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SPUREN DES

LEBENS

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VORWORT

Eigentlich ist schade um jede Lebensgeschichte, die verloren geht, weil sie nicht aufgeschrieben wurde. Jede Biographie ist einzigartig, aus jeder Biographie kann man immens viel erfahren und lernen. Da müs-sen die erzählenden Menschen gar nicht prominent sein – im Gegenteil: Gerade die Geschichten von „einfachen“ Leuten geben erst den richtigen Ein-druck, wie das Leben im Laufe der Zeit wirklich war. Sie sind die wahrhaft wichtigen Zeugen der (alltäg-lichen) Zeitgeschichte.

Die „Spuren des Lebens“ sind aber nicht nur ein wertvolles Zeitdokument, son-dern auch das Ergebnis generationenübergreifender und generationenverbinden-der Zusammenarbeit. Mein Dank für dieses Werk gilt daher jenen, die ihre Lebens-geschichte „zur Verfügung gestellt“ haben, und jenen, die die Interviews geführt, gesammelt und in Buchform gebracht haben: Den Schülerinnen und Schülern des Gymnasiums Anton-Krieger-Gasse. Eine großartige Leistung!

Dank sage ich natürlich auch Herrn Professor Dr. Manfred Car, der nicht nur die Idee zu diesem Buch hatte, sondern sehr engagiert das „Fund-raising“ betrieben und die Entstehung des Werkes intensiv „begleitet“ hat.

Dank ebenso an Bipa für die großzügige Unterstützung eines derartig wertvollen Projektes und Dank auch an die Agenda 21/23 sowie an alle Anderen, die das Vor-haben unterstützt und gefördert haben.

Das Ergebnis dieser Anstrengungen kann sich wahrlich sehen lassen!

Manfred WurmBezirksvorsteher

Vorwort 1Gertrude Kreutzer 7Frieda Kramer 8Eva Jungmayer 10Alexander Doppler 11Elisabeth Engelbrecht 12Edeltraud Friedrich 14Franz Ruzicka 18Friedrich Schneider 22Herbert Swoboda 24Margarethe Mizera 27Friederike Wisgrill 28Margarethe Wegerer 31Eva Brohsmann 33Gertrude Hirtenfelder 36Irmgard Frank 38Emma Böck 40Margarethe Felder 44Nigel A. James 46Maria Schmidt 48Julie Schneider 53Bruno Schweiger 55Karoline Kinninger 56Emilie Gold 57Maria Fürst 58Karl Bur 59Gertrude Stoiber 60Stefanie Stanzl 63

Martha Nowak 64Rudolf Münzker 66Helga und Richard Morocutti 67Elisabeth (anonym) 70Christiane Russ 72Edeltraut Kamprath 74Josef Moritz 76Herta Feith 78Walter Hlavacek 80Maria Ludwig 81Wilfried Lentz 82Ferdinand Wieninger 85Robert Krikl 87Josefine und Josef Kreutzer 91Ursel Hatzinger-Winkler 94Ruth und Hermann Mucke 98Johanna Leodolter 102Ilse Breiner 104Eduard Giffinger 108Henry A. Wright 112Maximilian Stony 114Hedwig Prüller 118Frank Rattay 120Karl Buberl 123Heinz Böhm 124Herbert Schmidt 125Helga Patocka 127Zu guter Letzt 130

Impressum: Lisann Beyer, Manfred Car (Herausgeber), November 2011

AutorInnen: SchülerInnen der 7.F Schuljahr 2010/11: Lisann Beyer, Elife Cicek, Christoph Girbinger, Raphaela Guttmann, Astrid Hofer, Melanie Jaksch, Julia Kurucz, Maximilian Müll-ner, Tamara Reikl, Stefan Rezac, Johanna Schagerl, Ilona Schwarz, Fabio Trabison, Petar Vucur, Arabella Weidlinger, Katharina Weissel, Helena Wittich, Charlotte Wozasek. SchülerInnen der 8.B: Lilly Brändle, Mohini Chaudari, Carina Czernay, Nico Eifler, Bettina Rosen-berger, Theresa Wöginger. SchülerInnen der Fachmittelschule (FMS) Alterlaa: Luca Burghauser, Marko Hainz, Paul Kupresak, Katharina Scharinger, Florian Spevak, Luksa Szobel

Für den Inhalt ist jede/r Autor/Autorin, bzw. jede/r Interviewpartner/in selbst verantwortlich.Herausgabe im Eigenverlag als BIPA - Schulprojekt im Unterrichtsgegenstand Projektmanagement des BRGORG Wien 23, Anton Krieger Gasse 25, www.antonkriegergasse.atBestellungen: Manfred Car, E-Mail: [email protected]

Inhalt

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Vorwort AGENDA 21/23

Die Lokale Agenda 21 plus fördert den Generati-onendialog und die Generationenarbeit in Wien. Neben dem Kennenlernen unterschiedlicher Er-fahrungswelten und Lebensrealitäten werden Wissen und Kompetenzen aufgebaut, die wichtig sind für ein besseres Miteinander und für die Stei-gerung der Lebensqualität im Sinne der Bezirks-entwicklung. Governance Modelle, Partizipation, Eröffnung von Dialogräumen für verschiedene Interessensgruppen fördern diese nachhaltige Be-zirks- und Stadtentwicklung, weil die Stadt bzw. die Bezirke soziale Bezugsräume sind, in denen Kommunikation und ein Miteinander der Genera-tionen stattfindet.

An dieser Stelle möchten wir das bemerkenswerte Engagement von Prof. Dr. Man-fred Car hervorheben, der es seit mehr als fünf Jahren immer wieder schafft, Jugend-liche aus der „antonkriegergasse“ mit ihren unterschiedlichen Interessen, Kompe-tenzen und kulturellen Erfahrungen in den Generationendialog einzubinden und für gemeinsame Projekte zu begeistern.

Das vorliegende Buch „Spuren des Lebens“, das in monatelanger Arbeit und in Ko-operation mit dem „Haus am Mühlengrund“ entstand, belegt eindrucksvoll, was Jugendliche in Zusammenarbeit mit Seniorinnen und Senioren zustande bringen. Biografische Auszüge aus dem Leben von Bewohnerinnen und Bewohnern des Hauses am Mühlengrund und Persönlichkeiten, die sich in unterschiedlicher Weise für die Bezirksentwicklung in Liesing einsetzen, geben Einblick in vielfältige Erfah-rungen und Interessenslagen.

Wir möchten uns auch recht herzlich bei Dir. Ing. Helmut Hempt für die langjäh-rige und gute Kooperation bedanken und last but not least den vielen Jugendlichen und Seniorinnen und Senioren, die sich im Generationendialog für ein besseres Mit-einander im Bezirk engagieren.

Dr in. Sabine Steinbacher

Auf den Spurengedichtet von Margarete Felder für das Projekt „Spuren des Lebens“

Ob sie es glauben oder nicht.Wir sind noch unterwegs.

Eine späte Generation.Irgendwo ist für jeden ein Gipfelkreuz in Sicht.

Jeder hinterläßt seine Spurenauf seinen kühnen Lebenstouren.

Oft trifft man einen Stegder schon ausgetreten liegt vor dir.

Ermüdet vom weiten Weg.Nimmst du dankbar ihn entgegen.

Du gehst ihn weiter unbeirrt.Das letzte, steile Stück

wird nun für Dich zum Segen.

Erschöpft aber glücklich, stehst du am Gipfelund schaust geschafft zurück.

Dein ganzes Glück!Jetzt halte ihn fest, den letzten Zipfel.

Bild: Das Projektteam mit SchülerInnen der Klassen 7.F und 8.B am 23. 2. 2011, dem Tag, an dem der Interviewzyklus begann.

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Das Projekt „Spuren des Lebens“Lisann Beyer

Einer der wesentlichen Gründe unseres Projektes war es, den Generationendialog zwischen Jung und Alt zu verbessern. Deshalb haben wir uns überlegt, die häufig bestehenden Vorurteile beider Seiten in Form von Inter-views, die die Teenager mit den meist bereits pensionier-ten Menschen durchführten, ein wenig abzubauen. Außerdem war es ein Anliegen, auch die Lebensgeschich-te dieser Menschen in Form eines Buches festzuhalten. Denn diese Geschehnisse, speziell aus der Kriegszeit, wird uns innerhalb kürzester Zeit niemand mehr persön-lich erzählen können; die interviewten Menschen sind die letzte Generation, die diese Zeit noch erlebt hat.Ich denke, dass die meisten Erlebnisse und Geschehnisse,

die wir erzählt bekommen haben, für uns teilweise sehr schwer in Worte zu fassen waren, da wir uns in Wirklichkeit kaum vorstellen können, was diese Menschen damals erlebt haben.Zum Glück aber haben wir oft auch Erfolgsgeschichten oder sehr romantische Lie-besgeschichten gehört, die die Arbeit sehr erfreulich gestalteten und uns zeigten, was alles im Leben erreichbar ist.

Auch finde ich, dass dieses Werk eine sehr gute Erfahrung für uns Jugendliche war. Mich persönlich hat sogar einiges wieder „auf den Boden heruntergeholt“, was in unserer heutigen Gesellschaft leider nicht mehr so einfach ist. Wir wachsen in einer Generation auf, die es selbstverständlich findet, alles zu besitzen und immer Neues und mehr davon haben zu wollen. Da war es wirklich interessant zu hören, dass viele Kinder früher bloß eine einzige Puppe oder ein einziges Spielzeugauto hatten, mit dem sie überglücklich waren.

Ich möchte mich bedanken, …… bei meinen Schulkolleginnen und -kollegen, die des Öfteren ihre Freizeit für die-ses Projekt geopfert haben, trotz des normalen Schulstresses. Ohne euch wäre es nicht realisierbar gewesen. DANKESCHÖN!… bei dem österreichischen Spitzenfotografen Manfred Baumann, der so lieb war und uns ein Foto seiner neuen Ausstellung „LIFE- Unretuschiert & Unzensiert“ für unser Buchcover zur Verfügung gestellt hat. DANKE!… bei BIPA, die die Finanzierung des Buches ermöglichte;… selbstverständlich auch bei all denjenigen, die dieses Projekt überhaupt ermög-licht haben und uns immer unterstützten. DANKE!Denn manchmal war es trotz Spaßes, den wir dabei hatten, harte und anstrengende Arbeit, die viel Zeit in Anspruch genommen hat; auf diese können wir jetzt besonders stolz sein!

Gertrude Kreutzer, die erste Bewohnerin des„Mühlengrundes“

geboren am 13. Februar 1925 in Brunnhof bei Amstetten

Nach Abschluss der Hauptschule machte sie im 2. Weltkrieg die Säuglingsschwes-ternschule im Preyer´schen Kinderspital. Sie arbeitete im Allgemeinen Krankenhaus und im Goldenen Kreuz an der Geburtsstation. 1946 heiratete sie einen Polizeioberst, bekam eine Tochter und Zwillingssöhne zu „Silvester“. Ihr Chef sagte am nächsten Tag: „Aber Schwes-ter Trude, das war ein Silvesterscherz“. Nach einigen Jahren als Hausfrau hatte sie sechs Jah-re lang eine Kinderkrippe zu Hause.

Gertrude kam 1987 als 63-jährige mit der Grün-dung ins Haus am Mühlengrund. Beim ersten Frühstück gab es nur sieben Bewohner. 10 Jahre lebte sie hier mit ihrem Mann. Damals wurde sie sogar angeworben, da es um 100 Leute zu wenig gab, um das Haus auszulasten. In den ersten Jahren war an der Stelle des heutigen Ca-féhauses ein Wintergarten, es gab einen Chor, seit dem Ableben der Klavierspielerin hat sich dieser aufgelöst, dafür gibt es andere musikali-sche Aktivitäten. Bild rechts: Schwester Trude im

„Goldenen Kreuz“, 1968

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und es auch keine Impfung gab. Es war wirklich eine sehr schwere Zeit aber ich bin glücklich dass ich ihn habe. Er wohnt jetzt bei mir am Mühlengrund und hat selbst keine Kinder.

1957 bekamen wir eine 13 qm Wohnung im selben Haus. Ich ging stundenweise als Bedienerin arbeiten und später hatte mein Mann die Möglichkeit in der Firma Unilever zu arbeiten. Bald bekamen wir eine Gemeindewohnung in Atzgersdorf mit 67qm.

Bescheidener Wohlstand in den 60er Jahren

An den Wochenenden fuhren wir gerne auf´s Land, bald konnten wir uns einen ro-ten Mazda leisten, das war unser großer Stolz. Wir besuchten auch die Verwandten in Südtirol und ich hatte große Sehnsucht nach meiner alten Heimat.

Als vor einigen Jahren mein Mann starb, übersiedelte ich alleine auf den Mühlen-grund. Ich freue mich, dass auch mein Sohn hier wohnen kann, er arbeitet in einer geschützten Werstätte für „Jugend am Werk“. In der Freizeit gehen wir gerne in Museen. Meine Tochter wird 60, ich habe durch sie zwei Enkelkinder und vier Ur-enkel, die schon 10 und 14 Jahre alt sind.

Der heutigen Jugend möchte ich sagen, dass es wichtig ist, bescheiden zu sein, den Wohlstand nicht als Selbstverständlichkeit zu sehen und dass eine gute Ausbildung das Wichtigste ist.

Frida Kramer, eine Atzgersdorferin aus Südtirol!

Frida Kramer, geboren 30. Oktober1930, interviewt von Theresa Wöginger und Nico Eifler

Jugend in Südtirol

Ich wurde in Südtirol in einem kleinen Bauerndorf in 1300 m Seehöhe als eines von vier Kindern geboren. Mit Beginn des 2. Weltkriegs musste ich mich für eine deutschsprachige oder italienische Schule entscheiden. Zuerst besuchte ich eine ita-lienische Schule. Da sich meine Familie bei den Wahlen zur deutschen Sprachgrup-pe zählte, durfte ich die italienische Schule nicht mehr besuchen und wurde von einer alten Frau unterrichtet. 1943, dreizehnjährig, musste ich Südtirol verlassen, wir waren die letzten, die ausgesiedelt wurden, ich bin mit den Eltern in die Ost-steiermark gezogen.

Schweres Leben in der Steiermark

Waren wir unter Mussolini als deutschsprachige Minderheit ausgestoßen, so wur-den wir als Südtiroler in der Steiermark auch nicht willkommen geheißen. Mein Vater war schon sehr alt und konnte sich nicht mehr integrieren, weil er fixer Tiroler war. Wir hatten einen Bauernhof, ich ging noch fast eineinhalb Jahre in die Schule und arbeitete die ganze Freizeit auf dem Hof. Dieser war anfangs zwar abgewirt-schaftet, wir hatten ein Pferd und vier Kühe. produzierten nur Butter. Milch hatten wir nur für den Eigenbedarf. Wir hatten auch Schafe, im Sommer lebte ich auf der Alm, die Lämmer wurden dann den einzelnen Kindern zugeteilt.

1946, nach dem Krieg, hätten wir uns für eine Rückkehr nach Südtirol entscheiden können, die Bedingungen in Österreich waren aber besser.

Familiengründung in Wien

1950 heiratete ich einen Burgenländer. Er war ein Straßenarbeiter. wir versuchten nach Wien zu kommen weil es in der Steiermark kaum Arbeit gab. 1951 und 1955 kamen meine Kinder zur Welt. 1953 bekamen wir in Atzgersdorf eine 11 qm „Woh-nung“ ohne WC, ohne Wasser. Über den schmutzigen Hof mussten wir auf´s WC gehen, es kam sogar vor dass uns Ratten in den „Hintern“ bissen. Mein Mann war zu dieser Zeit Maler und Anstreicher, im Winter gab es kaum Arbeit. Die Männer mussten sich bei der Gemeinde anstellen, um als Schneeschaufler wenigstens ei-nige Schillinge zu verdienen. Während meiner Schwangerschaft hatte ich Röteln. Das bewirkte, dass mein Sohn geistig ein bisschen zurückgeblieben ist. Ich machte mir keine Vorwürfe, weil damals ja niemand wußte, was man dagegen tun könne

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Alexander Doppler - „so alt wird keine Sau“Helena Wittich, Lilly Brändle und Lisann Beyer interviewen Alexander Doppler, geboren

am 28. Mai 1917.

Als wir ihn spontan fragten, ob er bei unserem Projekt teilnehmen möchte, bemerk-ten wir schnell, dass er ein sympathischer Kerl ist, denn im Bezug auf sein Alter begann er das Gespräch mit: „So alt wird keine Sau!“

Alexander Doppler wuchs im Burgenland in Jennersdorf auf. Als er neun Jahre alt war, hatte er beim Spielen mit seinen Freunden einen Unfall, der dazu führ-te, dass er seitdem auf einem Auge blind ist. 1938 kam er nach Wien, um bei ei-nem Verwandten, der vom Beruf Wirt war, zu arbeiten. Im selben Jahr muss-te er trotz seiner Sehbehinderung einrücken. Während der Kriegszeit lernte er seine zukünftige Frau Margarete kennen. Sie war eine Wirtstochter und arbei-tete genau so wie Herr Doppler ihr ganzes Leben lang im Bereich der Gastro-nomie. Sie waren fast 60 Jahre verheiratet und bekamen eine gemeinsame Toch-ter.

Herr Doppler lebt seit drei Jahren im Pensionistenwohnhaus „Haus am Mühlen-grund“ und fühlt sich dort sehr wohl. Über den regelmäßigen Besuch seiner Enkel und Urenkel freut er sich immer sehr. Sonst lebt er jedoch zurückgezogen und ge-nießt die Ruhe. Denn seitdem seine Frau vor neun Jahren gestorben ist, fühlt er sich sehr einsam und schafft es auch nach dieser langen Zeit nicht, ihren Tod zu verkraf-ten. Er selbst bezeichnet Margarete als die große Liebe seines Lebens.

Eva Jungmayer, die Herzliche, Tapferegeboren am 7. Februar 1940, mit Tochter Gertrud und Freundin Margit

„In einem Meer von Schmerzen ertrinken manche, andere lernen, darinnen zu schwimmen“

So leitet Margit Felder ihre Aufzeichnungen über Evas Leben ein. Sie ließ sich von dieser “Alltagsheldin“ ihr Schicksal erzählen.

Schicksalsschlag in jungen Jahren

Eva bekam als junge Frau aus heiterem Himmel einen Schlaganfall, bald stellte man einen Gehirntumor fest und Eva mußte zur Operation. Nach 10 Jahren, Eva war in-zwischen auf einem Auge blind und auf einem Ohr taub geworden, die Kinder 12, 17 und 18 Jahre alt, war der Tumor nachgewachsen und sie mußte wieder operiert werden.Es blieb nicht die letzte Operation, Eva war oft verzweifelt, Ihre Familie brauchte sie aber und das gab ihr Kraft und Selbstbewußtsein. Ihr Mann war Fern-fahrer und dennoch so viel bei ihr wie möglich.

Als ihre Kinder schon berufstätig waren, verstarb ihr Mann. Eva war erst an die 60 Jahre alt und wurde wegen ihrer Krankheit vor 7 Jahren hier am Mühlengrund auf-genommen. Eva wird oft schwindlig und stürzt, muß in Spitalsbehandlung, sie hat aber immer wieder den Ehrgeiz, gesund zu werden, beteiligt sich an allen Aktivitä-ten, wie Gymnastik, Gedächtnistraining, Diskussionsrunden und Literaturstunden.

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Elisabeth Engelbrecht, die Baletttänzerin

Interview von Stefan Rezac und Elife Cizek mit Elisabeth Engelbrecht, geborten am 15. November1927

Die Lebensgeschichte:

Elisabeth Engelbrecht wurde im 2. Bezirk in Wien geboren. Mit einer Leidenschaft ging sie ihrem Hobby, Ballett nach. Ihren ersten Auftritt hatte sie im Stück „1000 und eine Nacht“. Auf Grund ihrer Zierlichkeit wurde sie zu einer 4 wöchigen Un-tersuchung geschickt, da angenommen wurde, dass das Training zu körperlichen Belastungen führen könnte. In ihrer Freizeit ging sie gerne in den Prater. Sie wuchs unter spartanischen Verhält-nissen in einer Zweizimmerwohnung mit ihren Eltern und ihren 3 Geschwistern auf. Als ihre älteste Schwester, zu der sie eine sehr enge Verbundenheit spürte, heiratete und somit das Elternhaus verließ, erlebte Frau Engelbrecht einen großen Schmerz. Straßenbahn fahren war zu ihrer Zeit ein Luxus, deswegen musste sie oft zu Fuss gehen und auf diese Art lernte sie die Stadt Wien kennen.

Ihre Ausbildung

1941 begann Fräulein Engelbrecht eine Kaufmännische Lehre und absolvierte bald darauf ihre Abschlussprüfung.

Ihre Familie

1946 heiratete sie, um den belastenden Situationen, die zu Hause herrschten, aus dem Weg zu gehen. Ein Jahr später bekam Elisabeth ihren Sohn, Walter. Einige Jahre später, folgte dann die Scheidung. Jegliches Interesse an dem gemeinsamen Sohn, ging von väterlicher Seite verloren. Oft im Leben zog Frau Engelbrecht um, geprägt von finanziellen Schwierigkeiten und vielen Enttäuschungen. 1967 folgte die nächs-te Eheschließung. Nach 2 Jahren litt der Mann in relativ jungen Jahren an Multipler Sklerose und starb schließlich daran. Von 1984 bis 1993 überstand Elisabeth 3 Krebsoperationen Die Brücke ins neue Leben:

Da nun der Krebs besiegt war, änderte sie ihr Leben und verspürte große Lebens-lust. Unter anderem reiste sie viel und besuchte Länder wie Malta, Teneriffa, Spani-en und Ägypten. Diese Zeit war der Start in ihr neues Leben.

Anmerkung Fräulein Engelbrecht verlor trotz vielen belastenden Schwierigkeiten die Lust am Leben nicht. Diese Frau verdient Hochachtung und Respekt. Sie meisterte ihr Leben selbstständig und wird dies auch in Zukunft tun. Wir sind froh, Einblick in ihre Ge-schichte bekommen zu haben.

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Edeltraut Friedrich, die DichterinRaphaela Guttmann und Ilona Schwarz sprechen mit Edeltraut Friedrich,

geboren am 13. März 1924

Kriegsbeginn

Ich war 14 Jahre alt als der Krieg begann. Ich ging noch zur Schule und bekam des-wegen noch nicht wirklich viel vom Krieg mit.

Meine erste Liebe:

Nach der Matura war es für jeden Pflicht, sich bei einem öffentlichen Kriegsdienst zu melden. Ich wurde in einer Straßenbahn als Schaffnerin eingeteilt, was für mich im Winter immer sehr schlimm war, da es sehr kalt war und wir die Straßenbahn immer selber umkoppeln mussten. Als ich dann 1942 zu studieren begann, lernte ich meinen Mann kennen. Als ich ihn zum ersten Mal sah saß er auf einer Bank, zuerst beachtete ich ihn überhaupt nicht. Doch dann saß er jeden einzelnen Tag auf dieser Bank und wartete darauf, dass ich aus der Universität kam und irgend-wann erbarmte ich mich und ging mit ihm aus. Ich begann ihn zu lieben doch zu dieser Zeit wusste ich nicht, dass er nur auf Fronturlaub war da man ihm in den Oberschenkel geschossen hatte. Später heirateten wir, doch leider wurde er wieder eingezogen und starb im Februar 1945 an der Front. Ich habe später nie wieder ge-heiratet.

Im Krieg

Durch die vielen Fliegerangriffe zogen viele Menschen aufs Land, so auch ich mit meinem Sohn der damals noch ein Baby war. Meine Mutter hatte ein Haus im Kamptal wo ich noch mit einigen anderen Leuten lebte. Am 8 Mai kamen die Russen. Sie sahen genau so aus wie man sich eben Russen vorstellt, breites Gesicht schicke Uniform mit einem abstehenden Wanst und einer Schärpe schräg über der Brust. Ich war neugierig, also ging ich in die Stadt, auf einmal kam meine Nachbarin Frau Mül-ler auf mich zu und bat mich weinend um meine Hilfe, da ihr 16 Jähriger Sohn von SS- Soldaten eingezogen wurde. Also ging ich zu den Soldaten hin und versuchte al-les um den Sohn von Frau Müller wieder zu bekommen. Ich sagte zu den Soldaten, sie können doch nicht einfach einer Mutter ihr Kind wegnehmen wenn sie so etwas

Gruppenaufnahme des RAD (Reichsarbeitsdienst), mit Feldmarschall Rommel und persönlicher Unterschrift Rommels aus dem Jahr 1942 in Pitten. Frau Friedrich wurde nach der Matura zum RAD verpflichtet, sie ist das 2. Mädchen rechts von Rommel

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machen dann sollen sie doch gleich ihre Uniform ausziehen, denn dann sind sie keine richtigen Sol-daten. Sie waren so eingeschüchtert dass ich den jungen Mann wieder bekam und ihn zu seiner Mut-ter bringen konnte. Doch das Verrückte daran war, dass sich später herausstellte, dass Frau Müller eine Russische Spionin war. Eines Tages wurde ich in ihr Haus eingeladen und da stand eine riesige Tafel vor mir mit Kaviar und anderen Leckereien. Ein Mon-gole mit Schlitzaugen bedankte sich bei mir und später brachte er mich dann nach Hause und gab mir einen Handkuss.

Im Widerstand

Ich war auch in einer Widerstandsbewegung. Als mir eines Tages SS-Soldaten eine Panzerfaust für den Schutz vor den Russen in den Garten legten, fragte ich was das soll denn es lebten auch Kinder in diesem Haus. Als sie sie aber nicht wieder mit neh-men wollten beschloss ich sie in der Nacht in den Wald zu tragen und sie dort zu verstecken.

Auch konnte ich verhindern, dass eine Brücke ge-sprengt wurde, indem ich den SS-Soldaten der auf das Sprengkommando wartete und auch den Sprengstoff an die Brücke anbringen sollte davon abbrachte. Ich fragte, ob er wirklich jetzt kurz vor Kriegsende sterben wolle. Als er dann mit mir mit ging, kam uns das Sprengkommando entgegen und nur weil er die Soldaten so schnell sah und mich zu-rück zog, bin ich heute noch am Leben.

Die Dichterin

In den letzten Jahren habe ich hier, am Mühlen-grund Zeit zum Dichten und Komponieren gefun-den. Der „KWP-Marsch“ erlangte sogar einen Preis und Gedichte in Deutsch, Englisch oder Latein tra-ge ich auch gerne vor. Zum Beispiel:

Gedankensplitter

Ich ging im Park spazierenim FrühlingssonnenscheinSah viele promenierenNur ich, ich war allein

Der Wind sang in den Bäumenein fröhlich heit´res Liedvon tausend bunten TräumenIn Feld und Wald und Ried

Er streichelte mich sachte,ich schloss die Augen zuund träumte, wünschte, dachte,der Wind, der wärest Du.

Pater noster clericus

Pater noster clericusibat in den Waldvidit eine virginempulchre von Gestaltiussit eam iacerein das grüne Graset cum ea faceree scho´wissen wasnove menses postwar die Not sehr großpate noster clericussaß jetzt in der Soß!

Vision

Ich irre allein durch die Straßen -Die Liebe ist tot - Ich fühle mich krank und verlassen -Die Liebe ist tot.

Die Gier brennt aus fiebrigen Blicken,der Neid lächelt hämisch ihr zu,des Hasses Auge voll Tücke,raubt Frieden, Freude und Ruh.

Die Menschen, nur elende Schatten,verdammt zu endloser Fron,nach des grauen Tages Ermatten,sind Hunger und Kälte ihr Lohn.

Kein Vogelsang in den Lüften, kein blühender Baum, kein Strauch,vernichtend strömt aus den Klüften,des Todes eisiger Hauch.

Ich irre allein durch die Straßen -Die Liebe ist tot - Und kann es noch immer nicht fassen -Die Liebe ... ist ... tot.

