplexität des Gründungsprozesses in Deutschland, der sich in den Anforderungen an einen Businessplan widerspiegelt,

sollte mit viel Einfühlungsvermögen und Bereitschaft zur Erläuterung der Hinter-

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 44

gründe geschehen. Häufig wird betont, dass die Verschriftlichung des Business-plans und auch die Erstellung eines Zahlenwerks für die Gründer hohe Hürden

darstellen, was eine enge Begleitung durch die Berater erfordert. „Leute kommen mit Ideen oder der konkreten Gelegenheit (Unternehmensüber-nahme) zur Existenzgründung und hohem Zeitdruck (Gründung in 2-3 Wochen) –

Konzept steht in Gedanken aber es mangelt an konkretem Wissen: wie soll die Planung angegangen werden, was sind notwendige Schritte, wie sieht das weitere Vorgehen aus – es sind kaum schriftliche Fixierung vorhanden. Berater stellen

das Element „BP“ vor, strukturieren das Ganze, besprechen den Ablauf, zeigen wie die Planung angegangen werden soll; trotz der Eile versuchen sie den Migranten zu einem strukturierten Vorgehen zu animieren (z.B. erst das Bankge-

spräch suchen und Finanzierung abklären, dann Verträge mit Mieter unterschrei-ben), also die Risikobereitschaft zu dämpfen. Die Migranten werden dabei teilweise an die Hand genommen und ein gemeinsames Vorgehen wird erörtert;

Berater legen die Aufgaben fest und Migranten arbeiten diese ab (Berater über-nehmen dabei eine Vermittlerrolle, helfen aber auch beim Ausfüllen von Formula-ren und lesen BP gegen).“

Besonders, wenn eine externe Finanzierung gewünscht ist, finden sich Berater häufig im Zwiespalt wieder, dass der Businessplan für die Migranten einerseits ei-ne Überforderung darstellt, andererseits aber nicht auf ihn verzichtet werden kann

und die Maxime der Beratung die Hilfe zu Selbsthilfe ist, also nicht das Schreiben des Businessplans für die Klienten. „Verfassen eines BP, vor der Verschriftlichung haben die Migranten große Angst

(teils wegen Sprachproblemen / teils wegen Unsicherheit und mangelndem Selbstbewusstsein, Angst vor Ablehnung). Großes Problem ist die Finanzierung (und hier ist der BP für Banken ja sehr wichtig), insgesamt ist aber sehr viel Über-

zeugungsarbeit nötig die Ablehnung der Migranten zu überwinden.“ Lediglich eine Beratungseinrichtung hat auf diese Maxime verzichtet und schreibt den Businessplan für die Gründer mit der Begründung, dass diese damit gänzlich

überfordert seien, was aber nicht hieße, dass die Gründung zwangsläufig schei-tern müsse.

Umgang mit deutschen Institutionen und Integration in bestehende Strukturen

Neben den erwähnten Elementen spielt in der Gründungsberatung von Migranten

auch die Unterstützung im Umgang mit deutschen Institutionen eine wesentliche Rolle. Behörden und Banken werden hier als besonders bedeutend angesehen. So wird von vielen Beratungsstellen der Kontakt zu diesen Institutionen hergestellt und den Migran-

ten persönliche Ansprechpartner vermittelt. Vor dem Hintergrund einer häufig erwähn-ten Hemmschwelle bis hin zu Angst von Migranten gegenüber v.a. staatlichen Institutionen, welche häufig aus negativen Erfahrungen in ihren Herkunftsländern

herrührt, bereiten viele Beratungsstellen die Gründer gezielt auf die Kontakte vor. In diesem Rahmen werden sowohl den Gründern Funktion, Notwendigkeiten und Denk-weisen von bspw. Behörden und Banken erklärt, als auch versucht, bei diesen Institu-

tionen Lobbyarbeit für die Zielgruppe von Gründern mit Migrationshintergrund und deren besonderen Hintergründe zu leisten.

Alle Einrichtungen verfolgen mit ihren Beratungsangeboten das Ziel, die Migranten langfristig in die deutschen Strukturen und Institutionen zu integrieren. Zielgruppenbe-schränkungen sollen grundsätzlich gelöst werden und die Auflösung reiner Migran-

tenprojekte und ethnischer Nischen / Parallelkulturen ist gewünscht. Allerdings wird

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 45

eine zielgruppenspezifische Arbeit mit Migranten derzeit und auch in naher Zukunft für notwendig gehalten, da eine Sensibilisierung für ihre Belange in den deutschen Institu-

tionen noch nicht ausreichend vorhanden ist.

3.1.2.5 Erfolgsfaktoren der Gründungsberatung von Migranten

Abschließend wurden die befragten Praktiker aufgefordert, die wesentlichen Erfolgs-

faktoren der Gründungsberatung von Migranten aus ihrer Sicht zu benennen. Hierbei konnte es sich sowohl um eigene good practice Elemente oder um solche anderer Organisationen handeln. Ebenso wurden hier wünschenswerte Entwicklungen oder

Ergänzungen der Angebotspalette der eigenen Organisation oder generell der Grün-dungsberatung von Migranten genannt. Auch wenn sich einige Aussagen mit den vorherigen Ausführungen doppeln, sollen an dieser Stelle noch einmal die Praktiker zu

Wort kommen.

Zugang zur Zielgruppe und Netzwerkarbeit

• Informationen an öffentlichen Einrichtungen, v.a. Arbeitsämter und zuständi-ge Stellen zur Gewährung von Arbeislosengeld II. Diese vermitteln nun auto-matisch gründungswillige Migranten.

• Zugang zu fremdsprachigen Medien und den Communities der Migranten. Dies gewährleistet ein positives Echo und einen Vertrauensaufbau bei den Migranten.

• Aktives Zugehen auf die Zielgruppe: Ansprache der IHK, Arbeitsämter, Politi-ker und die gezielte Ansprache der Migranten. Der Netzwerkgedanke ist fun-damental. Dies ermöglichte eine gezielte Vermittlung, schafft ebenso

Vertrauen und baut Hemmnisse auf Seiten der Migranten ab. • Kontakt zu den einzelnen Personen und Institutionen (Kontaktpflege) sind

wichtig als Erfolgsfaktor für die Gründungsbegleitung. Dies öffnet Türen und

sensibilisiert einerseits die Berater und schafft Vertrauen auf Seiten der Gründer.

• Als besonders wichtiger Punkt stellt sich das Netzwerk heraus, welches zum

Ziel hat, Migranten an bestehende Institutionen zu vermitteln und die Hemm-schwelle durch persönlichen Zugang zu senken. Hierbei entsteht Mehrwert auf beiden Seiten, so lernen Migranten die Organisation/Institution kennen,

gleichzeitig werden die Institutionen auch vertrauter mit der Zielgruppe Mi-granten.

Berater mit Migrationshintergrund und Interkulturelle Kompetenz

• Berater sollten idealerweise eigenen Migrationshintergrund aufweisen. • Der Berater muss Vielfalt akzeptieren (viele Perspektiven), Verhaltensflexibili-

tät besitzen (Prozess muss beiderseitig sein, einstellen auf Teilnehmer der Beratung). Der Berater muss ein gewisses Maß an Empathie aufweisen. Auf-gabe des Beraters ist es die starke Verknüpfung von Sachebene und emotio-

nale Ebene bei Migranten mit Rücksicht und Feingefühl zu lösen. • Der eigene ethnische Zugang und Bezug durch den Gründungsberater ist

wichtig.

• Berater sollten über interkulturelle Kompetenzen verfügen. Wichtige Referen-zen auf Seiten der Berater sind: Arbeit im Ausland, Mitarbeit in Projekt, Zu-sammenarbeit mit Migranten.

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 46

• Beratung zeichnet sich aus durch interkulturelle Kompetenz, den kritischen Blick, der Migranten von Innen betrachtet (Idee, Qualifikation) und die Ver-

mittlung von Elementen der deutschen Gesellschaft. • Fokus auf Einzelberatung und Vertrauensaufbau, gepaart mit interkultureller

Kompetenz der Berater.

Beratungsmethodik

• Beratung sollte sehr individuell in der Fragestellung sein und große Praxisnä-

he aufweisen. • Die Beratung muss den Leuten richtig zuhören, auch den Träumereien, nicht

abblocken sonst verlieren die Leute Vertrauen.

• „Einfache“ Hilfen wie bspw. Ausfüllen von Formularen und Lebensläufen sind notwendig und hilfreich. Insgesamt sollte ein umfangreiches Kümmern ange-strebt werden. Die Beratung sollte durch sozialpädagogische Betreuung er-

gänzt werden. • Informationsmaterialien ähnlich wie Beratung an die Möglichkeiten der Leute

anpassen.

• Mehrsprachige Materialien sollten einen Überblick geben und das Wichtigste zusammenfassen. Über den Überblick erfolgt der tiefere Einstieg.

• Das Potenzial von Migranten erkennen, versuchen sie zu sensibilisieren.

• Unterstützung für förderungsbedürftige Menschen (Sprache sollte nicht zum Ausschlusskriterium werden)

• Gruppenberatung in „gemischten Gruppen (Deutsche und Migranten): Bei der

Gruppendynamik ergibt sich ein spezieller und positiver Effekt durch den Ausgleich der Mentalitäten der Deutschen und Migranten. Während man die eine Gruppe eher „schubsen“ muss (Deutsche), brauchen Migranten eher ei-

ne bremsende Hand. Gemischte Gruppen sollen beibehalten werden, doch gilt es Verfahren zu erarbeiten, Migranten in der Gruppe besonders zu för-dern bzw. stärker einzubinden.

• Bei der Beratung ist es zentral zu vermitteln, dass die Planung im Mittelpunkt stehen muss. Planung ist nicht Hemmnis, sondern Grundstein für realistische Gründung

• Ergänzung der Gründungsberatung durch Nachgründungsbegleitung zur Si-cherung der Nachhaltigkeit der Gründungen.

Lobbyarbeit und Mainstreaming

• In den bestehenden deutschen Institutionen sollten vermehrt Mitarbeiter mit

unterschiedlichem äußerlich sichtbaren Migrationshintergrund arbeiten (z.B. Asiaten, Schwarze, etc.)

• Öffentliche Verwaltung sollte „offener“ sein (von der Qualität der Beherr-

schung der deutschen Sprache wird auf andere Qualitäten geschlossen). Das Potenzial von Migranten erkennen, versuchen sie zu sensibilisieren (Öffent-lichkeitsarbeit: z.B. erfolgreiche Gründungen mit Artikel bedenken)

• Sensibilisierung der Ansprechpartner in den deutschen Institutionen und der Multiplikatoren für die Hintergründe, Belange und Herangehensweisen der selbständigen Migranten. Sensibilisierung der Multiplikatoren für die Hinder-

nisse aber auch Potenziale der Migranten • Verbesserungsvorschläge: mehr Interesse von der öffentlichen Seite (findet

in Ansätzen statt), Transparenz auf Bundesebene und stärkeren Austausch

von Erfahrungen ermöglichen, gemeinsam Maßnahmen entwickeln.

Ergebisse 4: Erfolgsfaktoren

• Zugang zur Zielgruppe über Netzwerkarbeit

• Aufbau und Einsatz interkultureller Kompetenz im Beraterstab

• Angepasste Beratungsmethodik

• Lobbyarbeit und Mainstreaming, va. Sensibilisierung von Institutio-nen und Multiplikatoren

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 47

3.1.3 Ergebnisse der Fokusgruppen mit Migranten

Die Ergebnisse der Fokusgruppen sind unter dem Vorbehalt zu betrachten, das deren

Besetzung nicht repräsentativ für den ausländischen Bevölkerungsanteil in Deutsch-land war. Dies kann auch nicht Anspruch qualitativer Forschung sein. Insgesamt ist jedoch anzumerken, dass sich alle Teilnehmer der Gruppeninterviews durch hohe

Bereitschaft zur Teilnahme und durch Offenheit gegenüber der deutschen Gesellschaft und Kultur sowie durch ein hohes Maß an Integration auszeichneten. Diese Vorgehensweise ermöglicht die nachfolgenden Ergebnisaussagen.

3.1.3.1 Motive und Motivationen der Existenzgründung

Auf die Frage hin, was die treibende Kraft sei, was also als Hauptmotiv für eine Exis-tenzgründung zu gelten hätte, waren die Antworten interindividuell unterschiedlich.

Insgesamt wurde jedoch deutlich, dass ein Großteil der Interviewteilnehmer aus der Arbeitslosigkeit heraus gründete oder gegründet hatte. Gründung aus Arbeitslosigkeit

Die Selbstständigkeit wird hier als einzige Möglichkeit gesehen den Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Selbstständigkeit war in den meisten Fällen nicht das Lebensziel der

Betroffenen. Ein bescheidener Lebensstandard im Angestelltenverhältnis und bei finanzieller Sicherheit würde von den meisten Teilnehmern einer Gründung vorgezo-gen werden. Das hohe finanzielle Risiko der Existenzgründung wird daher als aufge-

zwungen und unausweichlich erlebt.

Ein Geschäft an sich ist auch ein großes Risiko, besonders in

dieser Zeit. Nichts ist sicher. Das ist eine psychische Belastung,

[...] aber ich habe sonst keine Arbeit gefunden – was sollte ich

sonst machen?

Ich hätte gerne eine feste Arbeitsstelle, wo ich arbeiten kann, bis

ich Rentner bin.

Habe viel zu viel durchgemacht hier in Deutschland. Der Ar-

beitsmarkt hat sich nach der Euroeinführung und Hartz IV sehr

verschlechtert. Heutzutage ab dreißig Jahren Arbeit zu bekom-

men ist schwer. Du hast einfach keine Chance. Einen Ein-Euro-

Job machst du ein paar Monate und das ist alles, aber es wird

nicht besser.

Betriebsübernahme Ein weiteres gruppenübergreifendes Motiv für eine Selbstständigkeit war in mehreren Fällen die günstige Gelegenheit zur Übernahme eines laufenden Betriebes. In den beteiligten Fällen kam der Kontakt zum Vorbesitzer über private Verbindungen zu-stande oder das Angebot erfolgte direkt durch den Arbeitgeber.

Ich habe zusammen mit meinem Mann im Textilbereich gearbei-

tet. Mein Chef hat gefragt, ob wir das Geschäft übernehmen wol-

len. Er geht in Rente, wir könnten übernehmen. [...] In dem

Geschäft ist alles drin. Wir bräuchten nicht so viel Geld. [...]

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 48

Wenn wir den Laden nicht nehmen, macht er den Laden zu. Das

ist unsere einzige Chance, das kriegen wir nicht wieder.

Anzumerken ist, dass in allen beteiligten Fällen die Übernahmen auf Drängen des Vorbesitzers sehr schnell vollzogen werden sollten. Eine strukturierte Übergabe fand nicht statt. Allerdings stehen die Vorbesitzer in informeller Art und Weise ratgebend

zur Verfügung. Ferner wurde die Geschäftsfähigkeit des zum Kauf stehenden Unter-nehmens wesentlich anhand der Aussagen und des sichtbaren Lebensstandards des Verkäufers beurteilt.

Der Laden ist seit dreißig Jahren gut gelaufen, jetzt wollen wir es

versuchen. [...] Der Vorbesitzer hat den Laden (vor kurzem) aus-

gebaut, das heißt es läuft gut. Der fährt ein neues Auto – ok,

muss ich nicht fahren, aber dass ist eine Motivation für uns.

Wir haben viele Geräte vom Vorbesitzer übernommen. Im nach-

hinein hat sich herausgestellt, dass hätte nicht sein müssen. Das

hat uns finanziell ein bisschen reingeritten.

Verbesserung des Lebensstandards

Neben diesen Gründen für eine Selbstständigkeit existieren eine Reihe von emotiona-

len Motivatoren. Der Wunsch zur Verbesserung des eigenen Lebensstandards spielt hier eine zentrale Rolle. Dabei wird der erhöhte Lebensstandard weniger am finanziel-len Wohlstand festgemacht, als vielmehr am subjektiven Grad der Selbstverwirkli-

chung und Unabhängigkeit. Konkrete Äußerungen zielten auf den Wunsch ab, eine Beschäftigung gemäß den eigenen Qualifikationen auszuüben. Die Lebensqualität wird hier in der beruflichen Anwendung der eigenen individuellen Fähigkeiten gese-

hen.

Ich habe im Angestelltenverhältnis gearbeitet, aber immer

Schwierigkeiten gehabt. Das habe nicht nur ich gemerkt, sondern

auch meine Kunden. In einem deutschen Friseursalon kann ich

nicht alles machen was ich gelernt habe. So habe ich mich ent-

schieden, dass ich mich selbstständig mache.

Viele Teilnehmer erzählten, dass sie durch ihr Leben im Heimatland gewohnt waren, sich selbstständig und unabhängig zu versorgen. Die meisten sind im Heimatland bereits selbstständigen Tätigkeiten nachgegangen, auch wenn diese mit geringsten

Mitteln realisiert wurden. Dieses Bewusstsein der Selbstständigkeit wird auch in Deutschland versucht umzusetzen. Hierbei fühlen sich jedoch viele durch bürokrati-sche Hürden ausgebremst.

Ich habe immer gearbeitet. Ich denke immer an die Selbststän-

digkeit. Jetzt will ich mich selbstständig machen, um mir einen

Arbeitsplatz zu schaffen.

Ich bin zweimal selbstständig gewesen in meinem Heimatland.

Einmal habe ich Marschmellows verkauft. Dreißig Marschmellow-

Gläser habe ich nur in meinem Viertel verkauft. Ich war mit mei-

nem Fahrrad unterwegs. Davon habe ich acht Monate gelebt.

Es ist unkomplizierter dort. [...] Hier kann man keinen Laden er-

öffnen, ohne ihn anzumelden.

Der relevante Unterschied zwischen den Gruppen bezüglich der Beweggründe und Motivationen besteht in einer Verschiebung der Erwartungshaltung an die Selbststän-digkeit. Während vor der Gründung noch die Hoffnung auf eine Verbesserung der

Ergebnisse 1: Motivlagen der Existenzgründung

• Gründung aus Arbeitslosigkeit

• Betriebsübernahme

• Verbesserung des Lebensstan-dards, Sozialer Aufstieg

• In der Nachgründungsphase Sta-bilisierung am wichtigsten

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 49

finanziellen und lebensmäßigen Situation geäußert wird, stellt nach der Gründung das Ringen um Stabilität alle anderen Bedürfnisse in den Hintergrund.

3.1.3.2 Größte Herausforderungen und Probleme

Bis auf die Sprachbarriere wurden kaum Probleme bei den Existenzgründungen deut-lich, die als migrantenspezifisch gelten müssten. Gleichwohl werden die beschriebe-

nen Schwierigkeiten als extrem belastend empfunden. Die Belastung verstärkt sich, wenn das subjektive Gefühl entsteht, aufgrund von Unwissen oder Benachteiligung nicht alle Möglichkeiten ausschöpfen zu können.

Arbeitsbelastung

Die regelmäßige Arbeitszeit der Interviewteilnehmer belief sich durchschnittlich auf 12-14 Stunden werktags. Oft bestand der Eindruck, dass noch Auftragspotenzial abge-

schöpft werden könnte, wenn nur mehr anrechenbare Arbeitszeit zur Verfügung stün-de. Zusätzliches Personal sollte dafür sorgen, dass dieses Potenzial nicht verschenkt wird.

Ich kann nicht wachsen, wenn ich keine Zeit mehr habe. Ich

brauche mindestens noch einen Mitarbeiter. Dann kann ich Rou-

tinearbeiten abgeben. Ich werde es ab nächster Woche zum ers-

ten Mal mit einer Praktikantin versuchen.

Als (Mode-)Designerin muss man ja nur entwerfen und Schnitte

machen. Als Unternehmerinnen müssen wir auch nähen, wir

müssen zwei- bis dreimal wöchentlich Stoffe einkaufen. Das ist

mühsam. Oft sind wir erst um 14:00 Uhr im Geschäft. [...] Wir

möchten und könnten auch Firmenaufträge übernehmen und

dann in größeren Mengen produzieren. Aber wir haben kein Geld

(für Personal).

Im Zuge der Personalfrage ergab sich die weitere Schwierigkeit geeignetes Personal

zu finden. Diejenigen Unternehmer, welche bereits über zusätzliches Personal verfüg-ten, beschrieben die Schwierigkeit, die unternehmerischen Werte und Standards ge-eignet zu vermitteln. Besonders im Kundenkontakt wird es als wichtig erachtet, dass

Mitarbeiter sich mit dem jeweiligen Unternehmen identifizieren können und dieses auch entsprechend repräsentieren.

Wir brauchen Personen (Mitarbeiter), die zusammenpassen. Al-

les muss zum Laden passen, das Aussehen, der Charakter. Je-

der muss denken, dass das sein Laden ist. Das Team(-

verständnis ist wichtig). Alle müssen die Kundschaft gleich (gut)

bedienen.

Kundenakquisition

Als eine weitere große Problematik bei den Unternehmern der Gruppe nach dem

Gründungszeitpunkt zeigte sich der geringe Erfolg, aktiv die Auftragslage zu beeinflus-sen. Als Grund dafür wird insbesondere genannt, keine wirkungsvollen Werbemaß-nahmen zur Verfügung zu haben. Als kleinere, kostengünstige Maßnahmen wurden

Flugblätter in der jeweiligen Heimatsprache, regionale Radio und Kinowerbespots, der Internetauftritt, Schaufenster sowie vereinzelte Plakate an markanten Stellen genannt. Bis auf die Plakatierung erzielten jedoch keine dieser Maßnahmen subjektiv spürbare

Ergebnisse.

Ergebnisse 2: Herausforde-rungen und Probleme

• Hohe Arbeitsbelastung

• Schwierigkeiten in der Kundenak-quise

• Problem bei der Standortsuche

• Sprachliche Probleme, vor allem im Kontakt mit Behörden

• Anerkennung von im Ausland er-worbenen Qualifikationen

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 50

Die Schwierigkeit der effizienten Kundenakquisition wurde vornehmlich von Selbst-ständigen beschrieben, welche ihr Unternehmen bereits seit einiger Zeit führten.

So sehr bei den Schwierigkeiten die finanziellen Aspekte im Vordergrund stehen, so selten wird der finanzielle Gewinn als Maßstab für Geschäftserfolg herangezogen. Die Auftragslage und die Kundenzufriedenheit werden als direkte und zentrale Indikatoren

für den Erfolg des Unternehmens gewertet. Soll das eigene Unternehmen aufgewertet werden, wird zuerst und oft ausschließlich versucht, diese beiden Faktoren zu verbes-sern. Der finanzielle Gewinn des Unternehmens wird stets als Mittel zu diesem Zweck

betrachtet und daher zum größtmöglichen Teil reinvestiert. Diese Reinvestitionen beziehen sich fast ausschließlich auf die Bereiche Geschäftsraumeinrichtung, Wer-bung und Steigerung der Produktqualität.

Die Kunden beurteilen unsere (Textil-)Waren noch bevor sie ge-

guckt haben, ob wir (beispielsweise) exakt nähen. Die gucken

unseren Laden und unser Schaufenster an.

Standortsuche

Neben den finanziellen Schwierigkeiten wird die Suche nach einem geeigneten Stand-ort als eine weitere große und zeitraubende Hürde bei der Geschäftseröffnung ange-

sehen. Rückblickend wurde die Standortsuche von Unternehmern als eine der anstrengendsten Herausforderungen betrachtet. Hauptaugenmerk wurde bei der Aus-wahl auf die Beschaffenheit der Räumlichkeiten selbst und auf die Konkurrenzdichte in

der näheren Umgebung gelegt. Die Raumkosten, also Miete und Mietnebenkosten, stellten für alle Beteiligte eine der größten finanziellen Belastungen für die Liquidität des Unternehmens dar.

In Hamburg habe ich 100 Läden angeguckt. Ich wollte etwas das

passt. Es war sehr schwer, bis ich etwas gefunden habe. [...] Ich

habe gesucht, indem ich mit dem Auto herumgefahren bin. Dann

habe ich im Internet gesucht und ich habe viel (mit Vermietern)

verhandelt.

Sprache

Alle Teilnehmer der Fokusgruppen waren der deutschen Sprache mächtig. Bei Ver-handlungsgesprächen mit Banken oder Behörden greifen dennoch viele auf Vertrau-enspersonen aus dem Familien- bzw. engen Bekanntenkreis als Dolmetscher zurück.

Diese Entscheidung hat jedoch eher eine emotionale Sicherheitsfunktion, damit wirk-lich alles richtig verstanden wurde und stellte sich im Nachhinein meist als entbehrlich heraus. Die Sprachbarriere äußert sich jedoch stark im schriftlichen Kontext. Das

Erstellen von wichtigen Schriftstücken oder das inhaltliche Verstehen von Behörden-briefen bereitet den Teilnehmern aller Altersstufen und Gründungsphasen ernste Schwierigkeiten.

Ja, ich habe das Problem besonders beim Schreiben, aber ich

kenne viele Deutsche und die helfen mir.

Für mich wäre es wichtig, Hilfe beim Schreiben von Werbemate-

rial und Briefen zu bekommen. Manchmal kann ich den Text

nicht richtig erstellen. Wenn ich nur Stichwörter bekäme (könnte

ich diese ausformulieren), zum Beispiel was bei welchen Behör-

den wichtig ist.

Keiner hilft dir bei Verträgen. Keiner hilft dir, wie du mit Behörden

umgehen sollst. Man sollte eine Beratung über Behördenmentali-

tät machen.

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 51

Auf die konkrete Anfrage, ob es sinnvoll wäre, spezialisierte Berater der jeweils glei-chen ethnischen Zugehörigkeit auszubilden, beispielsweise türkische Berater für türki-

sche Gründer, wurde dies von den Teilnehmern relativiert. Der (Berater, der) da sitzt, muss gar kein Ausländer sei. Jeder

Ausländer kann erklären, was er möchte, aber er kann es nicht in

behördendeutsch umformulieren.

Das Problem ist (nicht,) nicht Deutsch zu können. Ich habe drei

Kinder die perfekt Deutsch sprechen, aber wenn ich denen ein

behördliches Schreiben gebe, können sie auch nichts damit an-

fangen.

Qualifikation

Einige Teilnehmer hatten bereits im Heimatland Ausbildungen abgeschlossen. Diese Ausbildungen werden in Deutschland jedoch nicht oder nur zum Teil akzeptiert. In all diesen Fällen wurde dennoch weniger die Überqualifikation als Problem betrachtet,

denn die meisten Unternehmer und Gründer hatten Wege gefunden ihre Fähigkeiten innerhalb ihrer Gründungsvorhaben umzusetzen. Vielmehr wurde die Tatsache als frustrierend empfunden, dass aufgrund der fehlenden Anerkennung von Zeugnissen

und Leistungen, die Chance auf angemessene Weiterbildung verwert blieb.

Meine Zeugnisse sind hier nicht anerkannt. Zum Weiterstudieren

müsste ich zurück nach (Heimatland) gehen. Oder ich müsste al-

les übersetzen lassen und von vorne anfangen (zu studieren).

Ich habe in (Heimatland) eine Bibliothek geleitet mit 20.000 Bü-

chern, aber die Ausbildung wurde hier nicht anerkannt. Auch fi-

nanziell muss man lernen damit umzugehen.

Finanzierung

Wie erwartet liegen die größten Herausforderungen im finanziellen Bereich. Hier un-terschieden sich die Äußerungen der Gründergruppen vor und nach dem Gründungs-zeitpunkt. Für erstere ergaben sich die finanziellen Probleme hauptsächlich beim

Aufbringen des geeigneten Startkapitals. Für viele potenzielle Gründer mit Migrations-hintergrund bleibt keine andere Möglichkeit, als zu versuchen einen geförderten Kredit in Anspruch zu nehmen. Versuche in dieser Richtung schlagen jedoch oft fehl.

Es gibt Leute, die ein Startkapital bekommen und andere nicht,

warum weiß ich nicht. Manchmal kann ich den Staat nicht ver-

stehen. Viele Leute sitzen zu Hause und haben gute Ideen, aber

sie haben kein Geld.

Mein Wunsch wäre, dass nicht immer diejenigen, die keine Arbeit

haben auch keine Unterstützung bekommen. Die Bank sieht,

dass man keine Arbeit hat und dann kriegt man auch nichts.

Auch die Konditionen der Kreditvergabe werden als sehr belastend empfunden.

Bei einem Kredit brauche ich die nötige Zeit, dafür zu bezahlen.

Ich verlange nicht, dass der Staat mir das Geld schenkt, aber ich

brauche die nötige Zeit das Geld zurückzuzahlen. Wenn man das

(Geld) schnell zahlen muss, steht man zu sehr unter Druck. Bes-

ser ist es, nach und nach kleinere Beträge zu zahlen, damit man

Zeit hat, das Geschäft nach vorne zu bringen.

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 52

Unternehmer nach der Gründung sehen finanzielle Probleme vor allem bei der Tätigung längst überfälliger Investitionen. Aufgrund des engen Liquidi-

tätsrahmens bleibt kaum die Möglichkeit, geringste Summen ins Unter-nehmen zu reinvestieren. Neben dem Wunsch Mittel zur Kundenwerbung zu Verfügung zu haben, wurde hier insbesondere der Wunsch geäußert,

Personal für zeitaufwändige Routinearbeiten einzustellen.

3.1.3.3 Gründungsberatung: Erwartungen und Erfahrungen

Gründungsberatung wird als einer der wichtigsten Faktoren bei einer Existenzgrün-dung erkannt.

Eine gründliche Gründungsberatung ist sehr sehr wichtig, auch

während des Geschäftes. Man muss ich auf dem Laufenden hal-

ten.

Es wurden verschiedene Arten der Beratung in Anspruch genommen. So wurde neben klassischer Unternehmensberatung auch rein telefonische Beratung in Anspruch ge-nommen sowie Beratungskonzepte, welche lediglich Hilfe zur Selbsthilfe geben.

Hinsichtlich ihrer Erfahrungen mit Anbietern von Gründungsberatungen äußerten sich die Teilnehmer der Fokusgruppen in erster Linie zu Beratungsangeboten öffentlicher Einrichtungen. Kontakte dieser Art erhielten die Gründer über die staatliche Behörde

für Arbeitsvermittlung. Die Äußerungen zur Qualität von Beratungsstellen waren über die Gruppen ambivalent. Wenn Beratungseinrichtungen positiv hervorgehoben wur-den, dann stets im Zusammenhang mit einzelnen Beratern. Hauptsächlich wurde

bemängelt, dass die Beratungen zwar umfangreich, jedoch keineswegs vollständig waren. Entscheidende Themenbereiche, wie Finanzplanung oder Rechtsfragen zu Mietverhältnissen oder Steuern wurden unzureichend behandelt. Genau diese Berei-

che produzierten später in den Unternehmen existenzbedrohende Schwierigkeiten.

Ich habe so viel Beratung gehabt und trotzdem die Situation nicht

richtig eingeschätzt, besonders die Steuern. [...] Auch die Miet-

verträge, da hast du keinen, der erzählt, was eine außerordentli-

che Kündigungsfrist ist, was ein gewerblicher Mietvertrag ist.

