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Bildung und Teilhabe als Paket? Hintergründe, gesetzliche Grundlagen und Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepaketes aus Sicht der Sozialen Arbeit Judith Händel (geb. Büdinger) veröffentlicht unter den socialnet Materialien Publikationsdatum: 09.02.2015 URL: http://www.socialnet.de/materialien/215.php

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Bildung und Teilhabe als Paket?Hintergründe, gesetzliche Grundlagen und Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepaketes aus Sicht der Sozialen Arbeit

Judith Händel(geb. Büdinger)

veröffentlicht unter den socialnet Materialien Publikationsdatum: 09.02.2015URL: http://www.socialnet.de/materialien/215.php

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Bildung und Teilhabe als Paket?

Hintergründe, gesetzliche Grundlagen und Umsetzung des

Bildungs- und Teilhabepaketes

aus Sicht der Sozialen Arbeit

Bachelorarbeit zur Abschlussprüfung an der Hochschule Darmstadt,

Fachbereich Gesellschaftswissenschaften und Soziale Arbeit

vorgelegt von Judith Büdinger, Matrikelnummer 726210

Erstreferentin: Prof. Dr. Anne Lenze

Zweitreferent: Prof. Dr. Achim Schröder

Datum der Abgabe: 05.05.2014

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Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung Seite 1

2. Menschenwürde per Gesetz?

Das Urteil des Bundesverfassungsgericht vom

09. Februar 2010

Seite 3

3. Bildung als 'Allheilmittel' gegen ungleiche Teilhabechancen?

Die Bedeutung von Bildungs- und Teilhabechancen für von Armut

betroffene Kinder und Jugendliche

Seite 9

3.1. Der Bildungsbegriff Seite 11

3.2. Bildung und gesellschaftliche Teilhabe Seite 15

3.3. Zusammenfassung 17

4. Bildung und Teilhabe als Paket?

Das Bildungs- und Teilhabepaket für sozial benachteiligte Kinder

und Jugendliche

Seite 18

4.1. Gesetzliche Grundlagen Seite 18

4.2. Administration und Finanzierung Seite 19

4.3. § 28 SGB II Seite 22

4.4. Zwischenfazit Seite 29

5. Und was bedeutet das für die Soziale Arbeit?

Die Notwendigkeit einer kritischen Auseinandersetzung mit dem

Bildungs- und Teilhabepaket

Seite 37

6. Fazit und Ausblick Seite 47

Quellen

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1. Einleitung

„Bildung (verstanden) als allgemeine und notwendige Ressource von Lebens- und Zu-

kunftsbewältigung wirft die Frage auf, ob sie für alle Gesellschaftsmitglieder, insbeson-

dere für Kinder und Jugendliche, zugänglich, erreichbar und lebensweltbezogen organi-

siert ist.“1

„Kinder sind keine kleinen Erwachsenen“,2 stellte das Bundesverfassungsgericht

(BVerfG) im Februar 2010 fest und erklärte die 'Hartz IV'-Regelsätze für Kinder und Ju-

gendliche mit der Begründung für verfassungswidrig, dass die Bedarfe von Kindern und

Jugendlichen sich nicht an den Bedarfen von alleinstehenden Erwachsenen messen lie-

ßen. Bildung und Teilhabe dürften als essentielle Bestandteile eines menschenwürdi-

gen Existenzminimums nicht bei der Erhebung der Regelsätze vernachlässigt werden.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes lässt allerdings die Frage offen, was genau

unter Bildung und Teilhabe zu verstehen ist, in welchem Zusammenhang diese zuein-

ander stehen und warum diese für ein menschenwürdiges Existenzminimum unab-

dingbar sind.

Anstatt die Regelsätze für Kinder und Jugendliche entsprechend zu erhöhen, wurde

von der damaligen Bundesregierung die Idee entworfen, spezifische Bedarfe in Bezug

auf Bildung und Teilhabe von Kindern und Jugendlichen, die bisher in der Berechnung

vernachlässigt wurden, über einen gesonderten Antrag neben den bereits bestehen-

den Regelsätzen zu gewähren. Hierzu zählen Mittagsverpflegung in Schule oder Kinder-

tagesstätte (KiTa), Klassenfahrten und Ausflüge mit den genannten Institutionen,

Musikunterricht oder Sportangebote, Nachhilfe und Schulbeförderung. Die so entstan-

denen „Bedarfe für Bildung und Teilhabe“, besser bekannt unter „Bildungs- und Teilha-

bepaket“, werden im neu entstandenen § 28 SGB II benannt.

Vielfach ist das Bildungs- und Teilhabepaket (BUT) durch seinen hohen bürokratischen

Aufwand, die Hürden der Beantragung und die implizite Stigmatisierung sozial Benach-

teiligter in die Kritik geraten.3 Die Intention der Gesetzgebung war, sozial benachteilig-

1 BKJ 2001, S.11; Einfügung durch die Autorin2 BVerfG 09.02.2010, Rn. 1913 vgl. u.a. SPD 2013, Sell 2013, FAZ 2013, DIJUF 2013, Butterwegge 2011

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ten Kindern und Jugendlichen bessere Bildungs- und Teilhabechancen, unabhängig von

der finanziellen Ausstattung ihrer Herkunftsfamilie, zu ermöglichen. Was der Gesetzge-

ber explizit unter der propagierten notwendigen Bildung und Teilhabe versteht, ist in

der Diskussion um das neu erlassene Gesetz nur nachrangig betrachtet worden.

Durch die Refinanzierungsmöglichkeit des BUTs als Bestandteil der Grundsicherung

über den Bund wurden bereits bestehende kommunale Strukturen der Kinder- und Ju-

gendförderung (SGB VIII) mit dem Ziel der Kosteneinsparung von Kommunen einge-

schränkt. Dies lässt die Befürchtung zu, dass damit eine Reduzierung des erweiterten

Bildungsbegriffs der Kinder- und Jugendhilfe auf das eher ökonomisch-normative Be-

griffsverständnis des SGB II einhergeht,4 was die intendierte Zielsetzung der Bildungs-

und Teilhabebedarfe in Frage stellt.

Bildung ist im Fachdiskurs eine der Schlüsselqualifikationen um gesellschaftliche Teilha-

be zu ermöglichen. Die soziale Ungleichheit zwischen den Bevölkerungsschichten in

unserer Gesellschaft spiegelt sich auch in ungleichen Bildungschancen wider. Kinder

und Jugendliche, die sozial benachteiligt aufwachsen, haben schlechtere Bildungs- und

damit auch schlechtere Zukunftschancen. Im Sinne eines erweiterten Bildungsver-

ständnisses, welches neben der formalen auch die informelle und non-formale Bildung

einschließt, und der Auffassung von Teilhabe als aktive Partizipation in unserer Gesell-

schaft gilt es die Inhalte des Bildungs- und Teilhabepaketes aus Sicht der Sozialen Ar-

beit kritisch zu beleuchten und die Folgen von Armut und Bildungsungleichheit auf die

gesellschaftlichen Handlungsspielräume der einzelnen Individuen zu spezifizieren.

Zunächst fasse ich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts über die Höhe der 'Hartz

VI'- Regelsätze zusammen und stelle dessen Begründung dar, warum die Regelsätze

insbesondere von Kindern und Jugendlichen dem Recht auf ein menschenwürdiges

Existenzminimum widersprachen. Wichtiger Bestandteil der Begründung ist die fehlen-

de Abdeckung der Bildungs- und Teilhabebedarfe von Kindern. Deshalb erläutere ich

im Anschluss den Bildungsbegriff und dessen Bedeutung für gesellschaftliche Teilhabe-

chancen für von Armut betroffene Kinder und Jugendliche. Um die vielfache Kritik am

4 vgl. DIJUF 2013, S. 12

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Bildungs- und Teilhabepaket nachvollziehbar zu machen, erkläre ich im folgenden Kapi-

tel zunächst die gesetzliche Grundlage des BUTs, die Administration der Hilfegewäh-

rung, die den Kommunen obliegt, und die Finanzierung durch den Bund. Die Adminis-

tration des BUTs ist ständigen Veränderungen unterworfen, Gerichtsentscheidungen

über die Auslegung der Gesetzgebung werden getroffen, welche sich auch auf die ad-

ministrative Praxis auswirken. Deshalb habe ich kommunale Verordnungen im Rahmen

dieser Arbeit nicht durchweg berücksichtigen und keinen detaillierten Überblick er-

möglichen können.

Anschließend überprüfe ich den § 28 SGB II, nach Absätzen gegliedert, auf seine einzel-

nen Bestandteile, um sie in dann in meinem Zwischenfazit zu bewerten.

Im darauf folgenden Kapitel werde ich in einer kritischen Auseinandersetzung aus Sicht

der Sozialen Arbeit erörtern, warum das BUT als gesetzlich ausgelagerter Teil des Re-

gelbedarfs installiert wurde. Ich gehe an dieser Stelle der Frage nach, ob die Gesetzge-

bung auf eine Stigmatisierung sozial Benachteiligter in unserer Gesellschaft zurückzu-

führen ist und inwiefern dies mit einem normativ reduzierten Bildungsverständnis in

Zusammenhang steht.

Im Fazit fasse ich die Schlussfolgerungen aus meiner Arbeit nochmals zusammen und

möchte Ausblicke auf mögliche Weiterentwicklungschancen der administrativen Praxis

und der Gesetzeslage im § 28 SGB II aufzeigen.

2. Menschenwürde durch Gesetzgebung?

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 09. Februar 2010

Am 24.12.2003 wurde durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Ar-

beitsmarkt die bisherige Sozial- und Arbeitslosenhilfe in Form des neugeschaffenen

Zweiten Sozialgesetzbuches (SGB II) zusammengeführt. Diese sogenannte Hartz VI-Re-

form hatte das Ziel einer „einheitlichen, bedürftigkeitsabhängigen Grundsicherung für

Erwerbsfähige und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen“5

Als erwerbsfähig gelten Personen, die mindestens drei Stunden täglich auf dem allge-

5 BVerfG 09.02.2010, Rn. 2

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meinen Arbeitsmarkt tätig sein können, ohne durch Krankheit oder Behinderungen

eingeschränkt zu sein.6 Demnach erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige7, das heißt

Personen, die nicht oder nicht vollständig in der Lage sind ihren Lebensunterhalt aus

eigenen Mitteln zu bestreiten, Arbeitslosengeld II (ALG II). Dieses setzt sich zu einem

Großteil aus der Sicherung zum Lebensunterhalt und den Leistungen für Unterkunft

und Heizung zusammen.8 Leben in der Bedarfsgemeinschaft mit Leistungsberechtigten

erwerbsunfähige Angehörige, zu dieser Gruppe gehören insbesondere Kinder unter 15

Jahren, erhalten diese Sozialgeld.9 Alleinstehenden erwerbsfähigen Hilfebedürftigen

stand zum damaligen Zeitpunkt der Gesetzesänderung der festgelegte Regelsatz von

345 € zu. Für die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ergaben sich die Regel-

sätze durch prozentuale Abschläge.

„Danach ergaben sich zum 1. Januar 2005 für Ehegatten, Lebenspartner und Partner

einer eheähnlichen Gemeinschaft ein Betrag von gerundet 311 Euro (90%), für Kinder

bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres ein Betrag von 207 Euro (60%) und für Kinder

ab Beginn des 15. Lebensjahres ein Betrag von 276 Euro (80%).“10

Anders als im früheren Bundessozialhilfegesetz (BSHG) sieht das SGB II eine Pauschali-

sierung der Regelleistungen vor. Ein Mehrbedarf ist möglich, wie etwa bei Schwanger-

schaft oder kostenintensiver Ernährung.11 Eine grundsätzliche Erhöhung des Alltagsbe-

darfs ist ausgeschlossen.12 Unregelmäßige besondere Bedarfe müssen durch Ansparun-

gen aus der Regelleistung erbracht werden, wofür diese entsprechend erhöht worden

ist.13 Die Regelsätze im SGB II wurden in Anlehnung an die bestehende Regelung im

Zwölften Sozialgesetzbuch (SGB XII) festgelegt. Für Alleinstehende errechnete sich der

Regelsatz anhand einer Sonderauswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichpro-

be des Statistischen Bundesamtes. Hierfür erfolgte nur eine Berücksichtigung der Pos-

ten, die als 'regelsatzrelevant' galten. Ausgegangen wurde vom Verbrauch der unters-

6 § 8 Abs 1 SGB II7 § 9 Abs.1 SGB II8 §§ 20, 28 SGB II9 § 19 Abs 1 SGB II10 BVerfG-Pressemitteilung11 vgl. § 21 SGB II12 BVerfG 09.02.2010, Rn. 51f13 vgl. ebd.

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ten 20% der Haushalte mit dem niedrigsten Netto-Einkommen, nach Herausnahme der

Grundsicherungsempfänger.14

Am 01.01.2007 fand in Folge einer Sonderauswertung der Einkommens- und Ver-

brauchsstichprobe von 2003 eine Erhöhungen der Regelsätze statt. Eine weitere Son-

derauswertung, die insbesondere die Ausgaben von Paaren mit nur einem Kind in den

Blick nahm, führte zu einer genaueren Ausdifferenzierung der Regelsatzgruppierung

für Kinder. Die Gruppe der Kinder im Alter vom sechsten bis zur Vollendung des 14. Le-

bensjahres erhielten „ab dem 1. Juli 2009 nach § 74 SGB II 70% der Regelleistung eines

Alleinstehenden.“15 und nicht mehr wie bisher 60%. Die mangelnde Berücksichtigung

der Ausgaben in dem Bereich des Bildungswesens sollten ab dem 01.08.2009 durch

eine jährliche Zahlung von 100 € für schulpflichtige Kinder abgedeckt werden.

Über die Konformität der Regelsätze im SGB II mit der deutschen Verfassung hat nach

Vorlage des hessischen Landesozialgerichts16 und zwei Vorlagen des Bundessozialge-

richts 17 das BVerfG verhandelt und kam am 09. Februar 2010 zu der Entscheidung,

„dass die Vorschriften des SGB II, die die Regelleistung für Erwachsene und Kinder be-

treffen, nicht den verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines men-

schenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs.

1 GG erfüllen.“18

Ein Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum wird somit aus dem

Grundgesetz (GG), genauer aus Art. 1 Abs. 1 GG, der die Würde jedes Menschen als

unantastbar erklärt, in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 1 GG19

abgeleitet. Die Verfassung sichere somit, nach Auslegung des BVerfGs, allen Hilfebe-

dürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für ihre physische Existenz

und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen

Leben unerlässlich sind.20 Die konkrete Umsetzung dieses aus der Verfassung abgeleite-

te Grundrechtes bedürfe aber der „Konkretisierung und stetigen Aktualisierung“ durch

den Gesetzgeber, „der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwick-

14 vgl. BVerfG 09.02.2010, Rn 57; vgl. auch § 2 Abs. 2, 3 Regelsatzverordnung15 vgl. ebd., Rn. 63f16 1 BvL 1/0917 1 BvL 3/09;1 BvL 4/0918 vgl. BVerfG-Pressemitteilung19 „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Rechtsstaat“20 vgl. BVerfG 09.02.2010, Rn. 132f

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lungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen“ auszurich-

ten habe. Dabei stehe diesem ein „Gestaltungsspielraum“ zu.21

Die Höhe der Regelsätze sieht das BVerfG nicht als „evident unzureichend“22 an, da die-

se zur Sicherung der physischen Seite des Existenzminimums zumindest ausreichten.23

Die Festlegung der Regelsätze anhand des angewandten Statistikmodells ist laut

BVerfG eine verfassungsrechtlich zulässige, weil „vertretbare Methode zur realitätsna-

hen Bestimmung des Existenzminimums für eine alleinstehende Person.“24 Erhebung

und Höhe der Regelsätze werden demnach nicht beanstandet. Jedoch befand das

BVerfG die Kürzung einzelner Posten ohne einschlägige Begründung als unzulässig.

