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DAS KULTURMAGAZIN DER CHRISTOPH MERIAN STIFTUNG SHORTCUT Schwerpunkt: KREATIVWIRTSCHAFT Cartoonmuseum Basel: JAPANISCHER ANIMATIONSFILM iaab: IAAB WIRD TRINATIONAL #1 Juni 2013

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Das Kulturmagazin der Christoph Merian Stiftung. Schwerpunkt Kreativwirtschaft

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Koji Morimoto, Ausschnitte aus EXTRA, Aquarell auf Papier, Fineliner auf transparenter Folie, Bleistift auf Papier, Copic Marker, 1995 © Beyond C, Tokyo / R & S Records, London / Sony Music. Ent., TokyoKoji Morimoto, Hintergrund für EXTRA, Line-Overlay: Aquarell auf Papier und Fineliner auf transparenter Folie, 1995 © Beyond C, Tokyo / R & S Records, London / Sony Music. Ent., TokyoKoji Morimoto, Auszug aus dem Storyboard für Dimension Bomb, Bleistift und Copic Marker auf Papier, 2009 © Koji Morimoto, 2009, Studio 4°C, Tokio

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EDiTORiAL—

Ein Shortcut, liebe Leserin, lieber Leser, ermöglicht im iT-Bereich per Tastenkombination oder via Link einen direkten Zugang zu gewünschten Applikationen und informationen. «Shortcut» heisst auch das neue Kulturmagazin der Christoph Merian Stiftung. Der Name ist Programm. Shortcut soll Sie ohne Umwege mit der Christoph Merian Stiftung kurzschliessen. Mit diesem «Link» möchten wir Sie darüber informieren, was die Stiftung im Kulturellen tut und warum. Shortcut berichtet über die Kultur förderpraxis und setzt einzelne Projekte in den Zusammenhang der Stiftungsförderpolitik. Das Magazin will Hintergründe beleuchten und einen Blick in den Backstage-Be-reich ermöglichen, sowohl bei der klassischen Projektförderung als auch bei den stiftungseigenen Projekten und Kulturplayern wie dem Christoph Merian Verlag, dem Cartoonmuseum Basel und dem Austauschprogramm iaab. Jede Ausgabe enthält ei-nen thematischen Schwerpunkt. Wir beginnen mit der Kreativ-wirtschaft.Shortcut erscheint von nun an regelmässig und ergänzt damit unseren monatlichen Veranstaltungsnewsletter, den «Kultur-kalender».*Wir wünschen ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre!Beat von Wartburg, Leiter Abteilung Kultur der Christoph Merian Stiftung

FALLBEiL FÜR GÄNSEBLÜMCHENSeit neun Jahren führt der Christoph Merian Verlag in Zu-sammenarbeit mit dem Schwei-zer Radio SRF Hörbücher im Programm. Der Schwerpunkt der gemeinsamen Hörbuchedition liegt dabei auf inszenierten Hör-spielen. Daneben erschienen im-mer wieder Hörbücher ausserhalb dieser Reihe, oft in Zusammen-arbeit mit anderen institutionen wie dem Robert Walser Archiv und dem Migros Kulturprozent oder mit den Autoren selbst (so Urs Widmer und Franz Hohler). Eine weitere langjährige Koope-ration besteht mit der Stiftung Radio Basel. Sie vergibt seit 2007 den internationalen Featurepreis an herausragende Produktionen von ARD, ORF und SRF. Das Gewinnerfeature wird jeweils auf CD veröffentlicht und erscheint im Christoph Merian Verlag.

Radio-Features sind Reportagen, die Elemente des Hörspiels und der Dokumentation miteinander verbinden. Ein gut gemachtes Feature fesselt den Hörer, lässt ihn in die (wahre!) Geschichte eintauchen und spielt virtuos mit den Stilmitteln des Radios.

«Fallbeil für Gänseblümchen» – Gewinner des internationalen Featurepreises 2012 – ist ein solches Feature. Zu hören sind ausgewählte Ausschnitte aus ei-nem Gerichtsprozess in Ostberlin zur Zeit des Kalten Krieges Mitte

der 1950er-Jahre. Der Westspiona-ge angeklagt sind Elli Barczatis (Deckname «Gänseblümchen»), Sekretärin des DDR-Ministerprä-sidenten Otto Grotewohl, und ihr Geliebter, der westdeutsche Agent Karl Laurenz. Die Öffentlichkeit ist bei diesem Gerichtsprozess ausgeschlossen, die Staatssicher-heit schneidet die Verhandlung mit.

Über ein halbes Jahrhundert sind seit diesem Prozess vergangen, der nach der Wiedervereinigung ein juristisches Nachspiel hatte. Maximilian Schönherr hat die Bänder der Stasi entdeckt und daraus für den WDR ein Radio-feature erstellt, das unter die Haut geht. Das bisher unveröffentlichte Originalmaterial erzählt viel über das Funktionieren einer Diktatur und ist ein packendes Zeitzeug-nis, das den deutsch-deutschen Konflikt in einem scharfen Licht darstellt.

Obwohl die einst überzeugte Genossin Elli Barczatis keine wirklich wichtigen informationen an Westdeutschland geliefert hat, zeigt sich das Gericht gnadenlos. Die Angeklagten sind ohne Verteidiger, das Urteil scheint fest zu stehen, noch bevor die Ver-handlung begonnen hat, Gericht und Staatsanwalt arbeiten Hand in Hand. Die perfide Rhetorik und die Fangfragen des Richters sind schwer zu ertragen, und

selbst heute, knapp sechzig Jahre nach der Verhandlung, fühlt man die Bedrohung fast körperlich. Auch die komplexe Beziehung der Angeklagten zu ihrem Gelieb-ten ist erschütternd. Schliesslich steuert der Prozess auf das unver-meidliche Ende zu: die Verkün-digung des Todesurteils, das zwei Monate später vollstreckt wurde.

Als Hörbuch im Christoph Merian Verlag erschienen, fand das Feature grosse Aufmerksam-keit. Es war unter anderem auf der renommierten Bestenliste des Hessischen Rundfunks notiert, war «Hörbuch der Woche» im Bayerischen Rundfunk und wird bereits im Geschichtsunterricht eingesetzt.

Oliver Bolanz

www.merianverlag.ch

DiGiTAL DURCH DiE BASLER VERGANGENHEiTDas zeitgeschichtliche Webportal baslerchronik.ch neu auch für Mobilgeräte

Dass sich die Medienwelt rasch und immer rascher ändert, ist eine Binsenweisheit. Die Digitali-sierung unseres Alltags hat schon lange eingesetzt. Für das 1879 begonnene Basler Stadtbuch und die darin eingegliederte Basler Chronik begann die neue Zeit-rechnung im Jahr 2000. Erstmals konnten dann alle Artikel und alle Autorinnen und Autoren beim Christoph Merian Verlag auch online abgerufen werden, et-was später auch alle Chronikein-träge. Seit 2011 geht die Chronik als Website baslerchronik.ch ihren eigenen, nun rein digitalen Weg. Film- und Tondokumente von

Telebasel und Regionaljournal sowie eigens in Auftrag gegebene Fotos sorgen für die multimediale Anreicherung.

Die Firma Hinderling & Volkart hat die Website von Beginn an sehr ansprechend und fortschritt-lich entwickelt. Allerdings hatte baslerchronik.ch den Haken, für den Arbeitsplatzcomputer ausgelegt zu sein und nicht für Smartphones oder für Tablets, die sich in den letzten zwei Jahren enorm verbreitet haben. Seit Ende Januar 2013 ist deswegen eine für Mobilgeräte und deren Touch-screen optimierte Parallelwebsite aufgeschaltet. Die Bedienung

geschieht intuitiv und spielerisch. Zudem hat die bisherige Website ein Update erhalten, indem die Suchfunktion verfeinert und das Ansteuern bestimmter Daten erleichtert worden sind.

Was heutzutage nicht im Web erscheint, stirbt aus dem öffentli-chen Bewusstsein weg. Mit dem zeitgeschichtlichen Webportal baslerchronik.ch sichert und erweitert die Christoph Merian Stiftung eine wichtige Recherche-möglichkeit über das Basel der vergangenen 130 und der noch kommenden Jahre.

André Salvisberg

iAAB WiRD JETZT FRANZÖSiSCHDiE STADT MULHOUSE iST PROJEKTPARTNER VON iAAB

Was die bildende Kunst mit derjenigen des Vinifizierens verbindet, hat die Basler Künst-lerin Renée Levi einmal festgehalten, sei der Prozess des Komprimierens – und das Stadium der Gärung, könnte man noch hinzufügen. So entwickelt etwa ein guter Gewürztrami-ner aus dem Elsass seine Finesse und seine mineralische Struktur erst nach drei Jahren Flaschenlegung, und wenn er sich dann noch zwei Jahre im Holzfass entspannen kann, dann blühen die verwandelten Trauben buchstäb-lich zu einem reichen Strauss an Aromen und Düften auf.

Auch Kooperationen im Kunstbereich kön-nen manchmal die Stadien des Reifens mit Gewinn durchlaufen. So hat sich die Zusam-menarbeit zwischen dem Künstleraustausch-programm iaab und den elsässischen institu-tionen auf der Strecke von Mulhouse nach Basel in traminischen Dimensionen entfaltet, sie hat lange Zeit gegärt, ist dann mehrfach im Barrique gewendet und verkostet worden – bis sie sich jetzt mit einem umso überraschende-ren und hinreissenden Bouquet präsentiert: Seit Mai 2013 ist die Stadt Mulhouse gemein-sam mit der Kunsthalle Mulhouse Teil der iaab-Trägerschaft. Dabei hat iaab, dank dem intensiven Engagement und dem standhaften Einsatz von Kunsthallendirektorin Sandrine Wymann, mit Mulhouse einen ganz beson-ders vielfältigen und engagierten Partner ge-winnen können; denn die Stadt unterstützt das Stipendienprogramm nicht nur jährlich mit einem finanziellen Beitrag, sie bringt mit der Kunsthalle Mulhouse auch einen agilen Partner mit ins Boot, der wiederum eng mit der neu fusionierten Haute-Ecole des Arts du Rhin zusammenarbeitet. Diese elsässische Hochschule für Gestaltung und Kunst ver-bindet seit Kurzem künstlerisch die Städte Mulhouse und Strasbourg.

So wird die Kunsthalle in Zukunft durch die Kooperation mit iaab jeweils pro Jahr zwei Gastkünstler bzw. Gastdesigner aus indien be-herbergen, deren Arbeit der Geschichte, der Fabrikation und/oder dem Design von Texti-lien gewidmet ist und die während ihres Auf-enthalts in der einstigen Textilhochburg Mul-house unter anderem von der Haute-Ecole des Arts du Rhin, dem Musée de l’impression sur Etoffes sowie der Ecole Nationale Supérieure d’ingénieurs Sud Alsace begleitet werden. im Gegenzug können sich professionelle Künstle-rinnen und Künstler, die im Elsass leben oder arbeiten, für ein iaab-Auslandsstipendium be-werben.

Somit ist denn iaab zum ersten Mal in sei-ner 27-jährigen Geschichte trinational veran-kert, und sein Einzugsgebiet erstreckt sich nun mit einem Mal von Basel bis weit über Stras-bourg hinaus, von Freiburg i. Br. durch das Unter- und Oberbaselbiet bis an die äussersten Ränder des Kantons Solothurn. Zum ersten Mal wird die Ausschreibung des Stipendien-programms dieses Jahr auch zweisprachig pu-bliziert und die Bewerbung erfolgt neu online auf der iaab-Website, ebenfalls zweisprachig.

Alexandra Stäheli

SCHREiBEN iN iNDiENDer Fachausschuss Literatur BS / BL hat zusam-men mit iaab ein Schriftsteller-Stipendium für Bangalore ausgeschrieben. Birgit Kempker wur-de für einen dreimonatigen Aufenthalt in der Writer’s Residency Sangam-House ausgewählt. Vier Fragen an die Basler Autorin, die Anfang November ihre Zelte in indien aufschlagen wird.

Frau Kempker, Sie haben ein Stipendium für das Schriftstellerhaus Sangam in Bangalore erhalten. Welche Wünsche oder Erwartungen verbinden Sie mit ihrem Aufenthalt in indien? Den Wunsch nach Zeit und Raum, in dem Unvorhergesehenes passieren kann. Zärtlich-keit und Disziplin, das ist mein Code für 2013, mehr von beidem wünsche ich mir auch. Haben Sie ein konkretes schriftstellerisches Projekt für die Zeit in indien?Zu viele. Der Peggyplan, da sitzt Peggy mit einer Reihe ungebildeter Räuber am Fluss und denkt (und verkörpert). Der Liebesplan, da bereitet sich ein Mann auf die Liebe vor. Und besonders der Tanzplan, Schreiben als eine andere Art zu tanzen. Meine Art, mich den Dingen, dem Denken, dem Schreiben und Menschen, Erinnerungen zu nähern, ist: es zu verkörpern. Es ist etwas sehr Einfaches, und dieser Einfachheit würde ich gerne näherkom-men, sie verkörpern.

Welche Effekte könnte es für Sie haben, in einem fremdsprachigen Kontext zu schreiben?Der Sprachplan. ich stelle mir vor, in eng-lischer Sprache zu schreiben und mich erst später zurückzuholen in die deutsche Sprache, nach den drei Monaten. Natürlich verspreche ich mir davon eine gewisse gründliche Ent-kempkerung.

Denken Sie, dass «das indische», das tropische Fluidum vor Ort, in irgendwelcher Form in ihr Schreiben einfliessen wird? Auch wenn dieses inhaltlich und formal in einem anderen Kon-text angesiedelt ist. (in einem europäischen oder evtl. auch in einem allgemein-menschli-chen, ich denke da an den Liebesplan, also die Frage nach der Liebe eines Mannes.)Für den Liebesplan hat es bestimmt Folgen, dass ich meinen Mann mit nach indien neh-me. Er wird dort anders darüber nachdenken, wie er sich auf die Liebe vorbereiten kann und wie er einer Frau gefallen könnte. Er wird ja auch seine Umgebung beobachten und Schlüsse ziehen. Vielleicht muss ich ihn dann dort lassen, falls er sich durch seine Er-kenntnisse und Bemühungen für die Liebe in Europa disqualifiziert.

interview: Alexandra Stäheli

iAAB –UNTERWEGS ZU NEUEN

BAUSTELLENSÜDAFRiKANiSCHE LEERE, CHiNESiSCHER AUSSENBLiCK

UND RÄUMLiCHE AUSDEHNUNG

Er fühle sich innerlich total leer und er habe keine Ahnung, in welche Richtung sich sei-ne Arbeit weiter entwickeln werde – ja, ob überhaupt!, berichtet der südafrikanische Gastkünstler igshaan Adams zwei Monate nach seiner Ankunft in Basel mit von Sorgen erfüllten Augen. Und das iaab-Team ist begeis-tert. Denn der Künstler zeigt alle Symptome einer gelungenen Residency. Wenn sich Kunst-schaffende auf die räumliche, zeitliche und diskursive Verschiebung des Lebenskontextes, die eine Residency immer bedeutet, wirklich einlassen, kann es geschehen, dass vertraute Sichtweisen, scheinbar normale Abläufe und gängige Perspektiven auf die künstlerische Praxis plötzlich von einem Werk abzufliessen beginnen – und sich ein tiefes Nichts einzu-stellen beginnt, eine fast schon zen-artige Lee-re, auf deren Grund noch zart und konturlos ganz neue, unerwartete, nie gedachte ideen ihre Augen aufschlagen.

im inneren der iaab-Zentrale jedoch herrscht momentan alles andere als medi-tative Stille, nach der sich das iaab-Team in diesen umtriebigen Frühlingstagen fast ein wenig sehnt. Denn das Programm ist gerade dabei, seine Schwerpunkte zu verlagern und sich in vielfältiger Weise nochmals neu zu entwerfen. Nebst seiner neuen geografischen Ausdehnung bis weit über Strasbourg hinaus und der Ergänzung der iaab-Trägerschaft um die Stadt Mulhouse – die einen Meilenstein in der Geschichte des Programms darstellt – be-müht sich das bisher auf die visuellen Künste fokussierte Stipendienprogramm auch inhalt-lich um eine Erweiterung: in Kooperation mit

dem Fachausschuss Literatur BS / BL und der Kulturstiftung Pro Helvetia hat iaab für das Jahr 2013 das Pilotprojekt eines Autorenaus-tauschs mit indien lanciert. Während so der aus Kalkutta stammende Schriftsteller Ruchir Joshi zu Beginn dieses Jahres drei kalte, dafür aber umso produktivere Monate in einem der Basler iaab-Ateliers verbrachte, erhält nun die Basler Schriftstellerin und Künstlerin Birgit Kempker die Gelegenheit eines dreimonati-gen Aufenthalts in einem Schriftstellerhaus in Bangalore.

Neu ist auch der ebenfalls in Zusammen-arbeit mit der Pro Helvetia lancierte Aus-tausch für Kuratoren, der sich in Basel seit Anfang Mai mit der Residency des chinesi-schen Kunstvermittlers Xia Yanguo mani-festiert: Der aus Peking stammende Kurator und Kunstkritiker wird bis im September in einem der iaab-Ateliers im St. Alban-Tal 40a logieren und gemeinsam mit dem Team des Ausstellungsraums Klingental zur Saisoner-öffnung der Galerien eine Show realisieren, die Xias hoffentlich prickelnde, befremdende, bestürzende und in jedem Falle bereichernde (Aussen-)Sicht auf die regionale Kunstszene spiegeln wird.

Und damit auch sonst noch alles neu bleibt, hat sich iaab nebst dem längst nötigen Re-launch der Website per Ende Jahr auch noch eine weitere Baustelle angelacht: Wenn alles gut geht, startet bereits im September der Um-bau des Gebäudes D an der Oslostrasse 12 auf dem Dreispitz-Areal, das mit einem ehrgeizi-gen Fahrplan ab Ende 2014 die neuen Ateliers für die iaab-Gastkünstler aus aller Welt beher-

iMPRESSUM

Redaktion und TexteOliver Bolanz, Leiter Christoph Merian Verlag

Anette Gehrig, Leiterin Cartoon Museum Basel Christoph Meneghetti, Projektleiter Abteilung Kultur

André Salvisberg, Archive & Sammlungen Alexandra Stäheli, Projektleiterin iaab

Beat von Wartburg, Leiter Abteilung Kultur Rebekka Wiedmer, Assistentin Abteilung Kultur

—PROTO ANiME CUT

Zukunftsvisionen im japanischen AnimationsfilmVisions of the Future in Japanese Animated Films

8.6. – 13.10.2013www.cartoonmuseum.ch

PROTO ANIME

CUT ZUKUNFTSViSiONEN iM JAPANiSCHEN ANiMATiONSFiLM

Anime sind japanische Animationsfilme (ge-zeichnete Trickfilme), die auf der Ästhetik und den Themen der hierzulande noch bekannte-ren Manga (japanische Comics) aufbauen. Sie sind seit einigen Jahren nicht nur bei Fans beliebt, sondern gewinnen zunehmend Ein-fluss auf den Mainstream der globalen Popkul-tur. Anspruchsvolle Anime sind künstlerisch hochstehend, sie spielen oft in einem Science-Fiction-Rahmen und befassen sich mit gesell-schaftlichen Fragen, Zukunftsahnungen und Mensch-Technik-interaktionen. Hierzulande bekannt sind die erfolgreichen Anime «Akira» (1988), «Ghost in the Shell» (1995) und «Neon Genesis Evangelion» (1995), die Gesellschaften

der Zukunft entwerfen und als experimentelle Projektionsfläche für Fantasien und Utopien faszinieren. Aktuelle Themen wie der techni-sche Fortschritt, die Urbanisierung und die Folgen des Wirtschaftswachstums in Japan scheinen uminterpretiert in der Zukunft auf und werden so verarbeitet. Diese Filme prä-gen bis heute die Vorstellungen vom visuellen und narrativen Stil der Anime und bilden den Ausgangspunkt der Ausstellung.

Die zweisprachige (e/d) Ausstellung «Proto Anime Cut. Zukunftsvisionen im japanischen Animationsfilm» stellt Themen, Künstler und Herstellungsprozesse des Genres erstmals in der Schweiz vor. Die handelnden Figuren und

äusserst aufwendigen Szenerien werden eben-so untersucht wie die inhalte, Mechanismen und Möglichkeiten gezeichneter japanischer Science-Fiction. «Proto Anime Cut» bietet so einen aussergewöhnlichen Einblick in ein künstlerisches Schaffen an der Grenze von Film, bildender Kunst und Popkultur.

Die Ausstellung zeigt zahlreiche, der Öf-fentlichkeit normalerweise nicht zugängliche Originalzeichnungen und -skizzen, Studien-material, inspirationsquellen und eine Reihe weiterer Originalobjekte aus dem Herstel-lungsprozess der Filme und präsentiert die entsprechenden Filmausschnitte. Ganz am Anfang durchläuft eine Anime-Produktion

Prozesse kreativer Erfindung, lässt neue Wel-ten entstehen und wird durch künstlerische Entscheidungen geformt. in diesen subjekti-ven Momenten eines ansonsten formalisier-ten und industrialisierten Prozesses wird der narrative Stoff gewoben, aus dem sich schliess-lich die kleinen und grossen Geschichten der filmischen Vision entwickeln. Die ausgestell-ten Arbeiten sind vor allem Zeugnisse dieser kritischen und erfindungsreichen Phase der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und ästhetischen Themen und sind für ein breites Publikum genauso faszinierend wie für eingeschworene Fans.

Trickfilme entstehen durch Arbeitstei-lung, also mit Beteiligung unterschiedlichster Künstler. Gleichzeitig werden sie von prägen-den Persönlichkeiten gestaltet. Die Ausstel-lung zeigt Künstler aus verschiedenen Diszip-linen, die wesentlich dazu beigetragen haben, den typischen Stil von Anime zu etablieren.

Die vorgestellten Regisseure und illustra-toren Hideaki Anno, Haruhiko Higami, Koji Morimoto, Hiromasa Ogura, Mamoru Oshii und Takashi Watabe eint ihr interesse an der realistischen Konstruktion möglicher Welt-bilder und an wirklichkeitsnahen Visionen zukünftiger Städte und Landschaften. Diese Künstler gehören zu einer Generation von il-lustratoren, die noch fast ausschliesslich von Hand zeichnete und den typischen Animestil massgeblich geprägt hat.

Ein Höhepunkt der japanischen Trickfilm-kunst ist sicherlich Katsuhiro Otomos Film «Akira», der 1988 dem japanischen Anime zu internationaler Anerkennung verhalf. Er ba-siert auf Otomos gleichnamigem, insgesamt 2 000 Seiten umfassenden Manga-Epos «Akira» und hat für eine ganze Generation von Kino-besuchern die Sehgewohnheiten und Vorbe-halte gegenüber den künstlerischen Möglich-keiten von Zeichentrickfilmen grundlegend verändert. Als «Akira» 1988 veröffentlicht wur-de, befand sich die japanische Wirtschaftsblase

auf dem Höhepunkt. Der Film reflektiert die grundsätzliche Befürchtung, dass die kapita-listischen Fundamente, auf denen Japan nach dem Zweiten Weltkrieg neu errichtet wurde, am Ende doch nicht so stabil sein könnten wie angenommen. Sowohl der grosse Erfolg von «Akira» als auch der Realismus von « Patlabor» und «Ghost in the Shell» sowie die Glaub-würdigkeit von «Neon Genesis Evangelion» hängen vor allem mit der erstklassigen und detaillierten Darstellung Tokios als Bühne der Geschichten zusammen.

Die Ausstellung «Proto Anime Cut. Zu-kunftsvisionen im japanischen Animati-onsfilm» wird ausserdem von zahlreichen vertiefenden Veranstaltungen, einem Film-programm, Führungen und Vermittlungsan-geboten für Schulen und private Gruppen be-gleitet. in Kooperation mit dem Comix Shop und kult.kino lädt das Cartoonmuseum zu einem Manga- und Anime-Weekend, an dem japanische Trickfilme und Comics im Mittel-punkt stehen. Sowohl die bekannten, aber sehr selten im Kino zu sehenden Filme der teilnehmenden Künstler als auch unbekann-tere Meisterwerke werden präsentiert. Die den Filmen zugrunde liegenden Manga werden zur Ansicht parat liegen. Auch Familien und Kinder sollen angesprochen werden.

Zudem vermitteln Vorträge in Zusammen-arbeit mit der Volkshochschule Hintergrund-wissen zu Anime und Manga. Während der Sommerferien werden Animationsfilmwork-shops für Kinder und Jugendliche angeboten.

Anette Gehrig

プロトアニメカット日本のアニメーションにおける未来像

b www.baslerchronik.ch verbesserte Website

b www.baslerchronik.ch/m neue Website für Mobilgeräte

* Falls Sie den Kulturkalender noch nicht erhalten oder sie Shortcut unentgeltlich zugeschickt erhalten möchten, dann schreiben Sie uns! [email protected]

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Proto Anime Cut —

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bergen wird – in unmittelbarer Nähe und mit einer direkten räumlichen Verbindung zu den Studios der regionalen Künstler an der Oslo-strasse 10. Damit der prickelnde Austausch zwischen den Kulturen, Kunstverständnissen und Disziplinen im Spiel der Gezeiten zwi-

schen existenzieller Leere und künstlerischer Fülle so richtig aufschäumen kann.

Alexandra Stäheliiaab-Ausschreibung: Bewerbung bis 8.7.13 einreichen!Jetzt neu online unter www.iaab.ch

Gestaltung Hauser, Schwarz – Basel

Druck Gremper AG – Münchenstein

Christoph Merian Stiftung St. Alban-Vorstadt 5

Ch-4002 Basel

DAS KULTURMAGAZiN DER CHRiSTOPH MERiAN STiFTUNG

shORTCUTSchwerpunkt:

KREATiVWiRTSCHAFTCartoonmuseum Basel:

JAPANiSCHER ANiMATiONSFiLM

iaab:iAAB WiRD

TRiNATiONAL

#1Juni 2013

Page 2: Shortcut 1

Koji Morimoto, Ausschnitte aus EXTRA, Aquarell auf Papier, Fineliner auf transparenter Folie, Bleistift auf Papier, Copic Marker, 1995 © Beyond C, Tokyo / R & S Records, London / Sony Music. Ent., TokyoKoji Morimoto, Hintergrund für EXTRA, Line-Overlay: Aquarell auf Papier und Fineliner auf transparenter Folie, 1995 © Beyond C, Tokyo / R & S Records, London / Sony Music. Ent., TokyoKoji Morimoto, Auszug aus dem Storyboard für Dimension Bomb, Bleistift und Copic Marker auf Papier, 2009 © Koji Morimoto, 2009, Studio 4°C, Tokio

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Ein Shortcut, liebe Leserin, lieber Leser, ermöglicht im iT-Bereich per Tastenkombination oder via Link einen direkten Zugang zu gewünschten Applikationen und informationen. «Shortcut» heisst auch das neue Kulturmagazin der Christoph Merian Stiftung. Der Name ist Programm. Shortcut soll Sie ohne Umwege mit der Christoph Merian Stiftung kurzschliessen. Mit diesem «Link» möchten wir Sie darüber informieren, was die Stiftung im Kulturellen tut und warum. Shortcut berichtet über die Kultur förderpraxis und setzt einzelne Projekte in den Zusammenhang der Stiftungsförderpolitik. Das Magazin will Hintergründe beleuchten und einen Blick in den Backstage-Be-reich ermöglichen, sowohl bei der klassischen Projektförderung als auch bei den stiftungseigenen Projekten und Kulturplayern wie dem Christoph Merian Verlag, dem Cartoonmuseum Basel und dem Austauschprogramm iaab. Jede Ausgabe enthält ei-nen thematischen Schwerpunkt. Wir beginnen mit der Kreativ-wirtschaft.Shortcut erscheint von nun an regelmässig und ergänzt damit unseren monatlichen Veranstaltungsnewsletter, den «Kultur-kalender».*Wir wünschen ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre!Beat von Wartburg, Leiter Abteilung Kultur der Christoph Merian Stiftung

FALLBEiL FÜR GÄNSEBLÜMCHENSeit neun Jahren führt der Christoph Merian Verlag in Zu-sammenarbeit mit dem Schwei-zer Radio SRF Hörbücher im Programm. Der Schwerpunkt der gemeinsamen Hörbuchedition liegt dabei auf inszenierten Hör-spielen. Daneben erschienen im-mer wieder Hörbücher ausserhalb dieser Reihe, oft in Zusammen-arbeit mit anderen institutionen wie dem Robert Walser Archiv und dem Migros Kulturprozent oder mit den Autoren selbst (so Urs Widmer und Franz Hohler). Eine weitere langjährige Koope-ration besteht mit der Stiftung Radio Basel. Sie vergibt seit 2007 den internationalen Featurepreis an herausragende Produktionen von ARD, ORF und SRF. Das Gewinnerfeature wird jeweils auf CD veröffentlicht und erscheint im Christoph Merian Verlag.

Radio-Features sind Reportagen, die Elemente des Hörspiels und der Dokumentation miteinander verbinden. Ein gut gemachtes Feature fesselt den Hörer, lässt ihn in die (wahre!) Geschichte eintauchen und spielt virtuos mit den Stilmitteln des Radios.

«Fallbeil für Gänseblümchen» – Gewinner des internationalen Featurepreises 2012 – ist ein solches Feature. Zu hören sind ausgewählte Ausschnitte aus ei-nem Gerichtsprozess in Ostberlin zur Zeit des Kalten Krieges Mitte

der 1950er-Jahre. Der Westspiona-ge angeklagt sind Elli Barczatis (Deckname «Gänseblümchen»), Sekretärin des DDR-Ministerprä-sidenten Otto Grotewohl, und ihr Geliebter, der westdeutsche Agent Karl Laurenz. Die Öffentlichkeit ist bei diesem Gerichtsprozess ausgeschlossen, die Staatssicher-heit schneidet die Verhandlung mit.

Über ein halbes Jahrhundert sind seit diesem Prozess vergangen, der nach der Wiedervereinigung ein juristisches Nachspiel hatte. Maximilian Schönherr hat die Bänder der Stasi entdeckt und daraus für den WDR ein Radio-feature erstellt, das unter die Haut geht. Das bisher unveröffentlichte Originalmaterial erzählt viel über das Funktionieren einer Diktatur und ist ein packendes Zeitzeug-nis, das den deutsch-deutschen Konflikt in einem scharfen Licht darstellt.

Obwohl die einst überzeugte Genossin Elli Barczatis keine wirklich wichtigen informationen an Westdeutschland geliefert hat, zeigt sich das Gericht gnadenlos. Die Angeklagten sind ohne Verteidiger, das Urteil scheint fest zu stehen, noch bevor die Ver-handlung begonnen hat, Gericht und Staatsanwalt arbeiten Hand in Hand. Die perfide Rhetorik und die Fangfragen des Richters sind schwer zu ertragen, und

selbst heute, knapp sechzig Jahre nach der Verhandlung, fühlt man die Bedrohung fast körperlich. Auch die komplexe Beziehung der Angeklagten zu ihrem Gelieb-ten ist erschütternd. Schliesslich steuert der Prozess auf das unver-meidliche Ende zu: die Verkün-digung des Todesurteils, das zwei Monate später vollstreckt wurde.

Als Hörbuch im Christoph Merian Verlag erschienen, fand das Feature grosse Aufmerksam-keit. Es war unter anderem auf der renommierten Bestenliste des Hessischen Rundfunks notiert, war «Hörbuch der Woche» im Bayerischen Rundfunk und wird bereits im Geschichtsunterricht eingesetzt.

Oliver Bolanz

www.merianverlag.ch

DiGiTAL DURCH DiE BASLER VERGANGENHEiTDas zeitgeschichtliche Webportal baslerchronik.ch neu auch für Mobilgeräte

Dass sich die Medienwelt rasch und immer rascher ändert, ist eine Binsenweisheit. Die Digitali-sierung unseres Alltags hat schon lange eingesetzt. Für das 1879 begonnene Basler Stadtbuch und die darin eingegliederte Basler Chronik begann die neue Zeit-rechnung im Jahr 2000. Erstmals konnten dann alle Artikel und alle Autorinnen und Autoren beim Christoph Merian Verlag auch online abgerufen werden, et-was später auch alle Chronikein-träge. Seit 2011 geht die Chronik als Website baslerchronik.ch ihren eigenen, nun rein digitalen Weg. Film- und Tondokumente von

Telebasel und Regionaljournal sowie eigens in Auftrag gegebene Fotos sorgen für die multimediale Anreicherung.

Die Firma Hinderling & Volkart hat die Website von Beginn an sehr ansprechend und fortschritt-lich entwickelt. Allerdings hatte baslerchronik.ch den Haken, für den Arbeitsplatzcomputer ausgelegt zu sein und nicht für Smartphones oder für Tablets, die sich in den letzten zwei Jahren enorm verbreitet haben. Seit Ende Januar 2013 ist deswegen eine für Mobilgeräte und deren Touch-screen optimierte Parallelwebsite aufgeschaltet. Die Bedienung

geschieht intuitiv und spielerisch. Zudem hat die bisherige Website ein Update erhalten, indem die Suchfunktion verfeinert und das Ansteuern bestimmter Daten erleichtert worden sind.

Was heutzutage nicht im Web erscheint, stirbt aus dem öffentli-chen Bewusstsein weg. Mit dem zeitgeschichtlichen Webportal baslerchronik.ch sichert und erweitert die Christoph Merian Stiftung eine wichtige Recherche-möglichkeit über das Basel der vergangenen 130 und der noch kommenden Jahre.

André Salvisberg

iAAB WiRD JETZT FRANZÖSiSCH DiE STADT MULHOUSE iST PROJEKTPARTNER VON iAAB

Was die bildende Kunst mit derjenigen des Vinifizierens verbindet, hat die Basler Künst-lerin Renée Levi einmal festgehalten, sei der Prozess des Komprimierens – und das Stadium der Gärung, könnte man noch hinzufügen. So entwickelt etwa ein guter Gewürztrami-ner aus dem Elsass seine Finesse und seine mineralische Struktur erst nach drei Jahren Flaschenlegung, und wenn er sich dann noch zwei Jahre im Holzfass entspannen kann, dann blühen die verwandelten Trauben buchstäb-lich zu einem reichen Strauss an Aromen und Düften auf.

Auch Kooperationen im Kunstbereich kön-nen manchmal die Stadien des Reifens mit Gewinn durchlaufen. So hat sich die Zusam-menarbeit zwischen dem Künstleraustausch-programm iaab und den elsässischen institu-tionen auf der Strecke von Mulhouse nach Basel in traminischen Dimensionen entfaltet, sie hat lange Zeit gegärt, ist dann mehrfach im Barrique gewendet und verkostet worden – bis sie sich jetzt mit einem umso überraschende-ren und hinreissenden Bouquet präsentiert: Seit Mai 2013 ist die Stadt Mulhouse gemein-sam mit der Kunsthalle Mulhouse Teil der iaab-Trägerschaft. Dabei hat iaab, dank dem intensiven Engagement und dem standhaften Einsatz von Kunsthallendirektorin Sandrine Wymann, mit Mulhouse einen ganz beson-ders vielfältigen und engagierten Partner ge-winnen können; denn die Stadt unterstützt das Stipendienprogramm nicht nur jährlich mit einem finanziellen Beitrag, sie bringt mit der Kunsthalle Mulhouse auch einen agilen Partner mit ins Boot, der wiederum eng mit der neu fusionierten Haute-Ecole des Arts du Rhin zusammenarbeitet. Diese elsässische Hochschule für Gestaltung und Kunst ver-bindet seit Kurzem künstlerisch die Städte Mulhouse und Strasbourg.

