Socialympics? Disqualified!

1
MARKETING & KOMMUNIKATION 15 G oogle Keywords Tool, AdWords und Web Ana- lytics ermöglichen unter anderem für die Such- maschinenoptimierung oder AdWords-Kampagnen, genau die Keywords herauszupicken, die qualifizier- te Besucher auf die Website bringen, das Besucher- verhalten auf der Website zu analysieren, bis wir dem Besucher nur noch die Informationen präsen- tieren, die er (vermeintlich) sehen will, aufzude- cken, über welche Kanäle die Interessenten auf die Website kommen, bevor sie eine Conversion aus- lösen, und dort zu werben, wo sich die potenziellen Kunden aufhalten, und schliesslich den Approach zu finden, der unsere Konsumenten aktiviert. Wir sind Verfechter dieser Instrumente, wehren uns aber gegen das grenzenlose Vertrauen, das ih- nen zum Teil entgegengebracht wird. Was in letzter Konsequenz dazu führen kann, dass Bürokraten und Kontroller das Ruder übernehmen und profes- sionelle Online-Marketer, Querdenker und kreative Köpfen verdrängen. Wohin das führen kann, sehen wir bereits bei AdWords-Kampagnen: unterschied- liche Anbieter werben für dasselbe Angebot mit de- Das Bessere ist der Feind des Guten Instrumente zur Planung und Kontrolle der Online-Marketing-Aktivitäten und der Suchmaschinenoptimierung sowie AdWords-Kampagnen im Speziellen sind für unsere Arbeit von Nutzen. Sie lassen uns jedoch vergessen, dass der Erfolg im Online-Marketing nicht alleine auf Instrumenten und Daten basiert, sondern auch auf spontanen Impulsen und kreativen Ideen. Manuel P. Nappo, Studienleiter CAS Social Media Management an der HWZ, Chief Networking Officer bei Centralway. www.about.me/mpn Disqualifiziert! E nde Juli stehen ein weiteres Mal die Olympi- schen Spiele auf dem Programm. Nach den Spie- len 2008 in Peking, werden die diesjährigen in Lon- don geradezu als «Socialympics» bezeichnet. Doch werden es wirklich die ersten Social-Media-Spiele, wie sich das IOC selber lobt? Der Social-Media-Chef des IOC, Alex Huot, spricht von den ersten Social-Media-Spielen, die dieses Jahr in London stattfinden werden. Im Ge- gensatz zu Peking, wo es 2008 noch strengere Richt- linien zur Nutzung der neuen Medien gab. Das IOC fordert Sportler geradezu auf, die neuen Kanäle zu nutzen und bietet angeblich sogar Kurse an. Auch die eigens dafür aufgesetzte Microsite hub.olympic. org lässt glauben, dass Ende Juli tatsächlich die ers- ten Socialympics starten werden. Wer aber einen genaueren Blick auf das Kleinge- druckte bei den Tickets oder in die IOC Social Media Guidelines wirft, der merkt schnell, dass es ganz so gesellig wie anfangs angenommen nicht zu und her gehen wird. Auch wenn das Olympische Komitee die Sportler ermuntert, die Social-Media-Kanäle zu nutzen, ent- halten die Guidelines strenge Vorschriften. So dür- fen Nachrichten nur in der ersten Person geschrie- ben werden, sie dürfen nicht redaktionell wirken und keinen Wettkampf oder Aktivitäten von ande- ren Teilnehmern kommentieren. Fotos für die per- sönliche Nutzung sind erlaubt, Video- und Audio- aufnahmen vom olympischen Gelände dürfen nicht auf Social-Media-Plattformen geteilt werden. Bei den Fotos müssen die Rechte abgeklärt werden, soll- ten Drittpersonen darauf abgebildet sein, und Mar- ken von Nicht-Sponsoren dürfen auf den Bildern keinesfalls ersichtlich sein. Die olympischen Ringe dürfen auf Bildmaterial nicht verwendet werden. Akkreditierte Medien wiederum