Farewell

Please darling don´t cryand do not be sad,when I say good byeit is not so bad.

Tomorrow a new love will bring a new daywith just as nice phrasesas I used to say,with kisses as thrillingas mine used to be,with hours as happy as spent once with me.

Remember, my darling, it is always like this,you believe in a wonder,you love and you kiss

But then comes the dayto part with a smileso please do not cry,it is not worth while.

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erlitt. Wobei ich bis heute nicht weiß ob die acht anderen Insassen überlebt hatten.Nach dem Bombentreffer wurde ich wegen meiner verwundeten Schulter nach Bel-gien geschickt, wo ich meine alte Kompanie traf. Dort kämpfte ich auch in der Ar-dennenoffensive. Dann sind wir von Westdeutschland bis nach Ungarn mit dem Zug transportiert worden wo ich während einer Schlacht am Bein verwundet wur-de. Mit dieser Wunde musste ich die ganze Zeit reisen während die Wunde immer schlimmer und schlimmer wurde, bis ich endlich in Baden versorgt wurde. Da-nach wurde ich mit dem Zug nach Dresden abkommandiert wo ich zum Ende des Krieges nach Westen ging um nicht in sowjetische Gefangenschaft zu geraten. Die ersten drei Wochen erlitt ich den schlimmsten Hunger in meinem ganzen Leben, da acht Leute sich eine Woche von einem Laib Brot ernähren mussten. Danach war ich in Nürnberg und musste dort warten bis ich nach Salzburg einreisen durfte. Nach-dem die österreichischen Gefangenen entlassen wurden, kam ich mit dem Zug über Salzburg, wo unzählige Menschen einstiegen, nach Wien. In Hütteldorf stieg ich aus und fuhr nach Hause, Zu meinem Schrecken war mein Haus halb vernichtet.

Wohlbefinden am Mühlengrund

Seit sechs Jahren wohne ich mit meiner Frau am Mühlengrund und fühl´ mich pu-delwohl. Ich bin schon 84 Jahre alt, jedoch fühle ich mich wie 70 Jahre und mache alle Übungen und alle Spiele mit die angeboten werden. Ich sage immer, ich wohne nicht hier weil ich muss, sondern weil ich mich freue und somit fühl ich mich wie in einem Freudenhaus. Jeden Tag stehe ich vor dem Spiegel und finde, dass ich der schönste Mann der Welt bin .

Lebensmotto: „Gestern war der schönste Tag, heute ist der schönste Tag und morgen weißt du nicht was passiert !“

Franz Ruzicka, der glückliche 70er !?Kathi Weissel und Petar Vucur sprechen mit Franz Ruzicka, geboren 29. November 1926.

Familie

Geboren wurde ich in Meidling und habe noch zwei Schwestern und zwei Brüder. Dadurch, dass meine Eltern fast keine Zeit hatten, hat sich meine älteste Schwester um mich gekümmert. Von ihr wurde ich mit all ihrer Liebe groß gezogen, da sie durch ihren Buckel am Rücken keinen Mann hatte. Auch heute noch wenn ich an sie denke, kommen mir Tränen, da sie mein Lebensmensch war, der mir alles gezeigt hat und immer für mich da war.Meine erste Frau hab ich ziemlich jung kennengelernt und geheiratet. Leider ist sie am 9. März 1966 an Magenkrebs gestorben und so lernte ich auch meine zweite Frau kennen. Ihr Mann starb auch im selben Jahr, wir gingen unseren Leidensweg zusammen und heirateten. Mit meiner zweiten Frau habe ich keine Kinder aber dafür den Lotto Sechser gefunden, weil sie der bezauberndste Mensch auf Erden für mich ist.

Krieg und Verletzungen

Mit 16 ½ Jahren wurde ich in den Krieg einberufen und hatte die Wahl zwischen Arbeitsdienst und Waffen- SS und mit 17 Jahren hatte ich schon alle Füherscheine und konnte somit mit allen Fahrzeugen fahren, was mir bei meinem späteren Leben sehr nützlich war. Im Jahre 1944 war ich in Frankreich stationiert, bis mein Schüt-zenpanzer von einer Jagdbombe getroffen wurde wodurch ich einen Lungensplitter

Führerschein von Franz Ruzicka, mehrsprachig aus der Besatzungs-zeit.

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Bilder linke Seite:Oben: Arbeitsbuch aus der NS Zeit. Die-ses wurde auch noch 1951 verwendet, um die Anstellung von Franz Ruzicka bei einer Lastentransportfirma und beim Reisebüro Göttler als Busfahrer zu bestätigen.Mitte und unten: Franz Ruzicka als Postomnibuslenker bei einem Geschick-lichkeits-Fahrwettbewerb, ca. 1956.

Bilder diese Seite: Zeitungsausschnitt über das Ruzicka „Dreimäderlhaus“ von 1959 und darunter die drei Geschwister.

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Friedrich Schneider, der fliegende TechnikerFabio Trabison und Darko Lepic sprechen mit Friedrich Schneider geboren am 7. Juli1923

Friedrich Schneiders Jugend

Herr Schneider wuchs in Liesing als Einzelkind auf, er verstand sich gut mit seinen Eltern jedoch war seine Mutter gegen seinen Traum, nämlich das Fliegen. Die ersten 18 Jahre seines Lebens wuchs er in einem Wohnblock auf, der jetzt als Sargfabrik bekannt ist.

Schulzeit

Die Volks-und Hauptschule machte er in Atzgersdorf, ab 1937 besuchte er die Bun-deslehranstalt in Mödling, spezialisierte sich auf Maschinenbau. In der letzten Klasse hatte für ihn und seine Mitschüler der Krieg böse Auswirkungen, denn die Lehrer mussten einrücken und neue kamen nach. Dennoch absolvierte er 1941 er-folgreich die Matura.

Berufslaufbahn

Nach seiner Schulzeit fing er in der LKW-Erzeugungsfirma Saurer Werke, welche im Schweizer Besitz war, an.Er zog nach Frankreich um als Technik Lehrer zu arbeiten. Anfangs wurde er nicht besonders von seinen Vorgesetzten gemocht, jedoch überzeugte seine Sympathie bald und er freundete sich mit seinem Chef an.

Bald durfte er auch selber ans Steuer eines Flugzeuges !Die Jahre vergingen und sein Breruf entwickelte sich immer mehr und mehr zu einer Leidenschaft der er noch sehr lange nachgehen wollte, jedoch bekam er Pro-bleme mit den Augen im Alter von 55 Jahren.Nachdem er sich volkommen vom Fliegen abgewendet hatte, eröffnete er jedoch eine Fliegergruppe die bis heute noch aktiv ist.Natürlich wartete das nächste Abenteuer nicht lange und er fing an mit dem Eisse-geln am Wasser und übte dies bis vor zehn Jahren noch aus. Der Weg zum Mühlengrund

Noch bevor das Gebäude errichtet wurde meldete er sich noch damals im Jahre 1983 mit seiner Frau um einen Platz an. Sie bekamen zwar den Platz jedoch lehnten sie dankend ab. Als seine Gattin verstarb und er seinem Sohn nicht zur Last fallen wollte, beschloß er schließlich ins Pensionistenwohnhaus ,,Mühlengrund“, zu zie-hen. Diese Entscheidung bereute er nicht, denn er fühlt sich hier wohl.

Rechts: 1952 gab es in Liesing (Lan-gegasse, heute Khekgasse) einen Se-gelflugplatz, auf dem Herr Schneider landete

Unten: Ein Autobus er Fa. Perg, wie er von Herrn Schneider aus einer leich-ten Stahlwinkelkonstruktion in der Art der heutigen Autobusse bereits in den 50er Jahren gebaut wurde.

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Hofrat DI. Herbert Swoboda, BahntechnikerAstrid Hofer, Tamara Reikl und Julia Kurucz sprechen mit Dipl. Ing. Herbert Swoboda,

geboren am 21. Juni 1921Kindheit und Jugend

Er ging in die Volksschule und in die Mittelschule im 3. Bezirk. Er bezeichnet sich Zeit seines Lebens als „Landstraßler“.Im Ständestaat nach 1934 wurde er in der Schule angehalten, ein Abzeichen zu tra-gen, worauf stand „Seid einig“. Zu seinen Hobbies zählten Schifahren, Schwimmen und Reisen. Da Ing. Swoboda ein Einzelkind war, unternahm er sehr oft etwas mit Freunden und hatte auch einen sehr großen Freundeskreis.

Februaraufstand1934 erlebte er als 14- jähriger den Februaraufstand mit, welches ein sehr einschnei-dendes Erlebnis war. An diesem Tag wurde Hr. Swoboda auf seinem Schulweg am Rabenhof, einem bekannten Wiener Gemeindebau nach Hause geschickt, da die Schule an diesem Tag entfiel. Es fuhren auch keine Straßenbahnen und es war jede Menge Polizisten auf den Straßen. Im Nachhinein erfuhr er, dass es im Rabenhof eine Schießerei gab. Es war ihm damals unbegreiflich, dass mit Kanonen auf Wohn-häuser geschossen wurde. Nach der Matura 1939 inskribierte er an der TU und hatte die Martrikelnummer 41!

KriegIm Februar 1941 wurde er zur Wehrmacht einberufen. Da Hr. Swoboda zu diesem

Zeitpunkt schon studierte, wurde ihm ausnahms-weise ein Aufschub von 3 Monaten gewährt, damit er die 1. Staatsprüfung noch ablegen konnte. Nach der Rekrutenausbildung kam er als Soldat nach Russ-land, wurde Offiziersanwärter, dann Leutnant und wurde 1944 gefangen genommen. Nach über drei Jahren kehrte Hr. Swoboda im September 1947 dann nach Österreich zurück.

Nachkriegszeit und Erfolge

Er war durch die lange Gefangenschaft sehr aus dem Alltag herausgerissen und es fiel ihm schwer wieder Normalität hinein zu bringen. Die Tatsache, dass er die 1. Staatsprüfung seines Bauwesen Studiums vor dem Kriegseinzug ablegen konnte, half ihm jedoch dabei. 1950 beendete Hr. Swoboda als Dipl.-Ing. sein Studium und es zog ihn zur Eisen-bahn wie schon seinen Vater zuvor. DI Herbert Swoboda arbeitete in der Strecken-leitung in Bischofshofen, war Baurat, dann Oberbaurat und Vorstand der Strecken-leitung Vorarlberg/ Liechtenstein 5 Jahre lang.

Beim Bau der Schnellbahn nach Liesing

1968 kam er in die Generaldirektion und übersiedelte von Vorarlberg nach Wien

DI Swoboda beim Überprü-fen einer neuar-tigen Schienen-verschraubung in den 60er Jahren.

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Mauer, wo er seit über 40 Jahren lebt. Er wurde Generalbevollmächtigter für den Nahverkehr wo er dann die Schnellbahnerweiterung der Linie Floridsdorf- Meid-ling nach Liesing (im 15 Minuten Takt) plante und den Bau leitete. Er verwaltete die Nahverkehrsmilliarde und plante die großen Vorhaben zur Verbesserung des Nah-verkehrs in ganz Österreich. Er war unter anderem zuständig für die Planung und den Bau der Unterführung, der Weichenanlage, der Gleisanlage und der Bahnsteige in Liesing.Pension:Im Alter von 63 Jahren ging er als Hofrat in Pension. Er studierte danach noch 5 Semester Kunstgeschichte aus innerem Interesse bis ihn eine schwere Augenerkran-kung an der Fortsetzung hinderte. Er feierte goldene Hochzeit und nachdem seine Ehefrau vor 10 Jahren verstorben war, wurde das Leben schwierig. Vor drei Jahren übersiedelte er mit seiner Lebensgefährtin auf den Mühlengrund.

Als aktiver 90er am Mühlengrund

Herr Swoboda blieb jedoch immer aktiv,! Er nimmt an vielen Veranstaltungen teil und ist außerdem sehr an den Veränderungen der Welt interessiert. Als er von unse-rem Projekt hörte, dachte er sich: „Auch mein Leben soll in diesem Buch eineSpur hinterlassen!“

Margarethe Mizera: Von Favoriten nach AtzgersdorfCharlotte Wozasek und Jessica Kaufmann sprechen mit Magarethe Mizera,

geboren am 14. März 1929 (Bild Nebenseite unten)

Ihr Leben

Frau Mizera wurde in Wien geboren. Mit sechs Jahren verlor sie ihre Mutter. Ihr Vater hat danach noch zwei Mal geheiratet. Mit 11 Jahren hat sie ein Jahr mit ihrem Vater alleine gelebt. Ihr Vater war Epileptiker, sie hat gekocht, sich um den Haushalt gekümmert und die Schule besucht, eine große Belastung für ein Kind! Margarethe hat eine Lehre als Verkäuferin gemacht, da ihre Stiefmutter ihr verboten hat zu stu-dieren, denn eigentlich wollte sie Kindergärtnerin werden. In ihrer Ausbildungszeit hat sie einige Bombenanschläge und Bombenalarme miterlebt, in dieser Zeit zog sie zu ihrer, 19 Jahre älteren Schwester. Bei jedem Alarm brachten sie die Kinder ihrer Schwester in den Keller. Einmal hat eine Bombe neben ihnen eingeschlagen. In die-sem Moment dachte sie, alles sei vorbei.

Erste große Liebe

Mit 19 Jahren lernte sie ihren Mann, beide in einer Jugendgruppe, beim Wandern auf der Hohen Wand, kennen. Vier Jahre waren sie zusammen, bevor sie heirate-ten. Mit ihrem ganzen Ersparten kauften sie sich eine Eigentumswohnung, jedoch zogen sie nach einiger Zeit in eine Gemeindewohnung. Sie verkauften ihr früheres Zuhause, mit diesem Geld haben sie sich Monat für Monat neue Möbel bei einem Tischler besorgt. Sie hatten zwei Kinder, eine Tochter und einen 8 Jahre jüngeren Sohn. Margarethe machte eine sechsjährige Arbeits-Pause, um für ihre Kinder zu sorgen.

Danach hat sie halbtags als Bürokauffrau gearbeitet, und viel Wert auf Weiterbil-dung gelegt. Heute lebt ihre Tochter in Linz und hat ihr eigenes Heim aufgebaut. Ihr Sohn lebt in Wien. Beide kümmern sich sehr liebevoll um ihre Mutter. Im Jahr 2005 erlebt sie einen schweren Verlust, ihr Mann ist gestorben.

Leben am Mühlengrund

Vor 2 ½ Jahren zog sie von Favoriten, auf Grund einer Empfehlung ihres Schwie-gersohnes, ins Pensionistenwohnhaus „Haus am Mühlengrund“. Es gefällt ihr hier sehr gut. Sie ist eine sehr optimistische und fröhliche Frau, die die Lust am Leben nicht verloren hat.

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Friederike Wisgrill: Kahlenberg mit der Zahnradbahn Johanna Schagerl und Melanie Jaksch sprechen mit Friederike Wisgrill,

geboren am 21. September 1912

Lebensgeschichte

Ich wurde vor 99 Jahren in der Zahnradbahnstraße 7 in Nußdorf geboren. Die Zahn-radbahn, gleich vor der Haustüre, war für mich sehr beeindruckend. Wenn ich im Sommer hinter der heißen, schnaufenden Lokomotive stand, freute ich mich auf den „Prater“, der mich bei der Bergstation erwartete. Dort gab es ein „Panoptikum“, wo man, damals kannte ich noch kein Kino, in einer sich drehenden Trommel eine lau-fende Figur sah. Meine Mutter und Vater verstarben früh, meine einzige Erbschaft war aufgrund der damalig herrschenden Inflation, ein Laib Brot.

Mein neuer Vormund wurde der Bezirksvorsteher des 19. Bezirks. Mein Kindergar-ten lag an einem Teich in dem die Abfälle und Abwässer einer Schwefelsäurefabrik landeten. Es stank ganz fürchterlich, dennoch waren alle Kinder paradoxerweise gesund. In der Volksschule herrschte, für die Mädchen, Schürzenpflicht. Es gab drei Reihen worunter zwei mit den von Läusen und anderen Parasiten befallenen Kin-dern besetzt waren. Ein einschneidendes Erlebnis für mich war, dass langsam Hygi-ene durchgesetzt wurde. Die Kinder wurden jeden Tag auf Sauberkeit kontrolliert.

Bilder: Oben, Zahnradbahn mit Kahlenberg im Hintertgrund

Unten: Die Zahradbahn auf den Kahlenberg, ca. 1917

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Margarethe Wegerer, die Pädagogin

Philipp Grünbacher, Christoph Girbinger und Maximilian Müllner sprechen mit Margare-the Wegerer, geboren am 17. Dezember 1931

Mararethe wurde in Wien geboren, nach der Hauptschule besuchte sie das Kinder-gärtnerinnenseminar in der Kenyongasse im 7. Bezirk von 1947 - 1949.

Kindheit in der Kriegszeit

Ihre Kindheitserlebnisse aus der Kriegszeit schildert sie in der Rubrik „Es war ein-mal“ für die Wochenzeitung „Wiener Samstag“ am 3. 9. 1994:„Ich lese Ihre Rubrik mit großer Aufmerksamkeit, da fällt mir meine Kindheit ein: 1943 ging ich in die 1. Hauptschulklasse in Atzgersdorf. Da auch Wien von Bomben nicht verschont wurde kam ich in ein Kinderlandverschickungsheim. Mit unserer Lehrerin fuhren wir am 9. 12. 1943 nach Ernstbrunn und blieben dort bis September 1944. Die Erzieherin war streng und nicht beliebt. Vom September 1944 bis April 1945 wurden wir in die Pension Wienerheim am Semmering verlegt.

Dann begann unsere Flucht: Die russische Armee zog immer näher. Ich packte einen kleinen Koffer, zog mehrer Kleider übereinander an, mit Viehwagen ging es nach Reichenau an der Rax, von dort mit dem Lastauto nach Schwarzau im Gebirge wei-ter. Dabei leistete unsere Lehrerin Übermenschliches. Ununterbrochen kamen Auto-kolonnen mit deutschen Soldaten durch das Höllental. Unsere Lehrerin stellte sich mitten auf die Straße, wir bildeten eine Kette und baten , mitgenommen zu werden.

Familiengründung

Da ich eine attraktive Frau war hatte ich viele Verehrer, einer von ihnen lud mich auf eine Reise nach Deutschland ein, was damals kein leichtes Unterfangen war. Ich war fasziniert, wie gut es den Deutschen ging, da sie Arbeit hatten. In meinem Heimatland waren damals die meisten Menschen arbeitslos. Der Verehrer wurde mein Ehemann, wenn auch mit einigen Komplikationen, da er arbeitslos, er katho-lisch und ich protestantisch war. Trotz dieser Schwierigkeiten gründeten wir eine kleine Familie mit zwei Kindern, so wurde ich zur Hausfrau.

Krieg

Ich habe sowohl den ersten als auch den zweiten Weltkrieg mit und überlebt. Das war eine schreckliche Zeit, wir hungerten und ich hatte furchtbare Angst um mich und meine Kinder. Wir saßen in unserer Wohnung während draußen die Bomben vom Himmel regneten. Die Einschläge machten einen grauenhaften Lärm. Heut zu Tage kann man sich dieses Szenario nicht mehr vorstellen.

Als sich die Russen näherten, waren alle sehr glücklich, da dies das Ende des Krie-ges bedeutete. Jedoch wurde ich aufs Bitterste enttäuscht, als mir eine Bekannte erzählte, dass es bei dem Russenempfang im Prater zu Vergewaltigungen gekom-men war.

Ich schwimme von Tulln nach Wien

Woran ich mich mein ganzes Leben erfreute war das Schwimmen. Ich war eine sehr gute Schwimmerin und gewann mehrere Preise. Ein paar der schönsten Tage in meinem Leben waren die an denen ich mit meinem Schwimmverein von Tulln nach Wien schwamm. Wann immer wir Lust hatten machten wir eine Rast und spielten Ball oder etwas anderes.

Egal, was mir in meinem Leben wi-derfahren ist und was ich durchma-chen musste, habe ich immer alles tap-fer durchgestanden. Ich sage mit Recht, dass ich darauf sehr stolz bin.

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Eva Brohsmann

geboren am 26. März 1931 im Gespräch mit Lisann Beyer und Tamara Reikl

Eva Brohsmann wurde in eine schwere Zeit hineingeboren! Beide Eltern waren ar-beitslos und sie lebten bereits mit einem Kind, ihrer Schwester, in einem kleinen Raum in einem Hinterhof. Ihre Eltern hatten anfangs Panik ein weiteres Kind zu bekommen, weil sie weder Platz, Essen noch genügend Geld hatten. Sie versuchten das Kind selber abzutreiben, was zu dieser Zeit etwas ’ganz normales’ war, jedoch ohne Erfolg und so entschlossen sie sich ihr zweites Kind auf die Welt zu bringen.Weil es zu wenig Platz gab, musste Eva ab ihrem 9 Monat bis zu ihrem 2. Lebensjahr in einem Kinderheim in Dornbach wohnen.Ihre Mutter arbeitete als Erzieherin in Kinderheimen und Parks.Ihr Vater war ein angesehener und ausgelernter Fotograf jedoch ohne Atelier, er war ein Linksstehender Mann und Mitglied einer kommunistischen Partei. Sie boten ihm ein Atelier, im Gegenzug dazu musste er illegale Geheimarbeit betreiben.Sie erzählte uns nicht was genau er machte, aber dass sie zu dieser Zeit Nachrichten über sein Büro verschickten und zwar wurde ein A4 Blatt auf Punktgröße verklei-nert und nach der Überbringung konnte man es wieder vergrößern! Im Jahre 1938 durften Juden nicht mehr arbeiten und ihr Vater musste aufhören. Sein Atelier war jetzt wieder weg.Danach wurde die Familie zerrissen, sie wollten ohne Pass nach England, London

in kleinen Gruppen gelang es auch. In Hohenberg trafen wir wieder zusammen. Von dort ging´s nach Waidhafen an der Ybbs und mit einem Transport von 1000 Kindern nach Bayern.

Wir haben damals viel erlebt: Hunger, Strohlager, Tieffliegerangriffe und wir sahen viele Tote. In Bayern lebten wir auf Bauernhöfen. Im Oktober 1945 hat mich meine Lehrerin persönlich zu meiner Mutter heimgebracht. Diese Erlebnisse sind mir bis zum heutigen Tag unvergesslich geblieben. Der gütigen Lehrerin bin ich bis heute in Freudschaft verbunden.

Arbeitsleben

Die erste Anstellug bekam Margarethe im Kinderheim Seebenstein der Gemeinde Wien. Dort verbrachten viele Kinder aus der Stadt den Urlaub. Schließlich bekam sie eine Stelle bei der Gemeinde Wien und machte die Prü-fung als Sonderkindergärtnerin bei Prof. Kussen, der sehr interessant vorgetragen hat und praktizierte im Sonder-kindergarten Auer Welsbach Park. Bis zur Pensionierung war sie Kindergartenleiterin in der Marktgasse im 9. Be-zirk, in der Schelleingasse im 4. Bezirk und in Rodaun. 1988 ging sie in Pension.

Augrund der Empfehlung einer Freundin, mit der sie ge-meinsam viel künstlerisch arbeitete, lebt sie seit 14. März 2000 am Mühlengrund.

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flüchten, dort hatten sie für sich Unterkünfte ergattert, ihr Vater konnte jedoch noch nicht weg und sollte später nachkommen. Er kam jedoch nicht.Einige Jahre später nämlich in Jahr 1946 erfuhren sie, dass er sich ’41 bei einer Frau mit einem anderen Mann versteckte und illegal arbeitete, eines Tages war er krank und blieb daheim. Der andere Mitbewohner verriet ihn und genau an diesem Tag, fassten sie ihn und brachten ihn nach Polen, wahrscheinlich in ein Auffanglager wo er in einer Gaskammer starb.Eva selbst bekam ein Jahr lang Unterschlupf bei einer Frau, die sehr gläubig war, dort wurde sie selber gläubig und behielt ihren Glauben bis jetzt bei.1946 kam die Familie zurück aus England wegen der Bombardierung in London. In London erlebte sie etwas Schönes in ihrer Kindheit, worauf sie ziemlich stolz zu sein schien. Sie durfte dort eine schöne Schule besuchen, hatte genügend zu essen und viele Freunde. 1972 verstarb ihre Mutter.Ihr Traum war es Lehrerin zu werden, der jedoch daran scheiterte, da sie die Auf-nahmeprüfung nicht schaffte. Also lernte sie Kindergärtnerin, sie arbeitete dann in Brunn am Gebirge, später war sie dann aber arbeitslos, da sie eine Linke war.Danach arbeitete sie als Sekretärin bei verschiedenen Firmen.Irgendwann heiratete sie Heinrich Brohsmann, der als Kameramann arbeitete und ihre große Liebe war. Sie bekamen einen gemeinsamen Sohn, der Puppenspieler wurde. Als dieser 16 Jahre alt war, trennten sie sich. Evas Enkelkind fotografiert ger-ne als Hobby und hat ein gewisses Talent, welches anscheinend in der Familie blieb.Nach ihrer Scheidung und nachdem ihr Sohn auszog, lebte sie ganz alleine in Gän-serndorf in einer der ersten ökologischen Siedlungen, da ihr Gemeinschaft immer schon sehr wichtig war. Deshalb zog sie vor Weihnachten 2009 nach Kalksburg in eine Generationen-Wohnanlage, wo sie glücklich lebt. Ihre Schwester, die 4 Jahre älter ist als sie, lebt heute in Kagran und beide freuen sich über jeden gegenseitigen Besuch! Sie hat die Hoffnung, dass Menschen nie wieder Gruppen bilden, um Leute ohne Grund zu verfolgen und daraus ein Krieg entsteht, sie hofft auf ewigen Frie-den.Uns gab sie mit auf den Weg immer Ach-tung vor anderen Kulturen und Men-schen zu haben, ich zitiere: „Menschen die anders sind, sind nicht schlecht, sie sind anders!“

Hier bin ich geborengedichtet von Richard Finali, Vater von Eva Brohsmann, Wien, 1941

Hier bin ich geborenHier liegt das Tal

Und stieg auf den BergUnd jubelt gegen die Sonne

Umarmte die Welten mit WonneDort holt´ ich die Kraft,

Die ich gebraucht für das,Was ich geschafft.

UndHier bin ich geboren

Und dochDas alles hab´ich verloren

Ja, es war Zeit,Ich hätte können entlaufenDoch ich war hier geboren

Hier hielt ich mich festUnd glaubte damit alles gewonnen

Wie war das so falsch!Die ganze Welt ist mir darob entronnen!

Hier bin ich geborenHier bin ich als Jude in Liebe und Treue geboren

Deshalb ist für mich nun alles verloren ...

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Gertrude Hirtenfeldergeboren am 03. August 1919, Gespräch mit Lisann Beyer und Christoph Girbinger

Gertrude erzählte uns von ihrer ärmlichen Jugend. Dazu kam, dass sie mit 17 Jahren gezwungener Maßen einen damaligen sehr guten Freund namens Franz Hirtenfel-der heiratete. Gezwungener Maßen deshalb, weil ihre Mutter nach der Scheidung von ihrem Vater, einen neuen Mann heiratete und mit diesem ’neuen’ Vater kam sie einfach nicht mehr zurecht! Sie wohnte in Atzgersdorf und genierte sich so sehr dafür, dass sie jedes Mal behauptete, wenn sie nach ihrem Wohnort gefragt wurde, sie käme aus Liesing! Auf unsere Frage, wieso sie sich überhaupt genierte, antwortete sie präzise: „Weil’s früher anders war!“

Familiengründung

Nachdem die kurze und kinderlose Ehe mit Franz endete, heiratete sie ein zweites Mal nämlich Anton Eder. Diesmal heiratete sie aus Liebe und brachte in dieser Ehe zwei Buben auf die Welt.

