Staatliche Umverteilung Deutschland in der Spitzengruppe€¦ · Aus iwd Nr. 11 vom 14. März 2013;...

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Institut der deutschen Wirtschaft Köln Nr. 14/13. März 2013 Herausgeber: Institut der deutschen Wirtschaft Köln · Verantwortlich für den Inhalt: Karl Schawinsky · Telefon 0221 4981-531 · [email protected] www.iwkoeln.de · Grafik: Michael Kaspers, Ralf Sassen · Verlag und Druck: Institut der deutschen Wirtschaft Köln Medien GmbH, Postfach 1018 63, 50458 Köln, Konrad-Adenauer-Ufer 21, 50668 Köln Deutschland in der Spitzengruppe Staatliche Umverteilung In Deutschland wird im Vergleich der EU-Staaten überdurchschnittlich stark umverteilt. Davon profitiert in erster Linie der untere Einkommensbereich. Das geht aus der jetzt veröffentlichten IW-Studie „Staatliche Umverteilung in der Europäischen Union“ hervor. Danach erhalten die einkommens- schwächsten 20 Prozent der Bevölkerung fast die Hälfte, nämlich 46 Prozent, ihres Einkommens aus Nettotransfers. Das untere Einkommensfünftel empfängt somit deutlich mehr Transferleistungen, als es an Steuern und Sozialbeiträgen zahlt. Deutschland belegt damit Platz fünf im EU-Ranking hinter Irland, Finnland, Dänemark und Schweden. Die Bundesrepublik habe nicht nur vergleichsweise hohe Abgaben und Transfers, sondern diese werden auch zielgerichtet von oben nach unten umverteilt, heißt es in der Untersuchung. Die Hauptfinanziers der Transferzahlungen, das obere Einkommensfünftel, werden in den EU-Staaten unterschiedlich stark zur Kasse gebeten. Ge- messen an seinem Nettoeinkommen führt das obere Einkommensfünftel in Deutschland mehr als 36 Prozent an Steuern und Sozialbeiträgen ab. Es erhält im Gegenzug einen Renten- und Transferanteil in Höhe von gut 19 Prozent. Im Saldo zahlt das obere Einkommensfünftel in Deutschland mehr als 17 Prozent seines Nettoeinkommens. Im EU-Vergleich belegt die Bundesrepublik damit einen Platz im oberen Drittel. „Deutschland erreicht eine deutlich überdurchschnittliche Belastung bei den oberen Einkom- men“, resümiert die Studie. Die größten Nettozahler im höheren Einkom- mensbereich seien die Niederländer mit 38 Prozent, gefolgt von den Dänen mit 36 Prozent und den Briten mit 24 Prozent. Judith Niehues: Staatliche Umverteilung in der Europäischen Union, in: IW-Trends 1/2013 Ansprechpartnerin im IW: Dr. Judith Niehues, Telefon: 0221 4981-768

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Institut der deutschen Wirtschaft Köln Nr. 14/13. März 2013

Herausgeber: Institut der deutschen Wirtschaft Köln · Verantwortlich für den Inhalt: Karl Schawinsky · Telefon 0221 4981-531 · [email protected] www.iwkoeln.de · Grafik: Michael Kaspers, Ralf Sassen · Verlag und Druck: Institut der deutschen Wirtschaft Köln Medien GmbH,Postfach 101863, 50458 Köln, Konrad-Adenauer-Ufer 21, 50668 Köln

Deutschland in der SpitzengruppeStaatliche Umverteilung

In Deutschland wird im Vergleich der EU-Staaten überdurchschnittlich stark umverteilt. Davon profitiert in erster Linie der untere Einkommensbereich. Das geht aus der jetzt veröffentlichten IW-Studie „Staatliche Umverteilung in der Europäischen Union“ hervor. Danach erhalten die einkommens-schwächsten 20 Prozent der Bevölkerung fast die Hälfte, nämlich 46 Prozent, ihres Einkommens aus Nettotransfers. Das untere Einkommensfünftel empfängt somit deutlich mehr Transferleistungen, als es an Steuern und Sozialbeiträgen zahlt. Deutschland belegt damit Platz fünf im EU-Ranking hinter Irland, Finnland, Dänemark und Schweden. Die Bundesrepublik habe nicht nur vergleichsweise hohe Abgaben und Transfers, sondern diese werden auch zielgerichtet von oben nach unten umverteilt, heißt es in der Untersuchung.