dürfen alle Social- Media-Plattformen nach gutem Glauben (bona fide) nutzen. Auf die strengen Guidelines angesprochen, rela- tiviert das IOC, dass es ja nicht verboten sei, Inhalte zu teilen, lediglich nicht zu kommerziellen Zwecken. Wo ist bei einem Profisportler jedoch die Grenze zwischen privater und kommerzieller Nutzung? Ist nicht jeder Twitter-Account einer öffentlichen Per- son auch irgendwie kommerziell? Ähnlich schwierig liest sich das Kleingedruckte beim Kauf eines Tickets für die Olympischen Spiele. Unter Punkt 19.6.3 (es gibt deren 138 Punkte, die man beachten muss) steht, dass der Besitzer eines Tickets Bild- und Tonaufnahmen nur für private Zwecke verwenden darf und ein Veröffentlichen in den Social Media nicht gestattet ist. Stellen wir uns vor, dass die 80 000 Personen im Olympiastadion in London Bilder und Videos aufnehmen und keiner von ihnen es auf Facebook, Twitter oder Co. mit Freunden teilt. Illusorisch, oder? Es stellt sich durchaus die Frage, wie das IOC bei so vielen Leuten durchgreifen will. Mit Twitter wurde angeblich be- reits vereinbart, dass Nicht-Sponsoren die den Hashtag #London2012 benutzen, eine Verwarnung erhalten und sogar gesperrt werden können. Auch Facebook sei aktiv mit einbezogen worden und wer- de sämtliche Bilder auf unerlaubten Inhalt scannen. Einige munkeln jetzt sogar, dass das IOC dank Son- derstatus so stark durchgreifen könnte, dass das Posten von Fotos und Videos auf Facebook während der Olympischen Spiele gar eingestellt werden könnte. Socialympics? Disqualified! ckungsgleichen Anzeigentexten. Hier wird nicht beachtet, dass die Anbieter ohne eindeutige Diffe- renzierungsmerkmale austauschbar sind. Wenn AdWords so genutzt werden, wird dieses Instrument vom Markt schon bald als schlechte Werbung ab- qualifiziert. Das Steuern und Optimieren der Online-Marke- ting-Aktivitäten mit Daten ist sicher richtig. Wir geben jedoch zu bedenken, dass diese Daten aus der Vergangenheit stammen und teilweise für jeder- mann zugänglich sind, wie zum Beispiel das Google Keywords Tool. Für die Wahl von Keywords für das Suchmaschi- nenmarketing ist das Google Keywords Tool wert- voll, da es uns zeigt, wie die breite Masse sucht. So hilft es uns, die möglichen Keywords für unser An- gebot weitgehend zu erkennen. Aber Achtung: auch unsere Mitbewerber verwenden genau diese Key- words. Darum empfehlen wir, einen grossen Pot auf «allgemeine Keywords» zu setzen, die uns Google Keywords liefert. Ein kleiner Pot wird auf «eigene Keywords» gesetzt, die durch die Auseinanderset- zung mit dem Angebot, Kreativität und Bauchgefühl evaluiert werden. So stossen wir auf attraktive Ni- schen, die frei von Mitbewerbern sind. Die Taktik des grossen und kleinen Pots empfeh- len wir nicht nur für das Suchmaschinenmarketing, sondern allgemein im Online-Marketing. Die zahl- reichen Instrumente und Datenbanken ermöglichen uns, schnell die Basis zu legen, um Freiräume für Kreativität in Konzeption, Planung und Umsetzung zu schaffen. Martin Caduff & Nicolas Kaufmann dotpulse Webagentur AG Wir plädieren für Kreativität. Bei den AdWords sehen wir bereits deckungs- gleiche Anzeigentexte, die sich lediglich im Anbieternamen unterscheiden. Ohne eindeutige Differenzierungsmerkmale sind die Anbieter austauschbar und in letzter Konsequenz wird AdWords-Werbung vom Markt als schlechte Werbung abqualifiziert. Foto: Keystone werbewoche 14 | 20.07.2012