Jetzt weiß ich, wenn es nicht klappt, muss ich noch lange Miete

zahlen.

Auch bei der (Nachschuss-)Finanzierung, keiner sagt, dass man

ein Jahr durchhalten muss. Und hinterher sagen alle Existenz-

gründungsberater: „ja das haben wir gewusst“. Die Beratung von

allen die mich beraten haben war nicht vollständig.

In einigen wenigen Fällen wurden private Unternehmens- bzw. Gründungsberater

eingeschaltet. Sie wurden direkt auf Empfehlung aus dem Bekanntenkreis angespro-chen. Diese Berater stammten ausnahmslos aus dem selben Herkunftsland wie der Gründer selbst. Die Beratungsqualität dieser Unternehmensberater wurde durchweg

positiv beurteilt, insbesondere weil durch die vorherige Empfehlung eine Vertrauens-basis gegeben war. Auf Anfrage des Interviewers wurde explizit von den Teilnehmern darauf hingewiesen, dass das Wegfallen der Sprachbarriere keinen Einfluss auf das

entgegengebrachte Vertrauen hatte. Wäre ein deutscher Berater empfohlen worden, wäre hier die selbe Vertrauensbasis gegeben.

Ergebnisse 3: Erwartungen an Gründungsberatung

• Vertrauensvolle Beraterpersön-lichkeit

• Vollständige Informationen

• Erfahrungsgestützte Anleitung und Zukunftsprognostik

• Konkrete Handlungsempfehlun-gen

• Unterstützung beim Aufbau von Netzwerkkontakten

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 53

Erwartungen an eine Beratung

Auf die Frage hin, was von einer Gründungsberatung erwartet wird und wie eine ideale

Beratung aussehen würde, kristallisierten sich einige Beratungsthemen heraus, auf welche besonders Wert gelegt wurde. Inhaltlich deckten diese sich jedoch mit den oben beschriebenen Hauptproblemfelder der Finanzierung.

In vielen Fällen wurde von den Unternehmern eine ausführliche und realistische Fi-nanzplanung im wesentlichen vernachlässigt. In fast allen Fällen war die Finanzpla-nung vornehmlich eher ein Mittel zum Zwecke der Kapitalbeschaffung. Es findet somit

eine Interessenverschiebung statt. Aus der Sicht des Gründers ist das oberstes Ziel der Finanzplanung die Akzeptanz durch den Kreditgeber und erst in zweiter Linie die Darstellung einer realistischen und stabilen Geschäftsplanung. Aus diesem Grund und

vor allem aus Mangel an Alternativen werden daher Tilgungspläne der Kreditgeber einfach mehr oder weniger reflektiert übernommen.

Ein Kreditgeber würde das Geld nicht sofort zur Verfügung stel-

len. Die (Gründer) die sich selbstständig machen wollen, müssen

sich erst einmal bei ihnen vorstellen und alles vorbereiten. Dann

legt der Kreditgeber fest, wie (das Geld) zurückgezahlt wird.

Die (Kreditgeber) wollten, dass ich erst mal aufschreibe, was ich

mache – Einnahmen und Ausgaben – einen realistischen Plan,

wie ich den Kredit zurückzahlen kann. Ein Kreditgeber möchte

sich auch absichern. Ich habe fast 50.000 Euro Kredit aufge-

nommen. Dafür musste ich aber 500 Euro im Monat (in eine) Le-

bensversicherung (ein-)zahlen. Aber wenn man das nicht zahlen

kann, dann nützt auch der Kredit nichts.

Neben inhaltlichen Themen bestanden jedoch auch Erwartungen an die Beratung und den Berater selbst. Insgesamt lässt sich feststellen, dass sich durch eine Beratung

mehr Anleitung und erfahrungsgestützte Zukunftsprognostik gewünscht wird. Der Berater wird bisher als eine Informationsquelle wahrgenommen, dessen Wissen erst durch gezieltes Fragen erschlossen werden muss. Anderenfalls bleiben wichtige The-

menfelder unberücksichtigt.

Die Beratung von allen die mich betraten haben war nicht voll-

ständig. [...] Um richtig beraten zu werden braucht man schon

Vorerfahrungen. Ich wusste nichts. Vielleicht habe ich nicht die

richtigen Fragen gestellt.

Ein wichtiger Anspruch an den Berater ist, dass dieser neben einem umfangreichen

fachlichen Wissen auch über aktuelle branchenrelevante Informationen verfügt oder verfügen kann. Vor diesem Hintergrund sollte der Berater eine detaillierte Prognose auf Basis des Businessplans abgeben können. Fällt die Kalkulation des Risikos dabei

seiner Ansicht nach zu hoch aus, sollte der Berater in der Lage sein, von sich aus konkrete Vorschläge für Nachbesserungen zu machen.

Jemand soll sich meinen Plan angucken und sagen, wie sich das

entwickelt, wie hoch die Risiken sind. Es ist der Blick in die Zu-

kunft, den ich nicht habe, der Berater aber haben sollte.

Den Anfang (der Gründung) sollen die Berater mit mir zusam-

men machen – also nicht direkt mitmachen, sondern mich unter-

stützen mit Informationen. Ich möchte, dass der Berater mir

ziemlich genau sagt, was ich zu tun habe.

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 54

Vielleicht erwarte ich zuviel, aber wenn so viel gefördert wird,

wissen die (Berater) doch (eigentlich schon) was wir wollen.

Es werden jedoch Beratungen bevorzugt, bei denen der Berater einerseits konkrete Handlungsanweisungen geben kann, diese jedoch trotzdem den Charakter von Optio-nen behalten, zwischen denen der Gründer auf eigenes Risiko wählen kann. Beson-

ders Gründer welche kurz vor ihrer Geschäftsgründung standen, favorisierten Beratungsgespräche in denen der Berater eine objektive Position einnimmt und Alter-nativen anbietet.

Ich habe ja auch eine Ahnung, was ich zu tun habe. Deshalb

möchte ich einen Berater der mir sagt ob ich in die richtige Rich-

tung gehe, aber keinen der sich in meine Sache einmischt. Ich

möchte aber seine Meinung hören, wie sich das (Geschäft) ent-

wickelt, auch wenn wir nicht der selben Meinung sind.

Berater als Vertrauensperson

Auf die Frage, wie sich denn ein Berater verhalten müsste, damit der das geschäftliche Vertrauen eingewanderter Gründer gewinnt, äußerten alle Teilnehmer überraschend konkrete Vorstellungen. So empfinden es viele Gründer als sehr belastend, sowohl bei

Gründungsberatern wie auch bei zuständigen Behörden und Banken, stets mit einer demoralisierenden Grundhaltung konfrontiert zu werden. Viele Teilnehmer vermuten aufgrund dieser Erfahrungen implizit einen Interessenkonflikt bei Gründungsberatern

und sehen die Beratungsgespräche lediglich als eine weitere Hürde. Einem Berater der von Anfang an eine Hilfe bietende Position einnimmt, wird eher vertraut, auch wenn er Kritik übt. Er sollte dabei echtes Interesse und Engagement zeigen.

Ich würde ihm vertrauen, wenn er von Anfang an nicht so pessi-

mistisch ist und er sich anhört was ich zu sagen habe. Dann

kann ich schon mal anfangen zu vertrauen.

Wenn man in der Beratung sitzt und der (Berater) sagt, pass auf

– das geht nicht, da musst du aufpassen (und das Konzept über-

arbeiten), mit dem kannst Du reden. Wenn der (Berater) sagt, ja

klar mach das mal so, das ist auch nicht gut.

Ein zweiter vertrauensrelevanter Maßstab ist das Fachwissen des Beraters. Dieses sollte sich vor allem in der detaillierten Einschätzung und Beurteilung des Business-

konzeptes zeigen. Hier wurde von den Teilnehmern erwartet, dass der Berater Infor-mationen beisteuert, welche darauf abzielen das Gründungskonzept zur Realisation zu bringen. Begründete Veränderungen oder Einschnitte würden von den Gründern ak-

zeptiert werden, wenn diese Optionscharakter haben.

Ich würde ihm vertrauen, weil er mir zeigt, dass sich die Sache

gut entwickeln kann. Alles was mir dazu noch fehlt kommt dann

durch die Beratung und die Idee entwickelt sich zu einem Gan-

zen. Der Berater sollte die Lücken im Konzept (er)kennen und

füllen.

Sonstige Unterstützung

Die häufigste und größte Unterstützung Dritter erhielten die Teilnehmer meist durch Angehörige. Dabei ist zu bemerken, dass die sozialen Strukturen mit der Nationalität

bzw. mit dem Herkunftsland stark divergieren. Die größte Unterstützung aus dem Bekannten- und Familienkreis erhielten die türkischen Gründer. Diese konnten über ein weit verzweigtes soziales Netzwerk zurückgreifen.

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 55

Wir (die Türken) halten zusammen. Ich habe viele türkische

Freunde. Da eröffnet einer einen Laden und andere helfen. Das

ist toll.

Die Hälfte der Kosten konnte ich mir sparen da mein Bruder

Wasserinstallateur ist. Der andere Bruder ist Elektriker. Wenn

man sich braucht, kann man füreinander bürgen. Man kann sich

Geld borgen. [...] Hier (in Deutschland) ist die Bürokratie groß.

Selbst Nachbarschaftshilfe kostet Geld. Wenn man hier beim

Umziehen hilft, wird zumindest eine Kiste Bier erwartet. Das ist

bei uns (Afghanen) nicht so.

Gründer iranischer und afghanischer Herkunft wurden meist von direkten Verwandten

unterstützt. Einige bezogen ihre Hauptunterstützung durch den Lebenspartner. In einigen Fällen wurde bereits als Paar gegründet. Viele Teilnehmer waren in dieser Hinsicht in ihren Gründungsvorhaben jedoch auf sich alleine gestellt.

Ich bin vor acht Jahren nach Deutschland gekommen mit einem

Koffer. (Ich hatte) keine Unterstützung, kein Mann.

Viele der alleinstehenden Gründer geben an, große Schwierigkeiten zu haben ein

soziales Netzwerk aufzubauen. Jegliche freie Zeit und Energie dient dem Erhalt oder der Gründung des Unternehmens. Kontakt zu anderen Gründern oder Geschäftsinha-bern innerhalb der eigenen Branche existieren nicht.

3.2 Abgleich der Ergebnisse unter Hinzuziehung ex-terner Daten

Interessant ist es, an dieser Stelle die Ergebnisse und Aussagen der Experteninter-views mit denen der Fokusgruppen zu vergleichen. Ziel ist es, übereinstimmende Faktoren und auch Diskrepanzen in den Perspektiven von Beratern und gründungswil-

ligen Migranten selbst zu identifizieren, um so die Ausrichtungen migrantenspezifi-scher Gründungsberatung zu stützen oder kritisch zu beleuchten. Aufgrund der mangelnden Repräsentativität der Aussagen beider Gruppen wird – soweit für einige

Bereiche vorhanden – auf die in Kap. 2 verwendeten wissenschaftlichen Erkenntnis-sen und ggf. darüber hinaus gehende Daten zurückgegriffen, um die Ergebnisse der qualitativen Erhebungen zu ergänzen. Auf diese Weise sollen Tendenzen aufgezeigt

und Impulse für möglichen Diskussions- und Weiterentwicklungsbedarf hinsichtlich der Gründungsförderung für Migranten gegeben werden.

3.2.1 Übereinstimmende Faktoren

1. Alter der Gründer

Der Altersschwerpunkt der Gründer wird von Experten mit 30-40 Jahren angege-ben. Dies wird auch in der Literatur bestätigt, für selbstständige Drittstaaten-migranten in Hamburg wurde ein Altersdurchschnitt von 41 Jahren zum Zeitpunkt

der Gründung ermittelt64. Zahlen aus Nordrhein-Westfalen belegen, dass türki-sche Gründer vergleichsweise jung und unerfahren sind. 44,2% waren zum Zeit-

64 In Hamburg ansässige Gründer/innen aus China, Iran, Ex-Jugoslawien, Afghanistan, Türkei, Polen, vgl.

Burgbacher (2004), S. 10.

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 56

punkt einer aktuellen Befragung des ZfT zwischen 31 und 44 Jahren alt. Das Durchschnittsalter betrug 36,6 Jahre65. Das Durchschnittsalter der Teilnehmer an

den Fokusgruppen war ebenfalls in diesen Bereichen angesiedelt.

2. Bildungs- und Qualifikationsniveau

Von den interviewten Beratern wurde den Migranten ein oft je nach Herkunft un-terschiedliches Bildungsniveau bescheinigt, das im Schnitt aber niedriger ist als das deutscher Gründer. Gründer mit geringem Qualifikationsniveau seien v.a. in

Risikobranchen zu finden. Dies wird durch die Literatur bestätigt, so haben Grün-der aus Ex-Jugoslawien zu 60% Berufsabschlüsse, Gründer aus dem Iran und China, die vornehmlich im Handel aktiv sind, zu einem hohen Grad akademische

Abschlüsse, türkische Gründer sind häufig angelernt und ohne formalen Berufs-abschluss (vgl. Kap. 2.3.3). Trotz oft langjähriger Berufserfahrung und vorhandener Fachkenntnisse wird von

Literatur66 und Experten die niedrige spezifische Branchenerfahrung v.a. türki-scher Gründer betont. Der Mangel an kaufmännischen und rechtlichen Kenntnis-sen wird ebenfalls von Literatur 67 und Experten angeführt, die Fokusgruppen

bestätigten dies.

3. Branchenschwerpunkte

Hinsichtlich der Branchenschwerpunkte, in denen Drittstaatenmigranten gründen, wird in der Literatur differenziert. Insgesamt werden von gründungswilligen Dritt-staatenmigranten vor allem Branchen gewählt, die niedrige Eintrittsschwellen

aufweisen. Besonders einfache Dienstleistungen, Gastronomie und Einzelhandel sind bevorzugte Branchen. Bei der Stichprobe aus Hamburg ergaben sich für die jeweiligen Herkunftsländer der Drittstaatenmigranten unterschiedliche Branchen-

schwerpunkte. Während die befragten Selbständigen aus Ex-Jugoslawien vorran-gig im Handwerk tätig waren, dominierte bei den Selbständigen chinesischer und afghanischer Herkunft der Handel mit dem Herkunftsland (Import-Export). Die be-

fragten iranischen Selbständigen waren in mehreren Bereichen aktiv, ihr Schwer-punkt lag dabei auf Dienstleistungen und dem Handel. Die Gruppe mit der am breitesten gefächerten Branchenstruktur in der Hamburger Stichprobe waren die

türkischen Unternehmer, denen anscheinend die lange Aufenthaltszeit in Deutschland und die entwickelte türkische Community eine Abkehr von Traditi-onsbereichen erleichtert. Auch die Daten anderer Studien sprechen für eine zu-

nehmende Diversifizierung der Aktivitätsfelder türkisch geführter Unternehmen68. Die Experteninterviews bestätigen diesen Trend, Schwerpunktgründungen liegen nach wie vor in den Branchen Handel und Gastronomie, Dienstleistungen und

freie Berufe verzeichnen aber eine Zunahme. In den Fokusgruppen lag der Schwerpunkt des Gründungswunsches bzw. der bereits erfolgte Gründungen nach wie vor im Handel und in der Gastronomie.

4. Unternehmensgröße und Einkommen Die Tendenz, dass es sich bei Migrantenunternehmen vornehmlich um Einperso-

nenunternehmen mit Rechtsformen der Personengesellschaften handelt, wird so-

65 Vgl. Sen (2005), S.21.

66 Vgl. z.B. Schuleri-Hartje u.a. (2005), S.122f.

67 Vgl. Leicht (2005a), S. 22 und Schuleri-Hartje u.a. (2005), S. 114f..

68 Vgl. Sen (2005) und Schuleri-Hartje u.a. (2005), S. 38ff.

Befragungsergebnisse und Literatur: Übereinstimmun-gen

• Charakteristika der befragten Gründer (Alter, Qualifikation, Branchenschwerpunkte und Un-ternehmensgröße) entsprachen den Befunden der Literatur

• Wichtige Rolle der Familie wurde bestätigt

• Bedarf an Unterstützung deckt sich grundsätzlich mit dem Ange-bot der befragten Gründungsein-richtungen

• Problematik der Informationsver-mittlung

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 57

wohl in den Experteninterviews und Fokusgruppen als auch in der Literatur bestä-tigt. Die Gründer bzw. Unternehmer haben zumeist ein geringes Erwerbseinkom-

men. So gibt es in den unteren Einkommensgruppen (bis 1.400 Euro) nur geringe Unterschiede zwischen den ausländischen und den deutschen Selbständigen. In den höchsten Einkommensgruppen (ab 4.000 Euro) finden sich 40 % der deut-schen Selbständigen wieder, aber nur 15% der türkischen Selbständigen.69 Laut

der Studie des IfM Mannheim70 liegt das durchschnittliche Erwerbseinkommen je-doch zumindest bei den türkischen Selbstständigen höher als bei den abhängig

Beschäftigten türkischstämmigen Migranten. Die Teilnehmer der Fokusgruppen wiesen darauf hin, dass sie sich in einer Art Teufelskreis befänden, da sie mit ih-rem geringen Einkommen und finanziellen Ressourcen häufig trotz hoher Arbeits-

belastung kein Personal einstellen können und dadurch Wachstumspotenzial nicht genutzt werden kann.

5. Rolle der Familie Die Rolle der Familie ist besonders bei türkischen Migranten von herausragender Bedeutung. 50% aller türkischen Unternehmer haben außer Familienangehörigen

keine Beschäftigten. Auch als Finanzierungsquelle spielt die Familie hier eine maßgebliche Rolle (vgl. Kap. 2.2.4). Die Experten weisen darauf hin, dass dies für andere Migrantengruppen (Ex-Jugoslawien, Afrikaner) weniger gilt, familiäre

Strukturen sind hier seltener vorhanden. Auch in den Fokusgruppen wurde deut-lich, dass diejenigen, die ohne familiäre Netzwerke nach Deutschland gekommen sind, erhebliche Schwierigkeiten haben, sich ein unterstützendes soziales Umfeld

aufzubauen.

6. Besonderer Unterstützungsbedarf

Die Aussagen der Migranten in den Fokusgruppen bezüglich ihres Bedarfs an fachlicher Unterstützung stimmten weitgehend mit den Angeboten der befragten Gründungsberatungen überein und gleichen denen der allgemeinen Gründungs-

beratung. Die Migranten nannten hier explizit benötigte Hilfe bei der Erstellung von Finanzplanung, bei der Standortsuche und der Gestaltung von Mietverträgen, bei geeigneten Marketing- und Kundengewinnungsmaßnahmen, hinsichtlich der

Personalplanung, -suche und –auswahl, bei Steuerangelegenheiten, und bei der Anerkennung von Qualifikationen. Interessant ist, dass die Planung und Prognose der finanziellen Entwicklung des Unternehmens bei der Mehrzahl der Teilnehmer

der Fokusgruppen einen hohen Stellenwert besaß, die Erstellung eines Business-plans oder Gründungskonzepts - Verschriftlichung und ausführliche Darstellung der Gründungsidee – aber kaum erwähnt wurde. Dies entspricht der Aussage der

Experten, dass das Heranführen der Gründer an die Konzepterstellung und den Businessplan eine große Herausforderung für die Berater sei. Die Sinnhaftigkeit dieser Art der Gründungsvorbereitung ist den Migranten häufig schwer oder gar

nicht nahe zu bringen. Über diese fachlichen Aspekte hinaus wurde von Experten und Migranten übereinstimmend noch besonderer Unterstützungsbedarf aufgrund von Sprachproblemen konstatiert. Die Experten betonten, dass häufig intensive

Hilfe beim Schreiben von z.B. Lebenslauf und Konzepten notwendig sei. Die Mi-granten wiesen darauf hin, dass ihre Bedarf weniger im mündlichen als im schrift-lichen Kontext liege. Bei Gesprächen wird durch das Hinzuziehen eines

Dolmetschers oder durch ein Gegenüber, das ihre Sprache beherrscht, zwar ein

69 Vgl. Schuleri-Hartje u.a. (2005), S. 35 f..

70 Vgl. Leicht (2005a), S. 20.

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 58

Sicherheitsgefühl gewonnen, zwingend notwendig zur Verständigung sei dies a-ber nicht. Vor allem das Erstellen und Verstehen schriftlicher Unterlagen und die

Behördenkommunikation („Behördendeutsch“) bereitet den Migranten Schwierig-keiten. Dessen sind sich auch alle Experten bewusst, die Beratungen haben mit Angeboten reagiert.

7. Anforderungen und Erwartungen an eine Gründungsberatung

Experten weisen bei den Gründern mit Migrationshintergrund auf wenig Kenntnis der vorhandenen Unterstützungsangebote hin. Die Gründer in den Fokusgruppen haben dies zwar nicht explizit als ihr Problem benannt. Es war aber offensichtlich,

dass im Vorfeld der Gründung wenig Wissen darüber vorhanden war, wo Informa-tionen überhaupt zu bekommen seien. Der Weg der Migranten zu Beratungsinsti-tutionen war häufig zufällig, Empfehlungen aus dem Bekanntenkreis spielten eine

große Rolle. Die Aussagen bestätigten auch die Ergebnisse der Studie des IfM Mannheim, die besagen dass rund 2/3 der Migranten, die sich Hilfe gesucht ha-ben, keine öffentlichen Beratungsstellen bspw. für Migranten, Kammern etc. in

Anspruch genommen haben, sondern Unternehmens- oder Steuerberater. In den Fokusgruppen wurde deutlich, dass diese oft von Freunden oder Familie empfoh-len wurden, wodurch ihnen großes Vertrauen entgegen gebracht wurde. Dies

stützt insgesamt die Aussage der Experten, dass eine verstärkte Öffentlichkeits- und Netzwerkarbeit unter Einbeziehung der ethnischen Netzwerke und Institutio-nen der Migranten für die Erschließung weiteren Gründungspotenzials von Be-

deutung sei. Weiterhin stimmen die Angst der Migranten vor Benachteiligung bei deutschen In-stitutionen und Banken aufgrund von Unwissenheit und die von den Experten ge-

äußerte Anforderung an migrantenspezifische Beratung, hier als Brücke zu dienen, überein. Berater betonen, dass es neben der Vermittlung von Wissen ü-ber Funktionsweisen und Perspektiven bspw. von Behörden und Banken an Mi-

granten auch Aufgabe der Gründungsberatung sei, andererseits Lobbyarbeit für die Migranten bei den deutschen Institutionen zu leisten.

3.2.2 Abweichende Sichtweisen

1. Bildungs- und Qualifikationsniveau In den Fokusgruppen wurde im Zusammenhang mit dem Bildungs- und Qualifika-tionsniveau das Problem maßgeblich in der mangelnden Anerkennung von Quali-

fikationen und Fähigkeiten gesehen. Der größte Teil konnte Abschlüsse aus der Heimat vorweisen. Die Selbstständigkeit wurde hier als Möglichkeit gesehen, ihre Qualifikation auch ohne formale Anerkennung der Abschlüsse einzubringen und

nicht zu Tätigkeiten gezwungen zu werden, für die sie sich als überqualifiziert empfinden. Diese Sichtweise wird in Literatur und Interviews selten betont.

2. Gründungsmotivation Hinsichtlich der Gründungsmotivation wird in der Literatur (vgl. Kap. 2.3.3) der abnehmenden Rückkehrabsicht von Migranten und dem Aufbau einer dauerhaf-

ten Existenz in Deutschland gründungsfördernde Wirkung beigemessen. Die be-fragten Experten und auch die Selbstständigen der Fokusgruppen haben diesen Aspekt hingegen nicht erwähnt. Bei den Teilnehmern der Fokusgruppen (vor

Gründung) hatten wie in der Literatur Aspekte der Selbstverwirklichung, sozialer

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Aufstieg, ein höheres Einkommen und die Anerkennung durch die Gesellschaft als Motivationsfaktoren eine hohen Stellenwert. Auch wiesen sie darauf hin, dass

die Selbstständigkeit eine bessere oder oft sogar die einzige Möglichkeit darstel-le, eine Beschäftigung gemäß ihren (formalen oder informell erworbenen) Qualifi-kation auszuüben. Von den Experten wurde dies nur am Rande erwähnt.

Die größte Diskrepanz hinsichtlich der Gründungsmotivation zwischen Literatur und Experteninterviews / Fokusgruppen besteht bei der Bedeutung von Selbst-ständigkeit als Ausweg aus der Arbeitslosigkeit. In der Studie von Burgbacher

(Hamburger Stichprobe) ist dies nur bei 15%, in der Studie des IfM Mannheim sogar explizit nur bei 5% der Fall (insgesamt 20% Gründer aus der Nichterwerbs-tätigkeit) (vgl. Kap. 2.2.3). Bei letzterer Erhebung ist jedoch zu beachten, dass

von den knapp 80% der Befragten, die aus einem Beschäftigungsverhältnis her-aus gegründet haben, 22% um ihren Arbeitsplatz fürchteten. Die interviewten Be-rater sahen die Gründung als oftmals einzige Chance der Arbeitslosigkeit zu

entkommen hingegen als Hauptmotiv der in ihren Beratungsstellen Hilfe suchen-den Migranten an. Auch die Mehrzahl der Teilnehmer der Fokusgruppen planten ihre Gründung aufgrund mangelnder Alternativen auf dem Arbeitsmarkt. Viele be-

tonten, dass sie eine feste Anstellung vorgezogen hätten. Die genannten Studien räumen bei den von ihnen angegeben Werten leichte Verzerrungen nach unten ein, die befragten Beratungsstellen hingegen zielen häufig explizit auf benachtei-

ligte oder arbeitslose Gründer ab, was wiederum Verzerrungen nach oben zur Folge haben kann. Die Teilnehmer der Fokusgruppen wurden zum großen Teil über Gründungsberatungen für Migranten rekrutiert, sie spiegeln somit ebenfalls

die oben beschriebene Klientel dieser Institutionen wider.

3. Vorgehen bei der Gründung

In der Literatur wird hier als migrantenspezifische Besonderheit eine hohe Flexibi-lität hinsichtlich der Geschäftsidee genannt. Das Scheitern einer Idee wird nicht als Versagen betrachtet, die Bereitschaft, die alte durch eine neue zu ersetzen ist

groß. Migranten wird Mut, Entscheidungsfreude und Spontaneität bescheinigt, die Kehrseite hiervon seien allerdings überstürzte Gründungen, unzureichendes Wissen, geringe Erfahrungen und unklare Vorstellungen hinsichtlich der Selbst-

ständigkeit. 71 Genau diese Kehrseite wird fast ausschließlich von den befragten Beratern betont, die positiven Aspekte nur in einem Einzelfall benannt. Das „an-dere Zeitempfinden“ der Migranten und der Wunsch, möglichst zeitnah zu grün-

den, kombiniert mit geringer Kenntnis der bürokratischen Erfordernisse stellen offensichtlich eine große Herausforderung für die Berater dar. Gleichzeitig äußern die Migranten selbst in den Fokusgruppen wenig Verständnis für die „bremsende“

Haltung der Beratung gegenüber ihren Ideen. 4. Besonderer Unterstützungsbedarf

Die Experten betonen, dass die Beratung einen Fokus auf die Strukturierung der Migranten legen muss. Die oft wenig realitätsbezogenen Vorstellungen einer schnellen Gründung müssen den Realitäten einer in Deutschland geforderten

Gründungsvorbereitung angepasst werden. Die Migranten hingegen empfinden diese Strukturierungsversuche häufig als demoralisierende und ausbremsende Grundhaltung der Berater, welche sie schon von anderen deutschen Institutio-

nen, vornehmlich von Behörden, kennen und fürchten. Von einigen Gründern wurde geäußert, dass sie sich von den Beratern Hilfe wünschten, das Bewusst-

71 Vgl. Schuleri-Hartje u.a. (2005), S. 71f.

Befragungsergebnisse und Literatur: Abweichungen

• Rolle der Arbeitslosigkeit als Gründungsmotiv wichtiger als an-genommen

• Entscheidungsfreudigkeit und Spontaneität eher Problem als Ressource

• Spannungsfeld strukturierendes Unterstützungsangebot und sub-jektiver Beratungsbedarf

• Sprachprobleme weniger zentral

• Vertrauensbildung und akzeptie-rende Grundhaltung besonders wichtig

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 60

sein von Selbstständigkeit, das sie in ihrer Heimat verinnerlicht haben („einfach machen und bereit sein, ein Risiko einzugehen“) auch in Deutschland auszule-

ben. Gleichermaßen wurde aber auch von den bereits selbstständigen Teilneh-mern der Fokusgruppe darauf hingewiesen, dass sich im Nachhinein z.B. die Vernachlässigung ihrer Finanzplanung durchaus als Problem dargestellt hat. Dies

wird auch durch die Ergebnisse des IfM Mannheim gestützt, wonach sich 43% der türkischen Unternehmer im Nachhinein mehr professionelle Beratung ge-wünscht hätten72. Dies weist auf ein starkes Spannungsfeld zwischen dem Unter-

stützungsangebot migrantenspezifischer Beratungsstellen und der Erwartungshaltung und dem subjektiv empfundenen Bedarf der Hilfe suchenden Migranten vor Gründung hin.

Hinsichtlich der Notwendigkeit der Vermittlung von Kenntnissen der bürokrati-schen Anforderungen und der Behördenmentalität sind sich Experten und Grün-der mit Migrationshintergrund einig. Allerdings legen die Experten den

Schwerpunkt auf die Gewinnung von Verständnis für Regeln und die Einhaltung von Vorschriften wohingegen die Migranten sich stärker tatkräftige Unterstützung (z.B. Ausfüllen von Formularen, Begleitung zu Behörden etc.).und „wirkliche Hil-

fe“ beim Umgang mit Behörden wünschen. Besondere Unterstützung aufgrund von Sprachproblemen wie mögliche Fachbe-ratungen in der Herkunftssprache wurden von den Gründern in der Fokusgruppe

als nicht unbedingt notwendig bezeichnet. Allerdings sei diese Möglichkeit bezüg-lich der Schwierigkeiten mit Behördendeutsch durchaus willkommen.

5. Anforderungen und Erwartungen an eine Gründungsberatung Die Forderung einer breiten Streuung der Informationskanäle im Rahmen der Öf-fentlichkeits- und Netzwerkarbeit der Beratungseinrichtungen wurde bereits er-

wähnt. Demgegenüber steht die Erkenntnis aus den Fokusgruppen, dass neben der Mund-zu-Mund-Propaganda die Agentur für Arbeit sowie die zuständigen Stel-len für die Gewährung von Arbeitslosengeld II die Hauptinformationsquellen der

Migranten waren. Letzteres stützt auch die Erkenntnis, dass – z.T. sicherlich ge-wollt - überproportional viele Gründer aus Arbeitslosigkeit zum Klientel der Bera-tungsstellen gehören.