„Die wertende Entscheidung, welche Ausgaben zum Existenzminimum zählen, hat der

Normgeber sachgerecht und vertretbar zu treffen. Kürzungen von Ausgabepositionen

in den Abteilungen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe bedürfen zu ihrer

Rechtfertigung einer empirischen Grundlage. Der Gesetzgeber darf Ausgaben, welche

die Referenzgruppe tätigt, nur dann als nicht relevant einstufen, wenn feststeht, dass

sie anderweitig gedeckt werden oder zur Sicherung des Existenzminimums nicht not-

wendig sind. Auch die Höhe einer Kürzung muss sich aus der Einkommens- und Ver-

brauchsstichprobe oder aus einer anderen, zuverlässigen Erhebung ergeben. Eine

Schätzung auf fundierter empirischer Grundlage ist dabei nicht ausgeschlossen; Schät-

zungen 'ins Blaue hinein' laufen jedoch einem Verfahren realitätsgerechter Ermittlung

zuwider und verstoßen deshalb gegen Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozial-

staatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG.“25

Somit befand das BVerfG nicht vordergründig die Höhe der Regelleistungen, sondern

die bei der Erhebung vorgenommen Kürzungen als verfassungsmäßig unzulässig. Die

Ausgaben unter dem Stichpunkt Bildungswesen wurden in der Berechnung der Regel-

sätze nicht berücksichtigt,26 ebenso wie unter anderem die Ausgaben für Freizeit, Un-

terhaltung und Kultur. Darüber hinaus wurden die Posten Strom, Kraftfahrzeuge und

21 BVerfG 09.02.2010, Rn. 132f22 ebd., Rn. 146; vgl. auch Rn.15123 ebd., Rn. 15224 ebd., Rn. 159ff25 ebd., Rn. 171, Hervorhebung im Original26 vgl. ebd., Rn. 180 ff

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Bekleidung nur gekürzt eingerechnet,27 ohne dass feststand, ob das unterste Quintil

der Einpersonenhaushalte überhaupt solche Ausgaben getätigt habe, laut BVerfG.28

Der so erhobene Regelsatz von Alleinstehenden ist somit verfassungswidrig. Daraus

folgt auch, dass die Regelsätze für Partner_innen und Kinder innerhalb einer Bedarfs-

gemeinschaft nicht mit der Verfassung vereinbar sind, da diese sich prozentual an dem

Regelsatz Alleinstehender orientieren.29 Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes

ist es generell zulässig die Regelsätze von Partner_innen innerhalb einer Bedarfsge-

meinschaft an denen Alleinstehender zu messen, sprich prozentuale Abzüge aufgrund

von Einsparungen beispielsweise durch gemeinsame Haushaltsführung vorzunehmen.

Bei Kindern sieht das BVerfG das anders. Kinder sind in ihren Bedarfen nicht an denen

von Erwachsenen zu messen. Schon die Alltagserfahrung deute auf kinder- und alterss-

pezifische Bedarfe hin, weshalb eigene Bedarfe ermittelt werden müssen.30

„Ihr Bedarf, der zur Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums ge-

deckt werden muss, hat sich an kindlichen Entwicklungsphasen auszurichten und an

dem, was für die Persönlichkeitsentfaltung eines Kindes erforderlich ist. Der Gesetzge-

ber hat jegliche Ermittlungen hierzu unterlassen.31

Die vorgenommenen prozentualen Abzüge vom Regelsatz Alleinstehender beruhen auf

keiner empirisch-methodischen Grundlage, sondern wurden vom Gesetzgeber „will-

kürlich“32 festgelegt. Mit Fokus auf die unterschiedlichen Bedürfnisse von Kindern in

unterschiedlichen Altersgruppen seien diese laut Urteilsbegründung zudem nicht ge-

nügend ausdifferenziert.

Die im SGB II vorgesehene Einmalzahlung von 100 € für Schulbedarf beruhe nicht auf

empirischen Daten, sondern sei, nach BVerfG, ebenfalls willkürlich festgelegt.33 Hinzu

komme, dass eine Regelung, die auf die Deckung eines unabweisbaren, laufenden,

nicht nur einmaligen besonderen Bedarfs34 abzielt, fehle, wie etwa die Kosten bei der

27 vgl. BVerfG 09.02.2010, Rn. 171 ff28 ebd., Rn. 17529 vgl. ebd., Rn. 173, 188, 19030 vgl. ebd., Rn. 19031 ebd., Rn. 19132 ebd., Rn.20233 ebd., Rn.20334 ebd., Rn. 204

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Einschulung für Schulranzen und sonstige Erstausstattung. Begründet wird dies durch

das BVerfG damit, dass die Einkommens- und Verbrauchsstatistik, auf der die Regelleis-

tung beruhe, allein den Durchschnittsbedarf in üblichen Bedarfssituationen widerspie-

gele, nicht aber einen darüber hinausgehenden besonderen Bedarf aufgrund atypi-

scher Bedarfslagen.35

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das BVerfG in seinem Urteil festgestellt

hat, dass die Regelsätze im SGB II nicht verfassungskonform festgelegt wurden und sich

Kinder und Jugendliche in ihren Bedarfen von Erwachsenen unterscheiden. Insbeson-

dere der in der Berechnung der Regelsätze unberücksichtigte Posten des Bildungswe-

sens wurde hervorgehoben, der nach Ansicht des BVerfG zu den existenziellen Bedar-

fen von Kindern gehört. „Denn ohne Deckung dieser Kosten droht hilfebedürftigen Kin-

dern der Ausschluss von Lebenschancen.“36

Mit dieser Entscheidung rückt das BVerfG erstmals Kinder und Jugendliche in den Fo-

kus der Sozialgesetzgebung.37 Bislang tauchten Kinder und Jugendliche lediglich als

Empfänger von Sozialgeld im SGB II auf, nun muss sich der Grundsicherungsträger aktiv

für eine „materielle Basis für die Chancengerechtigkeit“38 und für die „Beendigung von

Exklusionsprozessen“39, die aus der sozialen Ungleichheit innerhalb unserer Gesell-

schaft resultieren, einsetzen.

Um nun zu klären, warum das BVerfG Bildung als einen Bestandteil für ein menschen-

würdiges Existenzminimum für Kinder und Jugendliche ansieht, ist es notwendig, sich

einer Definition des Bildungsbegriffes zu nähern und deren Bedeutung für die gesell-

schaftliche Teilhabe von Armut betroffener Bevölkerungsgruppen verständlich zu ma-

chen.

35 BVerfG 09.02.2010, Rn. 20436 ebd., Rn. 19237 vgl. Lenze in LPK-SBG II, § 28 Rn. 138 BT-Dr.17/4304, S. 104, in Lenze in LPK SGB II, § 28, Rn.139 ebd.

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3. Bildung als 'Allheilmittel' gegen ungleiche Teilhabechancen?

Die Bedeutung von Bildungs- und Teilhabechancen für von Armut be-

troffene Kinder und Jugendliche

Arm sein bedeutet nicht genügend Geld zum Leben zu haben, wenig Besitz, ungedeck-

te Bedarfe zu haben und Mittellosigkeit. Hinzu kommt unglücklich, bedauernswert und

beklagenswert zu sein. Zumindest ist dies die Antwort, die der Worterklärung im Du-

den zu entnehmen ist.40 „Armut umfasst in dieser Definition sowohl materielle als

auch psychologische Aspekte.“41

Armut ist nicht nur das Fehlen an Mitteln für das reine Überleben, Armut äußert sich

auch in der mangelnden Verfügbarkeit gesellschaftlicher Ressourcen als Folge von ge-

ringem Einkommen. Insbesondere alleinerziehende Frauen, kinderreiche Familien,

Menschen mit Migrationshintergrund und/oder Behinderungen sowie Erwerbslose

sind gesellschaftliche Gruppen, welche besonders von einem Armutsrisiko betroffen

sind.

„Für die Individuen bedeutet sie (die Armut) einen Verlust von Möglichkeiten, am ge-

sellschaftlichen Leben entsprechend der von ihr (der Gesellschaft) verallgemeinerten

Standards der Nützlichkeit, des Konsums, der materiellen Sicherheit, der öffentlichen

Einflussnahme und der sozialen Anerkennung, teilzunehmen.“42

Das Aufwachsen von Kindern kann in Folge von Armut in den Bereichen Bildung, Ge-

sundheit und Wohnen beeinträchtigt sein.43 Dies hat Auswirkungen sowohl auf Sozial-

beziehungen als auch auf gesellschaftliche Teilhabechancen.44 Armut entscheidet nicht

nur über die bestehenden Lebensverhältnisse und -chancen der Betroffenen, sondern

wirkt sich auch auf deren weiteren Lebensweg aus. „Wenn man so will, handelt es sich

hierbei um 'strukturelle Gewalt' (Johan Galtung), die Kinder und Jugendliche noch här-

40 vgl. Klemperer 2010, S. 19541 ebd.42 Bettinger, in Anhorn/Bettinger 2005, S. 37, Einfügung durch die Autorin43 vgl. Wittmann et al 2011; vgl. auch Butterwegge 2009 S. 344 vgl. Allmendinger 2013

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ter trifft als Erwachsene.“45 Der Begriff der strukturellen Gewalt beschreibt eine Form

der Gewalt, die in einem sozialen System angelegt ist und Menschen die Entfaltung ih-

rer Potentiale oder den Zugang zu den vorhandenen Ressourcen verwehrt. In Bezug

auf Bildung, die als Entfaltung von persönlichen Potentialen und als wichtige individu-

elle Ressource zu sehen ist, wird die Nähe zu Galtungs Begriff der struktureller Gewalt

besonders deutlich. Sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche haben schlechtere

Bildungschancen und somit auch eine schlechtere Ausgangsposition für die spätere Be-

rufswahl. Allmendinger (2013) stellt hierzu fest, dass Kinder aus sozial schwächeren El-

ternhäusern meist weniger Förderung durch ihre Eltern, aber auch durch ihre sozialen

Netzwerke erführen, ebenfalls besuchten sie seltener Kindertagesstätten und Kinder-

gärten. Dies sei eine Ballung von Benachteiligungen, die kaum reparable Unterschiede

im Bildungserfolg und damit „fast unweigerlich ungleiche Lebenschancen“ zur Folge

habe.46 Außerdem betont sie, dass für gute Ausbildungs- und Beschäftigungschancen

Bildung schon in frühem Kindesalter beginnen solle.47 Hurrelmann betont, dass auch

an dieser Stelle bereits nach den „vorschulischen Sozialisationsbedingungen“ gefragt

werden müsse.48

Mit Einfügung des § 28 SGB II verfolgte der Gesetzgeber die Zielsetzung Bildungs- und

Teilhabechancen von Kindern und Jugendlichen zu verbessern, um dieser Armutsspira-

le entgegen zu wirken. Was 'gute' (Aus-)Bildung umfasst und wie sich Bildungsungleich-

heit auf gesellschaftliche Teilhabe auswirkt, wird nur durch die Betrachtung der Wech-

selwirkung zwischen Bildung und gesellschaftlicher Teilhabe im Sinne von tatsächlichen

Partizipationsmöglichkeiten verständlich.

3.1. Der Bildungsbegriff

Das Recht auf Bildung lässt sich aus dem Grundgesetz, genauer aus Artikel 2 Absatz 1,

ableiten, welcher festlegt, dass jede_r ein „Recht auf die freie Entfaltung seiner Persön-

45 Butterwegge 2009, S. 2; Hervorhebung und Einfügung im Original46 Allmendinger 201347 Allmendinger/Leibfried 2003, S.1348 vgl. Hurrelmann in Bauer 2012, S. 72

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lichkeit“ hat, solange dadurch nicht die Rechte von anderen verletzt werden oder ge-

gen die „verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz“ verstoßen wird.

Dahrendorf (1965) ernannte Bildung zum Bürgerrecht,49 und in der Erklärung des Welt-

bildungsforums in Dakar (2000) wurde aufgenommen, dass Bildung ein „menschliches

Grundrecht“ sei und somit „Schlüssel zu nachhaltiger inner- und zwischenstaatlicher

Entwicklung, Frieden und Stabilität“, demnach ein „unverzichtbares Mittel für eine er-

folgreiche Beteiligung an den Gesellschaften und Ökonomien des 21. Jahrhunderts

(...)"50 Mit dieser Formulierung knüpft das Weltbildungsforum an die Allgemeine Erklä-

rung der Menschenrechte von 1948 an, die von 160 Staaten in der Welt anerkannt wur-

de.51

Bildung ist folglich unumstritten Menschen- und Bürgerrecht und wird verfassungs-

rechtlich garantiert. Inhaltlich aber wird durch die bloße Nutzung dieser Schlagworte

der Bildungsbegriff nicht näher bestimmt, eine eindeutige Definition bleibt offen.

In der Alltagssprache wird Bildung zunächst mit Schule und somit mit schulisch-forma-

ler Bildung assoziiert. Schule sei nach Mack (2007) „(...) die gesellschaftlich dafür zu-

ständige und legitimierte Institution, (die) (...) 'Bildung' zu vermitteln, zu prüfen und zu

zertifizieren.“ habe.52 Wenn Bildung jedoch als ein umfassender „offener und unab-

schließbarer Prozess zu betrachten (ist), der von den Menschen selbst bestimmt und ak-

tiv gestaltet wird.“53 erscheint diese Definition von Bildung als zu eng gefasst und blen-

det viele wichtige Aspekte aus. Der Selbstzweck der Bildung verliert an Bedeutung. Bil-

dungsprozesse finden unter diesem Gesichtspunkt nicht statt, damit sich das Individu-

um Kompetenzen und Fertigkeiten aneignet, die auf die Erfordernisse der jeweiligen

Lebenslage der Einzelnen abgestimmt sind und diese zu mündigen, selbstbestimmten

und partizipationsfähigen Subjekten werden lässt. Stattdessen richtet sich der Blick auf

auf die Vermittlung gesellschaftlich verwertbaren Wissens: Als Folge geraten die Be-

dürfnisse und Lebenslagen der einzelnen Individuen aus dem Blickfeld.

49 Dahrendorf 1965, S. 23f50 BPB 201351 vgl. ebd.52 Mack 2007, S 5, Einfügung durch die Autorin, Hervorhebung im Original; vgl. auch Dörpinghaus et al

2012, S. 2053 ebd.

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Um sich die Vielgestaltigkeit des Bildungsbegriffs zu veranschaulichen, bietet sich eine

Einteilung in formale, informelle und non-formale Bildung an, die auch von der EU-

Kommission (2001) in der Diskussion um Lernen im Lebenslauf aufgenommen worden

ist.54

Als formale Bildung wird das gesamte „hierarchisch strukturierte und zeitlich aufeinan-

der aufbauende Schul-, Ausbildungs- und Hochschulsystem“ und die darin vermittel-

ten, auf einem klaren Curriculum aufgebauten Lerninhalte verstanden. Die Teilnahme

hat weitestgehend „verpflichtenden Charakter“, wird geprüft und durch „Leistungszer-

tifikate“ bewertet.55

Unter non-formaler Bildung versteht man im Gegensatz zur formalen „jede Form orga-

nisierter Bildung“ (...), die generell freiwilliger Natur ist und Angebotscharakter hat.“56

Hierzu zählen Angebote der freien Kinder- und Jugendarbeit, aber auch Nachmittags-

angebote im Rahmen der familienfreundlichen Schule oder von Vereinen, solange die-

se aus wählbaren, auf Freiwilligkeit basierenden Angeboten bestehen.

Informelle Bildung erfolgt durch „ungeplante und nicht-intendierte Bildungsprozesse“.

Diese können sich in unterschiedlichen Settings abspielen, etwa im Alltag mit der Fami-

lie, mit Freunden, in der Schule, aber auch in der Freizeit, alleine oder in der Gemein-

schaft. Informelle Bildungserfahrungen erfolgen „meist ungeplant, beiläufig und unbe-

absichtigt (...), in den lebensweltlichen Zusammenhängen und der sozialen Welt der Ak-

teure“57 und sind die „grundlegende Voraussetzung für formale und non-formale Bil-

dungsprozesse.“58 Nur auf der Basis von gelungenen informellen Bildungserfahrungen

kann weitere Bildungsarbeit stattfinden.59 Das Fehlen dieser wirkt sich auf die Bil-

dungsmöglichkeiten aus und liefert auch die Begründung für die These, dass Familie

und Peer-Group als Bildungsorte nicht aus dem Blick geraten dürfen, was ich in mei-

nem Zwischenfazit noch erläutern werde.