So wird die Kunsthalle in Zukunft durch die Kooperation mit iaab jeweils pro Jahr zwei Gastkünstler bzw. Gastdesigner aus indien be-herbergen, deren Arbeit der Geschichte, der Fabrikation und/oder dem Design von Texti-lien gewidmet ist und die während ihres Auf-enthalts in der einstigen Textilhochburg Mul-house unter anderem von der Haute-Ecole des Arts du Rhin, dem Musée de l’impression sur Etoffes sowie der Ecole Nationale Supérieure d’ingénieurs Sud Alsace begleitet werden. im Gegenzug können sich professionelle Künstle-rinnen und Künstler, die im Elsass leben oder arbeiten, für ein iaab-Auslandsstipendium be-werben.

Somit ist denn iaab zum ersten Mal in sei-ner 27-jährigen Geschichte trinational veran-kert, und sein Einzugsgebiet erstreckt sich nun mit einem Mal von Basel bis weit über Stras-bourg hinaus, von Freiburg i. Br. durch das Unter- und Oberbaselbiet bis an die äussersten Ränder des Kantons Solothurn. Zum ersten Mal wird die Ausschreibung des Stipendien-programms dieses Jahr auch zweisprachig pu-bliziert und die Bewerbung erfolgt neu online auf der iaab-Website, ebenfalls zweisprachig.

Alexandra Stäheli

SCHREiBEN iN iNDiENDer Fachausschuss Literatur BS / BL hat zusam-men mit iaab ein Schriftsteller-Stipendium für Bangalore ausgeschrieben. Birgit Kempker wur-de für einen dreimonatigen Aufenthalt in der Writer’s Residency Sangam-House ausgewählt. Vier Fragen an die Basler Autorin, die Anfang November ihre Zelte in indien aufschlagen wird.

Frau Kempker, Sie haben ein Stipendium für das Schriftstellerhaus Sangam in Bangalore erhalten. Welche Wünsche oder Erwartungen verbinden Sie mit ihrem Aufenthalt in indien? Den Wunsch nach Zeit und Raum, in dem Unvorhergesehenes passieren kann. Zärtlich-keit und Disziplin, das ist mein Code für 2013, mehr von beidem wünsche ich mir auch. Haben Sie ein konkretes schriftstellerisches Projekt für die Zeit in indien?Zu viele. Der Peggyplan, da sitzt Peggy mit einer Reihe ungebildeter Räuber am Fluss und denkt (und verkörpert). Der Liebesplan, da bereitet sich ein Mann auf die Liebe vor. Und besonders der Tanzplan, Schreiben als eine andere Art zu tanzen. Meine Art, mich den Dingen, dem Denken, dem Schreiben und Menschen, Erinnerungen zu nähern, ist: es zu verkörpern. Es ist etwas sehr Einfaches, und dieser Einfachheit würde ich gerne näherkom-men, sie verkörpern.

Welche Effekte könnte es für Sie haben, in einem fremdsprachigen Kontext zu schreiben?Der Sprachplan. ich stelle mir vor, in eng-lischer Sprache zu schreiben und mich erst später zurückzuholen in die deutsche Sprache, nach den drei Monaten. Natürlich verspreche ich mir davon eine gewisse gründliche Ent-kempkerung.

Denken Sie, dass «das indische», das tropische Fluidum vor Ort, in irgendwelcher Form in ihr Schreiben einfliessen wird? Auch wenn dieses inhaltlich und formal in einem anderen Kon-text angesiedelt ist. (in einem europäischen oder evtl. auch in einem allgemein-menschli-chen, ich denke da an den Liebesplan, also die Frage nach der Liebe eines Mannes.)Für den Liebesplan hat es bestimmt Folgen, dass ich meinen Mann mit nach indien neh-me. Er wird dort anders darüber nachdenken, wie er sich auf die Liebe vorbereiten kann und wie er einer Frau gefallen könnte. Er wird ja auch seine Umgebung beobachten und Schlüsse ziehen. Vielleicht muss ich ihn dann dort lassen, falls er sich durch seine Er-kenntnisse und Bemühungen für die Liebe in Europa disqualifiziert.

interview: Alexandra Stäheli

iAAB –UNTERWEGS ZU NEUEN

BAUSTELLENSÜDAFRiKANiSCHE LEERE, CHiNESiSCHER AUSSENBLiCK

UND RÄUMLiCHE AUSDEHNUNG

Er fühle sich innerlich total leer und er habe keine Ahnung, in welche Richtung sich sei-ne Arbeit weiter entwickeln werde – ja, ob überhaupt!, berichtet der südafrikanische Gastkünstler igshaan Adams zwei Monate nach seiner Ankunft in Basel mit von Sorgen erfüllten Augen. Und das iaab-Team ist begeis-tert. Denn der Künstler zeigt alle Symptome einer gelungenen Residency. Wenn sich Kunst-schaffende auf die räumliche, zeitliche und diskursive Verschiebung des Lebenskontextes, die eine Residency immer bedeutet, wirklich einlassen, kann es geschehen, dass vertraute Sichtweisen, scheinbar normale Abläufe und gängige Perspektiven auf die künstlerische Praxis plötzlich von einem Werk abzufliessen beginnen – und sich ein tiefes Nichts einzu-stellen beginnt, eine fast schon zen-artige Lee-re, auf deren Grund noch zart und konturlos ganz neue, unerwartete, nie gedachte ideen ihre Augen aufschlagen.

im inneren der iaab-Zentrale jedoch herrscht momentan alles andere als medi-tative Stille, nach der sich das iaab-Team in diesen umtriebigen Frühlingstagen fast ein wenig sehnt. Denn das Programm ist gerade dabei, seine Schwerpunkte zu verlagern und sich in vielfältiger Weise nochmals neu zu entwerfen. Nebst seiner neuen geografischen Ausdehnung bis weit über Strasbourg hinaus und der Ergänzung der iaab-Trägerschaft um die Stadt Mulhouse – die einen Meilenstein in der Geschichte des Programms darstellt – be-müht sich das bisher auf die visuellen Künste fokussierte Stipendienprogramm auch inhalt-lich um eine Erweiterung: in Kooperation mit

dem Fachausschuss Literatur BS / BL und der Kulturstiftung Pro Helvetia hat iaab für das Jahr 2013 das Pilotprojekt eines Autorenaus-tauschs mit indien lanciert. Während so der aus Kalkutta stammende Schriftsteller Ruchir Joshi zu Beginn dieses Jahres drei kalte, dafür aber umso produktivere Monate in einem der Basler iaab-Ateliers verbrachte, erhält nun die Basler Schriftstellerin und Künstlerin Birgit Kempker die Gelegenheit eines dreimonati-gen Aufenthalts in einem Schriftstellerhaus in Bangalore.

Neu ist auch der ebenfalls in Zusammen-arbeit mit der Pro Helvetia lancierte Aus-tausch für Kuratoren, der sich in Basel seit Anfang Mai mit der Residency des chinesi-schen Kunstvermittlers Xia Yanguo mani-festiert: Der aus Peking stammende Kurator und Kunstkritiker wird bis im September in einem der iaab-Ateliers im St. Alban-Tal 40a logieren und gemeinsam mit dem Team des Ausstellungsraums Klingental zur Saisoner-öffnung der Galerien eine Show realisieren, die Xias hoffentlich prickelnde, befremdende, bestürzende und in jedem Falle bereichernde (Aussen-)Sicht auf die regionale Kunstszene spiegeln wird.

Und damit auch sonst noch alles neu bleibt, hat sich iaab nebst dem längst nötigen Re-launch der Website per Ende Jahr auch noch eine weitere Baustelle angelacht: Wenn alles gut geht, startet bereits im September der Um-bau des Gebäudes D an der Oslostrasse 12 auf dem Dreispitz-Areal, das mit einem ehrgeizi-gen Fahrplan ab Ende 2014 die neuen Ateliers für die iaab-Gastkünstler aus aller Welt beher-

iMPRESSUM

Redaktion und TexteOliver Bolanz, Leiter Christoph Merian Verlag

Anette Gehrig, Leiterin Cartoon Museum Basel Christoph Meneghetti, Projektleiter Abteilung Kultur

André Salvisberg, Archive & Sammlungen Alexandra Stäheli, Projektleiterin iaab

Beat von Wartburg, Leiter Abteilung Kultur Rebekka Wiedmer, Assistentin Abteilung Kultur

—PROTO ANiME CUT

Zukunftsvisionen im japanischen AnimationsfilmVisions of the Future in Japanese Animated Films

8.6. – 13.10.2013www.cartoonmuseum.ch

PROTO ANIME

CUT ZUKUNFTSViSiONEN iM

JAPANiSCHEN ANiMATiONSFiLM

Anime sind japanische Animationsfilme (ge-zeichnete Trickfilme), die auf der Ästhetik und den Themen der hierzulande noch bekannte-ren Manga (japanische Comics) aufbauen. Sie sind seit einigen Jahren nicht nur bei Fans beliebt, sondern gewinnen zunehmend Ein-fluss auf den Mainstream der globalen Popkul-tur. Anspruchsvolle Anime sind künstlerisch hochstehend, sie spielen oft in einem Science-Fiction-Rahmen und befassen sich mit gesell-schaftlichen Fragen, Zukunftsahnungen und Mensch-Technik-interaktionen. Hierzulande bekannt sind die erfolgreichen Anime «Akira» (1988), «Ghost in the Shell» (1995) und «Neon Genesis Evangelion» (1995), die Gesellschaften

der Zukunft entwerfen und als experimentelle Projektionsfläche für Fantasien und Utopien faszinieren. Aktuelle Themen wie der techni-sche Fortschritt, die Urbanisierung und die Folgen des Wirtschaftswachstums in Japan scheinen uminterpretiert in der Zukunft auf und werden so verarbeitet. Diese Filme prä-gen bis heute die Vorstellungen vom visuellen und narrativen Stil der Anime und bilden den Ausgangspunkt der Ausstellung.

Die zweisprachige (e/d) Ausstellung «Proto Anime Cut. Zukunftsvisionen im japanischen Animationsfilm» stellt Themen, Künstler und Herstellungsprozesse des Genres erstmals in der Schweiz vor. Die handelnden Figuren und

äusserst aufwendigen Szenerien werden eben-so untersucht wie die inhalte, Mechanismen und Möglichkeiten gezeichneter japanischer Science-Fiction. «Proto Anime Cut» bietet so einen aussergewöhnlichen Einblick in ein künstlerisches Schaffen an der Grenze von Film, bildender Kunst und Popkultur.

Die Ausstellung zeigt zahlreiche, der Öf-fentlichkeit normalerweise nicht zugängliche Originalzeichnungen und -skizzen, Studien-material, inspirationsquellen und eine Reihe weiterer Originalobjekte aus dem Herstel-lungsprozess der Filme und präsentiert die entsprechenden Filmausschnitte. Ganz am Anfang durchläuft eine Anime-Produktion

Prozesse kreativer Erfindung, lässt neue Wel-ten entstehen und wird durch künstlerische Entscheidungen geformt. in diesen subjekti-ven Momenten eines ansonsten formalisier-ten und industrialisierten Prozesses wird der narrative Stoff gewoben, aus dem sich schliess-lich die kleinen und grossen Geschichten der filmischen Vision entwickeln. Die ausgestell-ten Arbeiten sind vor allem Zeugnisse dieser kritischen und erfindungsreichen Phase der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und ästhetischen Themen und sind für ein breites Publikum genauso faszinierend wie für eingeschworene Fans.

Trickfilme entstehen durch Arbeitstei-lung, also mit Beteiligung unterschiedlichster Künstler. Gleichzeitig werden sie von prägen-den Persönlichkeiten gestaltet. Die Ausstel-lung zeigt Künstler aus verschiedenen Diszip-linen, die wesentlich dazu beigetragen haben, den typischen Stil von Anime zu etablieren.

Die vorgestellten Regisseure und illustra-toren Hideaki Anno, Haruhiko Higami, Koji Morimoto, Hiromasa Ogura, Mamoru Oshii und Takashi Watabe eint ihr interesse an der realistischen Konstruktion möglicher Welt-bilder und an wirklichkeitsnahen Visionen zukünftiger Städte und Landschaften. Diese Künstler gehören zu einer Generation von il-lustratoren, die noch fast ausschliesslich von Hand zeichnete und den typischen Animestil massgeblich geprägt hat.

Ein Höhepunkt der japanischen Trickfilm-kunst ist sicherlich Katsuhiro Otomos Film «Akira», der 1988 dem japanischen Anime zu internationaler Anerkennung verhalf. Er ba-siert auf Otomos gleichnamigem, insgesamt 2 000 Seiten umfassenden Manga-Epos «Akira» und hat für eine ganze Generation von Kino-besuchern die Sehgewohnheiten und Vorbe-halte gegenüber den künstlerischen Möglich-keiten von Zeichentrickfilmen grundlegend verändert. Als «Akira» 1988 veröffentlicht wur-de, befand sich die japanische Wirtschaftsblase

auf dem Höhepunkt. Der Film reflektiert die grundsätzliche Befürchtung, dass die kapita-listischen Fundamente, auf denen Japan nach dem Zweiten Weltkrieg neu errichtet wurde, am Ende doch nicht so stabil sein könnten wie angenommen. Sowohl der grosse Erfolg von «Akira» als auch der Realismus von « Patlabor» und «Ghost in the Shell» sowie die Glaub-würdigkeit von «Neon Genesis Evangelion» hängen vor allem mit der erstklassigen und detaillierten Darstellung Tokios als Bühne der Geschichten zusammen.

Die Ausstellung «Proto Anime Cut. Zu-kunftsvisionen im japanischen Animati-onsfilm» wird ausserdem von zahlreichen vertiefenden Veranstaltungen, einem Film-programm, Führungen und Vermittlungsan-geboten für Schulen und private Gruppen be-gleitet. in Kooperation mit dem Comix Shop und kult.kino lädt das Cartoonmuseum zu einem Manga- und Anime-Weekend, an dem japanische Trickfilme und Comics im Mittel-punkt stehen. Sowohl die bekannten, aber sehr selten im Kino zu sehenden Filme der teilnehmenden Künstler als auch unbekann-tere Meisterwerke werden präsentiert. Die den Filmen zugrunde liegenden Manga werden zur Ansicht parat liegen. Auch Familien und Kinder sollen angesprochen werden.

Zudem vermitteln Vorträge in Zusammen-arbeit mit der Volkshochschule Hintergrund-wissen zu Anime und Manga. Während der Sommerferien werden Animationsfilmwork-shops für Kinder und Jugendliche angeboten.

Anette Gehrig

プロトアニメカット日本のアニメーションにおける未来像

b www.baslerchronik.ch verbesserte Website

b www.baslerchronik.ch/m neue Website für Mobilgeräte

* Falls Sie den Kulturkalender noch nicht erhalten oder sie Shortcut unentgeltlich zugeschickt erhalten möchten, dann schreiben Sie uns! [email protected]

Proto Anime Cut —

ShortCut #1Proto Anim

e Cut — ShortCut #1

Prot

o An

ime

Cut

— S

hort

Cut

#1

bergen wird – in unmittelbarer Nähe und mit einer direkten räumlichen Verbindung zu den Studios der regionalen Künstler an der Oslo-strasse 10. Damit der prickelnde Austausch zwischen den Kulturen, Kunstverständnissen und Disziplinen im Spiel der Gezeiten zwi-

schen existenzieller Leere und künstlerischer Fülle so richtig aufschäumen kann.

Alexandra Stäheliiaab-Ausschreibung: Bewerbung bis 8.7.13 einreichen!Jetzt neu online unter www.iaab.ch

Gestaltung Hauser, Schwarz – Basel

Druck Gremper AG – Münchenstein

Christoph Merian Stiftung St. Alban-Vorstadt 5

Ch-4002 Basel

DAS KULTURMAGAZiN DER CHRiSTOPH MERiAN STiFTUNG shORTCUT

Schwerpunkt:KREATiVWiRTSCHAFT

Cartoonmuseum Basel:JAPANiSCHER

ANiMATiONSFiLM

iaab:iAAB WiRD

TRiNATiONAL

#1 Juni2013

Page 3: Shortcut 1

Koji Morimoto, Ausschnitte aus EXTRA, Aquarell auf Papier, Fineliner auf transparenter Folie, Bleistift auf Papier, Copic Marker, 1995 © Beyond C, Tokyo / R & S Records, London / Sony Music. Ent., TokyoKoji Morimoto, Hintergrund für EXTRA, Line-Overlay: Aquarell auf Papier und Fineliner auf transparenter Folie, 1995 © Beyond C, Tokyo / R & S Records, London / Sony Music. Ent., TokyoKoji Morimoto, Auszug aus dem Storyboard für Dimension Bomb, Bleistift und Copic Marker auf Papier, 2009 © Koji Morimoto, 2009, Studio 4°C, Tokio

gg

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EDiTORiAL—

Ein Shortcut, liebe Leserin, lieber Leser, ermöglicht im iT-Bereich per Tastenkombination oder via Link einen direkten Zugang zu gewünschten Applikationen und informationen. «Shortcut» heisst auch das neue Kulturmagazin der Christoph Merian Stiftung. Der Name ist Programm. Shortcut soll Sie ohne Umwege mit der Christoph Merian Stiftung kurzschliessen. Mit diesem «Link» möchten wir Sie darüber informieren, was die Stiftung im Kulturellen tut und warum. Shortcut berichtet über die Kultur förderpraxis und setzt einzelne Projekte in den Zusammenhang der Stiftungsförderpolitik. Das Magazin will Hintergründe beleuchten und einen Blick in den Backstage-Be-reich ermöglichen, sowohl bei der klassischen Projektförderung als auch bei den stiftungseigenen Projekten und Kulturplayern wie dem Christoph Merian Verlag, dem Cartoonmuseum Basel und dem Austauschprogramm iaab. Jede Ausgabe enthält ei-nen thematischen Schwerpunkt. Wir beginnen mit der Kreativ-wirtschaft.Shortcut erscheint von nun an regelmässig und ergänzt damit unseren monatlichen Veranstaltungsnewsletter, den «Kultur-kalender».*Wir wünschen ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre!Beat von Wartburg, Leiter Abteilung Kultur der Christoph Merian Stiftung

FALLBEiL FÜR GÄNSEBLÜMCHENSeit neun Jahren führt der Christoph Merian Verlag in Zu-sammenarbeit mit dem Schwei-zer Radio SRF Hörbücher im Programm. Der Schwerpunkt der gemeinsamen Hörbuchedition liegt dabei auf inszenierten Hör-spielen. Daneben erschienen im-mer wieder Hörbücher ausserhalb dieser Reihe, oft in Zusammen-arbeit mit anderen institutionen wie dem Robert Walser Archiv und dem Migros Kulturprozent oder mit den Autoren selbst (so Urs Widmer und Franz Hohler). Eine weitere langjährige Koope-ration besteht mit der Stiftung Radio Basel. Sie vergibt seit 2007 den internationalen Featurepreis an herausragende Produktionen von ARD, ORF und SRF. Das Gewinnerfeature wird jeweils auf CD veröffentlicht und erscheint im Christoph Merian Verlag.

Radio-Features sind Reportagen, die Elemente des Hörspiels und der Dokumentation miteinander verbinden. Ein gut gemachtes Feature fesselt den Hörer, lässt ihn in die (wahre!) Geschichte eintauchen und spielt virtuos mit den Stilmitteln des Radios.

«Fallbeil für Gänseblümchen» – Gewinner des internationalen Featurepreises 2012 – ist ein solches Feature. Zu hören sind ausgewählte Ausschnitte aus ei-nem Gerichtsprozess in Ostberlin zur Zeit des Kalten Krieges Mitte

der 1950er-Jahre. Der Westspiona-ge angeklagt sind Elli Barczatis (Deckname «Gänseblümchen»), Sekretärin des DDR-Ministerprä-sidenten Otto Grotewohl, und ihr Geliebter, der westdeutsche Agent Karl Laurenz. Die Öffentlichkeit ist bei diesem Gerichtsprozess ausgeschlossen, die Staatssicher-heit schneidet die Verhandlung mit.

Über ein halbes Jahrhundert sind seit diesem Prozess vergangen, der nach der Wiedervereinigung ein juristisches Nachspiel hatte. Maximilian Schönherr hat die Bänder der Stasi entdeckt und daraus für den WDR ein Radio-feature erstellt, das unter die Haut geht. Das bisher unveröffentlichte Originalmaterial erzählt viel über das Funktionieren einer Diktatur und ist ein packendes Zeitzeug-nis, das den deutsch-deutschen Konflikt in einem scharfen Licht darstellt.

Obwohl die einst überzeugte Genossin Elli Barczatis keine wirklich wichtigen informationen an Westdeutschland geliefert hat, zeigt sich das Gericht gnadenlos. Die Angeklagten sind ohne Verteidiger, das Urteil scheint fest zu stehen, noch bevor die Ver-handlung begonnen hat, Gericht und Staatsanwalt arbeiten Hand in Hand. Die perfide Rhetorik und die Fangfragen des Richters sind schwer zu ertragen, und

selbst heute, knapp sechzig Jahre nach der Verhandlung, fühlt man die Bedrohung fast körperlich. Auch die komplexe Beziehung der Angeklagten zu ihrem Gelieb-ten ist erschütternd. Schliesslich steuert der Prozess auf das unver-meidliche Ende zu: die Verkün-digung des Todesurteils, das zwei Monate später vollstreckt wurde.

Als Hörbuch im Christoph Merian Verlag erschienen, fand das Feature grosse Aufmerksam-keit. Es war unter anderem auf der renommierten Bestenliste des Hessischen Rundfunks notiert, war «Hörbuch der Woche» im Bayerischen Rundfunk und wird bereits im Geschichtsunterricht eingesetzt.

Oliver Bolanz

www.merianverlag.ch

DiGiTAL DURCH DiE BASLER VERGANGENHEiTDas zeitgeschichtliche Webportal baslerchronik.ch neu auch für Mobilgeräte

Dass sich die Medienwelt rasch und immer rascher ändert, ist eine Binsenweisheit. Die Digitali-sierung unseres Alltags hat schon lange eingesetzt. Für das 1879 begonnene Basler Stadtbuch und die darin eingegliederte Basler Chronik begann die neue Zeit-rechnung im Jahr 2000. Erstmals konnten dann alle Artikel und alle Autorinnen und Autoren beim Christoph Merian Verlag auch online abgerufen werden, et-was später auch alle Chronikein-träge. Seit 2011 geht die Chronik als Website baslerchronik.ch ihren eigenen, nun rein digitalen Weg. Film- und Tondokumente von

Telebasel und Regionaljournal sowie eigens in Auftrag gegebene Fotos sorgen für die multimediale Anreicherung.

Die Firma Hinderling & Volkart hat die Website von Beginn an sehr ansprechend und fortschritt-lich entwickelt. Allerdings hatte baslerchronik.ch den Haken, für den Arbeitsplatzcomputer ausgelegt zu sein und nicht für Smartphones oder für Tablets, die sich in den letzten zwei Jahren enorm verbreitet haben. Seit Ende Januar 2013 ist deswegen eine für Mobilgeräte und deren Touch-screen optimierte Parallelwebsite aufgeschaltet. Die Bedienung

geschieht intuitiv und spielerisch. Zudem hat die bisherige Website ein Update erhalten, indem die Suchfunktion verfeinert und das Ansteuern bestimmter Daten erleichtert worden sind.

Was heutzutage nicht im Web erscheint, stirbt aus dem öffentli-chen Bewusstsein weg. Mit dem zeitgeschichtlichen Webportal baslerchronik.ch sichert und erweitert die Christoph Merian Stiftung eine wichtige Recherche-möglichkeit über das Basel der vergangenen 130 und der noch kommenden Jahre.

André Salvisberg

iAAB WiRD JETZT FRANZÖSiSCHDiE STADT MULHOUSE iST PROJEKTPARTNER VON iAAB

Was die bildende Kunst mit derjenigen des Vinifizierens verbindet, hat die Basler Künst-lerin Renée Levi einmal festgehalten, sei der Prozess des Komprimierens – und das Stadium der Gärung, könnte man noch hinzufügen. So entwickelt etwa ein guter Gewürztrami-ner aus dem Elsass seine Finesse und seine mineralische Struktur erst nach drei Jahren Flaschenlegung, und wenn er sich dann noch zwei Jahre im Holzfass entspannen kann, dann blühen die verwandelten Trauben buchstäb-lich zu einem reichen Strauss an Aromen und Düften auf.

Auch Kooperationen im Kunstbereich kön-nen manchmal die Stadien des Reifens mit Gewinn durchlaufen. So hat sich die Zusam-menarbeit zwischen dem Künstleraustausch-programm iaab und den elsässischen institu-tionen auf der Strecke von Mulhouse nach Basel in traminischen Dimensionen entfaltet, sie hat lange Zeit gegärt, ist dann mehrfach im Barrique gewendet und verkostet worden – bis sie sich jetzt mit einem umso überraschende-ren und hinreissenden Bouquet präsentiert: Seit Mai 2013 ist die Stadt Mulhouse gemein-sam mit der Kunsthalle Mulhouse Teil der iaab-Trägerschaft. Dabei hat iaab, dank dem intensiven Engagement und dem standhaften Einsatz von Kunsthallendirektorin Sandrine Wymann, mit Mulhouse einen ganz beson-ders vielfältigen und engagierten Partner ge-winnen können; denn die Stadt unterstützt das Stipendienprogramm nicht nur jährlich mit einem finanziellen Beitrag, sie bringt mit der Kunsthalle Mulhouse auch einen agilen Partner mit ins Boot, der wiederum eng mit der neu fusionierten Haute-Ecole des Arts du Rhin zusammenarbeitet. Diese elsässische Hochschule für Gestaltung und Kunst ver-bindet seit Kurzem künstlerisch die Städte Mulhouse und Strasbourg.

So wird die Kunsthalle in Zukunft durch die Kooperation mit iaab jeweils pro Jahr zwei Gastkünstler bzw. Gastdesigner aus indien be-herbergen, deren Arbeit der Geschichte, der Fabrikation und/oder dem Design von Texti-lien gewidmet ist und die während ihres Auf-enthalts in der einstigen Textilhochburg Mul-house unter anderem von der Haute-Ecole des Arts du Rhin, dem Musée de l’impression sur Etoffes sowie der Ecole Nationale Supérieure d’ingénieurs Sud Alsace begleitet werden. im Gegenzug können sich professionelle Künstle-rinnen und Künstler, die im Elsass leben oder arbeiten, für ein iaab-Auslandsstipendium be-werben.

Somit ist denn iaab zum ersten Mal in sei-ner 27-jährigen Geschichte trinational veran-kert, und sein Einzugsgebiet erstreckt sich nun mit einem Mal von Basel bis weit über Stras-bourg hinaus, von Freiburg i. Br. durch das Unter- und Oberbaselbiet bis an die äussersten Ränder des Kantons Solothurn. Zum ersten Mal wird die Ausschreibung des Stipendien-programms dieses Jahr auch zweisprachig pu-bliziert und die Bewerbung erfolgt neu online auf der iaab-Website, ebenfalls zweisprachig.

Alexandra Stäheli

SCHREiBEN iN iNDiENDer Fachausschuss Literatur BS / BL hat zusam-men mit iaab ein Schriftsteller-Stipendium für Bangalore ausgeschrieben. Birgit Kempker wur-de für einen dreimonatigen Aufenthalt in der Writer’s Residency Sangam-House ausgewählt. Vier Fragen an die Basler Autorin, die Anfang November ihre Zelte in indien aufschlagen wird.

Frau Kempker, Sie haben ein Stipendium für das Schriftstellerhaus Sangam in Bangalore erhalten. Welche Wünsche oder Erwartungen verbinden Sie mit ihrem Aufenthalt in indien? Den Wunsch nach Zeit und Raum, in dem Unvorhergesehenes passieren kann. Zärtlich-keit und Disziplin, das ist mein Code für 2013, mehr von beidem wünsche ich mir auch. Haben Sie ein konkretes schriftstellerisches Projekt für die Zeit in indien?Zu viele. Der Peggyplan, da sitzt Peggy mit einer Reihe ungebildeter Räuber am Fluss und denkt (und verkörpert). Der Liebesplan, da bereitet sich ein Mann auf die Liebe vor. Und besonders der Tanzplan, Schreiben als eine andere Art zu tanzen. Meine Art, mich den Dingen, dem Denken, dem Schreiben und Menschen, Erinnerungen zu nähern, ist: es zu verkörpern. Es ist etwas sehr Einfaches, und dieser Einfachheit würde ich gerne näherkom-men, sie verkörpern.

Welche Effekte könnte es für Sie haben, in einem fremdsprachigen Kontext zu schreiben?Der Sprachplan. ich stelle mir vor, in eng-lischer Sprache zu schreiben und mich erst später zurückzuholen in die deutsche Sprache, nach den drei Monaten. Natürlich verspreche ich mir davon eine gewisse gründliche Ent-kempkerung.

Denken Sie, dass «das indische», das tropische Fluidum vor Ort, in irgendwelcher Form in ihr Schreiben einfliessen wird? Auch wenn dieses inhaltlich und formal in einem anderen Kon-text angesiedelt ist. (in einem europäischen oder evtl. auch in einem allgemein-menschli-chen, ich denke da an den Liebesplan, also die Frage nach der Liebe eines Mannes.)Für den Liebesplan hat es bestimmt Folgen, dass ich meinen Mann mit nach indien neh-me. Er wird dort anders darüber nachdenken, wie er sich auf die Liebe vorbereiten kann und wie er einer Frau gefallen könnte. Er wird ja auch seine Umgebung beobachten und Schlüsse ziehen. Vielleicht muss ich ihn dann dort lassen, falls er sich durch seine Er-kenntnisse und Bemühungen für die Liebe in Europa disqualifiziert.

interview: Alexandra Stäheli

iAAB –UNTERWEGS ZU NEUEN

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UND RÄUMLiCHE AUSDEHNUNG

Er fühle sich innerlich total leer und er habe keine Ahnung, in welche Richtung sich sei-ne Arbeit weiter entwickeln werde – ja, ob überhaupt!, berichtet der südafrikanische Gastkünstler igshaan Adams zwei Monate nach seiner Ankunft in Basel mit von Sorgen erfüllten Augen. Und das iaab-Team ist begeis-tert. Denn der Künstler zeigt alle Symptome einer gelungenen Residency. Wenn sich Kunst-schaffende auf die räumliche, zeitliche und diskursive Verschiebung des Lebenskontextes, die eine Residency immer bedeutet, wirklich einlassen, kann es geschehen, dass vertraute Sichtweisen, scheinbar normale Abläufe und gängige Perspektiven auf die künstlerische Praxis plötzlich von einem Werk abzufliessen beginnen – und sich ein tiefes Nichts einzu-stellen beginnt, eine fast schon zen-artige Lee-re, auf deren Grund noch zart und konturlos ganz neue, unerwartete, nie gedachte ideen ihre Augen aufschlagen.

im inneren der iaab-Zentrale jedoch herrscht momentan alles andere als medi-tative Stille, nach der sich das iaab-Team in diesen umtriebigen Frühlingstagen fast ein wenig sehnt. Denn das Programm ist gerade dabei, seine Schwerpunkte zu verlagern und sich in vielfältiger Weise nochmals neu zu entwerfen. Nebst seiner neuen geografischen Ausdehnung bis weit über Strasbourg hinaus und der Ergänzung der iaab-Trägerschaft um die Stadt Mulhouse – die einen Meilenstein in der Geschichte des Programms darstellt – be-müht sich das bisher auf die visuellen Künste fokussierte Stipendienprogramm auch inhalt-lich um eine Erweiterung: in Kooperation mit

dem Fachausschuss Literatur BS / BL und der Kulturstiftung Pro Helvetia hat iaab für das Jahr 2013 das Pilotprojekt eines Autorenaus-tauschs mit indien lanciert. Während so der aus Kalkutta stammende Schriftsteller Ruchir Joshi zu Beginn dieses Jahres drei kalte, dafür aber umso produktivere Monate in einem der Basler iaab-Ateliers verbrachte, erhält nun die Basler Schriftstellerin und Künstlerin Birgit Kempker die Gelegenheit eines dreimonati-gen Aufenthalts in einem Schriftstellerhaus in Bangalore.

Neu ist auch der ebenfalls in Zusammen-arbeit mit der Pro Helvetia lancierte Aus-tausch für Kuratoren, der sich in Basel seit Anfang Mai mit der Residency des chinesi-schen Kunstvermittlers Xia Yanguo mani-festiert: Der aus Peking stammende Kurator und Kunstkritiker wird bis im September in einem der iaab-Ateliers im St. Alban-Tal 40a logieren und gemeinsam mit dem Team des Ausstellungsraums Klingental zur Saisoner-öffnung der Galerien eine Show realisieren, die Xias hoffentlich prickelnde, befremdende, bestürzende und in jedem Falle bereichernde (Aussen-)Sicht auf die regionale Kunstszene spiegeln wird.

Und damit auch sonst noch alles neu bleibt, hat sich iaab nebst dem längst nötigen Re-launch der Website per Ende Jahr auch noch eine weitere Baustelle angelacht: Wenn alles gut geht, startet bereits im September der Um-bau des Gebäudes D an der Oslostrasse 12 auf dem Dreispitz-Areal, das mit einem ehrgeizi-gen Fahrplan ab Ende 2014 die neuen Ateliers für die iaab-Gastkünstler aus aller Welt beher-

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Redaktion und TexteOliver Bolanz, Leiter Christoph Merian Verlag

Anette Gehrig, Leiterin Cartoon Museum Basel Christoph Meneghetti, Projektleiter Abteilung Kultur

André Salvisberg, Archive & Sammlungen Alexandra Stäheli, Projektleiterin iaab

Beat von Wartburg, Leiter Abteilung Kultur Rebekka Wiedmer, Assistentin Abteilung Kultur

—PROTO ANiME CUT

Zukunftsvisionen im japanischen AnimationsfilmVisions of the Future in Japanese Animated Films

8.6. – 13.10.2013www.cartoonmuseum.ch

PROTO ANIME

CUT ZUKUNFTSViSiONEN iM JAPANiSCHEN ANiMATiONSFiLM

Anime sind japanische Animationsfilme (ge-zeichnete Trickfilme), die auf der Ästhetik und den Themen der hierzulande noch bekannte-ren Manga (japanische Comics) aufbauen. Sie sind seit einigen Jahren nicht nur bei Fans beliebt, sondern gewinnen zunehmend Ein-fluss auf den Mainstream der globalen Popkul-tur. Anspruchsvolle Anime sind künstlerisch hochstehend, sie spielen oft in einem Science-Fiction-Rahmen und befassen sich mit gesell-schaftlichen Fragen, Zukunftsahnungen und Mensch-Technik-interaktionen. Hierzulande bekannt sind die erfolgreichen Anime «Akira» (1988), «Ghost in the Shell» (1995) und «Neon Genesis Evangelion» (1995), die Gesellschaften

der Zukunft entwerfen und als experimentelle Projektionsfläche für Fantasien und Utopien faszinieren. Aktuelle Themen wie der techni-sche Fortschritt, die Urbanisierung und die Folgen des Wirtschaftswachstums in Japan scheinen uminterpretiert in der Zukunft auf und werden so verarbeitet. Diese Filme prä-gen bis heute die Vorstellungen vom visuellen und narrativen Stil der Anime und bilden den Ausgangspunkt der Ausstellung.