Ein weiterer von den Experten als besonders wichtig erachteter Erfolgsfaktor ist der Aufbau eines Vertrauensverhältnisses zu dem Hilfe suchenden Gründer. Hier werden sowohl Berater mit Migrationshintergrund als auch die Möglichkeit der

Kommunikation in der Herkunftssprache der Gründer als vertrauensfördernde Maßnahmen benannt. Von den Migranten der Fokusgruppen wurde die herausra-gende Bedeutung von Vertrauen bestätigt, allerdings wurden ein eigener Migrati-

onshintergrund des Beraters oder die Sprache nicht aus ausschlaggebend gesehen. Viel wichtiger sei hierfür, dass die Migranten das Gefühl hätten, ihnen wird wirklich geholfen. Vertrauen würde durch eine in erster Linie Hilfe bietende

und nicht zunächst fordernde Haltung entstehen. Stattdessen empfinden die meis-ten Migranten die Beratung als weitere Hürde, da Berater sich nicht zunächst an-hören, was sie zu sagen haben, sondern von vorne herein pessimistisch seien.

Dies ließe Vertrauen häufig nicht aufkommen. Auch Schlagworte wie interkulturel-le Kompetenz und die Sensibilität für die Einbeziehung von kulturellen Unter-schieden in die Beratung wurde so von Migranten nicht als Erwartung geäußert,

allerdings kann der Wunsch nach einer akzeptierenden Grundhaltung bei den Be-ratern durchaus genau auf diese Aspekte hindeuten. Der Konflikt zwischen von

72 Vgl. Leicht/Humpert (2005), S. 23.

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 61

den Beratern geforderter interkultureller Kompetenz, um Migranten mit der not-wendigen Sensibilität Anschluss an die deutsche Wirtschaftslogik zu verschaffen

und dem Bedürfnis der Migranten nach konstruktiver Kritik ohne Entmutigung und unter Aufzeigen von Alternativen, tritt auch an dieser Stelle zu Tage. Migrantenspezifische Gründungsberatung sollte laut Experten in der Lage sein,

komplexe Sachverhalte einfach darzustellen. Zusätzlich sei das Heranführen an den Businessplan und das Zahlenwerk eine große Herausforderung und erfordert Bereitschaft zur Erläuterung der Hintergründe, um die Migranten zu aktivieren. Die

Migranten wünschten sich mehr Anleitung durch die Berater und klare Vorgaben, was sie zu tun hätten. Hierbei wurde zum einen eine erfahrungsgestützte Zu-kunftsprognostik durch den Berater hinsichtlich der Finanzplanung gefordert, zum

anderen sollten Änderungen im Gründungskonzept Optionscharakter haben und gemeinsam Alternativen entwickelt werden. Fachliches Wissen und Informationen wurden nach Erfahrung vieler Migranten nur unvollständig vermittelt.

3.3 Fazit: Diskussionsimpulse für Fachwelt und Bera-tungspraxis

Vor allem hinsichtlich Gründungsmotivation, besonderem Unterstützungsbedarf von Migranten und den Anforderungen an eine zielgruppenspezifische Gründungsberatung

bestehen abweichende Sichtweisen in Literatur, bei Experten und Migranten selbst. Hieraus lassen sich einige Thesen als Diskussionsimpulse ableiten Gründungsmotivation

• Aus Sicht der Migranten ist die Selbstständigkeit nicht nur eine Möglichkeit des Zugangs zum Arbeitsmarkt überhaupt sondern auch der Verbesserung

ihrer Stellung auf dem Arbeitsmarkt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Migranten objektiv überqualifiziert sind (mangelnde Anerkennung von Qualifikationen) oder sich subjektiv so fühlen. So kann Selbstständigkeit auch

für abhängig beschäftigte Migranten als Mittel zur verbesserten (Arbeits-markt)Integration betrachtet werden. Diese Sichtweise wurde in Literatur und von den Experten nicht explizit betont.

• Bei den Teilnehmern der Fokusgruppen (vor Gründung) hatten, wie in der Li-teratur, Aspekte der Selbstverwirklichung, sozialer Aufstieg, ein höheres Ein-kommen und die Anerkennung durch die Gesellschaft als Motivationsfaktoren

eine hohen Stellenwert. Von den Experten wurde dies nur am Rande er-wähnt, Hauptaugenmerk und beinahe ausschließlicher Motivationsgrund war aus ihrer Sicht der Wunsch ihrer Klientel, der (drohenden) Arbeitslosigkeit zu

entkommen. • Man kann davon ausgehen, dass Arbeitslosigkeit aufgrund des hohen Anteils

von Drittstaatenmigranten an allen Arbeitslosen durchaus eine überproportio-

nale Gründungsmotivation für diese Gruppe darstellt. Allerdings lässt sich aufgrund des großen Unterschiedes zwischen Literatur und Erfahrungen von Gründungsberatern auch die Frage formulieren, ob durch die offensichtlich

hohe Konzentration der Gründungsberatungsstellen auf diese Klientel nicht Gründungspotenziale einer ganzen Reihe von nicht von der Arbeitslosigkeit betroffenen Migranten zu wenig ausgeschöpft werden, indem migrantenspe-

zifische Gründungsberatung nicht aktiv an diese herangetragen wird. Zumin-dest Gründungsberatungen für die Zielgruppe, die nicht explizit Gründer aus

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 62

Arbeitslosigkeit beraten, könnten über Ursachen der hohen Anzahl von soge-nannten Notgründungen an ihrem Klientel nachdenken (z.B. eingeschränkte

Öffentlichkeits- und Netzwerkarbeit vs. breiteres, offeneres Marketing). � Um das in der Literatur angenommene hohe unerschlossene Gründungs- und

Selbstständigkeitspotenzial von Migranten besser erschließen zu können und so-

mit Integration zu fördern, sollte Gründungsberatung für die Zielgruppe auch akti-

ver auf nicht vom Arbeitsmarkt ausgeschlossene Migranten abzielen. Dies sollte

explizit nicht auf Kosten der Unterstützung für Gründer aus Arbeitslosigkeit, son-

dern als aktive Erweiterung der Zielgruppe und ggf. Angebotspalette – z.B Bera-

tungskompetenz bei größeren Gründungsvorhaben – erfolgen.

Besonderer Unterstützungsbedarf und Anforderungen an eine Gründungsbera-

tung

• Die Literatur weist auf eine besondere Flexibilität von Migranten hinsichtlich ihrer Gründungsideen hin und bescheinigt diesen Mut, Entscheidungsfreude

und Spontaneität. Die Beratungspraxis hingegen betont mit einer naiven Grundhaltung, mangelnder Kenntnis der Anforderungen und dem Hang vieler Migranten zu einem überhasteten Vorgehen die Schattenseite dieser Eigen-

schaften. • Daraus folgert die Beratungspraxis in erster Linie die Notwendigkeit, Migran-

ten zunächst zu bremsen und zu strukturieren. Es soll mit einer akzeptieren-

den Grundhaltung und sensiblem Vorgehen Verständnis für in Deutschland vorherrschende Regeln und Notwendigkeiten gewonnen werden, um die Er-folgsaussichten der Selbstständigkeit der Migranten zu erhöhen.

• Die Migranten selbst scheinen dies häufig als Abwertung und Ausbremsen ih-rer Motivation zu empfinden. Sie wünschen sich starke tatkräftige Unterstüt-zung und „wirkliche Hilfe“ z.B. beim Umgang mit Behörden und äußern ein

großes Bedürfnis nach konstruktiver Kritik ohne Entmutigung und unter Auf-zeigen von Alternativen.

���� Gründungsberatung kann weitere Potenziale von gründungswilligen Migranten

erschließen, indem stärker auf die positive Konnotation bestimmter Eigenschaften

von Migranten abgezielt wird. So ließe sich z.B. das geringere Festhalten an einer

unrealistischen Gründungsidee nutzen, indem aus einem zu erstellenden Pool ak-

tuell aussichtsreicher Geschäftsideen neue, zum Gründer passende Ideen als Al-

ternative angeboten und deren Realisierungschancen durchgespielt würden.

• Berater betonen die Gewinnung des Vertrauens von Migranten als zentralen

Erfolgsfaktor der Gründungsberatung. Wichtige Mittel hierzu sind Signale wie ein eigener Migrationshintergrund beim Berater oder die Möglichkeit, mit den Migranten in ihrer Herkunftssprache zu kommunizieren sowie interkulturelle

Kompetenz im Sinne einer Kenntnis von Sichtweisen und Lebenshintergrün-de der Migranten.

• Migranten der Fokusgruppen sahen Vertrauen als unerlässlich an, Migrati-

onshintergrund und gleiche Herkunftssprache der Berater waren für sie aller-dings nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Vertrauen entsteht nach ihren Aussagen eher durch eine wirklich akzeptierende und unterstützende

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 63

Haltung der Berater. In der Realität wird dies häufig nicht vorgefunden, Bera-ter verbreiten oft Pessimismus und hören nicht ausreichend zu.

���� Berater mit Migrationshintergrund und Sprache als maßgeblicher Vertrauensga-

rant werden im Gegensatz zu interkultureller Kompetenz (Einfühlungsvermögen,

Interesse an und Akzeptanz der Sichtweise von Migranten) und kritischer Kon-

struktivität und Kreativität der Berater eventuell überschätzt.

• Die Möglichkeit, Fachberatungen in der jeweiligen Herkunftssprache der Gründer durchzuführen wird von den Migranten der Fokusgruppen nicht als essenziell betrachtet. Allerdings beherrschten die Teilnehmer der Fokusgrup-

pen die deutsche Sprache zumindest zur mündlichen Verständigung ausrei-chend.

• Gleichzeitig betonten diese Migranten aber, dass Übersetzungsmöglichkeiten

durch den Berater im Hinblick auf Behördendeutsch sehr hilfreich seien. Auch wünschten sie sich tatkräftige Hilfe bei Ausfüllen von Formularen oder auch in der Begleitung zu Behörden.

• Von den Experten wie den Migranten wird das Erstellen eines Businessplans als große Herausforderung gesehen. Das schriftliche Darlegen von Grün-dungsidee und Zahlenwerk ist aufgrund von Hemmnissen und konkreten

Sprachproblemen im schriftlichen Bereich häufig für die Migranten eine große Hürde, die häufig nicht genommen wird und zu Beratungsabbruch führt. Die Migranten wünschen sich ausdrücklich mehr Anleitung und klare Vorgaben,

was sie zu tun hätten. ���� Besondere Angebote für die Zielgruppe Migranten werden u.a. mit einem durch-

schnittlich niedrigeren Bildungsniveaus und Sprachbarrieren begründet. Diesen

Problemen sollte somit auch in der Methodik der Angebote Rechnung getragen

werden. Qualitätskriterien, die von deutschen Gründungsinitiativen vornehmlich

für deutsche Gründer entwickelt wurden, sollten somit hinterfragt und ggf. modifi-

ziert werden. So kann man sich bspw. die Frage stellen, ob eine aktivere Unter-

stützung bei der Erstellung des Businessplans in vielen Fällen nicht gerechtfertig

wäre. Dies könnte zu weniger Beratungsresistenz und –abbrüchen aufgrund von

Überforderung führen und damit das vorhandene Potenzial besser erschließen.

� Von deutschen Institutionen werden häufig sowohl formal fehlerhafte Unterneh-

menskonzepte als auch eine offensichtlich starke Unterstützung durch die Berater

mit mangelnden unternehmerischen Fähigkeiten gleichgesetzt wird. Für viele

Migranten stellt dies eine Falle dar. Diese Kriterien sind durch verstärkte Lobbyar-

beit und Kommunikation mit deutschen Institutionen zu hinterfragen und zu disku-

tieren.

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 64

4 Existenzgründungsfinanzierung von Drittstaatenmigranten

Bei internationalen Benchmarks zum Gründungsgeschehen, wie dem Global Entrepreneurship Monitor (GEM), landet Deutschland bei den Rahmenbedingungen

für Existenzgründungen (Kapitalzugang, Bürokratie, Forschung und Entwicklung, etc) seit Jahren im hinteren Mittelfeld. Einzig im Bereich der öffentlichen Gründungsförde-rung wird der Bundesrepublik eine internationale Vorreiterstellung zugestanden.73

Denn im föderalen System der Bundesrepublik hat sich in den letzten Jahren eine vielgestaltige Förderlandschaft mit unterschiedlichen Instrumenten und Ansätzen zur Existentgründungs- und Mittelstandsförderung entwickelt.

So kann eine Existenzgründung in Deutschland beispielsweise durch spezielle Exis-tenzgründungsdarlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) oder landeseigener Förderinstitute finanziert werden. Es gibt die Förderung von Investitionen durch steuer-

liche Hilfen (Investitionszulagen, Sonder- und Ansparabschreibungen für klein- und mittelständische Unternehmen), durch Hilfen im Rahmen der regionalpolitischen Wirt-schaftsstruktur und durch spezielle Mittelstandsprogramme der Kreditanstalt für Wie-

deraufbau (KfW). Darüber hinaus erweitern verschiedene Bürgschaftsmodelle, Förderprogramme für Forschung und Innovationen sowie Chancen- und Beteiligungs-kapital die Palette. Auch gibt es verschiedene Hilfen für Schulung, Bera-

tung/Qualifizierung, Messen und außenwirtschaftliche Vorhaben. Der Bereich der arbeitsmarktpolitischen Hilfen, hier speziell die Leistungen der Bundesagentur für Arbeit, zur Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit haben in den letzten

Jahren viel Aufmerksamkeit erhalten. Zu den arbeitsmarktpolitischen Hilfen gehören aber auch Eingliederungszuschüsse, Einstellungszuschüsse bei Neugründungen, Zuschüsse bei Beschäftigung schaffende Infrastrukturförderung und den Eingliede-

rungszuschuss für schwer behinderte Menschen.74 Angesichts dieser Vielfältigkeit in den Förderangeboten in Deutschland wird nachfol-gend mit den maßgeblichen Programmen und Akteuren im Bereich der Gründungsfi-

nanzierung nur ein Ausschnitt dieser Gesamtpalette dargestellt. Besonderes Gewicht wird in der Betrachtung auf Angebote für Klein- und Kleinstgründungen75 gelegt. Im Anschluss erfolgt eine Analyse des Zugangs von Drittstaatenmigranten zu Gründungs-

finanzierung im Allgemeinen und zu den öffentlichen Förderprogrammen im Besonde-ren. Abschließend werden Überlegungen bezüglich einer Verbesserung des Finanzierungszugangs von Drittstaatenmigranten in Deutschland angestellt.

73 Vgl. Sternberg u.a. (2006), S. 27f.

74 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (2005). S. 5 ff..

75 Laut EU-Kommission werden Kleine und Mittlere Unternehmen (KMU) wie folgt definiert: Mittelgroße Unter-

nehmen sind Unternehmen mit weniger als 250 MitarbeiterInnen und einen Jahresumsatz von höchstens 50

Millionen Euro oder einer Jahresbilanzsumme von höchstens 43 Millionen Euro. Kleine Unternehmen sind

Unternehmen mit weniger als 50 MitarbeiterInnen und einen Jahresumsatz oder einer Jahresbilanzsumme

von höchstens 10 Millionen Euro. Kleinstunternehmen (Mikrounternehmen) sind Unternehmen mit weniger

als 10 MitarbeiterInnen und einen Jahresumsatz oder einer Jahresbilanzsumme von höchstens 2 Millionen

Euro. Vgl. Europäische Kommission (2003).

Überblick Gründungsfinan-zierung in Deutschland

• Schwieriger Zugang für Gründer zu Bankenfinanzierung

• Breites Angebot öffentlicher Fi-nanzierungsmöglichkeiten

• Zuschussprogramme, Öffentliche Kreditprogramme und Bürgschaf-ten

• Zunehmendes Interesse an Mikro-finanzierung

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 65

4.1 Existenzgründungsfinanzierung in Deutschland

Die Expertenbefragungen des aktuellen Global Entrepreneurship Monitors haben ergeben, dass Deutschland hinsichtlich des Finanzierungszugangs für Gründer und

junge Unternehmen im internationalen Vergleich lediglich auf einem hinteren Platz liegt (22 von 33)76. Die Umsetzung der internationalen Richtlinie Basel II77, die zur Entwicklung systematischer Ratingsysteme bei Banken führte, hat diese Situation

noch verschärft. Gleichermaßen haben Banken in ihrer Produktpalette und Kreditver-gabepraxis – auch aus bankbetriebswirtschaftlichen Gründen - nicht auf die sich ver-ändernde Gründerstruktur hin zu Klein- und Kleinstgründungen reagiert. Allerdings

wird die negative Einschätzung, die sich vorrangig auf die Bereitstellung von Risiko- und Bankkapital bezieht, der Situation in Deutschland nicht gerecht. Denn während die Finanzierung von Gründungsvorhaben durch Bankkredite und -darlehen tatsächlich

eines der zentralen Hemmnisse für Gründungen in Deutschland darstellt, existiert gleichzeitig ein breites Angebot an öffentlichen Finanzierungsmöglichkeiten zur Unter-stützung von Existenzgründungen. Dabei lassen sich drei Typen von öffentlichen För-

derprogrammen im Bereich der Unternehmensfinanzierung unterscheiden. Zuschussprogramme gewähren eine nicht rückzahlbare Beihilfe, die vor allem der Existenzsicherung des Unternehmers in der Gründungs- und Nachgründungsphase

dienen soll. Öffentliche Kreditprogramme bieten zinsvergünstigte Darlehen, die manchmal auch mit einer Haftungsfreistellung (s.u.) verbunden sind. Bürgschaftspro-gramme ersetzen fehlende Sicherheiten, die ein Unternehmer in der Regel beizubrin-

gen hat, wenn er einen Kredit beantragt. Sie bringen dem Kreditnehmer also nicht in jedem Fall einen direkten wirtschaftlichen Vorteil, sondern verschaffen ihm vor allem den Zugang zu einem Kredit, den er sonst nicht erhalten würde. Bürgschaften können

aber insbesondere bei Krediten mit risikogerechten Zinssystemen die Einstufung der Preisklasse und damit auch die Höhe des Zinssatzes positiv beeinflussen. Einige Förderprogramme arbeiten mit Haftungsfreistellungen bei denen die Hausbank anteilig

von der Haftung für die Rückzahlung der Kredite freigestellt wird. Dadurch wird das Kreditrisiko der Hausbanken reduziert. Für die Unternehmen soll so wie durch die Bürgschaften der Zugang zu den Darlehen erleichtert werden.

Aufgrund des zunehmend erschwerten Zugangs zu Gründungs- und Nachgründungs-finanzierung von Kleinstunternehmen mit geringem Kapitalbedarf hat in den letzten 20

Jahren in Westeuropa die Diskussion über die Möglichkeiten der Mikrofinanzierung Einzug gehalten. Diese Entwicklung wird im Anschluss an die Zuschussprogramme und öffentlichen Finanzierungsmöglichkeiten trotz einer Überschneidung mit letzteren

gesondert beschrieben.

76 Vgl. Sternberg u.a. (2006), S.29f.

77 Mit der Richtlinie Basel II, die 2007 in Kraft tritt, wird die Eigenkapitalausstattung für Kreditinstitute mit dem

Ziel der Erhöhung der Stabilität des internationalen Finanzsystems neu geregelt. Die vergebenen Kreditvo-

lumina müssen von der Bank mit einem festgelegten Anteil an Eigenmitteln unterlegt werden, eine genauere

Erfassung der Risiken soll zu einer risikosensitiveren Eigenmittelunterlegung führen. Die Bonität der Kredit-

nehmer wird in Zukunft also darüber bestimmen, wie hoch das Eigenkapital der Kreditinstitute sein muss

und wird daher verstärkt durch Ratingsysteme erfasst. Siehe ausführlich dazu: Bundesministerium der Fi-

nanzen (2006).

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 66

4.1.1 Zuschussprogramme im Rahmen des Sozialgesetzbuches (SGB)

Die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit aus der Arbeitslosigkeit ist für viele ar-beitslose Menschen in Deutschland eine wichtige Alternative zur abhängigen Beschäf-tigung geworden. Laut dem Mittelstandsmonitor 2005 sind im Jahr 2004 gerade

Gründungen aus der Arbeitslosigkeit stark angestiegen. Die Gründe sind vielfältig, der Mangel an Erwerbsmöglichkeiten und die Fördermöglichkeiten der Bundesagentur für Arbeit sind hierbei sicherlich ausschlaggebend. Bei der Förderung von Existenzgrün-

dungen aus der Arbeitslosigkeit muss zwischen dem Bezug von Arbeitslosengeld I und Arbeitslosengeld II78 unterschieden werden. Existenzgründungen aus Arbeitslosengeld I-Bezug wurden bis zum 31.07.2006 durch die Bundesagentur für Arbeit mit zwei ver-

schiedenen Maßnahmen, dem seit 1986 existierenden Überbrückungsgeld und dem Anfang 2003 hinzu gekommenen Existenzgründungszuschuss, gefördert79. Voraus-setzung für die Gewährung von Überbrückungsgeld und – seit November 2004 - auch

für den Existenzgründungszuschuss war die Vorlage einer fachkundigen Stellungnah-me zur Tragfähigkeit der Existenzgründung. Diese wird auf Basis eines aussagefähi-gen Businessplans von der jeweiligen Handels- oder Handwerkskammer oder auch

von qualifizierten Gründerzentren erteilt. Der Bundesagentur für Arbeit müssen weiter-hin die Gewerbeanmeldung bzw. die Anmeldung beim Finanzamt und ggf. die Eintra-gung in die Handwerksrolle vorgelegt werden. Die Antragstellung muss unbedingt vor

Beginn der Selbstständigkeit erfolgen. In den Jahren 2003 und 2004 sind mit mehr als die Hälfte aller Vollerwerbsgründungen

aus der Arbeitslosigkeit heraus erfolgt. Im Jahr 2004 wurden 184.939 Gründungen durch das Überbrückungsgeld gefördert. Seit der Einführung des Existenzgründungs-zuschusses im Januar 2003 wurden bis Ende 2004 272.873 Gründungen mit dem

Existenzgründungszuschusses unterstützt, davon allein 175.620 im Jahr 200480. Somit hat 2004 die absolute Zahl der Gründungen aus Arbeitslosigkeit mit mehr als 350.000 ihren Höhepunkt erreicht. Die Selbständigenstruktur ist hier von Kleinst- und Klein-

gründungen in Einzelunternehmen mit einem geringen Kapitalbedarf geprägt.81

78 Die Unterscheidung zwischen Arbeitslosengeld I und II trat mit einer Reform am 01.01.2005 in Kraft, mit der

der Bezug von einkommensabhängigem Arbeitslosengeld zeitlich befristet wurde und die vorherige Arbeits-

losenhilfe mit der Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II zusammengelegt wurde. Das Arbeitslosengeld I wird

nach mindestens 24monatiger vorheriger Beschäftigung ein Jahr lang gewährt und beträgt bei Alleinstehen-

den 60% des Nettoleistungsentgelts, das der Arbeitslose vorher bezogen hat. Nach Auslauf des Arbeitslo-

sengeldes I oder bei nicht erfüllten Voraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld I aber

gleichzeitiger Arbeitsfähigkeit erhalten Arbeitslose das sogenannten Arbeitslosengeld II. Es ist unabhängig

von vorherigem Einkommen, vorhandenes Vermögen muss bis zu gewissen Freibetragsgrenzen zunächst

aufgebraucht werden. ALG II setzt sich zusammen aus Pauschalbeträgen (345 Euro für Alleinstehende) und

Übernahme von angemessenen Miet- und Heizkosten.

79 Das Überbrückungsgeld orientierte sich wie das Arbeitslosengeld am vorherigen Einkommen, das die

Gründer bei Erwerbstätigkeit hatten und wurde für die Dauer von 6 Monaten nach Gründung gezahlt. Der

Existenzgründungszuschuss lief über maximal drei Jahre und betrug im ersten Jahr pauschal 600 Euro, im

zweiten 360 und im dritten 240 Euro.

80 Vgl. KfW Bankengruppe (Hrsg.) (2005), S. 56.

81 Vgl. KfW Bankengruppe (Hrsg.) (2005), S. 56 ff..

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 67

Abbildung 3: Mit Überbrückungsgeld und Existenzgründungszuschuss geför-derte Gründungen aus der Arbeitslosigkeit 1998-2004 (Zugänge)

Quelle: KfW Bankengruppe (Hrsg.) (2005a), S. 56.

Der Bezug von Existenzgründungszuschuss und Überbrückungsgeld sind nicht kom-binierbar, ein individueller Vergleich der Förderinstrumente daher zu empfehlen.82 Im Gegensatz zum Überbrückungsgeld ist der Existenzgründungszuschuss aufgrund der

feststehenden Zuschussbeträge und der längeren Laufzeit vor allem für Gründer mit niedrigem Arbeitslosengeld-I Bezug interessant. So hat eine von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Evaluation der Reformpakete Hartz I bis IV83 festgestellt, dass

das Instrument Existenzgründungszuschuss eine Personengruppe anspricht, die bis-her weniger gute Chancen auf einen Ausweg aus der Arbeitslosigkeit hatte. Dazu gehören speziell Personen mit geringerem Qualifikationsniveau, Langzeitarbeitslose

und eben auch Migranten. Am 1. August 2006 werden Existenzgründungszuschuss und Überbrückungsgeld zu

einem einheitlichen Förderinstrument zusammengeführt, dem Gründungszuschuss. Zentrales Ziel der Umgestaltung ist es, Kosten zu senken und Mitnahmeeffekte zu minimieren. Der Gründungszuschuss teilt sich in zwei Förderphasen auf. Nach einer

erfolgreichen Tragfähigkeitsprüfung des Gründungsvorhabens wird er zunächst für neun Monate als Pflichtleistung vergeben. Die Höhe der monatlichen Förderung richtet sich am individuellen Arbeitslosengeldanspruch aus, zuzüglich einer Pauschale von

300 Euro zur freiwilligen Absicherung in den gesetzlichen Sozialversicherungen. Nach Ablauf der neun Monate kann, eine zustimmende Prüfung durch die zuständige Ar-beitsagentur vorausgesetzt, die Förderdauer um weitere sechs Monate auf insgesamt

15 Monate verlängert werden. Die Förderhöhe sinkt in dieser zweiten Förderphase auf pauschal 300 EUR monatlich. Die Förderung wird komplett auf den ALG-I Anspruch

82 Vgl. Mehnert, Jürgen (2003), S. 17, und Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2006), S. 187.

83 Vgl. Deutscher Bundestag (2006).

98.296 98.114 92.604 95.656123.268

158.968184.939

97.253

175.620

0

50.000

100.000

150.000

200.000

250.000

300.000

350.000

400.000

1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004

Überbrückungsgeld Existenzgründungszuschuss

Der neue Gründungszu-schuss

• Ab August 2006 nur noch ein Zu-schussinstrument für Gründungen aus ALG I Bezug

• Neun Monate als Pflichtleistung, weitere sechs Monate als Kann-leistung

• Zuschusshöhe erste Förderphase: individueller ALG I-Anspruch plus 300 EUR

• Zuschusshöhe zweite Förderpha-se: 300 EUR pauschal

• Förderung nur bei ALG I-Restanspruch von mindestens 3 Monaten

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 68

angerechnet und setzt einen Restanspruch von mindestens drei Monaten ALG-I-Bezug voraus.

Als Kritikpunkte wurden etwa von Seiten des Verbands deutscher Gründungsinitiativen geäußert, dass die Ausrichtung am Arbeitslosengeldanspruch in der ersten Förder-phase zu einer Benachteiligung von Gründern mit geringem Arbeitslosengeldanspruch

führt. Diese Zielgruppe des bisherigen Existenzgründungszuschusses, zu der im be-sonderen Maße auch Migranten gehören, besitzt zumeist keine Finanzreserven, um die kritische Nachgründungsphase zusätzlich abzufedern. Zudem erscheint die Ab-

hängigkeit der Weiterförderung von der Prüfung durch die in Gründungsfragen uner-fahrene Arbeitsvermittlung problematisch.

Arbeitslose, die Arbeitslosengeld II beziehen84, können bei Aufnahme einer Selbst-ständigkeit gemäß § 29 SGB II mit einem auf maximal 24 Monate befristeten Zu-schuss, dem Einstiegsgeld, gefördert werden. Allerdings besteht kein Rechtsanspruch

auf dessen Gewährung. Das Einstiegsgeld beträgt grundsätzlich 50 Prozent der Re-gelleistung, was bei einer Regelleistung für Alleinstehende von 345 Euro eine Zu-schuss von 172,50 Euro entspricht. In der Summe würde ein geförderter

Alleinstehender also 517,50 Euro zusätzlich zu Miete, Heizkosten und Übergangszah-lungen erhalten. Das Einstiegsgeld erhöht sich für jedes zusätzliche Mitglieder der Familie oder Bedarfsgemeinschaft um 10 Prozent der Regelleistung (ca. 35 Euro). Der

Zuschuss soll aber insgesamt 100 Prozent der Regelleistung nicht übersteigen. In der Summe betragen Regelleistung und Einstiegsgeld also maximal 690 Euro monatlich. Das Einkommen aus der Selbstständigkeit wird dem Arbeitslosengeld II angerech-

net.85

4.1.2 Öffentliche Kredit- und Bürgschaftsprogramme

Erfolgreiche Existenzgründungen haben vor allem unter dem Gesichtspunkt der Schaf-fung und Sicherung von Arbeitsplätzen eine große volkswirtschaftliche Bedeutung. Die

Politik hat daher in den letzten Jahren verschiedene Hilfen für den Schritt in die Selbstständigkeit geschaffen. Neben den bereits erwähnten bundesweiten Zuschuss-instrumenten bei Gründung aus der Arbeitslosigkeit wurden dabei auf Bundes- und

Landesebene Förderprogramme entwickelt, die auf verschiedene Unternehmenstypen zugeschnitten sind. Sie werden von unterschiedlichen Förderinstitutionen auf nationa-ler, regionaler und lokaler Ebene bereit gestellt. Die Richtlinien der einzelnen Pro-

gramme unterscheiden sich erheblich. Die Finanzierungsmöglichkeiten sind zumeist abhängig von der Größe des Unternehmens, der Standortwahl, den Innovationen, vom Einsatz neuer Technologien, der Auswirkung auf die Umwelt, den Energieeinsparun-

gen etc. Die Förderdatenbank des Bundeswirtschaftsministeriums weist insgesamt 212 Förderprogramme im Förderbereich Existenzgründung und -sicherung aus86.

In Deutschland gilt für die Vergabe fast aller öffentlichen Fördermittel das sogenannte Hausbankprinzip. Förderkredite müssen über die eigene Bank beantragt werden, eine direkte Einreichung des Antrages bei den Förderbanken ist nicht möglich. Die Beurtei-

lung des Gründungs- oder Investitionsvorhabens sowie die Bonitäts- und Sicherhei-

84 Seit Anfang 2005 sind die bisher getrennten Systeme Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe in einem einheitli-

chen Leistungssystem - dem Arbeitslosengeld II - zusammen gefügt. Den Beziehern von Arbeitslosengeld II

steht der Gründungszuschuss nicht zur Verfügung.