Nach dem Blick auf die Unterscheidung von formaler, informeller und non-formaler Bil-

dung gilt es nun, diese auch wieder in Bezug zueinander zu setzen und zu überprüfen,

welche „Wechselwirkungen zwischen den Bildungsorten und –modalitäten“ bestehen,

54 Mack 2007, S. 1055 BKJ 2001, S. 556 ebd.57 Mack 2007, S. 1058 BKJ 2001, S. 559 vgl. Mack 2007, S. 12

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und ob ein „produktives Zusammenspiel“ zwischen diesen möglich ist oder es zu „kon-

traproduktiven Barrieren und Ausgrenzungen“ Einzelner kommt.60

„Der Vorgang der Bildung soll das Subjekt befähigen, ein aktives geistiges Verhältnis zu

den es umgebenden Lebensbedingungen herzustellen“.61 Zu einer erfolgreichen Bewäl-

tigung aller denkbaren Lebenslagen benötigen die Subjekte aber mehr als nur die for-

mal-schulischen Kompetenzen, sondern besonders personale Ressourcen, die ihnen

die Möglichkeit geben, ihr erworbenes (Fach-)Wissen auch sinnvoll für eine gelingende

Biographie zu nutzen. Das Bundesjugendkuratorium (2001) betont, dass „Bildung (…)

viel mehr als Ausbildung und Qualifikationserwerb“ sei und essentielle Grundlage da-

für, dass Kinder und Jugendliche sich „in einer komplizierten Welt“ verorten und be-

haupten können.62 Somit sei Bildung auch nicht ausschließlich auf den Lernort Schule

zu reduzieren,63 denn „diese formellen und informellen Prozesse finden in formalen

und nichtformalen Settings statt und sind nicht nur an einen Ort gebunden.“64

„Bildung braucht Freiräume, damit Erfahrungs-, Lern- und Bildungsprozesse von Her-

anwachsenden ihrer eigenen Logik und besonderen Bedürfnissen junger Menschen

folgen können.65

Mit diesem erweiterten Bildungsverständnis sollten Fördermaßnahmen und Unterstüt-

zungsangebote für benachteiligte Kinder und Jugendliche nicht bloß über ihren „Ver-

wertbarkeitszusammenhang in Hinblick auf materielle Absicherung von Lebensläufen

und dem gesellschaftlichen Interesse, qualifizierten Nachwuchs zu erhalten“ bewertet

werden, sondern als solche, die dafür eingerichtet wurden um „umfassende gesell-

schaftliche Teilhabechancen“ zu ermöglichen, die an der Lebenswelt derselben an-

knüpfen.66

Angesichts der Pluralisierung der möglichen Lebensläufe werden den Einzelnen Optio-

nen propagiert, für deren Erreichen jedoch jede_r alleine die Verantwortung trägt. Die

Vielzahl an (scheinbaren) Möglichkeiten, mit der die Einzelnen über ihren Lebenslauf

60 vgl. Mack 2007, S. 1261 Gerspach 2000, S. 23f62 BKJ 2001, S. 463 vgl. BKJ 2001, S. 464 AGJ 2011, S. 365 ebd.66 ebd., S. 5

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konfrontiert werden, lässt Bildung nicht nur in Bezug auf die Zukunftschancen, sondern

eben auch für das 'Hier und Jetzt' Bedeutung zukommen. Vermittlung und Unterstüt-

zung von Bildungsprozessen benötigen Kinder und Jugendliche nicht nur, um diese auf

ihre Zukunft vorzubereiten, sondern auch als wichtige „Ressource für die gegenwärtige

Orientierung“. Dies hilft „trotz gegenüberstehender Schwierigkeiten die eigenen bio-

grafischen Ziele festzuhalten und sie dennoch flexibel an die Situation und erreichbare

Möglichkeiten anzupassen.“67

Ein eng gefasstes Bildungsverständnis und die Betonung der Bedeutung von formaler

Bildung reicht angesichts bestehender Bildungsungleichheit und damit verbundener

Reproduktionstendenzen von Armutslagen und Exklusionsprozessen von ganzen gesell-

schaftlichen Gruppen nicht aus. Es versperrt zudem den Blick auf die gesellschaftlichen

und institutionellen Rahmenbedingungen.

Nach der Klärung des erweiterten Bildungsbegriffes, der für die Soziale Arbeit zu präfe-

rieren ist, da dieser neben dem formalen auch die informellen und nonformalen

Aspekte von Bildungsprozessen einschließt, gilt es nun diesen mit der Teilhabe, im Sin-

ne von gesellschaftlichen Partizipation, in Verbindung zu bringen.

3.2. Bildung und gesellschaftliche Teilhabe

Der Begriff der Teilhabe wird in der Sozialgesetzgebung zunächst direkt mit der Einglie-

derungshilfe in den Sozialgesetzbüchern neun und zwölf verbunden, somit nicht not-

wendigerweise als Bedingung für ein menschenwürdiges Existenzminimum für Kinder

und Jugendliche, wie durch das BVerfG festgestellt. Soziologisch ist der Teilhabebegriff

auf alle gesellschaftlichen Gruppen zu übertragen. Insbesondere werden immer wieder

die Teilhabechancen sozial benachteiligter Bevölkerungsgruppen diskutiert, die sich

aus der sozialen Ungleichheit in unserer Gesellschaft ergeben. Nach Hradil 2001 liegt

soziale Ungleichheit dann vor, „wenn Menschen aufgrund ihrer Stellung im sozialen Be-

ziehungsgefüge von den 'wertvollen Gütern' einer Gesellschaft regelmäßig mehr als

67 BKJ 2001, S. 2; Hervorhebung im Original

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andere erhalten“.68 Als wertvolle Güter/Ressourcen gelten Dinge, die in einer Gesell-

schaft 'gute' Lebensbedingungen ermöglichen, dazu zählen beispielsweise Geld, Ein-

flussnahme aber auch Bildung.69 Also ist hier nicht notwendigerweise nur die materiel-

le Ausstattung einer sozialen Gruppierung gemeint, sondern auch deren ideelle Aus-

stattung.

Viele Familien können aufgrund von Ungleichheiten ihren Kindern nicht ermöglichen,

was in weiten Teilen der Gesellschaft als 'normal' erachtet wird. Das heißt, sie haben

keinen Zugang zu den wertvollen Gütern einer Gesellschaft, von denen Hradil spricht.

Kinder und Jugendliche erleben dies in seinen Folgen als mangelnde gesellschaftliche

Teilhabe, die auch zu Exklusionsprozessen in Schule und Freizeit führen kann. Sie wer-

den somit nachhaltig mit der bestehende Ungleichheit konfrontiert und in ihren Ent-

wicklungschancen eingeschränkt. Gerade die Erfahrungen, die in Kindheit und Jugend,

im Elternhaus und im weiteren sozialen Umfeld gemacht werden, bilden die Grundlage

für gelingende Bildungsprozesse über den Lebenslauf und sind somit entscheidend für

den weiteren Lebensweg. Büchner/Krüger (1996) stellen zudem einen Zusammenhang

zwischen schulischer und außerschulischer Bildung sowie gesellschaftlichen Teilhabe-

chancen fest, „schulisches Lernen und Schulerfolg (seien) durch unterschiedliche und

vor allem ungleiche Teilhabechancen an außerschulischen Lern- und Bildungsmöglich-

keiten entscheidend (mit) beeinflusst (...).“70

„Moderne Gesellschaften sind darauf angewiesen, dass ihre Mitglieder kritisch, selbst-

bestimmt und solidarisch zu ihrer Weiterentwicklung beitragen“,71 da sich diese zu-

meist durch die Regierungsform der Demokratie auszeichnen, und benötigen somit zu

ihrer Aufrechterhaltung selbstbestimmte mündige partizipierende Bürger_innen. Wird

die Gesellschaft als Bildungsort empfunden, an der die Einzelnen aktiv mitgestalten,

sprich Einflussmöglichkeiten haben, die deren Bedürfnisse wahrnimmt und fördert,

wirkt sich dies direkt auf die Partizipationsbestrebungen derselben aus. Bildung und

Demokratie sollten somit in besonderem Maße in Zusammenhang gesehen werden.

68 Hradil 2001, S.30; Hervorhebung im Original69 vgl. ebd.70 Büchner/Krüger in Betz 2011, S 64; Einfügung durch die Autorin71 Mack 2007, S. 6

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„Durch die individuelle Bildung sollen die einzelnen Mitglieder der Gesellschaft sich in

die Lage versetzen können, ihr Leben selbstbestimmt und autonom zu gestalten, ohne

sich von der Gesellschaft abzusetzen, sondern in bewusstem Bezug zur ihr.72

Deshalb sollten moderne Gesellschaften, die sich als solche verstehen, auch daran in-

teressiert sein, allen Bevölkerungsgruppierungen Bildung in gleichem Maße zukommen

zu lassen und durch gleiche Bildungschancen auch gleiche Teilhabechancen zu ermögli-

chen.

3.3. Zusammenfassung

Um Kindern und Jugendlichen gesellschaftliche Teilhabechancen einzuräumen, bedarf

es mehr als schulisch-formaler Bildung. Dies erfordert ein erweitertes Bildungsver-

ständnis mit dem Blick auf non-formales und informelles Lernen in unterschiedlichen

Settings, eben auch außerhalb der Schule in Familie und in der Freizeitgestaltung. Es

bestehen Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen formalen, non-formalen

und informellen Bildungsprozessen. Diese wirken sich direkt auf die Teilhabechancen

der Subjekte in der Gesellschaft aus.

Der Sozial- aber auch Bildungspolitik kommt also nicht nur die Aufgabe zu, formal für

gleiche Bildungschancen zu sorgen, sondern eben auch der Vielgestaltigkeit informeller

Bildungsprozesse ein gesellschaftliches Interesse beizumessen und die Subjekte auch

für die Teilhabe an diesen zu befähigen. „Bildungspolitik (aber auch Sozialpolitik) greift

zu kurz, wenn sie nur in formelle Bildung investiert und die anderen Bereiche über-

geht.“73

Durch das Urteil des BVerfG wurde nun dem Bund die Pflicht auferlegt, für gleiche Bil-

dungschancen und Teilhabemöglichkeiten von sozial benachteiligten Kindern und Ju-

gendlichen zu sorgen, da diese für ein menschenwürdiges Existenzminimum essentiell

sind. Dadurch ist der Bund erstmals in der Pflicht, in Verantwortungsbereichen der Län-

72 Mack 2007, S. 673 BKJ 2001, S. 5; Einfügung durch die Autorin; vgl. auch Allmendinger/Leibfried 2003, S. 13

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der (Schulpolitik) und Kommunen (Kinder- und Jugendförderung) eine bestimmende

Rolle zu übernehmen.

4. Bildung und Teilhabe als Paket?

Das Bildungs- und Teilhabepaket für sozial benachteiligte Kinder und

Jugendliche

Das BVerfG räumte dem Gesetzgeber eine Zeitfrist bis zum 31.12.2010 ein um das SGB

II verfassungskonform zu reformieren.

Der Gesetzgeber hat davon abgesehen, die Regelsätze von Kinder und Jugendlichen

bedarfsgerecht anzupassen. Stattdessen wurden die Bedarfe der Bildung und Teilhabe,

die zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums notwendig sind, ausgeglie-

dert und sollen so eine stärkere Integration sozial bedürftiger Kinder ermöglichen.74

Der Leistungsbereich wurde auf Kinder und Jugendliche im Niedrigeinkommensbereich

ausgedehnt und geht somit über den Personenkreis in der Mindestsicherung, der im

BVerfG-Urteil angesprochen wurde, hinaus.75

4.1. Gesetzliche Grundlage

Anspruchsgrundlage für den § 28 SGB II ist der § 19 SGB II. „(...) Leistungsberechtigte

haben unter der Voraussetzung des § 28 Anspruch auf Leistungen für Bildung und Teil-

habe (…).“76 Die Art der Hilfegewährung wird in § 29 SGB II festgelegt und die Fi -

nanzierung in § 46 SGB II.

Welche Leistungen der Bildung und Teilhabe durch die Träger der Grundsicherung ab-

gedeckt werden, wird im § 28 SGB II definiert. Entsprechende Regelungen finden sich

auch im Zwölften Sozialgesetzbuch (SGB XII), dem Bundeskindergeldgesetz (BKKG) und

74 BT-Dr. 17/3404, S. 104.75 vgl. Apel/Engels 2012, S. 376 § 19 Abs.2 S.1 SGB II

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dem Wohngeldgesetz (WoGG), wodurch der Anspruch auf Leistungen der Bildung und

Teilhabe auch auf Kinder von erwerbsunfähigen Eltern und Kinder in Bedarfsgemein-

schaften von Kinderzuschlags- und Wohngeldempfänger_innen ausgeweitet wurde.

Kinder von Eltern, die Leistungen nach dem AsylLG erhalten, haben auch eingeschränkt

Anspruch auf Leistungen des BUTs. Auf den Aspekt der Ansprüche von Kindern von

Asylbewerber_innen werde ich im Rahmen dieser Bachelor-Arbeit nicht eingehen kön-

nen, da eine angemessen differenzierte Betrachtung den vorgegebenen Rahmen über-

schreiten würde.

4.2. Administration und Finanzierung

Die Umsetzungs- und Finanzierungsverantwortung für das Bildungs- und Teilhabepaket

obliegt den Kommunen. Die Administration wurde den kommunalen Trägern der

Grundsicherung vollständig übertragen. Die Rechts- und auch Fachaufsicht haben die

zuständigen Landesbehörden.77 Die Leistungen können als Sach-, Dienst-, oder Geld-

leistungen erbracht werden.78 Die Bundesregierung verabschiedete aufgrund der föde-

ralistischen Struktur der Bundesrepublik Deutschland zwar das Gesetz zur Erbringung

der Leistungen, hat aber weder die „Träger- noch die Umsetzungsverantwortung“, noch

übt diese eine Aufsicht über die Administration aus. Die Finanzierung des BUTs als Teil

der Grundsicherung unterliegt jedoch der Revisionspflicht gegenüber dem Bund.

Wie genau die einzelnen Kommunen die Administration regeln, fällt unterschiedlich

aus. Meistens werden die Anträge auf Leistungen des BUT im örtlichen Jobcenter bear-

beitet, beziehungsweise an den Stellen, in denen die Leistungsberechtigten auch die

Anträge auf ALG II, Wohngeld, Kinderzuschlag etc. stellen.79 Den zuständigen Träger für

Kinderzuschlags- und Wohngeldempfänger bestimmen die Länder.80 Die Bearbeitung

der Anträge erfolgt entweder über speziell eingerichtete Fachteams, oder aber über

die Sachbearbeiter_innen, die für die Bedarfsgemeinschaft ohnehin zuständig sind. An-

77 BT-Dr. 17/563378 § 29 SGB II79 vgl. Lenze in LPK-SGB II, § 29 Rn. 2680 vgl. Apel/Engels 2012, S. 4

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dere Kommunen verlagern die Administration in Schulen oder Kindertagesstätten, wie

beispielsweise Hamburg oder Lübeck.81 Anträge auf Leistungen der Bildung und Teilha-

be müssen für jedes leistungsberechtigte Kind und jede_n Jugendliche_n gesondert ge-

stellt werden. Auch für die einzelnen Bildungs- und Teilhabeleistungen setzen geson-

derte Anträge voraus. Um mit den Schwierigkeiten der Administration umzugehen,

wurde in vielen Kommunen, wie etwa Berlin, Leipzig und dem Kreis Offenbach, auf

Chipkartensysteme umgestellt, die unter verschiedenen Namen (Berlin-Card, Teilhabe-

Card etc.) laufen und den Leistungsberechtigten ermöglichen an Angeboten, wie bei-

spielsweise der Mittagsverpflegung, durch Vorlage der Chipkarte ermäßigt teilnehmen

zu können.82

Die Finanzierung des BUTs erfolgt indirekt aus Bundesmitteln, die den Kommunen über

eine erhöhte Beteiligung an den Kosten für Unterkunft und Heizung in der Grundsiche-

rung zugesprochen werden.83 Hierfür wurde die Beteiligungsquote des Bundes zu-

nächst um 5,4 Prozentpunkte erhöht.84 Gesetzliche Grundlage hierfür stellt der § 46

SGB II.