Die zweisprachige (e/d) Ausstellung «Proto Anime Cut. Zukunftsvisionen im japanischen Animationsfilm» stellt Themen, Künstler und Herstellungsprozesse des Genres erstmals in der Schweiz vor. Die handelnden Figuren und

äusserst aufwendigen Szenerien werden eben-so untersucht wie die inhalte, Mechanismen und Möglichkeiten gezeichneter japanischer Science-Fiction. «Proto Anime Cut» bietet so einen aussergewöhnlichen Einblick in ein künstlerisches Schaffen an der Grenze von Film, bildender Kunst und Popkultur.

Die Ausstellung zeigt zahlreiche, der Öf-fentlichkeit normalerweise nicht zugängliche Originalzeichnungen und -skizzen, Studien-material, inspirationsquellen und eine Reihe weiterer Originalobjekte aus dem Herstel-lungsprozess der Filme und präsentiert die entsprechenden Filmausschnitte. Ganz am Anfang durchläuft eine Anime-Produktion

Prozesse kreativer Erfindung, lässt neue Wel-ten entstehen und wird durch künstlerische Entscheidungen geformt. in diesen subjekti-ven Momenten eines ansonsten formalisier-ten und industrialisierten Prozesses wird der narrative Stoff gewoben, aus dem sich schliess-lich die kleinen und grossen Geschichten der filmischen Vision entwickeln. Die ausgestell-ten Arbeiten sind vor allem Zeugnisse dieser kritischen und erfindungsreichen Phase der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und ästhetischen Themen und sind für ein breites Publikum genauso faszinierend wie für eingeschworene Fans.

Trickfilme entstehen durch Arbeitstei-lung, also mit Beteiligung unterschiedlichster Künstler. Gleichzeitig werden sie von prägen-den Persönlichkeiten gestaltet. Die Ausstel-lung zeigt Künstler aus verschiedenen Diszip-linen, die wesentlich dazu beigetragen haben, den typischen Stil von Anime zu etablieren.

Die vorgestellten Regisseure und illustra-toren Hideaki Anno, Haruhiko Higami, Koji Morimoto, Hiromasa Ogura, Mamoru Oshii und Takashi Watabe eint ihr interesse an der realistischen Konstruktion möglicher Welt-bilder und an wirklichkeitsnahen Visionen zukünftiger Städte und Landschaften. Diese Künstler gehören zu einer Generation von il-lustratoren, die noch fast ausschliesslich von Hand zeichnete und den typischen Animestil massgeblich geprägt hat.

Ein Höhepunkt der japanischen Trickfilm-kunst ist sicherlich Katsuhiro Otomos Film «Akira», der 1988 dem japanischen Anime zu internationaler Anerkennung verhalf. Er ba-siert auf Otomos gleichnamigem, insgesamt 2 000 Seiten umfassenden Manga-Epos «Akira» und hat für eine ganze Generation von Kino-besuchern die Sehgewohnheiten und Vorbe-halte gegenüber den künstlerischen Möglich-keiten von Zeichentrickfilmen grundlegend verändert. Als «Akira» 1988 veröffentlicht wur-de, befand sich die japanische Wirtschaftsblase

auf dem Höhepunkt. Der Film reflektiert die grundsätzliche Befürchtung, dass die kapita-listischen Fundamente, auf denen Japan nach dem Zweiten Weltkrieg neu errichtet wurde, am Ende doch nicht so stabil sein könnten wie angenommen. Sowohl der grosse Erfolg von «Akira» als auch der Realismus von « Patlabor» und «Ghost in the Shell» sowie die Glaub-würdigkeit von «Neon Genesis Evangelion» hängen vor allem mit der erstklassigen und detaillierten Darstellung Tokios als Bühne der Geschichten zusammen.

Die Ausstellung «Proto Anime Cut. Zu-kunftsvisionen im japanischen Animati-onsfilm» wird ausserdem von zahlreichen vertiefenden Veranstaltungen, einem Film-programm, Führungen und Vermittlungsan-geboten für Schulen und private Gruppen be-gleitet. in Kooperation mit dem Comix Shop und kult.kino lädt das Cartoonmuseum zu einem Manga- und Anime-Weekend, an dem japanische Trickfilme und Comics im Mittel-punkt stehen. Sowohl die bekannten, aber sehr selten im Kino zu sehenden Filme der teilnehmenden Künstler als auch unbekann-tere Meisterwerke werden präsentiert. Die den Filmen zugrunde liegenden Manga werden zur Ansicht parat liegen. Auch Familien und Kinder sollen angesprochen werden.

Zudem vermitteln Vorträge in Zusammen-arbeit mit der Volkshochschule Hintergrund-wissen zu Anime und Manga. Während der Sommerferien werden Animationsfilmwork-shops für Kinder und Jugendliche angeboten.

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Proto Anime Cut —

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bergen wird – in unmittelbarer Nähe und mit einer direkten räumlichen Verbindung zu den Studios der regionalen Künstler an der Oslo-strasse 10. Damit der prickelnde Austausch zwischen den Kulturen, Kunstverständnissen und Disziplinen im Spiel der Gezeiten zwi-

schen existenzieller Leere und künstlerischer Fülle so richtig aufschäumen kann.

Alexandra Stäheliiaab-Ausschreibung: Bewerbung bis 8.7.13 einreichen!Jetzt neu online unter www.iaab.ch

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Ch-4002 Basel

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shORTCUTSchwerpunkt:

KREATiVWiRTSCHAFTCartoonmuseum Basel:

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iaab:iAAB WiRD

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#1Juni 2013

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Koji Morimoto, Ausschnitte aus EXTRA, Aquarell auf Papier, Fineliner auf transparenter Folie, Bleistift auf Papier, Copic Marker, 1995 © Beyond C, Tokyo / R & S Records, London / Sony Music. Ent., TokyoKoji Morimoto, Hintergrund für EXTRA, Line-Overlay: Aquarell auf Papier und Fineliner auf transparenter Folie, 1995 © Beyond C, Tokyo / R & S Records, London / Sony Music. Ent., TokyoKoji Morimoto, Auszug aus dem Storyboard für Dimension Bomb, Bleistift und Copic Marker auf Papier, 2009 © Koji Morimoto, 2009, Studio 4°C, Tokio

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EDiTORiAL—

Ein Shortcut, liebe Leserin, lieber Leser, ermöglicht im iT-Bereich per Tastenkombination oder via Link einen direkten Zugang zu gewünschten Applikationen und informationen. «Shortcut» heisst auch das neue Kulturmagazin der Christoph Merian Stiftung. Der Name ist Programm. Shortcut soll Sie ohne Umwege mit der Christoph Merian Stiftung kurzschliessen. Mit diesem «Link» möchten wir Sie darüber informieren, was die Stiftung im Kulturellen tut und warum. Shortcut berichtet über die Kultur förderpraxis und setzt einzelne Projekte in den Zusammenhang der Stiftungsförderpolitik. Das Magazin will Hintergründe beleuchten und einen Blick in den Backstage-Be-reich ermöglichen, sowohl bei der klassischen Projektförderung als auch bei den stiftungseigenen Projekten und Kulturplayern wie dem Christoph Merian Verlag, dem Cartoonmuseum Basel und dem Austauschprogramm iaab. Jede Ausgabe enthält ei-nen thematischen Schwerpunkt. Wir beginnen mit der Kreativ-wirtschaft.Shortcut erscheint von nun an regelmässig und ergänzt damit unseren monatlichen Veranstaltungsnewsletter, den «Kultur-kalender».*Wir wünschen ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre!Beat von Wartburg, Leiter Abteilung Kultur der Christoph Merian Stiftung

FALLBEiL FÜR GÄNSEBLÜMCHENSeit neun Jahren führt der Christoph Merian Verlag in Zu-sammenarbeit mit dem Schwei-zer Radio SRF Hörbücher im Programm. Der Schwerpunkt der gemeinsamen Hörbuchedition liegt dabei auf inszenierten Hör-spielen. Daneben erschienen im-mer wieder Hörbücher ausserhalb dieser Reihe, oft in Zusammen-arbeit mit anderen institutionen wie dem Robert Walser Archiv und dem Migros Kulturprozent oder mit den Autoren selbst (so Urs Widmer und Franz Hohler). Eine weitere langjährige Koope-ration besteht mit der Stiftung Radio Basel. Sie vergibt seit 2007 den internationalen Featurepreis an herausragende Produktionen von ARD, ORF und SRF. Das Gewinnerfeature wird jeweils auf CD veröffentlicht und erscheint im Christoph Merian Verlag.

Radio-Features sind Reportagen, die Elemente des Hörspiels und der Dokumentation miteinander verbinden. Ein gut gemachtes Feature fesselt den Hörer, lässt ihn in die (wahre!) Geschichte eintauchen und spielt virtuos mit den Stilmitteln des Radios.

«Fallbeil für Gänseblümchen» – Gewinner des internationalen Featurepreises 2012 – ist ein solches Feature. Zu hören sind ausgewählte Ausschnitte aus ei-nem Gerichtsprozess in Ostberlin zur Zeit des Kalten Krieges Mitte

der 1950er-Jahre. Der Westspiona-ge angeklagt sind Elli Barczatis (Deckname «Gänseblümchen»), Sekretärin des DDR-Ministerprä-sidenten Otto Grotewohl, und ihr Geliebter, der westdeutsche Agent Karl Laurenz. Die Öffentlichkeit ist bei diesem Gerichtsprozess ausgeschlossen, die Staatssicher-heit schneidet die Verhandlung mit.

Über ein halbes Jahrhundert sind seit diesem Prozess vergangen, der nach der Wiedervereinigung ein juristisches Nachspiel hatte. Maximilian Schönherr hat die Bänder der Stasi entdeckt und daraus für den WDR ein Radio-feature erstellt, das unter die Haut geht. Das bisher unveröffentlichte Originalmaterial erzählt viel über das Funktionieren einer Diktatur und ist ein packendes Zeitzeug-nis, das den deutsch-deutschen Konflikt in einem scharfen Licht darstellt.

Obwohl die einst überzeugte Genossin Elli Barczatis keine wirklich wichtigen informationen an Westdeutschland geliefert hat, zeigt sich das Gericht gnadenlos. Die Angeklagten sind ohne Verteidiger, das Urteil scheint fest zu stehen, noch bevor die Ver-handlung begonnen hat, Gericht und Staatsanwalt arbeiten Hand in Hand. Die perfide Rhetorik und die Fangfragen des Richters sind schwer zu ertragen, und

selbst heute, knapp sechzig Jahre nach der Verhandlung, fühlt man die Bedrohung fast körperlich. Auch die komplexe Beziehung der Angeklagten zu ihrem Gelieb-ten ist erschütternd. Schliesslich steuert der Prozess auf das unver-meidliche Ende zu: die Verkün-digung des Todesurteils, das zwei Monate später vollstreckt wurde.

Als Hörbuch im Christoph Merian Verlag erschienen, fand das Feature grosse Aufmerksam-keit. Es war unter anderem auf der renommierten Bestenliste des Hessischen Rundfunks notiert, war «Hörbuch der Woche» im Bayerischen Rundfunk und wird bereits im Geschichtsunterricht eingesetzt.

Oliver Bolanz

www.merianverlag.ch

DiGiTAL DURCH DiE BASLER VERGANGENHEiTDas zeitgeschichtliche Webportal baslerchronik.ch neu auch für Mobilgeräte

Dass sich die Medienwelt rasch und immer rascher ändert, ist eine Binsenweisheit. Die Digitali-sierung unseres Alltags hat schon lange eingesetzt. Für das 1879 begonnene Basler Stadtbuch und die darin eingegliederte Basler Chronik begann die neue Zeit-rechnung im Jahr 2000. Erstmals konnten dann alle Artikel und alle Autorinnen und Autoren beim Christoph Merian Verlag auch online abgerufen werden, et-was später auch alle Chronikein-träge. Seit 2011 geht die Chronik als Website baslerchronik.ch ihren eigenen, nun rein digitalen Weg. Film- und Tondokumente von

Telebasel und Regionaljournal sowie eigens in Auftrag gegebene Fotos sorgen für die multimediale Anreicherung.

Die Firma Hinderling & Volkart hat die Website von Beginn an sehr ansprechend und fortschritt-lich entwickelt. Allerdings hatte baslerchronik.ch den Haken, für den Arbeitsplatzcomputer ausgelegt zu sein und nicht für Smartphones oder für Tablets, die sich in den letzten zwei Jahren enorm verbreitet haben. Seit Ende Januar 2013 ist deswegen eine für Mobilgeräte und deren Touch-screen optimierte Parallelwebsite aufgeschaltet. Die Bedienung

geschieht intuitiv und spielerisch. Zudem hat die bisherige Website ein Update erhalten, indem die Suchfunktion verfeinert und das Ansteuern bestimmter Daten erleichtert worden sind.

Was heutzutage nicht im Web erscheint, stirbt aus dem öffentli-chen Bewusstsein weg. Mit dem zeitgeschichtlichen Webportal baslerchronik.ch sichert und erweitert die Christoph Merian Stiftung eine wichtige Recherche-möglichkeit über das Basel der vergangenen 130 und der noch kommenden Jahre.

André Salvisberg

iAAB WiRD JETZT FRANZÖSiSCHDiE STADT MULHOUSE iST PROJEKTPARTNER VON iAAB

Was die bildende Kunst mit derjenigen des Vinifizierens verbindet, hat die Basler Künst-lerin Renée Levi einmal festgehalten, sei der Prozess des Komprimierens – und das Stadium der Gärung, könnte man noch hinzufügen. So entwickelt etwa ein guter Gewürztrami-ner aus dem Elsass seine Finesse und seine mineralische Struktur erst nach drei Jahren Flaschenlegung, und wenn er sich dann noch zwei Jahre im Holzfass entspannen kann, dann blühen die verwandelten Trauben buchstäb-lich zu einem reichen Strauss an Aromen und Düften auf.

Auch Kooperationen im Kunstbereich kön-nen manchmal die Stadien des Reifens mit Gewinn durchlaufen. So hat sich die Zusam-menarbeit zwischen dem Künstleraustausch-programm iaab und den elsässischen institu-tionen auf der Strecke von Mulhouse nach Basel in traminischen Dimensionen entfaltet, sie hat lange Zeit gegärt, ist dann mehrfach im Barrique gewendet und verkostet worden – bis sie sich jetzt mit einem umso überraschende-ren und hinreissenden Bouquet präsentiert: Seit Mai 2013 ist die Stadt Mulhouse gemein-sam mit der Kunsthalle Mulhouse Teil der iaab-Trägerschaft. Dabei hat iaab, dank dem intensiven Engagement und dem standhaften Einsatz von Kunsthallendirektorin Sandrine Wymann, mit Mulhouse einen ganz beson-ders vielfältigen und engagierten Partner ge-winnen können; denn die Stadt unterstützt das Stipendienprogramm nicht nur jährlich mit einem finanziellen Beitrag, sie bringt mit der Kunsthalle Mulhouse auch einen agilen Partner mit ins Boot, der wiederum eng mit der neu fusionierten Haute-Ecole des Arts du Rhin zusammenarbeitet. Diese elsässische Hochschule für Gestaltung und Kunst ver-bindet seit Kurzem künstlerisch die Städte Mulhouse und Strasbourg.

So wird die Kunsthalle in Zukunft durch die Kooperation mit iaab jeweils pro Jahr zwei Gastkünstler bzw. Gastdesigner aus indien be-herbergen, deren Arbeit der Geschichte, der Fabrikation und/oder dem Design von Texti-lien gewidmet ist und die während ihres Auf-enthalts in der einstigen Textilhochburg Mul-house unter anderem von der Haute-Ecole des Arts du Rhin, dem Musée de l’impression sur Etoffes sowie der Ecole Nationale Supérieure d’ingénieurs Sud Alsace begleitet werden. im Gegenzug können sich professionelle Künstle-rinnen und Künstler, die im Elsass leben oder arbeiten, für ein iaab-Auslandsstipendium be-werben.

Somit ist denn iaab zum ersten Mal in sei-ner 27-jährigen Geschichte trinational veran-kert, und sein Einzugsgebiet erstreckt sich nun mit einem Mal von Basel bis weit über Stras-bourg hinaus, von Freiburg i. Br. durch das Unter- und Oberbaselbiet bis an die äussersten Ränder des Kantons Solothurn. Zum ersten Mal wird die Ausschreibung des Stipendien-programms dieses Jahr auch zweisprachig pu-bliziert und die Bewerbung erfolgt neu online auf der iaab-Website, ebenfalls zweisprachig.

Alexandra Stäheli

SCHREiBEN iN iNDiENDer Fachausschuss Literatur BS / BL hat zusam-men mit iaab ein Schriftsteller-Stipendium für Bangalore ausgeschrieben. Birgit Kempker wur-de für einen dreimonatigen Aufenthalt in der Writer’s Residency Sangam-House ausgewählt. Vier Fragen an die Basler Autorin, die Anfang November ihre Zelte in indien aufschlagen wird.

Frau Kempker, Sie haben ein Stipendium für das Schriftstellerhaus Sangam in Bangalore erhalten. Welche Wünsche oder Erwartungen verbinden Sie mit ihrem Aufenthalt in indien? Den Wunsch nach Zeit und Raum, in dem Unvorhergesehenes passieren kann. Zärtlich-keit und Disziplin, das ist mein Code für 2013, mehr von beidem wünsche ich mir auch. Haben Sie ein konkretes schriftstellerisches Projekt für die Zeit in indien?Zu viele. Der Peggyplan, da sitzt Peggy mit einer Reihe ungebildeter Räuber am Fluss und denkt (und verkörpert). Der Liebesplan, da bereitet sich ein Mann auf die Liebe vor. Und besonders der Tanzplan, Schreiben als eine andere Art zu tanzen. Meine Art, mich den Dingen, dem Denken, dem Schreiben und Menschen, Erinnerungen zu nähern, ist: es zu verkörpern. Es ist etwas sehr Einfaches, und dieser Einfachheit würde ich gerne näherkom-men, sie verkörpern.

Welche Effekte könnte es für Sie haben, in einem fremdsprachigen Kontext zu schreiben?Der Sprachplan. ich stelle mir vor, in eng-lischer Sprache zu schreiben und mich erst später zurückzuholen in die deutsche Sprache, nach den drei Monaten. Natürlich verspreche ich mir davon eine gewisse gründliche Ent-kempkerung.

Denken Sie, dass «das indische», das tropische Fluidum vor Ort, in irgendwelcher Form in ihr Schreiben einfliessen wird? Auch wenn dieses inhaltlich und formal in einem anderen Kon-text angesiedelt ist. (in einem europäischen oder evtl. auch in einem allgemein-menschli-chen, ich denke da an den Liebesplan, also die Frage nach der Liebe eines Mannes.)Für den Liebesplan hat es bestimmt Folgen, dass ich meinen Mann mit nach indien neh-me. Er wird dort anders darüber nachdenken, wie er sich auf die Liebe vorbereiten kann und wie er einer Frau gefallen könnte. Er wird ja auch seine Umgebung beobachten und Schlüsse ziehen. Vielleicht muss ich ihn dann dort lassen, falls er sich durch seine Er-kenntnisse und Bemühungen für die Liebe in Europa disqualifiziert.

interview: Alexandra Stäheli

iAAB –UNTERWEGS ZU NEUEN

BAUSTELLENSÜDAFRiKANiSCHE LEERE, CHiNESiSCHER AUSSENBLiCK

UND RÄUMLiCHE AUSDEHNUNG

Er fühle sich innerlich total leer und er habe keine Ahnung, in welche Richtung sich sei-ne Arbeit weiter entwickeln werde – ja, ob überhaupt!, berichtet der südafrikanische Gastkünstler igshaan Adams zwei Monate nach seiner Ankunft in Basel mit von Sorgen erfüllten Augen. Und das iaab-Team ist begeis-tert. Denn der Künstler zeigt alle Symptome einer gelungenen Residency. Wenn sich Kunst-schaffende auf die räumliche, zeitliche und diskursive Verschiebung des Lebenskontextes, die eine Residency immer bedeutet, wirklich einlassen, kann es geschehen, dass vertraute Sichtweisen, scheinbar normale Abläufe und gängige Perspektiven auf die künstlerische Praxis plötzlich von einem Werk abzufliessen beginnen – und sich ein tiefes Nichts einzu-stellen beginnt, eine fast schon zen-artige Lee-re, auf deren Grund noch zart und konturlos ganz neue, unerwartete, nie gedachte ideen ihre Augen aufschlagen.

im inneren der iaab-Zentrale jedoch herrscht momentan alles andere als medi-tative Stille, nach der sich das iaab-Team in diesen umtriebigen Frühlingstagen fast ein wenig sehnt. Denn das Programm ist gerade dabei, seine Schwerpunkte zu verlagern und sich in vielfältiger Weise nochmals neu zu entwerfen. Nebst seiner neuen geografischen Ausdehnung bis weit über Strasbourg hinaus und der Ergänzung der iaab-Trägerschaft um die Stadt Mulhouse – die einen Meilenstein in der Geschichte des Programms darstellt – be-müht sich das bisher auf die visuellen Künste fokussierte Stipendienprogramm auch inhalt-lich um eine Erweiterung: in Kooperation mit

dem Fachausschuss Literatur BS / BL und der Kulturstiftung Pro Helvetia hat iaab für das Jahr 2013 das Pilotprojekt eines Autorenaus-tauschs mit indien lanciert. Während so der aus Kalkutta stammende Schriftsteller Ruchir Joshi zu Beginn dieses Jahres drei kalte, dafür aber umso produktivere Monate in einem der Basler iaab-Ateliers verbrachte, erhält nun die Basler Schriftstellerin und Künstlerin Birgit Kempker die Gelegenheit eines dreimonati-gen Aufenthalts in einem Schriftstellerhaus in Bangalore.

Neu ist auch der ebenfalls in Zusammen-arbeit mit der Pro Helvetia lancierte Aus-tausch für Kuratoren, der sich in Basel seit Anfang Mai mit der Residency des chinesi-schen Kunstvermittlers Xia Yanguo mani-festiert: Der aus Peking stammende Kurator und Kunstkritiker wird bis im September in einem der iaab-Ateliers im St. Alban-Tal 40a logieren und gemeinsam mit dem Team des Ausstellungsraums Klingental zur Saisoner-öffnung der Galerien eine Show realisieren, die Xias hoffentlich prickelnde, befremdende, bestürzende und in jedem Falle bereichernde (Aussen-)Sicht auf die regionale Kunstszene spiegeln wird.

Und damit auch sonst noch alles neu bleibt, hat sich iaab nebst dem längst nötigen Re-launch der Website per Ende Jahr auch noch eine weitere Baustelle angelacht: Wenn alles gut geht, startet bereits im September der Um-bau des Gebäudes D an der Oslostrasse 12 auf dem Dreispitz-Areal, das mit einem ehrgeizi-gen Fahrplan ab Ende 2014 die neuen Ateliers für die iaab-Gastkünstler aus aller Welt beher-

iMPRESSUM

Redaktion und TexteOliver Bolanz, Leiter Christoph Merian Verlag

Anette Gehrig, Leiterin Cartoon Museum Basel Christoph Meneghetti, Projektleiter Abteilung Kultur

André Salvisberg, Archive & Sammlungen Alexandra Stäheli, Projektleiterin iaab

Beat von Wartburg, Leiter Abteilung Kultur Rebekka Wiedmer, Assistentin Abteilung Kultur

—PROTO ANiME CUT

Zukunftsvisionen im japanischen AnimationsfilmVisions of the Future in Japanese Animated Films

8.6. – 13.10.2013www.cartoonmuseum.ch

PROTO ANIME

CUT ZUKUNFTSViSiONEN iM JAPANiSCHEN ANiMATiONSFiLM

Anime sind japanische Animationsfilme (ge-zeichnete Trickfilme), die auf der Ästhetik und den Themen der hierzulande noch bekannte-ren Manga (japanische Comics) aufbauen. Sie sind seit einigen Jahren nicht nur bei Fans beliebt, sondern gewinnen zunehmend Ein-fluss auf den Mainstream der globalen Popkul-tur. Anspruchsvolle Anime sind künstlerisch hochstehend, sie spielen oft in einem Science-Fiction-Rahmen und befassen sich mit gesell-schaftlichen Fragen, Zukunftsahnungen und Mensch-Technik-interaktionen. Hierzulande bekannt sind die erfolgreichen Anime «Akira» (1988), «Ghost in the Shell» (1995) und «Neon Genesis Evangelion» (1995), die Gesellschaften

der Zukunft entwerfen und als experimentelle Projektionsfläche für Fantasien und Utopien faszinieren. Aktuelle Themen wie der techni-sche Fortschritt, die Urbanisierung und die Folgen des Wirtschaftswachstums in Japan scheinen uminterpretiert in der Zukunft auf und werden so verarbeitet. Diese Filme prä-gen bis heute die Vorstellungen vom visuellen und narrativen Stil der Anime und bilden den Ausgangspunkt der Ausstellung.

Die zweisprachige (e/d) Ausstellung «Proto Anime Cut. Zukunftsvisionen im japanischen Animationsfilm» stellt Themen, Künstler und Herstellungsprozesse des Genres erstmals in der Schweiz vor. Die handelnden Figuren und

äusserst aufwendigen Szenerien werden eben-so untersucht wie die inhalte, Mechanismen und Möglichkeiten gezeichneter japanischer Science-Fiction. «Proto Anime Cut» bietet so einen aussergewöhnlichen Einblick in ein künstlerisches Schaffen an der Grenze von Film, bildender Kunst und Popkultur.

Die Ausstellung zeigt zahlreiche, der Öf-fentlichkeit normalerweise nicht zugängliche Originalzeichnungen und -skizzen, Studien-material, inspirationsquellen und eine Reihe weiterer Originalobjekte aus dem Herstel-lungsprozess der Filme und präsentiert die entsprechenden Filmausschnitte. Ganz am Anfang durchläuft eine Anime-Produktion

Prozesse kreativer Erfindung, lässt neue Wel-ten entstehen und wird durch künstlerische Entscheidungen geformt. in diesen subjekti-ven Momenten eines ansonsten formalisier-ten und industrialisierten Prozesses wird der narrative Stoff gewoben, aus dem sich schliess-lich die kleinen und grossen Geschichten der filmischen Vision entwickeln. Die ausgestell-ten Arbeiten sind vor allem Zeugnisse dieser kritischen und erfindungsreichen Phase der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und ästhetischen Themen und sind für ein breites Publikum genauso faszinierend wie für eingeschworene Fans.

Trickfilme entstehen durch Arbeitstei-lung, also mit Beteiligung unterschiedlichster Künstler. Gleichzeitig werden sie von prägen-den Persönlichkeiten gestaltet. Die Ausstel-lung zeigt Künstler aus verschiedenen Diszip-linen, die wesentlich dazu beigetragen haben, den typischen Stil von Anime zu etablieren.

Die vorgestellten Regisseure und illustra-toren Hideaki Anno, Haruhiko Higami, Koji Morimoto, Hiromasa Ogura, Mamoru Oshii und Takashi Watabe eint ihr interesse an der realistischen Konstruktion möglicher Welt-bilder und an wirklichkeitsnahen Visionen zukünftiger Städte und Landschaften. Diese Künstler gehören zu einer Generation von il-lustratoren, die noch fast ausschliesslich von Hand zeichnete und den typischen Animestil massgeblich geprägt hat.

Ein Höhepunkt der japanischen Trickfilm-kunst ist sicherlich Katsuhiro Otomos Film «Akira», der 1988 dem japanischen Anime zu internationaler Anerkennung verhalf. Er ba-siert auf Otomos gleichnamigem, insgesamt 2 000 Seiten umfassenden Manga-Epos «Akira» und hat für eine ganze Generation von Kino-besuchern die Sehgewohnheiten und Vorbe-halte gegenüber den künstlerischen Möglich-keiten von Zeichentrickfilmen grundlegend verändert. Als «Akira» 1988 veröffentlicht wur-de, befand sich die japanische Wirtschaftsblase

auf dem Höhepunkt. Der Film reflektiert die grundsätzliche Befürchtung, dass die kapita-listischen Fundamente, auf denen Japan nach dem Zweiten Weltkrieg neu errichtet wurde, am Ende doch nicht so stabil sein könnten wie angenommen. Sowohl der grosse Erfolg von «Akira» als auch der Realismus von « Patlabor» und «Ghost in the Shell» sowie die Glaub-würdigkeit von «Neon Genesis Evangelion» hängen vor allem mit der erstklassigen und detaillierten Darstellung Tokios als Bühne der Geschichten zusammen.

Die Ausstellung «Proto Anime Cut. Zu-kunftsvisionen im japanischen Animati-onsfilm» wird ausserdem von zahlreichen vertiefenden Veranstaltungen, einem Film-programm, Führungen und Vermittlungsan-geboten für Schulen und private Gruppen be-gleitet. in Kooperation mit dem Comix Shop und kult.kino lädt das Cartoonmuseum zu einem Manga- und Anime-Weekend, an dem japanische Trickfilme und Comics im Mittel-punkt stehen. Sowohl die bekannten, aber sehr selten im Kino zu sehenden Filme der teilnehmenden Künstler als auch unbekann-tere Meisterwerke werden präsentiert. Die den Filmen zugrunde liegenden Manga werden zur Ansicht parat liegen. Auch Familien und Kinder sollen angesprochen werden.

Zudem vermitteln Vorträge in Zusammen-arbeit mit der Volkshochschule Hintergrund-wissen zu Anime und Manga. Während der Sommerferien werden Animationsfilmwork-shops für Kinder und Jugendliche angeboten.

Anette Gehrig

プロトアニメカット日本のアニメーションにおける未来像

b www.baslerchronik.ch verbesserte Website

b www.baslerchronik.ch/m neue Website für Mobilgeräte

* Falls Sie den Kulturkalender noch nicht erhalten oder sie Shortcut unentgeltlich zugeschickt erhalten möchten, dann schreiben Sie uns! [email protected]

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Proto Anime Cut —

ShortCut #1

bergen wird – in unmittelbarer Nähe und mit einer direkten räumlichen Verbindung zu den Studios der regionalen Künstler an der Oslo-strasse 10. Damit der prickelnde Austausch zwischen den Kulturen, Kunstverständnissen und Disziplinen im Spiel der Gezeiten zwi-

schen existenzieller Leere und künstlerischer Fülle so richtig aufschäumen kann.

Alexandra Stäheliiaab-Ausschreibung: Bewerbung bis 8.7.13 einreichen!Jetzt neu online unter www.iaab.ch

Gestaltung Hauser, Schwarz – Basel

Druck Gremper AG – Münchenstein

Christoph Merian Stiftung St. Alban-Vorstadt 5

Ch-4002 Basel

DAS KULTURMAGAZiN DER CHRiSTOPH MERiAN STiFTUNG

shORTCUTSchwerpunkt:

KREATiVWiRTSCHAFTCartoonmuseum Basel:

JAPANiSCHER ANiMATiONSFiLM

iaab:iAAB WiRD

TRiNATiONAL

#1Juni 2013

Page 5: Shortcut 1

Koji Morimoto, Ausschnitte aus EXTRA, Aquarell auf Papier, Fineliner auf transparenter Folie, Bleistift auf Papier, Copic Marker, 1995 © Beyond C, Tokyo / R & S Records, London / Sony Music. Ent., TokyoKoji Morimoto, Hintergrund für EXTRA, Line-Overlay: Aquarell auf Papier und Fineliner auf transparenter Folie, 1995 © Beyond C, Tokyo / R & S Records, London / Sony Music. Ent., TokyoKoji Morimoto, Auszug aus dem Storyboard für Dimension Bomb, Bleistift und Copic Marker auf Papier, 2009 © Koji Morimoto, 2009, Studio 4°C, Tokio

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FALLBEiL FÜR GÄNSEBLÜMCHENSeit neun Jahren führt der Christoph Merian Verlag in Zu-sammenarbeit mit dem Schwei-zer Radio SRF Hörbücher im Programm. Der Schwerpunkt der gemeinsamen Hörbuchedition liegt dabei auf inszenierten Hör-spielen. Daneben erschienen im-mer wieder Hörbücher ausserhalb dieser Reihe, oft in Zusammen-arbeit mit anderen institutionen wie dem Robert Walser Archiv und dem Migros Kulturprozent oder mit den Autoren selbst (so Urs Widmer und Franz Hohler). Eine weitere langjährige Koope-ration besteht mit der Stiftung Radio Basel. Sie vergibt seit 2007 den internationalen Featurepreis an herausragende Produktionen von ARD, ORF und SRF. Das Gewinnerfeature wird jeweils auf CD veröffentlicht und erscheint im Christoph Merian Verlag.

Radio-Features sind Reportagen, die Elemente des Hörspiels und der Dokumentation miteinander verbinden. Ein gut gemachtes Feature fesselt den Hörer, lässt ihn in die (wahre!) Geschichte eintauchen und spielt virtuos mit den Stilmitteln des Radios.

«Fallbeil für Gänseblümchen» – Gewinner des internationalen Featurepreises 2012 – ist ein solches Feature. Zu hören sind ausgewählte Ausschnitte aus ei-nem Gerichtsprozess in Ostberlin zur Zeit des Kalten Krieges Mitte

der 1950er-Jahre. Der Westspiona-ge angeklagt sind Elli Barczatis (Deckname «Gänseblümchen»), Sekretärin des DDR-Ministerprä-sidenten Otto Grotewohl, und ihr Geliebter, der westdeutsche Agent Karl Laurenz. Die Öffentlichkeit ist bei diesem Gerichtsprozess ausgeschlossen, die Staatssicher-heit schneidet die Verhandlung mit.

Über ein halbes Jahrhundert sind seit diesem Prozess vergangen, der nach der Wiedervereinigung ein juristisches Nachspiel hatte. Maximilian Schönherr hat die Bänder der Stasi entdeckt und daraus für den WDR ein Radio-feature erstellt, das unter die Haut geht. Das bisher unveröffentlichte Originalmaterial erzählt viel über das Funktionieren einer Diktatur und ist ein packendes Zeitzeug-nis, das den deutsch-deutschen Konflikt in einem scharfen Licht darstellt.