85 Vgl. Bundesagentur für Arbeit (2005), S. 44 f..

86 Vgl. http://db.bmwa.bund.de

Öffentliche Kreditprogram-me

• Träger sind bundesweit die KfW-Mittelstandsbank und landesweit die Landesförderbanken

• Vergabe erfolgt über das Haus-bankprinzip

• Aktuell 212 Förderprogramme

• Unterschiedliche Richtlinien für unterschiedliche Fördergrößen

• Zinshöhen

• In der Regel sind sowohl Investiti-onen als auch Betriebsmittel fi-nanzierbar

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 69

tenprüfung erfolgen zunächst durch die Hausbank nach deren internen Ratingkriterien. Nur im Falle einer Befürwortung durch die Hausbank wird der Antrag überhaupt an das

jeweilige Förderinstitut weitergeleitet, was sich häufig als schwer zu nehmende Hürde für Gründer und Unternehmer erweist.87 Hinzu kommt, dass einige Banken dazu ten-dieren, die aus ihrer Sicht attraktivsten Programme zu empfehlen, was nicht immer mit

der Perspektive des Gründers übereinstimmen muss. Mit ausschlaggebend für die Banken sind z.B. die Höhe der eigenen Haftung und die Provisionen, die sie für die Vermittlung erhalten. Verschiedene Förderprogramme stellen die Hausbank anteilig

von der Haftung für die Rückzahlung der Kredite frei88 oder ermöglichen ein risikoge-rechtes Zinssystem, was die Hausbanken durch Reduzierung des eigenen Risikos zur Durchleitung der Förderkredite animieren und den Unternehmen den Zugang erleich-

tern soll. Als wichtigste Institution auf Bundesebene fungiert die KfW Mittelstandsbank, die Teil

der KfW Bankengruppe ist. Sie bietet Gründern und bestehenden Unternehmen Kredi-te zu vergünstigten Bedingungen (bspw. niedrige Zinsen, lange Laufzeit, längere til-gungsfreie Zeit) an. Je nach Kreditprogramm werden die Finanzmittel durch

Eigenmittel der Förderbank, durch das ERP-Sondervermögen oder durch Mittel ver-schiedener Bundesministerien finanziert. Für Existenzgründer und mittelständische Unternehmer, die eine Stärkung der Eigenkapitalbasis oder klassische Fremdkapitalfi-

nanzierungen benötigen, kommen v.a. die folgenden Produkte in Frage.89.

KfW Unternehmerkapital / ERP-Kapital

Das Förderprogramm Unternehmerkapital wird von der KfW Mittelstandsbank seit dem 1. März 2004 aufgelegt. Bei den in diesem Programm ausgegebenen Darlehen han-delt sich um sogenannte Nachrangdarlehen90 mit langfristiger Laufzeit . Um mit dem

Programm Unternehmen in unterschiedlichen Entwicklungsphasen zu unterstützen wird das Unternehmerkapital von der KfW in einer Variante für Gründer und junge Unternehmen (ERP-Kapital für Gründer), für Wachstumsunternehmen (ERP-Kapital

für Wachstum) und für etablierte Unternehmen (Kapital für Arbeit und Investitionen) aufgelegt. Die Darlehen an Gründer und Wachstumsunternehmen werden aus dem ERP-Sondervermögen subventioniert und haben daher verbilligte Zinssätze. Zielgrup-

pe des ERP-Kapitals für Gründer sind Haupterwerbsgründer einschließlich Freiberufler bis 2 Jahre nach Gründung. Es werden ausschließlich betriebsnotwendige Investitio-nen finanziert (z.B. Grundstücks- und Gebäudekosten, Kosten für Betriebs- und Ge-

schäftsausstattung, branchenübliche Markterschließungsaufwendungen) Beschaffung und Aufstockung von Warenlagern sowie Übernahme- oder Beteiligungskosten. Der Antrag muss vom Gründer allerdings noch vor der geplanten Gründung/Investition

über die Hausbank gestellt werden. Sicherheiten müssen nicht gestellt werden. Die

87 Vgl. Pesch (2005).

88 Eine Haftungsfreistellung bedeutet nicht, dass der Unternehmer von seiner Pflicht zur Rückzahlung des

Kredits entbunden wird. Es findet im Krisenfall lediglich ein Gläubigeraustausch statt: Statt an die Hausbank

muss der Unternehmer den Kredit dann an die Organisation zurückzahlen, welche die Haftungsfreistellung

gewährt hat.

89 Vgl. Mehnert, Jürgen (2003), S. 15 und Pesch (2005), S. 60 f..

90 Nachrangdarlehen zeichnen sich dadurch aus, dass der Darlehensgeber im Rang hinter die Forderungen

aller übrigen Fremdkapitalgeber zurücktritt und die Darlehen somit eine eigenkapitalnahe (mezzanine) Funk-

tion haben. Sie verbessern auf diese Weise die Bonität eines Unternehmens und erleichtern ihm den Zu-

gang zu weiteren Finanzierungsmitteln.

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 70

maximale Höhe der Darlehen, die im Rahmen des ERP-Kapitals für Gründer ausge-geben werden, beträgt 500.000 Euro. Die Kreditlaufzeit beträgt maximal 15 Jahre,

davon sind 7 Jahre tilgungsfrei.

KfW Unternehmerkredit

Dieses Förderprogramm richtet sich explizit an Existenzgründer und bestehende KMU, einschließlich Freiberufler mit einem Jahresumsatz von max. 500 Mio. €. Es wird in einer Investitionsvariante und in einer Betriebsmittelvariante angeboten. Mit der Inves-

titionsvariante können langfristige Investitionen, Grunderwerb, Baukosten, Übernahme oder Beteiligung; Beschaffung und Aufstockung des Material-, Waren- und Ersatzteil-lagers finanziert werden. In der Betriebsmittelvariante ist die Finanzierung von Be-

triebsmitteln außerhalb von Investitionen, sowie der Ausgleich von Liquiditätsengpässen möglich. Als Höchstbetrag sind seit Ende 2005 von der KfW in beiden Varianten 10 Mio. Euro festgelegt. Die Laufzeit von KfW-Unternehmerkrediten

kann sehr variabel festgelegt werden. In der Regel beträgt sie maximal 10 Jahre (In-vestitionsvariante) bzw. 6 Jahre (Betriebsmittelvariante). Die tilgungsfreie Zeit beträgt bis zu zwei Jahre bei 10-jähriger Laufzeit und bis zu einem Jahr in der Betriebsmittel-

Variante. Im Unterschied zum Unternehmerkapital werden die Darlehen dieses Pro-gramms mit risikogerechten Zinssätzen angeboten. Die Bonität des Kreditnehmers und die Qualität der Sicherheiten spiegeln sich in der Einordnung in sieben Preisklas-

sen wider. Das Darlehen wird mit einem kundenindividuellen Zinssatz im Rahmen des Maximalzinssatzes der jeweiligen Preisklasse zugesagt..91

Während sowohl KfW-Unternehmerkapital als auch der KfW-Unternehmerkredit für mittlere und größere Gründungen und Unternehmen in Frage kommen, hat die KfW-Mittelstandsbank auch Förderprogramme für Kleingründungen im Angebot.

KfW StartGeld

Das StartGeld zielt auf Gründer ab, deren Finanzierungsbedarf bei maximal 50.000

Euro liegt. Mit dem StartGeld werden Gründer mit geringem Investitionsvolumen an-gesprochen, die Schwierigkeiten haben, ein reguläres Bankdarlehen zu erhalten. Ein festes Bearbeitungsentgelt der KfW Mittelstandsbank soll auch hier einen zusätzlichen

Anreiz für die Banken zur Finanzierung kleinerer Vorhaben schaffen. Es werden Neu-errichtungen, Betriebsübernahmen und aktive Beteiligungen in der gewerblichen Wirt-schaft und den freiberuflichen Berufen - einschließlich der Heilberufe - mit bis zu

höchstens 100 Beschäftigten gefördert. Auch die Gründung im Nebenerwerb ist mög-lich, der/die AntragstellerIn darf jedoch nicht bereits selbständig sein. Das Darlehen gilt zur Finanzierung von Sachinvestitionen (z.B. Betriebs- und Geschäftsausstattung,

Kosten für Umbau und Renovierung), Warenlager und Betriebsmitteln. Die KfW Mit-telstandsbank gewährt eine 80 %ige Haftungsfreistellung. Nicht vorhandene Sicherhei-ten der Gründer sollten daher bei der Entscheidung der Bank nicht im Vordergrund

stehen. Die Laufzeit des StartGelds beträgt 10 Jahre mit maximal zwei tilgungsfreien Jahren. Entsprechend des Hausbankprinzips müssen die Gründer eine Bank finden, die ihr Vorhaben unterstützt und begleitet. Der Zinssatz für das KfW StartGeld-Darlehen beträgt effektiv p.a. 9,05 % (Stand: 03.05.2006).92

91 Vgl. http://www.kfw-

mittelstandsbank.de/DE_Home/Kredite/Die_Foerderprogramme_im_Einzelnen/Unternehmerkredit/index.jsp

92 Vgl. www.kfw-mittelstandsbank.de/DE_Home/Kredite/Die_Foerderprogramme_im_Einzelnen/StartGeld/

index.jsp

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 71

Die KfW verfügt mit dem Mikro-Darlehen zusätzlich über ein Förderprogramm, das

sich an Gründer und Unternehmer bis zu drei Jahre nach Gründung richtet und mit einer maximalen Förderhöhe von 25.000 Euro zum Bereich der Mikrofinanzierung zählt. Daher wird es in Kap. 4.1.3 näher beschrieben.

Auf Landesebene werden die meisten Kreditprogramme von den jeweiligen Investiti-onsbanken und Landesförderinstituten aufgelegt.93 Darüber hinaus werden Gründer in

den meisten Bundesländern zusätzlich auch durch Bürgschaftsprogramme der regio-nalen Bürgschaftsbanken unterstützt. Bei den regionalen Bürgschaftsbanken handelt es sich um Selbsthilfeeinrichtungen der Wirtschaft zur Förderung mittelständischer

Unternehmen, der gewerblichen Wirtschaft und Angehöriger freier Berufe. Träger dieser Institutionen sind zumeist die Kammern (Handwerkskammern, Industrie- und Handelskammern sowie Landwirtschaftskammern) aber auch verschiedenen Fachver-

bände und Kreditinstitute. Die meisten Bürgschaftsbanken erhalten zusätzlich Unter-stützung durch Bund und die Bundesländer in Form von Rückbürgschaften. Für Gründer und junge Unternehmer können Bürgschaften ein wichtige Hilfe bei der

Finanzierung ihrer Gründungsvorhaben oder ihres bestehenden Unternehmens dar-stellen. Denn Bürgschaften ersetzen fehlende Sicherheiten, die ein Unternehmer in der Regel beizubringen hat, wenn er einen Kredit bei der Bank beantragt. Sie bringen

dem Gründer oder Unternehmer also nicht in jedem Fall einen direkten wirtschaftlichen Vorteil, sondern verschaffen ihm vor allem den Zugang zu einem Kredit, den er sonst nicht erhalten würde. Bürgschaften können aber zusätzlich, insbesondere bei Krediten

mit risikogerechten Zinssystemen, die Einstufung der Preisklasse und damit auch die Höhe des Zinssatzes positiv beeinflussen.

Im folgenden werden zur weiteren Veranschaulichung der Bandbreite der finanziellen Existenzgründungsförderung auf Landesebene in Deutschland zwei Beispiele eigen-ständiger Förderprogramme vorgestellt.

Niedersachsenkredit der Förder- und Investitionsbank Niedersachsen

Mit dem Niedersachsen-Kredit richtet sich die Förder- und Investitionsbank Nieder-

sachsen (Nbank) an Existenzgründer und bestehende KMU, deren Gruppenumsatz 10 Millionen EUR nicht übersteigt. Die Förderung besteht aus zinsgünstigen Darlehen, mit denen Investitionskosten bis zu 100% der zuschussfähigen Kosten finanziert werden

können. Die Kredithöhe kann dabei zwischen 30.000 EUR und 500.000 EUR liegen. Bei der Finanzierung von Betriebsmitteln beträgt der Finanzierungsanteil bis zu 10 % der letzten festgestellten Jahresumsatzes (bei Existenzgründern bezogen auf den

Planumsatz des ersten Geschäftsjahres), maximal jedoch 300.000 EUR (bei Existenz-gründern maximal 150.000 EUR). Anträge müssen über die Hausbank gestellt werden. Ein bis zu 80%ige Bürgschaft kann optional bei der Niedersächsischen Bürgschafts-

bank (NBB) beantragt werden.

93 Eine Ausnahme stellt die Situation in Hamburg dar. Da hier keine eigenständiges Förderinstitut existiert,

werden öffentliche Förderprogramme der Stadt in Kooperation mit der Hausbank direkt von der entspre-

chenden Behörde vergeben.

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 72

Gründerdarlehen der Investitionsbank Sachsen-Anhalt

Das Gründerdarlehen-Programm richtet sich an Existenzgründer und bestehende

KMUs bis 5 Jahre nach Gründung und gewährt zinsgünstige Darlehen zur Finanzie-rung von Investitionen zum Zwecke der Unternehmensgründung, der Unternehmens-übernahme und der Unternehmensfestigung, sowie von Betriebsmittelausgaben. Der

Finanzierungsanteil kann bis zu 100&% betragen. Der Investitionsort muss in Sach-sen-Anhalt liegen. Bei Gründungsvorhaben muss die selbständige Tätigkeit nachweis-bar auf Dauer angelegt sein und den Haupterwerb des Existenzgründers darstellen.

Die Mindestdarlehenssumme beträgt 20.000 EUR, die maximale Darlehenssumme beträgt 250.000 EUR. Die Darlehenslaufzeit beträgt bis zu zehn Jahre, davon können bis zu zwei Jahre tilgungsfrei gestaltet werden. Der Zinssatz wird aktuell festgelegt und

betrug im April 2006 nominal 7,5% p.a. bei 5jähriger Laufzeit und 8,5% p.a. bei 10jähriger Laufzeit. Die Förderung durch ein Gründerdarlehen erfolgt als sogenannte „De-minimis“ Beihilfe. Der maximal zulässige Gesamtbetrag solcher Zuwendungen

beträgt innerhalb von drei Jahren ab dem Zeitpunkt der ersten Beihilfe 100.000 EUR. Vorförderung finden somit bei der Vergabe des Darlehens Beachtung. Den Antrag für ein Gründerdarlehen stellt der Kreditnehmer über eine Hausbank, die

ihn zusammen mit einer Stellungnahme an die Investitionsbank weiterreicht.

Kreditprogramm mit Bürgschaft : Starthilfe Baden Württemberg

Mit dem Existenzgründungsprogramm Starthilfe Baden-Württemberg unterstützt die baden-württembergische Landesbank (L-Bank) seit 2001 Unternehmensgründungen und -übernahmen mit einem Finanzierungsbedarf bis 100.000 EUR. Auch tätige Un-

ternehmensbeteiligungen können mit Darlehen aus diesem Programm finanziert wer-den. Ausgeschlossen sind dagegen Nachgründungsvorhaben aus dem Bereich der Existenzfestigung. Die Starthilfe besteht aus einem zinsverbilligten Darlehen in Kom-

bination mit einer obligatorischen Bürgschaft in Höhe von 80 %, die bei allen Starthilfe-Darlehen von der Bürgschaftsbank Baden-Württemberg übernommen wird. Mit dem Darlehen können zuschussfähige Kosten (Investitionskosten, Kosten für Erst-

ausstattung eines Warenlagers und Betriebsmittelbedarf) zu 100% finanziert werden. Der Höchstbetrag der ausgegebenen Darlehen beträgt 100.000 EUR, der Mindestbe-trag 5000 EUR. Die Laufzeit beträgt 8 Jahre mit zwei tilgungsfreien Anlaufjahren. Der Nominalzins des Darlehens wird in der Regel über die Einstufung des Endkredit-nehmers in ein risikogerechtes Zinssystem mit sieben Preisklassen festgelegt. Für die Übernahme der Bürgschaft durch die Bürgschaftsbank wird eine einmalige Bearbei-

tungsgebühr von 1,0 % des Bürgschaftsbetrags, mindestens 200 EUR, fällig, sowie eine laufende Risikoprovision von 0,8 % p.a., diese aber bezogen auf den gesamten Kreditbetrag. Der Antrag von Starthilfedarlehen läuft wiederum über die Hausbanken,

die den Antrag gegebenenfalls über das Zentralinstitut an die L-Bank weiterleiten.

4.1.3 Mikrofinanzierung

Die Änderungen in der Gründerstruktur, die Fixierung auf das Hausbankprinzip und die

zunehmend restriktive Kreditvergabepraxis der Geschäftsbanken bei kleinen und mitt-leren Kreditgrößen haben in Deutschland wie angeführt zu einer schwierigen Finanzie-rungslage von kleinen Unternehmen und Existenzgründungen geführt. Die

Hausbankschwelle ist für viele Gründer praktisch unüberwindbar. Hintergrund sind zum einen die fixen Kosten, die für Banken bei der Kreditvergabeprüfung und Kredit-verwaltung unabhängig von der Kredithöhe entstehen. Diese sogenannten Transakti-

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onskosten sind somit bei der Vergabe von Kleinkrediten im Verhältnis zu den geringen Ertragschancen, die diese für die Banken bereit halten, sehr hoch. Gleichermaßen ist

das Risiko des Kreditausfalls bei Existenzgründungen in den ersten 3-5 Jahren als hoch einzustufen, auch Kleinunternehmen sind generell risikoanfälliger als mittlere oder gar große Unternehmen. Zusammengenommen sind Kleinstkredite an Existenz-

gründer und kleine Unternehmen aus bankbetriebswirtschaftlicher Sicht zu kostspielig und risikobehaftet.94 Da die meisten Klein- und Kleinstunternehmen durch einen sehr niedrigen Kapitalbedarf (oftmals weniger als 10 TEUR) gekennzeichnet sind, können

sie auch nicht von den bisher vorgestellten Förderprogrammen profitieren. Mit dem Ziel, die finanzielle Versorgung dieser Gründer und jungen Unternehmen zu

verbessern, sind in den letzten Jahren insbesondere von öffentlicher Seite eine Viel-zahl von Förderprojekten initialisiert worden, die sich, folgt man der Definition der EU-Kommission95 im Mikrokreditbereich bewegen. Noch bis 1997 existierten lediglich drei

Förderprogramme für Kleinstgründungen, die auch finanzielle Unterstützung für Grün-dungen angeboten haben. Der Schwerpunkt lag in diesem Bereich eher auf Bera-tungs- und Informationsangeboten. Seitdem ist ihre Anzahl beständig angewachsen

und 2003 konnte Evers & Jung96 12 regionale und 10 lokale Programme identifizieren, die sich an Gründer von Kleinstunternehmen richten und Mikrodarlehen vergaben. Das notwendige Kapital dieser Programme wird größtenteils von privaten Unterstützern,

unternehmensnahen Stiftungen sowie öffentlichen Stellen auf kommunaler und regio-naler Ebene bereitgestellt. Trotz der großen Vielfalt dieser finanziellen Unterstützungsangebote für Kleinstunter-

nehmen sind die Erfahrungswerte mit der erfolgreichen Vermittlung von Kleinstdarle-hen an Gründer in Deutschland bisher gering. Das lässt sich am deutlichsten an der niedrigen Anzahl der Transaktionen ablesen, die von den meisten Initiativen in der

Vergangenheit getätigt wurden und in der folgenden Tabelle für 19 Initiativen (Stand 2002 und 1. Hälfte 2003) dargestellt sind.

94 Vgl. Behörde für Wirtschaft und Arbeit (2004), S. 4. und Lahn (2005), S. 15.

95 Von der Kommission werden Kredite unter 25 TEUR als Mikrokredit definiert. Vgl. Europäische Kommission

Generaldirektion Unternehmen (2003), S. 4.

96 Vgl. Evers & Jung (2004) und Lahn (2005).

Mikrofinanzierung in Deutschland

• Schwierige Finanzierungslage von Gründern kleiner Unternehmen

• Unrentabel für Banken, zu kleine Summen für bestehende öffentli-che Kreditprogramme

• 2003: 22 Mikrofinanzierungspro-gramme in Deutschland

• Zumeist regionaler Fokus, nur geringe Fallzahlen

• Variante 1: Direkte Vergabe von Kleinkrediten an best. Zielgruppen durch öffentliche Träger

• Variante 2: Kooperationen von Existenzgründungszentren und Beratungsstellen mit Banken

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 74

Tabelle 7: Mikrokredit Programme in Deutschland Transaktionen 2002 und 2003

Programm Transaktionen 2002 Transaktionen 2003

Goldrausch Berlin (regional) 3 8

Starthilfefonds Bremen (regional) 69 70

ARP Darlehen Berlin (regional) 179 170

München-Fonds (lokal) 14 14

Gründerkapital Saarland (regional) 14 20

„Auf geht’s“ KIZ Offenbach (lokal) 4 9

Enigma Siebte Säule Hamburg (regional) 15 54

Feuerwehr-Fonds Westerwald (lokal) 12 6*

Kleinkreditprogramm der Stadt Hamburg

(regional)

0 102

GÖBI-Fonds Göttingen (lokal) 8 15

Gründerfonds der Stadt Paderborn (lokal) n.v. n.v.*

Enterprise Brandenburg (regional) 5 77

Microkredit Exis Junioren Dresden (lokal) 16 38

MONEX Gründerkapital Baden-Württemberg

(regional)

7 21

ProGES Kassel (lokal) 85 145*

ProFi Mannheim (lokal) 5 5*

Darlehen der Stadt Laatzen (lokal) 8 0*

Kleingründerfonds Emscher Lippe (lokal) n.v. 0*

* Werte von 2003, 1. Hj.

Quellen: Evers & Jung (2004) , Gross (2005), Kreuz (2006). In der Praxis der Mikrofinanzierung in Deutschland lassen sich zwei Varianten unter-

scheiden. Zum einen vergeben öffentliche Träger im Rahmen der Wirtschaftsförderung ohne Zwischenschaltung einer Hausbank direkt Kredite an bestimmte, zumeist sozial benachteiligte Zielgruppen (Behörde für Wirtschaft und Arbeit in Hamburg). Zum ande-

ren kooperieren Existenzgründungszentren und Beratungsstellen mit Banken, die Mikrokredite in der Funktion einer Hausbank durchleiten (z.B. KIZ Offenbach, enterpri-se Brandenburg, MONEX). V.a. mit dem Ziel der Verbreitung von Mikrofinanzierungs-

initiativen nach letzterem Vorbild wurde im April 2004 das Deutsche Mikrofinanz Institut (DMI) gegründet. Mitglieder sind vornehmlich Initiativen aus dem Bereich der Existenzgründungsförderung, die Beratung, Training und Nachgründungsbegleitung

für Kleinstgründungen vorhalten und Interesse an der Ergänzung ihrer Leistungen durch Mikrofinanzierung haben. Die sichtbare Erhöhung der Anzahl von vergebenen Mikrokrediten soll durch einen formalisierten Prozess gefördert werden. Seit Frühjahr

2005 wird dies in einer Pilotphase getestet: Interessierte Organisationen können sich an das DMI wenden und unter bestimmten Voraussetzungen eine Akkreditierung als lokale Mikrofinanzierer bekommen. Die Kooperation mit einer Bank ist auch für diese

Konstruktionen unerlässlich, das notwendige Kapital wird durch verschiedene Investo-

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 75

ren im GLS Mikrofinanz Fonds bereit gestellt und von der GLS Gemeinschaftsbank eG ausgereicht.97

Im folgenden soll anhand der Beispiele des Mikro-Darlehens der KfW-Mittelstandsbank sowie des öffentlichen Kleinstkreditprogramm der Stadt Hamburg

und der lokalen Initiative „Feuerwehrfonds“ des regionalen Netzwerks Westerwälder Initiativen und Betriebe Netz e.V (WIBeN e.V.) die Bandbreite der Mikrofinanzierungs-landschaft in Deutschland aufgezeigt werden.

KfW Mikro-Darlehen und Mikro 10

Mit dem Mikro-Darlehen stellt die KfW Mittelstandsbank ein Darlehen für gewerbliche

oder freiberufliche Gründungen, Unternehmensübernahmen, aktive Beteiligungen an einem zu gründenden sowie bestehenden Unternehmen mit maximal zehn Beschäftig-ten, bereit. Das Mikro-Darlehen beträgt maximal 25.000 Euro und steht während der

ersten drei Jahre (Festigungsphase) nach der Gründung zur Verfügung. Die Laufzeit des Darlehens beträgt maximal fünf Jahre mit sechs tilgungsfreien Monaten. Mit dem Darlehen kann der Finanzierungsbedarf zu 100 % abgedeckt werden. Eine 80 %ige

Haftungsfreistellung kann hierbei gewährt werden. Das Darlehen soll vor allem für natürliche Personen, insbesondere Arbeitslose, Ausländer sowie Immigranten98 be-reitgestellt werden. Ein festes Bearbeitungsentgelt der KfW Mittelstandsbank an die

Hausbanken in Höhe von 600 Euro soll einen zusätzlichen Anreiz für die Banken zur Finanzierung kleinerer Vorhaben schaffen. Der Zinssatz für das KfW Mikro-Darlehen beträgt effektiv p.a. 9,68 % (Stand: 25.08.2006).99

Um die Reichweite und die Erfolgsbilanz von Mikrofinanzierungen unter 10.000 Euro zu verbessern100 hat die KfW Mittelstandsbank zum März letzten Jahres innerhalb des Mikro-Darlehen Programms ein Förderfenster für Kleinstkredite als Pilotprogramm

aufgelegt. Unter dem Namen Mikro-10 wurde dabei das etablierte Produkt KfW-Mikro-Darlehen für Gründer mit Kapitalbedarf unter 10.000 EUR modifiziert. Die Darlehens-laufzeit beträgt mindestens zwei, maximal fünf Jahre, die ersten sechs Monate sind

tilgungsfrei. Das Angebot richtet sich an Vorhaben mit einem geringeren Investitions-bedarf. Hierbei können Vorhaben zwischen 5.000 Euro bis 10.000 Euro begleitet wer-den.101

Eine Besonderheit von Mikro-10 liegt in der speziellen Anreizgestaltung für Hausban-ken. So wurde die für jedes Darlehen ausgezahlte Bearbeitungspauschale auf 1.000 EUR erhöht und ein vereinfachtes Verfahren für die Kooperation mit einer Gründungs-

beratungseinrichtung bei der Auszahlung und Prüfung der Verwendung des Darlehens

97 Eine detaillierte Beschreibung des Geschäftsmodells des DMI findet sich in Lahn (2005), S. 19ff.

98 Die KfW definiert AusländerInnen als Personen die keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Aussiedle-

rInnen und SpätaussiedlerInnen, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen werden als ImmigrantInnen

definiert.

99 Vgl. hierzu http://www.kfw-mittelstandsbank.de/mittelstandsbank/DE_Home/Kredite/

Die_Foerderprogramme_im_Einzelnen/ Mikro-Darlehen/index.jsp und Mehnert, Jürgen (2003), S. 15.

100 Die durchschnittliche Kredithöhe des Mikro-Darlehens lag durchgängig bei um die 18.000 Euro, was zeigt,

das die Hausbanken trotz der Anreizsetzung durch das Bearbeitungsentgelt und eine 80%ige Haftungsfrei-

stellung bevorzugt Kredite nahe an der Maximalhöhe durchleiten. Ursachen liegen wiederum in den relativ

fixen Bearbeitungskosten bei kleinen Kredithöhen, die über der Bearbeitungspauschale von 600 EUR hinaus

gehen und zum anderen im höheren Ausfallrisiko bei den im Kreditsegment unter 10.000 EUR dominieren-

den Kleinstgründungen.

101 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (2005), S. 9.

0

1000

2000

3000

4000

5000

6000

7000

8000

9000

St art Geld M ikrodarlehen M ikro 10

KfW Kleinkreditprogramme

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 76

eingeführt (vgl. Kap 4.3.). Somit soll sowohl eine Entlastung der Hausbank als auch eine bedarfsgerechtere Betreuung der mit dem Kredit finanzierten Kleinstgründungen

erreicht werden. Nach Auslaufen des Pilotzeitraums wird Mikro-10 seit Januar 2006 als reguläre Programmvariante des Mikro-Darlehens fortgeführt. Das FHH-Kleinstkreditprogramm für Erwerbslose

Seitens der Freien und Hansestadt Hamburg wird durch die Behörde für Wirtschaft und Arbeit (BWA) seit Juni 2002 ein Kleinstkreditprogramm102 für Kleinstunternehmen

vergeben. Gefördert werden Gründungen von Personen, die in Hamburg mindestens drei Monate mit ihrem Hauptwohnsitz gemeldet, erwerbslos bzw. von Erwerbslosigkeit bedroht und unmittelbar vor Antragstellung keiner selbständigen Tätigkeit nachgegan-

gen sind. Das Programm zeichnet sich v.a. durch zwei konstituierende Merkmale aus: Den Ver-zicht auf das Hausbankprinzip und die enge Verzahnung mit externer Gründungsbera-

tung. Dies erleichtert der Zielgruppe – die aufgrund ihrer prekären Einkommens- und Vermögenssituation i.d.R. keinen Zugang zu Bankkrediten und bestehenden Förder-programmen (mit Hausbankprinzip) hat – den Zugang zum benötigten Gründungskapi-

tal erheblich. Die Mittel stammen ausschließlich aus Landesmitteln und sollen die Eigeninitiative im so genannten „niedrigschwelligen Bereich“ fördern. Das BWA-Darlehen wird in einem raschen und unbürokratischen Entscheidungsprozess verge-

ben, Kreditvorprüfung und –verwaltung werden gänzlich oder z.T. outgesourced, die Kreditentscheidung erfolgt in der BWA selbst nach dem 4-Augen-Prinzip.103 Sowohl eine obligatorische Vorprüfung des Gründungsvorhabens durch eine qualifizierte

Gründungsberatungsstelle (Lawaetz-Stiftung) als Kooperationspartner sowie ein tele-fonisches Nachgründungscoaching durch die Unternehmensberatung Evers & Jung sind explizite Bestandteile des Kleinstkreditprogramms. 104

Der maximale Kreditbetrag liegt bei 12.500 Euro je Gründer, bei Gemeinschaftsgrün-dungen bei max. 25.000 Euro pro Unternehmen für Investitionen und Betriebsmittel. Die Laufzeit des Darlehens beträgt sechs Jahre. Der Zinssatz ergibt sich aus dem

geltenden Basiszinssatz nach § 247 BGB und erhöht sich um einen festen Zuschlag von sechseinhalb Prozentpunkten. Für Mai 2006 ergab sich somit ein Nominalzinssatz von 7,87 %. Das Darlehen kann maximal für die ersten zwölf Monaten tilgungsfrei

gestellt werden, was gerade in der Gründungsphase des Unternehmens eine große Erleichterung für die Liquidität des Unternehmers bedeutet.105

Feuerwehrfonds der Westerwälder Initiativen und Betriebe Netz e.V. – WIBeN e.V.