Die Länder waren erstmals 2013 verpflichtet die tatsächlichen Ausgaben für Leistungen

der Bildung und Teilhabe durch die Kommunen dem Bundesministerium für Arbeit und

Soziales (BMAS) vorzulegen.85 Die „Ist-Gesamtausgaben für Bildung und Teilhabe nach

§ 28 SGB II und § 6b Bundeskindergeldgesetzes (BKGG)“86 bilden die Grundlage für die

Bundesbeteiligung an den Kosten für 2014 und auch rückwirkend für die Jahre 2012

und 2013.87 Bundesweit war nach der Berechnung das Ergebnis, dass die Mehrausga-

ben der Kommunen durch das BUT durchschnittlich bei 3,3 Prozentpunkten lagen, also

bundesdurchschnittlich weniger als die vorgesehenen Gelder für das BUT ausgegeben

wurden. Bei der Betrachtung nach Bundesländern ergab sich ein unterschiedliches

Bild. Einige Länder lagen über den veranschlagten 5,4 Prozentpunkten, hatten also

mehr ausgegeben, als durch den Bund zur Verfügung gestellt. Andere lagen deutlich

darunter, hatten also die bereitgestellten Gelder scheinbar nicht für Leistungen der Bil-

81 vgl. Apel/Engels 2012, S. 482 vgl. Lenze in LPK-SGB II, § 29, Rn. 583 BT-Dr. 432/13 S. 384 ebd.85 vgl. Lenze in LPK-SGB II, § 29, Rn. 2686 ebd.87 § 46 Abs. 7 SBG II

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dung und Teilhabe ausgezahlt.88 Nicht verausgabte Gelder müssen dem Bund zurücker-

stattet werden, beziehungsweise mit den Zuwendungen des Bundes an die Kommunen

für 2014 verrechnet.89 In 2011 und 2012 wurden in einigen Kommunen die nicht direkt

für Leistungen des BUT verausgabten Mittel für einen Ausbau der sozialen Infrastruk-

tur genutzt, beispielsweise der Schulsozialarbeit in Nordrhein-Westfalen.90 Allerdings

unterliegen diese Ausgaben, die nur indirekt die Leistungen des BUTs betreffen, nicht

der Revisionsverpflichtung, fließen also nicht in die „Ist-Gesamtausgaben für Bildung

und Teilhabe“91 ein. Aufgrund der „großen Spannweite der Ausgaben zwischen den

Bundesländern“ sollten auf Wunsch der Länder vom Bundesdurchschnitt „länderspezi-

fisch differenzierte Werte“ abgeleitet werden,92 wodurch den Gegebenheiten vor Ort

besser entsprochen würde.

Durch die „Absenkung der erhöhten Bundesbeteiligung“, an den Kosten für Unterkunft

und Heizung, das heißt der in Folge der Neuberechnung angepassten Finanzzuweisun-

gen an die Kommunen, reduzieren sich die „zu erwartenden Ausgaben des Bundes (…)

um rund 270 Millionen Euro. Demnach ergibt sich für den Bund eine Möglichkeit der

Kosteneinsparung, welche dieser damit rechtfertigt, dass den Mindereinnahmen der

Kommunen auch keine Ausgaben für Bildung und Teilhabe gegenüberstünden, so die

Begründung in der Verordnung.93 Eine genaue Überprüfung der tatsächlichen kommu-

nalen Ausgaben, die auch in Verbindung mit den Leistungen des BUTs entstanden sind,

erfolgte, vermutlich mit Blick auf die möglichen Einsparungen, nicht.

Der § 46 SGB II fungiert als „Finanzierungs-Stellschraube“94 für die Finanzzuweisungen

des Bundes an die Kommunen und wurde allein seit 2005 „im Durchschnitt mehr als

einmal im Jahr auch inhaltlich geändert.“95 Die Diskussion über die weitere Fi-

nanzierung des BUTs ist bislang nicht abgeschlossen. Eine Prognose über eventuelle

Änderungen im § 46 kann ich an dieser Stelle nicht geben.

88 vgl. BT Dr. 432/13 S.2 (Hamburg 5,5; Bremen 5,9; Berlin 1,9; 2,3 Sachsen-Anhalt)89 BT-Dr. 432/13, S. 490 vgl. MAIS-NRW 201191 BT-Dr. 432/13, S. 492 ebd., S. 193 ebd., S. 494 Thie in LPK-SGB II, § 46 Rn.195 ebd., § 46 Rn.1, Hervorhebung im Original

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4.3. § 28 SGB II

Nach der kurzen Erläuterung der Administration und Finanzierung des BUTs werde ich

im Folgenden den Paragraphen 28 SGB II, dessen Inhalt sich auch entsprechend in

Paragraphen des SGB XII, BKKG, AsylG und WoGG wiederfindet, nach Absätzen

erläutern.

Abs.1

„Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemein-

schaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Regel-

bedarf nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 gesondert berücksichtigt. Bedarfe für Bil-

dung werden nur bei Personen berücksichtigt, die das 25. Lebensjahr noch nicht

vollendet haben, eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen und keine Aus-

bildungsvergütung erhalten (Schülerinnen und Schüler).“

Der Absatz definiert die Leistungsberechtigten. In diesem Falle sind dies Personen in-

nerhalb einer Bedarfsgemeinschaft, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben

und Schüler_innen einer allgemein- oder berufsbildenden Schule sind. Die Absätze

zwei bis sieben gelten für die Gruppe der Schüler_innen .

Abs.2

„Bei Schülerinnen und Schülern werden die tatsächlichen Aufwendungen anerkannt

für 1. Schulausflüge und

2. mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestim-

mungen.

Für Kinder, die eine Kindertageseinrichtung besuchen, gilt Satz 1 entsprechend.“

Vom Gesetzgeber wurde keine Obergrenze zur Erstattung der Kosten für Ausflüge und

Klassenfahrten festgelegt. Hier haben die Sachbearbeiter_innen keinen Ermessens-

spielraum, die Kosten müssen in voller Höhe berücksichtigt werden.96

Auf kommunaler Ebene wurden jedoch Regelungen getroffen, die den Vorrang der Kos-

tendeckung durch Dritte einräumen, wie den schulischen Förderverein. In den Richtli-

96 vgl. Lenze in LPK-SGB II, § 28 Rn.7

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nien der Stadt Bielefeld zum § 28 und 29 SGB II steht zu diesem Absatz beispielsweise

einschränkend: „(...) soweit die Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen nicht

durch Dritte erfolgt oder nach anderen vorrangigen gesetzlichen Grundlagen bean-

sprucht werden kann“. In einer Veröffentlichung des hessischen Landkreistages heißt

es: „Wenn Zuschüsse von anderen Stellen gewährt werden (z. B. Schule, Fördervereine,

Stiftungen etc.), sind diese mit der Leistung zu verrechnen.“97, wobei nicht klar defi-

niert wird, ob diese Hilfen Dritter Vorrang gegenüber den Leistungen des BUTs haben,

das heißt, die Beantragung solcher Hilfen verpflichtend ist vor Antragstellung auf Hilfen

nach dem § 28.

In diesem Absatz wird die Gruppe der Leistungsberechtigten in Satz 1 auf die Kinder

ausgeweitet, die eine Kindertagesstätte (KiTa) besuchen. Ausflüge mit der KiTa können

ebenfalls durch das Bildungs- und Teilhabepaket finanziert werden.98

Der Antrag auf Kostenübernahme dieser Leistung wird am zweithäufigsten gestellt,

etwa 17% der Leistungsberechtigten nehmen diese Möglichkeit in Anspruch.99

Abs.3

„Für die Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf werden bei Schülerinnen und

Schülern 70 Euro zum 1. August und 30 Euro zum 1. Februar eines jeden Jahres be-

rücksichtigt.“

An dieser Stelle wird an der bisherigen Lösung im SGB II, der Zahlung von 100€ im Jahr,

festgehalten, nur dass diese in zwei Teilbeträgen ausgezahlt wird.100 Das BVerfG hat

zwar betont, dass der Betrag von 100 € als nicht evident unzureichend zu sehen sei,

dennoch fehle der Festlegung des Betrages die empirische Grundlage.101

Durch die unterschiedliche Schulpolitik der Länder besteht eine Bedarfsverschieden-

heit zwischen den Schüler_innen, die durch die pauschalisierte Auszahlung nicht hin-

reichend berücksichtigt wird. Tatsächlich bedeutet dies eine Verschlechterung zur vor-

herigen Regelung im SGB II. Bislang wurden Leistungsberechtigten die 100 € für Schul-

bedarf ergänzend zum Regelsatz ausgezahlt. Nun wurde der Posten des Bildungswe-

97 Richtlinien der Stadt Bielefeld; Landkreistag Hessen98 vgl. Lenze in LPK-SGB II, 3 28, Rn. 899 vgl. Apel/Engels 2012, S. 9

100 vgl. Lenze in LPK-SGB II, § 28 Rn. 14101 vgl. hierzu Kp.1; vgl. auch Lenze LPK-SGB II, § 28, Rn. 16

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sens aus dem Regelsatz herausgenommen, wodurch sich eine niedrigere Gesamtsum-

me ergibt.102

Mehraufwendungen durch besondere Bedarfe, wie die Erstausstattung mit Schulbe-

darf (Schulranzen, Federmäppchen etc.), sind in diesem Absatz nicht berücksichtigt. Bei

Schuleintritt müssten diese von den im August vorgesehenen 70 €, beziehungsweise

aus dem Regelsatz, gedeckt werden.103

Laut Gesetzesbegründung habe sich gezeigt, dass Kinder aus bedürftigen Familien seit

Einführung des BUTs besser mit angemessenen Schulbedarf ausgestattet sind,104 dies

sei auf die zweckgebundene Leistungsbewilligung zurückzuführen.

Die schulpflichtigen Kindern aus Familien im SGB II-Bezug erhalten diese Leistung auto-

matisch mit ihren Bezügen. Ein gesonderter Antrag ist nicht erforderlich.105 Dieser Pos-

ten des BUTs ist der meist in Anspruch genommene, weil eine Beantragung durch die

SGB II-Empfänger_innen nicht verlangt wird.

Abs. 4

„Bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des

gewählten Bildungsgangs auf Schülerbeförderung angewiesen sind, werden die dafür

erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Drit-

ten übernommen werden und es der leistungsberechtigten Person nicht zugemutet

werden kann, die Aufwendungen aus dem Regelbedarf zu bestreiten. Als zumutbare

Eigenleistung gilt in der Regel ein Betrag in Höhe von 5 Euro monatlich.“

Diese Bestimmung wirft in der Praxis durch die unbestimmten Rechtsbegriffe Umset-

zungsprobleme auf. Denn es sollen zwar die tatsächlichen Kosten der Schülerbeförde-

rung für den Besuch der nächstgelegenen Schule übernommen werden, aber nur unter

der Bedingung, dass diese nicht von Dritten gezahlt werden und es nicht zumutbar ist,

diese Leistungen aus dem Regelsatz zu bestreiten.

Bedürftige Familien müssen zunächst einen Antrag auf Kostenübernahme bei den an-

deren möglichen Stellen, wie beispielsweise dem Schulamt, einreichen. Wird dieser ab-

gelehnt, ist eine Kostenübernahme über das BUT möglich. Generell wird eine Schulbe-

102 vgl. Lenze in LPK-SGB II, § 28 Rn. 15103 vgl. ebd., Rn.16104 BT-Dr. 17/4304, S. 105105 vgl. Apel/Engels 2012, S. 9

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förderung nur bewilligt, wenn der Schulweg länger ist als zwei Kilometer bei Grundschü-

ler_innen beziehungsweise drei Kilometer bei den Älteren.106

Wenn Kosten für die eine Schüler_innenfahrkarte angefallen sind, ist, damit eine Kos-

tenübernahme durch die Grundsicherung möglich wird, zunächst zu klären, ob diese

auch „privat nutzbar“ ist. Wenn dies der Fall ist, käme es „bezüglich der allgemeinen

Mobilitätsbedarfe zu einer Doppelförderung“, da im Regelbedarf bereits ein Betrag für

„Verkehrsdienstleistungen des öffentlichen Nahverkehrs“ enthalten ist. Deshalb wird

ein entsprechender Eigenanteil der Kosten von den Leistungsberechtigten verlangt.107

Wenn die Kosten der Schulbeförderung durch Länder, Kreise oder Kommunen getragen

werden, ist keine Kostenübernahme durch das BUT möglich. Wird eine kostenfreie

Schüler_innenfahrkarte durch Dritte gestellt, die auch privat nutzbar ist, also 'Geld-

wert' hat, „ist diese in die Beurteilung der Hilfebedürftigkeit einzubeziehen.“108

In Bezug auf den Grundsatz „Kosten werden nur für den Besuch der nächstgelegenen

Schule übernommen“ können Ausnahmen gemacht werden. Es liegt im Ermessen der

Kommune unter Berücksichtigung der Verhältnisse des konkreten Einzelfalls zu ent-

scheiden, ob die Kosten erstattet werden, wenn die leistungsberechtigten Schüler_in-

nen nicht die nächstgelegene Schule besuchen können.

Die Kostendeckung der Schulbeförderung durch das BUT wird von 3% der Leistungsbe-

rechtigten in Anspruch genommen.109

Abs.5

„Bei Schülerinnen und Schülern wird eine schulische Angebote ergänzende angemes-

sene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich

ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lern-

ziele zu erreichen.“

Dieser Absatz räumt einen hohen Ermessensspielraum ein. Die unbestimmten Rechts-

begriffe „angemessen“, „geeignet“, „wesentliche Lernziele“, obliegen der Konkretisie-

rung der Sachbearbeiter_innen der zuständigen Behörde.

106 vgl. Lenze in LPK-SGB II § 28, Rn. 20; Hamburg hat die Entfernung auf 7,5 km festgelegt107 BT-Dr.17/5633 S. 16108 ebd.,S. 17109 vgl. Apel/Engels 2012, S. 9

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Tatsächlich ist dieser Posten des BUTs mit nur etwa 2% Inanspruchnahme der geringst

genutzte, vermutlich wegen diverser Hürden, die bei der Beantragung zu nehmen

sind.110 Zunächst sind schulische Angebote vorrangig zu nutzen. Die Eltern benötigen

für die Beantragung eine Bescheinigung der Schule, dass entweder keine schulischen

Angebote vorhanden sind oder aber dass diese Fördermöglichkeiten nicht ausreichen.

Die Lernförderung kann einzeln, aber auch in Gruppen erfolgen. Gemeinnützige Träger

spielen im Vergleich zu gewerblichen bei den Angeboten eine eher untergeordnete

Rollen. Nach Apel/Engels (2012) sei aber davon auszugehen, dass die gemeinnützigen

Träger, die in der schulischen Ganztagsbetreuung involviert seien, ihre Angebote aus-

bauten.111 Ob die Lernförderung angemessen und geeignet ist, hängt also vorrangig

vom Urteil der Lehrkräfte ab, und die Kommunen bleiben auf diese Empfehlungen an-

gewiesen.112 Das „wesentliche Lernziel“ wird mit dem Erreichen der nächsten Jahr-

gangsstufe, das heißt der Versetzung, aber auch mit einem ausreichenden Leistungsni-

veau umschrieben, nicht aber mit einem Erreichen der nächst höheren Schulform.113

Schulpolitik ist Ländersache, dementsprechend gilt es die wesentlichen Lernziele durch

die Länder in der Schulgesetzgebung zu konkretisieren.114

Abs. 6

„Bei Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung werden die entste-

henden Mehraufwendungen berücksichtigt für

1. Schülerinnen und Schüler und

2. Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kinder-

tagespflege geleistet wird.