Obwohl die einst überzeugte Genossin Elli Barczatis keine wirklich wichtigen informationen an Westdeutschland geliefert hat, zeigt sich das Gericht gnadenlos. Die Angeklagten sind ohne Verteidiger, das Urteil scheint fest zu stehen, noch bevor die Ver-handlung begonnen hat, Gericht und Staatsanwalt arbeiten Hand in Hand. Die perfide Rhetorik und die Fangfragen des Richters sind schwer zu ertragen, und

selbst heute, knapp sechzig Jahre nach der Verhandlung, fühlt man die Bedrohung fast körperlich. Auch die komplexe Beziehung der Angeklagten zu ihrem Gelieb-ten ist erschütternd. Schliesslich steuert der Prozess auf das unver-meidliche Ende zu: die Verkün-digung des Todesurteils, das zwei Monate später vollstreckt wurde.

Als Hörbuch im Christoph Merian Verlag erschienen, fand das Feature grosse Aufmerksam-keit. Es war unter anderem auf der renommierten Bestenliste des Hessischen Rundfunks notiert, war «Hörbuch der Woche» im Bayerischen Rundfunk und wird bereits im Geschichtsunterricht eingesetzt.

Oliver Bolanz

www.merianverlag.ch

DiGiTAL DURCH DiE BASLER VERGANGENHEiTDas zeitgeschichtliche Webportal baslerchronik.ch neu auch für Mobilgeräte

Dass sich die Medienwelt rasch und immer rascher ändert, ist eine Binsenweisheit. Die Digitali-sierung unseres Alltags hat schon lange eingesetzt. Für das 1879 begonnene Basler Stadtbuch und die darin eingegliederte Basler Chronik begann die neue Zeit-rechnung im Jahr 2000. Erstmals konnten dann alle Artikel und alle Autorinnen und Autoren beim Christoph Merian Verlag auch online abgerufen werden, et-was später auch alle Chronikein-träge. Seit 2011 geht die Chronik als Website baslerchronik.ch ihren eigenen, nun rein digitalen Weg. Film- und Tondokumente von

Telebasel und Regionaljournal sowie eigens in Auftrag gegebene Fotos sorgen für die multimediale Anreicherung.

Die Firma Hinderling & Volkart hat die Website von Beginn an sehr ansprechend und fortschritt-lich entwickelt. Allerdings hatte baslerchronik.ch den Haken, für den Arbeitsplatzcomputer ausgelegt zu sein und nicht für Smartphones oder für Tablets, die sich in den letzten zwei Jahren enorm verbreitet haben. Seit Ende Januar 2013 ist deswegen eine für Mobilgeräte und deren Touch-screen optimierte Parallelwebsite aufgeschaltet. Die Bedienung

geschieht intuitiv und spielerisch. Zudem hat die bisherige Website ein Update erhalten, indem die Suchfunktion verfeinert und das Ansteuern bestimmter Daten erleichtert worden sind.

Was heutzutage nicht im Web erscheint, stirbt aus dem öffentli-chen Bewusstsein weg. Mit dem zeitgeschichtlichen Webportal baslerchronik.ch sichert und erweitert die Christoph Merian Stiftung eine wichtige Recherche-möglichkeit über das Basel der vergangenen 130 und der noch kommenden Jahre.

André Salvisberg

iAAB WiRD JETZT FRANZÖSiSCH DiE STADT MULHOUSE iST PROJEKTPARTNER VON iAAB

Was die bildende Kunst mit derjenigen des Vinifizierens verbindet, hat die Basler Künst-lerin Renée Levi einmal festgehalten, sei der Prozess des Komprimierens – und das Stadium der Gärung, könnte man noch hinzufügen. So entwickelt etwa ein guter Gewürztrami-ner aus dem Elsass seine Finesse und seine mineralische Struktur erst nach drei Jahren Flaschenlegung, und wenn er sich dann noch zwei Jahre im Holzfass entspannen kann, dann blühen die verwandelten Trauben buchstäb-lich zu einem reichen Strauss an Aromen und Düften auf.

Auch Kooperationen im Kunstbereich kön-nen manchmal die Stadien des Reifens mit Gewinn durchlaufen. So hat sich die Zusam-menarbeit zwischen dem Künstleraustausch-programm iaab und den elsässischen institu-tionen auf der Strecke von Mulhouse nach Basel in traminischen Dimensionen entfaltet, sie hat lange Zeit gegärt, ist dann mehrfach im Barrique gewendet und verkostet worden – bis sie sich jetzt mit einem umso überraschende-ren und hinreissenden Bouquet präsentiert: Seit Mai 2013 ist die Stadt Mulhouse gemein-sam mit der Kunsthalle Mulhouse Teil der iaab-Trägerschaft. Dabei hat iaab, dank dem intensiven Engagement und dem standhaften Einsatz von Kunsthallendirektorin Sandrine Wymann, mit Mulhouse einen ganz beson-ders vielfältigen und engagierten Partner ge-winnen können; denn die Stadt unterstützt das Stipendienprogramm nicht nur jährlich mit einem finanziellen Beitrag, sie bringt mit der Kunsthalle Mulhouse auch einen agilen Partner mit ins Boot, der wiederum eng mit der neu fusionierten Haute-Ecole des Arts du Rhin zusammenarbeitet. Diese elsässische Hochschule für Gestaltung und Kunst ver-bindet seit Kurzem künstlerisch die Städte Mulhouse und Strasbourg.

So wird die Kunsthalle in Zukunft durch die Kooperation mit iaab jeweils pro Jahr zwei Gastkünstler bzw. Gastdesigner aus indien be-herbergen, deren Arbeit der Geschichte, der Fabrikation und/oder dem Design von Texti-lien gewidmet ist und die während ihres Auf-enthalts in der einstigen Textilhochburg Mul-house unter anderem von der Haute-Ecole des Arts du Rhin, dem Musée de l’impression sur Etoffes sowie der Ecole Nationale Supérieure d’ingénieurs Sud Alsace begleitet werden. im Gegenzug können sich professionelle Künstle-rinnen und Künstler, die im Elsass leben oder arbeiten, für ein iaab-Auslandsstipendium be-werben.

Somit ist denn iaab zum ersten Mal in sei-ner 27-jährigen Geschichte trinational veran-kert, und sein Einzugsgebiet erstreckt sich nun mit einem Mal von Basel bis weit über Stras-bourg hinaus, von Freiburg i. Br. durch das Unter- und Oberbaselbiet bis an die äussersten Ränder des Kantons Solothurn. Zum ersten Mal wird die Ausschreibung des Stipendien-programms dieses Jahr auch zweisprachig pu-bliziert und die Bewerbung erfolgt neu online auf der iaab-Website, ebenfalls zweisprachig.

Alexandra Stäheli

SCHREiBEN iN iNDiENDer Fachausschuss Literatur BS / BL hat zusam-men mit iaab ein Schriftsteller-Stipendium für Bangalore ausgeschrieben. Birgit Kempker wur-de für einen dreimonatigen Aufenthalt in der Writer’s Residency Sangam-House ausgewählt. Vier Fragen an die Basler Autorin, die Anfang November ihre Zelte in indien aufschlagen wird.

Frau Kempker, Sie haben ein Stipendium für das Schriftstellerhaus Sangam in Bangalore erhalten. Welche Wünsche oder Erwartungen verbinden Sie mit ihrem Aufenthalt in indien? Den Wunsch nach Zeit und Raum, in dem Unvorhergesehenes passieren kann. Zärtlich-keit und Disziplin, das ist mein Code für 2013, mehr von beidem wünsche ich mir auch. Haben Sie ein konkretes schriftstellerisches Projekt für die Zeit in indien?Zu viele. Der Peggyplan, da sitzt Peggy mit einer Reihe ungebildeter Räuber am Fluss und denkt (und verkörpert). Der Liebesplan, da bereitet sich ein Mann auf die Liebe vor. Und besonders der Tanzplan, Schreiben als eine andere Art zu tanzen. Meine Art, mich den Dingen, dem Denken, dem Schreiben und Menschen, Erinnerungen zu nähern, ist: es zu verkörpern. Es ist etwas sehr Einfaches, und dieser Einfachheit würde ich gerne näherkom-men, sie verkörpern.

Welche Effekte könnte es für Sie haben, in einem fremdsprachigen Kontext zu schreiben?Der Sprachplan. ich stelle mir vor, in eng-lischer Sprache zu schreiben und mich erst später zurückzuholen in die deutsche Sprache, nach den drei Monaten. Natürlich verspreche ich mir davon eine gewisse gründliche Ent-kempkerung.

Denken Sie, dass «das indische», das tropische Fluidum vor Ort, in irgendwelcher Form in ihr Schreiben einfliessen wird? Auch wenn dieses inhaltlich und formal in einem anderen Kon-text angesiedelt ist. (in einem europäischen oder evtl. auch in einem allgemein-menschli-chen, ich denke da an den Liebesplan, also die Frage nach der Liebe eines Mannes.)Für den Liebesplan hat es bestimmt Folgen, dass ich meinen Mann mit nach indien neh-me. Er wird dort anders darüber nachdenken, wie er sich auf die Liebe vorbereiten kann und wie er einer Frau gefallen könnte. Er wird ja auch seine Umgebung beobachten und Schlüsse ziehen. Vielleicht muss ich ihn dann dort lassen, falls er sich durch seine Er-kenntnisse und Bemühungen für die Liebe in Europa disqualifiziert.

interview: Alexandra Stäheli

iAAB –UNTERWEGS ZU NEUEN

BAUSTELLENSÜDAFRiKANiSCHE LEERE, CHiNESiSCHER AUSSENBLiCK

UND RÄUMLiCHE AUSDEHNUNG

Er fühle sich innerlich total leer und er habe keine Ahnung, in welche Richtung sich sei-ne Arbeit weiter entwickeln werde – ja, ob überhaupt!, berichtet der südafrikanische Gastkünstler igshaan Adams zwei Monate nach seiner Ankunft in Basel mit von Sorgen erfüllten Augen. Und das iaab-Team ist begeis-tert. Denn der Künstler zeigt alle Symptome einer gelungenen Residency. Wenn sich Kunst-schaffende auf die räumliche, zeitliche und diskursive Verschiebung des Lebenskontextes, die eine Residency immer bedeutet, wirklich einlassen, kann es geschehen, dass vertraute Sichtweisen, scheinbar normale Abläufe und gängige Perspektiven auf die künstlerische Praxis plötzlich von einem Werk abzufliessen beginnen – und sich ein tiefes Nichts einzu-stellen beginnt, eine fast schon zen-artige Lee-re, auf deren Grund noch zart und konturlos ganz neue, unerwartete, nie gedachte ideen ihre Augen aufschlagen.

im inneren der iaab-Zentrale jedoch herrscht momentan alles andere als medi-tative Stille, nach der sich das iaab-Team in diesen umtriebigen Frühlingstagen fast ein wenig sehnt. Denn das Programm ist gerade dabei, seine Schwerpunkte zu verlagern und sich in vielfältiger Weise nochmals neu zu entwerfen. Nebst seiner neuen geografischen Ausdehnung bis weit über Strasbourg hinaus und der Ergänzung der iaab-Trägerschaft um die Stadt Mulhouse – die einen Meilenstein in der Geschichte des Programms darstellt – be-müht sich das bisher auf die visuellen Künste fokussierte Stipendienprogramm auch inhalt-lich um eine Erweiterung: in Kooperation mit

dem Fachausschuss Literatur BS / BL und der Kulturstiftung Pro Helvetia hat iaab für das Jahr 2013 das Pilotprojekt eines Autorenaus-tauschs mit indien lanciert. Während so der aus Kalkutta stammende Schriftsteller Ruchir Joshi zu Beginn dieses Jahres drei kalte, dafür aber umso produktivere Monate in einem der Basler iaab-Ateliers verbrachte, erhält nun die Basler Schriftstellerin und Künstlerin Birgit Kempker die Gelegenheit eines dreimonati-gen Aufenthalts in einem Schriftstellerhaus in Bangalore.

Neu ist auch der ebenfalls in Zusammen-arbeit mit der Pro Helvetia lancierte Aus-tausch für Kuratoren, der sich in Basel seit Anfang Mai mit der Residency des chinesi-schen Kunstvermittlers Xia Yanguo mani-festiert: Der aus Peking stammende Kurator und Kunstkritiker wird bis im September in einem der iaab-Ateliers im St. Alban-Tal 40a logieren und gemeinsam mit dem Team des Ausstellungsraums Klingental zur Saisoner-öffnung der Galerien eine Show realisieren, die Xias hoffentlich prickelnde, befremdende, bestürzende und in jedem Falle bereichernde (Aussen-)Sicht auf die regionale Kunstszene spiegeln wird.

Und damit auch sonst noch alles neu bleibt, hat sich iaab nebst dem längst nötigen Re-launch der Website per Ende Jahr auch noch eine weitere Baustelle angelacht: Wenn alles gut geht, startet bereits im September der Um-bau des Gebäudes D an der Oslostrasse 12 auf dem Dreispitz-Areal, das mit einem ehrgeizi-gen Fahrplan ab Ende 2014 die neuen Ateliers für die iaab-Gastkünstler aus aller Welt beher-

iMPRESSUM

Redaktion und TexteOliver Bolanz, Leiter Christoph Merian Verlag

Anette Gehrig, Leiterin Cartoon Museum Basel Christoph Meneghetti, Projektleiter Abteilung Kultur

André Salvisberg, Archive & Sammlungen Alexandra Stäheli, Projektleiterin iaab

Beat von Wartburg, Leiter Abteilung Kultur Rebekka Wiedmer, Assistentin Abteilung Kultur

—PROTO ANiME CUT

Zukunftsvisionen im japanischen AnimationsfilmVisions of the Future in Japanese Animated Films

8.6. – 13.10.2013www.cartoonmuseum.ch

PROTO ANIME

CUT ZUKUNFTSViSiONEN iM

JAPANiSCHEN ANiMATiONSFiLM

Anime sind japanische Animationsfilme (ge-zeichnete Trickfilme), die auf der Ästhetik und den Themen der hierzulande noch bekannte-ren Manga (japanische Comics) aufbauen. Sie sind seit einigen Jahren nicht nur bei Fans beliebt, sondern gewinnen zunehmend Ein-fluss auf den Mainstream der globalen Popkul-tur. Anspruchsvolle Anime sind künstlerisch hochstehend, sie spielen oft in einem Science-Fiction-Rahmen und befassen sich mit gesell-schaftlichen Fragen, Zukunftsahnungen und Mensch-Technik-interaktionen. Hierzulande bekannt sind die erfolgreichen Anime «Akira» (1988), «Ghost in the Shell» (1995) und «Neon Genesis Evangelion» (1995), die Gesellschaften

der Zukunft entwerfen und als experimentelle Projektionsfläche für Fantasien und Utopien faszinieren. Aktuelle Themen wie der techni-sche Fortschritt, die Urbanisierung und die Folgen des Wirtschaftswachstums in Japan scheinen uminterpretiert in der Zukunft auf und werden so verarbeitet. Diese Filme prä-gen bis heute die Vorstellungen vom visuellen und narrativen Stil der Anime und bilden den Ausgangspunkt der Ausstellung.

Die zweisprachige (e/d) Ausstellung «Proto Anime Cut. Zukunftsvisionen im japanischen Animationsfilm» stellt Themen, Künstler und Herstellungsprozesse des Genres erstmals in der Schweiz vor. Die handelnden Figuren und

äusserst aufwendigen Szenerien werden eben-so untersucht wie die inhalte, Mechanismen und Möglichkeiten gezeichneter japanischer Science-Fiction. «Proto Anime Cut» bietet so einen aussergewöhnlichen Einblick in ein künstlerisches Schaffen an der Grenze von Film, bildender Kunst und Popkultur.

Die Ausstellung zeigt zahlreiche, der Öf-fentlichkeit normalerweise nicht zugängliche Originalzeichnungen und -skizzen, Studien-material, inspirationsquellen und eine Reihe weiterer Originalobjekte aus dem Herstel-lungsprozess der Filme und präsentiert die entsprechenden Filmausschnitte. Ganz am Anfang durchläuft eine Anime-Produktion

Prozesse kreativer Erfindung, lässt neue Wel-ten entstehen und wird durch künstlerische Entscheidungen geformt. in diesen subjekti-ven Momenten eines ansonsten formalisier-ten und industrialisierten Prozesses wird der narrative Stoff gewoben, aus dem sich schliess-lich die kleinen und grossen Geschichten der filmischen Vision entwickeln. Die ausgestell-ten Arbeiten sind vor allem Zeugnisse dieser kritischen und erfindungsreichen Phase der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und ästhetischen Themen und sind für ein breites Publikum genauso faszinierend wie für eingeschworene Fans.

Trickfilme entstehen durch Arbeitstei-lung, also mit Beteiligung unterschiedlichster Künstler. Gleichzeitig werden sie von prägen-den Persönlichkeiten gestaltet. Die Ausstel-lung zeigt Künstler aus verschiedenen Diszip-linen, die wesentlich dazu beigetragen haben, den typischen Stil von Anime zu etablieren.

Die vorgestellten Regisseure und illustra-toren Hideaki Anno, Haruhiko Higami, Koji Morimoto, Hiromasa Ogura, Mamoru Oshii und Takashi Watabe eint ihr interesse an der realistischen Konstruktion möglicher Welt-bilder und an wirklichkeitsnahen Visionen zukünftiger Städte und Landschaften. Diese Künstler gehören zu einer Generation von il-lustratoren, die noch fast ausschliesslich von Hand zeichnete und den typischen Animestil massgeblich geprägt hat.

Ein Höhepunkt der japanischen Trickfilm-kunst ist sicherlich Katsuhiro Otomos Film «Akira», der 1988 dem japanischen Anime zu internationaler Anerkennung verhalf. Er ba-siert auf Otomos gleichnamigem, insgesamt 2 000 Seiten umfassenden Manga-Epos «Akira» und hat für eine ganze Generation von Kino-besuchern die Sehgewohnheiten und Vorbe-halte gegenüber den künstlerischen Möglich-keiten von Zeichentrickfilmen grundlegend verändert. Als «Akira» 1988 veröffentlicht wur-de, befand sich die japanische Wirtschaftsblase

auf dem Höhepunkt. Der Film reflektiert die grundsätzliche Befürchtung, dass die kapita-listischen Fundamente, auf denen Japan nach dem Zweiten Weltkrieg neu errichtet wurde, am Ende doch nicht so stabil sein könnten wie angenommen. Sowohl der grosse Erfolg von «Akira» als auch der Realismus von « Patlabor» und «Ghost in the Shell» sowie die Glaub-würdigkeit von «Neon Genesis Evangelion» hängen vor allem mit der erstklassigen und detaillierten Darstellung Tokios als Bühne der Geschichten zusammen.

Die Ausstellung «Proto Anime Cut. Zu-kunftsvisionen im japanischen Animati-onsfilm» wird ausserdem von zahlreichen vertiefenden Veranstaltungen, einem Film-programm, Führungen und Vermittlungsan-geboten für Schulen und private Gruppen be-gleitet. in Kooperation mit dem Comix Shop und kult.kino lädt das Cartoonmuseum zu einem Manga- und Anime-Weekend, an dem japanische Trickfilme und Comics im Mittel-punkt stehen. Sowohl die bekannten, aber sehr selten im Kino zu sehenden Filme der teilnehmenden Künstler als auch unbekann-tere Meisterwerke werden präsentiert. Die den Filmen zugrunde liegenden Manga werden zur Ansicht parat liegen. Auch Familien und Kinder sollen angesprochen werden.

Zudem vermitteln Vorträge in Zusammen-arbeit mit der Volkshochschule Hintergrund-wissen zu Anime und Manga. Während der Sommerferien werden Animationsfilmwork-shops für Kinder und Jugendliche angeboten.

Anette Gehrig

プロトアニメカット日本のアニメーションにおける未来像

b www.baslerchronik.ch verbesserte Website

b www.baslerchronik.ch/m neue Website für Mobilgeräte

* Falls Sie den Kulturkalender noch nicht erhalten oder sie Shortcut unentgeltlich zugeschickt erhalten möchten, dann schreiben Sie uns! [email protected]

Proto Anime Cut —

ShortCut #1Proto Anim

e Cut — ShortCut #1

Prot

o An

ime

Cut

— S

hort

Cut

#1

bergen wird – in unmittelbarer Nähe und mit einer direkten räumlichen Verbindung zu den Studios der regionalen Künstler an der Oslo-strasse 10. Damit der prickelnde Austausch zwischen den Kulturen, Kunstverständnissen und Disziplinen im Spiel der Gezeiten zwi-

schen existenzieller Leere und künstlerischer Fülle so richtig aufschäumen kann.

Alexandra Stäheliiaab-Ausschreibung: Bewerbung bis 8.7.13 einreichen!Jetzt neu online unter www.iaab.ch

Gestaltung Hauser, Schwarz – Basel

Druck Gremper AG – Münchenstein

Christoph Merian Stiftung St. Alban-Vorstadt 5

Ch-4002 Basel

DAS KULTURMAGAZiN DER CHRiSTOPH MERiAN STiFTUNG shORTCUT

Schwerpunkt:KREATiVWiRTSCHAFT

Cartoonmuseum Basel:JAPANiSCHER

ANiMATiONSFiLM

iaab:iAAB WiRD

TRiNATiONAL

#1 Juni2013

Page 6: Shortcut 1

Koji Morimoto, Ausschnitte aus EXTRA, Aquarell auf Papier, Fineliner auf transparenter Folie, Bleistift auf Papier, Copic Marker, 1995 © Beyond C, Tokyo / R & S Records, London / Sony Music. Ent., TokyoKoji Morimoto, Hintergrund für EXTRA, Line-Overlay: Aquarell auf Papier und Fineliner auf transparenter Folie, 1995 © Beyond C, Tokyo / R & S Records, London / Sony Music. Ent., TokyoKoji Morimoto, Auszug aus dem Storyboard für Dimension Bomb, Bleistift und Copic Marker auf Papier, 2009 © Koji Morimoto, 2009, Studio 4°C, Tokio

gg

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EDiTORiAL—

Ein Shortcut, liebe Leserin, lieber Leser, ermöglicht im iT-Bereich per Tastenkombination oder via Link einen direkten Zugang zu gewünschten Applikationen und informationen. «Shortcut» heisst auch das neue Kulturmagazin der Christoph Merian Stiftung. Der Name ist Programm. Shortcut soll Sie ohne Umwege mit der Christoph Merian Stiftung kurzschliessen. Mit diesem «Link» möchten wir Sie darüber informieren, was die Stiftung im Kulturellen tut und warum. Shortcut berichtet über die Kultur förderpraxis und setzt einzelne Projekte in den Zusammenhang der Stiftungsförderpolitik. Das Magazin will Hintergründe beleuchten und einen Blick in den Backstage-Be-reich ermöglichen, sowohl bei der klassischen Projektförderung als auch bei den stiftungseigenen Projekten und Kulturplayern wie dem Christoph Merian Verlag, dem Cartoonmuseum Basel und dem Austauschprogramm iaab. Jede Ausgabe enthält ei-nen thematischen Schwerpunkt. Wir beginnen mit der Kreativ-wirtschaft.Shortcut erscheint von nun an regelmässig und ergänzt damit unseren monatlichen Veranstaltungsnewsletter, den «Kultur-kalender».*Wir wünschen ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre!Beat von Wartburg, Leiter Abteilung Kultur der Christoph Merian Stiftung

FALLBEiL FÜR GÄNSEBLÜMCHENSeit neun Jahren führt der Christoph Merian Verlag in Zu-sammenarbeit mit dem Schwei-zer Radio SRF Hörbücher im Programm. Der Schwerpunkt der gemeinsamen Hörbuchedition liegt dabei auf inszenierten Hör-spielen. Daneben erschienen im-mer wieder Hörbücher ausserhalb dieser Reihe, oft in Zusammen-arbeit mit anderen institutionen wie dem Robert Walser Archiv und dem Migros Kulturprozent oder mit den Autoren selbst (so Urs Widmer und Franz Hohler). Eine weitere langjährige Koope-ration besteht mit der Stiftung Radio Basel. Sie vergibt seit 2007 den internationalen Featurepreis an herausragende Produktionen von ARD, ORF und SRF. Das Gewinnerfeature wird jeweils auf CD veröffentlicht und erscheint im Christoph Merian Verlag.

Radio-Features sind Reportagen, die Elemente des Hörspiels und der Dokumentation miteinander verbinden. Ein gut gemachtes Feature fesselt den Hörer, lässt ihn in die (wahre!) Geschichte eintauchen und spielt virtuos mit den Stilmitteln des Radios.

«Fallbeil für Gänseblümchen» – Gewinner des internationalen Featurepreises 2012 – ist ein solches Feature. Zu hören sind ausgewählte Ausschnitte aus ei-nem Gerichtsprozess in Ostberlin zur Zeit des Kalten Krieges Mitte

der 1950er-Jahre. Der Westspiona-ge angeklagt sind Elli Barczatis (Deckname «Gänseblümchen»), Sekretärin des DDR-Ministerprä-sidenten Otto Grotewohl, und ihr Geliebter, der westdeutsche Agent Karl Laurenz. Die Öffentlichkeit ist bei diesem Gerichtsprozess ausgeschlossen, die Staatssicher-heit schneidet die Verhandlung mit.

Über ein halbes Jahrhundert sind seit diesem Prozess vergangen, der nach der Wiedervereinigung ein juristisches Nachspiel hatte. Maximilian Schönherr hat die Bänder der Stasi entdeckt und daraus für den WDR ein Radio-feature erstellt, das unter die Haut geht. Das bisher unveröffentlichte Originalmaterial erzählt viel über das Funktionieren einer Diktatur und ist ein packendes Zeitzeug-nis, das den deutsch-deutschen Konflikt in einem scharfen Licht darstellt.

Obwohl die einst überzeugte Genossin Elli Barczatis keine wirklich wichtigen informationen an Westdeutschland geliefert hat, zeigt sich das Gericht gnadenlos. Die Angeklagten sind ohne Verteidiger, das Urteil scheint fest zu stehen, noch bevor die Ver-handlung begonnen hat, Gericht und Staatsanwalt arbeiten Hand in Hand. Die perfide Rhetorik und die Fangfragen des Richters sind schwer zu ertragen, und

selbst heute, knapp sechzig Jahre nach der Verhandlung, fühlt man die Bedrohung fast körperlich. Auch die komplexe Beziehung der Angeklagten zu ihrem Gelieb-ten ist erschütternd. Schliesslich steuert der Prozess auf das unver-meidliche Ende zu: die Verkün-digung des Todesurteils, das zwei Monate später vollstreckt wurde.

Als Hörbuch im Christoph Merian Verlag erschienen, fand das Feature grosse Aufmerksam-keit. Es war unter anderem auf der renommierten Bestenliste des Hessischen Rundfunks notiert, war «Hörbuch der Woche» im Bayerischen Rundfunk und wird bereits im Geschichtsunterricht eingesetzt.

Oliver Bolanz

www.merianverlag.ch

DiGiTAL DURCH DiE BASLER VERGANGENHEiTDas zeitgeschichtliche Webportal baslerchronik.ch neu auch für Mobilgeräte

Dass sich die Medienwelt rasch und immer rascher ändert, ist eine Binsenweisheit. Die Digitali-sierung unseres Alltags hat schon lange eingesetzt. Für das 1879 begonnene Basler Stadtbuch und die darin eingegliederte Basler Chronik begann die neue Zeit-rechnung im Jahr 2000. Erstmals konnten dann alle Artikel und alle Autorinnen und Autoren beim Christoph Merian Verlag auch online abgerufen werden, et-was später auch alle Chronikein-träge. Seit 2011 geht die Chronik als Website baslerchronik.ch ihren eigenen, nun rein digitalen Weg. Film- und Tondokumente von

Telebasel und Regionaljournal sowie eigens in Auftrag gegebene Fotos sorgen für die multimediale Anreicherung.

Die Firma Hinderling & Volkart hat die Website von Beginn an sehr ansprechend und fortschritt-lich entwickelt. Allerdings hatte baslerchronik.ch den Haken, für den Arbeitsplatzcomputer ausgelegt zu sein und nicht für Smartphones oder für Tablets, die sich in den letzten zwei Jahren enorm verbreitet haben. Seit Ende Januar 2013 ist deswegen eine für Mobilgeräte und deren Touch-screen optimierte Parallelwebsite aufgeschaltet. Die Bedienung

geschieht intuitiv und spielerisch. Zudem hat die bisherige Website ein Update erhalten, indem die Suchfunktion verfeinert und das Ansteuern bestimmter Daten erleichtert worden sind.

Was heutzutage nicht im Web erscheint, stirbt aus dem öffentli-chen Bewusstsein weg. Mit dem zeitgeschichtlichen Webportal baslerchronik.ch sichert und erweitert die Christoph Merian Stiftung eine wichtige Recherche-möglichkeit über das Basel der vergangenen 130 und der noch kommenden Jahre.

André Salvisberg

iAAB WiRD JETZT FRANZÖSiSCH DiE STADT MULHOUSE iST PROJEKTPARTNER VON iAAB

Was die bildende Kunst mit derjenigen des Vinifizierens verbindet, hat die Basler Künst-lerin Renée Levi einmal festgehalten, sei der Prozess des Komprimierens – und das Stadium der Gärung, könnte man noch hinzufügen. So entwickelt etwa ein guter Gewürztrami-ner aus dem Elsass seine Finesse und seine mineralische Struktur erst nach drei Jahren Flaschenlegung, und wenn er sich dann noch zwei Jahre im Holzfass entspannen kann, dann blühen die verwandelten Trauben buchstäb-lich zu einem reichen Strauss an Aromen und Düften auf.

Auch Kooperationen im Kunstbereich kön-nen manchmal die Stadien des Reifens mit Gewinn durchlaufen. So hat sich die Zusam-menarbeit zwischen dem Künstleraustausch-programm iaab und den elsässischen institu-tionen auf der Strecke von Mulhouse nach Basel in traminischen Dimensionen entfaltet, sie hat lange Zeit gegärt, ist dann mehrfach im Barrique gewendet und verkostet worden – bis sie sich jetzt mit einem umso überraschende-ren und hinreissenden Bouquet präsentiert: Seit Mai 2013 ist die Stadt Mulhouse gemein-sam mit der Kunsthalle Mulhouse Teil der iaab-Trägerschaft. Dabei hat iaab, dank dem intensiven Engagement und dem standhaften Einsatz von Kunsthallendirektorin Sandrine Wymann, mit Mulhouse einen ganz beson-ders vielfältigen und engagierten Partner ge-winnen können; denn die Stadt unterstützt das Stipendienprogramm nicht nur jährlich mit einem finanziellen Beitrag, sie bringt mit der Kunsthalle Mulhouse auch einen agilen Partner mit ins Boot, der wiederum eng mit der neu fusionierten Haute-Ecole des Arts du Rhin zusammenarbeitet. Diese elsässische Hochschule für Gestaltung und Kunst ver-bindet seit Kurzem künstlerisch die Städte Mulhouse und Strasbourg.

So wird die Kunsthalle in Zukunft durch die Kooperation mit iaab jeweils pro Jahr zwei Gastkünstler bzw. Gastdesigner aus indien be-herbergen, deren Arbeit der Geschichte, der Fabrikation und/oder dem Design von Texti-lien gewidmet ist und die während ihres Auf-enthalts in der einstigen Textilhochburg Mul-house unter anderem von der Haute-Ecole des Arts du Rhin, dem Musée de l’impression sur Etoffes sowie der Ecole Nationale Supérieure d’ingénieurs Sud Alsace begleitet werden. im Gegenzug können sich professionelle Künstle-rinnen und Künstler, die im Elsass leben oder arbeiten, für ein iaab-Auslandsstipendium be-werben.

Somit ist denn iaab zum ersten Mal in sei-ner 27-jährigen Geschichte trinational veran-kert, und sein Einzugsgebiet erstreckt sich nun mit einem Mal von Basel bis weit über Stras-bourg hinaus, von Freiburg i. Br. durch das Unter- und Oberbaselbiet bis an die äussersten Ränder des Kantons Solothurn. Zum ersten Mal wird die Ausschreibung des Stipendien-programms dieses Jahr auch zweisprachig pu-bliziert und die Bewerbung erfolgt neu online auf der iaab-Website, ebenfalls zweisprachig.

Alexandra Stäheli

SCHREiBEN iN iNDiENDer Fachausschuss Literatur BS / BL hat zusam-men mit iaab ein Schriftsteller-Stipendium für Bangalore ausgeschrieben. Birgit Kempker wur-de für einen dreimonatigen Aufenthalt in der Writer’s Residency Sangam-House ausgewählt. Vier Fragen an die Basler Autorin, die Anfang November ihre Zelte in indien aufschlagen wird.

Frau Kempker, Sie haben ein Stipendium für das Schriftstellerhaus Sangam in Bangalore erhalten. Welche Wünsche oder Erwartungen verbinden Sie mit ihrem Aufenthalt in indien? Den Wunsch nach Zeit und Raum, in dem Unvorhergesehenes passieren kann. Zärtlich-keit und Disziplin, das ist mein Code für 2013, mehr von beidem wünsche ich mir auch. Haben Sie ein konkretes schriftstellerisches Projekt für die Zeit in indien?Zu viele. Der Peggyplan, da sitzt Peggy mit einer Reihe ungebildeter Räuber am Fluss und denkt (und verkörpert). Der Liebesplan, da bereitet sich ein Mann auf die Liebe vor. Und besonders der Tanzplan, Schreiben als eine andere Art zu tanzen. Meine Art, mich den Dingen, dem Denken, dem Schreiben und Menschen, Erinnerungen zu nähern, ist: es zu verkörpern. Es ist etwas sehr Einfaches, und dieser Einfachheit würde ich gerne näherkom-men, sie verkörpern.

Welche Effekte könnte es für Sie haben, in einem fremdsprachigen Kontext zu schreiben?Der Sprachplan. ich stelle mir vor, in eng-lischer Sprache zu schreiben und mich erst später zurückzuholen in die deutsche Sprache, nach den drei Monaten. Natürlich verspreche ich mir davon eine gewisse gründliche Ent-kempkerung.