Kindheitserlebnis:

Ein gut in Erinnerung gebliebenes Kindheitserlebnis war, als sie Scheitelknien musste. Sie erzählte uns, dass Ostersonntag war und alle ihre schönsten Kleider

und Trachten trugen. Gertrude trug in der Kirche ihr weißestes Kleid mit einer ro-ten Masche, an die sie sich heute noch ganz genau erinnern kann. Nach der Kirche ging sie mit einer Freundin Radfahren ohne sich vorher umzuziehen. Es kam nicht anders, als dass Gertrude mit dem Fahrrad genau auf eine frisch geteerte Straße fiel und das weiße Kleid nun komplett schwarz war. Hoffnungsvoll versteckte sie es, als ihre Mutter es jedoch fand, wurde sie bestraft und ihre Knie waren nach dem Scheitelknien schmerzhaft blau!

Krieg

Als die schwierige Zeit begann, kam Hitler und wurde ’populär’. Anfang Septem-ber bekam ihr Mann einen Einberufungsbrief und Anton musste Gertrude zwei Jah-re lang mit ihren gemeinsamen Kindern alleine lassen. Das System mit den Stempelkarten, bewährte sich nicht wirklich, Gertrude musste öfters stehlen gehen, um sich und ihre Familie erhalten zu können. Sie erzählte von gestohlenen Erdäpfeln und 3 „Happeln“ Salat.

Einmal berichtete Gertrude uns, dass sie mit ihrem Kind sechs Wochen lang zu-hause eingesperrt war, weil der Kleine an Scharlach erkrankt ist und sie ihren Sohn ansonsten alleine im Spital hätte lassen müssen. Jedoch weigerte sie sich und ent-schied sich bei ihrem Kind zu bleiben und zwar eingesperrt. Eingesperrt deshalb, weil damals eine viel größere Ansteckungsgefahr herrschte.

Familie

Ihre Mutter war mittlerweile Filialleiterin von Hammerbrot geworden, der damali-ge Anker und ihr Stiefvater, Franz hatte zwei Gesichter. Nach Hitlers Zeit, wurde er Inspektor. Sie erinnert sich noch genau daran, dass jeder Freitag ein besonderer Tag war, es gab nämlich Familienessen!

Nun konnte sich ihre Familie etwas Wohlbefinden leisten. Das bedeutete des Öfte-ren eine Flasche Wein und sie konnten die übergebliebenen Essensreste ihren ver-armten Nachbarn geben. Ihre Mutter schien laut ihren Erzählungen eine sehr le-bensfreudige und hübsche Frau gewesen zu sein, die es liebte zu lachen. Aber leider schien sie nicht all zu viel für die Familie übrig zu haben. Sie genoss ihr Leben mit wenig Rücksicht.

Die heutige Jugend?

Gertrude Hirtenfelder fragte uns ob die Jugend heutzutage glücklicher ist weil sie frei ist! Mit ruhigem Gewissen konnten wir mit einem ’JA’ antworten.

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Irmgard Frankgeboren am 3. Juni 1924 im Gespräch mit Astrid Hofer, Julia Kurcz, Tamara Reikl

Aufgewachsen ist Irmgard in Niederhofen bei Stainach, ihr Vater war Beamter bei der KÖB (Kraftwagendienst der österreichischen Bundesbahnen). Die Hauptschu-le besuchte sie in Rottenmann. Bei einem Bauern in Oberösterreich machte sie das „Pflichtjahr“, im 2. Weltkrieg rückte sie zur Luftwaffe ein und war Peilfunkerin im Fliegerhorst Aigen, wo sich heute der Hubschrauberflugplatz befindet. Später war sie Ausbildnerin bei Brünn in Tschechien.

Familiengründung

Nach dem Krieg lernte sie ihren Mann kennen und be-kam in Wien zwei Söhne. Die Familie hatte im 16. Bezirk ei-nen Kurzwarengroßhandel, wo sie mitarbeitete bis sie in Pension ging. Seit fünf Jahren wohnt sie am Mühlengrund, macht gerne Gymnastik und arbeitet in der Handarbeits-gruppe mit. Sie genießt ihre schöne Wohnung im 5. Stock mit Blick zum Anninger!

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Emma Böck, preisgekrönte Sportlerin aus AtzgersdorfPetar Vucur, Philipp Grünbacher und Maximilian Müllner sprechen mit Emma Böck,

geboren am 04. April 1911

Kindheit und Jugend

Emmi Böck wuchs im 23. Wiener Gemeindebezirk auf, sie wurde in Atzgersdorf an der Liesing geboren. Ihre Eltern führten eine kleine Greisslerei in Atzgersdorf. Ihr Vater war Schuster und das mit Erfolg, er war zuständig für die Offizierstiefel des österreichischen Bundesheers. Sein Geschäft lag am Liesinger Platz beim Bahnhof. Ihre Mutter Hausfrau, sie kümmerte sich um Emmi, ihren Bruder und ihre Schwes-ter.

Ihr Leben war geprägt durch ihren Sport. Emmi war leidenschaftliche Turnerin. Als sie gerade 10 geworden war, nahm sie ihr Lehrer mit zum Kinderturnen. Damals mussten die Turner noch in diverse Schulen gehen um ihren Sport auszuüben, da es noch keine eigenen Hallen gab. Kurz darauf wurde das Turnhaus in Liesing er-richtet, sie half selbst mit dem Schubkarren beim Aufbau mit. Alles wurde noch per Hand herbei getragen. Egal ob Barren oder Reck, Emmi Böck turnte leidenschaftlich und mit großem Erfolg.

Beruf als Geschäftsfrau

Neben ihrer Turnerkarriere hatte die engagierte Frau drei Geschäfte in Liesing.

Dazu zählte eine Putzerei, die im zweiten Welt-krieg zerbombt wurde, und zwei Lebensmittel-geschäfte, eines lag gegenüber der alten Bäcke-rei Mann, es hieß „Zimmermann“. Nebenbei schaffte sie es, einen Sohn groß zu ziehen und eine glückliche Ehe zu führen.Trotz alledem blieb sie dem Turnerbund treu und turnte in aller Herren Ländern wie zum Bei-spiel in Chile und das nicht erfolglos. Ob Gold in Chile oder Silber bei anderen Wettbewerben.

Zum Wettkampf in Chile wurde die sportliche Dame von Prof. Schmidt eingeladen und wohn-te in einem Hotel in dem unter anderem auch die Englische Queen residierte. Es wurde nicht nur geturnt sondern auch ge-

Rechts. Emmi Böck als Springerin

Unten: Zur Finanzierung der Errichtung des neuen Gebäudes des Turnvereins Liesing in der damaligen Feldgasse (heute Pellmann-gasse) wurde in den 1920er Jahren eine Postkarte aufgelegt, bei deren Erwerb 20g (Groschen) zur Errichtung des Hauses gespendet wurden. (Bild aus dem Bezirksmuseum Liesing)

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Emma Böck tanzt mit Manfred Car beim Faschingfest am Mühlengrund im März 2011, kurz vor ihrem hundertsten Geburts-tag.

tanzt und das nicht weniger erfolgreich. Der Österreichische Turnerbund dankte der engagierten Dame ihre langzeitige Treue mit einer riesigen Geburtstagsfeier anlässlich Emmi Böcks’ 100-jährigem Geburtstag. Einige hundert Leute wurden in die Sporthalle des Turner-bundes eingeladen und als wäre das nicht schon genug, wurde ein neu-er Preis vergeben. Der Emmi Böck- Preis wurde zum ersten Mal in der Geschichte vergeben und das an kei-ne Geringere als Emmi Böck.

Leben am Mühlengrund

Leider erlitt sie im Alter von 90 Jah-ren einen Aorta-Sprung und musste operiert werden. Da sie den Direk-tor des Mühlengrunds gut kannte, zog sie kurz nach ihrer Operation im Haus am Mühlengrund ein.

Bild oben: Freiturnen 1951 am Turnplatz Liesing (Bild aus dem Bezirksmuseum Liesing)Nebenseite:Bild rechts: Das Gebäude des ÖTB Turnvereines Liesing im Oktober 2011, welches durch die Turmkuppe weithin auffällt.

Bild rechts unten: Eintrittskarte zum Maskenball des Turnerbundes, 1930, als Emmi Böck 19 Jahre alt war.

Stolz erzählte uns Frau Böck, dass sie nie nur eine Zigarette geraucht, geschweige denn ei-nen Schluck Alkohol getrunken habe. Emmis Lebenselixier ist der Sport - ein ge-sunder Lebensstil.

Der österreichische Turnerbund wurde 1885 gegründet, das Liesinger Vereins-lokal, in den ersten Jahren eine Baracke, wur-de in den 1920er Jahren neu errichtet. 1978 wurde die markante Kuppel aus 528 Wellalu-miniumblechen von 21 Vereinsmitgliedern in tagelanger Arbeit selbst gedeckt, in den Win-termonaten davor wurden die 120 m2 Bleche mit einer Kompressorsäge selbst angefertigt. Nach dem Bohren von 3000 Löchern wurden die Bleche mit ebensovielen Nieten befestigt. Dazu musste Kletterausrüstung verwendet werden.(Quelle: Vereinsmitteilungen des Österr. Tur-nerbundes 202/217, Okt. 1978)

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Margarethe Felder, Altösterreicherin aus Bielitz in PolenJohanna Schagerl und Melanie Jaksch sprechen mit Frau Felder,

geboren am 9. Jänner 1927

Kindheit und Jugend

Margit, wie sie genannt werden will, ist im heutigen Bielsko Biala, einer schönen am Fluß Bialka in Polen liegenden Stadt aufgewachsen. Ihre Eltern hatten ein Geschäft mit Haus- und Küchengeräten. Die Stadt hat damals auch viel Textilindustrie ge-habt, die Stoffe wurden nach England exportiert und gingen von dort als „Englische Stoffe“ in alle Welt. Als Kind mußte sie im Garten immer Unkraut jäten, was ihr nicht sehr gefiel. Oft versteckte sie sich in einer Astgabel am Kirschbaum mit einem Heft und Bleistift und schrieb Gedichte. Als die Eltern sie suchten, waren sie böse, dass sie statt zu arbeiten dichtete - und diese Begabung des Schreibens ist ihr bis heute geblieben.

Deutsche Besetzung Polens

Im September 1939, als Hitler Polen besetzte, wurde die Klosterschule geschlossen. Margit besuchte in Troppau die Oberschule für wirtschaftliche Frauenberufe. Im Jänner 1945 mußte die Familie mit dem letzten Militärtransport unter Beschuss der Roten Armee Polen verlassen. Tage zuvor waren schon Tag und Nacht Flüchtlinge vom Osten durch Bielitz gezogen, sie hatten auch viele in ihrer Wohnung aufge-nommen. Über Sternberg in Normähren, wo ihr Vater Verwandte hatte, zogen sie

zur Schwester ihrer Mutter nach Wien. Kaum waren sie dort angekommen begannen die Luftangriffe der Alliierten, es gab keine Nacht, in der sie nicht im Keller saßen.

Nachkriegszeit

Es gibt kaum eine Arbeit, die Margit nicht ge-macht hat! Zuerst arbeitete sie als Löterin in der Radiofabrik Ceija & Nissl im 14. Bezirk, dann bei einer Baufirma beim Wegräumen von Schutt, schließlich in Kaisermühlen bei einer Parkettfirma am Holzlagerplatz, oft Arbeiten, die sonst nur Männer machten!

In Wien lernte sie ihren Mann kennen, bekam 3 Töchter und einen Sohn, später arbeitete sie als Modistin, dann als Verkäuferin in einer Bäcke-rei für Diabetiker

Leben am Mühlengrund

Heute lebt Margit bereits seit 12 Jahren am Mühlengrund, gehört zu den aktivsten Bewohnerinnen, sie nimmt an vielen Veranstaltungen teil, hat begonnen, Englisch zu lernen, da sie von Kindheit aus „nur“ Polnisch, Russisch und Deutsch kann. Sie genießt das Leben, liebt die Musik und schreibt alles, was sie erlebt in ihr Heft. Es sind daraus schon einige „Bücher“ entstanden.Ob Prosa oder Poesie, sogar Interviews für dieses Buch, Margit hat immer gute Ide-en und ist stets hilfsbereit.

Ihr Lebensweg faszinierte auch den Englisch-Lehrer und Schriftsteller Nigel A. James, als er sie im Unterricht kennen lernte, er veröffentlichte folgendes in seiner Internet Zeit-schrift „DIARIKOM“:

On the Right track!

For some people, their passage through life is often a question of making the most of things as they come. Many are good at it, few are excellent, and those who understand this art of survival are the ones who are able to see the promise in even the lowest of jobs. For them, there is nothing too low, for, in their humbleness lies the

Margit, als 3-jährige und ihr Bruder Fred als 1-jähriger. Er ist später nach Kanada ausgewan-dert.

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strength of great steel. And one such person who has successfully been down the highways and byways of life is Margaret Felder.It was after the war. Things were hard. Margaret, like many others, too, was hungry and looking for work. Vienna was rebuilding, and, at the top on the list was the getting in order of the public transport system. This was not only good for the city, but perfect for Margaret, too. And, so it was that she became a tram conductress. In those days a very sought after job, and one with a very smart dark blue Ceija & Nissl uniform, too! But, of course, there was not just the selling of tickets and smiling. There were other sides, too, and they weren’t always easy! There are two things that stand-out in her mind. The first, and perhaps the hardest, was the uncoupling and re-coupling of the rear carriages at the beginning and end of each journey. This wasn’t so bad in the summer, but, in the winter with its icy temperatures and early afternoon darkness, the lifting of the heavy and dirty and often freezing cold hooks and chains was something that nobody envied. But that was life and all part of her daily routine. The second thing which sticks out in her mind had more to do with amuse-ment than anything else.It was always the same, and late Saturday nights were the best. The route upon which Margaret worked was the line 43, the connection between the outlying wine district of Neuwaldegg and the centre of Vienna. Many (if not most) of the passen-gers were still over-merry as they boarded the tram for a ride-home of laughing and singing; and, more often than not, Margaret broke all of the rules and joined in with it all! And fun makes life easy and nice. Margaret has now gathered together the threads of her life in a book. And it is very interesting. In it are the people she met and the unforgettable times which she had - and all because she kept off of the high road and travelled the low road instead!

Veröffentlicht in „Diarikom“ (http://diarikom.blogspot.com/): Margaret Felder - A short encounter. von Nigel. A. James.

The Working with People of Years!Some very short thoughts to retire with

by Nigel. A James 13th of November 1952

I have been working with the retired for a very long time, and, during this time, I have often been asked to relate my experiences concerning this topic. This was never a problem. There is, and against that which most would believe, very little to distinguish between those of great years and everyone else. In fact, the only real dif-ficulty lays in the thinking of the many and their understanding of the word “old”.

So, what does the word “old” really mean? Its meaning, for most people, depends upon the traditional perspectives of putting peop-le into easily understood groups. A teenager, whilst accepting him or herself as still being young, would, I am sure, look upon a person of fifty as old, but a person of eighty, without any doubt at all, would consider a person of fifty as still being young, and so-on, and so-on. So, what is the best way of addressing this point? Firstly, the phenomenon of being old has nothing at all to do with the years one has gathered. There are, after-all, very many “old thinking” people who are well below forty, and, like wise, there are very many people of very high ages who have the strength and the energy of those with half of their years. Why is it that people who remain mentally active never grow old in the same way that others do?

The answer is in the way that they do it! There are many different ways of exercising one’s mind, and the essential thing is that one has to be active and not just passive. Reading and watching films on TV are simply not enough; one has to be creative! And learning a language is the best way of all.

And this is the point of it all. Our English discussions are always exciting; for, these people of years, who have kept up their efforts and their interests, are able to con-tribute that which no others can. They have memories and experiences that stretch back to times long ago – and, it is about these treasures that they not only talk about, but write about, too! These people, for me, because of their hard work and discipli-ned learning, are a great pleasure to be with. And this is a very good thing! And knowing so many fine people is a privilege! I have derived countless moments of great pleasure from the many times we have had, and, what I have learned from them has provided not only a different understanding of the nature of man, but, also knowledge in depth of how life used to be.

And this is my greatest experience of all! Working with the elderly is like having a magic key to the past, and what could be better!

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Interview mit meiner Großtante Maria Schmidtgeboren in Atzgersdorf, 1921

Bettina Rosenberger

Mit wie vielen Jahren bist du in den Kindergarten gekommen?

Mit 3 Jahren war der Anfang, man wurde von der Mutter hingebracht, das hat es ja nicht gegeben, dass eine Frau berufstätig war. Zu Mittag wurde man abgeholt um zu essen und dann wieder hingebracht. Es war eine sehr schöne Zeit. Der Kinder-garten war nicht sehr weit und hatte einen großen Garten. Wir sind aber noch mit den Händen am Tisch gesessen. Der Aufenthaltsraum war schon wie eine Schule eingerichtet, zu viert sind wir auf Bänken gesessen, nicht mal schwätzen durfte man. Wir wussten ja nicht was uns bevorstand, wir sind ganz gern gegangen. Wir lernen ja nix, die erzählt uns ja nur etwas, dachten wir damals immer. Jedes Jahr ist mehr dazugekommen bei der Vorbereitung für die Schule, aber es war alles mehr spielerisch. Man hat Kontakt zu den anderen Kindern bekommen. Es war ja früher so, dass sogar schon im Kindergarten in der Früh zum „Unterrichts-beginn“ das Vater-Unser gebetet wurde. Und in der Schule, dann auch, auch wenn wir Französisch hatten, dann war es halt auf Französisch.

Wie hat dir der Unterricht in der Schule gefallen?

Nachdem ich vom Kindergarten schon ein wenig vorbereitet war, fiel der Umstieg leicht, außer, dass wir das Spielerische vermisst haben.Es war schon etwas strenger, wir haben auch gebetet. Wir haben Aufgaben nie als Belastung gesehen, es hat sich eben so gehört, dann wurde gegessen, dann durften wir in den Garten. Um halb 5 waren wir schon mit allem fertig, der Vater ist nach Hause gekommen. Und wir haben gemeinsam eine Jause gehabt. Danach sind wir auf die Straße gegangen. Wir hatten alte Räder von Fahrrädern auf einen Stock ge-dreht. Wir haben Tempelhüpfen gespielt, dann hieß es schon die Schmidt-Töchter sind draußen und alle Kinder aus der Straße sind zusammen gekommen und haben gespielt. Sonst hatten wir alles gespielt, was wir aus dem Turnverein konnten, wir durften ja auf der Straße spielen, weil kaum ein Autoverkehr war. Ansonsten waren wir im Turnverein sehr aktiv, das hab ich gern gemacht. Dann sind wir nach dem Turnverein auch Volkstanzen gegangen. Wir lernten durch den Verein schwimmen. Wir wurden an ein Seil angehängt und lernten dadurch schwimmen, wir hatten eine solche Angst vorm Ertrinken.Deswegen konnten wir in den Ferien dann auch schwimmen gehen, denn, dass man in den Ferien wegfährt, gab es damals noch nicht. Durch den Verein durften wir immer eine Stunde länger als die anderen noch im Schwimmbad bleiben, ob-wohl es offiziell schon geschlossen war.

Was war dein Vater von Beruf?

Er war gelernter Schlosser und war bei einer Fir-ma in der Metallindustrie und hat dort die me-chanische Werkstätte geleitet. Und meine Mutter führte den Haushalt. Früher hätte sich ein Ehe-mann geniert, wenn seine Frau arbeiten gegan-gen wäre, das wäre für ihn eine Schande gewe-sen, wenn er seine Familie nicht erhalten könnte.

Wie ging es dir in der Schule? Warst du eine gute Schülerin?

Ich war immer eine gute Schülerin, aber ich weiß nicht wieso, es war sogar zu leicht. Zum Beispiel hatte ich als Freigegenstand Französisch in der Hauptschule, ich hatte keine Vorstellung wie man eine fremde Sprache lernt. Die Lehrerin hat nur französisch gesprochen. Schön langsam sind wir geprüft worden und ich hab eine Vokabelliste gehabt, ich hab sie einmal runter gelesen und dann wieder rauf und ich konnte sie. Das ist aber auch nicht gut, denn nach der Prüfung war alles wieder weg.

Hattest du Berufswünsche?

Nein, eigentlich nicht, wir haben nur das Schulische gemacht und nicht auf einen Beruf hingestrebt. Daran haben wir gar nicht gedacht, dass wir auch mal Geld ver-dienen. Es hat ja keine Arbeit gegeben, es war eine schlechte Zeit. Die Jahre von 1920 bis 1930 war keine Arbeit zu kriegen, wenn ein Mann eine Arbeit gehabt hat dann ist er von allen anderen beneidet worden. Mein Vater hat manchmal am Samstag Überstunden machen müssen und hat dann einen Umweg machen müssen, damit er nicht durch den Park musste, wo bereits um 6 Uhr morgens Arbeitslose waren. Denn diese hätten an seiner Tasche mit dem Essen gesehen, dass er Arbeit hat. Er wurde direkt beneidet, dass er Arbeit hat. Es war schrecklich, es war eine schreck-liche Zeit, jetzt ist es manchmal schon ähnlich. Ich hab es ja auch erlebt, wie es ist, wenn man arbeiten will, aber nicht kann.

Im 37er Jahr bin ich mit der 2-jährigen Kaufmännischen Wirtschaftsschule fertig ge-worden, die hab ich nach der Hauptschule gemacht. Ich wäre so gerne ins Gymnasi-um gegangen, denn all unsere Bekannten aus Liesing und vom Turnverein sind alle nach Mödling ins Gymnasium gefahren. Meine Eltern haben gesagt, es ist ausge-schlossen, denn meine Schwester, die 2 Jahre jünger war, hat mit der Fortbildungs-schule begonnen und zweimal Schulgeld haben sie nicht zahlen können.

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Es war unerschwinglich, da die Mutter ja zu Hause war. Man hat ja alles selbst zah-len müssen, den Schwamm für die eigene Tafel. Wenn man auf dieser geschrieben hat, musste man alles wieder löschen.

Ich hätte sehr gern die Matura gemacht, aber die Eltern haben gesagt es geht nicht, weil ich eine Ausbildung fertig habe und sie müssen schauen, dass ich eine Arbeit finde. Von 37 bis 38 gab es keine Möglichkeit zur Arbeit, das war die schrecklichste Zeit, das wünsche ich niemandem, wenn man arbeiten will, aber nicht kann. Ich hätte ja alles angenommen. Bei uns war das ja ganz grauslich. Und dann wie der Hitler gekommen ist, war auf einmal Arbeit da. Am 12. März 1938 sind bei uns in Atzgersdorf die ersten Soldaten einmarschiert und die hatten ihre Küche mit den Kesseln mitgehabt usw. Sie haben Essen mitgebracht, weil sie hörten, dass wir nichts hatten. Wir haben jeder eine Schüssel Gulasch bekommen. Aber wir hatten ja schon Essen, halt nur das Notwendigste, wir hatten Brot und Schmalz.Da waren Familienväter die waren seit 10 Jahren arbeitslos, die mussten jede Woche zum Arbeitsamt stempeln gehen, damit sie Notstandshilfe bezogen mussten sie sich jede Woche diese Erniedrigung geben. Wenn jemand entlassen wurde, war über-haupt keine Chance mehr, nicht mal als Hilfs- oder Schwarzarbeiter. Weil keiner hatte Geld. Dadurch hatte der Hitler auch Zuspruch bekommen, weil auf einmal Arbeit da war. Die Väter mussten auf den Autobahnen arbeiten. Aber das hat man alles erst nachher verstanden, was da eigentlich los war.

Wie hast du die Zeit des Nationalsozialismus in Erinnerung?

Wir haben schon gewusst, da ist jemand in Deutschland der Adolf Hitler heißt. Wir kannten ja vorher nur den Namen Adolf Hitler, manche meinten wir werden schon sehen, wie es uns gehen wird, wenn der dann kommt, aber mehr wussten wir nicht. Bevor er gekommen ist, war es ganz arg. Jeder hat unter irgendetwas gelitten, die meisten daran, dass sie keine Arbeit hatten. Wenn ein Familienvater mit zwei oder drei Kindern sich kein Brot leisten konnte. Wir konnten uns zum Beispiel auch nur einmal die Woche, wenn überhaupt Fleisch oder Wurst leisten.

Ich weiß heute noch, dass eine Zeitung 7 Groschen gekostet hat, genauso viel wie eine Semmel. Und wer sich eine Zeitung leisten konnte, wurde von den anderen Leuten schief angeschaut.

Ich weiß es noch genau, da war ja die Zeit, wo vorher der Dollfuß war, der hat sich ja eh so bemüht, ist ihm halt nicht so gelungen. Und dann war der Schussnig da, der ja der letzte Bundeskanzler war und da weiß ich heute noch wie der Tag war, bevor die Deutschen gekommen sind und ich im Radio höre wie Schuschnigg sagte: „Ab morgen kommt die Deutsche Wehrmacht und Gott schütze Österreich.“ Es war ja schon zum Teil während Dollfuß verboten, Radio zu hören, wir haben uns sonst, aber unter dem Ständestaat nichts vorstellen können. Hier in Liesing war ja nichts, das war ja nur drinnen in Wien.

Wie hat Atzgersdorf in deiner Jugend ausgesehen?

Wie waren ja Niederösterreich und erst wie der Hitler gekommen ist, sind wir mit Liesing zusammen gelegt worden. Obwohl wir die größere „Stadt“ waren. Das ging dann hin und her einmal waren wir in Wien einmal Niederösterreich, wir wussten eigentlich nie wo wir wirklich sind.

Hast du unmittelbare Veränderungen aufgrund der Nazis gespürt?

Ich hab am 28. Juli 1938 meinen ersten Posten bekommen, mein erster Posten!Ich musste die Telefonverbindungen stecken, also die Verbindungen herstellen, wahrscheinlich hab ich in der ersten Woche alle falsch verbunden. Damals hat man in der Schule ja keine praktische Arbeit gemacht. Da hat es mir auch nichts gebracht, dass ich jede Klasse mit Vorzug abgeschlossen hab.

Wir haben nie was gehört, dass Hitler auf die Leute losgeht oder dass es KZs gibt, wir haben erst angefangen was mitzubekommen, wie die Juden verschwunden sind. Es hat jedes Geschäft zusperren müssen, egal ob es ein Jude, ein Halbjude oder Vierteljude war. Gleich hier um die Ecke war ein Möbelgeschäft, der Besitzer war ein Jude und ja so entgegenkommend!Und auf einmal war der weg und andere auch, also ganze Familien. Man hört dann, die mussten nach Deutschland. Mehr wusste man nicht. Auch der Direktor von der Firma, wo ich arbeitete. Er war Halbjude und bekam von einem auf den an-deren Tag seine Kündigung, er emigrierte nach England. Er war so ein anständiger und ehrlicher Mensch und hat sich um seine Arbeiter gekümmert.Es wurde alles zugesperrt sogar gewöhnliche Greissler.Die Soldaten sind ja von uns aus gesehen nicht aus Norden gekommen, sondern haben Wien umgangen und die ersten Deutschen sind am 12. März über Mauer und Rodaun gekommen, teilweise haben wir sie am Berg gesehen und man hat sich gefragt, was ist denn da los.Die Juden haben sich bei uns ja nichts zu Schulden kommen lassen, das ist so graus-lich, wir haben das alles erst später gehört.

Wie hast du die Zeit des Zweiten Weltkrieges erlebt?