Das WIBeN e.V. wurde 1985 als regionales Netzwerk gegründet. Die 45 Mitgliedsbe-triebe arbeiten ökologisch-genossenschaftlich-sozial. Im Rahmen des e.V. wurde 1990

der Feuerwehrfonds aufgelegt, der durch monatliche Einlagen der Mitglieder gespeist wird. Der Fonds vergibt kleinteilige und kurzfristige Liquiditätshilfen an seine Mitglieds-betriebe und Neugründungen im WIBeN-Rahmen. Der Fonds versteht sich dabei vor-

rangig als existenzsicherndes Instrument für seine Mitgliedsbetriebe. Betriebliche Notfälle haben bei den Vergaben Vorrang.

102 Vgl. Behörde für Wirtschaft und Arbeit (2004).

103 Vgl. ebenda, S. 3ff.

104 Vgl. ebenda, S. 6ff.

105 Vgl. ebenda, S. 3f. und S. 29.

95104

92

80

0

20

40

60

80

100

120

2002 2003 2004 2005

Kleinstkreditprogramm der Stadt

Hamburg, Anzahl der vergebenen

Kredite

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 77

Unterschieden wird zwischen sehr kurzfristig laufenden „Päckchen“ (2.500 EUR) und bis zu 60 Monate laufenden Krediten in Höhen bis 20.000 EUR. Die durchschnittliche

Höhe liegt bei 5000 EUR. Die sonstigen Konditionen werden ebenfalls individuell ver-einbart, wie der Kreditpreis. Sie können auch später den Bedürfnissen der Darlehens-nehmer angepasst werden, beispielweise durch Einräumen einer tilgungsfreien Zeit.

Als minimalen nominalen Zinssatz gibt der Fonds 3% p.a. an. Manche Darlehen wer-den zusätzlich mit persönlichen Bürgschaften abgesichert. Der Feuerwehrfonds versteht sich auch als kollegiales Beratungsforum, das Mitglie-

derunternehmen über das WIBeN-Netzwerk Unterstützung in allen Fragen betriebli-cher Aktivität anbietet. Der Fonds wird bei der GLS Bank geführt, über die auch die Kreditausgabe abgewickelt wird. Durch die Einlagen der Teilhaber und die erwirtschaf-

teten Eigenmittel steigt das Fondsvermögen konstant um ca. 10.000 Euro pro Jahr. Die Kreditzusagen sind in den letzten beiden Jahren angestiegen und lagen bei 17 (2004) bzw. 16 (2005), das Kreditvolumen betrug 66,5 Mio. EUR (2004) bzw. 83,7 Mio

EUR, womit im Jahr 2005 das Fondsvermögen erstmals einmal komplett umgesetzt wurde. Das Modell ist innovativ und ähnelt internationaler Best Practice im Bereich Mikrofinanzierung weit mehr als andere Kleinkreditprogramme in Deutschland. Nicht

zuletzt dadurch zeichnet sich der Fonds durch sehr niedrige Ausfallraten aus. Da die Finanzmittel des Fonds den steigenden Bedarf an Kreditvolumen in den nächsten Jahren voraussichtlich nicht mehr decken kann, verhandelt das WIBeN zur Zeit mit

dem DMI über eine Akkreditierung als DMI-Mikrofinanzierer. Die würde es erlauben Kredite in größerem Umfang über den gemeinsamen DMI-Fonds auszugeben.

4.2 Finanzierungszugang von Drittstaatenmigranten

4.2.1 Zugang zu Förderung durch die Bundesagentur für Arbeit

Wie in Kapitel 2.2.3 bereits angeführt, sind Migranten in Deutschland wesentlich stär-ker von Arbeitslosigkeit betroffen als die einheimische Bevölkerung. Auch der Anteil der ausländischen Personen, die vor der Arbeitsmarktreform und der Einführung von

Arbeitslosengeld II Sozialhilfe bezogen ist höher. Dies wird in den Zahlen für die Jahre 2003 bzw. 2004 deutlich. So erhielten 2003 fast 617.000 Ausländer Sozialhilfe, das entspricht einer Quote von 8,4 % (im Vergleich dazu war die Quote bei den Deutschen

2,9 %). Von den im September 2004 rund 534.000 arbeitslos gemeldeten Ausländern erhielten rund 451.000 Personen (11,1 % aller Leistungsbezieher) Leistungen von der Bundesagentur für Arbeit. Davon bekamen 59,3 % Arbeitslosenhilfe und 35,4 % Ar-

beitslosengeld. Die restlichen 5 % bezogen Unterhaltsgeld bzw. Eingliederungshilfen. Gegenüber 12,7 % der ausländischen Leistungsempfänger waren lediglich 6,6 % der deutschen Leistungsempfänger auf ergänzende Sozialhilfe angewiesen.106 Der Groß-

teil der arbeitslosen Migranten erhält dabei nur geringe Leistungen aus der Arbeitslo-sen- und Rentenversicherung, da die oft geringen Erwerbseinkommen von Ausländern zu einem geringen Arbeitslosengeld I-Bezug führen.107

Dies hat Auswirkungen für den Bezug der in Kapitel 4.1.1 vorgestellten finanziellen Förderinstrumente für eine Existenzgründung der Bundesagentur für Arbeit. So ergab sich bei einem geringen Arbeitslosengeld I-Bezug als Bemessungsgrundlage ein ge-

ringes Überbrückungsgeld, was in Abwägung beider Förderinstrumente eher zu einer

106 Vgl. Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration (2005), S. 64.

107 Vgl. ebenda

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 78

Inanspruchnahme des Existenzgründungszuschusses führte. Mit der Zusammenle-gung der beiden Instrumente zum Gründungszuschuss, das ebenfalls an der Höhe

des bisherigen Arbeitslosengeldes I bemessen wird, geht den Migranten diese häufig für sie positive Wahlmöglichkeit zukünftig verloren. Bei Arbeitslosengeld II-Bezug ist eine Förderung durch Überbrückungsgeld, Existenz-

gründungszuschuss bzw. ab August 2006 Gründungszuschuss nicht möglich. Die Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe hat somit zu einer Verschlech-terung der Zugangssituation von ausländischen Gründungswilligen geführt, die wie

oben beschrieben in hohem Maße Arbeitslosenhilfe bezogen hatten und nun lediglich durch das geringere Einstiegsgeld unterstützt werden. Insgesamt ist die Bedeutung dieser Förderinstrumente für Gründer mit Migrantionshintergrund hoch, da Studien

zeigen, dass ein hoher Anteil der ausländischen Existenzgründer aus der Arbeitslosig-keit gründet.108

4.2.2 Zugang zu Bankfinanzierung und öffentlichen Fördermitteln

Zum Zugang zu Bankfinanzierung und öffentlichen Fördermitteln liegen bis zum heuti-gen Datum lediglich Untersuchungen der DtA (jetzt KfW) aus dem Jahre 2002 vor. Die KfW hat die Aktualisierung der damaligen Studie „Wirtschaftsdynamik durch Existenz-

gründungen von Migranten“ kürzlich abgeschlossen, die aktuellen Daten sind jedoch noch nicht veröffentlicht und waren für diesen Länderbericht noch nicht zugänglich.

Nach Aussagen im DtA Gründungsmonitor 2002 gaben 54 % der deutschen und 42 % der migrantischen Gründer an, keinen Bedarf an Fremdkapital zu haben. In dem Be-reich von 1.000 bis 50.000 Euro ist der Finanzierungsbedarf der Migrantengründer

höher als bei den deutschen. Ab einem Finanzierungsbedarf von 50.000 Euro nimmt der Anteil der deutschen Gründer zu. Migranten besetzen demnach eher die klassi-schen Bereiche der Kleinst- und Kleinfinanzierung.

108 Vgl. beispielhaft Constant/Zimmermann (2004).

Finanzierungszugang 1: Bankfinanzierung

• Fremdfinanzierung durch Banken findet kaum statt.

• Gründe sind eine geringe Nach-frage von Seiten der Migranten und häufige Ablehnung durch die Banken

• Schwierigkeiten vor allem bei der formalen Darstellung von Ge-schäftskonzept und Kreditantrag

• Fehlende interkulturelle Bera-tungskompetenz der Banken

• Migranten fallen in Risikokatego-rien der Ratingsysteme

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 79

Abbildung 4: Gründer 2002 differenziert nach nationaler Herkunft und nach Fi-nanzierungsbedarf

Basis: n=730 Gründer (n=640 Deutsche, n=90 Migranten)

Quelle: Lehnert (2003), S. 48.

Studien zur ethnischen Selbstständigkeit in Deutschland weisen in der Regel darauf

hin, dass der Gebrauch von formalen Bankkrediten zur Gründungsfinanzierung unter Gründern mit Migrationshintergrund weit weniger verbreitet ist als in der Gruppe deut-scher Existenzgründer. Besonders türkische Existenzgründer nehmen demnach deut-

lich seltener Bankkredite zur Finanzierung ihrer Gründungsvorhaben auf als deutsche. Andererseits können Unternehmer mit Migrationshintergrund offensichtlich wesentlich häufiger auf die finanzielle Unterstützung ihrer Familie und ihres Verwandtennetzwerks

bauen. So erhält Leicht zufolge jeder dritte bis vierte Gründer mit Migrationshin-tergrund finanzielle Unterstützung aus dem familiären Umfeld, während dies unter Deutschen nur bei jedem zehnten Existenzgründer der Fall sei109.

Doch auch wenn sie sich entschließen einen Bankkredit nachzufragen, haben auslän-dische Gründer offenbar große Schwierigkeiten, diesen zu bekommen. Die Aussagen der Gründer in den Fokusgruppen bestätigten dies, das Aufbringen des notwendigen

Startkapitals stellte für die Migranten eine der größten Herausforderungen dar. Als Gründe hierfür werden von den in Rahmen dieses Berichts befragten Experten vor allem die Probleme dieser Gruppe benannt, ein förderfähiges Konzept zu erstellen.

Ursachen können sowohl Sprachprobleme als auch Hemmnisse und Schwierigkeiten sein, das Vorhaben schriftlich festzuhalten. Hinzu kommt oft eine mangelnde Einsicht vieler Migranten in die Notwendigkeit dieser akribischen Vorbereitung. Nicht selten

beenden die Migranten aus diesem Grunde die Beratung im Prozess der Erstellung des Businessplans und versuchen, auf eigene Faust Bankgespräche zu führen, was in der Regel zum Scheitern verurteilt ist. Eine Kreditvergabe ohne aussagefähiges Un-

109 Vgl. Leicht (2005a), S.23.

54%

7%

7%

14%

6%

9%

2%

42%

8%

12%

18%

13%

6%

1%

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60%

0 €

bis 1T€

über 1 bis 5 T€

über 5 bis 25 T€

über 25 bis 50 T€

über 50 T€ bis 500T€

über 500 T€

Deutsche Migranten

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 80

ternehmenskonzept, ohne Finanzierungsplan und ohne passende Marketingstrategie ist nicht möglich.110

Gleichermaßen werden von den Experten auf Seiten der Banken Ursachen im er-schwerten Finanzierungszugang von Migranten gesehen. So nehmen Banken diese Zielgruppe selten als Kunden wahr und schließen von mangelnden Sprachkenntnissen

oder kleineren formalen Fehlern im Businessplan auf eine mangelnde Fähigkeit der Antragsteller zur erfolgreichen Existenzgründung. Die befragten Gründungsberater berichteten, dass nicht selten auch von ihnen als förderfähig eingeschätzte Konzepte

und Kreditanträge nicht bewilligt oder Anträge auf öffentliche Förderprogramme von den Banken gar nicht erst weitergeleitet werden. Die große Zurückhaltung vieler Ban-ken bei der Kreditvergabe an Gründer mit Migrationshintergrund wird unter anderem

auf fehlende interkulturelle Beratungskompetenzen bei den Banken und Sparkassen zurückgeführt. Zusätzlich zeichnen sich die meisten ausländischen Gründer aus der Sicht der Banken durch verschiedene Risikofaktoren aus, die eine Kreditgewährung

äußerst unsicher erscheinen lassen. Dazu gehören z.B. Erwerbslosigkeit, mangelndes Eigenkapital, fehlende Sicherheiten (ausländische Vermögenswerte werden oft nicht als Sicherheit anerkannt), Vorbelastung mit Verbindlichkeiten, negativer Schufa-

Eintrag und „unkonventionelle“ Biografien. Erschwert wird die Kreditaufnahme zusätz-lich durch die beschriebenen Änderungen durch Basel II und die damit verbundenen Ratings. Hierbei werden die Konditionen von bestimmten Risikofaktoren abhängig

gemacht. Unternehmer mit Migrationsstatus sind davon oft betroffen, da sie häufig in Risikobranchen (z.B. Gastronomie, Lebensmittelhandel etc.) gründen.

Angesichts dieser Schwierigkeiten beim Zugang zu formalen Bankkrediten ist anzu-nehmen, dass öffentliche Förderfinanzierungsprogramme für ausländische Existenz-gründer ohne Eigenkapital ein wichtiger Weg zur Gründungsfinanzierung darstellen.

Entgegen der obigen Annahmen zeigen die vorliegenden statistischen Auswertungen der Förderprogramme jedoch, dass öffentliche Existenzförderprogramme von Migran-ten verhältnismäßig selten in Anspruch genommen werden. So hat eine Auswertung

aus dem Jahr 2002 ergeben, dass Migranten und insbesondere solche aus Nicht-EU Staaten im Zeitraum von 1990 bis 2002 in den Förderprogrammen der DtA bis zu fünf Mal weniger vertreten waren, als ihr Anteil an den Gründern und Unternehmern mit

Finanzierungsbedarf es erwarten ließen111. Bei einer Befragung von Hamburger Un-ternehmern aus Nicht-EU Staaten gaben 2001 lediglich 4,9% der Befragten an, öffent-liche Fördermittel erhalten zu haben. Unter deutschen Unternehmen nahm dieser

Anteil der MIND Studie von 2003 zufolge zwischen 2001 und 2003 von 27% auf 30% zu112.

Zur Erklärung der niedrigen Frequentierung von öffentlichen Förderprogrammen durch Migranten werden zumeist Informationsdefizite in dieser Gruppe von Existenzgründern angeführt113. Gründer mit Migrationshintergrund sind demnach häufig schlechter über

Fördermöglichkeiten und den einzuschlagenden Weg zu ihrer Beantragung informiert als deutsche Existenzgründer. Zudem erschweren sprachliche Defizite und die geringe Vertrautheit mit der deutschen Bürokratie zusätzlich den Zugang zu Fördermöglichkei-

ten. So erwiesen sich bei der angesprochenen Hamburger Befragung unter Nicht-EU-

110 Vgl. Schuleri-Hartje (2005). Und vgl. Behörde für Wirtschaft und Arbeit (2004), S. 4.

111 Vgl. Täuber (2003), S. 12.

112 Vgl. Gruner + Jahr AG und Co KG; DSGV (Hrsg.) (2004), S. 58.

113 Vgl. Leicht (2005a), Schuleri-Hartje u.a. (2005)

Finanzierungszugang 2: Öf-fentliche Kreditprogramme

• Öffentliche Kreditprogramme wer-den von Drittstaatenmigranten kaum in Anspruch genommen

• Anteil von Gründern aus Drittstaa-ten liegt bei KfW-Programmen un-ter zwei Prozent

• Kleinkreditprogramme wie Mikro-darlehen und Startgeld werden deutlich besser frequentiert

• Informationsdefizite bei Gründern aus Drittstaaten

• Ausbleibende Beratung und Un-terstützung durch die Banken

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 81

Unternehmern zwei Drittel der Befragten ohne Fördermittelnutzung als überhaupt nicht über existierende Möglichkeiten öffentlicher Förderung und Unterstützung informiert.

Mehr als ein Fünftel bewertete die Beantragung der ihnen bekannten Förderprogram-me als zu kompliziert114. Die ausbleibende Nutzung von öffentlichen Fördermitteln durch Existenzgründer mit

Migrationshintergrund ausschließlich auf Informations- und Sprachdefizite zurückzu-führen erscheint allerdings als eine unzulässige Verkürzung der Realität. So hat den Einschätzungen von Experten und Existenzgründungsberatern zufolge auch die feh-

lende Unterstützung durch die Hausbanken einen großen Anteil an der niedrigen öf-fentlichen Förderrate unter Existenzgründern mit Migrationshintergrund. Die meisten deutschen Banken sind demnach nur bedingt gewillt, Migrantenunternehmer bei ihrem

Gründungsvorhaben auf die gleiche Weise zu beraten und unterstützen wie deutsche Unternehmer. Diese Einschätzung wird durch die Ergebnisse des Gründungsmonitors von 2002115 gestützt. Befragt nach den Gründen für eine ausgebliebene Inanspruch-

nahme von öffentlichen Fördermitteln gaben unter den deutschen Existenzgründern lediglich 12 % die Ablehnung der Beantragung von öffentlichen Fördermittel durch die Hausbank als Grund an, unter den befragten ausländischen Gründern lag dieser Anteil

fast doppelt so hoch.

Abbildung 5: Gründe warum keine öffentliche Förderung in Anspruch genom-men wurde, differenziert nach nationaler Herkunft (Mehrfachnennungen)

Basis: n=292 Gründer mit Finanzierungsbedarf (n=255 Deutsche, n=37 Migranten)

Quelle: Lehnert (2003), S. 49.

Da Gründer mit Migrationsstatus in sich schnell verändernden Märkten gründen, häu-fig Vorbilder kopieren und der Druck derjenigen, die aus der Arbeitslosigkeit gründen

sehr hoch ist, werden von Migranten in vielen Befragungen zudem die langen bankin-ternen Prüfungsverfahren beanstandet. 116

114 Vgl. Burgbacher (2004), S. 44.

115 Vgl. Lehnert (2003), S. 49f.

116 Vgl. Schuleri-Hartje u.a. (2005a), S. 120.

51%

30%

25%

26%

20%

12%

9%

32%

14%

45%

15%

20%

22%

12%

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60%

Beantragung zuaufwändig

kein Bedarf

keine Kenntnis

keine Aussicht aufErfolg

Empfehlung andererFinanzierung

HB lehnteBentragung ab

nicht bewilligt

Deutsche Migranten

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 82

Der Zugang von Migranten zu den bundesweiten Förderprogrammen der DtA (inzwi-

schen KfW Mittelstandsbank) wurde im Jahr 2002 im Rahmen des DtA-Gründungsmonitors eingehend analysiert. Dabei zeigte sich, dass die Förderung von ausländischen Existenzgründern durch DtA-Fördermittel im Laufe des Untersuchungs-

zeitraum von 1990 bis 2002 zwar in absoluten Zahlen zugenommen hat, ihr Anteil an allen geförderten Existenzgründern mit durchschnittlich 1,6% (im Förderbereich Exis-tenz-/Unternehmensgründung sogar nur 1,4%) jedoch deutlich hinter dem Anteil aus-

ländischer Unternehmen an allen Gründungen mit Finanzierungsbedarf zurückgeblieben ist. So identifizierte der Gründungsmonitor für ausländische Existenz-gründungen im Jahr 2002 einen Anteil von 15% an allen Gründungen mit Finanzie-

rungsbedarf während die Förderquote in diesem Jahr lediglich 2,8% betrug. Von 1990 bis 2002 hat die Deutsche Ausgleichsbank (DtA) insgesamt 10.909 Darle-hen mit einem Volumen von über 558 Millionen Euro an 6.333 ausländische Existenz-gründer und an 1.324 junge ausländische Unternehmer vergeben.117 Auf

Nationalitäten verteilt ergibt sich folgendes Bild:

Abbildung 6: Geförderte Ausländer im Förderbereich Existenz-/Unternehmensgründungen 1990-2002 nach Staatsangehörigkeit

Quelle: Täuber 2002 S. 15.

117 Vgl. Täuber (2003), S. 10 f..

1541

1528

593

576

491

337

286

237

220

202

109

105

103

100

98

96

93

70

60

56

44

712

0 200 400 600 800 1000 1200 1400 1600 1800

Türkei

Italien

Niederlande

Österreich

Griechenland

Jugoslawien

Iran

Frankreich

Vereinigtes Königreich

Spanien

Polen

Kroatien

Schweiz

USA

Ungarn

Belgien

Portugal

Dänemark

Vietnam

Bulgarien

Russische Föderation

andere Nationen

Geförderte Personen 1990-2002

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 83

Die im Untersuchungszeitraum geförderten Gründerpersonen kamen insgesamt aus über 100 Ländern. Dabei gab es deutliche Schwerpunkte in der Verteilung der geför-

derten Personen auf die unterschiedlichen Herkunftsländer. Allein 55,1 % aller im Untersuchungszeitraum geförderten Personen ohne deutsche Nationalität waren EU-Bürger. Dieser Anteil liegt etwas über dem gegenwärtigen Anteil von EU-Bürgern an

allen ausländischen Selbständigen in der Bundesrepublik Deutschland (48% in 2004). Unter den 3436 geförderten Nicht-EU Bürgern waren nichteuropäische Ausländer mit 900 geförderten Personen deutlich in der Minderheit. Der deutlichste Schwerpunkt

lässt sich bei der Gruppe der ehemaligen Anwerbeländer ausmachen. 57,1 % aller geförderten ausländischen Existenzgründer kamen aus Italien, Spanien, Griechenland, Türkei, Marokko, Jugoslawien und Tunesien.118

Betrachtet man die einzelnen Staatsangehörigkeiten, waren unter den von der DtA im gesamten Untersuchungszeitraum geförderten ausländischen Personen mit 20,1 % türkische Staatsbürger am stärksten vertreten. Parallel zum starken Anwachsen der

Selbstständigkeit in der türkischstämmigen Bevölkerung während der Neunziger Jahre hat im Zeitverlauf der untersuchten 12 Jahre auch der Förderanteil türkischer Darle-hensnehmer stark zugenommen. Während 1990 lediglich 8,5% aller geförderten aus-

ländischen Personen türkischer Nationalität waren, lag dieser Anteil 2002 bei 25,7%. Damit lag der Förderanteil türkischstämmiger Existenzgründer in den letzten Jahren deutlich über dem Anteil türkischer Staatsbürger an der selbständigen Erwerbsbevöl-

kerung mit Migrationshintergrund (15% in 2003) Das 1999 eingeführte Instrument StartGeld mit dem vor allem Kleingründungen unter-

stützt werden sollen hat den Zugang von ausländischen Existenzgründern zu öffentli-chen Fördermitteln verbessert. So sind im Jahr 2002 189 StartGeld-Darlehen an ausländische Gründer ausgeteilt worden, das entspricht einem Ausländeranteil von 5,1

%, was allerdings noch immer weit unter dem Anteil ausländischer Gründungen an allen Gründungen mit Finanzierungsbedarf (15%) liegt.

Vor diesem Hintergrund kann für Existenzgründer mit Migrationshintergrund von gene-rellen Zugangsschwierigkeiten zu den öffentlichen Förderprogrammen zur Existenz-gründung in Deutschland ausgegangen werden.

4.2.3 Zugang zu Mikrofinanzierung

Im Bereich der öffentlichen Fördermittel liegen für das Mikro-Darlehen lediglich Zahlen aus den ersten drei Monaten nach Programmstart im Oktober 2003 vor. Auch hier

konnten auf Anfrage bei der KfW keine aktuellen Daten geliefert werden. Das Mikro-Darlehen hat demnach den Trend, der bereits durch das StartGeld begonnen hatte, fortgesetzt. Es erreichte in den ersten drei Monaten einen Ausländeranteil von 9,6%, was nahezu einer Verdopplung des Anteils beim Startgeld entspricht.119

Über den Zugang von Migranten zu Modellen der Mikrofinanzierung in Deutschland

wie in Kap. 4.1.3 beschrieben liegen keine aussagekräftigen Daten und Informationen vor. Längst nicht alle Mikrofinanzierer in Deutschland erheben die Daten Nationalität oder Herkunft überhaupt gesondert. Das European Microfinance Network hat im Zeit-

raum von Juni bis Dezember 2005 ein Befragung europäischer Microlender durchge-

118 Vgl. Täuber (2003), S. 14 f. und S. 31.

119 Vgl. Täuber (2003), S. 13 f. und S. 31.

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 84

führt, um einen Überblick über die Praxis der Mikrofinanzierung im Hinblick auf die spezifische Zielgruppe der Migranten zu bekommen. 27 Organisationen aus 12 euro-

päischen Ländern haben an dieser Befragung teilgenommen. 20 von Ihnen konnten quantitative Daten bezüglich Migranten liefern, allerdings häufig mit unterschiedlichen Definitionen vom Terminus Migrant (Ausländer bis ethnische Minderheiten) und insge-

samt wenig homogenem Datenmaterial. Aus Deutschland haben fünf Organisationen an der Befragung teilgenommen, von denen lediglich zwei Angaben zu der Anzahl von Migranten an ihren Darlehensnehmern machen konnten. Nur eine Organisation hatte

offensichtlich statistisches Material vorliegen, der andere Mikrofinanzierer lieferte eine Schätzung ab. Der Mikrofinanzierer mit vorhandenen Daten vergibt lediglich sehr ge-ringe Stückzahlen, 2002 wurden sieben, 2003 und 2004 jeweils sechs Mikrokredite

vergeben. Davon ging lediglich im Jahr 2002 ein Kredit an einen Migranten. Der zweite Mikrofinanzierer hat 2002 32 Kredite, 2003 61 und 2004 101 Kredite vergeben. Für 2002 wurde ein, für 2003 zwei und für 2004 drei Migranten als Kreditnehmer ge-

schätzt. Diese Werte lassen allerdings keine zu verallgemeinernden Schlüsse über den Zugang von Migranten zu Mikrofinanzierung in Deutschland zu, sondern spiegeln maximal die unzureichende Datenlage wider.

Interessanter sind hier schon die Ergebnisse auf europäischer Ebene, die in Ermange-lung einer deutschen Datenlage an dieser Stelle kurz skizziert werden sollen. Die

Auswertung aller Angaben zeigt, dass die Anzahl der Anfragen von Migranten bei den Mikrofinanzierern sich zwischen 2002 und 2004 verdoppelt hat und die Anzahl der ausgereichten Mikrokredite an Migranten um 47% gestiegen ist. Im gleichen Zeitraum

ist der Anteil der Kredite für Migranten an allen Krediten von 11,5% auf 13,5% gestie-gen. Die Mehrzahl der Antwortenden hat einen höheren Anteil an Kreditnehmern mit Migrationshintergrund an allen Kreditnehmern als deren Anteil an der Gesamtbevölke-

rung ist. Diese Ergebnisse scheinen zu bestätigen, dass Mikrofinanzierung tatsächlich den Bedarf von Migranten trifft und diese i.d.R. auch einen überproportionalen Zugang zu dieser Art der Finanzierung haben.

Die durchschnittliche Kreditsumme von Migranten ist ein wenig geringer als bei ande-ren Kreditnehmern, was wiederum mit den Erkenntnissen bezüglich deren Finanzie-

rungsbedarfs korrespondiert. Auf der anderen Seite zeigt die Umfrage auch, dass einige Mikrofinanzierer für Migranten signifikant geringere Kreditbewilligungsraten im Verhältnis zu Anfragen haben als für andere Kunden. Dies kann gleichermaßen als

Zeichen dafür gewertet werden, dass Mikrofinanzinstitutionen nicht per se für einen erleichterten Finanzierungszugang für Migranten stehen sondern auch hier Zugangs-schwierigkeiten – vermutlich aus ähnlichen Ursachen wie bei Banken – bestehen

können. Der zweite Teil der Umfrage zielte vornehmlich auf das Bewusstsein der Mikrofinanzie-rer hinsichtlich einer spezifischen Situation für Migranten im Zusammenhang mit Exis-tenzgründungsfinanzierung ab. Befragt, ob sie besondere Schwierigkeiten von

Migranten beim Zugang zu Finanzierung, bei der Unternehmensführung oder bei der Rückzahlung von Krediten sehen, antworteten 73% der Befragtem zumindest bei einem dieser Punkte mit Ja, 27% sehen keinerlei Probleme in diesen Bereichen. 54%

sind der Meinung, dass zielgruppenspezifische Maßnahmen zur Verbesserung des Zugangs zu Mikrofinanzierung notwendig seien, 65% halten diese Maßnahmen für notwendig oder zumindest förderlich. Mit großem Abstand wurde hier die Unterstüt-

zung im Vorfeld einer Kreditvergabe – insbesondere bei der Erstellung eines Busi-nessplans – genannt. Allerdings – und auf den ersten Blick widersprüchlich – werden

Finanzierungszugang 3: Mikrofinanzierung

• Unzureichende Datenlage zur Vergabe von Mikrokrediten an Mi-granten in Deutschland

• Entwicklung in Europa: wachsen-der Zugang von Migranten zu Mik-rokrediten weist auf entsprechenden Bedarf hin

• Hamburger Kleinstkreditpro-gramm: Überproportional hoher Anteil von Migranten (geschätzte 25% an allen Anträgen) Bewilli-gungsquote unter der deutscher Antragsteller

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 85

nur in Einzelfällen spezielle Kreditprodukte für die Zielgruppe angeboten, auch nur 35% halten besondere nicht-monetäre Serviceleistungen vor. Die Mehrheit hält dies

nicht für notwendig. Der Widerspruch ließe sich eventuell dahingehend auflösen, dass einige Mikrofinanzierer es nicht für notwendig halten, selbst spezifische Herange-hensweisen zu entwickeln, sehr wohl aber mit Partnerorganisationen kooperieren, die

dies tun.120

Für Deutschland kann an dieser Stelle exemplarisch das Kleinstkreditprogramm der

Behörde für Wirtschaft und Arbeit der Freien und Hansestadt Hamburg ausgewertet werden. Allerdings werden hier über einige Umwege nur Näherungswerte dargestellt, da in der Datenbank die Nationalität oder der Migrationshintergrund weder bei Kredit-

anfrage noch –bewilligung festgehalten wird. Laut Zwischenbilanz121 sind seit Start des Programms im Juni 2002 bis Ende Dezem-ber 2005 insgesamt 792 Kreditanträge von der BWA begutachtet worden. 371 Anträge

wurden positiv entschieden, 421 Anträge wurden abgelehnt. Insgesamt wurden 3,4 Millionen Euro bewilligt, das entspricht eine Durchschnitt von ca. 9.200 Euro pro Kre-ditbewilligung.122 Aufgrund einer abnehmenden Qualität der Gründungsvorhaben seit

Anfang 2004 und dem Anstieg der stark risikobehafteten Gründungsprojekte hat sich die Bewilligungsquote von 60% (im Jahresdurchschnitt 2002 und 2003) über 42% (2004) auf 38% (2005) drastisch verringert.