Denken Sie, dass «das indische», das tropische Fluidum vor Ort, in irgendwelcher Form in ihr Schreiben einfliessen wird? Auch wenn dieses inhaltlich und formal in einem anderen Kon-text angesiedelt ist. (in einem europäischen oder evtl. auch in einem allgemein-menschli-chen, ich denke da an den Liebesplan, also die Frage nach der Liebe eines Mannes.)Für den Liebesplan hat es bestimmt Folgen, dass ich meinen Mann mit nach indien neh-me. Er wird dort anders darüber nachdenken, wie er sich auf die Liebe vorbereiten kann und wie er einer Frau gefallen könnte. Er wird ja auch seine Umgebung beobachten und Schlüsse ziehen. Vielleicht muss ich ihn dann dort lassen, falls er sich durch seine Er-kenntnisse und Bemühungen für die Liebe in Europa disqualifiziert.

interview: Alexandra Stäheli

iAAB –UNTERWEGS ZU NEUEN

BAUSTELLENSÜDAFRiKANiSCHE LEERE, CHiNESiSCHER AUSSENBLiCK

UND RÄUMLiCHE AUSDEHNUNG

Er fühle sich innerlich total leer und er habe keine Ahnung, in welche Richtung sich sei-ne Arbeit weiter entwickeln werde – ja, ob überhaupt!, berichtet der südafrikanische Gastkünstler igshaan Adams zwei Monate nach seiner Ankunft in Basel mit von Sorgen erfüllten Augen. Und das iaab-Team ist begeis-tert. Denn der Künstler zeigt alle Symptome einer gelungenen Residency. Wenn sich Kunst-schaffende auf die räumliche, zeitliche und diskursive Verschiebung des Lebenskontextes, die eine Residency immer bedeutet, wirklich einlassen, kann es geschehen, dass vertraute Sichtweisen, scheinbar normale Abläufe und gängige Perspektiven auf die künstlerische Praxis plötzlich von einem Werk abzufliessen beginnen – und sich ein tiefes Nichts einzu-stellen beginnt, eine fast schon zen-artige Lee-re, auf deren Grund noch zart und konturlos ganz neue, unerwartete, nie gedachte ideen ihre Augen aufschlagen.

im inneren der iaab-Zentrale jedoch herrscht momentan alles andere als medi-tative Stille, nach der sich das iaab-Team in diesen umtriebigen Frühlingstagen fast ein wenig sehnt. Denn das Programm ist gerade dabei, seine Schwerpunkte zu verlagern und sich in vielfältiger Weise nochmals neu zu entwerfen. Nebst seiner neuen geografischen Ausdehnung bis weit über Strasbourg hinaus und der Ergänzung der iaab-Trägerschaft um die Stadt Mulhouse – die einen Meilenstein in der Geschichte des Programms darstellt – be-müht sich das bisher auf die visuellen Künste fokussierte Stipendienprogramm auch inhalt-lich um eine Erweiterung: in Kooperation mit

dem Fachausschuss Literatur BS / BL und der Kulturstiftung Pro Helvetia hat iaab für das Jahr 2013 das Pilotprojekt eines Autorenaus-tauschs mit indien lanciert. Während so der aus Kalkutta stammende Schriftsteller Ruchir Joshi zu Beginn dieses Jahres drei kalte, dafür aber umso produktivere Monate in einem der Basler iaab-Ateliers verbrachte, erhält nun die Basler Schriftstellerin und Künstlerin Birgit Kempker die Gelegenheit eines dreimonati-gen Aufenthalts in einem Schriftstellerhaus in Bangalore.

Neu ist auch der ebenfalls in Zusammen-arbeit mit der Pro Helvetia lancierte Aus-tausch für Kuratoren, der sich in Basel seit Anfang Mai mit der Residency des chinesi-schen Kunstvermittlers Xia Yanguo mani-festiert: Der aus Peking stammende Kurator und Kunstkritiker wird bis im September in einem der iaab-Ateliers im St. Alban-Tal 40a logieren und gemeinsam mit dem Team des Ausstellungsraums Klingental zur Saisoner-öffnung der Galerien eine Show realisieren, die Xias hoffentlich prickelnde, befremdende, bestürzende und in jedem Falle bereichernde (Aussen-)Sicht auf die regionale Kunstszene spiegeln wird.

Und damit auch sonst noch alles neu bleibt, hat sich iaab nebst dem längst nötigen Re-launch der Website per Ende Jahr auch noch eine weitere Baustelle angelacht: Wenn alles gut geht, startet bereits im September der Um-bau des Gebäudes D an der Oslostrasse 12 auf dem Dreispitz-Areal, das mit einem ehrgeizi-gen Fahrplan ab Ende 2014 die neuen Ateliers für die iaab-Gastkünstler aus aller Welt beher-

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Redaktion und TexteOliver Bolanz, Leiter Christoph Merian Verlag

Anette Gehrig, Leiterin Cartoon Museum Basel Christoph Meneghetti, Projektleiter Abteilung Kultur

André Salvisberg, Archive & Sammlungen Alexandra Stäheli, Projektleiterin iaab

Beat von Wartburg, Leiter Abteilung Kultur Rebekka Wiedmer, Assistentin Abteilung Kultur

—PROTO ANiME CUT

Zukunftsvisionen im japanischen AnimationsfilmVisions of the Future in Japanese Animated Films

8.6. – 13.10.2013www.cartoonmuseum.ch

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JAPANiSCHEN ANiMATiONSFiLM

Anime sind japanische Animationsfilme (ge-zeichnete Trickfilme), die auf der Ästhetik und den Themen der hierzulande noch bekannte-ren Manga (japanische Comics) aufbauen. Sie sind seit einigen Jahren nicht nur bei Fans beliebt, sondern gewinnen zunehmend Ein-fluss auf den Mainstream der globalen Popkul-tur. Anspruchsvolle Anime sind künstlerisch hochstehend, sie spielen oft in einem Science-Fiction-Rahmen und befassen sich mit gesell-schaftlichen Fragen, Zukunftsahnungen und Mensch-Technik-interaktionen. Hierzulande bekannt sind die erfolgreichen Anime «Akira» (1988), «Ghost in the Shell» (1995) und «Neon Genesis Evangelion» (1995), die Gesellschaften

der Zukunft entwerfen und als experimentelle Projektionsfläche für Fantasien und Utopien faszinieren. Aktuelle Themen wie der techni-sche Fortschritt, die Urbanisierung und die Folgen des Wirtschaftswachstums in Japan scheinen uminterpretiert in der Zukunft auf und werden so verarbeitet. Diese Filme prä-gen bis heute die Vorstellungen vom visuellen und narrativen Stil der Anime und bilden den Ausgangspunkt der Ausstellung.

Die zweisprachige (e/d) Ausstellung «Proto Anime Cut. Zukunftsvisionen im japanischen Animationsfilm» stellt Themen, Künstler und Herstellungsprozesse des Genres erstmals in der Schweiz vor. Die handelnden Figuren und

äusserst aufwendigen Szenerien werden eben-so untersucht wie die inhalte, Mechanismen und Möglichkeiten gezeichneter japanischer Science-Fiction. «Proto Anime Cut» bietet so einen aussergewöhnlichen Einblick in ein künstlerisches Schaffen an der Grenze von Film, bildender Kunst und Popkultur.

Die Ausstellung zeigt zahlreiche, der Öf-fentlichkeit normalerweise nicht zugängliche Originalzeichnungen und -skizzen, Studien-material, inspirationsquellen und eine Reihe weiterer Originalobjekte aus dem Herstel-lungsprozess der Filme und präsentiert die entsprechenden Filmausschnitte. Ganz am Anfang durchläuft eine Anime-Produktion

Prozesse kreativer Erfindung, lässt neue Wel-ten entstehen und wird durch künstlerische Entscheidungen geformt. in diesen subjekti-ven Momenten eines ansonsten formalisier-ten und industrialisierten Prozesses wird der narrative Stoff gewoben, aus dem sich schliess-lich die kleinen und grossen Geschichten der filmischen Vision entwickeln. Die ausgestell-ten Arbeiten sind vor allem Zeugnisse dieser kritischen und erfindungsreichen Phase der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und ästhetischen Themen und sind für ein breites Publikum genauso faszinierend wie für eingeschworene Fans.

Trickfilme entstehen durch Arbeitstei-lung, also mit Beteiligung unterschiedlichster Künstler. Gleichzeitig werden sie von prägen-den Persönlichkeiten gestaltet. Die Ausstel-lung zeigt Künstler aus verschiedenen Diszip-linen, die wesentlich dazu beigetragen haben, den typischen Stil von Anime zu etablieren.

Die vorgestellten Regisseure und illustra-toren Hideaki Anno, Haruhiko Higami, Koji Morimoto, Hiromasa Ogura, Mamoru Oshii und Takashi Watabe eint ihr interesse an der realistischen Konstruktion möglicher Welt-bilder und an wirklichkeitsnahen Visionen zukünftiger Städte und Landschaften. Diese Künstler gehören zu einer Generation von il-lustratoren, die noch fast ausschliesslich von Hand zeichnete und den typischen Animestil massgeblich geprägt hat.

Ein Höhepunkt der japanischen Trickfilm-kunst ist sicherlich Katsuhiro Otomos Film «Akira», der 1988 dem japanischen Anime zu internationaler Anerkennung verhalf. Er ba-siert auf Otomos gleichnamigem, insgesamt 2 000 Seiten umfassenden Manga-Epos «Akira» und hat für eine ganze Generation von Kino-besuchern die Sehgewohnheiten und Vorbe-halte gegenüber den künstlerischen Möglich-keiten von Zeichentrickfilmen grundlegend verändert. Als «Akira» 1988 veröffentlicht wur-de, befand sich die japanische Wirtschaftsblase

auf dem Höhepunkt. Der Film reflektiert die grundsätzliche Befürchtung, dass die kapita-listischen Fundamente, auf denen Japan nach dem Zweiten Weltkrieg neu errichtet wurde, am Ende doch nicht so stabil sein könnten wie angenommen. Sowohl der grosse Erfolg von «Akira» als auch der Realismus von « Patlabor» und «Ghost in the Shell» sowie die Glaub-würdigkeit von «Neon Genesis Evangelion» hängen vor allem mit der erstklassigen und detaillierten Darstellung Tokios als Bühne der Geschichten zusammen.

Die Ausstellung «Proto Anime Cut. Zu-kunftsvisionen im japanischen Animati-onsfilm» wird ausserdem von zahlreichen vertiefenden Veranstaltungen, einem Film-programm, Führungen und Vermittlungsan-geboten für Schulen und private Gruppen be-gleitet. in Kooperation mit dem Comix Shop und kult.kino lädt das Cartoonmuseum zu einem Manga- und Anime-Weekend, an dem japanische Trickfilme und Comics im Mittel-punkt stehen. Sowohl die bekannten, aber sehr selten im Kino zu sehenden Filme der teilnehmenden Künstler als auch unbekann-tere Meisterwerke werden präsentiert. Die den Filmen zugrunde liegenden Manga werden zur Ansicht parat liegen. Auch Familien und Kinder sollen angesprochen werden.

Zudem vermitteln Vorträge in Zusammen-arbeit mit der Volkshochschule Hintergrund-wissen zu Anime und Manga. Während der Sommerferien werden Animationsfilmwork-shops für Kinder und Jugendliche angeboten.

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Proto Anime Cut —

ShortCut #1Proto Anim

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Prot

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Alexandra Stäheliiaab-Ausschreibung: Bewerbung bis 8.7.13 einreichen!Jetzt neu online unter www.iaab.ch

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Ch-4002 Basel

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Schwerpunkt:KREATiVWiRTSCHAFT

Cartoonmuseum Basel:JAPANiSCHER

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iaab:iAAB WiRD

TRiNATiONAL

#1 Juni2013

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Koji Morimoto, Ausschnitte aus EXTRA, Aquarell auf Papier, Fineliner auf transparenter Folie, Bleistift auf Papier, Copic Marker, 1995 © Beyond C, Tokyo / R & S Records, London / Sony Music. Ent., TokyoKoji Morimoto, Hintergrund für EXTRA, Line-Overlay: Aquarell auf Papier und Fineliner auf transparenter Folie, 1995 © Beyond C, Tokyo / R & S Records, London / Sony Music. Ent., TokyoKoji Morimoto, Auszug aus dem Storyboard für Dimension Bomb, Bleistift und Copic Marker auf Papier, 2009 © Koji Morimoto, 2009, Studio 4°C, Tokio

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EDiTORiAL—

Ein Shortcut, liebe Leserin, lieber Leser, ermöglicht im iT-Bereich per Tastenkombination oder via Link einen direkten Zugang zu gewünschten Applikationen und informationen. «Shortcut» heisst auch das neue Kulturmagazin der Christoph Merian Stiftung. Der Name ist Programm. Shortcut soll Sie ohne Umwege mit der Christoph Merian Stiftung kurzschliessen. Mit diesem «Link» möchten wir Sie darüber informieren, was die Stiftung im Kulturellen tut und warum. Shortcut berichtet über die Kultur förderpraxis und setzt einzelne Projekte in den Zusammenhang der Stiftungsförderpolitik. Das Magazin will Hintergründe beleuchten und einen Blick in den Backstage-Be-reich ermöglichen, sowohl bei der klassischen Projektförderung als auch bei den stiftungseigenen Projekten und Kulturplayern wie dem Christoph Merian Verlag, dem Cartoonmuseum Basel und dem Austauschprogramm iaab. Jede Ausgabe enthält ei-nen thematischen Schwerpunkt. Wir beginnen mit der Kreativ-wirtschaft.Shortcut erscheint von nun an regelmässig und ergänzt damit unseren monatlichen Veranstaltungsnewsletter, den «Kultur-kalender».*Wir wünschen ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre!Beat von Wartburg, Leiter Abteilung Kultur der Christoph Merian Stiftung

FALLBEiL FÜR GÄNSEBLÜMCHENSeit neun Jahren führt der Christoph Merian Verlag in Zu-sammenarbeit mit dem Schwei-zer Radio SRF Hörbücher im Programm. Der Schwerpunkt der gemeinsamen Hörbuchedition liegt dabei auf inszenierten Hör-spielen. Daneben erschienen im-mer wieder Hörbücher ausserhalb dieser Reihe, oft in Zusammen-arbeit mit anderen institutionen wie dem Robert Walser Archiv und dem Migros Kulturprozent oder mit den Autoren selbst (so Urs Widmer und Franz Hohler). Eine weitere langjährige Koope-ration besteht mit der Stiftung Radio Basel. Sie vergibt seit 2007 den internationalen Featurepreis an herausragende Produktionen von ARD, ORF und SRF. Das Gewinnerfeature wird jeweils auf CD veröffentlicht und erscheint im Christoph Merian Verlag.

Radio-Features sind Reportagen, die Elemente des Hörspiels und der Dokumentation miteinander verbinden. Ein gut gemachtes Feature fesselt den Hörer, lässt ihn in die (wahre!) Geschichte eintauchen und spielt virtuos mit den Stilmitteln des Radios.

«Fallbeil für Gänseblümchen» – Gewinner des internationalen Featurepreises 2012 – ist ein solches Feature. Zu hören sind ausgewählte Ausschnitte aus ei-nem Gerichtsprozess in Ostberlin zur Zeit des Kalten Krieges Mitte

der 1950er-Jahre. Der Westspiona-ge angeklagt sind Elli Barczatis (Deckname «Gänseblümchen»), Sekretärin des DDR-Ministerprä-sidenten Otto Grotewohl, und ihr Geliebter, der westdeutsche Agent Karl Laurenz. Die Öffentlichkeit ist bei diesem Gerichtsprozess ausgeschlossen, die Staatssicher-heit schneidet die Verhandlung mit.

Über ein halbes Jahrhundert sind seit diesem Prozess vergangen, der nach der Wiedervereinigung ein juristisches Nachspiel hatte. Maximilian Schönherr hat die Bänder der Stasi entdeckt und daraus für den WDR ein Radio-feature erstellt, das unter die Haut geht. Das bisher unveröffentlichte Originalmaterial erzählt viel über das Funktionieren einer Diktatur und ist ein packendes Zeitzeug-nis, das den deutsch-deutschen Konflikt in einem scharfen Licht darstellt.

Obwohl die einst überzeugte Genossin Elli Barczatis keine wirklich wichtigen informationen an Westdeutschland geliefert hat, zeigt sich das Gericht gnadenlos. Die Angeklagten sind ohne Verteidiger, das Urteil scheint fest zu stehen, noch bevor die Ver-handlung begonnen hat, Gericht und Staatsanwalt arbeiten Hand in Hand. Die perfide Rhetorik und die Fangfragen des Richters sind schwer zu ertragen, und

selbst heute, knapp sechzig Jahre nach der Verhandlung, fühlt man die Bedrohung fast körperlich. Auch die komplexe Beziehung der Angeklagten zu ihrem Gelieb-ten ist erschütternd. Schliesslich steuert der Prozess auf das unver-meidliche Ende zu: die Verkün-digung des Todesurteils, das zwei Monate später vollstreckt wurde.

Als Hörbuch im Christoph Merian Verlag erschienen, fand das Feature grosse Aufmerksam-keit. Es war unter anderem auf der renommierten Bestenliste des Hessischen Rundfunks notiert, war «Hörbuch der Woche» im Bayerischen Rundfunk und wird bereits im Geschichtsunterricht eingesetzt.

Oliver Bolanz

www.merianverlag.ch

DiGiTAL DURCH DiE BASLER VERGANGENHEiTDas zeitgeschichtliche Webportal baslerchronik.ch neu auch für Mobilgeräte

Dass sich die Medienwelt rasch und immer rascher ändert, ist eine Binsenweisheit. Die Digitali-sierung unseres Alltags hat schon lange eingesetzt. Für das 1879 begonnene Basler Stadtbuch und die darin eingegliederte Basler Chronik begann die neue Zeit-rechnung im Jahr 2000. Erstmals konnten dann alle Artikel und alle Autorinnen und Autoren beim Christoph Merian Verlag auch online abgerufen werden, et-was später auch alle Chronikein-träge. Seit 2011 geht die Chronik als Website baslerchronik.ch ihren eigenen, nun rein digitalen Weg. Film- und Tondokumente von

Telebasel und Regionaljournal sowie eigens in Auftrag gegebene Fotos sorgen für die multimediale Anreicherung.

Die Firma Hinderling & Volkart hat die Website von Beginn an sehr ansprechend und fortschritt-lich entwickelt. Allerdings hatte baslerchronik.ch den Haken, für den Arbeitsplatzcomputer ausgelegt zu sein und nicht für Smartphones oder für Tablets, die sich in den letzten zwei Jahren enorm verbreitet haben. Seit Ende Januar 2013 ist deswegen eine für Mobilgeräte und deren Touch-screen optimierte Parallelwebsite aufgeschaltet. Die Bedienung

geschieht intuitiv und spielerisch. Zudem hat die bisherige Website ein Update erhalten, indem die Suchfunktion verfeinert und das Ansteuern bestimmter Daten erleichtert worden sind.

Was heutzutage nicht im Web erscheint, stirbt aus dem öffentli-chen Bewusstsein weg. Mit dem zeitgeschichtlichen Webportal baslerchronik.ch sichert und erweitert die Christoph Merian Stiftung eine wichtige Recherche-möglichkeit über das Basel der vergangenen 130 und der noch kommenden Jahre.

André Salvisberg

iAAB WiRD JETZT FRANZÖSiSCH DiE STADT MULHOUSE iST PROJEKTPARTNER VON iAAB

Was die bildende Kunst mit derjenigen des Vinifizierens verbindet, hat die Basler Künst-lerin Renée Levi einmal festgehalten, sei der Prozess des Komprimierens – und das Stadium der Gärung, könnte man noch hinzufügen. So entwickelt etwa ein guter Gewürztrami-ner aus dem Elsass seine Finesse und seine mineralische Struktur erst nach drei Jahren Flaschenlegung, und wenn er sich dann noch zwei Jahre im Holzfass entspannen kann, dann blühen die verwandelten Trauben buchstäb-lich zu einem reichen Strauss an Aromen und Düften auf.

Auch Kooperationen im Kunstbereich kön-nen manchmal die Stadien des Reifens mit Gewinn durchlaufen. So hat sich die Zusam-menarbeit zwischen dem Künstleraustausch-programm iaab und den elsässischen institu-tionen auf der Strecke von Mulhouse nach Basel in traminischen Dimensionen entfaltet, sie hat lange Zeit gegärt, ist dann mehrfach im Barrique gewendet und verkostet worden – bis sie sich jetzt mit einem umso überraschende-ren und hinreissenden Bouquet präsentiert: Seit Mai 2013 ist die Stadt Mulhouse gemein-sam mit der Kunsthalle Mulhouse Teil der iaab-Trägerschaft. Dabei hat iaab, dank dem intensiven Engagement und dem standhaften Einsatz von Kunsthallendirektorin Sandrine Wymann, mit Mulhouse einen ganz beson-ders vielfältigen und engagierten Partner ge-winnen können; denn die Stadt unterstützt das Stipendienprogramm nicht nur jährlich mit einem finanziellen Beitrag, sie bringt mit der Kunsthalle Mulhouse auch einen agilen Partner mit ins Boot, der wiederum eng mit der neu fusionierten Haute-Ecole des Arts du Rhin zusammenarbeitet. Diese elsässische Hochschule für Gestaltung und Kunst ver-bindet seit Kurzem künstlerisch die Städte Mulhouse und Strasbourg.

So wird die Kunsthalle in Zukunft durch die Kooperation mit iaab jeweils pro Jahr zwei Gastkünstler bzw. Gastdesigner aus indien be-herbergen, deren Arbeit der Geschichte, der Fabrikation und/oder dem Design von Texti-lien gewidmet ist und die während ihres Auf-enthalts in der einstigen Textilhochburg Mul-house unter anderem von der Haute-Ecole des Arts du Rhin, dem Musée de l’impression sur Etoffes sowie der Ecole Nationale Supérieure d’ingénieurs Sud Alsace begleitet werden. im Gegenzug können sich professionelle Künstle-rinnen und Künstler, die im Elsass leben oder arbeiten, für ein iaab-Auslandsstipendium be-werben.

Somit ist denn iaab zum ersten Mal in sei-ner 27-jährigen Geschichte trinational veran-kert, und sein Einzugsgebiet erstreckt sich nun mit einem Mal von Basel bis weit über Stras-bourg hinaus, von Freiburg i. Br. durch das Unter- und Oberbaselbiet bis an die äussersten Ränder des Kantons Solothurn. Zum ersten Mal wird die Ausschreibung des Stipendien-programms dieses Jahr auch zweisprachig pu-bliziert und die Bewerbung erfolgt neu online auf der iaab-Website, ebenfalls zweisprachig.

Alexandra Stäheli

SCHREiBEN iN iNDiENDer Fachausschuss Literatur BS / BL hat zusam-men mit iaab ein Schriftsteller-Stipendium für Bangalore ausgeschrieben. Birgit Kempker wur-de für einen dreimonatigen Aufenthalt in der Writer’s Residency Sangam-House ausgewählt. Vier Fragen an die Basler Autorin, die Anfang November ihre Zelte in indien aufschlagen wird.

Frau Kempker, Sie haben ein Stipendium für das Schriftstellerhaus Sangam in Bangalore erhalten. Welche Wünsche oder Erwartungen verbinden Sie mit ihrem Aufenthalt in indien? Den Wunsch nach Zeit und Raum, in dem Unvorhergesehenes passieren kann. Zärtlich-keit und Disziplin, das ist mein Code für 2013, mehr von beidem wünsche ich mir auch. Haben Sie ein konkretes schriftstellerisches Projekt für die Zeit in indien?Zu viele. Der Peggyplan, da sitzt Peggy mit einer Reihe ungebildeter Räuber am Fluss und denkt (und verkörpert). Der Liebesplan, da bereitet sich ein Mann auf die Liebe vor. Und besonders der Tanzplan, Schreiben als eine andere Art zu tanzen. Meine Art, mich den Dingen, dem Denken, dem Schreiben und Menschen, Erinnerungen zu nähern, ist: es zu verkörpern. Es ist etwas sehr Einfaches, und dieser Einfachheit würde ich gerne näherkom-men, sie verkörpern.

Welche Effekte könnte es für Sie haben, in einem fremdsprachigen Kontext zu schreiben?Der Sprachplan. ich stelle mir vor, in eng-lischer Sprache zu schreiben und mich erst später zurückzuholen in die deutsche Sprache, nach den drei Monaten. Natürlich verspreche ich mir davon eine gewisse gründliche Ent-kempkerung.

Denken Sie, dass «das indische», das tropische Fluidum vor Ort, in irgendwelcher Form in ihr Schreiben einfliessen wird? Auch wenn dieses inhaltlich und formal in einem anderen Kon-text angesiedelt ist. (in einem europäischen oder evtl. auch in einem allgemein-menschli-chen, ich denke da an den Liebesplan, also die Frage nach der Liebe eines Mannes.)Für den Liebesplan hat es bestimmt Folgen, dass ich meinen Mann mit nach indien neh-me. Er wird dort anders darüber nachdenken, wie er sich auf die Liebe vorbereiten kann und wie er einer Frau gefallen könnte. Er wird ja auch seine Umgebung beobachten und Schlüsse ziehen. Vielleicht muss ich ihn dann dort lassen, falls er sich durch seine Er-kenntnisse und Bemühungen für die Liebe in Europa disqualifiziert.

interview: Alexandra Stäheli

iAAB –UNTERWEGS ZU NEUEN

BAUSTELLENSÜDAFRiKANiSCHE LEERE, CHiNESiSCHER AUSSENBLiCK

UND RÄUMLiCHE AUSDEHNUNG

Er fühle sich innerlich total leer und er habe keine Ahnung, in welche Richtung sich sei-ne Arbeit weiter entwickeln werde – ja, ob überhaupt!, berichtet der südafrikanische Gastkünstler igshaan Adams zwei Monate nach seiner Ankunft in Basel mit von Sorgen erfüllten Augen. Und das iaab-Team ist begeis-tert. Denn der Künstler zeigt alle Symptome einer gelungenen Residency. Wenn sich Kunst-schaffende auf die räumliche, zeitliche und diskursive Verschiebung des Lebenskontextes, die eine Residency immer bedeutet, wirklich einlassen, kann es geschehen, dass vertraute Sichtweisen, scheinbar normale Abläufe und gängige Perspektiven auf die künstlerische Praxis plötzlich von einem Werk abzufliessen beginnen – und sich ein tiefes Nichts einzu-stellen beginnt, eine fast schon zen-artige Lee-re, auf deren Grund noch zart und konturlos ganz neue, unerwartete, nie gedachte ideen ihre Augen aufschlagen.

im inneren der iaab-Zentrale jedoch herrscht momentan alles andere als medi-tative Stille, nach der sich das iaab-Team in diesen umtriebigen Frühlingstagen fast ein wenig sehnt. Denn das Programm ist gerade dabei, seine Schwerpunkte zu verlagern und sich in vielfältiger Weise nochmals neu zu entwerfen. Nebst seiner neuen geografischen Ausdehnung bis weit über Strasbourg hinaus und der Ergänzung der iaab-Trägerschaft um die Stadt Mulhouse – die einen Meilenstein in der Geschichte des Programms darstellt – be-müht sich das bisher auf die visuellen Künste fokussierte Stipendienprogramm auch inhalt-lich um eine Erweiterung: in Kooperation mit

dem Fachausschuss Literatur BS / BL und der Kulturstiftung Pro Helvetia hat iaab für das Jahr 2013 das Pilotprojekt eines Autorenaus-tauschs mit indien lanciert. Während so der aus Kalkutta stammende Schriftsteller Ruchir Joshi zu Beginn dieses Jahres drei kalte, dafür aber umso produktivere Monate in einem der Basler iaab-Ateliers verbrachte, erhält nun die Basler Schriftstellerin und Künstlerin Birgit Kempker die Gelegenheit eines dreimonati-gen Aufenthalts in einem Schriftstellerhaus in Bangalore.

Neu ist auch der ebenfalls in Zusammen-arbeit mit der Pro Helvetia lancierte Aus-tausch für Kuratoren, der sich in Basel seit Anfang Mai mit der Residency des chinesi-schen Kunstvermittlers Xia Yanguo mani-festiert: Der aus Peking stammende Kurator und Kunstkritiker wird bis im September in einem der iaab-Ateliers im St. Alban-Tal 40a logieren und gemeinsam mit dem Team des Ausstellungsraums Klingental zur Saisoner-öffnung der Galerien eine Show realisieren, die Xias hoffentlich prickelnde, befremdende, bestürzende und in jedem Falle bereichernde (Aussen-)Sicht auf die regionale Kunstszene spiegeln wird.

Und damit auch sonst noch alles neu bleibt, hat sich iaab nebst dem längst nötigen Re-launch der Website per Ende Jahr auch noch eine weitere Baustelle angelacht: Wenn alles gut geht, startet bereits im September der Um-bau des Gebäudes D an der Oslostrasse 12 auf dem Dreispitz-Areal, das mit einem ehrgeizi-gen Fahrplan ab Ende 2014 die neuen Ateliers für die iaab-Gastkünstler aus aller Welt beher-

iMPRESSUM

Redaktion und TexteOliver Bolanz, Leiter Christoph Merian Verlag

Anette Gehrig, Leiterin Cartoon Museum Basel Christoph Meneghetti, Projektleiter Abteilung Kultur

André Salvisberg, Archive & Sammlungen Alexandra Stäheli, Projektleiterin iaab

Beat von Wartburg, Leiter Abteilung Kultur Rebekka Wiedmer, Assistentin Abteilung Kultur

—PROTO ANiME CUT

Zukunftsvisionen im japanischen AnimationsfilmVisions of the Future in Japanese Animated Films

8.6. – 13.10.2013www.cartoonmuseum.ch

PROTO ANIME

CUT ZUKUNFTSViSiONEN iM

JAPANiSCHEN ANiMATiONSFiLM

Anime sind japanische Animationsfilme (ge-zeichnete Trickfilme), die auf der Ästhetik und den Themen der hierzulande noch bekannte-ren Manga (japanische Comics) aufbauen. Sie sind seit einigen Jahren nicht nur bei Fans beliebt, sondern gewinnen zunehmend Ein-fluss auf den Mainstream der globalen Popkul-tur. Anspruchsvolle Anime sind künstlerisch hochstehend, sie spielen oft in einem Science-Fiction-Rahmen und befassen sich mit gesell-schaftlichen Fragen, Zukunftsahnungen und Mensch-Technik-interaktionen. Hierzulande bekannt sind die erfolgreichen Anime «Akira» (1988), «Ghost in the Shell» (1995) und «Neon Genesis Evangelion» (1995), die Gesellschaften

der Zukunft entwerfen und als experimentelle Projektionsfläche für Fantasien und Utopien faszinieren. Aktuelle Themen wie der techni-sche Fortschritt, die Urbanisierung und die Folgen des Wirtschaftswachstums in Japan scheinen uminterpretiert in der Zukunft auf und werden so verarbeitet. Diese Filme prä-gen bis heute die Vorstellungen vom visuellen und narrativen Stil der Anime und bilden den Ausgangspunkt der Ausstellung.

Die zweisprachige (e/d) Ausstellung «Proto Anime Cut. Zukunftsvisionen im japanischen Animationsfilm» stellt Themen, Künstler und Herstellungsprozesse des Genres erstmals in der Schweiz vor. Die handelnden Figuren und

äusserst aufwendigen Szenerien werden eben-so untersucht wie die inhalte, Mechanismen und Möglichkeiten gezeichneter japanischer Science-Fiction. «Proto Anime Cut» bietet so einen aussergewöhnlichen Einblick in ein künstlerisches Schaffen an der Grenze von Film, bildender Kunst und Popkultur.

Die Ausstellung zeigt zahlreiche, der Öf-fentlichkeit normalerweise nicht zugängliche Originalzeichnungen und -skizzen, Studien-material, inspirationsquellen und eine Reihe weiterer Originalobjekte aus dem Herstel-lungsprozess der Filme und präsentiert die entsprechenden Filmausschnitte. Ganz am Anfang durchläuft eine Anime-Produktion

Prozesse kreativer Erfindung, lässt neue Wel-ten entstehen und wird durch künstlerische Entscheidungen geformt. in diesen subjekti-ven Momenten eines ansonsten formalisier-ten und industrialisierten Prozesses wird der narrative Stoff gewoben, aus dem sich schliess-lich die kleinen und grossen Geschichten der filmischen Vision entwickeln. Die ausgestell-ten Arbeiten sind vor allem Zeugnisse dieser kritischen und erfindungsreichen Phase der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und ästhetischen Themen und sind für ein breites Publikum genauso faszinierend wie für eingeschworene Fans.

Trickfilme entstehen durch Arbeitstei-lung, also mit Beteiligung unterschiedlichster Künstler. Gleichzeitig werden sie von prägen-den Persönlichkeiten gestaltet. Die Ausstel-lung zeigt Künstler aus verschiedenen Diszip-linen, die wesentlich dazu beigetragen haben, den typischen Stil von Anime zu etablieren.

Die vorgestellten Regisseure und illustra-toren Hideaki Anno, Haruhiko Higami, Koji Morimoto, Hiromasa Ogura, Mamoru Oshii und Takashi Watabe eint ihr interesse an der realistischen Konstruktion möglicher Welt-bilder und an wirklichkeitsnahen Visionen zukünftiger Städte und Landschaften. Diese Künstler gehören zu einer Generation von il-lustratoren, die noch fast ausschliesslich von Hand zeichnete und den typischen Animestil massgeblich geprägt hat.

Ein Höhepunkt der japanischen Trickfilm-kunst ist sicherlich Katsuhiro Otomos Film «Akira», der 1988 dem japanischen Anime zu internationaler Anerkennung verhalf. Er ba-siert auf Otomos gleichnamigem, insgesamt 2 000 Seiten umfassenden Manga-Epos «Akira» und hat für eine ganze Generation von Kino-besuchern die Sehgewohnheiten und Vorbe-halte gegenüber den künstlerischen Möglich-keiten von Zeichentrickfilmen grundlegend verändert. Als «Akira» 1988 veröffentlicht wur-de, befand sich die japanische Wirtschaftsblase

auf dem Höhepunkt. Der Film reflektiert die grundsätzliche Befürchtung, dass die kapita-listischen Fundamente, auf denen Japan nach dem Zweiten Weltkrieg neu errichtet wurde, am Ende doch nicht so stabil sein könnten wie angenommen. Sowohl der grosse Erfolg von «Akira» als auch der Realismus von « Patlabor» und «Ghost in the Shell» sowie die Glaub-würdigkeit von «Neon Genesis Evangelion» hängen vor allem mit der erstklassigen und detaillierten Darstellung Tokios als Bühne der Geschichten zusammen.

Die Ausstellung «Proto Anime Cut. Zu-kunftsvisionen im japanischen Animati-onsfilm» wird ausserdem von zahlreichen vertiefenden Veranstaltungen, einem Film-programm, Führungen und Vermittlungsan-geboten für Schulen und private Gruppen be-gleitet. in Kooperation mit dem Comix Shop und kult.kino lädt das Cartoonmuseum zu einem Manga- und Anime-Weekend, an dem japanische Trickfilme und Comics im Mittel-punkt stehen. Sowohl die bekannten, aber sehr selten im Kino zu sehenden Filme der teilnehmenden Künstler als auch unbekann-tere Meisterwerke werden präsentiert. Die den Filmen zugrunde liegenden Manga werden zur Ansicht parat liegen. Auch Familien und Kinder sollen angesprochen werden.

Zudem vermitteln Vorträge in Zusammen-arbeit mit der Volkshochschule Hintergrund-wissen zu Anime und Manga. Während der Sommerferien werden Animationsfilmwork-shops für Kinder und Jugendliche angeboten.