Für Schülerinnen und Schüler gilt dies unter der Voraussetzung, dass die Mittagsver-

pflegung in schulischer Verantwortung angeboten wird. In den Fällen des Satzes 2 ist

für die Ermittlung des monatlichen Bedarfs die Anzahl der Schultage in dem Land zu-

grunde zu legen, in dem der Schulbesuch stattfindet.“

Diesem Absatz liegt zugrunde, dass die schulische Mittagsverpflegung nicht nur der

110 vgl. Apel/Engels 2012, S. 9; vgl. auch Lenze in LPK-SGB II, § 28 Rn. 24111 vgl. ebd., S 9f112 vgl. Lenze in LPK-SGB II, § 28, Rn. 27113 vgl. BT-Dr. 17/5633 S. 18114 vgl. Lenze in LPK-SGB II, § 28 Rn. 27

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bloßen Deckung des physischen Bedürfnisses nach Nahrung nachkommt, sondern

ebenfalls eine „sozialintegrative Funktion“115 hat.

Eine Kostenübernahme der Mittagsverpflegung wird für Kinder und Jugendliche ge-

währt, die entweder innerhalb schulischer Verantwortung eine Mittagsmahlzeit erhal-

ten oder aber eine Kindertageseinrichtung bzw. -pflege besuchen. Nicht aufgeführt

sind Hortkinder.116 Diese Regelung ist auf den Wandel der Schullandschaft zur Ganz-

tagsschule zurückzuführen,117 der sich jedoch noch im Aufbau befindet und sich bun-

desweit verschieden darstellt.

Gemäß § 77 Abs.11 Satz 4 wurden als Übergangsregelung bis zum 31.12.2013 auch die

außerschulische Mittagsverpflegung in Einrichtungen nach § 22 SGB VIII118 aus Bundes-

mitteln bewilligt. Einige Kommunen gewähren auch in 2014 eine Weiterbewilligung aus

eigene Mitteln der Kinder- und Jugendförderung.

Eine Obergrenze der zu bewilligenden Leistung wird auch hier nicht festgelegt, aber es

wird von den Leistungsberechtigten ein Eigenanteil von 1 € pro Mittagessen erhoben,

während der Restbetrag in voller Höhe durch die Grundsicherung abgedeckt werden

muss.119 Der Betrag von 1 € entspricht dem Anteil des Regelbedarfs, der auf ein Mit-

tagessen im häuslichen Rahmen entfällt.120

Die Kommunen sind nicht verpflichtet eine Mittagsverpflegung an jeder Schule einzu-

richten. Die Bundesregierung sieht die Verantwortung zum Ausbau der schulischen In-

frastruktur bei den Ländern.121

Abs.7

„Bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres wird ein Bedarf zur

Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft in Höhe von insge-

samt 10 Euro monatlich berücksichtigt für

1. Mitgliedsbeiträge in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Gesellig

keit,

2. Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht)

115 BT-Dr. 17/3404, S. 106116 vgl. Lenze in LPK-SGB II § 28, Rn. 38117 vgl. ebd., Rn. 38118 Horte, Angebote im Rahmen der Kinder- und Jugendarbeit, Eltern- oder Fördervereine 119 vgl. § 9 RBEG 120 vgl. BT-Dr. 17/5633 S.21121 vgl. ebd., S. 20f

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und vergleichbare angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung und

3. die Teilnahme an Freizeiten.

Neben der Berücksichtigung von Bedarfen nach Satz 1 können auch weitere tatsächli-

che Aufwendungen berücksichtigt werden, wenn sie im Zusammenhang mit der Teil-

nahme an Aktivitäten nach Satz 1 Nummer 1 bis 3 entstehen und es den Leistungsbe-

rechtigten im begründeten Ausnahmefall nicht zugemutet werden kann, diese aus

dem Regelbedarf zu bestreiten.“

Die Höhe des gewährten Betrages von 10 € monatlich wurde ohne empirische Grund-

lage festgelegt und ist entgegen dem Vorgehen bei Mittagsverpflegung und Klassen-

fahrten mit einer Obergrenze versehen.

Die Gruppe der Leistungsberechtigten wird auf die Personengruppe bis zur Vollendung

des 18. Lebensjahres eingeschränkt. Allerdings stehen diese Leistungen auch Jugendli-

chen zu, die nicht mehr zur Schule gehen.122

Fraglich blieb zunächst, wie durch diesen Betrag beispielsweise Sportschuhe oder

Musikinstrumente finanziert werden sollten, oder andere Ausrüstungsgegenstände,

die für eine Freizeitveranstaltung erforderlich sind.123 Diese sind im Regelbedarf in die-

ser Form nicht vorgesehen, bzw. sind nur in dem aus Ansparungen zu finanzierenden

Teil des Bedarfes zu vermuten. Dieses sollte durch die später erfolgte Ergänzungen zu

Satz 1 behoben werden, führt aber durch unbestimmte Rechtsbegriffe zu einem Er-

messensspielraum der Sachbearbeiter_innen. Zudem sind die Angebote auf spezifische

Bildungsbereiche eingegrenzt und schließen Unternehmungen auf privater und famili-

ärer Ebene aus.

Derzeit nutzen 15% der Berechtigten unter 18 Jahre diese Leistung. Von diesen war vor

der Installierung des BUTs bereits der Großteil in Vereinen oder der Musikschule aktiv,

weshalb „nur für rd. drei Prozent dieser Zielgruppe von einer initiativen Wirkung des

Bildungspakets gesprochen werden“ kann.124

122 vgl. Lenze in LPK-SGB II § 28, Rn. 41123 vgl. Butterwegge 2011, S. 2124 Apel/Engels 2012, S. 10

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4.4. Zwischenfazit

Die Leistungen der Bildung und Teilhabe werden den Berechtigten neben den Regelsät-

zen bewilligt. Entsprechend handelt es sich beim BUT um ausgelagerte Teile des Regel-

bedarfes125, der für ein menschenwürdiges Existenzminimum nach Ansicht des BVerfG

notwendig ist. Werden die Leistungen der Bildung und Teilhabe nicht durch die Erzie-

hungsberechtigten gesondert beantragt, leben diese Kinder und Jugendlichen unter

dem Existenzminimum, welches durch das Grundgesetz garantiert wird.126

Das größte Hindernis für die Inanspruchnahme von Leistungen aus dem BUT sei die

Unkenntnis,127 schlussfolgern Apel/Engels 2012. Außerdem seien ein Migrationshinter-

grund und eine geringe (berufliche) Qualifikation der Eltern ein „weiterer hemmender

Faktor der Inanspruchnahme von Leistungen aus dem Bildungspaket.“128 Im Jahr 2012

wurde das BUT von 71% aller Leistungsberechtigten im SGB II- Bezug genutzt.129 Folg-

lich erhielten die übrigen 29% der leistungsberechtigten Kinder und Jugendlichen nicht

das sozialstaatlich garantierte menschenwürdige Existenzminimum. Letztlich stünde es

„in der Verantwortung jedes und jeder Einzelnen, eröffnete Chancen auch zu

nutzen.“130 Es findet eine Verlagerung der Staatlichen Verantwortung, die sich bereits

im Art. 1 GG manifestiert, auf die Antragsteller_innen statt. Dies widerspricht zwar

nicht dem verfassungsmäßigen Elternrecht und der damit verbundenen Pflicht zur Sor-

ge und Pflege, jedoch kann in Frage gestellt werden, ob der Staat seinem verfassungs-

mäßigem Wächteramt131 durch diese Verantwortungsverlagerung nachkommt. Stellen

die Eltern leistungsberechtigter Kinder oder Jugendlicher keinen Antrag, was neben

Migrationshintergrund und niedrigem Bildungsniveau der Eltern auch auf andere Grün-

de zurückzuführen sein kann, wie ich im Folgenden noch darstellen werde, erfüllen

diese den impliziten Vorwurf des § 28 SGB II: Sie handeln offensichtlich desinteressiert

und unengagiert, was die Bedürfnisse ihrer Kinder angeht.132 Apel/Engels 2012 stellen

125 vgl. Lenze in LPK SGB II, § 28, Rn. 1126 ebd.127 Apel/Engels 2012, S. 7128 vgl. ebd., S. 7129 vgl. ebd., S. 6130 BMAS 2013; 4. Armuts- und Reichtumsbericht, S. 11131 vgl. Art. 6 Abs. 2 GG132 vgl. Apel/Engels 2012, S.6f

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fest, dass Eltern, denen das Wohl ihrer Kinder am Herzen läge, sich auch stärker um

Unterstützungs- und Förderangebote bemühten um Benachteiligungen aufgrund ihrer

„Einkommensschwäche“ auszugleichen.133 Dies machen sie am „Indikator der Fürsorg-

lichkeit“ in ihrer Studie fest.

„Elterliche Fürsorglichkeit wurde in der Befragung mit der Ablehnung der Aussage 'El-

tern sollten sich bei ihren Kindern nicht einmischen, was sie in ihrer Freizeit tun' ver-

sucht zu approximieren. Als 'fürsorglich' wurden diejenigen Eltern eingestuft, die auf

einer vierstufigen Skala die Antwortvorgaben 'trifft eher nicht zu' und 'trifft überhaupt

nicht zu' wählten“.134

Fraglich bleibt, ob sich elterliche Fürsorglichkeit lediglich an der Übereinstimmung mit

einer Aussage festmachen lässt und ob somit die Schlussfolgerung über die Fürsorg-

lichkeit von Eltern sich als valide Erkenntnis erweist.

Eltern werden durch die Hilfegewährung in Form von Sachleistungen unter den Gene-

ralverdacht gestellt, Geldleistungen, die sie für ihre Kinder erhalten, zweckentfremdet

zu nutzen, folglich keine fürsorglichen Eltern zu sein. Nun kommt ihnen die Aufgabe zu

einerseits das Existenzminimum ihrer Kinder über gesonderte Anträge zu gewährleis-

ten und für die tatsächliche Einlösung gegenüber Trägern und Schulen andererseits ih-

ren sozialen Status offenzulegen. Nach Butterwegge (2011) lässt sich dieses „Outing“

nicht mit der in Art. 1 GG garantierten Menschenwürde vereinbaren, und widersprä-

che an sich schon durch die Art der Hilfegewährung dem Urteil vom 9. Februar.135 Aller-

dings nannten nur 2 % der Befragten in der Studie von Apel/Engels (2012) Stigmatisie-

rungsbefürchtungen als Grund für eine Nicht-Inanspruchnahme von Leistungen nach

dem BUT.136 Auch Kinder und Jugendliche, die in Institutionen Bescheinigungen zur Be-

antragung der Leistungen bei Trägern einholen mussten, gaben nur zu einem geringen

Prozentsatz an, dies als „unangenehm“ empfunden zu haben.137

133 vgl. Apel/Engels 2012, S. 24134 ebd., S. 19135 vgl. DPG 2013, S. 3, vgl. auch Butterwegge 2011, S. 3136 Apel/Engels 2012, S. 7137 vgl. ebd., S. 9

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Das beschriebene Chipkartensystem, welches die Administration erleichtert, löst die

„Outing“-Problematik nicht. Die Leistungsberechtigten müssen ihren sozialen Status

durch das Vorzeigen derselben weiterhin vor den Anbietern offenlegen. Hinzu kommt,

dass dieses von Wirtschaftsunternehmen138 entwickelte Verfahren den Blickwinkel auf

die sozial-administrative Effizienz richtet, der nicht in erster Linie den Leistungsberech-

tigten entgegenkommt, sondern eher den Sachbearbeiter_innen, die mit der Bewilli-

gung der Leistungen beauftragt sind. Festzuhalten ist jedoch, dass Chipkarten den Ver-

waltungsaufwand schmälern und somit Gelder für andere mit dem BUT in Verbindung

stehende Posten frei werden.

Bis Ende des Jahres 2013 wurden vom Bund ergänzende Mittel bewilligt, die den Aus-

bau der Schulsozialarbeit und auch die Mittagsverpflegung im Hort finanzieren sollten.

Diese auslaufende 'Anschubfinanzierung' sollte auf Wunsch des Bundesrates als fester

Bestandteil in die Gesetzgebung aufgenommen werden. Dem stimmte die Bundesregie-

rung bislang nicht zu, da weder die Schulsozialarbeit, noch das Mittagessen im Hort

Bestandteil der in § 28 SGB II festgelegten Bedarfe sind.139 Es gäbe „also weder einen

rechtlichen noch einen politischen Zusammenhang zwischen Schulsozialarbeit und

dem Bildungspaket.“140 Mit der Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft und

Heizung in der Grundsicherung für Arbeitsuchende sei „keine Finanzierungszusage für

Schulsozialarbeit oder das außerschulische Hortmittagessen (…) verbunden

gewesen.“141 Dass somit eine ergänzende Unterstützung der Kommunen aus Bundes-

mitteln ersatzlos ausläuft, wird von Regierungsseite nicht anerkannt. Diese stellt fest,

dass dem auch keine anfallenden Kosten der Kommunen gegenüberstünden,142 was

von den Kommunen so nicht geteilt wird.

Fraglich bleibt, wie bei der angespannten Finanzlage vieler Kommunen diese Kosten,

die in Verbindung mit dem BUT entstehen, aber nicht wörtlich im § 28 SGB II aufge-

führt sind, weiterhin gedeckt werden sollen. Diese entstehen nicht nur durch die tat-

sächlichen Ausgaben an die Leistungsberechtigten, sondern eben auch über einen Aus-

138 Sodexo Pass GmbH: „Das Online-Bildungskarten-System von Sodexo vereinfacht die Abrechnungs-prozesse und entlastet dadurch effizient die Verwaltung(...). Verwaltungsexperten rechnen daher mitbis zu 50 % geringeren Administrationskosten gegenüber herkömmlichen Verfahren.“ (vgl. sodexo2012); Sodexo entwickelte u.a. die Teilhabe-Card für den Kreis Offenbach

139 vgl. BT-Dr. 17/13663, S 9f 140 vgl. ebd., S. 10141 ebd.142 BT-Dr. 432/13 S. 3f

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bau der Infrastruktur, um die Administration niederschwelliger zu gestalten, Angebote

auszuweiten, damit mehr Kinder und Jugendliche wirksam erreicht werden können.

In Folge der auslaufenden Finanzierung wird befürchtet, dass Schulsozialarbeiter_in-

nen ihre Anstellung verlieren, deren Tätigkeit als ein „ganz wesentlicher Garant für die

erfolgreiche, breit angelegte soziale Teilhabe der jungen Menschen sowie der Realisie-

rung von Förderangeboten unterschiedlichster Art und damit der Sicherstellung des so-

ziokulturellen Existenzminimums der Kinder und Jugendlichen“ gesehen wird.143

Des Weiteren stellen die „Ist-Gesamtausgaben“, anhand deren sich die Bundesbeteili-

gung an der Finanzierung der Grundsicherung bemisst, keine verlässliche Größe dar,

weil immer noch nicht alle Leistungen von den grundsätzlich Berechtigten abgerufen

werden. Hier kann es in Zukunft in doppelter Hinsicht zu finanziellen Mehrbelastungen

der Kommunen kommen. Einerseits in Folge der aufwendigen Administration, um die

Leistungsberechtigten besser zu erreichen, andererseits aber wird durch den steigen-

den Bekanntheitsgrad des BUTs die Zahl der abgerufenen Leistungen noch ansteigen.

Der Zweitwichtigste Grund einer Nichtinanspruchnahme des BUTs sei nach Apel/Engels

(2012) der „fehlende Bedarf“.

„Häufig werden Leistungen aus dem Bildungspaket nicht genutzt, weil kein aktueller

Bedarf besteht oder kein entsprechendes Angebot vor Ort vorhanden ist. Dies ist etwa

der Fall, wenn in Kita oder Schule bisher keine Ausflüge oder Klassenfahrten unter-

nommen wurden, wenn kein Mittagessen angeboten wird, wenn die Jugendlichen kein

Interesse am Schulessen oder an einer Vereinsmitgliedschaft haben, wenn kein Verein

in erreichbarer Nähe ist, die Schule nicht weit genug entfernt für eine Fahrkostener-

stattung liegt oder das Klassenziel nicht gefährdet ist. “144

Deshalb werde ich im Folgenden die Leistungen des BUT nacheinander prüfen und

kritisch hinterfragen, ob diese Bedarfe tatsächlich bei den Leistungsberechtigten nicht

bestehen, oder ob der „fehlende Bedarf“ auch anders zu begründen ist, beispielsweise

über die fehlende Sicherstellung von Angeboten oder aber die Hürden der Beantra-

gung.