Die Gründungsbereiche gliederten sich im Jahr 2005 schwerpunktmäßig in unterneh-mensbezogene (28%) und sonstige haushaltsbezogene (20%) Dienstleistungen, die überwiegend freiberufliche Gründungen darstellen123. Darüber hinaus sind Gründun-

gen im Handwerk mit 19% und im Handel mit 16% ausgewiesen. In der Mehrzahl wurden Einzelunternehmen gegründet. Die meisten geförderten Gründer des Jahres 2005 bezogen vor ihrer Selbstständigkeit Arbeitslosengeld II (61%), 27% erhielten

Arbeitslosengeld I und 12% bekamen keine öffentlichen Transferleistungen. Interes-sant ist, dass die Bewilligungsquote der ALG II-Bezieher deutlich unter dem Durch-schnitt liegt. Im 2. Halbjahr 2005 kamen 71% aller Antragsteller aus dem ALG-II-

Bezug, jedoch nur 61% der letztlich geförderten Kreditnehmer. Als Grund wird vor-nehmlich auf die mangelnde Bonität vieler Antragsteller aus ALG II (Überschuldung, bereits laufendes Insolvenzverfahren) hingewiesen.124

Gut 41 % der bewilligten Anträge entfallen auf Frauen. Damit liegt der Frauenanteil an den durch die BWA geförderten Personen deutlich über dem Frauenanteil an Exis-tenzgründungen bundesweit.125

Die Zwischenbilanz selbst liefert, wie bereits erwähnt, keine Angaben zu den mit dem BWA-Kleinkredit geförderten Migranten. Laut Angaben der Johann-Daniel-Lawaetz-Stiftung126 sind mindestens 25 % aller Antragsteller für das Kleinstkreditprogramm

120 Vgl. Guzy, Miriam; Underwood, Tamara (2006).

121 Vgl. Behörde für Wirtschaft und Arbeit (2004).

122 Vgl. ebenda, S. 10.

123 Unter haushalts- und unternehmensbezogenen Dienstleistungen werden z.B. Architektur- und Ingenieur-

büros, Rechtsanwaltskanzleien, Softwareentwicklung, Unternehmensberatung, Zeitarbeitsvermittlung, Bil-

dungsanbieter, Eventgestaltung, Design oder künstlerische Tätigkeiten gefasst.

124 Vgl. Behörde für Wirtschaft und Arbeit (2004), S. 18ff.

125 Vgl. ebenda, S. 15f.

126 Die Lawaetz-Stiftung ist in Hamburg die zentrale Anlaufstelle für Gründungswillige, die das BWA-

Kreditprogramm in Anspruch nehmen wollen. Durch die Lawaetz-Stiftung erfolgt eine Vorprüfung der Unter-

lagen.

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 86

Personen mit Migrationshintergrund.127 Das von Evers und Jung durchgeführte Bera-tungsangebot „TeleCoaching“, das die Kreditnehmer nach der Darlehensauszahlung

beratend begleitet, führt in seiner Datenbank 277 Kreditnehmer. 10,5% davon sind nicht-deutscher Nationalität, 7% Staatsbürger von Nicht-EU Staaten. Berücksichtigt man, dass viele Gründer mit Migrationshintergrund, besonders türkischer Herkunft, die

deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, lässt sich der Anteil von Gründern mit Migrati-onshintergrund an allen Kreditnehmern auf etwa 15% schätzen. Bei einer allgemeinen Bewilligungsquote von um die 40% in den Jahren 2004 und 2005 ergibt sich für An-

tragssteller mit Migrationshintergrund eine Bewilligungsquote von etwa 30%. Für die Antragsteller aus Drittstaaten lässt sich diese Quote aufgrund mangelnder Angaben zur Antragstellung nicht ermitteln. Insgesamt lässt sich aber sagen, dass die

Quote der Antragsteller mit Migrationshintergrund deutlich über dem von der DtA er-mittelten Anteil von Migrantengründungen mit Finanzierungsbedarf an allen Gründun-gen liegt. Das Kleinkreditprogramm der BWA erreicht diese Zielgruppe demnach

zunächst überdurchschnittlich gut. Allerdings zeigt die unterdurchschnittliche Bewilli-gungsquote, dass es gründungswilligen Migranten offenbar seltener als anderen Gründergruppen gelingt, ein die Kreditgeber überzeugendes Geschäftskonzept zu

entwickeln.

127 Laut Schätzung der Lawaetz-Stifung anhand des Anteils ausländisch klingender Namen unter den Kredit-

antragstellern, Stand 19.07.2006.

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 87

4.3 Verbesserung des Finanzierungszugangs von Drittstaatenmigranten

Die Verbesserung des Finanzierungszugangs von Drittstaatenmigranten kann als maßgebliche Säule für die Erschließung des Gründungspotenzials dieser Zielgruppe betrachtet werden. Neben den in Kapitel 3.1.2 beschriebenen Angeboten, die Migran-

ten bei der Erstellung eines bankfähigen Gründungskonzeptes und einer Finanzie-rungsplanung unterstützen sollen, erscheinen in erster Linie folgende Maßnahmen empfehlenswert.

1. Lobbyarbeit bei Banken 2. Verstärkte Kooperation von Gründungsinitiativen für Migranten mit bestehen-

den Mikrofinanzierern 3. Erweiterung der Angebotspalette von Gründungsinitiativen für Migranten um

Mikrofinanzierung durch Kooperation mit Banken

Lobbyarbeit bei Banken

Banken entdecken vornehmlich im Privatkundengeschäft derzeit nach und nach die

Zielgruppe Migranten als attraktive Kundengruppe. In Fachzeitschriften wie „die bank“ finden sich Artikel zum Hintergrund und zu Produkten des sogenannten Islamic Finan-ce – der Finanzierung nach islamischem Recht und der zunehmenden Bedeutung

dieser zielgruppenspezifischen Produkte auch in Deutschland.128 Anfang Juli 2006 war in der Presse zu lesen, dass die Deutsche Bank unter dem Namen Bankamiz - über-setzt „Die Bank für uns – unsere Bank“ - ein Pilotprojekt plant, in dessen Rahmen in

zunächst 10 Filialen mit rund 20 zweisprachigen Mitarbeitern gezielt um in Deutsch-land lebende Türken als Kunden geworben werden soll. Zudem sind Prospekte und Verträge in beiden Sprachen geplant.129 Der Artikel in „Die Welt“ vom 05.07.2006 weist

darauf hin, dass die Deutsche Bank hier nicht allein ist. „Einige Sparkassen versuchen schon geraume Zeit, diese Klientel gezielt zu bedienen. Auch die Postbank sucht dem Vernehmen nach türkischsprachige Mitarbeiter. Die deutschen Geldhäuser folgen

damit einem Trend im Privatkundengeschäft, der in anderen Ländern seit Jahren aus-zumachen ist: Angesichts des immer härter werdenden Wettbewerbs konzentrieren sie sich auf spezielle Kunden- und Zielgruppen.“130

Angesichts dieser Entwicklung ließe sich vermuten, dass die Zeit auch für Kreditkam-pagnen und Lobbyarbeit für Gründer und Unternehmer mit Migrationshintergrund bei den Banken derzeit günstig ist. Diesen Weg hat beispielsweise die Arbeitsgemein-

schaft türkischer Existenzgründer und Unternehmer e.V. in Hamburg im Rahmen des Equal-Projektes NOBI eingeschlagen. In ihrem Teilprojekt konzentrieren sie sich dar-auf, den Dialog zwischen gründungswilligen Migranten und Kreditinstituten herzustel-

len, erfolgreiche Gründer in regelmäßig erscheinenden Publikationen (z.B. Newsletter für Banken) zu portraitieren und somit Vertrauen der Banken in die Gründer und Un-ternehmer zu stärken.

Aus den oben erwähnten Artikeln geht aber auch eindeutig hervor, dass das Interesse der Banken an bestimmten Zielgruppen in erster Linie ökonomisch motiviert ist und aus bankbetriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten erfolgt. Für eine verstärkte Lobby-

128 Vgl. Wackerbeck/Heimer (2006) Wackerbeck/Heimer (2006) und Lienemann/Pfeil (2006).

129 Vgl. Dams (2006)

130 Vgl. ebenda.

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arbeit von Gründungsinitiativen bei Banken ist es somit notwendig, diesen Tatsachen ins Auge zu schauen und sich mit der Bankenlogik auseinander zu setzen bzw. diese

in die Argumentation mit aufzunehmen. Welches Interesse kann eine Bank an dem Klientel einer Gründungsinitiative als Kundengruppe haben, welches Potenzial bietet dieses Klientel – auch und v.a. nach Unterstützung durch die Gründungsinitiativen –

den Banken, die selbst unter dem Druck stehen, ertragsreiche Nischen zu erschlie-ßen? Wenn hier aus Bankensicht überzeugende Antworten geliefert werden, kann verstärkte Lobbyarbeit durchaus von Erfolg gekrönt sein und die viel geforderte inter-

kulturelle Kompetenz nach und nach auch in Banken Einzug halten. Aus rein sozialen oder ethischen Gesichtspunkten heraus lässt sich eine Bank hingegen kaum überzeu-gen.

Verstärkte Kooperation von Gründungsinitiativen für Migranten mit bestehenden

Mikrofinanzierern

Wie in Kapitel 4.1.3 gesehen, gibt es in Deutschland in zunehmendem Maße Instituti-onen der Mikrofinanzierung. Fast allen gemein ist eine bisher geringe Zahl an ausge-reichten Krediten. Dies ist auch dahingehend problematisch, als dass eine hohe

Anzahl vergebener Finanzierung eine Voraussetzung für in der Zukunft angestrebte Kostendeckung darstellt. Die Finanzierungsinstitutionen haben somit das Interesse, ihre Kreditengagements zu steigern. Dem entgegen steht der Trend, dass immer mehr

Gründungsinitiativen oder Wirtschaftsförderer darüber nachdenken, eigenen Mikrofi-nanzierungsprogramme aufzulegen. Unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten wären aber zumindest regionale Konzentrationen von Mikrofinanzierung einer zu starken

Zersplitterung vorzuziehen. Gründungsinitiativen für Migranten, die den Finanzierungszugang ihres Klientels verbessern möchten, könnten somit zunächst Informationen über existierende Mikrofi-

nanzierer in ihrer Region einholen. Wie die Untersuchung des European Microfinance Institutes für die europäische Ebene zeigte (vgl. Kap. 4.2.3), herrscht bei einer Mehr-zahl existierender Mikrofinanzierer zwar die Auffassung vor, dass zielgruppenspezifi-

sche Maßnahmen für Migranten v.a. in der Gründungsvorbereitung wünschenswert seien, eine Minderheit bietet diese jedoch selbst an bzw. setzt sich aktiv mit den spezi-fischen Bedürfnissen dieser Zielgruppe auseinander. Somit wären auch im Sinne

eines verbesserten Mainstreamings gezielte Kooperationen von Gründungsinitiativen für Migranten und existierenden Anbietern von Mikrofinanzierung wünschenswert und sinnvoll.

Erweiterung der Angebotspalette um Mikrofinanzierung durch Ko-

operation mit Banken

Als weitere Möglichkeit sei abschließend die Einrichtung eines eigenständigen Mikrofi-nanzierungsprogramms durch Gründungsinitiativen für Migranten zu nennen. Dies ist dann anzuraten, wenn auf regionaler Ebene keine Mikrofinanzierer existieren oder

eine Kooperation mit diesen nicht sinnvoll oder wünschenswert erscheint. Die KfW hat hierzu im September 2005 mit dem Titel „Existenzgründer und junge Unternehmen gemeinsam stärken. Ein Leitfaden für regionale Kooperationen zwischen Kreditinstitu-

ten, Beratungs- und Wirtschaftsförderungseinrichtungen“ eine Handreichung heraus-gegeben131. Ziel dieses Leitfadens ist es, den Zugang zu Finanzierung für Gründer und Kleinstunternehmen zu stärken, er erschien im Zusammenhang mit der Einfüh-

rung des Mikro10 und soll dessen Durchleitung durch die Hausbanken fördern.

131 Vgl. KfW Bankengruppe (Hrsg.) (2005b).

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 89

Der Leitfaden unterstreicht, wie eine bessere Verzahnung von bestehenden, v.a. öf-fentlich geförderten Beratungs- und Finanzierungsangeboten gestaltet werden kann.

Er richtet sich an Hausbanken sowie an Beratungs- und Wirtschaftsförderungseinrich-tungen, die Interesse an einer Weiterentwicklung des Kreditgeschäfts für Kleinstunter-nehmen auf regionaler Ebene haben.

Der typische Kreditvergabeprozess wird hierzu zunächst dem typischen Beratungs-prozess in einer Gründungsinitiative gegenübergestellt und Parallelen bzw. Verzah-nungsmöglichkeiten herausgefiltert. Auf dieser Basis werden mögliche

Kooperationsansätze und der daraus entstehende Nutzen für Kreditinstitute, Bera-tungs- und Wirtschaftsfördereinrichtungen aufgezeigt. Der Leitfaden gibt zudem kon-krete Hilfe für die Planung und Umsetzung der Kooperation an die Hand. Hierbei

werden neun Schritte näher erläutert, die bei der Auswahl potenzieller Kooperations-partner und der Umsetzung helfen sollen:

1. Initiierung: Konkretisierung und Prüfung möglicher Modelle und Festlegung der Ziele für die Organisation

2. Partnerauswahl: Wer sind geeignete Kooperationspartner vor Ort?

3. Start des Verhandlungsprozesses: Verhandlungsprozess zwischen Bera-tungseinrichtung und interessierter Hausbank

4. Zieldefinition: Festlegen der Zielgruppe und messbarer Zielgrößen für Kon-

kretisierung des Programms 5. Konzeptentwicklung: Erstellung eines detaillierten Kooperationskonzepts an-

hand des Kooperationsrahmens und der definierten Ziele

6. Finanzierung der Kooperation: Auswahl geeigneter Finanzierungsquellen für die Betreuungskosten und ggf. Beteiligung an den Finanzierungskosten und –risiken

7. Dokumentation der Vereinbarung: Erstellen von Protokollen und/oder Koope-rationsvertrag

8. Projektstart

9. Qualitätssicherung, Anpassung und Weiterentwicklung des Modells Der Nutzen für die Kreditinstitute wird v.a. darin gesehen, dass sie gezielter ihre Res-

sourcen auf die Prüfung von Finanzierungsvorhaben mit besseren Erfolgsaussichten konzentrieren können, wenn Gründungsberatungen die Vorbereitung fachkundig be-gleitet und bspw. eine Vorprüfung bereits vorgenommen haben. Dies senkt somit den

Aufwand bei den Kreditinstituten bei Antragsstellung. Darüber hinaus hat eine qualifi-zierte Gründungsvorbereitung nachweislich Einfluss auf die Entwicklungschancen der Unternehmen, die positiv beeinflusst werden können. Die Bank hat somit weniger

schlechte Risiken und Kreditausfälle zu befürchten, was ihre Kostensituation positiv beeinflusst. Für die Beratungseinrichtungen ergibt sich über die Kooperation ein besserer Einblick

in die Beurteilungskriterien der Hausbank, was wiederum zur Anpassung und Weiter-entwicklung der eigenen Angebotspalette beitragen kann. Durch erfolgreiche Grün-dungsberatung können sie den Zulauf an Gründern sichern.

Durch den positiven Einfluss, den Gründungsvorbereitung auf den Unternehmensver-lauf haben kann, profitieren auch die Regionen von wirtschaftlich soliden und aktiven Unternehmen

Die Initiierung von Kooperation nach dem Muster des KfW-Leitfadens steht selbstver-ständlich auch Gründungsinitiativen für die Zielgruppe Migranten offen. Wichtig ist es bei der Suche nach einem kooperierenden Kreditinstitut wiederum - wie weiter oben

beschrieben - die Bankenlogik und -sichtweise zu berücksichtigen und sich im Vorfeld

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darüber klar zu werden, welchen wirtschaftlichen Nutzen das Kreditinstitut haben könnte.

Neben der Initiierung von Kooperationen nach dem obigen Leitfaden können sich Gründungsinitiativen auch um eine Akkreditierung durch das DMI bemühen (vgl. Kapi-tel 4.1.3) oder sogar selbst einen Fonds auflegen. Hierbei sind aber einschlägige Vor-

schriften des Kreditwesengesetzes (KWG) zu berücksichtigen, die für die Kreditvergabe außerhalb von Banken nur unter besonderen Umständen Ausnahme-genehmigungen zulassen. Diese Wege eignen sich in erster Linie für Organisationen

mit einer sehr hohen Anzahl an beratenen Gründern und potenziellen Kreditnehmern, um Kosten der Programme im Rahmen zu halten.

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5 Literaturverzeichnis

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 94

ANHANG

Kurzprofile von Existenzgründungsberatungsstellen für Migranten in Deutschland

Erstellt auf Basis der Experteninterviews

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 95

ATU – Arbeitsgemeinschaft türkischer Unternehmer und Exis-tenzgründer e.V.

Zielgruppe Region

Ausländische Existenzgründer Stärkste Zielgruppe sind eindeutig Türken mit ca. 60%. Darüber hinaus lassen

sich keine weiteren Gruppen feststellen, es ergibt sich vielmehr ein breites Spektrum. Der Fokus liegt auf Kleinstgründungen, die auch starken Beratungsbedarf haben.

Hamburg

Ziele und Leistungen

Die Arbeitsgemeinschaft türkischer Unternehmer und Existenzgründer (ATU e.V.) wurde am 11.05.1998 als ge-

meinnütziger Verein gegründet, um ausländische Existenzgründer bei ihren ersten Schritten in die Selbstständig-keit zu begleiten, ihnen als Unternehmer beratend zur Seite zu stehen und sie als Ausbilder für das duale Ausbildungssystem in der Bundesrepublik zu gewinnen.

Die ATU führt jeden Dienstagnachmittag im Servicecenter der Handelskammer Hamburg individuelle Einstiegsbe-ratungen für Existenzgründungswillige ausländischer Herkunft durch. Außerdem werden Fortbildungen zur Exis-tenzgründung und -sicherung angeboten. Mit dem Ziel, Beratungsangebote und Dienstleistungen für

ausländische Unternehmen besser nutzbar zu machen, informiert die ATU über das breitgefächerte Beratungs- und Weiterbildungsangebot in Hamburg. Erstberatung

• Erstgespräch (0,5-1 Std.) kann durch weitere Termine ergänzt werden. • Im ersten Gespräch wird die Geschäftsidee dargestellt und besprochen, weitere notwendige Schritte im

Gründungsprozess aufgezeigt. Ziel: Kardinalfehler wie Abschluss von Mietverträgen oder Anmeldung

Gewerbe vor Beantragung von Fördergeldern vermeiden. Struktur in den Gründungsprozess bringen • Danach wird gezielt Ansprechpartner für Erstellung Businessplan und Finanzplanung vermittelt. Wert auf

gutes Preis-/Leistungsverhältnis gelegt.

• Überblick über Fördermöglichkeiten • Versuch, Gründer zur Erstellung eines Businessplans und einer Finanzplanung zu motivieren, oft wenig

Einsicht und starke Widerstände

• Beratung zu arbeitsrechtlichen Aspekten und Anerkennung von Qualifikationen • In Folgegesprächen ggf. Besprechung von Businessplan und Finanzplanung, die oft fehlerhaft, da allein

erstellt

• Hinweise auf nachfolgende Seminare • Verteilen von Informations- und Kalkulationsmaterial (BMWA, KfW, Lawaetz, Standard BP...)

Seminare / Fortbildungsveranstaltungen

• Inhalte: bspw. Marketing, Buchhaltung, Standortanalyse, gewerbliches Mietrecht, Weg zur Existenz-gründung, Rechte von Arbeitnehmern und Gebern, Jahresabschlussvorbereitung

• Einsatz externer Referenten

• Gemischtes Publikum, teilweise schon Gründungen mit mehreren Jahren Bestand, aber auch Neugrün-dungen.

Beratung in den Unternehmen / Weiterbetreuung

• Besuche bei den Unternehmern vor Ort • Einsatz als Mediatoren oder Bearbeitung akuter Problematiken • Gezielte Unterstützung auch nach der Gründung, v.a. bei Schriftwechsel mit Behörden und weiteren In-

stitutionen.

Besonderheiten der Zielgruppe Migranten

Viele Notgründungen (ca. 70%) aus Angst vor Arbeitslosigkeit oder ALG 2, eine Erfolgsanalyse findet nicht statt. Alter: Schwerpunkt 30 bis Mitte 40, Ausreißer eher nach unten als nach oben selten. Gründung genießt hohe Anerkennung, sein eigener Chef sein ist ein hohes Ideal. Selten Berufsausbildung im

herkömmlichen Sinn sondern learning by doing, dadurch ist eindeutig Fachkompetenz

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 96

vorhanden, hingegen fehlt betriebswirtschaftliches Verständnis völlig

Problempunkt Anerkennung von Qualifikationen: Migranten verfügen häufig zwar über langjährige Berufserfah-rung, aber über keinen formalen Abschluss. Zeugnisse werden nicht anerkannt und Vorerfahrung (langjährige Arbeit in der Heimat) zählt nicht. (Meisterzwang)

Gründer mit Migrationshintergrund wollen häufig sehr zügig gründen, sie sind in ihrer Gründungsmentalität sehr impulsiv, wenig Verständnis für bürokratische Erfordernisse. Daher ist Strukturierung extrem wichtig. Finanzierung ist großes Problem für Migranten. Banken leiten auch oft Förderanträge nicht weiter.

Schwerpunkt der Beratung liegt auf der 1. Generation (z.B. durch Heirat nach Deutschland und dann Gründung weil an Tätigkeit in der Heimat nicht angeknüpft werden kann, Papiere zur Bewerbung fehlen, selten Zeugnisse) Branchen: bes. Gastronomie, Friseurhandwerk und Bäckerein, darüber hinaus verteilen sich dir Gründer auf un-

terschiedliche und zahlreiche Branchen, auch freiberuflich, Im- und Export 95% Kleinstgründungen in der Form von Personengesellschaften, sehr selten GmbHs Familie hilft meist zu Anfang, Mitarbeiter sind Familien und Freunde (im Schnitt 3-5 Angestellte)

Sie versuchen zweigleisig zu fahren und ihre Kunden nicht nur in der ethnischen Ökonomie zu finden, deutsche Kunden sind wichtig und sie erkennen auch, dass sie bei diesen durchaus ein positives Image besitzen und die-ses auch nutzen.

Beratungsmethodik und –instrumente mit Fokus auf Migrant/innen

Enorm wichtig für die Beratung von Migranten ist der Punkt der Vertrauensbildung.

Referenten der Seminare sollten Erfahrung im Umgang mit Migranten haben oder sogar eigenen Migrationshin-tergrund besitzen. Interkulturelle Sensibilität sollte sich auch inhaltlich bemerkbar machen: Lehrstoff auf das Wichtigste zusammen-

fassen, langsames Reden, individuelle Lösungen an den Bedürfnissen der Migranten orientiert erarbeiten. Seminar als Expertenfragerunde, Gründer können „ihr“ Problem einbringen und nach „ihren“ Lösungen fragen. Keine Standardprogramme, sondern Praxisnähe und konkrete Tipps.

Beratung erfolgt generell in deutsch, durchaus manchmal auch türkische Beratung. Mehrsprachige Materialien sind vorhanden, bis zu 6 Sprachen. Intensivere Behandlung kultureller Unterschiede. Beispiel Jahresabschluss (typisch deutsche kontinuierliche

Buchführung versus einfaches Sammeln von Belegen) oder Hygienevorschriften im Gastronomiebereich. ATU möchte sehr serviceorientiert agieren und punktuell die konkreten Probleme der Migranten praxisnah zu lösen, z.B. Kontakt mit Behörden, Anerkennung von Qualifikationen bei der Innung, Vermittlung von Auszubilden-

den. Diese punktuelle Ansatzweise ist aufgrund der Kapazitäten geboten, wobei es optimal wäre, wenn die BP auch durch ATU selbst begleitet und betreut werden könnten.

Good Practice

Beratung sollte sehr individuell in der Fragestellung sein und große Praxisnähe aufweisen, reines Materialvertei-len hilft nicht. Berater mit Migrationshintergrund

Mehrsprachige Materialien. Diese sollten einen Überblick geben und das Wichtigste zusammenfassen. Würden sich selbst wünschen neben der niedrig schwelligen Erstberatung auch den Fullservice anbieten zu kön-nen, also inklusive BP.

Kontakt zu den einzelnen Personen und Institutionen (Kontaktpflege) sind wichtig als Erfolgsfaktor für die Grün-dungsbegleitung. Dies öffnet Türen und sensibilisiert einerseits die Berater und schafft Vertrauen auf Seiten der Gründer.

Ämter sind auch dankbar für die Vermittlungsleistung von ATU. ATU hat ein neues Projekt gestartet um hier gezielt Lobbyarbeit für Migranten bei Banken zu leisten, damit eine Diskriminierung vorgebeugt werden kann.

Weitere Informationen und Kontakt: http://www.atu-ev.de/ Arbeitsgemeinschaft türki-

scher Unternehmer und Existenzgründer e.V. (ATU) c/o Handelskammer Hamburg,

Alter Wall 38, 20457 Hamburg, Tel.: 040/23687192, Fax:040/23687193, e-Mail: [email protected]

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 97

Bremer ExistenzGründungsInitiative B.E.G.IN

Zielgruppe Region

Die Gründungsinitiative (Netzwerk aus 14 Instiutionen) richtet sich an alle Gründer. Mittlerweile sind auch zielgruppenspezifische Stellen eingerichtet worden u.a. seit Juli 2005 für Migranten.

Alle Migranten haben Zugang zum Beratungsangebot. Es gibt noch keine Erhebung hinsichtlich der vertretenen Gruppen, aber es spiegelt sich die Bevölkerungsstruktur von Bremen wider. Zumeist nutzen Türken und Osteu-

ropäer das Angebot. Die Beraterin hat selbst einen türkischen Hintergrund wodurch der Zugang hier besonders erleichtert wird. Außerdem erfolgt die Zusammenarbeit mit

einer Organisation, die über Berater mit osteuropäischem Hintergrund verfügt.

Bundesland Bremen

Kurzbeschreibung des Angebots / Beratungsinhalte

Insgesamt ist das Beratungsangebot ganzheitlich und offeriert die Gründungsberatung, Festigungs- und auch Krisenhilfe. Das gesamte Beratungsangebot ist kostenlos für die Gründer. Vor dem Erstgespräch wird telefonisch geprüft, inwieweit eine Idee für die Gründung vorhanden ist und wie sehr

diese durchdacht ist. Falls noch große Unsicherheiten bestehen, erfolgt die Vermittlung an andere Stellen. An-sonsten wird ein Termin zum Erstgespräch vereinbart. Diese sowie die folgenden Beratungsgespräche sind stets Einzelberatungen. Die Beratung kann in deutscher aber wahlweise auch in türkischer Sprache stattfinden. Teil-

weise werden aber auch nur türkische Sätze eingestreut um die Atmosphäre zu lockern und Vertrauen aufzubau-en. Erstgespräch

Im Erstgespräch (ca. 1h) werden erneut Idee und Gründungsvorhaben durchgesprochen. Dann werden Folgebe-ratungen individuell geplant, die von den Inhalten und dem zeitlichen Umfang von den Voraussetzungen des Gründers abhängig ist. Generell haben die Gründer zwar Ideen, empfinden sich aber selbst mehr als „Macher“

und weniger als „Schreiber“. Planen ist nicht oberste Priorität. Grundsätzlich gelingt es aber, die Gründer einzu-fangen und zu lenken, so dass sich im Laufe die Einsicht einstellt, dass der BP und das zu erstellende Konzept nützliche Instrumente sind. Folgeberatungen zur Konzepterstellung

Ziel ist es mit dem Gründer ein vollständiges Konzept zu erarbeiten, welches dann zur Gründung befähigen soll. Dies umfasst: den BP (hier stehen BP-Gerüste für unterschiedliche Gründungen nach Größe und Investitionsbe-

darf zur Verfügung), eine Analyse der Stärken und Schwächen, einen Lebenslauf, Kapitalbedarf sowie eine Ü-bersicht über die Fördermöglichkeiten. Schritt für Schritt durch Hausaufgaben

Im Zuge der anschließenden Beratungen werden dem Gründer stets Hausaufgaben (bspw. Marktrecherche, Kosten, Marktbeschreibung, Standort, Marketingaspekte, Besonderheiten gegenüber Konkurrenten) mitgegeben damit dieser sein Konzept stetig mit weiterem Inhalt füllen kann. Die Gründer schreiben somit schrittweise ihr

Konzept selber und der Berater prüft dieses gegen. Somit ist es ein wechselseitiger Prozess, der stark unter dem Motto Hilfe zur Selbsthilfe steht. Die Gründer sollen das Konzept lieber selbst mit Fehlern schreiben, als es sich extern erstellen zu lassen, so bleibt es zumindest authentisch und der Gründer kann sein Konzept auch verteidi-

gen und erörtern. Vermittlung von Seminaren und Workshops

Zusätzliche Angebote bestehen in der Vermittlung zu Seminaren und Workshops, die sich auf betriebswirtschaft-

liche Schwerpunkte rund um die Gründung erstrecken. Für die Gründung aus der Arbeitslosigkeit gibt es einen speziellen Coach an die Seite. Dies nicht nur für Migranten, sondern auch für alle Gründer. Generell unterschei-det sich der Beratungsvorgang für Migranten und für Deutsche kaum. Es ist eher der Zugang und die Verbindung

über die Beraterin, die dies spezifizieren.

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 98

Beratungsmethodik und –instrumente mit Fokus für Migranten

Für die Öffentlichkeitsarbeit fungieren Netzwerke, Broschüren, Veranstaltungen (Starter Lounge, Start-Messe), ausländische Medien und Organisationen. Auch entsteht dabei eine starke Mund-zu-Mund Propaganda. Netzwerkpartner agieren teilweise sehr niedrigschwellig und besuchen Bürgerhäuser in den Stadtteilen, um auf

die Angebote des Netzwerkes aufmerksam zu machen. In der Beratung sollten komplexe Sachverhalte einfach dargestellt werden, dies betrifft aber nicht nur Migranten sondern auch deutsche Gründer.

Berater haben Migrationshintergrund „Migranten beraten Migranten“. Dies führt zu einem schnellen Vertrauens-aufbau. Außerdem existiert eine starke Vernetzung, so dass dem Gründer stets auch die persönlichen Ansprech-partner anderer Institutionen genannt werden können.

Der Netzwerkansatz verfolgt im Speziellen das Ziel, Migranten in die deutschen Strukturen und Institutionen zu integrieren, und eben keine Ausgliederung durch reine Migrantenprojekte vorzunehmen. Der Berater bereitet die Gründer gezielt auf die Kontakte vor, durch das Netzwerk sind dann die Türen auch schon geöffnet (die Hemm-

schwelle wird gesenkt und ein persönlicher Kontakt vermittelt). Die Gründer machen gute Erfahrungen bei den Kontakten mit Behörden und Ämtern. Aus dem gleichen Grund gibt es auch keine gesonderten Publikationen für Migranten Besonderheiten der Zielgruppe Migranten

Eine Hürde für Migranten ist oft die mangelnde Kenntnis der Angebote, die sich zunächst herumsprechen müssen

Bei einer hohen Zahl von Migranten werden schlechte betriebswirtschaftliche Kenntnisse deutlich. Eine Schwierigkeit stellen auch die bürokratischen Anforderungen dar, die oft nicht gekannt werden. Insgesamt ist es für die Gruppe schwer ein bankfähiges Konzept alleine zu erstellen, da oft auch die Sprache ein

Problem darstellt. Bei denjenigen, die motiviert zur Sache gehen und hinter ihrer Gründung stehen stimmt jedoch das Engagement und sie eignen sich das Wissen an. Generell liegen aufgrund der kurzen Projektlaufzeit noch keine gesicherten Statistiken vor.