Anette Gehrig

プロトアニメカット日本のアニメーションにおける未来像

b www.baslerchronik.ch verbesserte Website

b www.baslerchronik.ch/m neue Website für Mobilgeräte

* Falls Sie den Kulturkalender noch nicht erhalten oder sie Shortcut unentgeltlich zugeschickt erhalten möchten, dann schreiben Sie uns! [email protected]

Proto Anime Cut —

ShortCut #1Proto Anim

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bergen wird – in unmittelbarer Nähe und mit einer direkten räumlichen Verbindung zu den Studios der regionalen Künstler an der Oslo-strasse 10. Damit der prickelnde Austausch zwischen den Kulturen, Kunstverständnissen und Disziplinen im Spiel der Gezeiten zwi-

schen existenzieller Leere und künstlerischer Fülle so richtig aufschäumen kann.

Alexandra Stäheliiaab-Ausschreibung: Bewerbung bis 8.7.13 einreichen!Jetzt neu online unter www.iaab.ch

Gestaltung Hauser, Schwarz – Basel

Druck Gremper AG – Münchenstein

Christoph Merian Stiftung St. Alban-Vorstadt 5

Ch-4002 Basel

DAS KULTURMAGAZiN DER CHRiSTOPH MERiAN STiFTUNG shORTCUT

Schwerpunkt:KREATiVWiRTSCHAFT

Cartoonmuseum Basel:JAPANiSCHER

ANiMATiONSFiLM

iaab:iAAB WiRD

TRiNATiONAL

#1 Juni2013

Page 8: Shortcut 1

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Ziel 5

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Ziel 1

Kausale Logik

Kreativwirtscha�s-Politik-Logik

Mittel 1

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Mittel 5

Ziel

Wer bin ich?Was weiss ich?

Wen kenne ich?Was kann ich

TUN?

mehr Mittel (Ressourcen expandiert)

neue Richtung (Randbedingungen konvergiert)

Interaktion mitanderen

Menschen

Vereinbarungmit

Stakeholdern

neueMittel

neueZieleverfügbare

Mittel

die Siedlung innerhalb von nur zwei Wochen aufgebaut. Die L-förmig angeordnete und drei-stöckig gestapelte Container-Anlage besteht aus 39 vorfabrizierten Modulen à 25 m2. Sie sind isoliert und mit Zentralheizung und gros-sen Fenstern ausgestattet. Die Erschliessung funktioniert über Laubengänge, und eine 17 m hohe Aussichtsplattform im innenhof ermög-licht einen weitläufigen Panoramablick. Die Miete pro Modul und Monat beträgt ChF 485 inkl. Nebenkosten, Strom, Heizung und in-ternet.

Die Christoph Merian Stiftung ist eben-falls in der Rakete stationiert. Anhand eines regelmässig aktualisierten Architektur modells kann die Öffentlichkeit die dynamische Ent-wicklung und den Baufortschritt im Dreispitz mitverfolgen. Somit wird die Rakete zum Be-gegnungsraum der Nutzer, der Öffentlichkeit und der Stiftung.

Ein auf fünf Jahre befristetes Mietverhältnis ist Teil des Konzeptes; nach dieser Phase wird

die Rakete ab- und an einem anderen Standort im Dreispitz wieder neu aufgebaut. Auf diese Weise profitieren neue Jungunternehmer von der Gelegenheit günstiger Räume. Und die Stiftung achtet bei der Vergabe der Container darauf, dass sich die Nutzungen ergänzen und nicht behindern. Von der Mietpartei wird eine aktive Teilnahme am Leben in der Container-siedlung erwartet sowie Toleranz, Flexibilität und gegenseitiger Respekt. Am 1. Dezember 2012 bezogen die Mieter ihre Ateliers und Büros, am 1. März 2013 hob die Rakete mit einem Fest und einem Tag der offenen Türen offiziell ab.

Christoph Meneghettiwww.rakete-dreispitz.ch

DiE RAKETEEiN RAUMFAHRTPROGRAMM

Die Kreativszene braucht günstigen Raum zum Arbeiten und Ausprobieren. Nicht nur die Kreativwirtschaftsstudie des Wirtschafts- und Sozialdepartements, sondern auch zahl-reiche Gespräche mit Nutzerkreisen haben gezeigt, dass der Raum bedarf gross ist. Das Dreispitzareal eignet sich genau für solche Be-triebe wie kaum ein anderer Standort, denn erstens hat das Kunstfreilager frischen Wind und neue (kulturelle) Nutzungen auf den Dreispitz gebracht und zweitens ist und bleibt der Dreispitz ein Arbeitsgebiet. Und drittens entstehen hier im Zug der dynamischen Are-alentwicklung Chancen, so zum Beispiel die Vakanz einer Parzelle an prominenter Lage nahe der Tramstation Dreispitz, an der Mün-chensteinerstrasse 274.

Die Christoph Merian Stiftung hat die An-liegen der Kreativszene aufgenommen und die Chance dieses attraktiven Standorts am Schopf gepackt, um gemeinsam das Projekt Rakete Dreispitz zu initiieren. Der Name Rakete steht

für die zündende idee und die Schubkraft, mit denen Startups der Kreativ- und Kulturwirt-schaft neue Unternehmungen gründen und vorantreiben. in Anlehnung an das Projekt Basis lager in Zürich entwickelte die Stiftung eine Siedlung aus Büro-Containern, die güns-tig zu erstellen und ebenso günstig zu vermie-ten ist und an verschiedenen Standorten im Dreispitz verwendet werden kann.

Die Rakete ist somit eine mobile immobilie mit wechselnder Besetzung und flexiblem Be-zug zum jeweiligen Standort, eine Startrampe, wo Jungunternehmer gemeinsam etwas auf-bauen können. Die Kommission der Christoph Merian Stiftung hat im Januar 2012 einen Bau-kredit von ChF 2,2 Millionen gesprochen. Ziel ist es, mit dieser investition längerfristig eine schwarze Null zu erwirtschaften; die Rakete ist kein Wohlfahrtsprogramm, sondern vielmehr ein Raumfahrtsprogramm.

Nach einer anderthalb Jahre dauernden Planungs- und Vorbereitungsphase wurde

NEUEM NEU BEGEGNENEiN PLÄDOYER FÜR EiNE UNTERNEHMERiSCHE UND KREATiVE POLiTiK

mit DER KULTUR- UND KREATiVWiRTSCHAFT

Politik macht sich weltweit neuerdings gerne stark für eine wachsende Kultur- und Kreativ-wirtschaft. Doch umgekehrt wird ein Schuh draus: Die Politik wird vor allem von und mit der Kultur- und Kreativwirtschaft – von ihren Prozessen und Strukturen – lernen können. Vor allem kooperative Politik-Ansätze, die komplexen Handlungssituationen, Heteroge-nität und rasanter Dynamik Rechnung tragen, können sich hierbei zukünftig als besonders produktiv erweisen:

Die neuere Entrepreneurship-Forschung 1 hat das Denken, Entscheiden und Handeln erfolgreicher Unternehmer untersucht und dabei nachgewiesen, dass diese – vor allem in Situationen der Ungewissheit –

1. nicht einen am grünen Tisch entwickelten Plan in die Tat umsetzen, sondern auf der Grundlage der vorhandenen Mittel arbeiten;

2. in Partnerschaften grössere Sicherheit schaf-fen, indem sie kooperativ ihre Ziele modifi-zieren oder ihre Mittel erweitern;

3. darauf verzichten, die Zukunft vorhersa-gen zu wollen, und sich stattdessen darauf beschränken, sie sukzessiv zu gestalten;

4. Zufälle nutzen, um ihren Horizont zu er-weitern und sich zu innovationen anregen zu lassen.

Dabei sollte einer Verwechslung vorgebeugt werden: Entrepreneurship bedeutet nicht zwingend Ökonomisierung. Unternehmeri-sches Denken und Handeln kann im Kon-text sehr unterschiedlicher, materieller wie immaterieller Wertesysteme geschehen. Eine kreativwirtschaftlich-unternehmerische Poli-tik muss zukünftig besonders einer Aufgabe Aufmerksamkeit schenken, die in der inter-nationalen Governance-Forschung als erfolgs-kritisch beschrieben wird: Capacity Building, also die Kompetenzentwicklung der Akteure auf allen Ebenen. 2 Die heterogenen Netzwer-ke der Kultur- und Kreativwirtschaft sind prä-destiniert dazu, ein gemeinsames Lernen und auch ein Voneinander-Lernen zu ermöglichen. Aber braucht es denn überhaupt postheroi-sche Humusentwicklung oder Leuchtürme für die (Un-)Branche?

Einen erfolgversprechenden neuen Ansatz-punkt dazu liefert das dynamische Modell der Entrepreneurship-Forschung «Effectuation».

Nach Auffassung des Autors Michael Fasching-bauer sind Ausgangspunkt für gelungene Alli-anzen immer die handelnden Personen. Auf dieser Basis werden, im Rahmen dessen, was für die unterschiedlichen Partner leistbar ist und attraktiv erscheint, verbindliche Verein-barungen ausgehandelt. 1 Kooperative Politik beruht darauf, verbindliche Vereinbarungen mit denen einzugehen, die neue Mittel und Zielvorstellungen einbringen können und wollen.

Prinzip der Mittelorientierung für eine kooperative Politik mit der Kultur- und Kreativ wirtschaftKausales Vorgehen beruht auf Zielorientie-rung: Zuerst visiert man ein bestimmtes Ziel an, dann macht man Pläne und erschliesst geeignete Mittel, um genau dieses Ziel oder erwünschte Ergebnis zu erreichen. Kooperati-ve Politik mit der Kulturwirtschaft hingegen beruht auf mittelorientierung: Man erhebt die aktuell verfügbaren Mittel und fokussiert auf die Erschliessung der Ergebnisse, die sich mit den vorhandenen Mitteln erzielen lassen. Dem

Machbaren wird der Vorzug gegenüber dem Gewünschten gegeben.

Den Unterschied zwischen kausaler Ziel-orientierung und Mittelorientierung einer kooperativen Politik zeigt Abbildung 2.

Die verschiedenen Ansätze sind gut mit einer Metapher aus dem Alltag zu beschrei-ben – dem Kochen eines Essens: Kausal würde man ein Gericht und das dazugehörige Rezept auswählen, eine entsprechende Einkaufsliste zusammenstellen, die Zutaten besorgen und nach den vorgegebenen Schritten des Rezepts, das Gericht zubereiten.

Beim kooperativen Ansatz würde man eine Einladung aussprechen und die Gäste bitten, interessante Zutaten unabgesprochen mitzu-bringen. Dann würde man sich in die Küche setzen und gemeinsam überlegen: Welche möglichen Gerichte können wir mit allem, was in der Küche vorhanden und durch das Netzwerk erreichbar ist, zubereiten?

Auf beiden Wegen lassen sich hervorra-gende Gerichte zubereiten. Um allerdings die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass etwas Neues entsteht, ist die klare Empfehlung, der zweite Weg. Denn beim Standort-Wettbewerb um die hart umworbenen kreativen Talente werden wahrscheinlich jene Standorte die Nase vorne haben, die den Mut haben, zum Kochen ohne Rezept einzuladen. Denn: Neuem muss neu begegnet werden!

Christoph BackesChristoph Backes ist ideenlotse, Geschäftsführer u-ins-titut in Bremen, Gründungsgeschäftsführer des Grün-derZentrums Kulturwirtschaft Aachen, Lehrbeauftrag-ter an verschiedenen Hochschulen in Deutschland und der Schweiz sowie Berater der initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der deutschen Bundesregierung so-wie des RKW Kompetenzzentrums Kultur- und Krea-tivwirtschaft des Bundes in Deutschland.

Literaturhinweise:1 Faschingbauer, M. (2010). Effectuation – Wie er-folgreiche Unternehmer denken, entscheiden und handeln. Düsseldorf: Schäffer-Poeschel2 Willke, H. (2007). Smart Governance – Governing the Global Knowledge Society (S. 178 ff.). Frankfurt/New York: Campus Verlag

STECKBRiEF

Büro- und Ateliercluster für die Kreativwirtschaft (Containergebäude aus 39 Modulen)

Bauherrschaft Christoph Merian Stiftung

Gesamtkosten Projekt ChF 2,2 Mio.

Standort Münchensteinerstrasse 274,

4053 Basel (Dreispitz)

Grundstücksfläche 960 m2

Freiflächen 420 m2

Bruttogeschossfläche 1 500 m2

Hauptnutzfläche 1 000 m2

Geschosszahl 3

Bauvolumen 4 500 m3

Masse Einzelcontainer 10 m × 3 m × 3 m

Mietpreis ChF 485.– pro Container-Modul inkl. NK, Strom, internet und

Heizkosten

Planer in situ / NRS Team, Basel

Architektur und Bauleitung

emyl, Basel innenarchitektur und

Szenographie

Hauser, Schwarz, Basel Grafik und Beschriftung

Container Alho Systembau AG,

Wikon

Abbildung 1: Dynamisches Modell Effectuation (nach Sarasvathy & Dew) 1

Abbildung 2 (nach Sarasvathy)

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STARTUP ACADEMYSENSiBiLiSiEREN, VERNETZEN UND RÄUME BEREiTSTELLEN

Mit dem Neuwort «Kreativwirtschaft» sind Hoffnungen verbunden, an Ressourcen he-ranzukommen, die sich bislang erfolgreich der kommerziellen Verwertbarkeit entzogen haben. Wer sich mit der Kreativwirtschaft beschäftigt, wie das verschiedene Organisa-tionen bereits tun, muss deswegen behutsam vorgehen. Eine davon ist die Startup Academy, ein gemeinnütziger Verein, der Jungunterneh-merinnen und Jungunternehmer auf ihrem Weg in die berufliche Selbstständigkeit be-gleiten will, indem er sie mit Hochschulen und der Wirtschaft vernetzt. Gegenwärtig befinden sich 30 Jungunternehmen im Be-gleitprogramm der Startup Academy, rund die Hälfte kann der Kreativwirtschaft zugeordnet werden.

Viele Kreative sind heute sozusagen im Nebenamt kreativ, also ohne gross zu inves-tieren, mit typisch schweizerischer Solidi-tät. Sie arbeiten Teilzeit, konkretisieren ihre Geschäftsideen in Reststunden und starten ihre Einzelfirmen mit langem Atem. Oft ist die Preisgestaltung selbstausbeuterisch, be-triebswirtschaftliches Feedback verpönt, und gegenüber Finanzzahlen wehrt man sich mit lässiger Unlust.

Die Startup Academy versucht hier zu sen-sibilisieren und zu informieren. Sie vermittelt Personen in unterschiedlichen Rollen, die alle wirtschaftlich denken: Das sind Studierende der Betriebsökonomie oder Berufsleute und Unternehmer, die sich als Mentoren speziell um ein Jungunternehmen kümmern. Selbst- und Fremdbild werden dabei ebenso hinter-fragt wie wirtschaftliche Fakten von kreativen Wünschen getrennt. Um eine gleichbleibende Qualität zu erreichen, durchlaufen alle Start-ups zusätzlich eine Reihe von Checks durch Fachleute, insbesondere in den Bereichen Geschäftsidee, Persönlichkeit, Finanzierung, Treuhand und Logistik.

Bei diesen Besprechungen, aber auch in spontanen Gesprächen, bei Netzwerkanlässen, Workshops und Stammtischen findet ein Er-fahrungsaustausch statt, der oft selbstgesteuert ist. Und mit jedem neuen Startup wird das Netzwerk in der jeweiligen Branche dichter und tragfähiger.

Aus biografischer Sicht existieren gewöhn-lich drei, vier ideale Zeitfenster, in denen man sich selbstständig macht. Wer viele Personen in unterschiedlichen Rollen mit Leuten zu-sammenzubringt, die sich in solchen Zeitfens-tern befinden, nutzt dies. Neben der idealen Zeit hat der konkrete Raum eine wichtige Bedeutung: Sobald sich Leute in einem ge-eigneten Raum begegnen, entsteht ein kre-ativer Mehrwert. Hier profitiert die Startup Academy von einem Einrichtungsdesign, das unter Federführung von Vitra entwickelt und inzwischen am Picassoplatz in Basel erstmals umgesetzt wurde. Kurz: Es braucht intelligent gestalteten, zentral gelegenen und bezahl-baren Raum, der zur praktischen Nutzung motiviert und zum gedanklichen Austausch anregt. Wo das gegeben ist, muss man bald darüber nachdenken, wie weitere Räume mit denselben funktionalen Eigenschaften hinzu-gemietet werden können. Denn gross ist die Nachfrage und schnell wird Raum knapp.

Zur Förderung der Kreativwirtschaft im Raum Basel wird die Startup Academy wei-terhin diese Themen vorantreiben: sensibili-sieren, vernetzen und intelligent eingerichtete Räume an verschiedenen Orten offerieren.

Florian BlumerProf. Dr. Florian Blumer ist Professor für Wirtschafts-kommunikation an der Hochschule für Wirtschaft Basel (FHNW) und Mitinitiant und Vorstandsmitglied der Startup Academywww.startup-academy.ch

DYNAMO UND DYNAMiTDiE KREATiV WiRTSCHAFT BRAUCHT iNiTiATiVEN

Private und öffentliche Kulturförderer haben seit jeher Projekte verschiedenster kreativwirt-schaftlicher Branchen unterstützt – vielleicht ohne sich dessen bewusst zu sein: Bücher, Fil-me, Konzerte usw., kurz Projekte, die ohne För-derung nicht auf den Markt kommen könnten, insbesondere in der Schweiz, wo der Markt klein, oft zu klein ist. Obwohl verschiedenste Studien gezeigt haben, dass die Kreativwirt-schaft zwar kleinteilig organisiert, aber den-noch als Wirtschafts- und Standortfaktor ernst zu nehmen ist, tun sich die öffentliche Hand, aber auch private Förderinstitutionen mit der Förderung der Kreativwirtschaft schwer. Denn noch immer denken viele, dass es nur unkommerzielle Kultur oder kommerzielle Kultur gibt, wobei für viele Kulturschaffende und -förderer die Erste gut, die Zweite ver-dächtig ist. Für andere wiederum ist es gerade umgekehrt: Unkommerzielle Kultur ist Luxus und kommerzieller Mainstream gut. Dabei ist die Grenze zwischen Kommerz und Kultur fliessend und das Schwarz-Weiss-Denken im rauen politischen Diskurs gefährlich.

Mit dem Kunstfreilager im Dreispitz und der dortigen Nachbarschaft zur Hochschu-le für Gestaltung und Kunst (HGK) stellte

sich auch für die Christoph Merian Stiftung die Frage, ob und wie sie künftig Kreativwirt-schaft fördern möchte. Sie hat deshalb vor drei Jahren zusammen mit der Gebert Rüf Stiftung, dem Gewerbeverband, «Kulturstadt jetzt» und dem Stellwerk eine Arbeitsgruppe gebildet, um herauszufinden, welche konkre-ten Projekte der Kreativwirtschaft in Basel im Allgemeinen und den Studienabgängern der HGK im Besonderen am meisten Nutzen bringen können. in diesem Prozess, gecoacht von Christoph Backes aus Bremen (www.ideenlotsen.de), haben sich unter dem Titel «Dynamo Basel» elf mögliche Massnahmen herauskristallisiert.1. braucht es eine Koordinationsstelle, 2. Wettbewerbe,3. neue Plattformen (Messen, Festivals), 4. ideentransfer (import, Export, ideen-

piraterie), 5. Mentoring / Coaching, 6. zielgruppenspezifische Netzwerkbildung, 7. eine Raumagentur, 8. Mikrokredite und Risikokapital,9. Modellprojekte 10. einen Expertenpool (train the trainer), und 11. braucht es Nachwuchsförderung («U25»).

DREi AUF EiNEN STREiCH!EiN DESiGNWETTBEWERB FÜR PAPiER – SCHRiFT – DRUCK

Einen grossen Teil ihrer Fördermittel inves-tiert die Christoph Merian Stiftung in dau-erhafte Partnerschaften mit institutionen, an deren Gründung sie beteiligt war. So unter-stützt sie die Basler Papiermühle, das Haus für elektronische Künste und Literatur Basel jährlich mit bedeutenden Zuschüssen an die Betriebskosten. Nun möchten wir mit einem Designwettbewerb ein neues Förderformat lancieren, das in dreifacher Hinsicht Wirkung erzielen soll.

Nach 30 Betriebsjahren stand kürzlich eine betriebliche, inhaltliche und bauliche Erneu-erung der Papiermühle an. Und nun soll das Tüpfelchen auf dem i folgen: Eine Erneuerung der Produktepalette. Die Basler Papiermühle ist ja nicht nur ein Muse-um, sondern auch ein Produktionsbetrieb für die «weisse» und die «schwarze» Kunst. Vor den Augen der Muse-umsbesucher werden Pa-piere und Druckerzeug-nisse hergestellt. Die Papier- und Druckpro-duktion trägt wesentlich zum hohen Eigen-wirtschaftlichkeitsgrad des nichtstaatlichen Museums bei. Deshalb ist das Museum auf gute Produkte und gute Verkäufe angewiesen.

Der Designwettbewerb, den die Stiftung lanciert hat, setzt genau hier an, indem er der Papiermühle ermöglichen soll, neue ver-kaufsfähige Produkte zu entwickeln und zu produzieren. Zugleich soll der Wettbewerb die junge Basler Kreativwirtschaft, das De-signschaffen fördern und die Zusammen-arbeit mit der Hochschule für Gestaltung und Kunst (HGK), dem baldigen grossen Player im

Kunstfreilager Dreispitz, intensivieren. Der Wettbewerb richtet sich deshalb vor allem an junge Designerinnen und Designer insbeson-dere der Fachrichtungen industrial Design, Visual Communication und Szenografie, die an der HGK studieren oder hier seit 2008 ab-geschlossen haben. Aber auch Studierende und Alumni anderer Hochschulen, die seit 2008 abgeschlossen haben, sind zugelassen, sofern sie in Basel wohnen oder arbeiten.

Prämiert werden von der Basler Papier-mühle herstellbare und/oder verkäufliche Objekte resp. Produkte aus den Bereichen Pa-

pier, Schrift und Druck wie zum Beispiel Papier-lampen, Teelichter, klei-nere Möbel aus Papier, Briefpapier, Journale, Tagebücher, Schriftpro-dukte, digitale Schriftsät-ze etc. Da die Produkte im Museumsshop ange-boten werden, sollte der maximale Endverkaufs-preis ChF 1 000 nicht übersteigen. Eine Jury bewertet die eingesand-ten Projekte.Nach der Vorselektion

gelangen 20 Objekte in die engere Auswahl. Diese sollen nach Abschluss des Wettbewerbs in einer Broschüre und mit einer kleinen Aus-stellung vorgestellt werden. Es gibt folgende drei Preiskategorien: Ein Hauptpreis à ChF 10 000, zwei weitere Hauptpreise à je ChF 5 000 und vier Förderpreise à je ChF 2 000. Der Ein-gabetermin für die Produktvorschläge ist der 21. Juni 2013.

Beat von WartburgWettbewerbsunterlagen: www.papierschriftdruck.ch

DiE HGK ALS PARTNERiNiM DiALOG MiT DER KULTUR- UND KREATiVWiRTSCHAFT

Der neue Campus der Hochschule für Ge-staltung und Kunst (HGK) auf dem Dreispitz wird 2014 bezugsfertig. Ab dann sind auf dem Dreispitz rund 750 Studierende und 200 Do-zierende an einem Ort vereint. Das umgebaute Zollfreilager sowie der achtgeschossige Neu-bau am Freilager-Platz werden das neue Domi-zil für die derzeit noch auf acht Standorte in Basel, Muttenz und Aarau verteilten Einheiten der Hochschule. Mit der Zusammenführung aller institute und Disziplinen an einem für die Kreativwirtschaft interessanten Ort will die Hochschule ihre Rolle innerhalb der bereits dynamisch angelaufenen Quartiersentwick-lung wahrnehmen. Sie unterstützt eine erhöh-te Sichtbarkeit von Gestaltung und Kunst in der Öffentlichkeit, denn ohne Zweifel hält der Dreispitz ein Potenzial für die Absolventinnen und Absolventen dieser Studienrichtungen bereit.

in Zusammenarbeit mit der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) entwickelt die Hochschule für Gestaltung und Kunst ein Kompetenznetzwerk für Cultural Entrepre-neurship. im Zentrum stehen die beruflichen Aussichten der Studierenden als künftige De-signerinnen und Designer sowie als Künstle-rinnen und Künstler und die Begleitung der Absolventinnen und Absolventen auf dem Weg in die Existenzgründung. Zahlreiche indizien aus dem Feld der Kreativwirtschaft sprechen dafür, dass die Zahl jener Studieren-den weiter ansteigen wird, die ihre berufliche Chance als Unternehmerinnen und Unter-nehmer erkennen und ergreifen wollen. Die Hochschule macht daher die Unterstützung kreativer Gründungsprozesse zu einer ihrer Schlüsselaufgaben und setzt dabei auch auf ihren neuen Standort: Kreative Jungunter-nehmen sollen teilhaben an der Transforma-tion des einst kaum zugänglichen Lager- und Gewerbeareals in einen urbanen Stadtteil.

Wissend, dass der Dreispitz mit seiner hohen Diversität an infrastruktur und Kompetenzen durch die hier ansässigen Unternehmen über ein grosses Potenzial verfügt, sucht die Hoch-schule für Gestaltung und Kunst den Dialog mit der Nachbarschaft.

Die nachhaltige Nachwuchsförderung im Rahmen des entstehenden Kompetenznetz-werks ist auf inklusion angelegt. So sollen schrittweise strategisch wichtige Bildungs-stätten des tertiären Sektors für eine Zusam-menarbeit gewonnen werden.

inhaltlich hat das Netzwerk vier thema-tische Schwerpunkte: Die ZHdK erarbeitet Aus- und Weiterbildungsangebote für Jung-unternehmerinnen und Jungunternehmer aus dem Kultur- und Kreativbereich und entwi-ckelt Formate der individuellen Laufbahnbe-ratung und Gründerservices. Die Hochschule für Gestaltung und Kunst legt den Fokus auf die Vernetzung wichtiger Stakeholder. Neben realen Begegnungen werden auch netzbasier-te Plattformen aufgebaut, sodass Studierende möglichst früh damit beginnen können, ihre persönlichen Netze zu knüpfen. Des Weite-ren wird anhand von Better Practice-Ansätzen samt neuen Finanzierungstypen ein Gründer-modell für die Kreativen erarbeitet. Dieses soll die Attraktivität für Startups- und Spin-offs auf dem Dreispitz erhöhen.

Die erste Förderphase des gemeinsam in-itiierten Projekts läuft bis Februar 2015 und wird finanziell unterstützt von der Gebert Rüf Stiftung sowie von der Avina Stiftung.

Caroline RoggoCaroline Roggo ist Leiterin Cultural Entrepreneurship an der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW

CLUSTER ODER GUANTANAMO ?KREATiVWiRTSCHAFT iM DREiSPiTZ

Das Dreispitzareal ist ein klassisches Gewerbe-gebiet, buntscheckig, mit einer grossen Nut-zungsvielfalt. Einem Filetstück gleich liegt es in der Stadtlandschaft zwischen Münchenstein und dem Gundeli. Deshalb sind die Stadt Ba-sel sowie Münchenstein und die Grundeigen-tümerin, die Christoph Merian Stiftung, daran interessiert, einerseits eine dichtere Nutzung mit höherer Wertschöpfung zu realisieren und andererseits das industriegebiet zu öffnen und in einem längeren Prozess in ein durchmisch-tes städtisches Quartier für Wohnen, Gewerbe, Freizeit und Kultur zu verwandeln.

Die Transformationsidee basiert auf einer Studie von Herzog & de Meuron aus dem Jahr 2002. Seither hat sich viel getan, besonders im Gebiet des ehemaligen Zollfreilagers. Mit der Eröffnung der Hochschule für Gestaltung und Kunst im nächsten Jahr kommt ein Kulturak-teur mit grossen Ambitionen in den Dreispitz und wird von hier mit Forschung und Lehre auch international ausstrahlen. Für eine ins-titution, die sich mit den zeitgenössischsten Formen der visuellen Kunst und des Designs, zum Beispiel der digitalen Kultur, ausein-andersetzt, gehören innovationen, Wandel, Transformationen zum daily business. Gerade deshalb ist die HGK im Dreispitz künftig am richtigen Ort.

Angesichts der Nähe von HGK und Schau-lager entwickelten Herzog & de Meuron die idee eines Campus des Bildes. Die Christoph

Merian Stiftung hat nun versucht, diese idee weiterzuspinnen. Heute heisst der Campus des Bildes – an das ehemalige Freilager anknüp-fend – Kunstfreilager. Dieses neue städtische Quartier soll Lehre und Forschung, Kunst-produktion, Kunstvermittlung, Kunstgewerbe und Kreativwirtschaft umfassen.

Erster Meilenstein war 2008 die Eröffnung der Dreispitzhalle durch das Festival der elek-tronischen Künste Shift. Hier finden seither viele Veranstaltungen wie zum Beispiel der Designmarkt statt. Zweiter Meilenstein war die Umnutzung eines ehemaligen Lagerge-bäudes an der Oslostrasse 10 zu einem Ateli-er-, Ausstellungs- und Gewerbebau. Das Haus Oslo beherbergt heute Radio X, die Fotogale-rie Oslo 8, den Young Art Space Oslo 10, zwei Fotobetriebe und einen Aufziehservice, das Haus für elektronische Künste und 16 Ateliers für 21 Kunstschaffende. Dritter Meilenstein war die Eröffnung der Rakete, des Container-baus für die Kreativwirtschaft (siehe Artikel unten), und vierter Meilenstein ist die Um-nutzung des Lagergebäudes Oslo 12 – 14. Hier wird im September 2014 zeitgleich mit der Fertigstellung der HGK das Haus für elekt-ronische Künste seinen definitiven Standort finden, und es werden Ateliers für ausländi-sche Gastkünstler des iaab und für regionale Autorinnen und Autoren eingerichtet.

So entsteht langsam, aber sicher ein Art Cluster im Kunstfreilager. So bestechend die idee der Dreispitz-Transformation für die einen ist, so abschreckend ist sie für andere. Wo bleibt da noch billiger Mietraum? ist das Ganze nicht ein gewaltiger Gentrifizierungs-prozess, in dem die Kunstschaffenden miss-braucht werden für die Renditeüberlegungen einer Stiftung? ist der Art Cluster nicht ein Kunst-Guantánamo in der Pampa?

Natürlich ist uns von der Christoph Meri-an Stiftung bewusst, dass die ganze Dreispitz-

DiE ANDERS-WiRTSCHAFTEiN PLÄDOYER FÜR DiE BASLER KREATiVWiRTSCHAFT

Basel hat jede Menge zu bieten, besonders was die Kreativwirtschaft angeht: Gute Aus-bildungsstätten, eine Szene, die an der einen oder anderen Stelle noch mehr Selbstbewusst-sein gegenüber Zürich vertragen könnte, und ein Bewusstsein für Wertigkeit und auch Frei-räume in der Stadt. Darüber hinaus gibt es eine Studie, die Kreativwirtschaft erst einmal als Wirtschaftszweig dargestellt hat, und eine initiative, die die Aufgabe hat, eine Lobby für die vielseitige Branche zu schaffen.

Alles gute Voraussetzungen, um der Krea-tivwirtschaft auch etwas zuzutrauen, und vor allem ihren Akteuren.

ich finde in Basel eine lebendige Kreativwirt-schaft mit vielen Potenzialen vor, der es aber an Anerkennung und passenden Plattformen mangelt. Viele Akteure wissen gar nicht, dass sie der Branche zugehören. Ein Musiker ist halt ein Musiker und ein Designer ein Desi-gner. So ist das Verständnis der Akteure. Dies ist aufgrund der Heterogenität der dreizehn Teilmärkte, in die die Kreativwirtschaft defi-nitionsgemäss eingeteilt ist, auch nicht ver-wunderlich.

Oftmals wird sowohl in Deutschland wie auch in der Schweiz alles in einen Topf ge-worfen, und die Unterschiede zwischen der

öffentlichen Förderung der Kultur, jener des tertiären Bereichs (Stiftungen, Vereine etc.)und der privatwirtschaftlich orientierten Kre-ativwirtschaft werden nicht erkannt. Sicher tut sich so mancher schwer, wenn Ökonomie und Kultur in einer engen Verbindung und Abhängigkeit gesehen werden. Das bedeutet nicht zugleich, dass ich dafür bin, dass die vom Staat geförderte Kultur beschnitten werden soll. Kultur ist für Basel mehr als nur ein wei-cher Standortfaktor. Wer aber alles sauber von einander trennen kann, versteht, dass die Kreativwirtschaft im Kern ein wichtiger Wirt-schaftszweig ist. Warum? Sicher sollten das Zahlen beweisen können, doch die Bedeutung eines Wirtschaftszweiges kann auch ganz an-ders gemessen werden. Was wäre unser Leben ohne die Produkte und Dienstleistungen der Kreativwirtschaft? innovationen entstehen doch unter dem Einfluss einer entsprechen-den ästhetischen Bildung und dank des krea-tiven und kulturellen Levels von Menschen. Das ist in Städten mit Traditionen nicht leicht verständlich. Vor allem, wenn eine Stadt wie Basel sich stark auf bestimmte Bereiche wie die Life Sciences konzentriert.

Die Kreativwirtschaft passt vor allem in das Weltbild des ständigen Wandels und des innovationsanspruchs. Ohne diese Branche wäre das Leben nicht nur trist, sondern auch rückständig. Sie unterliegt zwar genauso den Marktgegebenheiten wie die klassische Wirtschaft. Es wird in der gleichen Währung gezahlt, und die Grundsätze ordnungsgemäs-ser Buchführung gelten auch für die Kreativ-wirtschaft. Dennoch ist Kreativwirtschaft die «Anders-Wirtschaft». Woran kann man das festmachen? in der klassischen Wirtschaft wird Wissen gehortet, werden Kunden- und Lieferantenkontakte für sich behalten, um einen Wettbewerbsvorteil zu haben. Kreativ-wirtschaft hingegen teilt Wissen, arbeitet bran-chenübergreifend in Co-Working-Räumen oder finanziert sogar über Crowdfunding Unternehmensideen und Projekte. «Das An-

dere» liegt in der Dynamik und Haltung des Unternehmertums. in den ersten Schritten geht es den meisten Akteuren nur um das eine oder erste ökonomische Ziel: Miete zahlen und voller Kühlschrank. Mit einem solchen Anspruch, der viel Mut und Risiko voraussetzt, kann man starten.

Die Akteure der Kreativwirtschaft stellen sich oft in kürzester Zeit auf die wirtschafts-aktuellen Gegebenheiten ein. Wer jeden Tag eine Krise hat, wer die Herausforderung kennt, von der eigenen Kreativität zu leben und höchsten Ansprüchen gerecht zu wer-den, der weiss auch, wie die ganz kniffligen Dinge klappen. Davon könnte sich so manche Bank und Grossunternehmung eine Scheibe abschneiden.

Das Stellwerk Basel, in dem ich seit Januar als Geschäftsführer verantwortlich bin, ist ein guter Ort für die Akteure der Branche. Wir bieten Existenzgründern aus den Bereichen Architektur, Fotografie, Design und Kom-munikation als erstes kreativwirtschaftliches Gründerzentrum der Schweiz günstige Mieten und eine Begleitung in ihrer Selbstständigkeit sowie Netzwerke und Events an.