143 BT-Dr. 17/13663, S. 2144 Apel/Engels, S. 7; Hervorhebung im Original

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Der Gesetzgeber erachtet Ausflüge und Fahrten mit KiTa und Schule als in vollem Um-

fange förderungswürdig. Es findet keine „Deckelung“ nach oben statt. Positiv zu wer-

ten ist, dass die Bedeutung der non-formalen Bildung durch Lernen außerhalb der Räu-

me der Institution Schule/KiTa anerkannt wird. Es ist jedoch davon auszugehen, dass

Themenschwerpunkte der Fahrten und Ausflüge einem normativen, auf den Lehrplan

aufbauenden Leitfaden folgen. Inwiefern die Schüler_innen an der Planung dieser Akti-

vitäten teilhaben können, das heißt tatsächliche Partizipationsmöglichkeiten erleben,

bleibt fraglich. Teilhabe, verstanden als Partizipation des Subjektes, beinhaltet mehr als

das reine 'Mitmachen'.145 Ist ein 'Mitmachen' gegeben, jedoch eine 'Mitsprache' ausge-

schlossen bzw. eingeschränkt, ist zu befürchten, dass nicht alle Schüler_innen ihre Be-

dürfnisse gleichberechtigt vertreten können und auch hier sich gesellschaftliche Un-

gleichheit widergespiegelt und sozialer Ausschluss reproduziert wird.

Grundsätzlich wird die Schulbeförderung nur bis zur nächstgelegenen Schule und bis

zum Ende der Sekundarstufe I durch das Bildungs- und Teilhabepaket abgedeckt.146

Dies bedeutet eine Einschränkung gleicher Bildungschancen für sozial benachteiligte

Kinder und Jugendliche. Wenn diese ihre Schulwahl nicht nach Neigung und Angebot

wählen können, sondern die Entfernung zur Schule zum Wahlkriterium wird, kann sich

dies negativ auf die Schuleinstellung und die Lernmotivation auswirken.

Zur Lernförderung ist anzumerken, dass den Lehrkräften ein hohes Mitspracherecht

bei der Bewilligung der Grundsicherungsleistung eingeräumt wurde. Für Eltern bedeu-

tet dies, dass sie sich vor den Lehrkräften sich als 'einkommensschwach' outen müs-

sen, was auch zu einer Stigmatisierung des Kindes führen kann. In der öffentlichen

Meinung wird 'sozial benachteiligt' häufig mit 'Bildungsferne' oder 'Bildungsarmut'

gleichgesetzt. Eventuell kann durch das Offenlegen des sozialen Status eines Kindes

oder Jugendlichen eine Lernförderung nicht in Betracht kommen, weil von fehlenden

finanziellen Ressourcen durch die Lehrkraft auf das mögliche Bildungspotential ge-

schlossen werden kann.147 Hier ist nicht die Auffassung der Eltern als Fachleute für ihre

Kinder ausschlaggebend, sondern die der Lehrkraft als verlängerter Arm der formalen

145 Mangelnde Partizipationsmöglichkeiten erleben selbstverständlich nicht nur Kinder und Jugendlicheaus benachteiligten Familien, diese dennoch in besonderem Maße durch die Folgen ihres gesell -schaftlichen Status.

146 vgl. Lenze in LPK-SGB II, § 28, Rn. 18f147 Solga/ Dombrowski 2009, S. 24f

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Bildungsanstalt Schule.

Die Mittagsverpflegung in Schule und KiTa ist mit einer Kostenbeteiligung von einem

Euro zu bewilligen, welcher dem geldwerten Anteil eines Mittagessens zu Hause ent-

sprechen solle. Wenn keine schulischen Angebote zur gemeinsamen Mittagsverpfle-

gung bestehen und eine Mahlzeit zu Hause durch Berufstätigkeit der Eltern oder länge-

ren Schulweg nicht in Betracht kommt, bleibt fraglich, wie eine Mittagsverpflegung

durch die Summe von einem Euro ohne Zuschuss durch die Grundsicherung ermöglicht

werden kann.148 Innerhalb der Kommunen, aber auch aus Landesfördermitteln gab es

bereits Programme, die die Kostenübernahme der schulischen Mittagsverpflegung

komplett abdeckten. So war es bisher unbürokratisch möglich, dass Kinder aus einkom-

mensschwachen Familien kostenfrei an der Mittagsverpflegung teilnahmen,149 darüber

lagen der Bundesregierung „keine Erkenntnisse“ vor.150 Die teilweise Abdeckung durch

das BUT bedeutet zu der bisherigen Praxis eine Verschlechterung, einerseits durch den

geforderten Eingenanteil, andererseits durch die gesonderte Beantragung – vor allem,

wenn angesichts der angespannten Finanzsituation der Kommunen, in Berufung auf

das BUT, von den kommunalen Fördermaßnahmen Abstand genommen wird.151 Kinder,

die Horteinrichtungen besuchen, sind in den Leistungen des BUT 'vergessen' worden,

zumindest ließe sich nur so erklären, warum sie nicht aufgeführt werden. Die Argu-

mentation, Ganztagsschule werden eingerichtet, ist stark in die Zukunft geplant und

stellt noch lange keine Alltagsrealität für Schüler_innen und deren Eltern dar.

Eine Verpflichtung durch den Gesetzgeber, dass eine gemeinschaftliche Mittagsverpfle-

gung durch Schulen oder KiTas gewährleistet sein muss, besteht nicht,152 also gewährt

die Gesetzgebung zwar eine Finanzierung, jedoch keine Garantie, dass dieser Bedarf

auch durch die Leistungsberechtigten abgerufen werden kann. Auch an dieser Stelle

kann es aufgrund der fehlenden Infrastruktur zu einer Unterschreitung des sozialstaat-

lich garantierten Existenzminimus für Kinder und Jugendliche kommen.

Die „Teilhabe“-Bedarfe sind auf bestimmte Bereiche festgelegt, weshalb Apel/Engels

(2012) möglicherweise auch das mangelnde Interesse von Jugendlichen an einer even-

148 vgl. Lenze in LPK-SGB II, § 28, Rn. 36f149 vgl. DPG 2013, S. 2150 BT-Dr. 17/5633, S. 22151 vgl. Lenze in LPK-SGB II, § 28, Rn. 30152 vgl. ebd., Rn. 36

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tuellen Vereinsmitgliedschaft betonen.153 Will ein Kind oder ein_e Jugendliche_r ande-

re Tätigkeiten in der Freizeit realisieren, beispielsweise in Eigenregie Bastelarbeiten,

einen Kinobesuch mit Freunden oder mit Eltern in den Zoo, wird dieser Bedarf nicht

durch das BUT gedeckt. Dieses widerspricht den Vorgaben des BVerfGs an sich, da die-

se im Sinne eines erweiterten Bildungsverständnisses als Bildungsbedarfe gesehen

werden sollten. Hier wird normativ eine „Lebensführungsweise“ von Kindern und Ju-

gendlichen angenommen, die nicht den tatsächlichen Bedürfnissen entsprechen

muss.154

Der Ausschluss familiärer Aktivitäten wird dem informellen Bildungsort Familie nicht

gerecht und würdigt diesen in seiner Bedeutung für gelingende Bildungsprozesse her-

ab. Dieses ist vermutlich auch auf das stigmatisierende Bild, welches über sozial be-

nachteiligte Familien in Teilen unserer Gesellschaft vorherrscht, zurückzuführen. Wenn

Familien im Grundsicherungsbezug durchweg als 'bildungsfern' gesehen werden, gerät

die Bedeutung von Familie als Bildungsort aus dem öffentlichen Blickfeld. Bisherige

kommunale Lösungen in Form von Familienpässen, die eine niederschwellige Unter-

stützung finanzschwacher Familien darstellten und eben auch Vergünstigungen für

Schwimmbad- und Kinobesuche einschlossen, werden, wie andere schon erwähnte

Leistungen, von Kommunen als freiwillige Leistungen in Berufung auf das BUT als Mög-

lichkeit der Kosteneinsparung abgeschafft.155

Die Bedeutung der Peer-Group, gerade in Bezug auf Bildungsprozesse von Jugendli-

chen, wird in den „Teilhabe“-Absätzen im § 28 SGB II auch nicht berücksichtigt. Dies

lässt den Gedanken zu, dass „diese Förderung an den Bedürfnissen von Jugendlichen

vorbei, (geht), weil selbstbestimmte Peer-Group-Aktivitäten eine wichtige Bedeutung

für ihre Sozialisation haben, die über institutionalisierte Freizeitangebote vielfach eben-

falls nicht adäquat erfasst werden können.“156

Die Ausstattung für Teilhabeangebote stellt Familien ebenfalls vor finanzielle Heraus-

forderungen, falls diese nicht als gesonderter Bedarf anerkannt werden. Eine Teilnah-

me an Angeboten ohne geeignete Ausrüstung bedeutet keine gelungene Integration in

Vereins- und Gemeinschaftsstrukturen, wie durch diesen Absatz ursprünglich inten-

153 vgl. Apel/Engels 2012, S. 7154 Münder 2012, S. 88155 vgl. DPG 2013, S.11156 DIJUF 2013, S. 10

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diert.157 Nicht berücksichtigt wird ebenfalls, dass bei fehlender Angebots-Infrastruktur

die Möglichkeit der Inanspruchnahme nicht besteht.

Ein flächendeckender Ausbau von kostenfreien Angeboten für Kinder und Jugendliche,

angesiedelt beispielsweise in der Nachmittagsbetreuung von Schulen, wäre sinnführen-

der gewesen als die Bewilligung von einzelnen Angeboten in einer willkürlich festge-

setzten Höhe von 10 €.158

Den Sachbearbeiter_innen wird bei einer Vielzahl der Leistungen des BUTs ein Ermes-

sen eingeräumt. Es liegt somit in deren Verantwortung, den ihnen übertragenen Hand-

lungsspielraum auch im Sinne der Leistungsberechtigten zu nutzen. Dies setzt voraus,

dass Sachbearbeiter_innen sich ihrer Möglichkeiten bewusst sind und sich sowohl im

Gesetz als auch in der Lebenswirklichkeit ihrer Klient_innen auskennen. Ein Ermessens-

spielraum ermöglicht einerseits auf individuelle Bedarfe besser einzugehen, stellt aber

andererseits auch durch die Auslegungspraxis eine Möglichkeit der Ungleichbehand-

lung von Leistungsberechtigten dar.

Ich komme zu dem Schluss, dass, wenn Leistungen des BUTs durch die Leistungsbe-

rechtigten nicht abgerufen werden, dieses weder zwangsläufig mit Unkenntnis, noch

mit einem mangelnden Bedarf zusammen hängen muss. Vielleicht liegt schlicht ein an-

derer Bedarf vor, der im BUT nicht vorgesehen ist. Deshalb werde ich im folgenden Ka-

pitel aus der Perspektive der Sozialen Arbeit weitere Kritikpunkte am BUT aufzeigen,

aber auch dem politischen Mandat der Sozialen Arbeit nachkommen zur (Sozial-)Ge-

setzgebung und deren Folgen Stellung zu beziehen.

157 vgl. BT-Dr.17/3404, S. 106158 vgl. DIJUF 2013, S.18

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5. Und was bedeutet das für die Soziale Arbeit?

Die Notwendigkeit einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Bil-

dungs- und Teilhabepaket

„Seit Ende der 1990er Jahre ist der Sozialstaat in einen aktivierenden Sozialinvestiti-

onsstaat umgebaut worden. Menschen sollen in die Lage versetzt werden, Risikolagen

aktiv zu überwinden, Ausgrenzungsprozesse eigenverantwortlich zu vermeiden und

Beschäftigungsfähigkeit zu erlangen. Dieser Umbau des Sozialstaates hat weitreichen-

de Konsequenzen.“159

Soziale Arbeit wird unter ökonomischen Druck zunehmend als Dienstleistung begriffen,

die von Leistungsberechtigten abgerufen werden kann - oder auch nicht. Die sozial Be-

dürftigen tragen demzufolge selbst die Verantwortung für ein menschenwürdiges Aus-

kommen. „So besteht (…) die manifeste Gefahr, dass strukturelle Faktoren in individu-

elle Defizite und Schwächen übersetzt werden.“160 Leistungsberechtigte müssten ledig-

lich staatlich „aktiviert“ werden,161 wird angenommen. Der Förderung geht ein staatli-

ches Fordern voraus.162

Der Arbeitsauftrag der Sozial Arbeitenden wird darauf reduziert auf beantragte Bedar-

fe einzugehen, nicht aber auf offenkundige Bedarfe, die nicht formuliert beziehungs-

weise beantragt werden. Der Umbau auf gesetzlicher Grundlage hat Folgen für die Pra-

xis, weshalb es unbedingt notwendig ist, aus der Praxis auch Impulse zurück in die

Politik zu geben und auf Missstände aufmerksam zu machen. Es „ist die besondere

Aufgabe derer, die für ein besonderes Problemfeld über besondere professionelle

und/oder disziplinäre Kompetenzen verfügen“, in die „Prozesse der öffentlichen, also

politischen Meinungs- und Willensbildung mit ihrem Fachwissen und Fachkompeten-

zen aufklärend einzugreifen.“163

Durch neo-liberale Ausrichtungen in der Sozialen Arbeit läuft diese Gefahr, selbst Aus-

159 AGJ 2011, S 9160 Bettinger in Anhorn/Bettinger 2005, S. 370161 vgl. Staub-Bernasconi 2003, S. 18162 „Fördern und Fordern“ ist die Überschrift von Kapitel 1 (§§ 1-6d) SGB II163 Sorg 2003, S. 84

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grenzungen vorzunehmen, und durch ihre Tätigkeit zu reproduzieren.164 Die Konse-

quenzen aus der neueren Sozialgesetzgebung für die Aufgaben der Sozialen Arbeit be-

kommen die Arbeitenden selbst, aber vorwiegend die Leistungsberechtigten und deren

Kinder in besonderem Maße zu spüren. Die Soziale Arbeit, begriffen als Menschen-

rechtsprofession, hat die Aufgabe, sich für diejenigen einzusetzen, die in unserer Ge-

sellschaft randständig und vom gesellschaftlichen Leben ausgegrenzt sind, somit über

mangelnde Teilhabe- oder besser Partizipationschancen verfügen.

Auch in unserer sozialstaatlichen Wissensgesellschaft gibt es sozialen Ausschluss, der

den erwartbaren „allgemeinen Menschen- und Bürgerrechten (Gleichheit, Freiheit,

Partizipation)“165 widerspricht. Als neue Soziale Frage benannt, stehen wir einem wie-

derkehrenden Phänomen gegenüber: Der Rückkehr von Armut, der Chancenlosigkeit

vieler Menschen und der Diskussion um deren gesellschaftlichen Nutzen.166 Die damit

verbundene gesellschaftliche Ausgrenzung vollzieht sich auf verschiedenen Ebenen,

wird von außen an die Einzelnen herangetragen, aber auch von innen reproduziert.

Diese Mechanismen gilt es zu beleuchten, um nicht die Verantwortlichkeit für sozialen

Ausschluss allein auf die Betroffenen selbst abzuwälzen.