Der persönliche Eindruck ist, dass der Großteil der Gründer aus der Arbeitslosigkeit gründen wollen. Eine relativ große Gruppe besteht jedoch auch aus Studenten. Gründungen aus einem Beschäftigungsverhältnis sind recht selten.

Altersgruppen sind bisher schwierig zu schätzen. Qualifikation: sehr unterschiedlich (eben auch Studierte und Studierende), handwerkliche Qualifikationen meist aus dem Heimatland.

Branchen: oft Gastronomie und Handwerk aber stärker zunehmend IT-Dienstleistungen, auch Juristen Rechtsform: Einzelunternehmen oder GbRs Rolle der Familienangehörigen ist schwer einschätzbar. Good practice

Als besonders wichtiger Punkt stellt sich das Netzwerk heraus, welches zum Ziel hat, Migranten an bestehende

Institutionen zu vermitteln und die Hemmschwelle durch persönlichen Zugang zu senken. Hierbei entsteht Mehr-wert auf beiden Seiten, so lernen Migranten die Organisation/Institution kennen, gleichzeitig werden die Institutio-nen auch vertrauter mit der Zielgruppe Migranten.

Verbesserungspotenzial: In den bestehenden Institutionen sollten vermehrt Mitarbeiter mit unterschiedlichem äußerlich sichtbaren Migrationshintergrund arbeiten (z.B. Asiaten, Schwarze, etc.)

Weitere Informationen und Kontakt: Funda Elmaz, http://www.begin24.de, Tel.

0421-323464-24, Mail: [email protected]

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 99

Bengi e.V. Kassel

Zielgruppe Region

Migranten mit Fokus auf Frauen, aber auch Männer sind willkommen. Mehr als die Hälfte sind türkische Migranten, sonst

große Anteile aus Iran und Afghanistan. Beraterin spricht türkisch und hat türkischen Hinter-grund. Dies erklärt auch den starken Zulauf von

Türken.

Kassel und Umland

Kurzbeschreibung des Angebots / Beratungsinhalte

Das Erstgespräch nahmen bisher ca. 120-130 Leute wahr. In die intensive Folgeberatung stiegen dann 20-30 Gründer ein, von denen ca. 5-6 dann letztlich gründen. Die Finanzierung des Beratungsangebotes ist abhängig vom Zugang. Während Migranten durchaus auch selbst

die Leistungen bezahlen müssen, können bei Transferhilfeempfängern Zuschüsse durch entsprechende Stellen erfolgen. Die Erstberatung ist jedoch für alle kostenlos, danach stellt sich die Finanzierungsfrage für die Beratung. Erstberatung

Dauer ca. 1-1,5 h. Das Vorhaben wird besprochen und besprochen, wie sicher sich der Gründer bei seinem Gründungsvorhaben ist. Meist ist dieses unsicher und ihm wird geraten, sich genau zu entschließen und festzule-gen. Neben der Geschäftsidee wird auch die Umsetzung besprochen. Dazu gehört auch ein Überblick über Fi-

nanzplanung, welches Volumen an finanziellen Mitteln nötig ist. Es geht darum, den Leuten ein Bild aufzuzeigen, damit sie sehen, was auf sie zu kommt. Das Hauptinteresse liegt meist auf möglichen Fördergeldern. Sie kommen meist mit dem Wunsch, schnell Geld zu bekommen und haben unrealistische Vorstellung von der Dauer des An-

tragsprozesses und möglicher Höhe. Die Strukturierung des Konzeptes ist aus Sicht der Gründer eher zweitran-gig. Insgesamt erfolgt die Erstberatung auf dem Niveau eines Sondierungsgesprächs. Teilweise kommen die Migranten auch ohne Geschäftsideen, sondern wollen aus der Arbeitslosigkeit heraus einfach was tun. Diese

hören dann auch relativ schnell wieder auf. Die Beraterin bietet der Kundin an, das Konzept zu schreiben und diese entscheidet sich dann, ob sie in die Folgeberatung einsteigen will. Folgeberatung: Konzepterstellung durch die Beraterin

Umfasst ca. 10-15 h insgesamt, wobei der Zeitraum sehr variieren kann. Grundsätzlich ist das Klientel nicht in der Lage, schriftliche Konzepte zu schreiben, sowohl sprachlich als auch fachlich. Dies übernimmt die Beraterin und erstellt ein Konzept für die Gründer.

Hierbei erfolgen Konkretisierungen folgender Elemente: eigene Qualifikationen, Marktanalyse, Standort, Finanz-mittel, Rentabilitätsplanung, Finanzplanung, Einnahmeschätzungen. Das schriftliche Konzept der Beraterin orientiert sich an der Idee bzw. dem Vorhaben und zeigt die Umsetzung

auf. Neben den dargestellten fachlichen und an einen BP angelehnten Elementen führt sie auch kritische Bemer-kungen auf, die vom Gründer ebenfalls bedacht werden sollten. Begleitende Maßnahmen sind auch Vermittlungen zu Seminaren der Handelskammer.

Nach dem Konzept kann die Unterstützung durch die Beraterin zwar weitergehen, aber generell gibt es wenig Rückmeldung von Seiten der Gründer.

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 100

Beratungsmethodik und –instrumente mit Fokus für Migranten

Beratung kann in türkisch, persisch, afghanisch, teilweise russisch und italienisch erfolgen. Vorteile der Beratung in Heimatsprache: keine Missverständnisse, Vertrauensverhältnis lässt sich einfach aufbau-en. Manchmal reichen statt der gesamten Beratung auch ein paar Worte in der Heimatsprache. Speziell bei der

türkischen Gruppe stellt sich ein starker persönlicher Bezug her. Durch den eigenen Migrantenhintergrund ist auch ein kultureller Bezug gegeben und somit ein Verständnis, was in den Köpfen der Menschen abläuft. Interkulturelle Elemente in der Beratung: Zielgruppenbeschränkung lösen, also raus aus der ethnischen Nische

hin zur Kombination beider Zielgruppen. Obwohl auch eine starke Mund zu Mund Propaganda unter dem eigenen Klientel Sinn macht, sollte ausreichend Geld auch für Werbung ausgegeben werden.

In Bezug auf die Mitarbeit von Familienmitgliedern sollte dies auch in den kalkulierten Kosten berücksichtigt wer-den. Außerdem sind auch die Risiken der Familienbeschäftigung zu bedenken (Krankheit, fehlende Alterssiche-rung).

Besonderheiten bei Migranten: Spontaneität, planen nicht langfristig, sondern starke kurzfristige Orientierung. Die Beratung muss dies bremsen und Realität und Struktur vermitteln. So werden bspw. Kurse oft als unnötig emp-funden, i.d.R. kann die Beraterin die Leute überzeugen und Realitätssinn erzeugen. Außerdem sind die Migranten

viel risikohafter als Deutsche. Die PR läuft im Wesentlichen über die öffentlichen Stellen in der Region, außerdem Engagement im Verein, Bro-schüren und Flyer, sowie Mund-zu-Mund Propaganda.

Infomaterial wird zwar mitgegeben, aber die Kunden können oft damit wegen der Fachbegriffe nichts anfangen.

Besonderheiten der Zielgruppe Migranten

Ein großes Problem ist der Zugang zu Finanzmittel, insbesondere auch Fördermitteln. Hier erfolgt der Zugang über die Hausbank, doch die Hausbanken nehmen die Migranten selten als Kunden wahr und an und somit erfolgt meist kein Zugang zu den Fördermitteln. Dies hat oft auch mit dem Auftreten und sprachlichen Probleme der Mi-

granten zu tun. Gleichzeitig brauchen sie bspw. auch relativ einfache Hilfe beim Schreiben eines Lebenslaufs. Weiterhin muss das Verständnis für mit der Selbstständigkeit verbundene Pflichten und Regeln wie bspw. Behör-den, Bürokratie, Buchhaltung und dem Einhaltung von Vorschriften gewonnen werden.

I.d.R. Gründung um aus der Arbeitslosigkeit herauszukommen, selten aus Beschäftigung heraus. Manche arbei-ten bisher auch schwarz und wollen das dann legalisieren. Schwerpunkt 30 – 40-jährige, kaum jüngere und ältere Gründer, vereinzelt bis 55

Schwerpunkt liegt in der 2. Generation, auch sog. Heiratsmigranten Die meisten haben keine hier anerkannten Schul- bzw. Berufsabschlüsse, falls doch dann ein eher geringes Bil-dungsniveau

Kleinstgründungen und Einzelunternehmen. Branche: Handel, Gastronomie, wenig andere Dienstleistungsbereiche. Geschlechterverhältnis: Männer/Frauen 60:40

Finanzielle Unterstützung der Migranten untereinander, gegenseitiges Verleihen oder Bürgschaften.

Good practice

Die Beratung muss den Leuten richtig zu hören, auch den Träumereien, nicht abblocken sonst verlieren die Leute Vertrauen. Eine Finanzielle Unterstützung der Beratung durch öffentliche Fördermittel ist möglich, teilweise (abhängig vom

Geldgeber) gibt es bei Migranten doppelte Mittel im Vergleich zu deutschen Gründern, da bei Migranten in der Regel mit einem doppelt so hohen Aufwand zu kalkulieren ist. Meist sind es aber nur einheitliche Sätze. Der Wandel aus der Schwarzarbeit in die Legalität sollte gefördert werden.

„Einfache“ Hilfen wie bspw. Ausfüllen von Formularen, Lebensläufe sind notwendig und hilfreich. Insgesamt sollte ein umfangreiches Kümmern angestrebt werden. Leute brauchen sozial-pädagogische Betreuung. Informationmaterialien ähnlich wie Beratung an die Möglichkeiten der Leute anpassen.

Weitere Informationen und Kontakt: Frau Gülsen Akcay, Die Freiheit 14, 34117

Kassel, Telefon: 0561 / 50 958, Telefax: 0561 / 73 98 776, [email protected],

http://www.bengi-ks.de/

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 101

Enterprise Berlin

Zielgruppe Region

Generell für alle Bezieher von Transferleistungen offen; Schwer-punkt bilden Migranten.

Größte Gruppen: Türken und dann Kunden aus der EU und Osteu-ropa (Polen, Russischsprachige), auch Araber und Afrikaner

Beschränkt auf Berlin, lokaler Ansatz, je-weiliges Stadtteilbüro

Kurzbeschreibung des Angebots / Beratungsinhalte

Erstgespräch und Profiling

Im Erstgespräch wird im Rahmen eines Profilings festgestellt, ob die Gründungsidee tragfähig und die Persönlich-

keit für eine Existenzgründung geeignet sein könnten. Der Profiler überzeugt sich, ob alle formalen Voraussetzun-gen erfüllt werden. Eine Empfehlung alternativer beruflicher Wege ist möglich. Der Profiler legt dann mit dem Gründer den weiteren Verlauf der Gründungsbegleitung fest, unter Berücksichti-

gung der individuellen Bedürfnisse und Ausgangslage. Folgende Seminare können sich daher anschließen: „Check in“ (1 Tag) im Gruppenseminar (max. 20) mit einem Überblick über persönliche und kaufmännische Grün-dungsanforderungen und dem Leistungsangebot von Enterprise.

Assessmentcenter unter der Fragestellung: Bin ich ein Gründertyp? (1,5 Tage max. 12 Teilnehmer) Inhalte: Grup-penaufgaben, Selbstvorstellung, Verkaufsgespräch simulieren, Situationen durchspielen, Beurteilung erfolgt durch den Assessor und Profiler (Rückkopplung zu den Beratern findet statt).

Der Profilingprozess sollte nicht länger als 2-4 Wochen dauern. Nach dem Profiling erfolgt eine Zielvereinbarung, welche im Gründerpass dokumentiert wird. Beratungs- und Begleitprozess

Übergang in den Beratungsprozess: Der Profiler stellt die Erkenntnisse aus der ersten Phase (Profilingprozess) zusammen und kommuniziert diese dem Berater, der dann über die Übernahme in den Beratungsprozess ent-scheidet. Die gründungswillige Person ist auch anwesend.

Der Beratungsprozess: Nach der Übergabe durch den Profiler übernimmt der Berater die weiterführende Bera-tung und Begleitung. Das Ziel ist die individuelle Unterstützung bei der Entwicklung notwendiger Gründungskom-petenzen und die Erstellung eines qualifizierten Businessplanes.

Ferner gibt der Berater ergänzende Informationen und seine Erfahrungen weiter. Auf kulturelle Besonderheiten wird eingegangen, wenn es nötig ist. Oft wird festgestellt, dass Migranten häufig wenig Zeit haben und sehr schnell gründen wollen, nach dem Motto „alles auf einmal“. Hier versuchen Berater entgegen zu wirken und die

Gründer an die Spielregeln zu gewöhnen. Jedoch kann auch der Ausschluss erfolgen, wenn Termine nicht ein-gehalten oder Verträge mit Dritten vorschnell abgeschlossen werden. Folgende Neuerung ergänzt den Begleitprozess: Der Lotse; dieser bildet die Schnittstelle zwischen unserer

Dienstleistung und der öffentlichen Verwaltung (Behörden). Der Lotse ist Networker, kennt die relevanten Multipli-katoren und Institutionen, gibt Informationen an Beteiligte weiter. Die Vermittlung der Unterstützungsmöglichkei-ten für den Gründer erfolgt über den Profiler und den Berater.

Der Umfang der Beratung kann dann sehr unterschiedlich sein. Teilweise sind 3 Sitzungen mit Berater, aber auch 10 Sitzungen möglich. Allerdings müssen Beratungsfortschritt und Motivation ersichtlich sein. Gründer sollten nicht länger als 6 Monate beim Berater (im Planungsprozess) sein. Ergänzendes Angebot: Seminare und Mentorenpool

Nach der Feststellung des Beratungsbedarfs werden individuell Seminare (Geschäftsidee und Marktforschung, Marketing, Gesellschafts- und Vertragsrecht, Finanzplanung, Steuern, Arbeitsrecht), tagsüber 9-16 Uhr, eintägig

bis zu einer Woche, ausgewählt. Der Gründer/die Gründerin soll befähigt werden, seine/ihre Geschäftsidee zu einem Geschäftskonzept weiter zu entwickeln. Die Seminare werden von einem externen Partner durchgeführt und mit einem Zertifikat beurkundet. Bei den Beratungsterminen geht es hauptsächlich um den Fortschritt bei der

Entwicklung des Businessplanes. Der Berater steuert den Begleitungsprozess und leitetet vom Businessplan einzelne, zu erledigende Aufgaben ab (to do-Liste). Der Businessplan ist ein Ergebnis des Begleitprozesses. Mentorenpool (Praktiker aus diversen Branchen u.a. Vertriebsprofis, Versicherungsfachleute, Netzwerke).

Die Beratung endet mit der Gründung (Abschluss der Planungsphase). In der Startphase gibt es eine Nachgrün-dungsbetreuung. Diese wird allerdings im Moment durch eine Partnerorganisation gewährleistet.

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 102

Beratungsmethodik und –instrumente mit Fokus auf Migranten

Generell stehen nicht die verschiedenen Nationalitäten, sondern die mit der Existenzgründung zu lösenden Prob-leme im Mittelpunkt. Bisher erfolgt der individuelle Beratungsprozess i.d.R. in deutscher Sprache, vorteilhaft wäre jedoch auch Türkisch

und Englisch, um speziell die grundlegenden Elemente vermitteln zu können (teilweise auch bisher Beratung in türkischer und englischer Sprache). Individuell abgestimmtes Seminarangebot, Teilnahme in Abhängigkeit von der Einschätzung des Profilers und

Beraters und dem Beratungswillen des Gründers. Ein Gründerpass wird vom Profiler angelegt: Entwicklung und Verlauf wird dokumentiert und dann an Berater übergeben. Businessplanvorlagen können vorgegebene Schemata in elektronischer Form sein: Excel und Word,

Branchenbriefe und Lehrbriefe (z.B. zum Thema Buchhaltung etc.), Infomaterialien etc. Natürlich kann der Grün-der auch seine eigenen Wünsche abweichend von der Vorgabe einbringen.

Besonderheiten der Zielgruppe Migranten

Arbeitslose Transferempfänger (ALG I + II) Alter: 18-50 Jahre; Schwerpunkt Mitte 30, eher 3. und 2. Generation.

Ausbildung: Meistens mindestens Realschule. Eine Form von Abschluss ist meistens vorhanden; auch teilweise eher ein Studium als Beruf. Qualifikation ist ein bisschen schlechter im Vergleich zu den deutschen Gründern. Branchenschwerpunkt: Dienstleistung und dann Handel und Gastronomie.

Einzelgründungen und Kleinstgründungen, vereinzelt auch GbR. Finanzierung: Meist über Einstiegsgeld und staatliche Förderungen. 90 % unserer Kunden kommen ohne Bankkredit aus. Die Familie wird als Finanzquelle und Mitarbeiterpool ge-

nutzt (bei den deutschen eher weniger Familieneinbezug). Das größte Problem für viele Migranten ist die Finanzierung. Migranten kommen nicht durch den formalen Pro-zess, weil viele keinen ordentlichen Businessplan entwickeln oder formale Fehler bestehen. Die meisten Banken

nehmen sich nicht die Zeit, um mit dem Gründer nach Lösungen zu suchen. Ein großes Ausschlusskriterium ist auch die Sprache. Aus mangelnden Deutschkenntnissen wird u.a. von den Banken auch die mangelnde Fähigkeit zur erfolgreichen Existenzgründung geschlussfolgert.

Somit erfolgt die Finanzierung meist nur über die Familie. Die Unkenntnis der formalen Strukturen und unterstüt-zender Institutionen sollen im „Check in“-Seminar aufgefangen werden.

Good practice

Förderprogramme offener gestalten, z.B. mit längeren Laufzeiten, Zugang vereinfachen, Hausbankprinzip ist mei-stens ein Hindernis.

Organisationen, die auf dem Gebiet Existenzgründung tätig sind, besser vernetzen und Doppelstrukturen vermei-den. Öffentliche Verwaltung sollte „offener“ sein (von der Qualität der Beherrschung der deutschen Sprache wird auf andere Qualitäten geschlossen). Diversität schafft Vertrauen.

Netzwerke zwischen Gründern installieren; Dialog zwischen bestehenden Unternehmen und Gründern fördern (aus dem Aspekt Kundengewinnung). Einstiegsgeld flexibler gestalten, Darlehen verstärkt gewähren (vom Jobcenter § 16.2 SGB II).

Gemeinschaftsbüros, z. B. Gründergalerien, einrichten, Infrastruktur teilen. Auf einer übergeordneten Ebene ist es für Migranten wichtig, eine hohe Akzeptanz zu schaffen, im Moment findet eher eine öffentliche Ablehnung statt (anders in UK).

Das Potential von Migranten erkennen, versuchen sie zu sensibilisieren (Öffentlichkeitsarbeit: z.B. erfolgreiche Gründungen mit Artikel bedenken), Unterstützung für förderungsbedürftige Menschen (Sprache sollte nicht zum Ausschlusskriterium werden), Kultur des Einbeziehens realisieren.

Weitere Informationen und Kontakt: Enterprise Berlin, Ansprechpartner: Herr Cetin

Sahin, Schlesische Straße 12, 10997 Berlin, Tel: 030 - 69 56 82 00, E-Mail [email protected] , http://www.jugendlok.de

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 103

ProFimannheim – Zentrum für Existenzgründung

Zielgruppe Region

Beratung, Qualifizierung und Begleitung junger Existenzgründer (Deutsche und Migranten) bis

35/40 Jahre, 1/3 davon sind Migranten. Größte Migrantengruppen türkischer/ kurdi-scher Herkunft, aber auch viele Iraner, Ex-Jugoslawien

Rhein-Neckar (Heidelberg, Mannheim sind der Schwer-punkt, aber auch Umkreis)

Kurzbeschreibung des Angebots / Beratungsinhalte

Ziel: Mittler und Ansprechpartner dieser Zielgruppe sein, hierfür niedrigschwelliges Angebot (keine klassische Institution mit starker Mund zu Mund Propaganda und zielgruppenorientiertem Marketing, andere Räumlichkeiten) Umfang der Leistungen: Beratung, Qualifizierung und Begleitung (Planungsrealisierung und Festigungsphase),

sowie Finanzierung Erstgespräch (nach telefonischem Kontakt)

Dient zur Bedarfserfassung und Situationserfassung, wie weit ist der Gründer im Verlauf der Geschäftsgründung,

Stand des Business Plans erfassen; darauf aufbauend werden Bausteine angeboten. Mitarbeiter für das Erstge-spräch werden auch nach Sprache und Branche zugeteilt um eine bessere Abstimmung zu ermöglichen. Es ist ein italienischer, türkischer und serbokroatischer Mitarbeiter verfügbar. Beratungssprache muss also nicht Deutsch

sein. Dauer ca. 0,5 – 1 Stunde. Migranten kommen vielfach mit konkreten Fragen. Häufige Fragen: Finanzierung, Versicherung, Überbrückungsgeld, kann Idee erfolgreich sein. Im Gespräch erfolgt dann jedoch auch spezifische Abfrage durch den Berater zum BP: z.B. welche Zielgruppe soll angesprochen werden. Gemäß des aktuellen

Stands wird dann über Weiterberatung entschieden und ein Existenzgründerplan erstellt. Der klassische BP steht im Mittelpunkt, auch Gründerpersönlichkeit wird beleuchtet. Seminare / Gruppenberatungen

Typische Lücken im BP werden durch eine Seminarreihe in festen Gruppen (12-15 Teilnehmer) über 6-8 Wochen 2x wöchentlich vermittelt. Themen: Marketing, Standort, Umsatzplanung, Liquiditätsplanung, Buchführung, Versi-cherungen, Steuer, öffentliche Fördermittel, rechtliche Fragen, Vorbereitung Bankengespräch. Vertreter der Ban-

ken und IHK nehmen an einzelnen Seminaren teil. Seminare in festen Gruppen haben zahlreiche Vorteile, weil aus der Gruppe positive Effekte entstehen, z.B. Gründungen oder gemeinsame Nutzung von Büroinfrastruktur nach der Gründung, aber auch innerhalb des Beratungsprozesses entsteht eine gute Motivation und Gruppendy-

namik. Individuelle BP-Begleitung

Während in den Seminaren der allgemeine Inhalt besprochen wird, besteht im Einzelgesprächdie Möglichkeit, den

BP konkret zu bearbeiten. Besonders die Finanzplanung, aber auch die beschreibenden Elemente werden be-handelt. Im Schnitt nutzt jeder Teilnehmer dies im gesamten Verlauf für ca. 4 Stunden. Abschlussveranstaltung

Am Ende der 6-8 Wochen haben präsentieren alle ihren Businessplan in der Gruppe, woraufhin dann die endgül-tige Gründungsentscheidung getroffen wird. Festlegung der nächsten Schritte. Klärung konkreter Fragen, zumeist Fragen der Finanzierung und des Standortes. Im Schnitt gründet 1/3 jeder Seminarreihe letztlich tatsächlich. Zur

Filterung kann abschließend auch noch ein Einzelgespräch erfolgen. Ergänzende Angebote

(entgeltlich, jedoch eher in Beitragshöhe und nicht Unternehmensberatungsausmaß)

• Coaching: individuelle Beratung (typisch: Organisation, Akquise, Persönlichkeit, Marketing, Soll/Ist Ab-gleich der Geschäftstätigkeit zu BP)

• Unterstützung von Tätigkeiten nach der Gründung: z.B. bei der Buchhaltung, erster Kundenkontakt, Ak-

quise • Gründerplattform: ehemalige ProfiGründer mit monatlichen Treffen, zu denen Referenten für bestimmte

Themen eingeladen werden.

• Unterstützung bei der Finanzierung (Zusammenarbeit mit DMI, GLS Bank), auch bei MONEX zur Verga-be von Kleinstkrediten involviert.

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 104

Beratungsmethodik und –instrumente mit Fokus für Migranten

Intensive Gründungsberatung, ganzheitlicher Ansatz, auch Einbindung des familiären Umfelds, Abklärung, ob die private Situation für eine Existenzgründung geeignet ist. Die Ressourcen der Gründer werden beleuchtet. Ethni-sche Ökonomie dient als Nische für Gründer.

Interkulturelle Kompetenz wird durch interkulturelles Team bewerkstelligt. Es ist wichtig in der Beratertätigkeit als Vorbild zu dienen, daher ist italienische, türkische und serbokroatische Sprache möglich. Kompetenz der Beratung insgesamt entsteht auch durch unterschiedliche Berufshintergründe der Berater (BWL,

Jura, Soziologie, Sozialarbeiter, Steuerfachangestellte). Migranten brauchen speziell bei den Zahlen Unterstützung (auch Übertragung in Excel), hierzu dient die Einzel-betreuung neben den Seminaren.

Zu jedem Baustein erfolgt Materialausgabe (auch zumindest in türkisch). BP liegt auch schon als Schema vor. Veranstaltungen und Gesprächskreise zum Thema ethnische Ökonomie werden durchgeführt, einerseits unter dem Gedanken der weiteren Förderung, andererseits aber auch der Frage, wie diese auch für andere offengehal-

ten werden kann.

Besonderheiten der Zielgruppe Migranten

Deutsche sind eher zögerlich und wollen möglichst umfassend Informationen sammeln, Migranten hingegen stre-ben eine Gründung in jedem Fall an (Risikobereitschaft) auch bei weniger Informationen. Nachteile von Migranten gegenüber Deutschen: Migranten haben neben sprachlichen auch eher fachspezifische

Probleme und trauen sich häufig nicht nachzufragen. Alter: 18-35/40 (Migranten meist jünger als Deutsche bei der Gründung) Bildungsniveau unterschiedlich: bei Migranten, die in den Bereichen Gastronomie und Einzelhandel gründen meist

niedrigeres Niveau, in den anderen Bereichen tendenziell auch mit gleichem Bildungsniveau 3. Generation überwiegt, viele Frauen Branchen: Gastronomie und Einzelhandel; aber auch Designer, Musiker (freie Berufe). Migranten gründen im

Unterschied zu Deutschen stärker in Risikobranchen (Gastronomie, Einzelhandel) Gründung von Kleinstunternehmen Familienunterstützung: Rei den Türken (Finanzierung und Mitarbeit) sehr stark, bei anderen Migrantengruppen

eher wenig, weil auch oftmals alleine in Deutschland. Unterstützung durch die Familie sollte jedoch auch kritisch gesehen werden, hohes Risiko für Familienkapital, diese Kapitalquelle eher für Krise aufheben.

Good practice

Eigener Beratungsansatz wird positiv gesehen und ist zu empfehlen. Koppelung mit Finanzierung ist sehr wichtig und sollte ausgebaut werden.

Bei der Gruppendynamik ergibt sich ein spezieller und positiver Effekt durch den Ausgleich der Mentalitäten der Deutschen und Migranten. Während man die eine Gruppe eher „schubsen“ muss (Deutsche), brauchen Migranten eher eine bremsende Hand. Hierbei entsteht in der Gruppe automatisch ein Ausgleich. Gemischte Gruppen sollen

beibehalten werden, doch gilt es Verfahren zu erarbeiten, Migranten in der Gruppe besonders zu fördern bzw. stärker einzubinden.

Weitere Informationen und Kontakt: Frau Margot Römmich, D 4, 6, 68159 Mann-

heim, Telefon: 0621/156-2703, [email protected], www.profimannheim.de

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 105

ReTra – Regionale Transferstellen zur Förderung selbstständiger Migranten

Zielgruppe Region

Existenzgründer und Existenzgründerinnen mit Migrationshintergrund Schwerpunkt türkische Migranten, auch Osteuropäer, Balkan, Afrikaner

Bundesland Nordrhein-Westfalen, Schwerpunkttätigkeit im Ruhrgebiet

Ziele und Leistungen

ReTra versteht sich als Anlauf- und Vermittlungsstelle. Für eine Integration der selbstständigen Migranten in die

regionalen Wirtschaftsstrukturen gewährleistet ReTra die gezielte Weitervermittlung an die zuständigen und kom-petenten Ansprechpartner und Fachberater. Ein weiteres Ziel von ReTra ist die Sensibilisierung der Ansprechpartner in den deutschen Institutionen für die

Hintergründe, Belange und Herangehensweisen der selbstständigen Migranten. ReTra selbst führt eine Erstberatung (typischerweise 1-3 Beratungen à 1,5 Stunden) durch:

Geprägt durch geisteswissenschaftliche Herangehensweise und interkulturellen Ansatz, weniger durch betriebs-

wirtschaftlichen Ansatz Migranten mit Gründungsideen wird ein erster Überblick über Gründungsprozess vermittelt, ihr Vorhaben und das weitere Vorgehen wird gemeinsam strukturiert.

Vorstellung des Instruments Businessplan Migranten werden z.T. konkret an die Hand genommen, gemeinsam werden Aufgaben festgelegt, die die Migran-ten bis zum nächsten Termin abarbeiten.

Berater übernehmen Vermittlerrolle, helfen bei Ausfüllen von Formularen wenn nötig, lesen BP gegen und prüfen Finanzplanung. Allerdings keine Erstellung von BP und Finanzplanung Ablauf des Beratungsprozesses

• Abbau von Hemmnissen und Ängsten gegenüber deutschen Institutionen • Vermittlung von Grundprozesswissen und Strukturierung des Vorhabens • Gezielte Vermittlung an weiterführende Angebote

Beratungsinhalte

• wenig Spezifizierung, allgemeiner Gründungsfahrplan • Seminare und Gründungsworkshops, bei denen der Fokus auf spezifischem Know-how für den Grün-

dungsprozess im Gesamten liegt (jedoch meist gehalten von externen Experten) • keine Rechtsberatung aber durchaus Behandlung rechtlicher Fragen • Vorbereitung der Gründer auf Bürokratie in Deutschland, ggf. Hilfe beim Ausfüllen von Formularen

• Finanzierungsberatung, KfW-Produkte • Aufzeigen, an welchen Stellen Informationen generiert werden können • Netzwerkansatz: Gezieltes Weitervermitteln an Unternehmens- und Steuerberater (wenn möglich und

gewünscht auch mit Migratiionshintergrund), Einrichtungen der Wirtschaftsförderung.