description

Ende Juli stehen ein weiteres Mal die Olympischen Spiele auf dem Programm. Nach den Spielen 2008 in Peking, werden die diesjährigen in London geradezu als «Socialympics» bezeichnet. Doch werden es wirklich die ersten Social-Media-Spiele, wie sich das IOC selber lobt?

Transcript of Socialympics? Disqualified!

Page 1: Socialympics? Disqualified!

MARKETING & KOMMUNIKATION 15

G oogle Keywords Tool, AdWords und Web Ana-lytics ermöglichen unter anderem für die Such-

maschinenoptimierung oder AdWords-Kampagnen, genau die Keywords herauszupicken, die qualifizier-te Besucher auf die Website bringen, das Besucher-verhalten auf der Website zu analysieren, bis wir dem Besucher nur noch die Informationen präsen-tieren, die er (vermeintlich) sehen will, aufzude-cken, über welche Kanäle die Interessenten auf die Website kommen, bevor sie eine Conversion aus-lösen, und dort zu werben, wo sich die potenziellen Kunden aufhalten, und schliesslich den Approach zu finden, der unsere Konsumenten aktiviert.

Wir sind Verfechter dieser Instrumente, wehren uns aber gegen das grenzenlose Vertrauen, das ih-nen zum Teil entgegengebracht wird. Was in letzter Konsequenz dazu führen kann, dass Bürokraten und Kontroller das Ruder übernehmen und profes-sionelle Online-Marketer, Querdenker und kreative Köpfen verdrängen. Wohin das führen kann, sehen wir bereits bei AdWords-Kampagnen: unterschied-liche Anbieter werben für dasselbe Angebot mit de-

Das Bessere ist der Feind des GutenInstrumente zur Planung und Kontrolle der Online-Marketing-Aktivitäten und der Suchmaschinenoptimierung sowie AdWords-Kampagnen im Speziellen sind für unsere Arbeit von Nutzen. Sie lassen uns jedoch vergessen, dass der Erfolg im Online-Marketing nicht alleine auf Instrumenten und Daten basiert, sondern auch auf spontanen Impulsen und kreativen Ideen.

Manuel P. Nappo, Studienleiter CAS Social Media Management an der HWZ, Chief Networking Officer bei Centralway. www.about.me/mpn

Disqualifiziert!

E nde Juli stehen ein weiteres Mal die Olympi-schen Spiele auf dem Programm. Nach den Spie-

len 2008 in Peking, werden die diesjährigen in Lon-don geradezu als «Socialympics» bezeichnet. Doch werden es wirklich die ersten Social-Media-Spiele, wie sich das IOC selber lobt?

Der Social-Media-Chef des IOC, Alex Huot, spricht von den ersten Social-Media-Spielen, die dieses Jahr in London stattfinden werden. Im Ge-gensatz zu Peking, wo es 2008 noch strengere Richt-linien zur Nutzung der neuen Medien gab. Das IOC fordert Sportler geradezu auf, die neuen Kanäle zu nutzen und bietet angeblich sogar Kurse an. Auch die eigens dafür aufgesetzte Microsite hub.olympic.org lässt glauben, dass Ende Juli tatsächlich die ers-ten Socialympics starten werden.

Wer aber einen genaueren Blick auf das Kleinge-druckte bei den Tickets oder in die IOC Social Media Guidelines wirft, der merkt schnell, dass es ganz so gesellig wie anfangs angenommen nicht zu und her gehen wird.

Auch wenn das Olympische Komitee die Sportler ermuntert, die Social-Media-Kanäle zu nutzen, ent-halten die Guidelines strenge Vorschriften. So dür-

fen Nachrichten nur in der ersten Person geschrie-ben werden, sie dürfen nicht redaktionell wirken und keinen Wettkampf oder Aktivitäten von ande-ren Teilnehmern kommentieren. Fotos für die per-sönliche Nutzung sind erlaubt, Video- und Audio-aufnahmen vom olympischen Gelände dürfen nicht auf Social-Media-Plattformen geteilt werden. Bei den Fotos müssen die Rechte abgeklärt werden, soll-ten Drittpersonen darauf abgebildet sein, und Mar-ken von Nicht-Sponsoren dürfen auf den Bildern keinesfalls ersichtlich sein. Die olympischen Ringe dürfen auf Bildmaterial nicht verwendet werden. Akkreditierte Medien wiederum dürfen alle Social-Media-Plattformen nach gutem Glauben (bona fide) nutzen.