„Bildungs-, besonders Schulpolitik, und (Sozial-)Pädagogik sind gleichermaßen gefor-

dert, für alle Menschen befriedigende Lebensverhältnisse und ein Höchstmaß an

Chancengleichheit zwischen Kindern unterschiedlicher soziale wie ethnischer Herkunft

zu schaffen.“167

Die Sozial Arbeitenden sind interdisziplinär ausgebildet, in den verschiedensten Ar-

beitsfeldern tätig und somit fachlich in der Lage, aus einem multiperspektivischen

Blickwinkel gesellschaftliche Problemlagen zu betrachten und zu kommentieren. Dem

sollten sie in Berufung auf ihr politisches Mandat auch nachkommen. Soziale Arbeit

findet nicht im luftleeren Raum statt, sondern immer unter den gesellschaftlichen und

somit auch politischen Bedingungen, in denen die Klient_innen leben.168 Hieraus ergibt

sich die advokatorische Pflicht der Sozialen Arbeit zu politischen Veränderungen Stel-

164 vgl. Sorg 2003, S. 84165 Herkommer in Anhorn/Bettinger 2005, S. 58166 vgl. ebd., S. 58167 ebd.2005, S. 58168 Sorg 2003, S. 85

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lung zu beziehen und die Folgen aus der Gesetzgebung für die Praxis und die Lebens-

wirklichkeit ihrer Klient_innen zurück in die Politik zu geben.

Im § 28 SGB II liegt ein deutlicher Schwerpunkt der zu bewilligenden Leistungen auf

dem Bildungsort Schule. Hierfür werden auch die höchsten monetären Leistungen er-

bracht, beispielsweise für Klassenfahrten durchschnittlich 150 €. „Der geldwerte Nut-

zen der Lernförderung dürfte in der Regel in etwa doppelt so hoch liegen (…).“169

Nach Bauer (2011) kommt unserem Bildungssystem und vor allem der Schule die Be-

deutung zu, Kindern und Jugendlichen „ungleiche Statuspositionen im Erwachsenenal-

ter zuzuweisen.“170 Hierbei beruft er sich insbesondere auf eine „weitsichtige Analyse“

von Hurrelmann und Wolf (1986), die Schulerfolg und Schulversagen zum Forschungs-

gegenstand hatte. Diese stellten fest, dass „Schulerfolg und Schulversagen (...) in ho-

hem Maße über die persönlichen Entfaltungschancen und über die Karriereschritte,

die Jugendlichen offenstehen,“ entschieden.171 Der schulischen Bildung hat heute die

Aufgabe die ökonomische Verwertbarkeit des Einzelnen für die Gesellschaft zu sichern,

nicht jedoch, im Sinne eines erweiterten Bildungsverständnisses, um den einzelnen

Subjekten Kompetenzen zu einer sinnvollen Bewältigung von persönlichen Entwick-

lungsaufgaben an die Hand zu geben. Diese Ökonomisierungstendenzen in unserer Ge-

sellschaft zeigen sich besonders im formalen Bildungsverständnis, welches auch dem

BUT zugrunde liegt. Der Schulbildung wird eine besondere Bedeutungsschwere zuge-

messen. Trotz Schulpflicht und der damit verbundenen (scheinbar) gleichen Zugangs-

möglichkeit zum Bildungssystem sehen wir uns immer noch mit tatsächlichen Bil-

dungsungleichheiten in unserer Gesellschaft konfrontiert. Adorno (1972) stellte fest,

dass die Besitzenden auch „in einer Gesellschaft formal Gleicher“ über das „Bildungs-

monopol“ verfügen172, welches auch in unserer heutigen Zeit noch zuzutreffen scheint.

Eine sozialstaatliche Aufgabe besteht nach Ansicht der Sozialen Arbeit darin „das indi-

viduelle Recht auf Kindheit und Jugend zu sichern, und nicht darin, Kinder und Jugend-

liche in ihrer gesellschaftlichen Verwertbarkeit als zukünftige Erwachsene zu

169 Apel/Engels 2012, S. 9f170 Bauer 2012, S. 70171 Hurrelmann/Wolf 1986, in Bauer 2012, S. 70172 Adorno 1972 in Dörpinghaus et al, S. 107

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formen.“173 Die funktionale Vermittlung von Bildung unter dem normativen Gesichts-

punkt der Kompetenzentwicklung für eine hinreichende Ökonomisierung des Einzel-

nen, also dem „gesellschaftlichen Verwertungsinteresse“, greift nach diesem Verständ-

nis zu kurz.174 „Der Mensch wird unter dieser Perspektive zum Humankapital: Sein Wert

misst sich daran, wie viel er aufgrund seiner Bildung erwirtschaftet. (…)“175 Demnach

benötigt jede_r Einzelne nur die Bildungsinhalte, die von gesellschaftlichem Interesse

sind.

Die Überbetonung des Bildungsortes Schule führt zu einer Untermauerung der Selekti -

onsfunktion, die unserem Schulsystem innewohnt einerseits und der ökonomischen

Verwertbarkeit als gesellschaftliches Ziel andererseits, nicht aber zu einer Angleichung

der Teilhabechancen der Einzelnen. Ein Sozialstaat sollte vor allem Kinder und Jugendli-

che so unterstützen, dass diese „(…) mit Selbstwertgefühl und den entsprechenden Er-

fahrungen sich und ihren Platz in der Welt suchen und zur Entwicklung einer solidari-

schen und demokratischen Gesellschaft beitragen“ wollen.176 Erst mit dem Verständnis

von gesellschaftlicher Teilhabe als freiwillige und aktive Partizipation ist es möglich den

Teilhabebegriff als Voraussetzung zu erkennen „ein erfülltes und menschenwürdiges

Leben zu führen und seine Persönlichkeit als Individuum zu entfalten, ohne als An-

hängsel seiner Familie, als wertschöpfender Faktor in einem Produktionsprozess oder

als Zukunftsträger einer Gesellschaft gesehen zu werden.“177 Schulische Leistungen und

ein zertifizierter (formaler) Bildungsabschluss werden zur Bedingung für „wirtschaftli-

che und berufliche Positionen“, die den Einzelnen ihren Status in unserer ungleichen

Gesellschaft zuweisen.178 Der soziale Status einer Familie wiederum wirkt sich auf die

Teilhabechancen der Familienmitglieder am Bildungssystem aus.

„Während Kinder aus Familien der Mittelschicht, gerade in Bezug auf die Institution

Schule, einem 'sense of entitlement' folgen und offen Ansprüche an die Lehrerschaft

und die Institution Schule anmelden, beschränken sich Kinder aus Familien der Arbei-

terklasse und aus Familien, die unter Armutsbedingungen leben, auf eine passive Rolle

im Bildungssystem ('sense of constraint') und bereiten ganz im Sinne Bourdieus ihre ei -

173 AGJ 2009, S. 1174 vgl. ebd., S. 2175 Dörpinghaus et al 2012, S. 96176 AGJ 2009, S. 2177 ebd., S. 2178 vgl. Hurrelmann 1985 in Bauer 2012, S. 71

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gene 'Selbst-Eliminierung' im Kleinen vor.“179

Formal gleiche Bildungschancen berücksichtigen nicht die sozialen Mechanismen zwi-

schen den verschiedenen Gesellschaftsgruppierungen.

Kinder und Jugendliche sehen sich zwar einer propagierten Pluralität an möglichen Le-

bensentwürfen gegenüber, zu denen sie (scheinbar) gleichermaßen und aus eigener

Kraft Zugang haben sollten, aber dies bedeutet nicht, „dass Kinder und Jugendliche aus

einem Riesenangebot von Ausgestaltungsmöglichkeiten ihrer Lebensentwürfe auswäh-

len können, sondern dass die objektiven Voraussetzungen, aus einer Vielfalt wählen zu

können, sich je nach Lebenslage und -alter extrem unterscheiden.“180

Demnach ist Festzuhalten, dass Kinder und Jugendliche und deren Familien je nach ih-

rer gesellschaftlichen Position unterschiedliche Ressourcen und damit auch unter-

schiedliche Voraussetzungen, die sich auf ihre Lebensbedingungen auswirken, haben.

„(...) die einen (können) tatsächlich aus einer großen Fülle von Optionen Entscheidun-

gen über ihren Lebensstil, über die Gestaltung ihres Privatlebens, über ihren Bezug zu

Gesellschaft und Politik und nicht zuletzt ihre eigene berufliche Entwicklung bestim-

men (...). Andere sind dagegen in ihren Entscheidungsmöglichkeiten beschnitten und

auf Grund ihrer eingeschränkten Förderung und Kompetenzen kaum in der Lage, aus

Kreisläufen der sozialen und bildungsmäßigen Verarmung, der reduzierten Freizeit-,

Kultur- und Konsummuster auszubrechen, die sie in ihrem Umfeld vorfinden.“181

Die Wichtigkeit von Bildung und die damit verbundenen Teilhabechancen für Kinder

und Jugendliche wurden nicht erst mit dem Urteil des BVerfG und der Installierung des

§ 28 SGB II durch die Bundesregierung bekannt. In den UN-Kinderrechtskonventionen

wird jedem Menschen das Recht zugesprochen „unter kinder- und jugendgemäßen

gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen“ heranwachsen zu dürfen, dies

beinhalte ein Recht auf „Beteiligung (Partizipation), Selbstverwirklichung und

Förderung im Entwicklungsprozess.“182 Die Relevanz ist dementsprechend schon

bekannt, um jedoch gesellschaftliche Teilhabe durch Bildungsangebote sinnvoll zu

179 Betz 2011, S. 56180 vgl. Betz 2011, S. 56., vgl. auch Dörpinghaus et al 2006, S. 107 181 AGJ 2009, S. 4; Einfügung durch die Autorin182 ebd., S. 1, 3

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unterstützen, müssen diese, anders als im BUT, möglichst ohne normativ-restriktiven

Charakter gestaltet sein.

Die Arbeitsgemeinschaft Kinder und Jugendhilfe hat 2011 festgehalten, dass eine we-

sentliche Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe das wirksame Entgegentreten gegen die

„Reproduktion sozialer Ungleichheit über das Bildungs- und Ausbildungssystem“ und

die damit verbundenen ungleich verteilten Teilhabechancen, sei.183 Ungleiche Bildungs-

chancen basieren auf ungleichen Sozialisationseinflüssen und den ungleich verteilten

Ressourcen wie sozialem, ökonomischem und kulturellem Kapital, die den Einzelnen

zugänglich seien.184 Nach Betz (2011) bleibt die Frage zu beantworten, wie Bildungsun-

gleichheit über „lebensstilbedingten familien- und kinderkulturellen Praktiken und in-

trapsychische Mechanismen“ reproduziert wird. Und ob das „herkunftsspezifische Pas-

sungsverhältnis zwischen formalen und informellen Bildungsorten“ einen Teil zur „Sta-

bilisierung von Bildungsungleichheit“ beiträgt und somit auch zu einer „Konstituierung

von ungleicher Kindheit“ führe.185

Der Familie kommt als primäre Sozialisationsinstanz erhebliche Bedeutung für die Bil-

dungsvoraussetzungen des Subjektes zu. Sie ist „ein wichtiger Ort von informeller Bil-

dung“186 und sollte beim Blick auf das formale Bildungssystem nicht nur hintergründig

berücksichtigt werden. Familie ist ein wichtiger Bildungsort, den es zu unterstützen gilt,

ohne ihm alleinige Verantwortung zuzuschreiben, da diese nicht allein für „die Eröff-

nung von gleichberechtigten Teilhabe- und Zugangschancen“ verantwortlich ist.187

„Vielmehr ist es auch Aufgabe von Staat und Gesellschaft, jungen Menschen unabhän-

gig von ihrem sozialen und kulturellen Hintergrund, Geschlecht oder möglichen Behin-

derungen diese gleichen Teilhabechancen zu eröffnen.“188

Durch das Bildungs- und Teilhabepaket wird der Bildungsort Familie von der Förderung

183 AGJ 2009, S. 2184 vgl. Bauer 2012, S. 72; vgl. auch AGJ 2011 S. 2185 Betz 2011, S. 65186 BKJ 2001, S. 6187 AGJ 2011, S. 5188 ebd.

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ausgeschlossen und somit deren Bedeutung vernachlässigt. Zudem unterliegen Famili-

en im Grundsicherungsbezug dem Stigma, sich nicht hinreichend um die Zukunftschan-

cen ihrer Kinder zu kümmern, nicht 'fürsorglich' zu handeln und folglich so dem „Gene-

ralverdacht“ eventuelle finanzielle Zuwendungen zweckentfremdet zu nutzen, dem

durch die Abwendung von Geldleistungen statt gegeben wird.189 „Den Eltern wird of-

fenkundig nicht zugetraut, dass sie selbst in Bildung investieren und ihre Kinder am so-

zialen Leben teilhaben lassen.“190

Sozial benachteiligten Eltern sollten nicht als grundlegend defizitär betrachtet werden,

sondern eine Unterstützung erfahren, die ihnen den Glauben an eine wirkliche staatli-

che Hilfestellung im Sinne ihrer Kinder zurückgibt. Aus der Erfahrung der sozialen Aus-

grenzung und staatlichen Kontrolle, die der Hilfe folgt, wenn nicht sogar ihr vorausgeht,

haben diese Eltern einen ohnehin schweren Stand in der Gesellschaft und sind einem

erhöhten Druck ausgesetzt.

„Das, was Eltern über die Erziehung ihrer Kinder für die Gesellschaft leisten können,

steht in Verbindung mit dem, was ihnen die Gesellschaft an Ressourcen zur Seite stellt.

Familien wollen und sollen förderliche Entwicklungsbedingungen für ihre Kinder ge-

stalten. Dafür benötigen sie eine entsprechende materielle Ausstattung zur gesell-

schaftlichen Teilhabe, eine funktionierende Infrastruktur und Zeit.“191

Es bleibt die sozialstaatliche Aufgabe erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen und

Familien als Ganzes zu fördern und nicht Kinder ausschließlich losgelöst aus ihren

familiären Systemen zu begreifen.192 Kinder sind nicht gesondert von ihren Eltern zu

betrachten. Ohne die sinnvolle Einbeziehung der Eltern, gerade im Hinblick auf die

Bedeutung von informeller Bildung für den Lebensweg und insbesondere für die

schulisch-formale Bildung,193 wird eine wirksame Förderung von Kindern und

Jugendlichen nicht möglich sein. Denn „Familie beeinflusst (...) Bildungsprozesse von

Kindern und Jugendlichen in direkter und indirekter Weise: direkt durch die eigenen

informellen Bildungsleistungen, indirekt durch den Einfluss der Familie auf Schulwahl,

189 Butterwegge 2011, S. 2190 DIJUF 2013, S. 10191 AGJ 2011, S. 2192 vgl. ebd.193 vgl. Mack 2007, S. 13

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Schullaufbahn und Schulerfolg von Kindern und Jugendlichen.“194

Bereits vor der gesetzlichen Reaktion auf das Urteil des BVerfG über die Regelsätze gab

es auf kommunaler Ebene institutionalisierte Angebote um sozial benachteiligten Fa-

milien und deren Kinder zu unterstützen.

Einen Überblick über die bestehenden Hilfesysteme durch Landesfördermittel und die

soziale Infrastruktur in den Kommunen hat sich die Bundesregierung vor Verabschie-

dung des BUTs nicht verschafft. 2011 lagen der Bundesregierung keine Daten zu Anzahl

und Umfang von bezuschussten oder kostenfreien bildungsbezogenen 'Teilhabe'-Ange-

boten für sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche vor.195 Auch gezielte Befragun-

gen von betroffenen Kindern und Jugendlichen über deren tatsächliche Bedarfe und

Wünsche in Bezug auf Bildung und Teilhabe wurden unterlassen, was aber laut Betz

insgesamt ein Mangel in der sozialwissenschaftlichen Forschung sei,196 die „eigenstän-

dige Kinderperspektive bildet keinen festen Baustein in sozialwissenschaftlichen Erhe-

bungen.“197

In der ersten bundesweiten 'Praktiker_innen'-Befragung des Paritätischen Gesamtver-

bandes von 2013,198 in der einerseits Praktiker_innen und anderseits Leistungsberech-

tigte über das BUT befragt wurden, wird deutlich, dass das dieses nicht zu einer ver-

besserten Infrastruktur der Angebote für Kinder und Jugendliche geführt hat. Kommu-

nen, die ohnehin schon über eine Angebotsvielfalt verfügten, bauten diese noch weiter

aus, jedoch gerade in ländlicheren Gebieten scheitern 'Teilhabe'-Möglichkeiten bereits

an den Rahmenbedingungen. Die Leistungen werden als Gutscheine erbracht, die aber

nicht eingelöst werden können, mangels Angeboten.199 dadurch bleibt eine Vielzahl an

leistungsberechtigten Kindern und Jugendlichen unter dem sozialstaatlich garantierten

menschenwürdigen Existenzminimum.