Während des Zweiten Weltkrieges sind wir dann die ganze Zeit am Radio gehan-gen, also am Volksempfänger, dann hat der Kuckuck geschrien und die Leute sind geflüchteten wir zB. in den Keller von der Brauerei von Liesing. Die Entwarnung war dann so ein Dauerton. Der Krieg hat sich dann immer wo anders abgespielt. Aber wie die Engländer dann gekommen sind, da ist es schon zugegangen. Die sind eingeflogen und haben in der Nacht Brandbomben geworfen, ganze Häuser sind abgebrannt ganze Ortschaften waren weg. Du hast nie gewusst in der Früh, ob du am Abend noch einen Platz zum Schlafen hast. Das war schrecklich, das ist den gan-

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zen Tag so gegangen. Das Ärgste waren ja die Engländer. Die Russen sind erst dann gekommen wie alles frei war. Wir haben nur gesagt, alles ist uns egal wir wollen nur nicht in der russischen Zone sein, und was war dann? Wir wurden genau eine rus-sische Zone. Wir haben eine Einquartierung bekommen, unser Haus war besetzt. Es war ein Russe, der ein Zimmer beschlagnahmt hatte. Es war der Sohn eines Arztes aus Charkow. In Russland war damals die erste Fremdsprache Deutsch. Wir waren dadurch sicherer, dass wir einen Offizier hatten, der war auch höflich. Er sagte, wir brauchen keine Angst haben und er passt auf, dass uns nichts passiert. Er schreibt eine Tafel, dass das Haus schon besetzt ist und ja niemand hinein darf. Der hat sich wirklich um uns gekümmert, auch wenn in der Nacht auf der Straße Lärm war.Er hat sich vor allem angepasst, grüßte auf Deutsch, klopfte an die Türen an und zog die Stiefel aus. Durch ihn hatten wir wirklich Schutz. Er hat den Belag vom Boden angegriffen und wegen den Schlössern gemeint und auch sonst wegen der westlichen Einrichtung gesagt, dass wir alle Kapitalisten sind.Er war ein Jahr bei uns, doch auf einmal ist er nicht mehr gekommen, obwohl er sein Gewehr und seine Sachen noch bei uns hatte. Angeblich wurde er versetzt.

Als die Russen gekommen sind hab ich auch meine Arbeit verloren, weil die haben den ganzen Betrieb leer geräumt und haben alles mit den Schiffen und Flugzeugen nach Russland gebracht. Die Betriebe haben sie als Kriegsbeute beschlagnahmt. Sie haben die Maschinen abgeschweißt, sie auf ein Riesenblech gestellt und wegge-bracht. Weil wir mit Siemens zusammengearbeitet haben, wurde der Betrieb genau-so behandelt als wäre dieser deutsch gewesen. Und dann waren mein Vater und ich arbeitslos. Ganz grauslich diese Zeit, die wünsche ich wirklich niemanden.

Wie war der Wiederaufbau? Die Engländer wollten, die Südbahn treffen, haben aber ihr Ziel verfehlt und auf Häuser und Felder geschossen. In unserer Straße wurden 2 Häuser von Bomben getroffen, es gab auch sofort Tote. Man musste immer die Fenster öffnen, wenn der Kuckuck losging.Wenn die Bomben gefallen sind, hat die Erde so gewackelt, wie wenn ein Erdbeben gewesen wäre.

Ich wünsche es niemandem, dass er einen Krieg erleben muss und darunter leidet. Weil du weißt nicht, was sich da alles entwickelt, du kannst der beste Mensch sein und es nützt dir nichts. Das siehst du auch heute bei den Arbeitslosen, die lernen und lernen, aber keinen Job kriegen. Im Krieg zu leben, habe ich mir gut gemerkt.

Julie Schneider, Kindergärtnerin aus Leidenschaftgeboren in Wien, 2. Oktober 1921

Julie besuchte die Volkschule und Hauptschule im 12. Bezirk, dann freiwillig den einjährigen „Lehrkurs“ (heute polytechnischer Lehrgang). Die Vereinigung für ar-beitende Frauen bot eine Ausbildung für Erzieherinnen an, als ich 15 war. Dann kam Hitler, ich mußte das Landjahr machen, ich arbeitete in Schlesien bei Breslau bei einem Bauern. Ich lernte melken, und fand es interessant, da mich Tiere immer interessierten. Nach Rückkehr nach Wien hatte der Krieg begonnen, wir wurden bis 1945 zur Firma Schrack-Ericsson dienstverpflichtet, wo ich Feldtelefone montieren musste. Die schwerste Zeit war unmittelbar nach Kriegsende, wir hatten Hunger-ödeme, da es so wenig zu essen gab. Dann ging ich zu den Kinderfreunden als Erzieherin und bekam die Möglichkeit zur Ausbildung an der Kindergärtnerinnen Bildungsanstalt der Stadt Wien.

In den 60er Jahren unterrichtete ich an der Kindergarten Bildungsanstalt. Anfang der 70er Jahre wurde ich Kindergarteninspektorin. In der Pension bin für 20 Jah-re nach Augsburg gegangen. Nach dem Tod meines Mannes kam ich wieder nach Wien, und lebe jetzt seit 11 Jahren am Mühlengrund. Meine Schwester wohnt in der Nähe im Wohnpark Alterlaa. Mein Sohn ist leider nach einem Schlaganfall im Pflegeheim. Es kann einem eigentlich nichts besseres passieren als hier zu leben. Meine Hobbys waren Lesen und Reisen. Da ich nun schlecht sehe, bin ich bei der Trommelgruppe und bei der Quizgruppe. Früher war ich auch bei der Internetgruppe, ich arbeite immer noch zeitweise auf meinem Notebook

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Bruno Schweiger, ein lustiger „Hunderter“geboren am 5. September 1911 erzählte Witze für Maximilian Müllner, Christoph Girbinger

Er kam, wir hatten ihn noch nie zuvor gesehen,

ganz unvermutet zu unserem„Jour fixe“ am Mittwoch,

begann Witze zu erzählen, nicht irgendwelche,sondern wirklich lustige,

die wir noch nie gehört hatten.

Bald erfuhren wir,dass Bruno fast nichts sieht

und vielleicht deshalb so gerne sprichtund auch zuhört, und -

dass Bruno fast „100“ ist.

Als wir ihn im Oktober wieder besuchen wollten,sagte man uns, dass er den 100. Geburtstag

noch erlebt hatte ...Wir denken gerne an den lustigen Nachmittag zurück

und bewundern seine positive Lebeseinstellung!

Meine Lieblingsgeschichte: Ein kleiner Bub aus Norddeutschland feiert mit seinem großen Bruder und seiner kleinen Schwester Weihnachten. Sie stellen am Abend ihre Teller in den offenen Kamin, damit der Weihnachtsmann seine Geschenke hi-nein wirft. Vor Aufregung kann der Kleine nicht schlafen, er steht auf und stellt seinen Teller heimlich genau in die Mitte, damit mehr d´rauf fällt. In der Früh findet er nur einen dürren Apfel und ein paar Kekserl, die anderen finden volle Teller. Niemand kann sich das erklären. Dann gesteht er es der Mutter. Sie sagt, er soll nochmals den Teller hinstellen. Am nächsten Tag hat er eine bunte Mütze, einen Schal und ein Bilderbuch gefunden. Seither hat er niemals wieder seinen Teller in den Vordergrund gerückt.

Bruno Schweiger: Perchtoldsdorf. Als seine Augen noch besser waren, malte er gerne, seine Bilder verschönern das Café und die Gänge des Hauses am Mühlengrund

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Karoline Kinningergeboren am 15. Februar 1931 im Gespräch mit Johanna Schagerl und Melanie Jaksch

KindheitAls die Russen kamen mussten wir aus der Wohnung, in der ich mein ganzes Le-ben gewohnt hatte, ausziehen. Sie versprachen uns, dass wir bald wieder einzie-hen könnten, jedoch dauerte dies zehn Jahre. Da ich erst 15 Jahre alt war emp-fand ich diese Zeit nicht ganz so schlimm, als wie ich sie heute empfinden würde. Zum Glück mussten wir nie wirklich hungern, da mein Vater durch lange russische Kriegsgefangenschaft perfekt Russisch sprechen konnte. Nach unserem Auszug wohnten wir bei meiner Tante in Perchtolsdorf in der Schwelgergasse. Ich besuchte eine Haushaltsschule in Mödling und begann danach eine Lehre als Schneiderin im 6. Bezirk in der Webgasse, da meine Mutter überhaupt nicht nähen konnte.

BerufEigentlich wollte ich immer Säuglingsschwetser werden, trotzdem folgte ich dem Rat meiner Mutter. Meine Chefin nähte Lampenschirme und als sie einen großen Auftrag von einem Architekten bekam bat sie mich um Hilfe, da ich eine geschickte Näherin war. Leider erkrankte meine Chefin an Krebs und so begann ich bei der Fir-ma Philips zu arbeiten, wo ich sieben Jahre blieb. Als ich mit meinem Sohn schwan-ger war musste ich sofort nur mehr leichte Arbeiten verrichten.Eine Zeit an die ich mich immer gern erinnere, sind die Campingurlaube mit mei-nem Mann in Italien. 40 Jahre lang fuhren wir immer drei Wochen auf denselben Campingplatz. Schwimmen und Radfahren waren meine Lieblingssportarten und dort konnte ich mich so richtig austoben. Das waren einige der schönsten Wochen meines Lebens.

Emilie Gold, die MeidlingerinGespräch zwischen Helena Wittich, Charlotte Wozasek und Arabella Weidlinger mit Emilie

Gold, geboren am 30.November 1920

Emilie Gold kam am 30.11.1920 in Wien zur Welt. Sie ist die älteste von 3 Kindern und verbrachte ihre Kindheit und Jugend im 12. Wiener Bezirk. Durch den Krieg hatte Emilie eine schwere Kindheit. Als Meidling bombardiert wurde, lag der gan-ze Bezirk unter Wasser. Essen bekamen sie nur von den Russen und um an sauberes Wasser zu kommen, musste sie zu Fuß bis zur Sechshauserstraße gehen. Emilie machte eine Lehre in einer Parfumerie und einem Haushaltsartikelladen. Mit 25 Jahren musste sie nach Baden zu ihrer Mutter. Dort hat sie im Keller gewohnt und eine furchtbare Zeit durchlebt.Am 01.01.1956 ändert sich Emilies Leben schlagartig. Sie war mit einer Freundin in einem Lokal „Wienberger“ am Wiener Gürtel tanzen und lernte dort einen Mann kennen. Es war ein Sudetendeutscher der ausgebildeter Weberleiter war. Es war Liebe auf den ersten Blick. Gleich im folgenden Oktober heirateten die zwei. Durch ihren Mann gewann sie wieder neue Kraft und bald bekamen sie auch 2 Töchter. Eine ihrer Töchter wurde Direktorin der Raiffeisenbank. Nach 30 Jahren Ehe und einem Alter von 56 Jahren ist ihr Ehemann verstorben. Emilie schafft es auch diese schwere Zeit hinter sich zu lassen und beschließt mit 71 Jahren sich im Pensionistenwohnhaus „Haus am Mühlengrund“ zurück zu ziehen. Nun ist Emilie seit 19 Jahren am Mühlengrund und bereut ihre Entscheidung ganz und gar nicht. Ihre Töchter kommen sie regelmäßig besuchen und die Leute seien sehr hilfsbereit und freundlich. Im Dezember (2010) hatte sie ihren 90. Geburtstag, den Emilie aber leider im Krankenhaus verbringen musste, da sie an einer starken Lungenentzündung erkrankt war. Heute ist sie wieder wohlauf und ist sehr glück-lich wieder am Mühlengrund sein zu können.

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Maria Fürstgeboren am 1. August 1923 im Gespräch mit Tamara Reikl und, Julia Kuruz

Maria stammt aus einer sozialistischen Arbeiterfamilie, totzdem wendet sie sich spaeter dem Kommunismus, speziell dem Trotzkismus zu. Sie besuchte die Volk- und Hauptschule, wo sie immer zu den kleinsten und froehlichsten zählte. Einer ihren Klassenkollegen war Menasse (aus der Familie stammt der bekannte Autor). Durch ihn hatte sie gut Beziehungen zu reichen Juden und wurde oft eingeladen. Mit sechs Jahren hatte sie den Wunsch, Klavier spielen zu lernen. Ihr Va-ter, der gerne im Kaffeehaus Karten spielte und wenig Geld hatte, wurde von den Freunden überredet, einen Flügel zu kaufen. Dies war nur mit Ratenzahlungen möglich. Als Maria 15 Jahren alt war, bekamen ihren Eltern ein weiteres Kind, einen Bruder. In der kleinen Zimmer-Küche Wohnung herrschte nun wegen dem Flügel Platznot und der Bruder musste kurzerhand unter dem Flügel schlafen. Maria begann nach der Schule eine Lehre und fand dort in einer Kollegin ihre geistige Mutter, die ihr viel an Sprachen und Politik beibrachte. Sie hat gerne gerlernt und Französisch wurde zur Sprache, die sie spaeter auch in ihrem Beruf in einer tiroler Import-Export Firma brauchen konnte.nach vielen Bewerbungne klappte es mit ihrem Wunsch, in Frankreich arbeiten zu können. Sie bekam eine Stelle als Au Pair- Mädchen in Paris. Wenn sie die Kinder in die Schule gebracht hatte studierte sie französisch für Ausländer an der Universität.

Da der Altersunterschied zwischen ihr und ihrem Bruder so groß war, übernahm sie viele Erziehungsaufgaben der Mutter. Es reifte in ihr der Wunsch nach einem eigenen Kind. Heiraten stand für sie jedoch nicht im Vordergrund. Nach der Geburt ihres Sohnes hatte sie nur sechs Wochen Karenzzeit und stand danach wieder im Beruf. Da sie gut verdiente, konnte sie sich ein Kindermädchen leisten. Als ihr Sohn

Karl Bur, der WandererElife Cicek und Stefan Rezac mit Karl Bur, geboren am 16. November 1923

Seine JugendEr wuchs am Land auf und wurde auch zur Feldarbeit herangezogen. Er hatte auch einen zweiten Wohnsitz bei Tulln. In seiner Freizeit ging er gerne wandern. Diese Leidenschaft blieb ihm bis heute erhalten. Seine AusbildungHerr Bur besuchte wie gewöhnlich die Volks- und Hauptschule. Anschließend be-gann er eine Lehre als Bank- und Versicherungsangestellter. Dann wurde er beim Heer eingezogen. 1946 begann er bei der Firma Uniqua zu arbeiten und blieb dort bis zum Jahre 1984. Mit seiner Frau war er 55 Jahre verheiratet.Seine Ansichten zur heutigen Zeit: Die heutige Zeit beschreibt er als sehr familienfeindlich, da die Menschen Geld ori-entierter und durch ihren Beruf eingeschränkt sind. Ihm war die Freizeit und die Familie schon immer wichtiger als die Aussicht auf das große Geld. Anmerkung:Wir waren fasziniert von den Standpunkten Herrn Burs und fanden es sehr nett, dass er uns seine Zeit gewidmet hat.

drei Jahre alt war, heiratete sie einen ebenso alleinerziehenden Vater einer Tocher, mit dem sie sieben Jahre zusammen lebte. Sie liessen sich zwar scheiden, hatten aber bis zu seinem Tod noch eine „Wochenendbeziehung“. Seit ihrer Pensionierung reist sie gerne und freut sich über die Betreuung im Haus am Muehlengrund, die ihr lästige Hausarbeit erspart.

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Gertrude StoiberLisann Beyer spricht mit Gertrude Stoiber, geboren am 28. November 1921 in Wien Mauer

Stoiber Gertrud wurde als eines von 5 Kindern geboren und hatte eine recht ange-nehme und schöne Kindheit mit ihren zwei Brüdern und Schwestern.Sie ging im 1. Bezirk in der Hegelgasse zur Kaufmännischen Wirtschaftsschule, die zwei Jahre lang dauerte. Am 13 März 1938 begann die ‘Befreiung‘ und ihre Schule wurde von heute auf morgen für ungefähr 14 – 21 Tage einfach geschlossen.

1938

Als die Schüler wieder in das Lehrgebäude durften, bemerkte Gertrud sofort einige Veränderungen. Die auffälligste und beängstigendste war, dass sämtliche Lehrer, Professoren und Schüler einfach verschwanden. Ihre Klasse war auf die Hälfte zu-sammengeschrumpft. Die verschwundenen Lehrer und Schüler sahen sie nie wie-der. Es waren alle Juden einfach fort und der 1. Bezirk war damals ein von ihnen stark bewohnter Bezirk. Die Lehrer wurden einfach durch neue ersetzt!Ihr erster Bruder musste beim österreichischen Heer einrücken und ihr zweiter musste die Matura abbrechen und danach in Deutschland einrücken.Gertrud schloss ihre zweijährige Schule ab und begann bei einem Großhandel für Getreide zu arbeiten. Sie arbeitete zuerst für einen österreichischen Chef danach für einen Deutschen, mit dem sie sich jedoch auch gut verstand. Zu dieser Zeit wurde alles ‘befreit‘ und die Deutschen wanderten ein.Der Krieg begann!Mir kam es so vor, dass ihr am meisten die großen Kriegs-Flieger in Erinnerung geblieben sind. Sie erzählte mir von den grellen Kuckucks - Sirenen, die jeder fürch-tete. Wenn man eine zu Gehör bekam, dann hieß es schnell sein. Sie warnten näm-

Dienstausweis aus dem jahr 1947 und Bezugskarten für Kleidung, Lebensmittel und Rauchwaren aus dem Jahr 1948 aus dem Besitz von Gertrude Stoiber

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lich vor den tödlichen Fliegerbomben und zwang alle so schnell wie nur möglich in einem Luftschutzkeller Schutz zu suchen.

Die Russen kommenDann kam die Zeit der Russen. Die Stoiber Familie hatte in Mauer ein wunderschö-nes Haus, welches ihnen die Russen einfach weg schnappten, damit ihr höchster General ein für ihn geeignetes und passendes ‘schönes‘ Haus hat. Die Familie durf-te sich ihre Papiere und ein paar persönliche Wertsachen mitnehmen, welche aber auf das Genaueste kontrolliert wurden. Sie wurden in derselben Gasse ein paar Häuser weiter einquartiert, wo die vorherige Familie genau wie sie einfach weiter ziehen musste und nur wenige Sachen mitnehmen durfte. In der Nacht hörten sie die Russen aus ihrem ehemaligen Haus, laut feiern, singen und tanzen.Außerdem erzählte sie mir, dass die Russen versuchten, die in ihrem Garten ste-henden Figuren mit Glasflaschen abzuschießen. Am 8. April 1945 passierte etwas Schreckliches. Ihr Bruder kam voller Heimkehrfreude von Polen von seinem letzten Feldzug nach Hause. Er hatte das Gefühl voller Freude und Stolz in sich. Ohne schwere körperliche Beeinträchtigungen bekommen zu haben, überstand er alles, er überlebte den Krieg und wollte einfach nur wieder zu seiner Familie. Doch die Russen schnappten nicht nur Gertruds Haus, sondern auch ihren Bruder. Ge-nau als er vor der Haustüre stand und an nichts Anderes mehr als an seine Familie dachte, erwischten ihn die Russen in der letzten Minute. Gnadenlos erschossen sie ihn.Ein Jahr lang verbrachte Gertrude im Krankenhaus, da sie an einer schweren Lun-genentzündung erkrankt war. Oft musste sie tage- und nächtelang am Balkon lie-gen, sogar im Winter und das nur aufgrund ihres schweren Hustens (welchen man damals mit Frischluft zu heilen versuchte).Von Wien ging sie eine Zeit lang nach Oberösterreich nach Lambach auf einen Bau-ernhof, wo sie zwei Jahre lang als Magd mitarbeitete. Etwa 70 km von Lambach liegt auch Mauthausen, wo das damalige Konzentrationslager voller Juden war. Dies wusste bis dahin noch keiner. Eines Tages, als alle freigelassen worden waren, erzählte Gertrud mir, dass unzählige Menschen, die total verhungert, abgemagert und misshandelt aussahen zu ihnen auf den Hof kamen und sehnlichst nach Essen bettelten. Sie meinte, dass sie diesen Anblick niemals vergessen würde.

Arbeit im Justizpalast1947 begann sie im Justizgericht/Justizpalast zu arbeiten. Ihr zweiter Bruder, der mittlerweile zum Rechtsanwalt geworden ist, verschuf ihr den Beruf als Justizbe-amtin, den sie mit voller Leidenschaft und Freude ausübte. Ihre Aufgabe war es auf der Schreibmaschine alles zu dokumentieren und stenographieren. 1985 ging sie zufrieden und wohlverdient in Pension.Sie arbeitete ihr Leben lang immer brav, fleißig und gerne.Heute lebt sie am Mühlengrund und kann trotz allem Erlebten und Geschehenen immer lachen und genießt ihr Leben!

Stefanie Stanzl, die Wissensdurstigegeboren am 16. Januar 1919, im Gespräch mit Melanie Jaksch und Johanna Schagerl

Ich erzähle von einer sehr unschönen Zeitperiode, der Nachkriegszeit. Um zu ver-deutlichen wie das damals war, eine kleine Geschichte:Meine Mutter besuchte ihre Eltern und sie musste sich den Zucker für ihren Kaffee selbst mitnehmen, da ihre Eltern dafür einfach kein Geld hatten. Ja so war das…Es gab immer zu wenig Nahrungsmittel und ich konnte mir nicht einmal Schu-he leisten. Auch die Bildungsmöglichkeiten waren viel schwieriger als heute. Die Schule zu besuchen war für die meisten nicht möglich, da man Schulgeld zahlen musste. Mein Vater ging zum Direktor der Schule und bat ihn mich aufzunehmen auch wenn wir das nötige Geld nicht bezahlen könnten. Natürlich wurde ich abge-lehnt. Nach Beendigung der Hauptschule begann ich ein Praktikum und besuchte eine Fortbildungschule. Mein Wissensdurst war groß und so las ich jedes Buch was ich in die Finger bekam und besuchte die Volkshochschule um mein Wissen zu er-weitern.

Berufstätigkeit

Ich bin sehr stolz darauf, dass ich mit diesem mir selbst angeeigneten Wissen auch mit Leuten, die eine höhere Bildung genossen haben als ich, mithalten kann. Ich wurde berufstätig und arbeitete fleißig. Nach einiger Zeit hatte ich genug Geld um mir ein angenehmes Leben finanzieren und meine Eltern unterstützen zu können.Auch darauf bin ich sehr stolz.

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Martha Nowak, eine LiesingerinRaphaela Guttmann und Ilona Schwarz sprechen mit Martha Nowak,

geboren am 15. .August 1923Kindheit Aufgewachsen bin ich in Liesing, in einem Haus gegenüber der Liesinger Volks-schule, damals Schlossgasse, Ecke Blumengasse, heute Pülslgasse, Weschgasse Ich bin in einen Montessori Kindergarten und eine Hauptschule für Mädchen gegan-gen. Ich hatte eine recht unbeschwerte und schöne Kindheit, wir haben nie wirklich Hunger gelitten, da wir einen Weingarten hatten. Kriegsbeginn - lebendig begraben in den Katakomben Ich war angestellt in der Donauchemie, die jedoch später auch zerbombt wurde, so wie viele andere Fabriken und Bahnlinien. Bei Flieger- und Bombenalarm war das Verhalten der Leute unterschiedlich. Manche haben still dagesessen und gebetet, andere still oder leise vor sich her geflucht. Als ich einmal in der Stadt unterwegs war, gab es einen Bombenalarm. Bei einem Sonntagsspaziergang im 1. Bezirk, bat das Militär plötzlich die Passanten in die Katakomben, die damals als Luftschutz-keller dienten, zu gehen. Diese Keller hatten zwei Stöcke und einen Liftschacht. Es war sehr eng und die Panik der Leute wurde immer größer. Als wir hörten und spürten, dass ober uns eine Bombe eingeschlagen hat, war die Panik endgültig aus-gebrochen. Durch den vielen roten Staub sah es nun so aus als würde der Liftschacht in Flammen stehen. Viele dachten nun, sie seien lebendig begraben. Erst nachdem der Staub sich wieder gelegt hatte und eine gespenstische Ruhe eingetreten war,

konnten wir Gott sei Dank durch die Stiegen wieder an die Oberfläche kommen. Hier erst konnten wir das Ausmaß der Schäden sehen: Viele Häuser in der Wollzeile waren eingestürzt.

Kriegsende Mein Vater wurde eingezogen, da er Polizist war, er war Kaiserjäger im 1. Welt-krieg. Ich erinnere mich noch dass viele Frauen und Kinder immer am Bahnhof auf einen Heimkehrerzug gewartet haben. Sie hielten jeden Soldaten auf und zeigten ihnen Fotos. Mein Vater kam jedoch nie mehr zurück. Wir bekamen nur eine Ver-misstenmeldung. Für meine ganze Familie, doch vor allem für meine Mutter war das ein großer Schock und sehr schlimm.

Nach dem Krieg arbeitete ich im Büro der Donauchemie bis zu meiner Pensionie-rung. Da mein Mann so lange wie möglich zu Hause bleiben wollte, bin ich erst nach seinem Ableben 2009 zum Mühlengrund gekommen.

Salettl im Garten des Elternhauses von Frau Nowak 1925: Vorne in der Mitte Martha als Zweijährige!1. Reihe von links nach rechts : Josefine Welsch, sozialistische Landtagsabgeordnete, Frau Rehfeld, Hausbesitzerin Ka-tharina Fischer, Anna Niesner (mit Masche).2. Reihe v. l. n. r.: Maria Popp, Mutter von Martha Nowak, Friseurmeister Anton Welsch, Hilda Rehfeld, Frau Gebauer, Frau Niesner, Anna Nirwald, Friseurgeselle Thoman

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Rudolf Münzkergeboren am 23. März 1923 im Gespräch mit Stefan Rezac und Petar Vucur

Rudolf wurde am 23. 3. 1923 im Marchgebiet bei Dürnkrut in Niederösterreich ge-boren. Die Volksschule und Hauptschule besuchte er auch in Niederösterreich.Nach seiner Schulkarriere begann er eine Lehre als Schlosser in Dürnkrut bis er 1941 in die Wehrmacht einberufen wurde und bis 1945 in Kriegsgefangenschaft kam. Auf seinem Weg nachhause hatte er eine Schrecksekunde da er mit einer deutschen Uni-form bekleide,t einer russischen Patrouille in die Hände fiel. Doch hatte er Glück und sie ließen ihn laufen und führten ihn auch nachhause.

Von 1946 bis zu seiner Pensionierung 1976 arbeitete er bei der Österreichischen Bun-desbahn. Obwohl er in Wien lebte, hatte er doch immer Heimweh nach seinem Ge-burtsort Dürnkrut und auf Grund dessen hatte er dort auch seinen Zweitwohnsitz.

Seit 2009 lebt er nun im Haus am Mühlengrund und er genießt jeden Tag im Haus. Er tanzt gerne und macht gerne Spaziergänge.Manchmal besucht er seine Enkel und schaut ihnen beim Fußball spielen zu und erledigt alle Besorgungen selber. Es gab leider auch viele Schicksalsschläge in seinem Leben.Er verlor seine Frau 1984, sein Sohn verlor sein Leben im Bundesheer im jungen alter von 20 und seine Schwester starb vor 2 Jahren.

Doch trotz der Ereignisse geht er offen und freundlich durchs Leben, küsst gerne und ist ein Gentleman, da er Damen die Türen aufhält und jeden Montag dem Pfle-gepersonal Blumen mitbringt.

Helga und Rudolf Morocuttigeboren am am 23.Juni 1939 bzw. am 22. Februar 1928 in Liesing,

im Gespräch mit Christoph Girbinger und Max Müllner

Helga Morocutti wurde am 22. 2. 1928 im damaligen 25. Wiener Gemeindebezirk (Liesing) als eines von fünf Kindern geboren. Ihre Eltern, die Kohlehandel betrie-ben, hatten damals schon einen der ersten Lastkraftwägen in Wien. Aus diesem Grund wurde ihr Vater im Jänner 1944 samt seinem Lastkraftwagen einberufen.

Das Liesinger Stadtbild ist keineswegs mit dem heutigen zu vergleichen, statt Ein-

Führerschein von Anna Stifter, der Mutter Helga Morocuttis aus dem Jahr 1939. Sie hatte als eine der ersten Frauen bereits 1929 ein Zertifikat zum Lenken von Kraftfahrzeugen mit „Explosions-motor“ besessen.