Auf die strengen Guidelines angesprochen, rela-tiviert das IOC, dass es ja nicht verboten sei, Inhalte zu teilen, lediglich nicht zu kommerziellen Zwecken. Wo ist bei einem Profisportler jedoch die Grenze zwischen privater und kommerzieller Nutzung? Ist nicht jeder Twitter-Account einer öffentlichen Per-son auch irgendwie kommerziell?

Ähnlich schwierig liest sich das Kleingedruckte beim Kauf eines Tickets für die Olympischen Spiele. Unter Punkt 19.6.3 (es gibt deren 138 Punkte, die man beachten muss) steht, dass der Besitzer eines Tickets Bild- und Tonaufnahmen nur für private Zwecke verwenden darf und ein Veröffentlichen in den Social Media nicht gestattet ist. Stellen wir uns vor, dass die 80 000 Personen im Olympiastadion in London Bilder und Videos aufnehmen und keiner von ihnen es auf Facebook, Twitter oder Co. mit

Freunden teilt. Illusorisch, oder? Es stellt sich durchaus die Frage, wie das IOC bei so vielen Leuten durchgreifen will. Mit Twitter wurde angeblich be-reits vereinbart, dass Nicht-Sponsoren die den Hashtag #London2012 benutzen, eine Verwarnung erhalten und sogar gesperrt werden können. Auch Facebook sei aktiv mit einbezogen worden und wer-de sämtliche Bilder auf unerlaubten Inhalt scannen. Einige munkeln jetzt sogar, dass das IOC dank Son-derstatus so stark durchgreifen könnte, dass das Posten von Fotos und Videos auf Facebook während der Olympischen Spiele gar eingestellt werden könnte.

Socialympics? Disqualified!

ckungsgleichen Anzeigentexten. Hier wird nicht beachtet, dass die Anbieter ohne eindeutige Diffe-renzierungsmerkmale austauschbar sind. Wenn AdWords so genutzt werden, wird dieses Instrument vom Markt schon bald als schlechte Werbung ab-qualifiziert.

Das Steuern und Optimieren der Online-Marke-ting-Aktivitäten mit Daten ist sicher richtig. Wir geben jedoch zu bedenken, dass diese Daten aus der Vergangenheit stammen und teilweise für jeder-mann zugänglich sind, wie zum Beispiel das Google Keywords Tool.

Für die Wahl von Keywords für das Suchmaschi-nenmarketing ist das Google Keywords Tool wert-voll, da es uns zeigt, wie die breite Masse sucht. So hilft es uns, die möglichen Keywords für unser An-gebot weitgehend zu erkennen. Aber Achtung: auch unsere Mitbewerber verwenden genau diese Key-words. Darum empfehlen wir, einen grossen Pot auf «allgemeine Keywords» zu setzen, die uns Google Keywords liefert. Ein kleiner Pot wird auf «eigene Keywords» gesetzt, die durch die Auseinanderset-

zung mit dem Angebot, Kreativität und Bauchgefühl evaluiert werden. So stossen wir auf attraktive Ni-schen, die frei von Mitbewerbern sind.

Die Taktik des grossen und kleinen Pots empfeh-len wir nicht nur für das Suchmaschinenmarketing, sondern allgemein im Online-Marketing. Die zahl-reichen Instrumente und Datenbanken ermöglichen uns, schnell die Basis zu legen, um Freiräume für Kreativität in Konzeption, Planung und Umsetzung zu schaffen.

Martin Caduff & Nicolas Kaufmann

dotpulse Webagentur AG

Wir plädieren für Kreativität. Bei den AdWords sehen wir bereits deckungs-

gleiche Anzeigentexte, die sich lediglich im Anbieternamen unterscheiden. Ohne eindeutige Differenzierungsmerkmale sind die Anbieter austauschbar und in letzter Konsequenz wird AdWords-Werbung vom Markt als schlechte Werbung abqualifiziert.

Foto

: Key

ston

e

werbewoche 14 | 20.07.2012