Die Hauptfinanziers der Transferzahlungen, das obere Einkommensfünftel, werden in den EU-Staaten unterschiedlich stark zur Kasse gebeten. Ge-messen an seinem Nettoeinkommen führt das obere Einkommensfünftel in Deutschland mehr als 36 Prozent an Steuern und Sozialbeiträgen ab. Es erhält im Gegenzug einen Renten- und Transferanteil in Höhe von gut 19 Prozent. Im Saldo zahlt das obere Einkommensfünftel in Deutschland mehr als 17 Prozent seines Nettoeinkommens. Im EU-Vergleich belegt die Bundesrepublik damit einen Platz im oberen Drittel. „Deutschland erreicht eine deutlich überdurchschnittliche Belastung bei den oberen Einkom-men“, resümiert die Studie. Die größten Nettozahler im höheren Einkom-mensbereich seien die Niederländer mit 38 Prozent, gefolgt von den Dänen mit 36 Prozent und den Briten mit 24 Prozent.

Judith Niehues: Staatliche Umverteilung in der Europäischen Union, in: IW-Trends 1/2013

Ansprechpartnerin im IW: Dr. Judith Niehues, Telefon: 0221 4981-768

Anlage zu Pressemitteilung Nr. 14/2013 des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln

Aus iwd Nr. 11 vom 14. März 2013; die abgebildeten Grafiken können zur Verfügung gestellt werden, Anfragen bitte per E-Mail: [email protected]

Umverteilung. In der Öffentlichkeit wird der Ruf nach mehr Umverteilung immer lauter. Ein Vergleich mit den anderen EU-Staaten zeigt allerdings, dass der niedrige Einkommensbereich in Deutschland bereits heute einen vergleichs-weise hohen Teil der staatlichen Transferzahlungen bekommt – finanziert durch eine überdurchschnittliche Abgabenbelastung der oberen Einkommen.

ab. Des Rätsels Lösung: Inzwischen hat es neue Zahlen gegeben – doch solche Fakten dringen selten in die Öffentlichkeit durch. Stattdessen hält sich das Gerücht, dass die Rei-chen seit Jahren immer reicher und die Armen immer ärmer werden.

Wie es um den sozialen Ausgleich in Deutschland tatsächlich bestellt

ist, zeigt ein Vergleich mit den ande-ren EU-Staaten, den das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) auf Basis von Eurostat-Daten angestellt hat (Grafik):

Für den Durchschnittsbürger in Deutschland ist die Rechnung ausge-glichen – rund 29 Prozent seines Ein-kommens bestehen aus Renten und Transferzahlungen, 30 Prozent führt er an Steuern und Sozialbeiträgen ab.

Ganz anders ist die Situation in Frankreich, wo ein Bürger im Schnitt zwar 30 Prozent seines Einkommens an Transferleistungen erhält,

In der vergangenen Woche hat das Kabinett den neuen Armuts- und Reichtumsbericht verabschiedet. Strittig war vor allem das Ausmaß der Kluft zwischen Arm und Reich, denn in dem ersten Entwurf stand noch, die Einkommensspreizung habe zugenommen. Jetzt heißt es, die Ungleichheit der Einkommen nehme

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CY: Zypern; Länderauswahl: EU-Länder mit den höchsten durchschnittlichen Nettoeinkommen; Kaufkraftstandards: künstliche Währung, um die Preisniveauunterschiede zwischen den EU-Staaten berücksichtigen zu können; Transferzahlungen: Arbeitslosengeld, krankheits- und familienbezogene Sozialleistungen, sonstige Sozialleistungen; Steuern und Sozialbeiträge: Einkommenssteuern und Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung; Quelle: Eurostat

Umverteilung in Europaim Jahr 2009

Durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen in KaufkraftstandardsRenten und Transferzahlungen in Prozent des NettoeinkommensSteuern und Sozialbeiträge in Prozent des Nettoeinkommens

L

2.780

CY

2.162

IRL

1.881

F

1.881

A

1.863

UK

1.838

D

1.822

FIN

1.799

NL

1.769

I

1.714

29,5

24,2

17,9

9,6

31,8

16,4

30,3

19,1

33,7

33,4

24,3

25,6

29,2

30,0

29,4

27,4

31,0

48,5

29,9

27,4

Von Reich zu Arm

Anlage zu Pressemitteilung Nr. 14/2013 des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln

kerung. Gemessen an ihrem Netto-einkommen zahlen diese in Deutsch-land mehr als 36 Prozent an Steuern und Sozialbeiträgen. Demgegenüber steht ein Renten- und Transferanteil von 19 Prozent. Im EU-Vergleich liegt die Bundesrepublik damit im oberen Drittel.