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Fuhrwerkerhaus der Familie Stifter in der (damaligen) Langegasse 29, heute Khekgasse 31. Im Vordergrund Herr Stifter, Vater Helga Morocuttis. Der Traktor wurde mit Petroleum betrieben.

Elternhaus von Rudolf Morocutti in der heutigen Perchtoldsdorfer Straße 12 (Liesinger Bad). Rechts die ehemalige Fleischhauerei, die als Messergeschäft eingerichtet wurde, mt Rudolf Morocutti senior bei der Auslage.

kaufszentrum, Nahversorger und Busbahnhof fand man zu Zeit des Krieges einen Bunker im damaligen Brauhauskeller und einen eigenen Tanzsaal der Brauerei. Vor der russischen Invasion emigrierten die zwei ältesten Geschwister nach Deutsch-land, während die nächstältere in Ernstbrunn zur Schule ging. Frau Morocutti und ihre jüngere Schwester verbrachten diese Zeit bis 1945 im Waldviertel. Danach zog sie zu ihrem Vater nach Traun, wo sie auch die Schule besuchte. Zur selben Zeit wurde der Liesinger Tanzsaal, wo heutzutage junge Leute sich zum Billard spielen treffen, von der russischen Besatzung zum Lager und Treffpunkt umfunktioniert. Helga Morocuttis Mutter zeichnete, als eine der wenigen, die Bom-benangriffe auf Liesing auf.

Familiengründung

1972 lernte Helga Morocutti ihren Mann Rudolf kennen. Ein Jahr später heirateten die beiden und nur ein Jahr darauf folgte der erste Sohn. Darauf folgten innerhalb von 5 Jahren zwei weitere Kinder. Schon 1977 errichtete das Ehepaar Morocutti ihre erste thermische Solaranlage am hauseigenen Dach.

Helga, die Solarpionierin

Bis heute investiert die Familie viel Zeit und Geld in die Entwicklung und Verbrei-tung von Photovoltaikanlagen. Äußerst bemerkenswert ist zum Beispiel, dass sie sich schon seit Jahren mit Elektroautos fortbewegen und somit eine Vorreiterrolle in

Wien einnehmen. In ihrer Freizeit engagiert sich Frau Morocutti unglaublich stark in der Arbeitsgemeinschaft Agenda 21, sowie an Projekten rund um die Errichtung von Photovoltaikanlagen.

An dem Oberstufenrealgymnaisum Anton Krieger Gasse begleitete sie über Jahre verschiedene Schülergenerationen bei der Planung, Finanzierung, Errichtung und Vermarktung der schuleigenen Solaranlage zum Produzieren von grünem Strom.

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Elisabeth, immer bereit zu helfengeboren 1926 in Wien im Gespräch mit Melanie Jaksch und Johanna Schagerl

Ich, Elisabeth, wurde 1926 in Wien geboren. Im letzten Kriegswinter wurde ich zum Reichsarbeitsdienst in Kärnten eingeteilt. Die ersten drei Wochen waren sehr schwierig für mich, da ich von meiner Familie getrennt war. Jedoch fand ich unter den gleichaltrigen Mädchen schnell Anschluss. Auch wenn das aus heutiger Sicht komisch klingt muss ich sagen, dass diese Zeit für mich sehr wertvoll war, da ich zum ersten Mal in meinem Leben Zeit mit Gleichaltrigen verbrachte.

Gleich nach Kriegsende mussten wir das Lager innerhalb von ein paar Stunden räumen. Wir nahmen alles was nicht niet- und nagelfest war mit, in diesen Rahmen besorgte ich mir ein Fahrrad. So fuhr ich am 8. Mai 1945 mit einer Kollegin Rich-tung Ennstal los, wir übernachteten in der Scheune eines Bauern. Bei der Hälfte des Weges trennten wir uns und ich kam am 10. Mai in einem Dorf in der Nähe von Schladming an. Dort traf ich mich mit meiner Mutter die aus Wien dorthin geflohen war. Später erfuhr ich, dass ich auf meiner Reise um genau 3 Stunden den Russen entkommen war. Ab dem Zeitpunkt wohnte ich in diesem Dorf, dort lernte ich auch meine erste große Liebe kennen. Er war ein Nachbarsjunge und wir sahen uns eine Zeit lang immer nur an ohne miteinander zu sprechen. Irgendwann kamen wir ins Gespräch, er war die große Liebe meines Lebens und auch heute denke ich noch gerne daran zurück. Es war eine reine, jugendliche Liebe ohne Hintergedanken, leider verlor ich ihn bald aus den Augen und hörte nie wieder etwas von ihm.Später lernte ich meinen Mann kennen und wir zogen nach Liesing. Wir bekamen

zwei wundervolle Kinder und bauten ein Haus, bei dem wir viel selbst mit an pack-ten.

In den 90er Jahren gab es in meiner Familie turbulente Verhältnisse, was bei mir zu einer schweren Depression führte. Von 1993 bis 2002 war ich sozusagen „lebendig tot“. Ich lag in meinem Zimmer, auf das Nötigste beschränkt, und wollte einfach nur sterben.

Plötzlich trat eine Veränderung ein, ich stand auf und begann endlich zu „leben“.Heute beziehe ich viel Kraft aus der Psychologie und aus deren verschiedenen Leh-ren. Ich mache jeden Tag Chi-Gong und bin sehr an der Psychologie interessiert, deswegen bilde mich ständig weiter.

Heute versuche ich Menschen beizustehen denen es ähnlich geht, wie es mir gegan-gen ist. Deswegen helfe ich im Seniorenheim Mühlengrund, wo ich nur kann, um anderen Menschen zu zeigen, dass das Leben lebenswert ist.

Bild unten: Erinnerungen an eine Südseereise

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Christiane Russ

Mohini Chaudari und Carina Cernay sprechen mit Dr. Christiane Russ, geboren am 15.Mai 1941

Kindheit

Ich wurde 1941 in der Kriegszeit geboren. Mit 5 Jahren wohnte ich in Kärnten am Land und durfte bereits mit meiner älteren Schwester in die Schule mitgehen, ob-wohl ich ein Jahr zu jung war. Als ich ein Jahr später nach Wien zog und eingeschult werden sollte, haben meine Eltern ein falsches Geburtsdatum angegeben, damit ich die erste Klasse nicht noch einmal machen musste.

In Haiti

Mit 9 Jahren ging ich mit meiner Familie für 3 Monate nach Haiti. Das war etwas ganz Besonderes für mich, da ich noch nie zuvor geflogen bin. Nach den 3 Monaten hat sich meine Familie zerstritten und wir flogen wieder nach Hause. Eigentlich hät-ten wir länger dortbleiben wollen, und ich sollte ein College in der USA besuchen. Ich habe sehr viele Eindrücke gesammelt, aber nichts von der politischen Situation mitbekommen. Als wir wieder in Wien waren wurden meine Schwester und ich für Zwillinge gehalten und wir wurden in die gleiche Klasse eingestuft. Da meine Eltern auf meinen Dokumenten angegeben hatten, dass ich ein Jahr älter bin als ich in Wirklichkeit war, fing ich bereits mit 17 Jahren zu studieren an.

1962: Jüngste Doktorin Österreichs

Ich promovierte mit 21 Jahren und war somit die jüngste Doktorin in Österreich. Danach machte ich die Lehramtsprüfung und unterrichtete für 3 Jahre Deutsch und Geschichte in der Schweiz. Zu dieser Zeit lernte ich außerdem sehr gut Französisch und Englisch weil es eine internationale Schule war. Eigentlich wollte ich zum Stu-dium nach Afrika, aber mein Vater erlaubte es mir nicht.

AHS Lehrerin in der „Rahlgasse“

Mit 25 sollte ich Direktorin werden aber die Leute an dem Internat waren mir zu eingebildet und ich lehnte ab. Zudem bekam ich einen Job in der Rahlgasse, in wel-che ich selbst als Kind schon gegangen bin, und zog nach Wien zurück. Bis zu mei-ner Pensionierung vor 10 Jahren arbeitete ich dort. 1973 zog ich mit meiner Mutter nach Liesing in die Corvinusgasse. Mir gefiel dort vor allem immer die Umgebung und die Grünflächen. Vor ein paar Jahren übersiedelte ich in das Pensionistenwohnhaus „Am Mühlen-grund“ und bin hier sehr glücklich.

Nachmittäglicher Projektunterricht am Mühlengrund im Frühjahr 2011: Schülerinnen und Schüler recherchieren und hal-ten im Gespräch mit ZeitzeugInnen unwiederbringliche Erlebnisse fest.

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Edeltraut Kamprath, die „Ziegenmama“

geboren 1930 im Gespräch mit Luka Burghauser, Katharina Scharinger, Marco Hainz, Paul Kupresak, Lukas Szobel aus der Fachmittelschule Alterlaa

Geboren in Niederösterreich, zog ich als Volksschülerin mit meinen Eltern ins Gü-tenbachtal, wo mein Vater ein Jagdrevier betreute. Ich besuchte die Volksschule in Kalksburg und die Hauptschule in der Dirmhirngasse. In dieser Zeit half ich bereits, die Landwirtschaft der Eltern zu führen. Eine meiner schönsten Kindheitserinne-rungen ist, dass mir mein Vater ein Akkordeon kaufte, auf dem ich bald „La Palo-ma“ spielen konnte. Dieses Instrument hüte ich noch heute, es half mir auch bei der Ausbildung in der Kindergärtnerinnenschule Kenyongasse. Mit 16 Jahren kam ich als Wirtschafterin in die Fachschule nach Weigelsdorf an der Fischa, wo ich 4000 Kücken, viele Kühe und Schweine zu versorgen hatte und das einzige Mädchen unter 30 Knaben war. ich lernte ausgezeichnet kochen und erinnere mich, dass ich so viel Schlagobers aß, dass ich bald 90 Kilo wog!

Doch ich wollte mich fortbilden und kam nach Unterleiten bei Groß Hollenstein in die Landwirtschaftliche Fachschule und maturierte in einem Internat bei Melk. Nach Abschluss der Lehrerinnenausbildung wurde ich Fachlehrerin für Geflügel-zucht und Kochen in Tullnerbach Pressbaum. Ich wollte auf der Universität weiter studieren, doch, als meine Mutter starb, mußte ich mich um die Wirtschaft und mei-

Blick ins Gütembachtal, Marterl gegenüber dem Wohnhaus (Bild oben), in dem Edeltraud Kamp-rath ihre Jugend verbrachte

nen Vater im Gütenbachtal kümmern. In den 1960er Jahren bot mir unsere Nachba-rin ein großes Stück Land im Gütenbachtal an, damit ich einen eigenen Hof errich-ten konnte. So baute ich unter vielen Schwierigkeiten 1966 das Bauernhaus, in dem ich heute wohne und wirtschafte.

Heute gibt es 7 Rinder, viele Ziegen,, Hühner, Enten, Gänse, ein Karakulschaf und Hasen am Hof, ja sogar Perlhühner und Truthähne. Letztere werden vor Weihnach-ten regelmäßig von einem Engländer gekauft und „exportiert“, da er zu Hause kei-ne so guten, natürlich aufgewachsenen Truthähne bekommt. Ihre Erfahrungen als Biobäuerin in Wien-Liesing hat Frau Kamprath im Buch „Die Ziegenmama“ veröf-fentlicht.

Lukas mit glücklichen Hühnern und Gänsen am Hof von Edeltraud Kamprath im Gütenbachtal.

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Mag. Josef Moritzgeboren am 19. August 1937 in Wien Hietzing

Gespräch mit Astrid Hofer

Ich wuchs in der Wittgensteinstraße 24 auf und ging während des zweiten Welt-kriegs in die Schule. Trotzdem verbrachte ich eine relativ unbeschwerte Kindheit und Jugend. Die Probleme bekommt man als Kind nicht mit. Mein Vater war ab 1940 in Deutschland eingerückt. Mein Bruder war ein Jahr jünger. Bis Pfingsten 1944 lebte ich in Wien, die erste Volksschulklasse besuchte ich in Mauer, wo heute die Rudolf Steiner-Schule ist.

Am Pfingstmontag gab es einen schweren Fliegerangriff, man wollte einen Muniti-onszug am Bahnhof Liesing bombardieren. Bombentrichter waren rund um unser Haus in Mauer. Aufgrund dieses Angriffs sind meine Mutter, Großmutter und wir Kinder auf´s Schloss Wildegg übersiedelt. Meine Mutter hat immer nur im Haus-halt gearbeitet. Ich konnte jahrzehntelang eine Sirene ohne Grauen nicht hören als Folge der Fliegerangriffe. Ab 1944 bis Kriegsende ging ich in die Volksschule Sitten-dorf. In Sittendorf war es während des Kriegs ruhig, zu Kriegsende war aber dort die Front. Im April 1944 kamen die ersten Russen, ich erinnere mich gut, als ich die ersten Russen sah. In Sittendorf hat der Major Hühner geschossen und vom Koch bekamen wir die Küchenabfälle. Persönlich habe ich keine schlechten Erfahrungen mit Russen gehabt.

Mit einem Leiterwagen sind wir zu Fuß von Wildegg nach Mauer zurückgekehrt. Ich erinnere mich an diesen unangenehmen Marsch. Die Gasthäuser Seewiese und Kugelwiese waren ausgebrannt, überall provisorische Gräber von Soldaten.

Nach der Volksschule war ich in der Hauptschule, wo heute das Goetheanum in Mauer ist. Beeinflußt durch den Vater, der Hauptschullehrer war, kam ich in die Lehrerbildungsanstalt in der Hegelgasse in Wien.

Nach der Matura, 1956, waren die Aussichten für einen Lehrerposten sehr schlecht, einige sind zur Post oder Bahn gegangen. Ich war ein Jahr Fremdenführer in Wien für Schulklassen aus den Bundesländern. Durch die Führungen in der Schatzkam-mer. der Kaisergruft etc. hat sich mein Interesse an Geschichte entwickelt. Nach einem Jahr 1957/58 kam ich nach Langestei, ein kleines Bergdorf im Bezirk Landeck in Tirol in die einklassige Volksschule, es saßen 8 Jahrgänge in einer Klasse. Außer mir hat der Pfarrer Religion und die Wirtin weibliches Handarbeiten unterrichtet. Ab 1960 war ich in Wien als Voksschullehrer angemeldet, als Springer in verschie-denen Schulen, der VS Ober Sankt Veit, der HS Mauer in der Speisinger Straße, später in der Bendagasse. Nebenbei hatte ich Deutsch und Geschichte studiert. 1971 wurde ich mit dem Lehramt für höhere Schulen fertig. Ich kam in den 19. Bezirk, die Krottenbachstraße als AHS Lehrer. Im Frühjahr 1974 wurden Lehrerstellen für die „antonkriegergasse“ ausge-schrieben. Mein erster Ein-druck vom Direktor Brei-ner war: Er rief zu Hause an und fragte meine Frau, wieviele Überstundem ich nehme würde. Im Juni 1974 gab es eine vorbereitende Konferenz.Manches hat sich stark ver-ändert, wie der Verkehr, manches, wie der Kirtag auf der Mauer sind seit meiner Jugend gleich geblieben.Frage: Was ist Ihr Eindruck von der Jugend, verhält sie sich respektvoll älteren Leuten gegenüber?Es gibt lästige und unmögli-che Erwachsene ebenso wie Jugendliche. Früher war vielleicht die Erziehung et-was anders, aber auch nicht besser. Die Zeit ist eben an-ders.

Bild rechts: Josef Moritz, 1943 in der 1. Volksschulklasse

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Gespräch mit Dr. Herta Feith

geboren am 20. November 1924 im Gespräch mit Flo Spevak und Luca Burghauser, Schüler der Fachmittelschule Alterlaa

Frau Feith ging in der Rahlgasse im 6. Bezirk in die Schule. Damals war es eine reine Mädchenschule. Sie wohnte im 4. Bezirk beim Naschmarkt. Sie wollte immer schon Französisch lernen, doch durch den Krieg wurde daraus nichts.

Sie erzählte, dass bei Bombenalarm der Kuckuck aus dem Radio schrie. In der Stadt gab es damals bis zu 3 Stock tiefe Keller wo sie sich mit ihrer Familie versteckte. Am 13. März 1945 sah sie mit ihren eigenen Augen den Brand der Wiener Staatsoper. Am Philipphof gegenüber von der Oper fiel eine Bombe genau durch das Fenster bis in den Keller und verschüttete fast 300 Leute die bis heute noch unten liegen. Sie arbeitete nach dem Krieg im Amerikahaus als Dolmetscherin.

Was sie der Jugend von heute noch mitgeben will ist, dass diese viel und Verschie-denes lernen soll !!

Der 1884 von dem Architekten Karl König errichtete Philipphof war zu dieser Zeit das größte Wohnhaus Wiens

In seinem Luftschutzkeller kamen am 12. März 1945 dreihundert Men-schen ums Leben. Die meisten von ihnen liegen heute noch in den Trümmern unter dem Platz vor der Albertina begraben.

1988 wurde ihnen vom österreichi-schen Künstler Alfred Hrdlicka ein Denkmal gesetzt, das Mahnmal ge-gen Krieg und Faschismus (Bild un-ten)

Bilder: Oben, Philipphof vor dem zweiten Weltkrieg.Unten: Mahnmal gegen Krieg und Faschismus. Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Philipphof)

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Walter Hlavacek, der HerrenschneiderGespräch mit Raphaela Guttmann und Darko Lepic,

geboren am 2. Februar. 1928 in Kaisersteinbruch

Walter lernte das Schneiderhandwerk bei Kommerzialrat Stroß im 1. Bezirk am Schottenring 10, mit 16 Jahren mußte er zum Volkssturm einrücken, er gehörte zum letzten Aufgebot, er kam in Gefangenschaft, die Russen haben die „halben Kinder“ gut behandelt. Er wurde nach Ausschwitz verschleppt, dann schickten ihn die Russen nach Hause. Walter arbeitete als Geselle bei Herrn Stroß weiter, er machte die Meisterprüfung, heiratete und eröffnete im 4. Bezirk in der Heumühl-gasse ein eigenes Geschäft.

Raab und Figl als Kunden

Da er die ihm bekannten Kunden aus dem 1. Bezirk übernehmen konnte, hatte er für viele Berühmtheiten, wie Julius Raab, Theodor Körner und Leopold Figl Maßanzüge herzustellen. Schweren Herzens schloss er 2010 seine Werkstatt, nahm nicht einmal eine Nähmaschine mit und zog in das Pensionistenwohnhaus „Am Mühlengrund“. Hier fällt er als der „bestgekleidete Herr“ mit seinen schönen An-zügen auf.

Walter ist sehr glücklich und hat hier viele Freundschaften geschlossen.

Maria Ludwig geboren am 2. Februar 1918 in Kaisersteinbruch,

am Bild mit Lilly Brändle, Melanie Jaksch, Johanna Schagerl

Maria stammt aus einer kinderreichen Familie, der Vater war als Kriegsinvalider nach dem 1. Weltkrieg arbeitslos. Nach Absolvierung der Pflichtschule mußte sie in der Hitlerzeit in einem Rüstungswerk in Deutschland arbeiten. Die Fenster waren wegen der Gefahr, entdeckt zu werden, stets verdunkelt, Sie lebte in Baracken, die Arbeit war sehr schwer und mußte geheim gehalten werden, als Ausgleich durften sie tanzen gehen.

Zurück in Österreich

Nach dem Krieg lernte sie ihren Mann im Burgenland kennen und blieb bei ihren Zwillingen zu Hause. Eine Tochter ist schon verstorben, die zweite besucht sie re-gelmäßig, ihr Enkel kümmet sich um sie wie um eine Mutter, da er früher während seiner Schulausbildung oft bei ihr wohnte.

Maria kam erst als über 90-jährige vor 2 Jahren zum Mühlengrund, da sie sehr schlecht gesehen hat. Jetzt ist sie fast blind, hört gerne Musik und hat hier viele liebe Bekannte.

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Ing. Wilfried Lentz geboren am 30. Juni 1931 in Mauer, Gepräch mit Stefan Rezak und Petar Vucur

Wilfried Lentz wurde 1931 in Mauer geboren, als dieses noch eine selbständige ge-meinde war.. Seine Volks-und Hauptschulzeit verbrachte er in Mauer und danach ging er auf die Weinbauschule in Klosterneuburg, die er im Alter von 20 Jahren abschloss. Danach stieg er in den väterlichen Weinbaubetrieb ein. Darauf bauten sie ein Haus in dem sie noch immer den Buschenschank führen. Wenig später heiratete er die Weinhauerstochter Margaretha, mit der er schon 53 Jahre verheiratet ist. Mit dieser hatte er zwei Kinder, von denen der Sohn Reinhard heute den Betrieb leitet.

Seit 1958 kann sich die Familie Lentz Buschenschenker nennen, da sie ihren eigenen Wein verkaufen. Durch die Arbeit mit Pferden am Weinbau wuchsen Wilfried die Tiere ans Herz. Von Anfang an wusste er dass er Weinbauer werden wollte und hört noch immer nicht auf, seinem ehemaligen Beruf und jetzigen Hobby nachzugehen. Er würde diesen Beruf immer wieder wählen, obwohl dieser viel Mühe, Liebe und Hingabe forderte. Auch auf Urlaub war Herr Lentz nicht oft und hatte fast keine Freizeit, dennoch liebte er diese Arbeit. Weinbauen liegt schon lange in der Famili-entradition, da auch sein Großvater Weinbauer war.

1970 baute sein Vater ein 4500 Liter Fass (Bild rechts) das heute noch im Keller zu sehen ist. Sein Vater schnitzte ein Bild von seinem Geburtshaus auf die Vorderseite des Fasses, deshalb ist Wilfried auf dieses sehr stolz. Kommen Sie doch die Buschenschank einmal besuchen, kosten Sie den leichten

Geschichte der Fam. Lentz

Johann Lentz, von Beruf Brunnenmeister und Landwirt, zog 1812 von Perchtolds-dorf nach Mauer in die Maurer Langegasse 76. Sein Sohn Karl wohnte in der Maurer Langegasse 93 und war ebenfalls Landwirt. Erst der Enkel von Johann Lentz, Karl Georg, befasste sich ausschließlich mit Weinbau und eröffnete seinen Buschenschankbetrieb am Maurer Hauptplatz Nr. 9.

1930 begann er mit der Drahtrahmenerziehung, das heißt, die Reben wurden auf zwei Draht-rahmen gebunden. Er forcierte den Weinbau weiter, indem er nach dem Zweiten Weltkrieg die erste Hochkultur im Süden Wiens einführte. Diese Art des Weinbaus wird heute nahezu von allen Winzern angewendet.

Karl Georg und Hertha Lentz kauften das Haus in der Maurer Langegasse 78. Ing. Wilfried und Margaretha Lentz bauten es um und eröffneten im August 1958 mit einem Schankraum ihren Buschenschankbetrieb. Die erste Erweiterung fand 1970 statt und fünf Jahre später kam ein separates Stüberl hinzu. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde noch ein Pferd für die Bodenbe-arbeitung eingesetzt. Danach wurde ein Traktor mit den entsprechenden Geräten angeschafft.

Reinhard Lentz besuchte von 1976-81 die Bundeslehranstalt für Wein- und Obstbau in Klos-terneuburg. Im Jahr 1992 wurde sein Sohn Johannes geboren. In den Folgejahren wurden laufend Adaptierungen des Betriebes vorgenommen.

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Tor des Babenberger Schlosses „Maur im Gereute“, angefertigt im 17. Jh., für das im Schloss befindliche Jesuitenkloster, welches ab 1778 zur „Unteren Kaserne“ wurde. 1895 wurde das Tor von der Familie Lentz erworben und 1983 dem Bezirksmuseum Liesing gespendet, wo es heute im Eingangs-bereich zu sehen ist.

vorzüglichen Wein und treffen Sie einen Mann, der eine interessante Geschichte zu erzählen hat.

Ferdinand Wieninger, der sportliche Erfindergeboren am 19. Juni 1937 in Brunn am Gebirge

Gepräch mit Manfred Car

„Ich wurde gegenüber dem Gemeindeamt von Brunn in ein Weinbauernhaus gebo-ren, wir hatten eine Kuh, Schweine und Hühner. Als Kind half ich schon im Wein-garten und half bei der Schneeräumung mit Pferdefuhrwerken im benachbarten Gliedererhaus (heute Heimatmuseum) mit.

Arbeit bei Perfekta in Liesing

Mit 17 Jahren (1954) bekam ich eine Anstellung in der Firma Perfekta in der heuti-gen Perfektastrasse. Wir erzeugten Schuhsohlen, Bodenbeläge, Dichtungen, Plastik-bälle, später wurden wir mit der Firma Semperit fusioniert. Ich musste im Akkord „Balln“ (Bälle) erzeugen, wobei ich mit 16 Frauen in zwei Schichten zusammen-arbeitete. „Frühstück mitnehmen brauchte ich nie, immer habe ich von einer et-was Gutes zu essen bekommen“. Es ging darum, möglichst schnell zu arbeiten. Der Vorgesetzte schenkte den Frauen Schokolade, damit sie möglichst schnell arbeiten, dann kam der „Stopper“ und als Folge wurde das Akkordlimit für die volle Bezah-lung hinaufgesetzt. Die Norm waren 720 Bälle pro Schicht (8 Stunden). PVC Pulver wurde zu einem Teig angerührt, in Formen haben die Frauen die Ballhälften er-zeugt, die zusammengepresst wurden, meine Arbeitspartnerin musste den kleinen

Fasching am Mühlengrund 2011:Direktor Helmut Hempt als Pirat mit seinen Getreuen - lustig war´s, auch für die Gäste aus der „antonkriegergasse“

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Ball mit einer Düse aufblasen, ich drückte den Ball in eine Form, setzte eine zweite Form darauf, stellte sie in heißes Wasser, um das Fußballmuster darauf zu prägen, eine 2. Form nahm ich aus dem heißen, warf sie in kaltes Wasser, setzte sie auf eine Maschine, wo Pressluft den Ball aus der Form herauswarf.. Bei diesen Vorgängen entwickelte ich einige technische Verbesserungen, z. B. konstante Temperatur, da-mit die Bälle immer gleich groß waren. Ich war dafür bekannt, dass ich sofort, wenn der „Stopper“ kam, langsam arbeitete, um das Akkordsoll nicht hinaufzusetzen.

Nach 7 Jahren wechselte ich zur Gießerei Boschan & Co. in der Seybelgasse in Lie-sing, wo ich als Heizer arbeitete. Zuerst wurden die Drehöfen mit Holz erhitzt, da-mit der Ölbrenner gestartet werden konnte.Wir schmolzen alte Bleirohre und ande-re Metalle zu Barren, die dann weiter verkauft wurden. Nach zwei Jahren suchte ich wegen der Bleidämpfe, die ich ständig einatmen musste ei-nen anderen Arbeitsplatz - ich ging zur Danubia Petrochemie Schwechat, wo ich bei der Po-lyethylen Erzeugung mitart-beitete. Nach meiner Heirat baute ich ein Haus in Brunn am Gebirge in der Heidesied-lung neben dem Ziegelwerk der Firma Wienerberger. Das Werksgebiet, von dem heute noch ein Ziegelteich zu sehen ist, war zum Teil am Gebiet des 23. Bezirks, zum Teil in Niederösterreich.“

Bilder: Oben v. links nach rechts: Vor dem Wohnhaus Gattringer Str. 28 (Heute Anderle Pl. 4) ca. 1930. Großva-ter Ferdinand Wieninger, Dampf-straßenbahner auf der Linie 360, Großmutter, Onkel Franz Wieninger, Schuhmachermeister, Vater Ferdi-nand Wieninger, Landwirt.

Unten: Wienerberger Ziegelteich, ca. 1970.