Von diesen guten Orten gibt es noch einige. Wichtig für die Basler Kreativwirtschaft ist, die bereits entstehenden Erfolge der lokalen Un-ternehmerinnen und Unternehmer sichtbar zu machen. Leider wird häufig nur darüber ge-sprochen, was alles schiefgeht. Verwaltung und Politik sowie die klassische Wirtschaft sollten im Umgang mit der «Anders-Wirtschaft» offe-ner und mutiger sein, und umgekehrt.

ich bin guter Hoffnung und verbreite ger-ne Euphorie für eine Branche, die in Basel und darüber hinaus grosse Aufmerksamkeit verdient.

Frank LemlohFrank Lemloh ist seit 2013 Geschäftsführer des Vereins Stellwerk Baselwww.stellwerkbasel.ch

in der Zwischenzeit hat sich viel getan: Zu-sammen mit der Gebert Rüf Stiftung unter-stützt die Christoph Merian Stiftung die Start-up Academy, weiter fördert sie Flatterschafft und zusammen mit der Ernst Göhner Stiftung den Verein Stellwerk, sie organisiert einen De-signwettbewerb zum Thema Papier – Schrift – Druck, unterstützt den Designmarkt sowie den Laufsteg Oslo, und sie schafft Raum für die Kreativwirtschaft mit dem Projekt Rakete. Schliesslich hat sich auch die HGK der Krea-tivwirtschaft zugewandt: Sie wird mit der Zür-cher Hochschule der Künste einen Lehrgang in «Cultural Entrepreneurship» anbieten. Wir haben unsere Partner eingeladen, ihre Projekte auf dieser Seite vorzustellen.

Auch der Kanton Basel-Stadt ist aktiv ge-worden, hat mit der Schaffung der initiative Kreativwirtschaft ein impulsprogramm im Sinne der Standortförderung lanciert und bietet mit der Website ikb.ch eine Plattform für die verschiedenen Branchenverbände und -vertreter.

All diese initiativen haben das Bewusst-sein für die Bedeutung der Kreativwirtschaft gestärkt, sie haben aber auch Diskussionen darüber ausgelöst, wie man in Basel die Krea-tiv- und Kulturwirtschaft fördert. Zum Glück. Die staatliche Kulturförderung darf Kreativ-wirtschaft zum Beispiel nicht mit Swisslos-Geldern fördern, und das Wirtschafts- und

Sozialdepartement versteht seine initiativen explizit nicht als Kultur-, sondern ausschliess-lich als Wirtschaftsförderung. «Kreative» sind schlecht organisiert, ein Branchenbewusstsein ist oft nicht vorhanden, und es gibt zu wenig oder zu wenig aktive Branchenverbände, die sich für die interessen ihrer Mitglieder einset-zen könnten (wie z.B. Balimage). So kämpft der Einzelne oft auf verlorenem Posten. Es ist deshalb wichtig, folgende Fragen zu stel-len und zu diskutieren: Wieviel Wirtschaft, wieviel «Kreation» soll gefördert werden, wie können Wirtschafts- und Kulturförderung verzahnt werden? Welche Branchen sollen in Basel prioritär unterstützt werden? Sollen strukturelle Schwächen beseitigt oder eher Stärken gestärkt werden? Wie können Nach-wuchs, Jungunternehmertum und Exzellenz gleichermassen gefördert werden? Die Fragen enthalten Zündstoff, Dynamit, und genau da-rum geht es ja: um zündende ideen und das Feuer für innovation.

Wir von der Christoph Merian Stiftung werden uns weiterhin für die Schaffung von günstigen Werk- und Atelierräumen, für nie-derschwellige Plattformen der Werk-, Produkt- und Labelpräsentation, für die Nachwuchs-förderung und die betriebliche Beratung einsetzen.

Beat von Wartburg

— EiN GEWALTiGER

GENTRiFiZiERUNGS-PROZESS ?

Transformation eine top-down gesteuerte Ent-wicklung ist. Und wir wissen auch, dass Kunst- und Kreativwirtschaftsnutzungen nicht auf dem Reissbrett entstehen, sondern bottom-up. Dennoch glauben wir, dass das Kunstfreilager eine grosse Chance für die Kultur ist. Es ist die einmalige Möglichkeit, die Kunst in der Stadtlandschaft zu verorten, für die Kunst ei-nen Ort zu schaffen, der sich für einmal nicht durch Musealität auszeichnet, sondern durch Lebendigkeit (über 1 000 Studierende werden hier täglich verkehren), durch künstlerische und gewerbliche Produktion, durch die Re-flexion über Kunst, durch interdisziplinäre, forschende Kunst.

Die Transformation des Dreispitz ist ein Generationenprojekt, ein langsamer Prozess, und das hat Vorteile. Denn noch bietet der Dreispitz viele Nischen; Nischen, die zahlrei-che Kulturschaffende bereits für sich entdeckt haben, für den Bandraum, das Architektur-büro, das Hindu-Kulturzentrum, die basel-city studios, Urban Farming, und und und. Es

ist ein Ort für private initiativen, für Men-schen, die an sich und ihre ideen glauben. Das Hinterhof-Projekt ist ein gutes Beispiel dafür. Hier hat eine Gruppe von Leuten mit idealis-tischen Zielen den Versuch gewagt, kommer-zielle Musik-, Bar- und Partykultur mit einem künstlerischen Anspruch zu verbinden, und die Hinterhof-Crew hat Erfolg damit.

Das Kunstfreilager ist eine idee, die Wirk-lichkeit wird, aber in keinem Fall ein mono-polistisches Unternehmen. Nicht alles muss hierherkommen und hier stattfinden. Und weil die Christoph Merian Stiftung nur dann philantropisch tätig sein kann, wenn sie auch an die Rendite im immobiliengeschäft denkt, findet die Transformation des Dreispitz in je-dem Fall statt – mit oder ohne Kultur. Wir finden, es wäre besser mit. Denn Kultur be-deutet Leben und Lebensqualität. Kultur tut dem Dreispitz gut, der Dreispitz kann aber auch der Kultur gut tun.

Beat von Wartburg

LAUFSTEG OSLOWas im vergangenen Jahr mit grosser Unge-wissheit als Versuch lanciert wurde, stand nach der erfolgreichen ersten Ausgabe seine Bewäh-rungsprobe. Kann sich die Veranstaltung nun einen festen Platz im Basler Kulturkalender sichern?

Die Rede ist von Laufsteg Oslo, der ein-tägigen Modeveranstaltung mit Modeschau und Modemarkt zur Förderung nationaler Jungdesignerinnen und aufstrebender Mode-labels, die am 4. Mai 2013 ihre Tore öffnete. Eine Freundin, gelernte Modedesignerin, war

überzeugt, dass ein solcher Event bei vielen Modeschaffenden Anklang finden würde, was sich nach kurzer Recherche durch uns bestätigte.

Mit der idee vor Augen, junge Modelabels zu fördern, die noch nicht auf dem Markt etabliert sind, und ihnen die Möglichkeit zu bieten, sich und ihre Kollektionen zu präsen-tieren, machten wir vom Verein Tor13 uns vor etwas mehr als einem Jahr an das Projekt Laufsteg Oslo. Keiner der Organisatoren war in der Modebranche tätig oder hatte schon

einmal eine Modeveranstaltung organisiert. Die Überzeugungskraft dieser idee, die Ge-wissheit, dass die Nachfrage seitens der Mode-schaffenden vorhanden ist, die Erfahrung im Bereich Eventmarketing und in der Organisa-tion musikalischer Events waren uns Antrieb genug.

Unsere Unerfahrenheit im Feld Modeveran-staltung brachte uns dazu, im stetigen Kontakt mit den Labels zu sein, auf ihre Vorstellungen und ideen einzugehen und uns auch Tipps zu holen. Wir merkten bald, dass dieser rege Austausch zu unserer Stärke wurde, darum probieren wir auch dieses Jahr auf ihre Wün-sche und Bedürfnisse einzugehen. Schliesslich sind es die Designer und Designerinnen und ihre Produkte, die während dieser Veranstal-tung im Vordergrund stehen.

Die wichtigste Frage, die sich stellte, war 2012: Wie finanzieren wir diesen Event? Die teilnehmenden Labels sollten einen möglichst kleinen Unkostenbeitrag zahlen müssen, da-rüber waren wir uns schnell einig. Da wir überhaupt nicht wussten, ob diese Modever-anstaltung auch Publikum anzieht, beschlos-sen wir, keinen Eintritt zu verlangen. Darum mussten wir versuchen, einerseits andere Einnahmequellen zu finden und andererseits die Ausgaben möglichst tief zu halten. Auf der Suche nach Räumlichkeiten, die unseren

Vorstellungen entsprachen, wurden wir dank der Christoph Merian Stiftung auf dem Drei-spitzareal fündig. Da dieses Vorhaben an ein Schulprojekt gekoppelt war, erhielten wir von den Unternehmen, von denen wir inventar mieteten, Rabatte, was uns half, die Kosten tief zu halten. Um mehr Einnahmen zu gene-rieren, organisierten wir eine Afterparty und einen Koch, der direkt vor Ort kochte – beides, um für Abwechslung zu sorgen und um die Leute so länger vor Ort zu halten und damit höhere Einnahmen beim Getränkeverkauf zu erzielen.

Dieses Jahr kam als Schwierigkeit dazu, dass Laufsteg Oslo kein Schulprojekt mehr ist und einige Rabatte wegfielen, was die Ausgaben in die Höhe schnellen liess. Wir wollten aber an unserem Konzept festhalten und warben darum um Sponsoren. Dies bedeutete mehr Aufwand, aber wir wollten über eine gewisse finanzielle Sicherheit verfügen. Ausserdem be-schlossen wir, dieses Jahr Eintritt zu verlangen, was sich bewährte, denn die Leute erschienen trotzdem so zahlreich wie letztes Jahr.

Ben AndristBen Andrist ist Logistikexperte. Privat engagiert er sich im Kulturverein tor13, der die zweite Design-Show Laufsteg Oslo am 4. Mai 2013 im Dreispitzareal organisierte.

g Klamott gg Kate Frank

KREATIv wIRTsChAfTSCHWERPUNKT

Viel diskutiert und nur zögerlich gefördert ist sie: die Kreativwirtschaft. Warum eigentlich? Shortcut stellt die Kultur- und Kreativwirtschaft zur Diskussion und einzelne konkrete Projekte vor

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Kausale Logik

Kreativwirtscha�s-Politik-Logik

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Ziel

Wer bin ich?Was weiss ich?

Wen kenne ich?Was kann ich

TUN?

mehr Mittel (Ressourcen expandiert)

neue Richtung (Randbedingungen konvergiert)

Interaktion mitanderen

Menschen

Vereinbarungmit

Stakeholdern

neueMittel

neueZieleverfügbare

Mittel

die Siedlung innerhalb von nur zwei Wochen aufgebaut. Die L-förmig angeordnete und drei-stöckig gestapelte Container-Anlage besteht aus 39 vorfabrizierten Modulen à 25 m2. Sie sind isoliert und mit Zentralheizung und gros-sen Fenstern ausgestattet. Die Erschliessung funktioniert über Laubengänge, und eine 17 m hohe Aussichtsplattform im innenhof ermög-licht einen weitläufigen Panoramablick. Die Miete pro Modul und Monat beträgt ChF 485 inkl. Nebenkosten, Strom, Heizung und in-ternet.

Die Christoph Merian Stiftung ist eben-falls in der Rakete stationiert. Anhand eines regelmässig aktualisierten Architektur modells kann die Öffentlichkeit die dynamische Ent-wicklung und den Baufortschritt im Dreispitz mitverfolgen. Somit wird die Rakete zum Be-gegnungsraum der Nutzer, der Öffentlichkeit und der Stiftung.

Ein auf fünf Jahre befristetes Mietverhältnis ist Teil des Konzeptes; nach dieser Phase wird

die Rakete ab- und an einem anderen Standort im Dreispitz wieder neu aufgebaut. Auf diese Weise profitieren neue Jungunternehmer von der Gelegenheit günstiger Räume. Und die Stiftung achtet bei der Vergabe der Container darauf, dass sich die Nutzungen ergänzen und nicht behindern. Von der Mietpartei wird eine aktive Teilnahme am Leben in der Container-siedlung erwartet sowie Toleranz, Flexibilität und gegenseitiger Respekt. Am 1. Dezember 2012 bezogen die Mieter ihre Ateliers und Büros, am 1. März 2013 hob die Rakete mit einem Fest und einem Tag der offenen Türen offiziell ab.

Christoph Meneghettiwww.rakete-dreispitz.ch

DiE RAKETEEiN RAUMFAHRTPROGRAMM

Die Kreativszene braucht günstigen Raum zum Arbeiten und Ausprobieren. Nicht nur die Kreativwirtschaftsstudie des Wirtschafts- und Sozialdepartements, sondern auch zahl-reiche Gespräche mit Nutzerkreisen haben gezeigt, dass der Raum bedarf gross ist. Das Dreispitzareal eignet sich genau für solche Be-triebe wie kaum ein anderer Standort, denn erstens hat das Kunstfreilager frischen Wind und neue (kulturelle) Nutzungen auf den Dreispitz gebracht und zweitens ist und bleibt der Dreispitz ein Arbeitsgebiet. Und drittens entstehen hier im Zug der dynamischen Are-alentwicklung Chancen, so zum Beispiel die Vakanz einer Parzelle an prominenter Lage nahe der Tramstation Dreispitz, an der Mün-chensteinerstrasse 274.

Die Christoph Merian Stiftung hat die An-liegen der Kreativszene aufgenommen und die Chance dieses attraktiven Standorts am Schopf gepackt, um gemeinsam das Projekt Rakete Dreispitz zu initiieren. Der Name Rakete steht

für die zündende idee und die Schubkraft, mit denen Startups der Kreativ- und Kulturwirt-schaft neue Unternehmungen gründen und vorantreiben. in Anlehnung an das Projekt Basis lager in Zürich entwickelte die Stiftung eine Siedlung aus Büro-Containern, die güns-tig zu erstellen und ebenso günstig zu vermie-ten ist und an verschiedenen Standorten im Dreispitz verwendet werden kann.

Die Rakete ist somit eine mobile immobilie mit wechselnder Besetzung und flexiblem Be-zug zum jeweiligen Standort, eine Startrampe, wo Jungunternehmer gemeinsam etwas auf-bauen können. Die Kommission der Christoph Merian Stiftung hat im Januar 2012 einen Bau-kredit von ChF 2,2 Millionen gesprochen. Ziel ist es, mit dieser investition längerfristig eine schwarze Null zu erwirtschaften; die Rakete ist kein Wohlfahrtsprogramm, sondern vielmehr ein Raumfahrtsprogramm.

Nach einer anderthalb Jahre dauernden Planungs- und Vorbereitungsphase wurde

NEUEM NEU BEGEGNENEiN PLÄDOYER FÜR EiNE UNTERNEHMERiSCHE UND KREATiVE POLiTiK

mit DER KULTUR- UND KREATiVWiRTSCHAFT

Politik macht sich weltweit neuerdings gerne stark für eine wachsende Kultur- und Kreativ-wirtschaft. Doch umgekehrt wird ein Schuh draus: Die Politik wird vor allem von und mit der Kultur- und Kreativwirtschaft – von ihren Prozessen und Strukturen – lernen können. Vor allem kooperative Politik-Ansätze, die komplexen Handlungssituationen, Heteroge-nität und rasanter Dynamik Rechnung tragen, können sich hierbei zukünftig als besonders produktiv erweisen:

Die neuere Entrepreneurship-Forschung 1 hat das Denken, Entscheiden und Handeln erfolgreicher Unternehmer untersucht und dabei nachgewiesen, dass diese – vor allem in Situationen der Ungewissheit –

1. nicht einen am grünen Tisch entwickelten Plan in die Tat umsetzen, sondern auf der Grundlage der vorhandenen Mittel arbeiten;

2. in Partnerschaften grössere Sicherheit schaf-fen, indem sie kooperativ ihre Ziele modifi-zieren oder ihre Mittel erweitern;

3. darauf verzichten, die Zukunft vorhersa-gen zu wollen, und sich stattdessen darauf beschränken, sie sukzessiv zu gestalten;

4. Zufälle nutzen, um ihren Horizont zu er-weitern und sich zu innovationen anregen zu lassen.

Dabei sollte einer Verwechslung vorgebeugt werden: Entrepreneurship bedeutet nicht zwingend Ökonomisierung. Unternehmeri-sches Denken und Handeln kann im Kon-text sehr unterschiedlicher, materieller wie immaterieller Wertesysteme geschehen. Eine kreativwirtschaftlich-unternehmerische Poli-tik muss zukünftig besonders einer Aufgabe Aufmerksamkeit schenken, die in der inter-nationalen Governance-Forschung als erfolgs-kritisch beschrieben wird: Capacity Building, also die Kompetenzentwicklung der Akteure auf allen Ebenen. 2 Die heterogenen Netzwer-ke der Kultur- und Kreativwirtschaft sind prä-destiniert dazu, ein gemeinsames Lernen und auch ein Voneinander-Lernen zu ermöglichen. Aber braucht es denn überhaupt postheroi-sche Humusentwicklung oder Leuchtürme für die (Un-)Branche?

Einen erfolgversprechenden neuen Ansatz-punkt dazu liefert das dynamische Modell der Entrepreneurship-Forschung «Effectuation».

Nach Auffassung des Autors Michael Fasching-bauer sind Ausgangspunkt für gelungene Alli-anzen immer die handelnden Personen. Auf dieser Basis werden, im Rahmen dessen, was für die unterschiedlichen Partner leistbar ist und attraktiv erscheint, verbindliche Verein-barungen ausgehandelt. 1 Kooperative Politik beruht darauf, verbindliche Vereinbarungen mit denen einzugehen, die neue Mittel und Zielvorstellungen einbringen können und wollen.

Prinzip der Mittelorientierung für eine kooperative Politik mit der Kultur- und Kreativ wirtschaftKausales Vorgehen beruht auf Zielorientie-rung: Zuerst visiert man ein bestimmtes Ziel an, dann macht man Pläne und erschliesst geeignete Mittel, um genau dieses Ziel oder erwünschte Ergebnis zu erreichen. Kooperati-ve Politik mit der Kulturwirtschaft hingegen beruht auf mittelorientierung: Man erhebt die aktuell verfügbaren Mittel und fokussiert auf die Erschliessung der Ergebnisse, die sich mit den vorhandenen Mitteln erzielen lassen. Dem

Machbaren wird der Vorzug gegenüber dem Gewünschten gegeben.

Den Unterschied zwischen kausaler Ziel-orientierung und Mittelorientierung einer kooperativen Politik zeigt Abbildung 2.

Die verschiedenen Ansätze sind gut mit einer Metapher aus dem Alltag zu beschrei-ben – dem Kochen eines Essens: Kausal würde man ein Gericht und das dazugehörige Rezept auswählen, eine entsprechende Einkaufsliste zusammenstellen, die Zutaten besorgen und nach den vorgegebenen Schritten des Rezepts, das Gericht zubereiten.

Beim kooperativen Ansatz würde man eine Einladung aussprechen und die Gäste bitten, interessante Zutaten unabgesprochen mitzu-bringen. Dann würde man sich in die Küche setzen und gemeinsam überlegen: Welche möglichen Gerichte können wir mit allem, was in der Küche vorhanden und durch das Netzwerk erreichbar ist, zubereiten?

Auf beiden Wegen lassen sich hervorra-gende Gerichte zubereiten. Um allerdings die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass etwas Neues entsteht, ist die klare Empfehlung, der zweite Weg. Denn beim Standort-Wettbewerb um die hart umworbenen kreativen Talente werden wahrscheinlich jene Standorte die Nase vorne haben, die den Mut haben, zum Kochen ohne Rezept einzuladen. Denn: Neuem muss neu begegnet werden!

Christoph BackesChristoph Backes ist ideenlotse, Geschäftsführer u-ins-titut in Bremen, Gründungsgeschäftsführer des Grün-derZentrums Kulturwirtschaft Aachen, Lehrbeauftrag-ter an verschiedenen Hochschulen in Deutschland und der Schweiz sowie Berater der initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der deutschen Bundesregierung so-wie des RKW Kompetenzzentrums Kultur- und Krea-tivwirtschaft des Bundes in Deutschland.

Literaturhinweise:1 Faschingbauer, M. (2010). Effectuation – Wie er-folgreiche Unternehmer denken, entscheiden und handeln. Düsseldorf: Schäffer-Poeschel2 Willke, H. (2007). Smart Governance – Governing the Global Knowledge Society (S. 178 ff.). Frankfurt/New York: Campus Verlag

STECKBRiEF

Büro- und Ateliercluster für die Kreativwirtschaft (Containergebäude aus 39 Modulen)

Bauherrschaft Christoph Merian Stiftung

Gesamtkosten Projekt ChF 2,2 Mio.

Standort Münchensteinerstrasse 274,

4053 Basel (Dreispitz)

Grundstücksfläche 960 m2

Freiflächen 420 m2

Bruttogeschossfläche 1 500 m2

Hauptnutzfläche 1 000 m2

Geschosszahl 3

Bauvolumen 4 500 m3

Masse Einzelcontainer 10 m × 3 m × 3 m

Mietpreis ChF 485.– pro Container-Modul inkl. NK, Strom, internet und

Heizkosten

Planer in situ / NRS Team, Basel

Architektur und Bauleitung

emyl, Basel innenarchitektur und

Szenographie

Hauser, Schwarz, Basel Grafik und Beschriftung

Container Alho Systembau AG,

Wikon

Abbildung 1: Dynamisches Modell Effectuation (nach Sarasvathy & Dew) 1

Abbildung 2 (nach Sarasvathy)

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STARTUP ACADEMYSENSiBiLiSiEREN, VERNETZEN UND RÄUME BEREiTSTELLEN

Mit dem Neuwort «Kreativwirtschaft» sind Hoffnungen verbunden, an Ressourcen he-ranzukommen, die sich bislang erfolgreich der kommerziellen Verwertbarkeit entzogen haben. Wer sich mit der Kreativwirtschaft beschäftigt, wie das verschiedene Organisa-tionen bereits tun, muss deswegen behutsam vorgehen. Eine davon ist die Startup Academy, ein gemeinnütziger Verein, der Jungunterneh-merinnen und Jungunternehmer auf ihrem Weg in die berufliche Selbstständigkeit be-gleiten will, indem er sie mit Hochschulen und der Wirtschaft vernetzt. Gegenwärtig befinden sich 30 Jungunternehmen im Be-gleitprogramm der Startup Academy, rund die Hälfte kann der Kreativwirtschaft zugeordnet werden.

Viele Kreative sind heute sozusagen im Nebenamt kreativ, also ohne gross zu inves-tieren, mit typisch schweizerischer Solidi-tät. Sie arbeiten Teilzeit, konkretisieren ihre Geschäftsideen in Reststunden und starten ihre Einzelfirmen mit langem Atem. Oft ist die Preisgestaltung selbstausbeuterisch, be-triebswirtschaftliches Feedback verpönt, und gegenüber Finanzzahlen wehrt man sich mit lässiger Unlust.

Die Startup Academy versucht hier zu sen-sibilisieren und zu informieren. Sie vermittelt Personen in unterschiedlichen Rollen, die alle wirtschaftlich denken: Das sind Studierende der Betriebsökonomie oder Berufsleute und Unternehmer, die sich als Mentoren speziell um ein Jungunternehmen kümmern. Selbst- und Fremdbild werden dabei ebenso hinter-fragt wie wirtschaftliche Fakten von kreativen Wünschen getrennt. Um eine gleichbleibende Qualität zu erreichen, durchlaufen alle Start-ups zusätzlich eine Reihe von Checks durch Fachleute, insbesondere in den Bereichen Geschäftsidee, Persönlichkeit, Finanzierung, Treuhand und Logistik.

Bei diesen Besprechungen, aber auch in spontanen Gesprächen, bei Netzwerkanlässen, Workshops und Stammtischen findet ein Er-fahrungsaustausch statt, der oft selbstgesteuert ist. Und mit jedem neuen Startup wird das Netzwerk in der jeweiligen Branche dichter und tragfähiger.

Aus biografischer Sicht existieren gewöhn-lich drei, vier ideale Zeitfenster, in denen man sich selbstständig macht. Wer viele Personen in unterschiedlichen Rollen mit Leuten zu-sammenzubringt, die sich in solchen Zeitfens-tern befinden, nutzt dies. Neben der idealen Zeit hat der konkrete Raum eine wichtige Bedeutung: Sobald sich Leute in einem ge-eigneten Raum begegnen, entsteht ein kre-ativer Mehrwert. Hier profitiert die Startup Academy von einem Einrichtungsdesign, das unter Federführung von Vitra entwickelt und inzwischen am Picassoplatz in Basel erstmals umgesetzt wurde. Kurz: Es braucht intelligent gestalteten, zentral gelegenen und bezahl-baren Raum, der zur praktischen Nutzung motiviert und zum gedanklichen Austausch anregt. Wo das gegeben ist, muss man bald darüber nachdenken, wie weitere Räume mit denselben funktionalen Eigenschaften hinzu-gemietet werden können. Denn gross ist die Nachfrage und schnell wird Raum knapp.

Zur Förderung der Kreativwirtschaft im Raum Basel wird die Startup Academy wei-terhin diese Themen vorantreiben: sensibili-sieren, vernetzen und intelligent eingerichtete Räume an verschiedenen Orten offerieren.

Florian BlumerProf. Dr. Florian Blumer ist Professor für Wirtschafts-kommunikation an der Hochschule für Wirtschaft Basel (FHNW) und Mitinitiant und Vorstandsmitglied der Startup Academywww.startup-academy.ch

DYNAMO UND DYNAMiTDiE KREATiV WiRTSCHAFT BRAUCHT iNiTiATiVEN

Private und öffentliche Kulturförderer haben seit jeher Projekte verschiedenster kreativwirt-schaftlicher Branchen unterstützt – vielleicht ohne sich dessen bewusst zu sein: Bücher, Fil-me, Konzerte usw., kurz Projekte, die ohne För-derung nicht auf den Markt kommen könnten, insbesondere in der Schweiz, wo der Markt klein, oft zu klein ist. Obwohl verschiedenste Studien gezeigt haben, dass die Kreativwirt-schaft zwar kleinteilig organisiert, aber den-noch als Wirtschafts- und Standortfaktor ernst zu nehmen ist, tun sich die öffentliche Hand, aber auch private Förderinstitutionen mit der Förderung der Kreativwirtschaft schwer. Denn noch immer denken viele, dass es nur unkommerzielle Kultur oder kommerzielle Kultur gibt, wobei für viele Kulturschaffende und -förderer die Erste gut, die Zweite ver-dächtig ist. Für andere wiederum ist es gerade umgekehrt: Unkommerzielle Kultur ist Luxus und kommerzieller Mainstream gut. Dabei ist die Grenze zwischen Kommerz und Kultur fliessend und das Schwarz-Weiss-Denken im rauen politischen Diskurs gefährlich.

Mit dem Kunstfreilager im Dreispitz und der dortigen Nachbarschaft zur Hochschu-le für Gestaltung und Kunst (HGK) stellte

sich auch für die Christoph Merian Stiftung die Frage, ob und wie sie künftig Kreativwirt-schaft fördern möchte. Sie hat deshalb vor drei Jahren zusammen mit der Gebert Rüf Stiftung, dem Gewerbeverband, «Kulturstadt jetzt» und dem Stellwerk eine Arbeitsgruppe gebildet, um herauszufinden, welche konkre-ten Projekte der Kreativwirtschaft in Basel im Allgemeinen und den Studienabgängern der HGK im Besonderen am meisten Nutzen bringen können. in diesem Prozess, gecoacht von Christoph Backes aus Bremen (www.ideenlotsen.de), haben sich unter dem Titel «Dynamo Basel» elf mögliche Massnahmen herauskristallisiert.1. braucht es eine Koordinationsstelle, 2. Wettbewerbe,3. neue Plattformen (Messen, Festivals), 4. ideentransfer (import, Export, ideen-

piraterie), 5. Mentoring / Coaching, 6. zielgruppenspezifische Netzwerkbildung, 7. eine Raumagentur, 8. Mikrokredite und Risikokapital,9. Modellprojekte 10. einen Expertenpool (train the trainer), und 11. braucht es Nachwuchsförderung («U25»).

DREi AUF EiNEN STREiCH!EiN DESiGNWETTBEWERB FÜR PAPiER – SCHRiFT – DRUCK

Einen grossen Teil ihrer Fördermittel inves-tiert die Christoph Merian Stiftung in dau-erhafte Partnerschaften mit institutionen, an deren Gründung sie beteiligt war. So unter-stützt sie die Basler Papiermühle, das Haus für elektronische Künste und Literatur Basel jährlich mit bedeutenden Zuschüssen an die Betriebskosten. Nun möchten wir mit einem Designwettbewerb ein neues Förderformat lancieren, das in dreifacher Hinsicht Wirkung erzielen soll.

Nach 30 Betriebsjahren stand kürzlich eine betriebliche, inhaltliche und bauliche Erneu-erung der Papiermühle an. Und nun soll das Tüpfelchen auf dem i folgen: Eine Erneuerung der Produktepalette. Die Basler Papiermühle ist ja nicht nur ein Muse-um, sondern auch ein Produktionsbetrieb für die «weisse» und die «schwarze» Kunst. Vor den Augen der Muse-umsbesucher werden Pa-piere und Druckerzeug-nisse hergestellt. Die Papier- und Druckpro-duktion trägt wesentlich zum hohen Eigen-wirtschaftlichkeitsgrad des nichtstaatlichen Museums bei. Deshalb ist das Museum auf gute Produkte und gute Verkäufe angewiesen.

Der Designwettbewerb, den die Stiftung lanciert hat, setzt genau hier an, indem er der Papiermühle ermöglichen soll, neue ver-kaufsfähige Produkte zu entwickeln und zu produzieren. Zugleich soll der Wettbewerb die junge Basler Kreativwirtschaft, das De-signschaffen fördern und die Zusammen-arbeit mit der Hochschule für Gestaltung und Kunst (HGK), dem baldigen grossen Player im

Kunstfreilager Dreispitz, intensivieren. Der Wettbewerb richtet sich deshalb vor allem an junge Designerinnen und Designer insbeson-dere der Fachrichtungen industrial Design, Visual Communication und Szenografie, die an der HGK studieren oder hier seit 2008 ab-geschlossen haben. Aber auch Studierende und Alumni anderer Hochschulen, die seit 2008 abgeschlossen haben, sind zugelassen, sofern sie in Basel wohnen oder arbeiten.

Prämiert werden von der Basler Papier-mühle herstellbare und/oder verkäufliche Objekte resp. Produkte aus den Bereichen Pa-

pier, Schrift und Druck wie zum Beispiel Papier-lampen, Teelichter, klei-nere Möbel aus Papier, Briefpapier, Journale, Tagebücher, Schriftpro-dukte, digitale Schriftsät-ze etc. Da die Produkte im Museumsshop ange-boten werden, sollte der maximale Endverkaufs-preis ChF 1 000 nicht übersteigen. Eine Jury bewertet die eingesand-ten Projekte.Nach der Vorselektion

gelangen 20 Objekte in die engere Auswahl. Diese sollen nach Abschluss des Wettbewerbs in einer Broschüre und mit einer kleinen Aus-stellung vorgestellt werden. Es gibt folgende drei Preiskategorien: Ein Hauptpreis à ChF 10 000, zwei weitere Hauptpreise à je ChF 5 000 und vier Förderpreise à je ChF 2 000. Der Ein-gabetermin für die Produktvorschläge ist der 21. Juni 2013.

Beat von WartburgWettbewerbsunterlagen: www.papierschriftdruck.ch

DiE HGK ALS PARTNERiNiM DiALOG MiT DER KULTUR- UND KREATiVWiRTSCHAFT

Der neue Campus der Hochschule für Ge-staltung und Kunst (HGK) auf dem Dreispitz wird 2014 bezugsfertig. Ab dann sind auf dem Dreispitz rund 750 Studierende und 200 Do-zierende an einem Ort vereint. Das umgebaute Zollfreilager sowie der achtgeschossige Neu-bau am Freilager-Platz werden das neue Domi-zil für die derzeit noch auf acht Standorte in Basel, Muttenz und Aarau verteilten Einheiten der Hochschule. Mit der Zusammenführung aller institute und Disziplinen an einem für die Kreativwirtschaft interessanten Ort will die Hochschule ihre Rolle innerhalb der bereits dynamisch angelaufenen Quartiersentwick-lung wahrnehmen. Sie unterstützt eine erhöh-te Sichtbarkeit von Gestaltung und Kunst in der Öffentlichkeit, denn ohne Zweifel hält der Dreispitz ein Potenzial für die Absolventinnen und Absolventen dieser Studienrichtungen bereit.

in Zusammenarbeit mit der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) entwickelt die Hochschule für Gestaltung und Kunst ein Kompetenznetzwerk für Cultural Entrepre-neurship. im Zentrum stehen die beruflichen Aussichten der Studierenden als künftige De-signerinnen und Designer sowie als Künstle-rinnen und Künstler und die Begleitung der Absolventinnen und Absolventen auf dem Weg in die Existenzgründung. Zahlreiche indizien aus dem Feld der Kreativwirtschaft sprechen dafür, dass die Zahl jener Studieren-den weiter ansteigen wird, die ihre berufliche Chance als Unternehmerinnen und Unter-nehmer erkennen und ergreifen wollen. Die Hochschule macht daher die Unterstützung kreativer Gründungsprozesse zu einer ihrer Schlüsselaufgaben und setzt dabei auch auf ihren neuen Standort: Kreative Jungunter-nehmen sollen teilhaben an der Transforma-tion des einst kaum zugänglichen Lager- und Gewerbeareals in einen urbanen Stadtteil.

Wissend, dass der Dreispitz mit seiner hohen Diversität an infrastruktur und Kompetenzen durch die hier ansässigen Unternehmen über ein grosses Potenzial verfügt, sucht die Hoch-schule für Gestaltung und Kunst den Dialog mit der Nachbarschaft.

Die nachhaltige Nachwuchsförderung im Rahmen des entstehenden Kompetenznetz-werks ist auf inklusion angelegt. So sollen schrittweise strategisch wichtige Bildungs-stätten des tertiären Sektors für eine Zusam-menarbeit gewonnen werden.

inhaltlich hat das Netzwerk vier thema-tische Schwerpunkte: Die ZHdK erarbeitet Aus- und Weiterbildungsangebote für Jung-unternehmerinnen und Jungunternehmer aus dem Kultur- und Kreativbereich und entwi-ckelt Formate der individuellen Laufbahnbe-ratung und Gründerservices. Die Hochschule für Gestaltung und Kunst legt den Fokus auf die Vernetzung wichtiger Stakeholder. Neben realen Begegnungen werden auch netzbasier-te Plattformen aufgebaut, sodass Studierende möglichst früh damit beginnen können, ihre persönlichen Netze zu knüpfen. Des Weite-ren wird anhand von Better Practice-Ansätzen samt neuen Finanzierungstypen ein Gründer-modell für die Kreativen erarbeitet. Dieses soll die Attraktivität für Startups- und Spin-offs auf dem Dreispitz erhöhen.