Besonderheiten der Zielgruppe Migranten

Ein großes Problem stellt die Verschriftlichung von Planungsunterlagen – vor allem BP – dar. Gründe sind hier Sprachprobleme, Unsicherheit und mangelndes Selbstbewusstsein, Angst vor Ablehnung. Weiteres großes Problem ist die Finanzierung, auch aufgrund von mangelhaften BP. Insgesamt ist sehr viel Ü-

berzeugungsarbeit nötig die Ablehnung der Migranten zu überwinden. Angst vor Ausländerfeindlichkeit bei Institutionen ist verbreitet. Interpretation der Interviewpartnerin: Leute ma-chen durchaus ablehnende Erfahrungen, aber dies ist nicht institutionell bedingt, sondern durchaus durch Miss-

verständnisse (wenn z.B. Geschäftsideen für ethnische Zielgruppen von deutschen Beratern/Bankangestellten nicht verstanden werden). Leute kommen mit Ideen oder der konkreten Gelegenheit (Unternehmensübernahme) zur Existenzgründung und

stehen unter hohem Zeitdruck (Gründung in 2-3 Wochen) Mangel an notwendigem Wissen, wie Planung angegangen werden soll und was die nächsten Schritte sind. Oftmals Notgründungen aus Arbeitslosigkeit oder wegen drohender Arbeitslosigkeit

Einzelgründung, geringe Personalausstattung Branchen: Lebensmittelgeschäfte, Einzelhandel und Gastronomie aber auch manchmal Baugewerbe (Türken

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 106

sind in über 90 Branchen tätig – bei Türken sind also fast alle Branchen vertreten)

Meist wird zweigleisig gegründet (Angebot für deutsche und ausländische Kunden) Altersstruktur: relativ jung, jünger als Deutsche, ca. um die 30 Großteil zwischen 31 und 40 (Durchschnitt bei 33/34 Jahren) sehr selten älter als 50, nie älter als 60, teilweise auch um die 20. Erste Migrantengeneration ist

stärker gründungsaktiv Niedrige Qualifikation, keine Vorkenntnisse in dem Bereich, in dem sie sich selbstständig machen wollen, sprach-liche Schwierigkeiten

Gründungen mit starker Einbindung der Familie (personelle und finanzielle Unterstützung), bei Afrikanern gibt es meist weniger Netzwerke und Familie, bei Osteuropäern und Türken ist Familienbezug gleich stark ausgebildet Generell sind die größten Probleme bei Afrikanern zu finden

Beratungsmethodik und –instrumente mit Fokus auf Migrant/innen

Erstgespräch richtet sich auf weiche Faktoren (Gefühle der Migranten)

Netzwerkgedanke ist besonders wichtig, so ist Retra in viele Netzwerke integriert � gezielte Vermittlung von Ansprechpartnern (auch in Banken) � nimmt die Angst/Hemmschwelle bei den Migranten Flexible und an die individuellen Bedürfnisse angepasste Beratung mit Schwerpunkt auf Strukturierung der Mi-

granten Kultureller Bezug der Berater/innen ist gegeben, da 5 der 6 Mitarbeiter einen ausländischen Hintergrund haben (auch den Zielgruppen entsprechend z.B. Bulgarin, die viele osteuropäische Sprachen spricht)

Aufbau von Netzwerken: Petek (bundesweit erstes Netzwerk von Migrantinnen, die gegründet haben, da sich diese nirgends repräsentiert fühlten) interaktives Element soll konstruiert werden – Gründer stellen den erfolgrei-chen Gründerinnen Fragen

Fachtagungen; Veranstaltungen z.B. deutsch-türkische Wirtschaftsförderung Vorbereitung der Gründer auf Bürokratie in Deutschland („BürokratieCoach“ (Anmerk. von Jan)) Behördenführer erstellt in Zusammenarbeit mit der Stadt Herne

Broschüren in deutscher und türkischer Sprache Es wird gezielt von Gründungen abgeraten, wenn kein Potential erkennbar ist (für Selbstschutz der Migranten, bes. Afrikaner sind hier betroffen, geben auch schnell auf)

Good Practice

Sensibilisierung der Ansprechpartner in den deutschen Institutionen und der Multiplikatoren für die Hintergründe,

Belange und Herangehensweisen der selbständigen Migranten (Hindernisse und Potenziale). Aktives Zugehen auf die Zielgruppe: Ansprache der IHK, Arbeitsämter, Politiker und die gezielte Ansprache der Migranten. Es bedarf einer aktiven Vorstellung der Organisation und es muss der Bedarf für eine Beratung vermit-

telt werden. Bei der Beratung ist es zentral zu vermitteln, dass die Planung im Mittelpunkt steht muss. Planung ist nicht Hemmnis, sondern Grundstein für realistische Gründung (Planung schafft Selbstvertrauen).

Der eigene ethnische Zugang und Bezug durch den Gründungsberater ist wichtig. Der Netzwerkgedanke ist fundamental. Dies ermöglichte eine gezielte Vermittlung, schafft ebenso Vertrauen und baut Hemmnisse auf Seiten der Migranten ab.

Sensibilisierung der Multiplikatoren für die Hindernisse aber auch Potentiale der Migranten Als dies läuft darauf hinaus eine möglichst hohe Akzeptanz der Beratung auf allen Seiten zu schaffen.

Weitere Informationen und Kontakt : www.retra.de, Telefon : 0800-7387246, Fax :

0203-29854-29, E-Mail : [email protected]

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 107

Startbahn Brandenburg - Lotsendienst zur Beratung und Beglei-tung von Existenzgründungen von Migrantinnen

Zielgruppe Region

Gründungswillige Migranten mit ständigem Wohnsitz in Brandenburg. Staatsbürgerschaft kann auch deutsch sein, es gilt der Migrantenstatus der Den

Haager Konvention. Dies bedeutet, dass es ausreichend ist, wenn z.B. ein El-ternteil eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt. Größte Gruppe sind Migranten aus der ehemaligen Sowjetunion, weiterhin viele

Polen und Vietnamesen. Weiterhin gibt es auch eine Mischung von Migranten aus Lateinamerika, China, Afrika, Türkei und Afghanistan. Insgesamt wird ein weites Spektrum betreut.

Bundesland Brandenburg

Ziele und Leistungen

Die Startbahn wird aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds finanziert und hat eine 2-jährige Projektlaufzeit (bis

Febr. 2006). Ihr Angebot besteht aus drei Stufen in Form von Erstberatung, Assessmentcenter und Weitervermitt-lung in qualifizierende Beratung. Die Kapazitäten erlauben 90 Gründer in der letzte Stufe von denen eine Grün-dungsquote von 60 % angestrebt ist. Aktuell sind 72 Leute in der Weitervermittlung. Das gesamte Angebot ist für

die Gründer kostenfrei. Erstberatung

• Dauer ca. eine Stunde, es können insgesamt 3-4 Beratungsgespräche geführt werden, bevor Entschei-

dung über Eintritt in die nächste Phase erfolgt • Erstberatungen werden auf Deutsch oder Russisch durchgeführt • Keine streng formalisierter Gesprächsablauf. Im Fordergrund steht das Aufbauen von Vertrauen und das

Herstellen von Kommunikation. • Darstellung der Geschäftsidee, Finanzierungsvorstellung, Rahmenbedingungen, Qualifizierung der

Gründerperson, Wünsche der Gründer/innen

• Einschätzung, ob Selbstständigkeit für Gründungswillige überhaupt passend, erstes kurzes Profiling. Ggf. auch Überschlagskalkulation und Plausibilitätsprüfung. Keine Besprechung von Details oder Erar-beitung Businessplan

• Verteilen von Informationsmaterial, Broschüren, Kalkulationshilfen (BMWA, BP-Checklisten) zur eigen-ständigen weiteren Vorbereitung der Gründungsidee

Ausführliche Vorstellung des weiteren Angebots der Startbahn.

Assessmentcenter

• Nicht obligatorisch, wird aber in den meisten Fällen in Anspruch genommen, da Qualität sich herumge-sprochen hat.

• Deutsche Sprache ist Pflicht • Grundlagen der BWL: Buchhaltung, Steuern, Recht • Vertieftes Profiling durch Psychologen: Übung „Eignung zum Unternehmer“

• Durcharbeiten und Diskutieren von Materialien • Ziel: Überprüfung der individuellen Eignung zur Selbstständigkeit. 1/3 bleiben, 2/3 verabschieden sich

zunächst von der Idee

• Ermittlung des individuellen und vertieften Beratungsbedarfs bei denjenigen, die weiterhin gründen wol-len

• Herstellung eines Erstkontakts mit einem geeigneten Gründungsberater Weitervermittlung

• Betreuung durch einen den individuellen Bedürfnissen der Gründer entsprechenden Berater, ggf. auch durch mehrere Berater

• Datenbank mit Beratern, die mehrsprachig sind • Intensive Beratung hinsichtlich bestimmter Kernfelder je nach individuellem Bedarf • Analyse und Überarbeitung des Businessplans, Finanz- und Finanzierungsplanung, ggf. Vorbereitung

Bankgespräche und Begleitung durch den Berater • Durchschnittlich 26 Stunden Beratung

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 108

Besonderheiten der Zielgruppe Migranten

Da die meisten Migranten aus der ehemaligen Sowjetunion kommen ist das Bildungsniveau relativ hoch, da ca. 35 % einen Hochschulabschluss besitzen. Weiterhin weisen fast alle Migranten irgendeine Berufsausbildung auf. Der Altersschwerpunkt liegt über 30, übersteigt auch 45 und 50. Es sind weniger junge Gründungswillige dabei,

die überdies auch schnell abspringen. Viele Notgründer kommen zu Gesprächen, springen aber ab. Die Gründungswilligen sind meistens arbeitslos, aber auch einige Berufstätige im Nebenerwerb oder mit befriste-

ten Verträgen kommen zur Beratung. Die 1. Generation der Migranten bildet den Fokus der Gründungswilligen, dabei sind Männer und Frauen gleich verteilt (obwohl verwunderlich).

Angestrebte Existenzen sind vor allem auf Dienstleistungen (z.B. Hausmeister) und Gastronomie fokussiert. Aber auch Freiberufler, Ingeneure, Handwerker und Musiker sind vertreten. Generell handelt es sich um Kleinstgründungen mit geringem Kapitalbedarf. (Einpersonengesellschaften)

Bei den Vietnamesen ist der Familienbezug (sowohl finanziell als auch personell) stark ausgeprägt. Dies weisen die anderen Gruppen ( auch die Osteuropäer) nicht auf.

Beratungsmethodik und –instrumente mit Fokus auf Migrant/innen

Interkulturelle Kompetenz spielt keine explizite Rolle bei dem Beratungsansatz Deutschkenntnisse sind Voraussetzung für die Teilnahme an der Beratung

Das Assessmentcenter wird in der Gruppe (max. 12) abgehalten. Erfahrung in der Gruppe sind dabei, dass sich ein persönlicher Kontakt zwischen den Gründern etabliert und so Netzwerke aufgebaut werden. Dies geschieht über Nationalitäten und die unterschiedlichen Regionen in Brandenburg hinweg. Es entwickelt sich eine sehr gute

Arbeitsatmosphäre und es gab bis dato noch nie Konflikte und Probleme. Die Frontaldarstellung dominiert nicht das Assessmentcenter, sondern ein Schwerpunkt wird gelegt auf Gruppen-, Paar- und Teamarbeit. So werden Leute aktiviert und es entstehen Kontakte.

Die Berater müssen langsam sprechen, davon ausgehen, dass viele Dinge zum ersten Mal gehört werden, es muss einfach gestrickt sein, Feinfühligkeit muss gegeben sein (bspw. bei der Teilnahme an Übungen muslimi-scher Männer), Referenten sollten nicht belehrend wirken, man sollte nicht besserwisserisch handeln, da die

Teilnehmer abschreckt. Berater mit Migrationshintergrund wären ideal.

Good Practice

Berater sollten Erfahrung in der Wirtschaft haben (die Beraterin selbst hat Erfahrung in der Wirtschaftsförderung und einem kleinen Unternehmen gesammelt) Berater sollten über interkulturelle Kompetenzen verfügen. Wichtige Referenzen auf Seiten der Berater sind:

Arbeit im Ausland, Mitarbeit in Projekt, Zusammenarbeit mit Migranten. Dies bringt große Vorteile, da sonst die Beratung ein ganz neue Welt ist. Zugang zur Zielgruppe: Informationen an Arbeitsämter und Arges. Diese vermitteln nun automatisch gründungs-

willige Migranten an die Startbahn. Die Beraterin sucht den Zugang zur russischsprachigen Medien und den Communities der Migranten. Dort kennt man sie und so stellt dies bei den türkischen Migranten den fast einzig erfolgsversprechenden Zugang dar. Außerdem ist sie auf vielen Beratungen präsent. Dies gewährleistet ein posi-

tives Echo und einen Vertrauensaufbau bei den Migranten. Netzwerkpflege, Leute müssen aus den Communities raus, da sie die Tendenz zeigen in ihrer Community zu verharren. Daher werden Stammtische auch Stammtische durch die Startbahn organisiert. Auch die Mischung im

Assessmentcenter trägt zur Netzwerkbildung bei.

Weitere Informationen und Kontakt: Frau Julia Lexow, www.bbag-ev.de Telefon:

0331/ 74 000 975, E-Mail: [email protected]

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 109

Gründungsberatung für Migranten TCH GmbH Technologie-Centrum Hannover - Gründerservice Re-

gion

Zielgruppe Region

Migranten und Personen mit Migrationshintergrund

Schwerpunktmäßig werden Aussiedler mit russischen Hintergrund und Türken beraten, mit Abstand gefolgt von Polen, Iranern und Menschen aus dem arabi-schen Raum.

Region Hannover

Ziele und Leistungen

Die Gründungsberatung für Migranten ist in den Gründerservice Region der TCH GmbH integriert, zwei Mitarbei-

ter/innen bieten hier zielgruppenspezifische Beratung an. Hauptziel der Beratung ist die Erstellung eines bankrei-fen Business Plans. Das TCH legtWert darauf, dass der Gründer am Ende des Beratungsprozesses in der Lage ist, den Businessplan inhaltlich selbst zu vertreten und zu vermarkten. Gruppenberatung

Zunächst erfolgt eine regelmäßig stattfindende Gruppenberatung zu den allgemeinen Grundlagen der Existenz-gründung. Die maximale Gruppengröße umfasst 12 Teilnehmer, die Dauer variiert zwischen zwei und vier Stun-

den. Profiling

Um Gründungsvorhaben realistisch beurteilen zu können, erfolgt ein Profiling, bei dem sieben unternehmerische

Eigenschaften getestet werden. Nach dem Ergebnis zeigen ca. 60 % gute Voraussetzungen. GGf. wird den Migranten auch von der Gründung abgeraten und dies begründet. Das Profiling ist für Gründer aus der Arbeitslo-sigkeit obligatorisch, allen anderen wird es auf freiwilliger Basis angeboten. Einzelgespräche

Im Einzelgespräch wird zunächst ermittelt, wo die Gründer im Gründungsprozess stehen, und welche individuelle Beratung sie benötigen.

• Auseinandersetzung mit der Geschäftsidee und ggf. bisher verfassten schriftlichen Unterlagen • Besprechung des Konzeptes und Erstellung eines Gründungsfahrplans durch den komplexen Prozess. • Begleitende und fortlaufende Einzelberatungen neben den Fachberatungen

• Abschließende Konzeptbesprechung z.B. zur Vorbereitung eines Finanzierungsgesprächs • Besondere und vertiefte Thematiken: Anerkennung von Qualifikationen, „Wegbeschreibung“ an die

Gründer für den Behördenkontakt, Finanzen und Steuern, da die Kenntnisse unzureichend sind und sie

aus dem Heimatland andere Regelungen gewohnt sind Fachberatungen und Beratungsinhalte

Für die Durchführung der Fachberatungen wird auf einen Beraterpool und Netzwerkpartner (VGH, Sparkassen)

zurückgegriffen. Die Beratungen sind für die Gründer kostenlos, sie müssen jedoch eigenständig Fragen für die entsprechende Fachberatung formulieren. Inhalte der Fachberatungen sind bspw. Steuer, Recht, Versicherungs-beratung, Kommunikation, Zieldefinition, Zeitmanagement.

Besonderheiten der Zielgruppe Migranten

Risiken werden übersehen, teilweise massive Selbstüberschätzung.

Migranten haben einen anderen Zeitbegriff, davon wird die Art und Weise der Planung und Entscheidungsfindung abgeleitet. Dies führt generell dazu, dass man einfach gründen will und dafür Zeitpunkte ansetzt (mal eine Wo-che, mal 6 Monate).

Das Verhältnis der Migranten zur Behörde ist problematisch. Aus ihren Herkunftsländern tragen sie subjektive Bilder in sich und sehen in Behörden keine helfende Hand. Dies ist auch ein Grund dafür warum Hilfe (auch bei Beratungsinstituten) zögerlich angenommen wird.

Migranten sind angebotsorientiert und denken nicht von der Nachfrageseite her (z.B. ist in Türkei der Markt noch ein Verkäufermarkt und das Motto der Kunde ist König wenig verbreitet). Eng verbunden damit ist auch, dass die Standortfrage nicht ernsthaft durchdacht wird.

Gründung aus Arbeitslosigkeit (ca. 65 %), ansonsten Studenten nach dem Studium, Auszubildende aus der Lehre und Gründungen aus einer Beschäftigung heraus.

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 110

35-40 % akademischer Abschluss, wobei dies nach den unterschiedlichen Gruppen schwankt. Weiterhin ist auch

die Qualifikation der weiteren Gründer recht gut und meist ist eine Ausbildung vorhanden. Alter: 18 bis Mitte 40/50, auch hier wieder unterschiedlich bei den Migrantengruppen (Polen, Araber jünger, Afri-kaner älter)

Branchen: überwiegend Dienstleistung (Coaching, Unternehmensberatung, Internet, PC, freie Berufe (RA, Steu-erberater)), stark auch Gastronomie, Gesundheitsbereich, Handwerk, Baubranche, Handel 1. Generation als Gründer trifft man speziell bei Aussiedlern an. Die 2 und 3. Generation sind bei Türken stärker

vertreten.) Meist Einzelunternehmen (Personengesellschaften, GbR, seltener GmbH) Familienmitarbeit ist soziales Kapital der Migranten, wobei jedoch oft Risiken nicht durchdacht werden (z.B. Ver-

sicherungen). Thema ist, wie Leistungen unter den Familienmitgliedern verrechnet werden (bzw. feste Einstellun-gen). Personalpolitik gehört somit auch in die Beratung.

Beratungsmethodik und –instrumente mit Fokus auf Migrant/innen

Die Beratung findet grundsätzlich in deutscher Sprache statt. Die Sprachebene wird jedoch einfach und unterhalt-sam gehalten (durch viele Beispiele und Anekdoten).

Die Beratung ist ethnienübergreifend, da die Migranten Anschluss an die deutsche Denk- und Wirtschaftslogik finden sollen. Daher ist in den Fachberatungen das interkulturelle Know-how auch nicht unbedingt vorhanden, da ja vermittelt werden soll wie in Deutschland bspw. ein Gespräch zu organisieren ist, Erfolg definiert wird, Behör-

den funktionieren, Deutsche mit Geld umgehen und Unsicherheiten gehandhabt werden. Zugang zur Zielgruppe: Berater werden auf externe Veranstaltungen eingeladen (Synagogen, Moscheen, Berufs-schulen) und informieren dort über die Möglichkeiten der Gründungsberatung für Migranten

Die Methode der Beratung bezieht sich neben den fachlichen Elementen speziell auf die mitgebrachten Erfahrun-gen und Qualifikationen, ressourcenorientierter Ansatz. Es wird viel Wert auf eine Vernetzung der Unternehmer nach Gründung und auch auf eine Teilnahme an deut-

schen Netzwerken gelegt (TCH-Netzwerk, Stammtisch, Fachveranstaltungen). Z.B. besteht eine Kooperation mit dem Verein IntEX e.V. Hier gibt es auch Länderarbeitsgruppen (z.B. Polen, Türkei, China, Russland), die länder-spezifische Fragen aus der Sicht der regionalen Unternehmen diskutieren.

Um den Konflikt mit Ämtern, aber auch Banken und Versicherungen zu reduzieren, wird versucht ein gemeinsa-mes Annähern zu erreichen. Den Migranten wird erklärt, dass Ämter der Reduzierung von Risiken dienen, da fehlende Genehmigungen später für Probleme sorgen können. Auf der Gegenseite versucht man das Verständnis

für die Migranten zu erzeugen und auf deren Probleme hinzuweisen.

Good Practice

Beratung zeichnet sich aus durch interkulturelle Kompetenz, den kritischen Blick, der Migranten von Innen be-trachtet (Idee, Qualifikation) und die Vermittlung von Elementen der deutschen Gesellschaft. Der Berater muss Vielfalt akzeptieren (viele Perspektiven), Verhaltensflexibilität besitzen (Prozess muss beider-

seitig sein, einstellen auf Teilnehmer der Beratung). Der Berater muss ein gewisses Maß an Empathie aufweisen. So sind Migranten stärker personenorientiert wäh-rend Deutschen ergebnisorientiert sind. Aufgabe des Beraters ist es die starke Verknüpfung von Sachebene und

emotionale Ebene bei Migranten mit Rücksicht und Feingefühl zu lösen. In der Beratung sollte man hohe Frustrationstoleranz mitbringen, da die Werthaltungen der Migranten oftmals zu frustrierenden Ereignissen führen.

Eigene Verbesserungsvorschläge: Beratungszeit erhöhen, mehr Interesse von der öffentlichen Seite (findet in Ansätzen statt), Transparenz auf Bundesebene und stärkeren Austausch von Erfahrungen ermöglichen, gemein-sam Maßnahmen entwickeln.

Weitere Informationen und Kontakt: Herr Mokhtar Sotoudi, Vahrenwalder Straße 7,

30165 Hannover, Tel.: 0511 9357700, Fax: 0511 9357709, E-Mail: [email protected], Internet: www.tch.de

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 111

Unternehmer ohne Grenzen e.V.

Zielgruppe Region

Generelle Zielgruppe sind Migranten. Eine Einordnung nach ursprünglichen Nationalität (Staatsbürgerschaft) wird nicht durchgeführt, stattdessen geben die Teilnehmer an welcher Nationalität sie sich zugehörig fühlen.

2005 Klienten aus über 80 Ländern, davon ca. 40% türkischstämmige Migran-ten (Anteil abnehmend), gefolgt von Deutschen und Iranern. Migranten aus Osteuropa machen zusammengenommen einen Anteil von 15% aus.

Hamburg

Kurzbeschreibung des Angebots / Beratungsinhalte

Nach telefonischer oder persönlicher Kontaktaufnahme durch den Gründer erfolgt die Terminierung für ein Orien-

tierungsgespräch bzw. die Orientierungsberatung. Diese wie auch die Folgeberatung sind Einzelgespräche mit dem Gründer. Ziel ist Erstellung des Business Plan. Das Beratungsprogramm soll im Gesamten bei der Umsetzung der BP helfen und als Hilfe zur Selbsthilfe dienen.

Dies ist teilweise schmerzlich für die Gründer, da sie selbst agieren müssen und ihnen die Arbeit nicht abgenom-men wird. Die Mehrheit der Gründer hat aufgrund geringer Schulbildung und schlechter Sprachkenntnisse grund-legende Probleme, die Geschäftsidee schriftlich festzuhalten und darüber hinaus die weitere Elemente des BP zu

erörtern. Somit erfolgt von Beginn an eine Beratung in kleinen Schritten. Orientierungsgespräch

In der Regel ca. 2-stündige Einzelgespräche, die eine individuelle Beratung ermöglichen. Erfassung, in welchem

Status sich der Gründer innerhalb der Gründung befindet, wo steht die Person, wo will sie hin und welche Schritte sind zu unternehmen. Aufbau eines Vertrauensverhältnisses und Schaffung eines Zugangs zu den Leuten. Inhalt-lich bilden Geschäftsidee und die wesentlichen Elemente des BP (Qualifikationen, Marketing, Finanzplanung)

einen Schwerpunkt. Der BP wird als Instrument vorgestellt, welches nicht nur für Banken und Behörden von Belang ist, sondern in erster Linie auch für den Gründer. Daher erhält der Gründer für den weiteren Beratungsprozess speziell die Auf-

gabe, am Business Plan zu arbeiten und diesen zu erstellen. Unterlagen zu BP werden mitgegeben, Grobgliede-rung und inhaltliche Leitlinien, Tabellen für Finanzplan. Materialien sind auch in anderen Sprachen vorhanden. Ein direktes Profiling mit dem Ziel der Selektion wird nicht durchgeführt, vielmehr wird versucht, ggf. Alternativen

zur Existenzgründung aufzuzeigen, bspw. zunächst Weiterbildungsangebote. Folgeberatung

Die Folgeberatung orientiert sich an der BP-Erstellung und dient dazu, dessen Elemente zu diskutieren, Lücken

zu erfassen und bei der Vervollständigung zu helfen. Meist steht die Finanzplanung stark im Fokus. Bis zur Vollendung des BP sind es meist 3-5 weitere Treffen von ca. 1,5-2 h Dauer. Der Gesamtzeitraum ist dabei aber sehr unterschiedlich, insbesondere abhängig von der Motivation und dem Engagement der Gründer. Typisch ist

eine Dauer von 2-3 Monaten. Ergänzungen zum Kernangebot

• Ein Frauenstammtisch, der zur weiteren Begleitung dient und innerhalb dessen es eine starke Gruppen-

dynamik gibt. • Informationsseminare zu verschiedenen Themen, bspw. Finanzierung oder Marketing. • Nachgründungsberatung innerhalb eines eigenständigen Projektes (Dienstleistungsagentur)

• Weiterhin spielt die Einbindung der gesamten Organisation in das regionale Gründungsnetzwerk für die Öffentlichkeitsarbeit eine entscheidende Rolle. Weiterbildungsangebote anderer Anbieter können zu-dem die fachliche Kenntnisse der Gründer erhöhen.

Beratungsmethodik und –instrumente mit Fokus auf Migrant/innen

Der Fokus liegt auf Einzelgesprächen, bedingt durch die sehr unterschiedlichen Ausgangssituationen der Grün-

der. Aus diesem Grund werden Gruppenveranstaltungen auf Informationsseminare beschränkt. Die deutsche Sprache wird grundsätzlich als wichtig für die Gründung angesehen , Beratung erfolgt aber auf Wunsch auch in anderen Sprachen (Türkisch, Englisch, Spanisch, Französisch), u.a. zum Zwecke des Vertrau-

ensaufbaus. De facto ist in 53% der Fälle die Beratungssprache Deutsch, in 42% Türkisch. Deutsch fungiert als Betriebsmittel, es wird auf eine einfache Sprache und Darstellung komplexer Sachverhalte Wert gelegt.

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 112

Bank- und Behördengespräche werden mit den Kunden vorbereitet, um eventuelle Probleme zu überwinden und

häufig vorhandene Ängste zu nehmen. Gleichzeitig wird über Netzwerke und PR-Arbeit versucht, auf Banken und Behörden einzugehen und dort zu sensibilisieren. Interkulturelle Kompetenz in der Beratung mit starker Interaktion um gezielt auf die Bedürfnisse der Gründer ein-

gehen zu können. Bspw. muss oft die Zielgruppendefinition weiter gespannt werden weil Migranten zunächst stark in Nischen denken. Öffentlichkeitsarbeit: Internetauftritt, mehrsprachige Informationsmaterialien, da Migranten auch speziell andere

Informationswege nutzen, gehen die Mitarbeiter aktiv auf die Communities zu und sprechen gezielt Einrichtungen an, Mund zu Mund Propaganda, kulturelle Veranstaltung um die Leute in diesem Zusammenhang auf das Ange-bot aufmerksam zu machen, Multiplikatoren, Netzwerkarbeit

Besonderheiten der Zielgruppe Migranten

Großteil der Gründer (56,5%) kommt aus der Arbeitslosigkeit. Hohe Anzahl sogenannter Notgründungen

Altersstruktur: Schwerpunkt liegt bei 30-40, der Eindruck ist allerdings Zunahme jüngerer Gründer Drei Kundentypen (Evaluation2004): 1. die selbstgewissen Autodidakten (vornehmlich 1. Generation, schwerer Zugang), 2. die reflektierten Quereinsteiger (2. Generation), 3. die beschädigten Migranten, 1. Generation, Not-

gründungen) Bildung/Qualifikation: gemischt, teilweise Leute ohne Ausbildung (nach deutschem System aber auch hoch-qualifizierte Frauen mit Uni-Abschluss

Branchenschwerpunkte: 25% Handel, 24% Dienstleistungen, 16% Gastronomie, 8% Handwerk Kleinstgründungen, Einzelunternehmen, sehr wenige größere Vorhaben Familienbezug ist bei den türkischen Migranten stark ausgeprägt, speziell Gastronomie

Frauenanteil liegt bei ca. 38% Schwierigkeiten beim Zugang zu Fremdkapital bei gleichzeitig geringem Kapitalbedarf. Ursachen sind u.a. Sprachbarrieren und unterschiedliche Sprachmuster. Das Verhalten und Auftreten der Gründer wird durch deren

Kultur geprägt und widerspricht damit durchaus den hiesigen Normen. Dies trifft häufig auf mangelnde interkultu-relle Kompetenz auf Seiten der Banken und Behörden. Die Probleme setzen sich in der Beurteilung von Ab-schlüssen und Berufserfahrung, die der Gründer im Heimatland gesammelt hat, fort.

Für die Beratung ist es entscheidend, dass die Gründer in Unternehmer ohne Grenzen keine Behörde sondern ein wirkliches Unterstützungsangebot sehen. Dies gelingt nicht immer, Beratung wird von einigen Kunden eher als „Muss“ denn als Unterstützung angesehen, was den Prozess oft erschwert.

Good practice

Fokus auf Einzelberatung und Vertrauensaufbau, gepaart mit interkultureller Kompetenz der Berater und Berate-

rinnen. Qualitätssicherung, Evaluation und Typisierung von Kunden. Langfristig angelegte und nicht nur kurzfristig projektgebundene Beratungskonzepte.

Nachgründungsberatung zur Sicherung der Nachhaltigkeit der Gründung. Wünschenswert wäre eine engere Zusammenarbeit mit den Banken und zum Ausgleich obiger Kritikpunkte. Gleichzeitig sollte Mikrofinanzierung gestärkt werden, damit das Problem des Zugangs zur Fremdkapital über-

wunden werden kann.

Weitere Informationen und Kontakt: Unternehmer ohne Grenzen e.V., Alte Rinder-

schlachthalle, Neuer Kamp 30 (Eingang A), 20357 Hamburg, Telefon: 0049 (0)40 / 43 18 30 63 Fax: 0049 (0)40 / 43 19 00 69, E-Mail: [email protected] , www.unternehmer-ohne-grenzen.de

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STÄRKEN AUSBAUEN - INTI Länderbericht Deutschland Seite 113

EUROPEAN COMMISSION: This event received funding from the

European Commission Directorate-General Justice Freedom and Security INTI "Integration of third country nationals" programme

Impressum

Herausgeber EVERS & JUNG, Deichstr. 29, 20459 Hamburg, www.eversjung.de

Autoren Diese Studie wurde von Dagmar Hayen, Michael Unterberg (Evers&Jung) und Brit Tiedemann erstellt. Layout und Endredaktion: Dr. Jan Evers, Annette Noll

© 2006 Diese Studie ist ausschließlich zur persönlichen Information bestimmt. Unzulässig ist es, ohne Zustimmung von Evers&Jung Inhalte kommerziell zu nutzen, zu verändern oder zu veröffentlichen.

Stand August 2006

ISBN 3-8334-6317-1

978-3-8334-6317-4