Robert Krikl, der Abendteurergeboren 1956 in Wien, Führung am Georgenberg für die Klasse 7.F im Juni 2010

Robert Krikl ist in der Anton Krieger Gasse aufgewachsen, der Georgenberg ist der Platz seiner schönsten Kindheitserinnerungen: Als Bub spielte er in den Bunkern und „Geheimgängen“ der damals noch zugänglichen Ruinen der Luftnachrichten-truppen-Kaserne.Diese sollte nach dem Einmarsch der deutschen Truppen 1938 vom Luftgaukom-mando XVII in der Kalksburger Straße Ecke Rysergasse am Georgenberg errichtet werden, wurde aber nicht fertiggestellt.Ein neben der Kaserne errichtetes Barackenlager am heutigen Parkplatz am oberen Ende der Anton Krieger Gasse, brannte gegen Kriegsende nieder und die Rote Ar-mee benutzte den teilweise fertigen Bau zu Wohnzwecken. 1949 wurde der Bau auf Betreiben der Alliierten abgetragen. Herr Krikl erzählte uns, dass nahe der Rudolf Waisenhorngasse in speziellen Baracken neue Funktechnologien erprobt wurden. Dort, wo 1976 die Wotrubakirche und 1997 das Freiluftplanetarium Sterngarten er-richtet wurde, sind jetzt noch große Betonflächen zu sehen unter denen sich riesige Garagen für Lastwagen befanden. Die zur Versorgung des Lagers dienenden Was-serbehälter sind heute noch in den Weingärten südlich der Rudolf Waisenhorngasse sichtbar (Bild oben im Hintergrund), ebenso ein geheimer Fluchtgang, dessen Aus-stieg in den Weinbergen heute zubetoniert ist (Bild rechts).

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Bilde oben: Die heutige Anton Krieger Gasse um 1900, damals Alleegasse genannt.

Bild unten: Ausstieg des Fluchtgangs in den Weinbergen.

Mauer - Luftnachrichtenkaserne (aus: www.geheimprojekte.at/t_mauer.html)

1938-05: Baubeginn des Barackenlagers für die Luftnachrichtenkaserne rund um den errichteten Exerzierplatz (heute Parkplatz) im Bereich Weixelbergergasse.1938/Herbst: Das 1. Bataillon des Luftnachrichtenregimentes 4 zieht in das Barackenlager (Luftgau XVII).1938-09: Baubeginn der eigentlichen Kaserne (Verwaltungsbauten, Arbeitsgebäude, Kasernenein-fahrt, Betonmauer, Wachturm, Garagen,..) für die Luftnachrichtentruppe im Bereich Georgenberg (Gebiet der heutigen Wotrubakirche bis hin zur Betonmauer und Waldgrenze).1939-09-01: Das stationierte Luftnachrichtenregiment 4 wird nach Polen verlegt. 1940-06: Der letzte Barackenausbau beim Gemeinschaftslager im Bereich Eingang zum Klausen-wald findet statt.1941-06: Es folgt die Einstellung des Kasernenbaus am Georgenberg wegen der allgemeinen Baustilllegung. 1949 Demontage der oberen Bauteile durch die russischen Besatzungstruppen. Verwendung des (ge-reinigten) Ziegelmaterials, der Dachschindeln sowie der Kanalrohre in weiterer Folge für Wohnbau-ten in Wien und Niederösterreich.

Diese Anlage sollte die „schönste“ und „prunkvollste“ Kaserne im Wiener Raum werden; bei Be-richten wird sehr oft über ein schloßähnliches Planungsvorhaben gesprochen. Weiters wird auch davon erzählt, daß ursprünglich das, dann schlußendlich am Gallitzinberg ausgeführte, Gauhaupt-

Blick auf die Luftnachrichtenkaserne von Süden während der Abbrucharbeiten1949: Gut zu erkennen ist die heute noch bestehende lange Betonmauer, die die Ebene, auf der sich heute der Sternengarten befindet, abstützt. Bilder aus: H. Böhm: Der Maurer Wald in alten Ansichten, Maurer Heimatrunde, 2010,

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Lisann Beyer spricht mit Josefine und Josef Kreutzer

Josefine Kreutzer

Josefine wurde am 26.11.1928 in der früheren Tschechoslowakei geboren. Ihre Eltern waren wie in der damaligen Zeit typische Bauern und betrieben in der Gemeinde Bratelsbrunn (heute Březi bei Břeclav) ihre eigene Landwirtschaft. Zusammen mit ihrer Schwester und ihrem Bruder spielte sie täglich mit den vielen Kindern aus der Ortschaft, somit hatten sie eine schöne und zufriedene Kindheit am Land.Obwohl die Lehrer damals wesentlich strenger waren als heute, genoss sie ihre achtjährige Schulzeit, in der sie oft Spaß hatte.1938 beendete sie ihr letztes Schuljahr kurze Zeit später wurde das Land dem Deut-schen Reich angeschlossen. Daraufhin mussten ihr 20 Jahre alter Bruder und ihr Vater einrücken.Als Josefine 14 Jahre alt war, begann die etwas schwierige Zeit und sie musste täg-lich am Gutshof so fleißig wie nur möglich mitarbeiten, vor allem auch deshalb, weil ihr Bruder und ihr Vater einberufen worden sind. Im Jahre 1942 bekam die Familie einen Militärs Brief, der nichts Gutes beinhaltete.Ihr einziger Bruder war im Krieg gefallen, es begann eine noch schwierigere Phase.Kurze Zeit nachdem ihr Vater zurückkehrte, wurde ihre gesamte Familie und die Familien aus ihrem und den benachbarten Dörfern von den Tschechen vertrieben.Weil ihre Schwester Theresa Marx nach Österreich zu ihrem Mann flüchtete, be-schloss der Rest der Familie ebenfalls dorthin zu gelangen.Mit Hilfe eines Bekannten, dem sie ein paar Habseligkeiten zukommen ließen, ge-

quartier von Schirach am Maurer Berg seinen Standort hätte finden sollen. Aufgrund der allge-meinen Baustilllegung wurde der Ausbau Mitte 1941 eingestellt. Zu diesem Zeitpunkt waren die Mannschaftsunterkünfte, Versorgungseinrichtungen inkl. Kläranlage/Kanalisation und Garagen-bauten, sowie die Verwaltungs- und Arbeitsgebäude, die Betonmauer und Stacheldrahtumzäunung, der Wachturm, etc. fertiggestellt. Einige noch geplante oberirdische Anlagenteile wurden aber nicht mehr ausgeführt.Die unterirdischen Anlagenteile waren vollständig fertig, lediglich der letzte Innenausbau (Wand-verkleidungen etc.) wurden auch nicht mehr ausgeführt. Unterirdisch ist die Anlage deshalb weitaus größer als die oberirdischen Reste vermuten lassen; jedoch die genaue Geländebeobachtung läßt viele Rückschlüsse zu.Die Luftnachrichtenkaserne verteilte sich grob gesehen auf zwei, baulich getrennte Baubereiche. Der Bereich, der auch in der ersten Baustufe gebaut wurde, liegt zwischen der heutigen Weixelberger-gasse, Anton-Kriegergasse, Kalksburgerstraße bis hinein in die Weinberge und umfaßt die sog. Ba-rackenlager, die Küche, Speisesaal, Offiziersunterkünfte, Kläranlage und Kompaniegebäude sowie den sog. Exerzierplatz.Der zweite Bauteil umfaßt das Gebiet am heutigen Georgenberg (Wotrubakirche), wo die lange Ka-sernenmauer (heute noch gut zu sehen), die Verwaltungs- und Arbeitsgebäude, Kasernenhauptein-fahrt, Wachturm, 2 Garagenbauten, unterirdische Anlagenteile, Wasserzisternen (außerhalb des ei-gentlichen Kasernenzentrums, im Wald gelegen, zwischen Wotrubakirche und Maurer Langegasse), etc. errichtet wurden.Neben diesen zwei Hauptbaugebieten finden wir jedoch auch Anlagenteile im Bereich des heuti-gen Ausflugzieles „Schießstätte“. Angemerkt sei hier, daß dieser Bereich bereits vor dem WK 1 als Schießplatz genutzt wurde und einige Bauteile sicher noch aus dieser Zeit stammen. Bei diesen Bau-teilen handelt es sich um die bereits erwähnte Schießanlage und kleinere Gebäude. Weiters sieht man in diesem Waldbereich zwischen Schießstätte und Lainzer Tiergartenmauer eine Art von Schneisen mit Beton- und Erdwällen, diese wurden angeblich zur gedeckten Reparatur von Flugzeugen ver-wendet.

Blick auf den Haupteingang der Luftnachrichtenkaserne in der Verlängerung der Anton Krieger Gasse. Die Stützmauer, rechts ist bis heute erhalten, an Stelle des Gebäudes befindet sich heute der Sternengarten. Bild zur Verfügung gestellt von Heinz Böhm, Maurer Heimatrunde.

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Mal in seinem Leben weiter als nur bis zu der nächsten Ortschaft. 1943 war es dann so weit und Josef Kreutzer musste einrücken. Er begann seinen Arbeitsdienst in Wien am Flughafen. Später war er ungefähr vier Monate in Hol-land um die Pionierausbildung zu machen. Als er dann 18 Jahre alt wurde, kam er in Holland in ein Montecassino.Später dann wurde er in Ostpreußen durch eine Menge von Splittern verwundet und wurde in das Lazarett nach Düringen gebracht. Josef durfte 14 Tage lang einen Genesungsurlaub machen und danach musste er sofort wieder einrücken.Am 9. Mai bei Kriegsende, wurde er in russische Gefangenschaft genommen. Die Russen brachten ihn nach Wologda, wo er Straßen pflastern musste oder Holzarbei-ten durchführen.Als er endlich wieder ein freier Mann war und zurück nach Tschechien durfte, be-gann eine schwierige Zeit. Die ersten paar Monate war das Essen sehr knapp und sie ernährten sich hauptsächlich von Zuckerrüben, wodurch sie natürlich an Ge-wicht verloren.Zunehmen konnte er erst dann wieder, als er in verschiedenen Fabriken zu arbeiten begann und wieder Geld verdiente.Einen Monat nach seiner Rückkehr in Tschechien beschloss seine Familie nach Ös-terreich zu gehen. Sie hatten großes Glück, weil ihnen ein Bekannter die dazu feh-lende Bewilligung besorgen konnte. Alle anderen aus seinem Dorf, die sich weiger-ten zu gehen, wurden einfach nach Deutschland gebracht. Ohne Probleme gelangten sie über die Grenze und kamen auf einem fremden Land-gut in Poysbrunn unter. Sie hatten eine Abmachung, wenn sie dort bleiben wollten, dann müssen sie auch fleißig mitarbeiten und so begann Josef als Traktorfahrer. Auf dem Hof wohnte bereits eine andere Familie, die ebenfalls dort untergekom-men war. Ihm fiel sofort das hübsche und liebe Mädchen der Familie auf, ihr Name war Josefine.In Wien im Jahr 1944 begann Josef bei den Wiener Verkehrsbetrieben als Busfahrer zu arbeiten. 1954 ging er dann in die Pension.Seine Meinung zu der Jugend: Er erzählte mir, dass sie einfach in ihrer Kindheit/Ju-gend NICHTS hatten. Und es war egal ob man reich oder arm war, jeder war gleich und jeder spielte mit jedem ohne Benachteiligung oder Bevorzugung!Er findet es schlecht, dass heutzutage alle so unterschiedlich sind, weil einer mehr und einer weniger hat. Früher waren alle gleich, weil keiner etwas hatte!Josefine und Josef:Die Liebe kam zum Glück von beiden Seiten und so wurden sie ein Pärchen. Wegen der schlechten Zeit, blieben sie für vier Jahre ein normales Paar, bis sie 1953 im en-gen Familienkreis endlich heiraten konnten. Sie bekamen noch im selben Jahr ihren ersten und einzigen Sohn, auf den sie immer sehr stolz waren.Die Zeit verging und verging und eigentlich warteten sie darauf, dass die Familie eines Tages zurück in ihre Heimat kehren könne. Als sie langsam erkannten, dass das nicht der Fall war, begannen sie sich darauf einzustellen in Österreich zu blei-ben. Danach zogen sie in eine nette Wohnung nach Wien.Heute leben sie noch immer in ihrer gemeinsamen Wohnung in Wien und genießen jeden einzelnen Tag miteinander.

langten sie über die Grenze und wurden bei einem Gutshof in Poysbrunn, Öster-reich, aufgenommen, als Gegenleistung mussten sie selbstverständlich fleißig mit-helfen. Sie erzählte mir, dass sie nie zu hungern brauchten, da sie immer genügend Essen vom eigenen Feld hatten. Außerdem berichtete Josefine von einer anderen Familie, die ebenfalls Unterschlupf auf dem Hof fand. Ein besonderes Familienmit-glied von ihr, war ein netter junger und gutaussehender Kerl, in den sie sich kurz darauf verliebte.

Josefine denkt, dass es der jetzigen Jugend wesentlich besser geht und empfindet das für gut! Heute lebt sie gemeinsam mit ihrem Mann und ist für alles dankbar!

Josef KreutzerGeboren am 04.01.1926Josef der älteste von fünf Kindern, wuchs zusammen mit seinen zwei Schwestern und zwei Brüdern in Tschechien auf dem eigenen Landgut auf.Er erzählte mir von einer schönen Kindheit, obwohl sie nicht viel hatten. Es wurde mit simplen Steinen auf der Straße gespielt oder einfach selber ein Spielzeug oder sogar ein ganzes Spiel konstruiert. Im Winter sind sie eislaufen oder Schlitten fah-ren gegangen oder haben einfach eine lustige Schneeballschlacht begonnen. Er besuchte mit Freude die Schule und schloss die acht Grundschuljahre ab. Danach ging er zwei Winter lang auf die Winzerschule, die Schule war wirklich nur im Win-ter, da im Sommer am eigenen Gut hart mitgearbeitet wurde.Langsam begann die Zeit, wo ein Jugendlicher nach dem andern der Hitler-Jugend-Gemeinde beitrat auch Josef war einer von ihnen. Es war für jeden selbstverständ-lich Mitglied zu sein, ein Riesenvorteil der Gesmeinschaft waren die vielen Ausflüge und Sportlichen Aktivitäten. Es wurden Wochenausflüge unternommen und man musste nichts dafür bezahlen. Durch diese Gemeindschaft kam Josef zum ersten

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Ursel Hatzinger-Winkler Geburtshelferin des Liesinger Schulverbundes

geboren am 23. Mai 1942 in Maribor, Gespräch mit Lisann Beyer

Ursel ist in Marburg an der Drau als erstes von weiteren fünf Kindern geboren wor-den. Während der Kriegszeit wurde Ursel bei ihren Großeltern in Kärnten unter-gebracht. Sie war noch zu klein, um sich Kriegserinnerungen behalten zu können.Trotz des Krieges konnte sie eine schöne und zufriedene Kindheit in Kärnten genie-ßen.In ihrer Erinnerung ist geblieben, dass heftig mit den Bauern in der umliegenden Gegend Nahrung getauscht worden ist. Außerdem wurden monatlich Lebensmit-telmarken ausgeteilt, mit denen man das Nötigste einkaufen konnte. Ihre Familie und sie brauchten niemals zu hungern, denn zusätzlich hatten sie das Glück, dass ihre Großeltern Besitzer eines großen Gartens waren, in dem sie selber Salate, Zwie-bel und anderes Gemüse pflanzten und ernteten.

Kindheit, Schule, Beruf…Ihre Mutter arbeitete als Lehrerin und ihr Vater als Richter, zusammen lebten sie fast 10 Jahre in Wolfsberg in einer Einzimmer-Notunterkunft mit Küche. Dort kamen noch drei Geschwister auf die Welt. Diese Wohnsiedlung, befindet sich in einem riesigen Park, der sich am Nachmit-tag hervorragend zum Spielen eignete. In Wolfsberg besuchte sie auch die Volks-

schule und ihr erstes Hauptschuljahr schloss sie ebenfalls dort ab. Danach zogen sie, wegen eines Stellenangebotes für den Vater, nach Völkermarkt in eine riesige Wohnung, wo sie dann auch ihre Pflichtschule fertig machte und anschließend die Ausbildung zur Lehrerin absolvierte.In Völkermarkt kam dann auch ihre älteste Schwester auf die Welt. Ihre Familie wohnte dor, bis zur Pensionierung ihres Vaters.Ursel fuhr täglich mit den Bus nach Klagenfurt um dort die Matura zu machen. Nachdem sie sie bestanden hatte, begann sie als Lehrerin im Lavanttal in einer Ver-suchsschule zu arbeiten. An den eigentlichen Versuch dieser Schule, kann sie sich nicht mehr erinnern, jedoch an eine Konfrontation mit ihrem Direktor. Die Reibun-gen zwischen den beiden wurden immer gröber, bis sie vom Schulinspektor abge-zogen und in eine Schule nach Wolfsberg versetzt worden ist. Dort blieb sie ein Jahr danach ging es ab nach Bad St. Leonhard, wo sie ihre Schulzeit besonders genießen konnte.

„Mann in einer Zeitschrift“, Ehe, Familie…

Bei einem Frisörbesuch, hat sie zum ersten Mal ihren Mann gesehen. Denn wäh-rend sie auf ihre Dauerwelle wartete, blätterte sie eine Zeitung sorgfältig durch und entdeckte durch Zufall die Kontaktannonce, wo ein netter und attraktiver Mann abgebildet war. Nach einigen Briefen, kam es zu ihrem ersten Treffen und kurz da-rauf folgte die Hochzeit, danach der Umzug nach Wien. Heutzutage wären sie die perfekte Patchwork Familie gewesen, er brachte zwei Kinder mit in die Ehe und sie eines. Ursel zog insgesamt vier Kinder groß, da sie später noch ein gemeinsames Kind auf die Welt brachten. Sie verbrachte vier Jahre zuhause um sich um die Kinder kümmern zu können. Sie verspürte jedoch nach kürzester Zeit den Willen wieder in einer Schule arbeiten zu wollen.

Karriere…

Durch Zufall erfuhr sie über ihre Schwester, die damals auch Lehrerin war, dass es in Wien einen Lehrermangel gibt und sie zurzeit dringend Arbeitskräfte suchen.Bei ihrem Besuch beim Stadtschulrat wurde sie zuerst von einem Personalchef ab-gewiesen. Dank ihres starken Willens blieb sie stur sitzen und forderte mit dem Präsidenten zu sprechen, der sie dann im 20. Bezirk anstellte.Wegen ihres Fleißes schaffte sie es, sich immer fortzubilden und immer wieder neue Kurse zu belegen.Sie begann sich für die Gastschüler und Immigranten besonders zu interessieren und sich an dem steigenden Problem des Verständnisses zu beteiligen.Neben ihrem Beruf und ihrer Familie machte sie die Prüfung für die Hauptschule. Sie wurde sogar Stellvertreterin des Direktors, bis sich die Gelegenheit ergab sich selber für diesen Posten zu bewerben.

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Der restliche Verlauf …

Den Erfolg ihres hart ausgearbeiteten Konzeptes erklärte Ursel so, dass die Lehrer davon so begeistert waren, weil sie selber an dem Konzept mitarbeiteten und so jeder seine Meinung miteinfließen lassen konnte.Nach diesen ganzen Diskrepanzen und Problemen hatte Ursel sechs erste Klassen an ihrer Schule, worauf noch viele folgten. Deshalb bekam die Schule auch das neue Gebäude gesponsert und wurde zur Brückenschule. Leider war das Unternehmen zu teuer und wurde deshalb von Jahr zu Jahr immer mehr gekürzt, bis es am Schluss einen Finanztod erlitt.Fast genau 20 Jahre war sie Direktorin an der Dirmhirnschule und liebte ihren Be-ruf, bis zu ihrer Pensionierung im Jahre 2008; es fiel ihr wirklich schwer ihre Schule zu übergeben und sich zurückzuziehen.In ihrer ganzen Karriere betrachtete sie die Schule, Schüler und Lehrer als „Ihres“. Also ihre Schüler, ihre Schule und ihre Lehrer. Jedoch achtete sie stets darauf, dass ihr Familienleben nicht unter ihrem starken Einsatz litt.Nach 23 Jahren Ehe hat sich das Ehepaar scheiden lassen, sie haben sich über die Jahre leider auseinandergelebt.

Ursel heute…

Ihren Rat an uns Schüler: lernen, lernen, lernen!Sie empfindet es vor allem wichtig Sprachen zu erlernen, nämlich schon von Kin-desbeinen an.Als Vergleich zu Österreich, nannte sie mir Amerika, wo ein großer Teil der Bevöl-kerung 2-3 Sprachen spricht. Das würde sie sich auch für uns wünschen.Als sie mir das erzählte, bekam ich sofort den Eindruck als hätte sie Lust sich weiter für die Schüler und deren Bildung einzusetzen und weiterzukämpfen. Als ich nach-fragte bestätigte sie mir das auch, ich fand das bemerkenswert.Sie versicherte mir auch, dass LehererIn sein kein Beruf sei, sondern eine eigene Beru-fung.

Ursel Hatzinger- Winkler hat für ihre Schule, Schüler, Leh-rer und Familie gelebt.

Die Direktorin und ihre Startprobleme…

Sie erreichte diese Position und wurde Direktorin an der Schule Dirmhirngasse im 23. Bezirk. In ihrem ersten Jahr als Direktorin passierte etwas Ungewöhnliches. Die Schule er-hielt von nur 7 Kindern eine Anmeldungen für das nächste Schuljahr. Als Ursel das hörte bekam sie einen Schock und begann nachzuforschen. Sie erfuhr, dass das Inspektionsamt die Dirmhirngasse mit der Bendagasse zusammenlegen wollte, da sie ein neues Gebäude für ein Amt brauchten, und sich das Schulgebäude dazu gut eignete. Das Inspektionsamt erzählte jedem Elternteil, der sein Kind in der Dirmhirngasse anmelden wollte, dass diese bereits voll sei und schickte sie in die Bendagasse.Sie erfuhr, dass die benachbarte Schule Anton Krieger Gasse einen tollen Schulver-such hatte, den sie auch unbedingt haben wollte. Es handelte sich um die „neue Mittelschule“. Ursel machte sich einen privaten Termin mit Werner Fröhlich, dem damaligen Direktor der Anton Krieger Gasse in einem Café aus, um das Problem zu bereden. Das Hauptproblem war, dass die Dirmhirngasse zu wenig Schüler hatte und die Anton Krieger Gasse viel zu viele.Zusammen konnten sie das Problem schnell lösen und bildeten sogar Arbeitsgrup-pen um ein Verbesserungskonzept auszuarbeiten.Am nächsten Tag wurde sie vom Stadtschulrat aufgefordert sofort zu kommen. An-fangs dachte sie ein Lob zu bekommen, weil sie ihre Schule gerettet hatte, jedoch stellte es sich schnell heraus, dass sie mehr oder weniger angeklagt wurde. Sie wur-de damals im Café bei dem Gespräch mit dem Direktor belauscht und gemeldet.Als sie zusammen mit Direktor Fröhlich die Missverständnisse klarstellen konnte, wurde der neue Schulversuch auch an ihrer Schule zugelassen.Sie entwickelten ein Konzept, was einen Zusammenhang zwischen allen Schulen im 13. und 23. Bezirk bewirken sollte. Anfangs wurden sie von den anderen Schulen ausgelacht, jedoch wurde das eingereichte Konzept bewilligt und kam zu Stande.

Unterstützung des Finanzministers…

Bei dem Versuch von dem Finanzminister unterstützt zu werden, passierte ihnen ein recht amüsantes Erlebnis. Weil sich die drei auserwählten Damen vom Portier des Finanzministeriums nicht abwimmeln ließen, wurden sie hinauf in ein wun-derschönes Besprechungszimmer geführt. Nach kurzer Zeit kam ein Herr, ohne ein Wort von sich zu geben, brachte auf einem Tablett eine Flasche Sekt mit Gläsern und verschwand wieder. Die Damen hatten keine Lust auf den Sekt und ließen ihn unberührt stehen. Nach einer Weile kam der Mann wieder und bat die Damen ihm zu folgen. Er begleitete sie wieder ohne Worte hinaus, also vor die Türe. Als der Mann wieder hineinging und die Türe schloss, schauten sich die drei Damen an und mussten einfach herzlich lachen.

Die heutige KMS Dirmhirngasse, bekannt als „Brückenschule“ seit Fertigstellung des neuen Gebüudes, welches mittels einer Brücke mit dem markanten Backsteinbau verbunden ist.

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Prof. Ruth Agathe Adele Mucke und Dr. Hermann Mucke

Ruth geboren am 01. August. 1925 in Wien, Hermann geboren am 1. März 1935 Gespräch mit Helena Wittich und Arabella Weidlinger

Frau Ruth Mucke war lange Zeit Lehrerin an unserer Schule und hat mit ihrem Mann, Dr. Hermann Mucke, schon bei vielen unserer Projekte mitgearbeitet und mitgewirkt. Darum war es für uns eine Freude mit ihnen das Interview zu führen und somit noch mehr über sie zu erfahren. Frau und Herr Mucke haben uns immer herzlich und begeistert empfangen. Wir freuen uns immer wieder mit ihnen zu-sammen an Projekten arbeiten zu dürfen.