„Die Lebensphase Kindheit und Jugend hat aber als Experimentierraum grundlegende

194 vgl. Mack 2007, S. 14195 vgl. BT-Dr. 17/5633 S. 4196 Betz 2011, S. 58197 ebd.198 DPG 2013199 vgl. ebd., S. 8

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Bedeutung – nicht nur für ein wandlungs- und entwicklungsfähiges Gemeinwesen,

sondern auch für die Wandlungs- und Entwicklungsfähigkeit jedes einzelnen Kindes

und Jugendlichen. Im Sinne einer tragfähigen Zukunftspolitik ist es Aufgabe von Staat

und Gesellschaft, darauf hinzuwirken, dass junge Menschen die für ihre gelingende

Entwicklung notwendigen Gestaltungsräume vorfinden und damit eine Wertschätzung

erfahren, deren Erwiderung den Fortbestand des Gemeinwesens sichert.“200

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Bildungs- und Teilhabepaket somit

„die Tradierung gesellschaftlich normierter Vorstellungen über sozial erwünschtes Ver-

halten“ implizit fördert, in dem vor allem die Bildungsbereiche gefördert werden, „die

nicht nur gesellschaftlich wertgeschätzt werden, sondern sondern auch funktional für

eine bestimmte Richtung des gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses sind“, und

nicht vorrangig für die Zukunftschancen sozial benachteiligter Kinder und Jugendli-

cher.201

Demokratien leben von der Teilhabe der Bevölkerung und sollten im besten Fall auch

die Pluralität innerhalb einer Gesellschaft widerspiegeln. Soziale Ausgrenzung einzelner

Bevölkerungsgruppen führt nicht zuletzt auch zu politischer Frustration. Desinteresse

und Resignation können die Folge sein oder auch eine Radikalisierung in den Ansich-

ten.

Es ist die advokatorische Pflicht der Sozialen Arbeit auf Missstände in der Sozialgesetz-

gebung hinzuweisen und Problemlagen, die sich aus deren Umsetzung ergeben, aufzu-

zeigen. Können benachteiligte gesellschaftliche Gruppen ihre Interessen nicht hinrei-

chend vertreten, ist es an Sozialarbeiter_innen dies stellvertretend zu übernehmen.

Wichtig ist hierbei, kein normatives Verständnis von 'guten' Lebensbedingungen und

gelingenden Biographien zu propagieren, oder (Sozial-) Gesetzgebung unreflektiert

auszuführen, sondern im Kontakt mit Betroffenen deren tatsächliche Bedürfnisse in

den Blick zu nehmen sowie Handlungs- und Ermessensspielräume zu nutzen. Insbeson-

dere Kinder haben in unserer Gesellschaft ein nur eingeschränktes Mitspracherecht. In

den empirischen Studien zu sozialer Benachteiligung und Bildungsungleichheit wird zu

wenig auf die Sichtweise der Kinder eingegangen. Es ist der Blickwinkel der (privilegier-

ten) Erwachsenen, der sich in diesen Studien niederschlägt.

200 AGJ 2009, S. 2201 Grundmann/Hoffmeister 2007, S.130

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6. Fazit und Ausblick

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil explizit hervorgehoben, dass sich

Kinder und Jugendliche grundlegend in ihren Bedarfen von denen Erwachsener unter-

scheiden und das deren verfassungsmäßiges Recht auf ein menschenwürdiges Exis-

tenzminimum auch Bildung und gesellschaftliche Teilhabe beinhaltet. Der Gesetzgeber

hat den von der Sozialen Arbeit präferierten erweiterten Bildungsbegriff und die Rele-

vanz der Partizipationsmöglichkeiten der Einzelnen nicht in den Bedarfen der Bildung

und Teilhabe etabliert. Stattdessen reduzierte dieser das Bildungsverständnis vorwie-

gend auf formale Schulbildung und die Möglichkeit der Teilhabe auf den Aspekt des

'Mitmachens'. Zudem wurde auch kein notwendigen Zusammenhang zwischen Bil-

dungs- und Teilhabechancen hergestellt.

Ein deutlicher Schwerpunkt des Bildungs- und Teilhabepaketes liegt auf dem institutio-

nellen Bildungsort Schule. Hier werden durch das BUT die meisten Förderungsmöglich-

keiten eingeräumt und auch die höchsten Geldbeträge bereitgestellt. Die Bedeutung

von stattfindenden Bildungsprozessen außerhalb der Schule, in der Familie und im

Freundeskreis fanden nur sehr untergeordnete bis gar keine Berücksichtigung.

Durch die bestehende Schulpflicht in Deutschland können bedürftige Kinder am Lern-

ort Schule sinnvoll erreicht werden. Dies kann der Gesetzgeber nutzen um Hilfeange-

bote bereitzustellen, ohne dabei scheinbare gleiche Bildungschancen, die aber ihren

selektiven Charakter nicht verlieren und letztendlich doch nur auf die Ökonomisierung

des Einzelnen abzielen, zu reproduzieren.

Dennoch sind für eine wirkliche gesellschaftlich Teilhabe andere Bildungsbereiche, die

dem non-formalen und informellen Sektor zuzuordnen sind, nicht als weniger wichtig

zu betrachten. Insbesondere die Bedeutung der Familie und der Peers und deren Ein-

fluss auf die Subjektbildungsprozesse werden nicht ausreichend gewichtet.

Die Reduktion von gesellschaftlicher Teilhabe auf den Aspekt des 'Mitmachens' ver-

sperrt den Blick auf Exklusionsprozesse, die sozial benachteiligte Kinder und Jugendli-

che erleben, sowie deren 'Selbst-Eliminierung' aus dem gesellschaftlichen Miteinander.

Es ist eben nicht nur die fehlende Möglichkeit 'mitmachen' zu können, die eine tatsäch-

liche Teilhabe im Sinne der Partizipation erschwert.

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Das BUT soll Bedarfe decken, die zu einem menschenwürdigen Existenzminimum von

Kindern und Jugendlichen gehören: Fraglich bleibt jedoch, wie Menschenwürde per

Gesetz gesichert werden kann, wenn nicht die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen

geändert werden und eine sozialräumliche Infrastruktur gesetzlich etabliert wird.

Die Förderung von Bildung lediglich über den Lernort Schule, die Reduktion der gesell-

schaftlichen Teilhabe auf ein reines 'Mitmachen' und das Ausklammern der familiären

Strukturen sowie die fehlende Sicherstellung einer sozialen Infrastruktur wirken den

Ungleichheiten fördernden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nicht entgegen.

Zudem findet eine Verschiebung der Verantwortlichkeit vom Sozialstaat auf die Leis-

tungsberechtigten statt.

Familie als primäre Sozialisationsinstanz und maßgeblicher Ort informeller Bildung darf

aus der notwendigen Förderung von Bildung und Teilhabe nicht ausgeklammert wer-

den, da dies den Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen nicht zuträglich ist. Es

ist unabdingbar, dass Eltern zu Gunsten ihrer Kinder neues Vertrauen in sozialstaatliche

Unterstützung zurückgegeben wird, um von Armut betroffene Familien aus ihrer ge-

sellschaftlichen Randständigkeit zu befreien. Hierzu zählt nicht ausschließlich die bes-

sere Versorgung mit materiellen Ressourcen, sondern vor allem die Schaffung von fa-

milienfreundliche Sozialräumen und -strukturen. Die Übertragung der Verantwortung

auf die Eltern, für das Existenzminimum ihrer Kinder per Antrag zu sorgen, ist gänzlich

kontraproduktiv, stigmatisierend und fördert das Gefühl der Randständigkeit und Man-

gelhaftigkeit. Dass sozial Benachteiligte dieses nicht als solches schildern oder wahr-

nehmen, kann auch mit Selbstzuschreibungen von Minderwertigkeit erklärt werden.

Der Gesetzgeber hätte sich ein umfassendes Bild von bestehenden kommunalen Hilfe-

systemen machen und anhand dieser bundesweite Förderungen der Infrastruktur vor-

nehmen müssen, die den jeweiligen Lebensbedingungen vor Ort gerecht werden. Hier-

für ist das BUT in seiner Formulierung zu restriktiv und zu eng ausgelegt. Dies führte

nicht zu einer verbesserten Hilfestruktur, sondern wirkte dem sogar entgegen durch

den Abbau kommunaler Hilfesysteme.

Aufgrund meiner Auseinandersetzung mit den Hintergründen, gesetzlichen Grund-

lagen und der Umsetzung des BUTs komme ich zu dem Schluss, dass Mitglieder der ge-

sellschaftlichen (Bildungs-) Elite auf Bundesebene über mögliche Bedarfe von sozial be-

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nachteiligten Kindern und Jugendlichen entschieden haben, ohne sich über deren Le-

bensbedingungen in Kenntnis zu setzen, noch sich an deren Lebenswelten zu orientie-

ren. Es handelt sich also um einen Diskurs, der scheinbar nur bedingt mit der sozialen

Wirklichkeit der Betroffenen korrespondiert und viel mehr die Sicht jener Eliten wider-

spiegelt als die wirkliche Lebenslage der Klient_innen.

Deshalb ist es notwendig, dass gesellschaftliche Rahmenbedingungen und Strukturen

ihre Berücksichtigung finden und zugeschriebene Bedarfe sich nicht stereotyp aus der

Sicht von privilegierten Schichten ergeben, sondern, dass diese auf einer empirische

Grundlage erfolgen. Stereotype Zuschreibungen werden von Betroffenen verinnerlicht

und können in Form von Selbst-Zuschreibungen zu einer Selbst-Eliminierung aus dem

gesellschaftlichen Miteinander führen. Alltagswissenschaftlich ließe sich dies als eine

selbst erfüllende Prophezeiung beschreiben. Durch die Einbindung von sozial Benach-

teiligten in den Entwicklungsprozess und somit auch schlussendlich in die Mitbestim-

mung über die Verbesserung ihrer Lebenslage werden diese Gruppen und deren ge-

sellschaftliche Position gestärkt. Zuschreibungen und Vorurteile könnten so überwun-

den und deren Reproduktion durch veränderte gesellschaftliche Rahmenbedingungen

vermindert werden.

Das Bildungs- und Teilhabepaket bedarf, wenn es als solches im Gesetz etabliert blei-

ben sollte, einer umfassenden Reformierung und Ergänzung:

An erster Stelle ist eine empirische Analyse, einerseits der kommunalen Strukturen, an-

dererseits aber auch der Bedarfe von betroffenen Kindern und Jugendlichen und deren

Familien dringend nachzuholen.

Des Weiteren darf die föderale Struktur der Bundesrepublik nicht zum legislativen Hin-

dernis für eine sinnvolle Förderung von sozial benachteiligten Kindern und Jugendli-

chen werden, in dem sich die Aufgabenteilung zu einer Verantwortungsverschiebung

entwickelt. Eine Möglichkeit wäre, eine anteilige zweckgebunden Finanzierung aus

Bundesmitteln bereit zu stellen und damit die bereits bestehenden Länderprogramme

oder kommunalen Strukturen, die die Schulsozialarbeit sicherstellen, Mittagsverpfle-

gung finanzieren und ein breites Nachmittagsangebot im Rahmen der familienfreundli-

chen Schule fördern, zu sichern.

Ein weiterer Aspekt wäre die Bezuschussung einer tatsächlichen Lehrmittelfreiheit, die

den Schulen fiskalische Ressourcen zur Verfügung stellt, um gleiche Unterrichtsmate-

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rialien für alle Schüler_innen auszuteilen.

Auf kommunaler Ebene ließe sich die Administration deutlich vereinfachen, wenn ge-

nerell den Kindern und Jugendlichen, deren Hilfebedürftigkeit nachgewiesen ist, Leis-

tungen über ein Budget zur Verfügung gestellt würden, das über eine Chipkarte abge-

rufen werden kann, ohne dass es zuvor einer gesonderten Beantragung bedarf. Die

Leistungen des BUTs könnten zudem sinnvoll mit den bereits bestehenden Vergünsti-

gungen der Familienkarten gekoppelt werden, wodurch auch Unternehmungen mit Fa-

milie und Freundeskreis als Bildungsorte eine Bezuschussung erfahren könnten.

Um eine soziale Infrastruktur zu gewährleisten ist es zudem erforderlich, dass inner-

halb der Bedarfe der Bildung und Teilhabe auch eine Verpflichtung der Kommunen auf-

genommen wird, Angebote auszugestalten, damit durch die Leistungsberechtigten die

Leistungen auch abgerufen werden können.

Grundsätzlich verfolgte die damalige Bundesregierung mit der Etablierung der Bedarfe

der Bildung und Teilhabe die richtige Intention. Sie wollten benachteiligten Kinder und

Jugendlichen bessere Lebens- und Zukunftschancen sichern, unabhängig von dem, was

ihnen ihr Elternhaus an Ressourcen mit auf den Weg gibt.

Das Mittel der Wahl wurde die mitunter kaum differenziert betrachtete, als 'Allheilmit-

tel' propagierte Bildung.

Bildung ist einer der Termini, die sich in weiten Teilen der öffentlichen Meinungsbil-

dung zunehmend wiederfinden. Verfügen Menschen nur über ausreichend Bildung, er-

scheint alles möglich: eine gerechtere Gesellschaft, vielleicht sogar eine bessere Welt!

Jedoch wird das per Gesetz verschickte Bildungs- und Teilhabepaket solange nicht sinn-

voll den Empfänger_innen zuzustellen sein, wie Bildung und deren Bedeutung für die

gesellschaftliche Teilhabe als leere Worthülsen gebraucht und nicht als ein umfassen-

der nicht abschließbarer Prozess der Subjektbildung und als Voraussetzung für gesell-

schaftliche Partizipation verstanden wird.

An ein 'Allheilmittel' zu glauben bliebe eine sozialromantische Verklärung gesellschaft-

lich gewachsener und politisch verfestigter Strukturen.

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Quellen:

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Kinder- und Jugendhilfetag

http://www.agj.de/fileadmin/files/positionen/2011/DJHT-Leitpapier_2011.pdf (letzter

Zugriff 22.04.2014, 13.20 Uhr)

zitiert als: AGJ 2011

Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe: Bildung – Integration – Teilhabe,

Kinder- und Jugendpolitik gestalten; Positionspapier; Berlin 30. September / 01. Okto-

ber 2009

http://www.agj.de/fileadmin/files/positionen/2009/Positionspapier_Jugendpolitik.pdf

(letzter Zugriff 22.04.2014, 13.24 Uhr)

zitiert als: AGJ 2009

Allmendinger, Jutta/ Leibfried, Stephan (2003): Bildungsarmut, in: Aus Politik und

Zeitgeschichte, B 21-22, Bonn

zitiert als: Allmendiger/Leibfried 2003

Allmendinger, Jutta (2013): „Teilhabe durch Bildung“

http://www.bpb.de/gesellschaft/kultur/zukunft-bildung/158109/teilhabe-durch-bil-

dung (letzter Zugriff: 22.04.2014, 13.27 Uhr)

zitiert als: Allmendinger 2013

Apel, Helmut/ Engels, Dietrich (2012): „Bildung und Teilhabe von Kindern und Jugend-

lichen im unteren Einkommensbereich. Untersuchung der Implementationsphase des

'Bildungs- und Teilhabepakets' im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und So-

ziales“; Abschlusbericht; Köln/Berlin 31.05.2012

https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publikationen/Forschungsbe-

richte/a-410-forschungsprojekt.pdf (letzter Zugriff: 22.04.2014, 13 32 Uhr)

zitiert als: Apel/Engels 2012

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zitiert als: Bauer 2012

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zitiert als: BKJ 2001

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http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publikationen-DinA4/a334-4-

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http://www.bverfg.de/entscheidungen/ls20100209_1bvl000109.html (letzter Zugriff:

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zitiert als: Butterwegge 2011

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zitiert als: Dörpinghaus et al 2012

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