Das obere Einkommensfünftel ist allerdings nicht in allen Ländern Nettozahler: In Zypern, Frankreich und Bulgarien machen diese Grup-pen unter dem Strich sogar noch ein Plus. In Bulgarien geht dieser Effekt vor allem auf die geringe Abgaben-belastung der oberen Einkommen zurück, denn Bulgarien ist der ein-zige EU-Staat mit einer Flat Tax, also einem einheitlichen Steuersatz, ohne Grundfreibetrag.

schwächsten 20 Prozent der Bevölke-rung bei fast 46 Prozent.

Renten und Transfers in Höhe von gut 61 Prozent stehen Abgaben von 15 Prozent gegenüber. Das un-tere Einkommensfünftel empfängt somit mehr Transferleistungen des Staates, als es an Steuern und Sozi-albeiträgen zahlt. Dafür sind nicht etwa die umfangreichen Rentenzah-lungen verantwortlich, denn diese machen nur ein Drittel der Transfer-leistungen aus – sondern vor allem die Arbeitslosen- und Grundsi-cherungsleistungen.

Dass der Nettotransferanteil in Irland am höchsten ist, liegt an der niedrigen Steuer- und Abgabenlast. Anders sieht es in Italien, Griechen-land und Spanien aus: In diesen Ländern treffen geringe Transferan-teile auf verhältnismäßig hohe Ab-gaben.

Relativ große Unterschiede inner-halb der EU gibt es auch bei den Hauptfinanziers der Transferzah-lungen, also den einkommensstärks-ten 20 Prozent der jeweiligen Bevöl-

allerdings nur 19 Prozent an Abgaben zahlt. Die Lücke entsteht dadurch, dass an dieser Stelle kein umfassendes Staatsbudget betrach-tet wird: Die in Frankreich sehr hohen Arbeitgeberbeiträge zur So-zialversicherung bleiben unberück-sichtigt.

Die Durchschnittsbetrachtung sagt außerdem wenig darüber aus, wie sich einzelne Gruppen stellen. Umverteilung von Reich zu Arm bedeutet, dass die Transferzah-lungen des Staates – also Renten, Pensionen, Arbeitslosengelder sowie krankheits- und familienbezogene Sozialleistungen – für einkommens-schwache Haushalte höher sind als für gut situierte Haushalte.

Der europäische Vergleich zeigt, dass die Transferanteile im unteren Einkommensbereich traditionell in den skandinavischen Ländern am höchsten sind. Aber auch die Bun-desrepublik liegt deutlich über dem EU-Durchschnitt (Grafik):

In Deutschland liegt der Netto-transferanteil der einkommens-

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Steuern und Sozialbeiträge: Einkommenssteuern und Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung; Transferzahlungen: Renten, Pensionen, Arbeitslosengeld, krankheits- und familienbezogene Sozialleistungen, sonstige Sozialleistungen; Ursprungsdaten: Eurostat

Sozialer Ausgleich in der EU funktioniertNettotransfers in Prozent des Nettoeinkommens im Jahr 2009

Einkommensschwächste 20 Prozent der Bevölkerung Einkommensstärkste 20 Prozent der Bevölkerung

Lesebeispiel: Die meisten Bürger zahlen Steuern und Sozialbeiträge und erhalten Transferleistungen des Staates. Der Saldo (Abgaben minus Transfers) fällt allerdings unterschiedlich aus. In Deutschland beträgt der Nettotransferanteil der einkommensschwächsten 20 Prozent der Bevölkerung fast 46 Pro-zent ihres Nettoeinkommens. Die einkommensstärksten 20 Prozent zahlen per saldo 17 Prozent ihres Nettoeinkommens.

Irland

Finnland

Dänemark

Schweden

Deutschland

Belgien

Tschechien

Estland

Frankreich

61,7

53,9

50,1

45,8

45,7

45,2

42,3

42,2

39,8

-6,9

-20,6

-36,4

-23,4

-17,3

-19,5

-15,5

-9,2

2,6

39,5

38,9

38,3

37,8

37,1

36,0

35,7

35,4

34,3

-23,8

1,0

-10,8

-5,1

-9,3

-19,5

-18,4

-38,4

-4,8

33,8

29,3

27,4

26,5

23,0

22,9

17,3

13,2

11,1

2,7

-13,2

-1,7

-11,6

-4,3

-5,1

-11,8

-8,7

-15,3

Vereinigtes Königreich

Bulgarien

Portugal

Lettland

Ungarn

Slowenien

Österreich

Niederlande

Rumänien

Zypern

Malta

Slowakei

Luxemburg

Spanien

Litauen

Polen

Italien

Griechenland

Information

aus IW-Trends1/2013

Judith Niehues: Staatliche Umverteilung in der Europäischen Union

www.iwkoeln.de/trends