Ruth wurde in Wien geboren und wuchs im 5. Wiener Bezirk und später in Liesing auf. Sie hatte eine jüngere Schwester und ihr Vater war ein in Wien geborener Ita-liener, dadurch hatte Ruth die italienische Staatsbürgerschaft, die ihr letzten Endes das Leben rettete. Ihr Vater war Schlafwagenkondukteur und Dolmetscher und war daher viel im Ausland. Trotz ihrer jüdischen Herkunft, ihr Vater war evange-lisch, ihre Mutter stammt aus einer jüdischen Familie, besuchte sie eine katholische Klosterschule.Die ersten Schüsse der Revolution begannen als sie gerade in der Schule war. Seit-

dem musste sie sich zuhause immer von Fenstern fernhalten, da auch auf Häu-ser geschossen wurde. Ein Schulkollege, der auch ein enger Freund von Ruth war, musste wegen seiner jüdischen Herkunft die Schule verlassen. Sie konnte sich nicht einmal von ihm verabschieden, weil ihre Mutter ihr verboten hatte das Haus zu verlassen.Ruth musste schon mit jungen Jahren die erste Erfahrung mit Rassenkunde durch-leben. Sie wurde damals von einer Lehrerin als Heidenkind beschimpft. Eines ihrer schlimmsten Erlebnisse war, als sie von einem Mann auf der Straße mit den Worten „Du bist noch nicht vergast worden“ angespuckt wurde.Da ihr Vater in Wien nicht mehr arbeiten konnte, musste Ruth mit ihrer Familie nach Italien fliehen.Sobald in Wien wieder Ruhe einkehrte wollte sie wieder zurück, vor allem da ihr Vater eine Stelle bei Meindl versprochen wurde. Auf der Zugfahrt nach Wien wur-de der Zug in Simmering angehalten. Alle Italiener wurden vom Militär aufgefor-dert unverzüglich den Zug zu verlassen. Nur durch die goldene Uhr ihres Vaters konnte er sich auf einen Tauschhandel mit dem Schaffner einlassen und so nach Wien kommen. In Wien mussten sie sich noch eine Zeit lang in einem Keller nahe dem Südbahnhof verstecken. In Liesing bekamen sie Unterschlupf bei einer Haus-frau, von Nachbaren bekamen sie Kleidung und Matratzen. Als wir sie nach einem prägenden Erlebnis während der Kriegszeit fragten, erzählte sie uns, dass sie durch einen Bombentreffer verschüttet wurde, es jedoch aus eige-ner Kraft schaffte sich mit den Händen heraus zu graben. Mit jungen 14 Jahren begann Ruth neben der Schule zu arbeiten. In der Nachkriegs-zeit wurde ihrer Schwester verboten die Schule zu besuchen. Dank ihrer Lehrerin durfte Ruth zur Matura antreten. Sie dachte, nun würde ihr Leben beginnen. Sie ging schwimmen, segeln und tanzen und versuchte all das was ihr in der Nazizeit nicht ermöglicht wurde, nach zu holen. Sie begann mit dem Studium, dabei studierte sie immer nur 1 Semester um das folgende Semester zu arbeiten und dann wieder 1 Semester zu studieren. Ruth hat gekellnert, geputzt und auf Kinder aufgepasst um sich ihr Studium zu finanzieren.Sie beendete ihr Studium und heiratete bald darauf zum ersten Mal. Aus dieser Ehe stammt ihr erster und einziger Sohn, der 1955 auf die Welt kam. Die Ehe hielt jedoch nur 6 Jahre.Ihren jetzigen Ehemann, Hermann Mucke, lernte sie im Planetarium kennen. Herr und Frau Mucke haben keine gemeinsamen Kinder, jedoch haben sie jeweils einen Sohn mit in die Ehe gebracht. Im Moment sind sie stolze Großeltern von 6 Enkel n und einem Urenkel. Als wir über die Unterschiede der damaligen und heutigen Zeit redeten, versuchte uns Frau Mucke nahe zu bringen, dass wir dankbar sein sollten, heutzutage ohne große Umwege studieren zu können, denn für sie war es damals nicht so einfach.Als wir sie nach ihrem Lebensmotto fragten, antwortete sie uns lächelnd: „Der Beste Weg zum Erfolg ist Arbeiten.“

Dr. Hermann Mucke ist ein österreichischer Astronom und langjähriger Leiter des

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Astronomischen Büros in Wien.Er wurde in Wien geboren und lebte dort bis zum Jahre 1941. Als der Krieg ausbrach zog er mit seinen Eltern und seinen 3 jüngeren Schwestern aufs Land wo sie bei ei-nem Bauern Unterschlupf fanden. Er konnte nicht einmal alle vier Volkschulklassen besuchen, da sie während dem Krieg im Keller bleiben mussten. Aufgrund dessen konnte er als Kind nicht multi-plizieren und dividieren. Herr Mucke maturierte in Wien und studierte später Physik an der Technischen Universität Wien.1964 wurde er Leiter des Wiener Planetariums und 1971 übernahm er auch die Lei-tung der Urania-Sternwarte. Er führte beide bis zu seiner Pensionierung im Jahre 2000. Ebenfalls zu erwähnen ist die von ihm selbst konstruierte und erbaute Stern-warte in Mauer, 23.Wiener Bezirk. Einer seiner vielen Leistungen die er während seiner erfolgreichen Karriere erbrachte, war der Aufbau der ersten und einzigen vollautomatischen Meteor Kamera. Er ist glücklich mit Ruth Mucke verheiratet und ist sehr dankbar dafür sie an seiner Seite zu haben, denn er meint, dass er ohne ihre Hilfe und Unterstützung nicht so viel in seinem Leben erreicht hätte. Weiters erzählte er uns, dass er aus einer Familie mit dominanten Frauen stammt und es somit gewohnt ist, dass Kommando an seine Frau zu übergeben- So nennt er sie liebevoll „Königin des Hases“. Auf die von uns gestellte Frage, was das Beste in seinem Leben sei, meinte er, seine Ehe.Wie auch seine Frau, brachte er einen Sohn mit in die gemeinsame Ehe. Dieser stu-dierte Biochemie und besitzt nun eine Firma für Pharmaberatung. Inzwischen sind Herr und Frau Mucke stolze Großeltern von sechs Enkeln und einem Urenkel.Sein Lebensmotto :

„Was du tust, tu’s mit ganzem Herzen“ – Konfuzius

Dr. Hermann Mucke, von 1971 bis 2000 Leiter der Urania-Sternwarte, an dem von ihm konzipierten Doppelfernrohr

Prof. Ruth und Dr. Hermann Mucke stets bereit ihr Wissen und ihre Erfahrung mit er Jugend zu teilen: Oben beim Interview, rechts in einer Diskussion in der Schule RGORG 23, „antonkriegergasse“ und unten bei einem Überraschungsbesuch der Klasse7.B im Juni 2010 in ihrem Garten,

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Johanna Leodolter erzählt über das Café Hirsch

Sie ist die Mutter des Geschäftsinhabers, geboren 1931

Franz Hirsch wurde am 20.9.1878 geboren. Im Erwachsenenalter eröffnete er sei-ne Konditorei am 15.6.1914 in der Perchtoldsdorferstraße 1 (Bild rechts oben). Als Franz im 1. Weltkrieg einrücken musste, führte seine Frau Maria das Geschäft. Spä-ter übernahm der Sohn Heinz das Geschäft welches jedoch durch den 2. Weltkrieg zerstört wurde. Heinrich Hirsch und seine Frau konnten es nach den Instandset-zungen in den Jahren 1947 und 1948 vergrößert eröffnen (Bild rechts unten) Des Weiteren wurde ihm anlässlich der Konditoreiausstellung von der Landes-innung Wien der Zuckerbäcker die „Goldene Torte“ verliehen. Jahre später über-siedelte das Unternehmen in größere Räumlichkeiten in das Haus Wien-Liesing, Breitenfurterstraße 360. Dadurch wurde der Kundenkreis erweitert. Seit 1987 führt Heinrichs Neffe Heinz Leodolter das Geschäft unter dem Namen Heinrich Hirsch Café-Konditorei Inhaber Heinz Leodolter.

Am 15.6.1989 sollte das Jubiläum des Unternehmens gefeiert werden, was leider durch das Ableben von Heinrich Hirsch verhindert wurde. 1993 folgte der Umbau der Konditorei, 2010 wurde, gleichzeitig mit der Neugestaltung des Liesinger Plat-zes, ein wunderschöner Wintergarten angebaut.

Franz und Maria Hirsch vor ihrer im Jahr 1914 gegründeten Konditorei (rechts)

Heinrich Hirsch an der Kaffeemaschine der neu eröffneten Kon-ditorei in den 1950er Jahren (unten) und mit seiner Gattin am Ver-kaufspult.

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Dr. Ilse Breiner, Zeugin der Errichtung der Schule „antonkriegergasse“

geboren am 30. Mai 1930 im Gespräch mit Lisann Beyer

Dr. Breiner wurde in Brunn am Gebirge, in ihrem Wohnhaus geboren, weil sie da-mals zu schnell war. In genau diesem Haus wohnt sie auch heute noch. Ihr Vater, der aus dem Sudetenland kam, hatte das Haus 1929 gekauft, es wurde um 1910 erbaut. Sie hatte eine hochintelligente Schwester, die leider schon mit 27 Jahren an der Zu-ckerkrankheit starb. Zur Volksschule ging Ilse in Brunn am Gebirge bei den Schul-schwestern, jedoch hatten 1938 die Nationalsozialisten die Privatschulen aufgelöst und so musste sie die letzten zwei Volksschuljahre in Perchtoldsdorf absolvieren. Dort waren 64 Schülerinnen in einer Klasse, das führte dazu, dass Ilse die Hälfte ihrer Klasse nicht einmal kannte. Danach besuchte sie das Gymnasium Eisentorgas-se (heute Bachgasse) in Mödling. 1944 wurde das Gymnasium, so wie alle anderen auch wegen der vielen Fliegerangriffe geschlossen. Sie kam mit der Kinderlandver-schickung in die Hohe Tatra, Slowakei. Im Sommer 1944 kamen die Russen in die Slowakei und die Familie flüchtete nach Salzburg, dort vollendete sie die Schulaus-bildung und maturierte 1948.

Kein Hunger…

Auf die Frage, ob sie in den 40er Jahren, wie viele Österrei-cher hungern musste und auf Lebensmittelkarten angewie-sen war, antwortete sie: „Mein Vater, der aus einer Bauernfa-milie stammte, hatte im Garten eine Obst- und Gemüseplanta-ge mit Bienen, die Honig pro-duzierten, Hühnern, Hasen und Tauben. Wir versorgten uns selbst mit Nahrung, seit dieser Zeit ist meine Lieblings-speise gebratene Taube.“ Hinterher meinte sie, so gute Tauben, wie sie hatten, gibt es heute nicht mehr.

Schule, Beruf, Mann…

Ilse besuchte nach der Matura in Wien die graphische Akademie und studierte an der Universität Wien Kunstgeschichte und Archäologie. Während der Besat-zungszeit wohnte sie in Wien im Stu-dentenheim, das war für ein Mädchen sicherer als im russisch besetzten Brunn zu leben. Nach dem Studium, das sie mit dem Doktorat abschloss, war sie als Führerin für die Wien Aktion tätig.Bei einem Studentenball lernte sie ihren Mann, Dr. Walter Breiner kennen.Bald darauf kamen die Söhne Matthias, Markus und die Tochter Ingeborg zur Welt.Als Mutter von 3 Kindern, hatte Ilse kei-ne Möglichkeit ihren Beruf vollständig auszuüben, so engagierte sie sich ehren-amtlich im Verein Brunner Heimathaus.Auf meine Frage ob es eine glückliche Ehe war, erklärte sie mir, dass sie sehr oft miteinander gestritten haben. Ilse ist der Meinung, dass Streiten wichtig ist, sie

Unterrichtsminister Fred Sinowatz überreicht den Schulschlüssel an Di-rektor Dr. Walter Breiner, 1974

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Ilse heute…

Sie gestand mir, dass seit dem Tod ihres Mannes leider alles ein wenig bergab mit ihr gehen würde.

Ihr Rat für die Jugend von heute ist, dass sie viel lesen soll und lernen sich gut aus-

zudrücken und zu sprechen. Guter klarer Ausdruck ist im Berufsleben wichtig!

Links: Ein seltenes Bild von der Erbauung der AHS und Gesamtschule Anton Krieger Gasse, aufgenommen im Februar 1973: Man sieht den Rohbau des Osttraktes, der auch als erster eröffnet wurde und später einige Jahre die Handelsakademie beherbergte.Wie aus dem Rohbau ersichtlich, wurde die Schule so konstruiert, dass die Wände zwischen den Klassen in diesem Teil „verschiebbar“ sind, um leichter Teilungsräume zu schaffen (die für den Unterricht in Leistungsgruppen gebraucht wur-den.)Bild unten aus dem Jahr 1979: Ursprüngliche Bezeichnung des RGORG 23, als noch die Handelsakademie im selben Gebäude untergebracht warQuelle: Bezirksmuseum Liesing

meinte: “Ohne Streiterei wäre das Leben fad!“ Sie hätte es nicht ertragen können, wenn ihr Mann ununterbrochen dieselbe Meinung wie sie gehabt hätte. Über 50 Jahre war das Ehepaar Breiner verheiratet, bis Walter Breiner, der spätere Direktor unserer Schule Antonkriegergasse 2010 verstarb.

Erbauung unserer Schule…

Er war es, der die Schule Anton Krieger Gasse als einzige Gesamtschule Österreichs an einem Gymnasium aufgebaut hatte. Unterrichtsminister Fred Sinowatz über-reicht 1974 den Schulschlüssel an Direktor Dr. Walter Breiner. Um als AHS-Lehrer auch den Pflichtschulbetrieb kennenzulernen, hatte er zuvor an der Hauptschule Dirmhirngasse Klassen unterrichtet.

Im Frühjahr 1974, vor der Eröffnung der neuen Schule waren die Wege noch nicht asphaltiert, rund herum war noch alles voll Erde und Schutt, die Schule stand mit-ten auf einem Feld. Außerdem gab es noch keine Sekretärin, so unterstützte Ilse ihren Mann bei der Aufnahme der Schüler für die 1. und 5. Klasse. Vieles war noch nicht fertig, es gab keine eingerichtete Direktion. Die Schüler der 2. Klasse hatte ihr Mann aus der Hauptschule Dirmhirngasse mehr oder weniger „mitgenommen“. Anfangs gab es noch nicht mal einen Schulwart, weil der erste Bewerber gleich wieder heimgeschickt wurde, da er zum ersten Arbeitstag bereits betrunken in die Schule kam, gestärkt vom Bauernmarkt.

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Eduard Giffingergeboren am 20. November 1940 im Gespräch mit Lisann Beyer

Eduard wurde knapp vor Kriegsbeginn als erstes Kind seiner Eltern Eduard und Emilie Giffinger in Wien geboren. Seine Mutter ging damals mit ihm und seiner Tante, die ebenfalls ein Kind in seinem Alter hatte, nach Oberösterreich. Dort gab es in einem Gasthof einen Zufluchtsort für Mütter mit Kindern. Zusammen mit unge-fähr 10 anderen Frauen mit Kindern lebten sie auf diesem Hof.Sie haben sich mehr oder weniger vor dem Krieg versteckt!Obwohl Eduard fast keine Erinnerungen behielt, wusste er ganz genau, dass er nie zu hungern brauchte, er musste zum Glück nie das Gefühl kennenlernen, wie es ist mit einem leeren Magen schlafen zu gehen.Bis zum fünften Lebensjahr von Eduard lebten sie in Oberösterreich und somit konnte er eine gewöhnliche Kindheit mit Spiel und Spaß genießen, trotz Kriegszeit.

Ein besonderes Erlebnis behielt er jedoch ganz genau im Gedächtnis, er stand da-mals als kleiner Junge auf einem Hügel und spielte, als er plötzlich hunderte von Fliegern sah, die den Himmel über ihm bedeckten. Als er seine Mutter fragte, was

die Flieger da oben ma-chen würden, antwortete sie betroffen: „Die fliegen in Richtung Wien, um uns zu bombardieren.“

Ein zweites Erlebnis be-hielt er noch in Erinne-rung. Er, seine Mutter und Tante waren noch in Wien und mussten bei einem Bombenangriff auf Wien in einen provisorischen Schutzkeller fliehen, bei diesem handelte es sich um einen Keller, der sich unter der damaligen Liesinger- Brauerei befand.

Heimkehr nach Wien

1945 kamen sie wieder zu-rück nach Wien. Sie hatten extremes Glück, ihr Wohn-haus hatte den Krieg tat-sächlich überstanden und ihre Wohnung war noch voll intakt.Als die Soldaten der Rus-sen bei ihnen einen Besuch in der Wohnung abstatteten, hat einer von ihnen das Spielzeugauto von Eduard weggenommen, der andere Soldat jedoch war so warmherzig, dass er es dem klei-nen Jungen wiedergab. Das freute Eduard unheimlich und hinterließ einen guten Eindruck von den Russen bei ihm.

Seine Mutter schaute wirklich immer, dass ihr kleiner Junge nicht an Hunger leiden musste, auch nach dem Krieg. Als sie einmal frische Orangen vom Markt mitbrach-te, wunderte sich Eduard was das ist beziehungsweise wie man diese essen sollte. Er kannte keine Orangen, für ihn war das aber nichts Schlimmes, weil er halt von ihrer Existenz nichts wusste. Für seine Mutter aber, war das nicht so einfach zu begreifen, dass ihr eigener Sohn in seinem Leben noch keine einzige Orange zu Gesicht bekommen hat.

Eduard Giffinger als Baby (oben) und als Kleinkind (unten) mit seinen Eltern Emilie und Eduard

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Vater kehrt auch zurück:

1947 kam sein Vater, der für ihn damals ein fremder Mann war, durch ein Fenster gestiegen in die Wohnung aus dem Krieg zurück. Er lernte seinen Vater erst mit 7 Jahren kennen.Als ich Eduard fragte, ob ihm sein Vater aus dem Krieg erzählt hat, verneinte er die Frage. Fügte aber hinzu, dass, bevor sein Vater 1962 an einem Nierenversagen starb, er an seinen letzten paar Lebenstagen begann, ein wenig über den Krieg zu sprechen. Jedoch keine Heldengeschichten sondern nur Menschliches. Dass er zum Beispiel einem seiner Gegner einen Verband gegeben hat.Als der Krieg zu Ende war und Eduards Vater zurückkehrte, wurde kurze Zeit spä-ter sein kleiner Bruder geboren, mit dem er immer ein enges Verhältnis hatte.

Schule, Ausbildung, Beruf …

Eduard besuchte mit fünf Jahren sein erstes Volksschuljahr, er ging in die Dirmhirn-gasse, weil seine für ihn vorgesehene Schule von Bomben zerstört war.Dort hatten sie einen sogenannten „Wechselunterricht“, das bedeutet sie hatten eine Woche Vormittagsunterricht und in der darauf folgenden Woche Nachmittagsun-terricht und dann wieder umgekehrt. Das war deshalb so, weil jeder Lehrer zwei Klassen unterrichten musste.Er besuchte die Schule mit Begeisterung. Allerdings hatte sein zu früher Schulbeginn einen anfänglichen Nachteil, er durfte noch nicht mit seiner Lehre beginnen, weil er zu jung war. Deshalb wurde Eduard wieder heimgeschickt und meldete sich bei dem Institut „Jugend am Werk“ an, wel-ches sich um Jugendliche, die keine Lehrstelle bekommen, kümmert. Dort erlernte er bereits einige Dinge, die ihn dann auf sein späteres Berufsleben vorbereiteten. Sei-ne Lehrstelle wurde ihm glücklicherwei-se freigehalten und so konnte er nach ei-nem halben Jahr mit bereits erlernter Er-fahrung seinen Beruf Schlosser erlernen.Er schloss seine Lehre

Eduard bei der AGENDA Ver-anstaltung „Wir sind viele - Wer ist wer?“ im September 2010

ab und führte seinen Beruf um die 25 Jahre aus.

Als er viele Jahre später nach Oberösterreich zurückkehrte um zu schauen, ob es den Gasthof noch gibt, traf er dort die Großmutter des Hauses, die früher eine junge Wirtin war, sie konnte sich an ihn noch erinnern und erzählte ihm einiges aus dieser Zeit.

Über einen gemeinsamen Freundeskreis, lernte Eduard seine zukünftige Frau Mat-hilde kennen und lieben. Sie heirateten glücklich und bekamen miteinander zwei Kinder. Nach einigen Jahren Ehe, beschlossen beide einvernehmlich sich voneinander zu trennen und sich scheiden zu lassen. Seine Ex-Frau, gehört jedoch immer noch zu seiner großen Familie.Eduard heiratete ein 2. Mal in einem kleineren Kreis und ist bis jetzt immer noch glücklich mit seiner Frau Elisabeth. Mit 38 Jahren bekam er noch einmal die Chance in die Schule zu gehen, um sich fortzubilden und eine gewerkschaftliche Ausbildung zu machen.Ab 1987 arbeitete er dann beim Österreichischen Gewerkschaftsbund als Sekretär in Klein- und Mittelbetrieben. Bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2001.Bei diesem Beruf, lernte er sein Interesse an der Integration kennen.2006 wird er schließlich Mitglied der Agenda 21 Plus und engagiert sich besonders bei der Integrationsgruppe. Er genießt es, endlich das machen zu können, was ihm Spaß macht.

Eduard hat ein gutes Verhältnis zu unserem Bezirksvorsteher Manfred Wurm, der ihn damals vorschlug zu einem Treffen zu kommen, wo über das Thema „Zusam-menleben“ diskutiert wurde. Es ging um den Globalen Hof, wo 50% „Alte Österrei-cher“ und 50% „Neue Österreicher“ wohnen. Da hörte er zum ersten Mal von der Agenda.

Sein Interesse galt immer schon den Menschen anderer Kulturen. Er war sogar schon in den 80er Jahren Mitglied in dem türkischen Verein „Öster-reichisch-Türkische Freundschaft“.

Mittlerweile hat Eduard drei Enkelkinder und zwei Urenkel. Mir scheint es so, als ob seine große Fami-lie ein sehr wichtiger Bestandteil seines Lebens ist.Heute lebt er zusammen mit seiner Frau Elisabeth im Wohnpark in Alt- Erlaa und genießt jeden Tag.

Bei Veranstaltungen packt Eduard gerne sein Akkordeon aus und spielt als Alleinunterhalter Wienerlieder.

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With regard to weather, the winds over England often come from the west after it has travelled a great distance over the Atlantic. These winds pick up a great deal of moisture (3) but one must not, however, think it is always raining. It is true that east England is dryer than the west, but it’s interesting to note that the west enjoys more sunshine hours per year. For example, when it rains in Cornwall it will usually rain very heavily but not for a long time, whereas in the east (Norfolk and Suffolk for example) it may drizzle (4) without stopping for over a week.

English food is very good – for English people! They are used to it. Usually more vegetables and less meat are served and less spice (5) are used than in Austria. It is possible to be served with cold pork, lamb or beef served with either pickled (6) red cabbage, pickled onions or piccalilli etc. Mmmmmm!

I strongly recommend that you try just a little of anything new to you before you decide whether you like it or not.A visit to a foreign country is a marvellous adventure.

Glossary

(1) countryside = Land(2) sizeable = ziemlich groß(3) moisture = Feuchtigkeit(4) drizzle = Sprühregen(5) spices = Gewürze(6) pickled = pökelt

Henry Albert Wright, der „einzige Engländer“bei der Lesung „Gemeinsam am Mühlengrund“ im Nov. 2010 mit Mag. Helga Patocka

geboren 1922

Austria and England – Some Differences You May Notice

When I first came to Austria to stay in 1973 I thought what a lovely countryside (1) it possessed. In England the countryside is also lovely but there is a noticeable diffe-rence: England has approximately five times more people per square kilometre than Austria. In England, therefore, you will usually never be far from some sizeable (2) towns.

In Austria you are taught good English, but if you speak to English people you may not always understand them because they may not reply in good English. Natu-rally, an Austrian in Austria does not always speak good German.

Bei einer generationenübergreifenden und interkulturellen Veranstaltung der AGENDA 21+ war Mr. Wright der einzige Senior am Mühlengrund, der aus einem anderen Kulturkreis stammte. Hier seine unterhaltsame Erzäh-lung darüber, was in Österreich anders als in seiner Heimat ist:

Zusammenfassung

Als ich 1975 erstmals nach Österreich kam, bewunderte ich die herrliche Landschaft, in England ist es auch schön, aber die Bevölkerungsdichte ist fünfmal größer.In Österreich lehrt man gutes Englisch, nur versteht ein Engländer die Östereicher nicht immer, denn sie antworten oft nicht in gutem Englisch.

In England regnet es oft, da die Westwinde viel Feuchtigkeit bringen. Englisches Essen ist herrlich - für Engländer! Es ist wenig gewürzt, mehr Gemü-se, serviert mit kaltem Schwein, Lamm oder Rindfleisch, mit Rotkraut, gepökelten Zwiebeln oder Essiggemüse - köstlich ...

Probieren Sie täglich ein wenig Neues, dann werden Sie sehen, dass der Besuch ei-nes fremden Landes ein Abenteuer ist!

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Maximilian Stony, Direktor unseres Bezirksmuseumsgeboren am 5. Oktober 1931 im Gespräch mit Lisann Beyer und Johanna Schagerl

Maximilian Stony ist der einzige Sohn von einer Wienerin und einem Grazer, er ist bei einer Hausgeburt in Zagreb auf die Welt gekommen. In Kroatien deshalb, weil seine Großeltern bereits zwei Jahre zuvor dorthin ausgewandert sind und seine El-tern ihnen folgten. Bis zum Jahre 1939 lebte seine Familie in Kroatien. Daher ist Ma-ximilian zweisprachig aufgewachsen und ist heute sehr froh darüber, auch diese Sprache zu beherrschen. Seine Eltern ließen sich scheiden und so zog seine Mutter mit ihm wieder nach Wien-Ottakring zurück.

Kind sein in der Kriegszeit…

Seine Kindheit bezeichnet Stony als sehr schön, jedoch auch prägend. Wie viele andere Kinder wurde auch er mit ungefähr 12 Jahren nach Ungarn und später nach Niederösterreich aufs Land geschickt, um dem Krieg auszuweichen

Maximilian Stony, 1937 mit seinen Eltern

und sich erholen zu können. Jedoch als er zurück nach Wien kam, waren die Bom-benangriffe und der Krieg noch nicht zu Ende.Er erzählte uns von ein paar Erlebnissen, die er gut in Erinnerung behalten hat. Zum Beispiel wie ein riesiger russischer Panzer vom Gürtel aus eine Granate entlang der Thaliastraße schoss oder die vielen Bom-ben, die abgeworfen wurden.

Ein bestimmtes Geschehnis erzählte er uns recht fasziniert, eine Bombe schlug in ein öffentliches Bad und in die Straße davor ein, riss diese auf, so dass man den dar-unter fließenden, bisher verbauten Bach sehen konnte. Stony erzählte uns, dass die Kinder damals sehr neugierig waren, so wie heute auch, und wenn sie drau-ßen spielten, näherten sie sich des Öfte-ren ziemlich gefährlichen Situationen. Das nur, weil sie alles ausforschen und anse-hen mussten. So bestaunten sie zum Bei-spiel einige Fliegerbomben aus ziemlicher Nähe, wobei sie nicht wussten ob es sich um Blindgänger handelt.Mit drei Freunden aus seiner Kindheit ist er sogar heute noch in engerer Verbunden-heit. Diese begleiteten ihn durch sämtliche Kindheitserlebnisse und erst vor kurzem bei seinem groß gefeiertem 80er waren sie anwesend, und sehr geschätzte Gäste. Nachkriegszeit, Ottakringer Brauerei …

Auch die Nachkriegszeit prägte ihn. Weil es keinen Vater gab, musste die Mutter arbeiten gehen um den Unterhalt verdienen zu können. Das war der Grund, warum ihn seine Großeltern aufgezogen haben, und er ziemlich schnell lernte, selbststän-dig zu sein. Er war gerade so um die 14 Jahre alt, als er sich um das Essen für die Familie küm-mern musste. Das störte ihn aber nicht besonders, es bereitete ihm sogar viel Spaß irgendwo etwas aufzutreiben, obwohl diese Aufgabe sehr verantwortungsvoll war.Er wohnte damals genau neben der Ottakringer Brauerei, an die er sich noch ganz genau erinnern kann, weil er dort als Kind viel Zeit verbracht hat. Ihn interessier-ten die riesigen Maschinen und die gesamte Atmosphäre, der Braumeister erklärte ihm oft, wie ein Bier entsteht und was bei der Erzeugung zu beachten ist. Ich lernte

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anhand Stonys Erzählungen, dass einer der wichtigsten Bestandteile eines Bieres „weiches Wasser“ ist, welches früher aus dem hauseigenen Brunnen genommen wurde, heute wird es meistens mit Chemie erzeugt. Stony meint: „Das ist der Grund warum das Bier auch heute nicht mehr so gut schmeckt!“Einmal hat sich Maximilian am Nordbahnhof 15 Kg Mais organisiert, zusätzlich hat er sich die Melasse von einem Tankwagen aus der Brauerei herausgehoben und ernährte sich wochenlang von Maisbrei mit Melasse. Auch hat er oft eingebrannte Erdäpfel gegessen, das ist der Grund warum er heute darauf gerne verzichten kann. Er musste nie hungern, weil er sich immer etwas organisieren konnte!

Schule, Beruf, Frau, Bassgeige…

Er besuchte ganz gewöhnlich die Volks- und Hauptschule. Seine Lehre zum Be-ruf als Mechaniker begann er bei den Bundesbahnen, die er jedoch nach Abschluss verlassen hat und in die Privatindustrie wechselte, in einen USIA Betrieb. Diese Betriebe waren früher deutsches Eigentum und wurden von den Russen 1945 über-nommen.Dort lernte er auch seine zukünftige Frau kennen, es war nicht Liebe auf den ersten Blick, sondern auf den zweiten: Als sie lange Haare hatte fand er sie zwar recht nett, aber… Dann kam sie an einem Tag mit einem frischen Kurzhaarschnitt in die Firma und plötzlich funkte es bei Stony!1953 hat er sie dann geheiratet und war in der Ehe sehr glücklich bis zu dem Jahre 2003, als Maximilian Stony zum Witwer wurde.

Eines Tages fragte ihn ein Kollege, ob er zufällig Bassgeige spielen könne, er ver-neinte die Frage und erklärte, er könne aber Noten lesen. Worauf sein Kollege mein-

te, dann kannst du auch Bassgeige spielen. Kurze Zeit später spielte Stony in dem Werksorchester Bassgeige, aber auch mit den „Hojsa Buam“ beim Heurigen und lernte das Instrument wertzuschätzen. 1950 spielte er dann schon mit dem Sie-menswerkorchester in Ostberlin bei den Weltjugendspielen ein Konzert.

Wegen seiner politischen Einstellung wechselte er die Firma und begann bei Philips als Mechaniker, seine Karriere führte ihn bis zum Betriebsleiter von einem Werk mit 1000 Mitarbeitern. Bis zu seiner Pensionierung war er 40 Jahre lang bei Philips tätig.Seine Liebe zur guten alten Wiener Musik gab er aber nicht auf. Noch heute nimmt er manchmal seine Bassgeige in die Hand und spielt einfach drauf los…

Der Direktor des Bezirksmuseums Liesing …

Sein Freund Harry Glöckner, der Präsident der Wiener Bezirksmuseen, fragte ihn vor einiger Zeit, ob er sich nicht mal das Liesinger Bezirksmuseum ansehen will, da ein neuer Direktor gesucht wird. Nach seiner Besichtigung stellte er fest, dass hinter diesem Projekt viel Arbeit steckt und nahm seinen heutigen Posten voller Energie und Ideen an.Stony wurde vom Techniker zum Historiker!Er ist in seinem Amt sehr engagiert, zum Beispiel hat er schon ein Buch „100 Jahre Amtshaus Liesing“ geschrieben, ein selbstgesungenes Lied über den Wohnpark Alt Erlaa aufgenommen und eine DVD gestaltet, die eine historische Fahrt vom Reu-mannplatz nach Liesing zeigt.

Maximilian Stony ist der Meinung, dass dieser Beruf und seine ständigen Aufga-ben, Projekte und Veranstaltungen ihn geistig gut fit halten, er ist sehr froh darüber, das alles noch in seinem Alter machen zu können.Sein Wunsch ist es, so lange wie nur möglich Museumsdirektor zu bleiben, er liebt seinen Beruf und lässt sich immer etwas Neues einfallen.Heute verbringt er sei-ne Freizeit mit Tennis-spielen oder Radfah-ren, Sport ist für ihn sehr wichtig. Seit genau 27 Jahren, lebt Herr Maximilian Stony im Wohnpark Alt Erlaa und fühlt sich dort äußerst wohl.Direktor Stony eröffnet die AGENDA 21 Veranstaltung: „Wir sind viele - Wer ist wer?“ im Sep-tember 2010 - mit SchülerInnen der Klasse 8.B.

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Hedwig Prüller, die Organisatoringeboren am 14. Juni 1934 in Mank/NÖ

Ihr Vater war Zimmermann im Gut Strannersdorf, die Mutter Feldarbeiterin. Nach der Volks- und Hauptschule, die sie mit sehr gutem Erfolg in Mank besuchte, gab es keine Arbeit. Sie war als Kindermädchen in Neulengbach beschäftigt. 1952 kam sie mit der Westbahn in ihrer „Traumstadt“ Wien mit einem großen Stück „Geselch-tem“ im Gepäck an und suchte eine Arbeit. In der Währinger Straße stellte sie sich bei Frau Ewald als Hausgehilfin vor. Nachmittags mußte sie im Geschäft arbeiten. Die Firma Ewald stellte Glaskolben, Eprouvetten etc. für das Chemische und Physi-kalische Institut der Universität Wien her.

Mit dem ersparten Geld besuchte sie in der Handelsschule Weiss Bürokurse. So fand sie eine Arbeit im „Inkassoverein Fondshilfe“. 1957 heiratete sie, ihr Mann war Lehrer bei den „einjährigen Lehrkursen“, dem heutigen polytechnischen Lehrgang. Später wurde er Direktor in der polytechnischen Schule Vorgartenstraße, wo er die spätere FMS Direktorin Edith Gaderer als junge Lehrerin kennenlernte.

1958, 1960 und 1966 bekam sie ihre Kinder, sie war fast 15 Jahre zu Hause und verbesserte das Haushaltsbudget mit Näharbeiten. 1974 begann sie wieder in ei-ner medizintechnischen Firma halbtags zu arbeiten. Von 1980 bis 1990 war sie bei der Lehrlingseinstellung im Konsum Österreich tätig. 1991 ging sie in Pension und konnte diese zehn Jahre mit ihrem Mann genießen.

Leben und Aufgabe am Mühlengrund

Im Jahr 2000 zog sie mit ihrem Mann zum „Mühlengrund“, um den Kindern nicht zur Last zu fallen und die Ausflüge und Aktivitäten, die hier zur Verfügung stehen, genießen zu können.

Da sie vielseitig interessiert ist und sich jung fühlt, gerne wandern geht, singt und gut im Organisieren ist, wurde Hedwig bald als Bewohnerbeirätin gewählt. In ihrer Funktion vertritt sie die Interessen der BewohnerInnen gegenüber der Verwaltung. Viermal jährlich gibt es Sitzungen mit Direktor Helmut Hempt und VertreterInnen der im Haus Beschäftigten, bei denen die Organisation des Betriebes am Mühlen-grund besprochen wird.

Auf die Frage, was sich im letzten Jahrzehnt am Mühlengrund verändert hat, sagt Hedwig, dass das Eintrittsalter der BewohnerInnen stark gestiegen ist, manche kommen bereits mit Gehhilfe oder sind pflegebedürftig, dadurch sind viele Aktivi-täten wie etwa Ausflüge, schwieriger geworden.

Hedwig Prüller als 7-jähriges Schulkind in Mank (links) und mit 14 Jahren (rechts)

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Frank Rattaygeboren asm 29. 05. 1945 im Gespräch mit Lisann Beyer

Frank Rattay ist in Tirol, nähe Kitzbühel, in Hopfgarten geboren. Dort lebte er un-gefähr ein Jahr zusammen mit seinen Eltern und seinem Bruder, der einige Monate vor ihm geboren ist.Leider trennten sich seine Eltern und Frank zog zusammen mit seinem Bruder und seinem Vater, der von nun an ihre einzige Bezugsperson war nach Wien in den 15. Bezirk. Zu seiner Mutter gab es leider von da an keinen Kontakt mehr. Er erzähl-te uns, dass sein Vater ein wenig Angst hatte, denn sie zogen genau in der Nach-kriegszeit nach Wien, und es gab damals viele Gerüchte beziehungsweise herrschte die Angst, dass die Russen einige Absichten mit Wien hätten, das stellte sich aber später zum Glück nur als Gerücht heraus.Sein Vater sorgte dafür, dass sie nicht zu hungern brauchten, auch wenn das be-deutete, dass es eine Woche lang immer dasselbe zum Essen gab. Als Frank Rattay neun Jahre alt war, zogen sie zusammen nach Atzgersdorf, wo sein Vater mühevoll ein Haus erbaute.

Schule, Studium, Beruf…

In seiner neuen Heimat, also in Atzgersdorf, schloss er dann sein letztes Volksschul-

jahr ab. Danach besuchte er die Hauptschule, wobei es sich herausstellte, dass diese Schule nicht gut genug für seine Ausbildung war. Deshalb wechselte er in die Mit-telschule und absolvierte eine Externisten Matura. Er studierte Vermessungswesen und Mathematik und unterrichtete bereits während seines Studiums an der Univer-sität. Er übte sein ganzes Leben bis in die Pension hinein den Beruf eines Universi-tätsprofessors aus. Frank unterrichtete zusätzlich Computersimulationen, Biologie, Chemie und Physik.

Frau, Kinder, Haus…

Renate Rattay lernte er bei einem Ferienjob in der Schweiz am Hafen kennen. Seine zukünftige Frau war in der Nähe des Hafens im Gastgewerbe tätig und durch Zu-fall trafen sie aufeinander und verliebten sich. Renate lebte und arbeitete in Wien als Lehrerin. Einige Monate nachdem sie wieder zurück in Wien waren, heirateten sie glücklich. Sie bauten zusammen im Süden Wiens ein Haus, wo sie einige Jahre wohnten und langsam begannen, eine Familie zu gründen.

Als Franks Vater verstorben ist, zog er mit seiner Frau und den Kindern nach Atz-gersdorf zurück in das Haus des Vaters, wo Frank aufgewachsen ist. Die gesamte Familie arbeitete mit, das Haus auf ihren Geschmack zu bringen, zu vergrößern und ein wenig zu restaurieren. Er erzählte uns, dass seine Nachbarn ihn und seine Fa-milie immer als Künstler bezeichnen, weil sie aus dem alten Haus ein echtes Kunst-werk machten. Mit ihren eigenen Händen haben sie das gesamte Haus umgebaut. Schon der vierjährige Sohn hat an dem Schornstein mitgearbeitet, anstatt in der Sandkiste zu spielen, hat er Stein über Stein gelegt. Sogar den Zaun haben sie selber gemacht aus schmiedeeisernem Material. Der Zaun ist auch deshalb so besonders, weil er die Elemente aus allen Weltregionen beinhaltet. Dieses einzigartige Haus hat den Namen „Haus-Drachen-Haus“ bekommen, weil an jeder Ecke des Hauses ein Drachenwasserspeier steht. Ein paar Erfahrungen konnte er schon als Student sammeln, er arbeitete nämlich manchmal am Bau, um nebenbei ein wenig Geld zu verdienen.

Insgesamt bekamen Renate und Frank fünf Kinder. Zwei Jungs, die heute klassische Techniker sind, und drei Mädchen, die völlig verschieden sind. Wobei die jüngste Tochter in die Anton Krieger Gasse gegangen ist.

Pension, Agenda, Forschung…

Sogar heute noch, zwei Jahre nach seiner Pensionierung, hält er hin und wieder Vorlesungen an der Uni und hat Spaß daran, die Studenten zu unterrichten. Durch Zufall gelangten er und seine Tochter zu einem Projekt der Agenda 21+. Er widmete sich der Kunstgruppe die ein großes Projekt laufen hat welches sich „Kunstmeile“ nennt und zur Verschönerung des Weges neben der Liesing dient.

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Die Steinhauergruppe hatte sich schon sozusagen aufgelöst, als sie sich entschlos-sen doch noch etwas zu machen. Nämlich ein Projekt namens „Baumart“, wo sie zur Verfügung gestellte Baumstämme, bearbeiteten und zu riesigen Schnitzfiguren machten, die dann neben der Liesing bei Alt Erlaa aufgestellt wurden. Rattay über-nahm mehr oder weniger die Leitung des Projektes, da er bereits Erfahrungen und die dazu nötigen Maschinen hatte. Danach wollte die Gruppe etwas mit Metall ma-chen, jedoch ohne Kenntnisse darüber, auch in diesem Projekt zeigte Frank ihnen, was zu beachten ist und so wurde er zum Leiter der Kunstgruppe der Agenda.

Neben all diesen Dingen, gilt sein Interesse in erster Linie der Forschung, der er sich recht oft widmet. Seine derzeitige Forschung ist zu versuchen, wie ein Blinder mit Hilfe der Technik seine visuellen Fähigkeiten wieder erlangen kann.

Er lebt zufrieden, glücklich und immer engagiert für sämtliche Projekte zusammen mit seiner Frau in dem kunstvollen Haus und genießt jeden Tag aufs Neue!

Karl Buberl und Ing. Heinz Böhm Ein Leben für die Heimatforschung

Karl Buberl, geboren am 7. April 1942

Karl Buberl in Mauer Langeg. 59 aufgewachsen, das Haus (Bild unten) wurde von den Großel-tern erbaut, der Vordertrakt könnte von enem älteren Palais stammen. Großvater Josef Buberl war Gastwirt und führte das Gasthaus Schieß-stätte, er betrieb auch einen Taxibus von Atz-gersdorf zur Schießstätte. Karl lernte Heizungs-

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Herbert Schmidt, unser Direktor! geboren am 3. April 1952, Interview mit Lisann Beyer

Herbert Schmidt kam in Wien auf die Welt. Zusammen mit seinem bald darauf fol-genden Bruder, wuchs er in Floridsdorf in einem Haus auf. Seine Familie stammt aus Puchberg am Schneeberg.

Schule, Bundesheer, Studium …

Seine vier Volksschuljahre schloss er in der Schillgasse im 21.Bezirk ab. Er erzählte mir, dass in der 1. und 2. Klasse ungefähr die Hälfte der Schüler noch barfuß in die Schule gekommen ist, beziehungsweise, dass die Jungs in Lederhosen gekleidet wa-ren. Danach folgten vier Jahre Gymnasium in der Franklinstrasse 21. Zu dieser Zeit war es etwas Besonderes ein Gymnasiast zu sein, weil durchschnittlich gingen nur 2-3 Kinder von der Volksschulklasse in ein Gymnasium. Mit 13 Jahren wurde er von einem Biologielehrer unterrichtet, der aus seiner Sicht extrem ungerecht war und somit kam ihm der Gedanke, dass das ja auch anders gehen muss und beschloss selber Lehrer zu werden. Nach der bestandenen Matura absolvierte er das Österrei-chische Bundesheer. Dazu kommentierte er, dass er sich heute für den Zivildienst entscheiden würde, da er der Meinung ist, dass er beim Bundesheer nicht wirklich etwas gelernt hat. Weil er sich noch nicht sicher war, welche Unterrichtsfächer er studieren solle, besuchte er eine Studienberatung, die ihm die damals aussichts-reichsten Fächer Biologie und Chemie vorschlug. Seine Mutter, die ein sogenanntes „Herumglankeln“ nicht zugelassen hat, motivierte ihn zusätzlich, das Studium so schnell wie möglich fertig zu machen.

technik, arbeitete danach bei der Fa. Caliqua. 1966 heiratete er Gerda, die in Mauer und Lainz ein Textiliengeschäft führte. In seinem Haus (Bild, ca. 1953, S 123, unten) befand sich in den 1950er Jahren ein Sportgeschäft und eine Konsum Filiale.

Ing. Heinz Böhm, geboren am 5. August 1940

In Mauer geboren, woher auch die Familie der Mut-ter stammt, verbrachte er die Jugend in Niederös-terreich, da sein Vater Postbeamter war, und fast jährlich an einer anderen Dienststelle arbeitete. Am Bild ist er ca. 1950 mit seiner Schwester Irmtraud zu sehen. Mit 14 Jahren, nach dem Ableben der Groß-eltern, zog die Familie in die Speisinger Straße 242. Heinz besuchte die HTL Mödling, danach arbeitete er bei der Flugsicherung (heute Austrocontrol).

Verwandtschaft mit Franz Schubert

Sein historisches Interesse entstand, als er die Vor-fahren der Familie ermittelte. Sein Ururgroßvater war um 1800 der bekannte Bä-cker Hirschbold in Atzgersdorf. Der Urgroßvater von Heinz war Oberlehrer in Mauer, dessen Vater hatte die älteste Tochter von Ferdinand Schubert, dem Bruder von Franz Schubert geheiratet.

Maurer Heimatrunde

1998/99 hatte Karl Abrahamczik (linkes Bild im Bücherregal auf nebenseitigem Foto) zu einem regelmäßiges Treffen mit Vorträgen in der Volkshochschule Mauer eingeladen. Mit der Herausgabe des ersten historischen Buches (Chronik der Schu-le Mauer 2) wurde die Heimatrunde ab 2004 zum Verein. Heute gibt es wöchent-lich Mittwoch und Samstag von 8 Uhr bis 11 Uhr die Möglichkeit, im Haus von Herrn Buberl historische Auskünfte zu bekommen. Neben der Heimatforschung ist das Hauptaufgabengebiet, Vorträge über die Geschichte von Mauer zu halten. Der Verein hat derzeit ca. 150 Mitglieder. Die Maurer Heimatgeschichte wird genau erarbeitet, zuletzt erschien Das „Maurer Kalendarium 1938/39“, 2012 wird der Fol-geband „Maurer Kalendarium 1940-44“ erscheinen.

Wunsch an die Jugend:Die beiden Heimatforscher freuen sich, wenn sich mehr Jugendliche für Heimatge-schichte interessieren, vielleicht auch bei Treffen und Vorträgen teilnehmen. Denn: Aus der Geschichte lernen wir viel für eine bessere Zukunft.

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Seine Zukunft …

Zwei Jahre lang wird Herbert noch Direktor an unserer Schule sein, danach wird er sich den Dingen widmen, für die er die letzten Jahre keine Zeit hatte oder die sich einfach nicht ausgingen. Zum Beispiel mehr Zeit mit seiner Familie zu verbringen. Auch würde er sich über kommende Enkelkinder freuen …

Laufbahn: Vom Lehrer zum Direktor …

Ungefähr 14 Tage nach seiner Lehramtsprüfung begann er als Probelehrer in der Karajangasse (früher Unterbergergasse) im 20. Bezirk zu arbeiten. An dieser Schule unterrichtete er 25 Jahre. Schließlich bewarb er sich für die „antonkriegergasse“, sei-ne ausdrückliche Wunschschule. Weil er extrem gerne Lehrer war, zögerte er „das Direktor werden“ so lange wie nur möglich hinaus. Er meinte auch, dass so etwas reiflich überlegt werden sollte, weil es wirklich ein verantwortungsvoller Beruf ist.Seit Herbst 2000 ist er Direktor an dieser Schule. Bis heute hat er seinen Beruf grundsätzlich nie bereut, obwohl es einige harte Zeiten zu überstehen gab. Trotzdem hat er immer Spaß bei seiner Arbeit.Herbert Schmidt: „Die Antonkriegerschule ist einfach die spannendste Schule ganz Wiens!“Als er an die „antonkriegergasse“ kam, nannte sich die Schule gewöhnliche „Mit-telschule“. Danach wurde sie zur „KMS“ also zu einer Kooperativen Mittelschule (Schuljahr 2003/04). Seit 2009/10 ist die Schule wieder eine „Wiener Mittelschule“.Sein Wunsch ist es, dass in Österreich ein gutes Gesamtschulsystem eingeführt wird. Als Vorbild nannte er mir Finnland.

Frau, Kinder …

An der Universität lernte er seine zukünftige Frau kennen, die dasselbe studierte wie er. Die Liebe zueinander entwickelte sich langsam aber dafür umso intensiver. 1976 wurde dann geheiratet und bis heute führen sie eine überaus glückliche Ehe.Sie bekamen 3 Kinder, um genau zu sein 3 Mädchen die sein Leben prägten.Bei zwei von ihnen war er bei der Geburt dabei. Er liebt es, Kinder zu haben und genoss insbesondere sie aufwachsen zu sehen. Sehr stolz erzählte er mir, dass seine älteste Tochter ebenfalls Lehrerin geworden ist, nämlich Volksschullehrerin. Die zweite Tochter hat Medizin studiert und ist heute Ärztin, und seine Jüngste schlug den Sozialweg ein und ist Behindertenbetreuerin.Seine Frau bezeichnet er als das Beste, was ihm passieren konnte. Er gestand auch, dass er es ohne sie niemals so weit gebracht hätte und sehr froh darüber ist, dass sie immer hinter ihm stand und ihn unterstützte.

Rat an die Jugend …

Herbert Schmidt glaubt, dass die heutige Jugend einen eigenen Weg gehen muss und wünscht sich speziell, dass sie zusammen eine bessere und vor allem gerechte-re Welt erbaut. Außerdem rät er den Teenagern, dass sie nicht nur Wert auf materi-elle Dinge legen sollen, sondern viel mehr auf die ideellen, weil diese viel wichtiger sind!

Mag. Helga Patockageboren am 22. Juni 1948 in Wien, Gepräch mit Lisann Beyer

Helga ist in Wien als Älteste geboren worden. Da-nach folgte ihr Bruder, mit dem sie gemeinsam im 9. Bezirk in einer Wohnung aufgewachsen ist.

Schule, Apothekenhelferin, Matura …

In der Viriotgasse im 9. Bezirk besuchte sie die Volks-schule, danach ging sie in der Gymnasiumstraße in die Mittelschule. Weil sich Helga noch ungewiss über ihre Zukunft war, entschloss sie sich nach ih-rem neunten Schuljahr, zwischendurch Apotheken-helferin zu erlernen, dies dauerte ungefähr ein Jahr. In diesem Jahr bemerkte sie ihre Liebe zu den Stof-

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fen. Von nun an wollte sie alles über Stoffe wissen und begann sich intensiv mit diesem Thema ausei-nanderzusetzen. Ihr Vater riet ihr aber, die Matura an dem Gymnasium fertig zu machen. Gleich nach ihrem letzten Schuljahr, das sie positiv abschloss, ist sie arbeiten gegangen, um sich selber versorgen zu können. Helga fand eine Stelle beim Magistrat Wien bei der Wohnhäuserverwaltung.

England, Studium, Berufswahl…

Ihr eigentlicher Wunsch war es aber Europa zu ver-lassen, so landete sie abenteuerlich in England, Lon-don. Die damalige Ökista vermittelte ihr eine Stel-le als Kellnerin in einem netten Hotel, wo sie auch gewohnt hat. Danach wäre es ihr Wunsch gewesen nach Australien auszuwandern, jedoch bemerkte sie schnell, dass man ohne richtige Ausbildung nicht weit kommt.Das war der Grund, warum sie sich mit ihrem Vater ausmachte, dass wenn sie wie-der zurück kommt nach Wien und zu studieren beginnt, er sie finanziell unterstüt-zen muss. Und das passierte so auch. Die Studienrichtung fiel ihr nicht schwer. Sie wollte unbedingt die Basiskenntnisse des Lebens kennen lernen und weil sie Biologie und Medizin ausgeschlossen hatte, entschied sie sich für die klassische Chemie. Nach vier Semestern wurde endlich die Bio-Chemie an den Universitäten zugelassen und sie studierte dort weiter. Ihre genaue Berufswahl wusste sie noch nicht, ihr einziger Wunsch war es, chemisch zu arbeiten. Weil sie die Forschung zu zeitraubend gefunden hat, war das kein Thema mehr für sie. Danach erzählten ihr ein paar befreundete Lehrer begeistert von ihren Erfahrungen. Nach reiflicher Über-legung entschloss sie sich dann, Lehrerin zu werden. Zwei wichtige Punkte waren dabei erfüllt worden: 1. Sie war unter Menschen und 2. Sie konnte viel von ihrer Leidenschaft, der Chemie erzählen.So absolvierte sie auch das Lehramtsstudium und bewarb sich sofort als Lehrerin.

Berufliche Laufbahn …

Die ersten zwei Jahre hat sie an vielen verschiedenen Schulen gearbeitet, immer an zwei verschiedenen Schulen zur gleichen Zeit. Daher hatte sie ein ziemlich gutes Starteinkommen. Bis sie zu einer Festanstellung in die Zirkusgasse im 2. Bezirk zu-gewiesen worden ist. Ungefähr vier Jahre unterrichtete sie dort die überaus lernwil-ligen und leistungsfleißigen Schüler. Danach bewarb sie sich an der „antonkrieger-gasse“, weil diese näher zu ihrem Wohngebiet lag und wurde auch angenommen.1988 war sie mit einem Kollegen für die Chemie an der „antonkriegerschule“ zu-

ständig. Ihr gesamtes Leben hat sie Chemie mit großer Leidenschaft unterrichtet. Auch hat sie es sehr genossen mit den Jugendlichen zusammenzuarbeiten, weil sie Kinder generell gern hat. Vor ungefähr 2 oder 3 Jahren ist das „Feuer plötzlich aus-gegangen“, sie interessiert sich zwar noch für Neues aus der Chemie, aber ist nicht mehr so informationsgierig wie früher. Heute ist sie ruhiger geworden und ihr Be-ruf wandert immer mehr in den Hintergrund.Ihre Begründung: Da das ihr letztes Schuljahr ist und die Pension jede Woche näher rückt.

Mann, Scheidung, Kinderwunsch…

Ihren Mann lernte sie in einer Diskothek kennen, er war bereits Lehrer, als sie gera-de fertig studierte. 1971 heirateten sie glücklich. Sie zogen nach 7 Jahren Ehe in die Wohnparksiedlung, und waren somit unter den ersten Bewohnern in der riesigen Wohnanlage. Nach einem Jahr zog Helga wieder aus, der Grund war eine Schei-dung. Insgesamt waren sie 8 Jahre verheiratet, Kinder gab es keine. Helga zog hin-ein nach Wien in den 9. Bezirk in eine kleine Wohnung. Sie erfüllte sich einen ihrer wichtigsten Wünsche, nämlich ein Kind zu bekommen. Somit nahm sie einen klei-nen Jungen, der knapp 5 Jahre alt war, in Pflege zu sich nach Hause. Nach ein paar Jahren durfte sie ihn endlich adoptieren und heute ist es ihr Sohn, der mittlerweile erwachsen ist und selber Kinder hat.

Wohnpark Alt Erlaa…

1985 zog sie ein zweites Mal zusammen mit ihrem Sohn nach Alt Erlaa in den A-Block. Sie bestätigte mir, dass diese Wohnanlage einfach für Kinder konzipiert worden ist. Es gab ein Schwimmbad am Dach, ein Hallenbad, genügend Spielplät-ze draußen als auch innen und die Umgebung mit dem Bach und der Natur war einfach ideal für Kinder. Es war das Kinderparadies! Die Wohnungen waren sehr schön konzipiert worden und sogar sehr vorteilhaft für eine Alleinerzieherin, die berufstätig ist. Ein großer Supermarkt befindet sich direkt gegenüber, was sehr zeit-sparend ist und auch die Aufzüge waren sehr praktisch beim Einkauf. Sie bezeichnete alles in allem als eine eigene Welt, die sehr idyllisch war!

Rat an die Jugend…

Die Jugend soll sich frei von den äußeren Einflüssen machen, wie der Werbung oder dem Gruppenzwang. Man sollte lernen, auf sich selber zu hören! Das man so bleibt wie man ist, die Technologie schreitet sowieso von alleine immer fort, die Kleidung, die Handys, die iPods alles verändert sich, das ist der Grund, warum man so blei-ben soll wie man ist!Jedoch ist es wichtig immer lustig zu sein, die Welt so schön zu finden wie sie ist, und ich zitiere: „Nicht nur unter Einfluss des Alkohols!“

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Ihre Zukunft …Helga Patocka freut sich schon irrsinnig auf ihre Pension, sie hofft, viel Zeit mit dem Reisen verbringen zu können. Sie erzählte mir ein großer Asien Fan zu sein und dass sie dann endlich in der „Richtigen Saison“ Zeit hat, um Neues zu sehen und zu entdecken. Im Allgemeinen wird sie sich einfach Dingen widmen, für die sie wenig oder keine Zeit hatte. Zum Beispiel möchte sie sich wieder verstärkt ihren Hobbies widmen, dazu gehören Tai Chi, auch will sie beginnen, Saxophon zu ler-nen, weil sie meint, dass das das Instrument ihres Herzens ist.Weiterhin wird sie chemische Arbeiten lesen, um auf dem neuesten Stand zu sein.

Das Bedeutendste in ihrem Leben war und ist ihr Sohn! Heute sind es auch ihre Enkelkinder, die mittlerweile schon Teenager sind. Ihr Sohn ist einfach ein toller Mensch, der sie immer wieder aufs Neue positiv überrascht hat.Auch hat sie eindeutig für die Chemie gelebt.

Zu guter Letzt ...

Ob das Ergebnis neunmonatiger Arbeit von etwa 85 Beteiligten die Mühe wert war, müssen Sie, liebe Leser, selbst entscheiden.Für mich als Pädagogen bleiben diese Monate der Zusammenarbeit und des Ken-nenlernens unvergesslich, ich möchte sie nicht missen ...Ich wünsche mir auch in Zukunft, mit gelebtem Unterricht Freude zu bereiten.

Manfred Car

Traumhafte Klänge der Vokalgruppe der 6.D mit Magdi, Theresa, Veronika, Antonia begleiten am 24. November 2011 die Präsentation von „Spuren des Lebens“ mit den Songs: „Dieser Weg“, „Circle of Life“