Die erste Förderphase des gemeinsam in-itiierten Projekts läuft bis Februar 2015 und wird finanziell unterstützt von der Gebert Rüf Stiftung sowie von der Avina Stiftung.

Caroline RoggoCaroline Roggo ist Leiterin Cultural Entrepreneurship an der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW

CLUSTER ODER GUANTANAMO ?KREATiVWiRTSCHAFT iM DREiSPiTZ

Das Dreispitzareal ist ein klassisches Gewerbe-gebiet, buntscheckig, mit einer grossen Nut-zungsvielfalt. Einem Filetstück gleich liegt es in der Stadtlandschaft zwischen Münchenstein und dem Gundeli. Deshalb sind die Stadt Ba-sel sowie Münchenstein und die Grundeigen-tümerin, die Christoph Merian Stiftung, daran interessiert, einerseits eine dichtere Nutzung mit höherer Wertschöpfung zu realisieren und andererseits das industriegebiet zu öffnen und in einem längeren Prozess in ein durchmisch-tes städtisches Quartier für Wohnen, Gewerbe, Freizeit und Kultur zu verwandeln.

Die Transformationsidee basiert auf einer Studie von Herzog & de Meuron aus dem Jahr 2002. Seither hat sich viel getan, besonders im Gebiet des ehemaligen Zollfreilagers. Mit der Eröffnung der Hochschule für Gestaltung und Kunst im nächsten Jahr kommt ein Kulturak-teur mit grossen Ambitionen in den Dreispitz und wird von hier mit Forschung und Lehre auch international ausstrahlen. Für eine ins-titution, die sich mit den zeitgenössischsten Formen der visuellen Kunst und des Designs, zum Beispiel der digitalen Kultur, ausein-andersetzt, gehören innovationen, Wandel, Transformationen zum daily business. Gerade deshalb ist die HGK im Dreispitz künftig am richtigen Ort.

Angesichts der Nähe von HGK und Schau-lager entwickelten Herzog & de Meuron die idee eines Campus des Bildes. Die Christoph

Merian Stiftung hat nun versucht, diese idee weiterzuspinnen. Heute heisst der Campus des Bildes – an das ehemalige Freilager anknüp-fend – Kunstfreilager. Dieses neue städtische Quartier soll Lehre und Forschung, Kunst-produktion, Kunstvermittlung, Kunstgewerbe und Kreativwirtschaft umfassen.

Erster Meilenstein war 2008 die Eröffnung der Dreispitzhalle durch das Festival der elek-tronischen Künste Shift. Hier finden seither viele Veranstaltungen wie zum Beispiel der Designmarkt statt. Zweiter Meilenstein war die Umnutzung eines ehemaligen Lagerge-bäudes an der Oslostrasse 10 zu einem Ateli-er-, Ausstellungs- und Gewerbebau. Das Haus Oslo beherbergt heute Radio X, die Fotogale-rie Oslo 8, den Young Art Space Oslo 10, zwei Fotobetriebe und einen Aufziehservice, das Haus für elektronische Künste und 16 Ateliers für 21 Kunstschaffende. Dritter Meilenstein war die Eröffnung der Rakete, des Container-baus für die Kreativwirtschaft (siehe Artikel unten), und vierter Meilenstein ist die Um-nutzung des Lagergebäudes Oslo 12 – 14. Hier wird im September 2014 zeitgleich mit der Fertigstellung der HGK das Haus für elekt-ronische Künste seinen definitiven Standort finden, und es werden Ateliers für ausländi-sche Gastkünstler des iaab und für regionale Autorinnen und Autoren eingerichtet.

So entsteht langsam, aber sicher ein Art Cluster im Kunstfreilager. So bestechend die idee der Dreispitz-Transformation für die einen ist, so abschreckend ist sie für andere. Wo bleibt da noch billiger Mietraum? ist das Ganze nicht ein gewaltiger Gentrifizierungs-prozess, in dem die Kunstschaffenden miss-braucht werden für die Renditeüberlegungen einer Stiftung? ist der Art Cluster nicht ein Kunst-Guantánamo in der Pampa?

Natürlich ist uns von der Christoph Meri-an Stiftung bewusst, dass die ganze Dreispitz-

DiE ANDERS-WiRTSCHAFTEiN PLÄDOYER FÜR DiE BASLER KREATiVWiRTSCHAFT

Basel hat jede Menge zu bieten, besonders was die Kreativwirtschaft angeht: Gute Aus-bildungsstätten, eine Szene, die an der einen oder anderen Stelle noch mehr Selbstbewusst-sein gegenüber Zürich vertragen könnte, und ein Bewusstsein für Wertigkeit und auch Frei-räume in der Stadt. Darüber hinaus gibt es eine Studie, die Kreativwirtschaft erst einmal als Wirtschaftszweig dargestellt hat, und eine initiative, die die Aufgabe hat, eine Lobby für die vielseitige Branche zu schaffen.

Alles gute Voraussetzungen, um der Krea-tivwirtschaft auch etwas zuzutrauen, und vor allem ihren Akteuren.

ich finde in Basel eine lebendige Kreativwirt-schaft mit vielen Potenzialen vor, der es aber an Anerkennung und passenden Plattformen mangelt. Viele Akteure wissen gar nicht, dass sie der Branche zugehören. Ein Musiker ist halt ein Musiker und ein Designer ein Desi-gner. So ist das Verständnis der Akteure. Dies ist aufgrund der Heterogenität der dreizehn Teilmärkte, in die die Kreativwirtschaft defi-nitionsgemäss eingeteilt ist, auch nicht ver-wunderlich.

Oftmals wird sowohl in Deutschland wie auch in der Schweiz alles in einen Topf ge-worfen, und die Unterschiede zwischen der

öffentlichen Förderung der Kultur, jener des tertiären Bereichs (Stiftungen, Vereine etc.)und der privatwirtschaftlich orientierten Kre-ativwirtschaft werden nicht erkannt. Sicher tut sich so mancher schwer, wenn Ökonomie und Kultur in einer engen Verbindung und Abhängigkeit gesehen werden. Das bedeutet nicht zugleich, dass ich dafür bin, dass die vom Staat geförderte Kultur beschnitten werden soll. Kultur ist für Basel mehr als nur ein wei-cher Standortfaktor. Wer aber alles sauber von einander trennen kann, versteht, dass die Kreativwirtschaft im Kern ein wichtiger Wirt-schaftszweig ist. Warum? Sicher sollten das Zahlen beweisen können, doch die Bedeutung eines Wirtschaftszweiges kann auch ganz an-ders gemessen werden. Was wäre unser Leben ohne die Produkte und Dienstleistungen der Kreativwirtschaft? innovationen entstehen doch unter dem Einfluss einer entsprechen-den ästhetischen Bildung und dank des krea-tiven und kulturellen Levels von Menschen. Das ist in Städten mit Traditionen nicht leicht verständlich. Vor allem, wenn eine Stadt wie Basel sich stark auf bestimmte Bereiche wie die Life Sciences konzentriert.

Die Kreativwirtschaft passt vor allem in das Weltbild des ständigen Wandels und des innovationsanspruchs. Ohne diese Branche wäre das Leben nicht nur trist, sondern auch rückständig. Sie unterliegt zwar genauso den Marktgegebenheiten wie die klassische Wirtschaft. Es wird in der gleichen Währung gezahlt, und die Grundsätze ordnungsgemäs-ser Buchführung gelten auch für die Kreativ-wirtschaft. Dennoch ist Kreativwirtschaft die «Anders-Wirtschaft». Woran kann man das festmachen? in der klassischen Wirtschaft wird Wissen gehortet, werden Kunden- und Lieferantenkontakte für sich behalten, um einen Wettbewerbsvorteil zu haben. Kreativ-wirtschaft hingegen teilt Wissen, arbeitet bran-chenübergreifend in Co-Working-Räumen oder finanziert sogar über Crowdfunding Unternehmensideen und Projekte. «Das An-

dere» liegt in der Dynamik und Haltung des Unternehmertums. in den ersten Schritten geht es den meisten Akteuren nur um das eine oder erste ökonomische Ziel: Miete zahlen und voller Kühlschrank. Mit einem solchen Anspruch, der viel Mut und Risiko voraussetzt, kann man starten.

Die Akteure der Kreativwirtschaft stellen sich oft in kürzester Zeit auf die wirtschafts-aktuellen Gegebenheiten ein. Wer jeden Tag eine Krise hat, wer die Herausforderung kennt, von der eigenen Kreativität zu leben und höchsten Ansprüchen gerecht zu wer-den, der weiss auch, wie die ganz kniffligen Dinge klappen. Davon könnte sich so manche Bank und Grossunternehmung eine Scheibe abschneiden.

Das Stellwerk Basel, in dem ich seit Januar als Geschäftsführer verantwortlich bin, ist ein guter Ort für die Akteure der Branche. Wir bieten Existenzgründern aus den Bereichen Architektur, Fotografie, Design und Kom-munikation als erstes kreativwirtschaftliches Gründerzentrum der Schweiz günstige Mieten und eine Begleitung in ihrer Selbstständigkeit sowie Netzwerke und Events an.

Von diesen guten Orten gibt es noch einige. Wichtig für die Basler Kreativwirtschaft ist, die bereits entstehenden Erfolge der lokalen Un-ternehmerinnen und Unternehmer sichtbar zu machen. Leider wird häufig nur darüber ge-sprochen, was alles schiefgeht. Verwaltung und Politik sowie die klassische Wirtschaft sollten im Umgang mit der «Anders-Wirtschaft» offe-ner und mutiger sein, und umgekehrt.

ich bin guter Hoffnung und verbreite ger-ne Euphorie für eine Branche, die in Basel und darüber hinaus grosse Aufmerksamkeit verdient.

Frank LemlohFrank Lemloh ist seit 2013 Geschäftsführer des Vereins Stellwerk Baselwww.stellwerkbasel.ch

in der Zwischenzeit hat sich viel getan: Zu-sammen mit der Gebert Rüf Stiftung unter-stützt die Christoph Merian Stiftung die Start-up Academy, weiter fördert sie Flatterschafft und zusammen mit der Ernst Göhner Stiftung den Verein Stellwerk, sie organisiert einen De-signwettbewerb zum Thema Papier – Schrift – Druck, unterstützt den Designmarkt sowie den Laufsteg Oslo, und sie schafft Raum für die Kreativwirtschaft mit dem Projekt Rakete. Schliesslich hat sich auch die HGK der Krea-tivwirtschaft zugewandt: Sie wird mit der Zür-cher Hochschule der Künste einen Lehrgang in «Cultural Entrepreneurship» anbieten. Wir haben unsere Partner eingeladen, ihre Projekte auf dieser Seite vorzustellen.

Auch der Kanton Basel-Stadt ist aktiv ge-worden, hat mit der Schaffung der initiative Kreativwirtschaft ein impulsprogramm im Sinne der Standortförderung lanciert und bietet mit der Website ikb.ch eine Plattform für die verschiedenen Branchenverbände und -vertreter.

All diese initiativen haben das Bewusst-sein für die Bedeutung der Kreativwirtschaft gestärkt, sie haben aber auch Diskussionen darüber ausgelöst, wie man in Basel die Krea-tiv- und Kulturwirtschaft fördert. Zum Glück. Die staatliche Kulturförderung darf Kreativ-wirtschaft zum Beispiel nicht mit Swisslos-Geldern fördern, und das Wirtschafts- und

Sozialdepartement versteht seine initiativen explizit nicht als Kultur-, sondern ausschliess-lich als Wirtschaftsförderung. «Kreative» sind schlecht organisiert, ein Branchenbewusstsein ist oft nicht vorhanden, und es gibt zu wenig oder zu wenig aktive Branchenverbände, die sich für die interessen ihrer Mitglieder einset-zen könnten (wie z.B. Balimage). So kämpft der Einzelne oft auf verlorenem Posten. Es ist deshalb wichtig, folgende Fragen zu stel-len und zu diskutieren: Wieviel Wirtschaft, wieviel «Kreation» soll gefördert werden, wie können Wirtschafts- und Kulturförderung verzahnt werden? Welche Branchen sollen in Basel prioritär unterstützt werden? Sollen strukturelle Schwächen beseitigt oder eher Stärken gestärkt werden? Wie können Nach-wuchs, Jungunternehmertum und Exzellenz gleichermassen gefördert werden? Die Fragen enthalten Zündstoff, Dynamit, und genau da-rum geht es ja: um zündende ideen und das Feuer für innovation.

Wir von der Christoph Merian Stiftung werden uns weiterhin für die Schaffung von günstigen Werk- und Atelierräumen, für nie-derschwellige Plattformen der Werk-, Produkt- und Labelpräsentation, für die Nachwuchs-förderung und die betriebliche Beratung einsetzen.

Beat von Wartburg

— EiN GEWALTiGER

GENTRiFiZiERUNGS-PROZESS ?

Transformation eine top-down gesteuerte Ent-wicklung ist. Und wir wissen auch, dass Kunst- und Kreativwirtschaftsnutzungen nicht auf dem Reissbrett entstehen, sondern bottom-up. Dennoch glauben wir, dass das Kunstfreilager eine grosse Chance für die Kultur ist. Es ist die einmalige Möglichkeit, die Kunst in der Stadtlandschaft zu verorten, für die Kunst ei-nen Ort zu schaffen, der sich für einmal nicht durch Musealität auszeichnet, sondern durch Lebendigkeit (über 1 000 Studierende werden hier täglich verkehren), durch künstlerische und gewerbliche Produktion, durch die Re-flexion über Kunst, durch interdisziplinäre, forschende Kunst.

Die Transformation des Dreispitz ist ein Generationenprojekt, ein langsamer Prozess, und das hat Vorteile. Denn noch bietet der Dreispitz viele Nischen; Nischen, die zahlrei-che Kulturschaffende bereits für sich entdeckt haben, für den Bandraum, das Architektur-büro, das Hindu-Kulturzentrum, die basel-city studios, Urban Farming, und und und. Es

ist ein Ort für private initiativen, für Men-schen, die an sich und ihre ideen glauben. Das Hinterhof-Projekt ist ein gutes Beispiel dafür. Hier hat eine Gruppe von Leuten mit idealis-tischen Zielen den Versuch gewagt, kommer-zielle Musik-, Bar- und Partykultur mit einem künstlerischen Anspruch zu verbinden, und die Hinterhof-Crew hat Erfolg damit.

Das Kunstfreilager ist eine idee, die Wirk-lichkeit wird, aber in keinem Fall ein mono-polistisches Unternehmen. Nicht alles muss hierherkommen und hier stattfinden. Und weil die Christoph Merian Stiftung nur dann philantropisch tätig sein kann, wenn sie auch an die Rendite im immobiliengeschäft denkt, findet die Transformation des Dreispitz in je-dem Fall statt – mit oder ohne Kultur. Wir finden, es wäre besser mit. Denn Kultur be-deutet Leben und Lebensqualität. Kultur tut dem Dreispitz gut, der Dreispitz kann aber auch der Kultur gut tun.

Beat von Wartburg

LAUFSTEG OSLOWas im vergangenen Jahr mit grosser Unge-wissheit als Versuch lanciert wurde, stand nach der erfolgreichen ersten Ausgabe seine Bewäh-rungsprobe. Kann sich die Veranstaltung nun einen festen Platz im Basler Kulturkalender sichern?

Die Rede ist von Laufsteg Oslo, der ein-tägigen Modeveranstaltung mit Modeschau und Modemarkt zur Förderung nationaler Jungdesignerinnen und aufstrebender Mode-labels, die am 4. Mai 2013 ihre Tore öffnete. Eine Freundin, gelernte Modedesignerin, war

überzeugt, dass ein solcher Event bei vielen Modeschaffenden Anklang finden würde, was sich nach kurzer Recherche durch uns bestätigte.

Mit der idee vor Augen, junge Modelabels zu fördern, die noch nicht auf dem Markt etabliert sind, und ihnen die Möglichkeit zu bieten, sich und ihre Kollektionen zu präsen-tieren, machten wir vom Verein Tor13 uns vor etwas mehr als einem Jahr an das Projekt Laufsteg Oslo. Keiner der Organisatoren war in der Modebranche tätig oder hatte schon

einmal eine Modeveranstaltung organisiert. Die Überzeugungskraft dieser idee, die Ge-wissheit, dass die Nachfrage seitens der Mode-schaffenden vorhanden ist, die Erfahrung im Bereich Eventmarketing und in der Organisa-tion musikalischer Events waren uns Antrieb genug.

Unsere Unerfahrenheit im Feld Modeveran-staltung brachte uns dazu, im stetigen Kontakt mit den Labels zu sein, auf ihre Vorstellungen und ideen einzugehen und uns auch Tipps zu holen. Wir merkten bald, dass dieser rege Austausch zu unserer Stärke wurde, darum probieren wir auch dieses Jahr auf ihre Wün-sche und Bedürfnisse einzugehen. Schliesslich sind es die Designer und Designerinnen und ihre Produkte, die während dieser Veranstal-tung im Vordergrund stehen.

Die wichtigste Frage, die sich stellte, war 2012: Wie finanzieren wir diesen Event? Die teilnehmenden Labels sollten einen möglichst kleinen Unkostenbeitrag zahlen müssen, da-rüber waren wir uns schnell einig. Da wir überhaupt nicht wussten, ob diese Modever-anstaltung auch Publikum anzieht, beschlos-sen wir, keinen Eintritt zu verlangen. Darum mussten wir versuchen, einerseits andere Einnahmequellen zu finden und andererseits die Ausgaben möglichst tief zu halten. Auf der Suche nach Räumlichkeiten, die unseren

Vorstellungen entsprachen, wurden wir dank der Christoph Merian Stiftung auf dem Drei-spitzareal fündig. Da dieses Vorhaben an ein Schulprojekt gekoppelt war, erhielten wir von den Unternehmen, von denen wir inventar mieteten, Rabatte, was uns half, die Kosten tief zu halten. Um mehr Einnahmen zu gene-rieren, organisierten wir eine Afterparty und einen Koch, der direkt vor Ort kochte – beides, um für Abwechslung zu sorgen und um die Leute so länger vor Ort zu halten und damit höhere Einnahmen beim Getränkeverkauf zu erzielen.

Dieses Jahr kam als Schwierigkeit dazu, dass Laufsteg Oslo kein Schulprojekt mehr ist und einige Rabatte wegfielen, was die Ausgaben in die Höhe schnellen liess. Wir wollten aber an unserem Konzept festhalten und warben darum um Sponsoren. Dies bedeutete mehr Aufwand, aber wir wollten über eine gewisse finanzielle Sicherheit verfügen. Ausserdem be-schlossen wir, dieses Jahr Eintritt zu verlangen, was sich bewährte, denn die Leute erschienen trotzdem so zahlreich wie letztes Jahr.

Ben AndristBen Andrist ist Logistikexperte. Privat engagiert er sich im Kulturverein tor13, der die zweite Design-Show Laufsteg Oslo am 4. Mai 2013 im Dreispitzareal organisierte.

g Klamott gg Kate Frank

KREATIv wIRTsChAfTSCHWERPUNKT

Viel diskutiert und nur zögerlich gefördert ist sie: die Kreativwirtschaft. Warum eigentlich? Shortcut stellt die Kultur- und Kreativwirtschaft zur Diskussion und einzelne konkrete Projekte vor

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Kausale Logik

Kreativwirtscha�s-Politik-Logik

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Ziel

Wer bin ich?Was weiss ich?

Wen kenne ich?Was kann ich

TUN?

mehr Mittel (Ressourcen expandiert)

neue Richtung (Randbedingungen konvergiert)

Interaktion mitanderen

Menschen

Vereinbarungmit

Stakeholdern

neueMittel

neueZieleverfügbare

Mittel

die Siedlung innerhalb von nur zwei Wochen aufgebaut. Die L-förmig angeordnete und drei-stöckig gestapelte Container-Anlage besteht aus 39 vorfabrizierten Modulen à 25 m2. Sie sind isoliert und mit Zentralheizung und gros-sen Fenstern ausgestattet. Die Erschliessung funktioniert über Laubengänge, und eine 17 m hohe Aussichtsplattform im innenhof ermög-licht einen weitläufigen Panoramablick. Die Miete pro Modul und Monat beträgt ChF 485 inkl. Nebenkosten, Strom, Heizung und in-ternet.

Die Christoph Merian Stiftung ist eben-falls in der Rakete stationiert. Anhand eines regelmässig aktualisierten Architektur modells kann die Öffentlichkeit die dynamische Ent-wicklung und den Baufortschritt im Dreispitz mitverfolgen. Somit wird die Rakete zum Be-gegnungsraum der Nutzer, der Öffentlichkeit und der Stiftung.

Ein auf fünf Jahre befristetes Mietverhältnis ist Teil des Konzeptes; nach dieser Phase wird

die Rakete ab- und an einem anderen Standort im Dreispitz wieder neu aufgebaut. Auf diese Weise profitieren neue Jungunternehmer von der Gelegenheit günstiger Räume. Und die Stiftung achtet bei der Vergabe der Container darauf, dass sich die Nutzungen ergänzen und nicht behindern. Von der Mietpartei wird eine aktive Teilnahme am Leben in der Container-siedlung erwartet sowie Toleranz, Flexibilität und gegenseitiger Respekt. Am 1. Dezember 2012 bezogen die Mieter ihre Ateliers und Büros, am 1. März 2013 hob die Rakete mit einem Fest und einem Tag der offenen Türen offiziell ab.

Christoph Meneghettiwww.rakete-dreispitz.ch

DiE RAKETEEiN RAUMFAHRTPROGRAMM

Die Kreativszene braucht günstigen Raum zum Arbeiten und Ausprobieren. Nicht nur die Kreativwirtschaftsstudie des Wirtschafts- und Sozialdepartements, sondern auch zahl-reiche Gespräche mit Nutzerkreisen haben gezeigt, dass der Raum bedarf gross ist. Das Dreispitzareal eignet sich genau für solche Be-triebe wie kaum ein anderer Standort, denn erstens hat das Kunstfreilager frischen Wind und neue (kulturelle) Nutzungen auf den Dreispitz gebracht und zweitens ist und bleibt der Dreispitz ein Arbeitsgebiet. Und drittens entstehen hier im Zug der dynamischen Are-alentwicklung Chancen, so zum Beispiel die Vakanz einer Parzelle an prominenter Lage nahe der Tramstation Dreispitz, an der Mün-chensteinerstrasse 274.

Die Christoph Merian Stiftung hat die An-liegen der Kreativszene aufgenommen und die Chance dieses attraktiven Standorts am Schopf gepackt, um gemeinsam das Projekt Rakete Dreispitz zu initiieren. Der Name Rakete steht

für die zündende idee und die Schubkraft, mit denen Startups der Kreativ- und Kulturwirt-schaft neue Unternehmungen gründen und vorantreiben. in Anlehnung an das Projekt Basis lager in Zürich entwickelte die Stiftung eine Siedlung aus Büro-Containern, die güns-tig zu erstellen und ebenso günstig zu vermie-ten ist und an verschiedenen Standorten im Dreispitz verwendet werden kann.

Die Rakete ist somit eine mobile immobilie mit wechselnder Besetzung und flexiblem Be-zug zum jeweiligen Standort, eine Startrampe, wo Jungunternehmer gemeinsam etwas auf-bauen können. Die Kommission der Christoph Merian Stiftung hat im Januar 2012 einen Bau-kredit von ChF 2,2 Millionen gesprochen. Ziel ist es, mit dieser investition längerfristig eine schwarze Null zu erwirtschaften; die Rakete ist kein Wohlfahrtsprogramm, sondern vielmehr ein Raumfahrtsprogramm.

Nach einer anderthalb Jahre dauernden Planungs- und Vorbereitungsphase wurde

NEUEM NEU BEGEGNENEiN PLÄDOYER FÜR EiNE UNTERNEHMERiSCHE UND KREATiVE POLiTiK

mit DER KULTUR- UND KREATiVWiRTSCHAFT

Politik macht sich weltweit neuerdings gerne stark für eine wachsende Kultur- und Kreativ-wirtschaft. Doch umgekehrt wird ein Schuh draus: Die Politik wird vor allem von und mit der Kultur- und Kreativwirtschaft – von ihren Prozessen und Strukturen – lernen können. Vor allem kooperative Politik-Ansätze, die komplexen Handlungssituationen, Heteroge-nität und rasanter Dynamik Rechnung tragen, können sich hierbei zukünftig als besonders produktiv erweisen:

Die neuere Entrepreneurship-Forschung 1 hat das Denken, Entscheiden und Handeln erfolgreicher Unternehmer untersucht und dabei nachgewiesen, dass diese – vor allem in Situationen der Ungewissheit –

1. nicht einen am grünen Tisch entwickelten Plan in die Tat umsetzen, sondern auf der Grundlage der vorhandenen Mittel arbeiten;

2. in Partnerschaften grössere Sicherheit schaf-fen, indem sie kooperativ ihre Ziele modifi-zieren oder ihre Mittel erweitern;

3. darauf verzichten, die Zukunft vorhersa-gen zu wollen, und sich stattdessen darauf beschränken, sie sukzessiv zu gestalten;

4. Zufälle nutzen, um ihren Horizont zu er-weitern und sich zu innovationen anregen zu lassen.

Dabei sollte einer Verwechslung vorgebeugt werden: Entrepreneurship bedeutet nicht zwingend Ökonomisierung. Unternehmeri-sches Denken und Handeln kann im Kon-text sehr unterschiedlicher, materieller wie immaterieller Wertesysteme geschehen. Eine kreativwirtschaftlich-unternehmerische Poli-tik muss zukünftig besonders einer Aufgabe Aufmerksamkeit schenken, die in der inter-nationalen Governance-Forschung als erfolgs-kritisch beschrieben wird: Capacity Building, also die Kompetenzentwicklung der Akteure auf allen Ebenen. 2 Die heterogenen Netzwer-ke der Kultur- und Kreativwirtschaft sind prä-destiniert dazu, ein gemeinsames Lernen und auch ein Voneinander-Lernen zu ermöglichen. Aber braucht es denn überhaupt postheroi-sche Humusentwicklung oder Leuchtürme für die (Un-)Branche?

Einen erfolgversprechenden neuen Ansatz-punkt dazu liefert das dynamische Modell der Entrepreneurship-Forschung «Effectuation».

Nach Auffassung des Autors Michael Fasching-bauer sind Ausgangspunkt für gelungene Alli-anzen immer die handelnden Personen. Auf dieser Basis werden, im Rahmen dessen, was für die unterschiedlichen Partner leistbar ist und attraktiv erscheint, verbindliche Verein-barungen ausgehandelt. 1 Kooperative Politik beruht darauf, verbindliche Vereinbarungen mit denen einzugehen, die neue Mittel und Zielvorstellungen einbringen können und wollen.

Prinzip der Mittelorientierung für eine kooperative Politik mit der Kultur- und Kreativ wirtschaftKausales Vorgehen beruht auf Zielorientie-rung: Zuerst visiert man ein bestimmtes Ziel an, dann macht man Pläne und erschliesst geeignete Mittel, um genau dieses Ziel oder erwünschte Ergebnis zu erreichen. Kooperati-ve Politik mit der Kulturwirtschaft hingegen beruht auf mittelorientierung: Man erhebt die aktuell verfügbaren Mittel und fokussiert auf die Erschliessung der Ergebnisse, die sich mit den vorhandenen Mitteln erzielen lassen. Dem

Machbaren wird der Vorzug gegenüber dem Gewünschten gegeben.

Den Unterschied zwischen kausaler Ziel-orientierung und Mittelorientierung einer kooperativen Politik zeigt Abbildung 2.

Die verschiedenen Ansätze sind gut mit einer Metapher aus dem Alltag zu beschrei-ben – dem Kochen eines Essens: Kausal würde man ein Gericht und das dazugehörige Rezept auswählen, eine entsprechende Einkaufsliste zusammenstellen, die Zutaten besorgen und nach den vorgegebenen Schritten des Rezepts, das Gericht zubereiten.

Beim kooperativen Ansatz würde man eine Einladung aussprechen und die Gäste bitten, interessante Zutaten unabgesprochen mitzu-bringen. Dann würde man sich in die Küche setzen und gemeinsam überlegen: Welche möglichen Gerichte können wir mit allem, was in der Küche vorhanden und durch das Netzwerk erreichbar ist, zubereiten?

Auf beiden Wegen lassen sich hervorra-gende Gerichte zubereiten. Um allerdings die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass etwas Neues entsteht, ist die klare Empfehlung, der zweite Weg. Denn beim Standort-Wettbewerb um die hart umworbenen kreativen Talente werden wahrscheinlich jene Standorte die Nase vorne haben, die den Mut haben, zum Kochen ohne Rezept einzuladen. Denn: Neuem muss neu begegnet werden!

Christoph BackesChristoph Backes ist ideenlotse, Geschäftsführer u-ins-titut in Bremen, Gründungsgeschäftsführer des Grün-derZentrums Kulturwirtschaft Aachen, Lehrbeauftrag-ter an verschiedenen Hochschulen in Deutschland und der Schweiz sowie Berater der initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der deutschen Bundesregierung so-wie des RKW Kompetenzzentrums Kultur- und Krea-tivwirtschaft des Bundes in Deutschland.

Literaturhinweise:1 Faschingbauer, M. (2010). Effectuation – Wie er-folgreiche Unternehmer denken, entscheiden und handeln. Düsseldorf: Schäffer-Poeschel2 Willke, H. (2007). Smart Governance – Governing the Global Knowledge Society (S. 178 ff.). Frankfurt/New York: Campus Verlag

STECKBRiEF

Büro- und Ateliercluster für die Kreativwirtschaft (Containergebäude aus 39 Modulen)

Bauherrschaft Christoph Merian Stiftung

Gesamtkosten Projekt ChF 2,2 Mio.

Standort Münchensteinerstrasse 274,

4053 Basel (Dreispitz)

Grundstücksfläche 960 m2

Freiflächen 420 m2

Bruttogeschossfläche 1 500 m2

Hauptnutzfläche 1 000 m2

Geschosszahl 3

Bauvolumen 4 500 m3

Masse Einzelcontainer 10 m × 3 m × 3 m

Mietpreis ChF 485.– pro Container-Modul inkl. NK, Strom, internet und

Heizkosten

Planer in situ / NRS Team, Basel

Architektur und Bauleitung

emyl, Basel innenarchitektur und

Szenographie

Hauser, Schwarz, Basel Grafik und Beschriftung

Container Alho Systembau AG,

Wikon

Abbildung 1: Dynamisches Modell Effectuation (nach Sarasvathy & Dew) 1

Abbildung 2 (nach Sarasvathy)

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STARTUP ACADEMYSENSiBiLiSiEREN, VERNETZEN UND RÄUME BEREiTSTELLEN

Mit dem Neuwort «Kreativwirtschaft» sind Hoffnungen verbunden, an Ressourcen he-ranzukommen, die sich bislang erfolgreich der kommerziellen Verwertbarkeit entzogen haben. Wer sich mit der Kreativwirtschaft beschäftigt, wie das verschiedene Organisa-tionen bereits tun, muss deswegen behutsam vorgehen. Eine davon ist die Startup Academy, ein gemeinnütziger Verein, der Jungunterneh-merinnen und Jungunternehmer auf ihrem Weg in die berufliche Selbstständigkeit be-gleiten will, indem er sie mit Hochschulen und der Wirtschaft vernetzt. Gegenwärtig befinden sich 30 Jungunternehmen im Be-gleitprogramm der Startup Academy, rund die Hälfte kann der Kreativwirtschaft zugeordnet werden.

Viele Kreative sind heute sozusagen im Nebenamt kreativ, also ohne gross zu inves-tieren, mit typisch schweizerischer Solidi-tät. Sie arbeiten Teilzeit, konkretisieren ihre Geschäftsideen in Reststunden und starten ihre Einzelfirmen mit langem Atem. Oft ist die Preisgestaltung selbstausbeuterisch, be-triebswirtschaftliches Feedback verpönt, und gegenüber Finanzzahlen wehrt man sich mit lässiger Unlust.

Die Startup Academy versucht hier zu sen-sibilisieren und zu informieren. Sie vermittelt Personen in unterschiedlichen Rollen, die alle wirtschaftlich denken: Das sind Studierende der Betriebsökonomie oder Berufsleute und Unternehmer, die sich als Mentoren speziell um ein Jungunternehmen kümmern. Selbst- und Fremdbild werden dabei ebenso hinter-fragt wie wirtschaftliche Fakten von kreativen Wünschen getrennt. Um eine gleichbleibende Qualität zu erreichen, durchlaufen alle Start-ups zusätzlich eine Reihe von Checks durch Fachleute, insbesondere in den Bereichen Geschäftsidee, Persönlichkeit, Finanzierung, Treuhand und Logistik.

Bei diesen Besprechungen, aber auch in spontanen Gesprächen, bei Netzwerkanlässen, Workshops und Stammtischen findet ein Er-fahrungsaustausch statt, der oft selbstgesteuert ist. Und mit jedem neuen Startup wird das Netzwerk in der jeweiligen Branche dichter und tragfähiger.

Aus biografischer Sicht existieren gewöhn-lich drei, vier ideale Zeitfenster, in denen man sich selbstständig macht. Wer viele Personen in unterschiedlichen Rollen mit Leuten zu-sammenzubringt, die sich in solchen Zeitfens-tern befinden, nutzt dies. Neben der idealen Zeit hat der konkrete Raum eine wichtige Bedeutung: Sobald sich Leute in einem ge-eigneten Raum begegnen, entsteht ein kre-ativer Mehrwert. Hier profitiert die Startup Academy von einem Einrichtungsdesign, das unter Federführung von Vitra entwickelt und inzwischen am Picassoplatz in Basel erstmals umgesetzt wurde. Kurz: Es braucht intelligent gestalteten, zentral gelegenen und bezahl-baren Raum, der zur praktischen Nutzung motiviert und zum gedanklichen Austausch anregt. Wo das gegeben ist, muss man bald darüber nachdenken, wie weitere Räume mit denselben funktionalen Eigenschaften hinzu-gemietet werden können. Denn gross ist die Nachfrage und schnell wird Raum knapp.

Zur Förderung der Kreativwirtschaft im Raum Basel wird die Startup Academy wei-terhin diese Themen vorantreiben: sensibili-sieren, vernetzen und intelligent eingerichtete Räume an verschiedenen Orten offerieren.

Florian BlumerProf. Dr. Florian Blumer ist Professor für Wirtschafts-kommunikation an der Hochschule für Wirtschaft Basel (FHNW) und Mitinitiant und Vorstandsmitglied der Startup Academywww.startup-academy.ch

DYNAMO UND DYNAMiTDiE KREATiV WiRTSCHAFT BRAUCHT iNiTiATiVEN

Private und öffentliche Kulturförderer haben seit jeher Projekte verschiedenster kreativwirt-schaftlicher Branchen unterstützt – vielleicht ohne sich dessen bewusst zu sein: Bücher, Fil-me, Konzerte usw., kurz Projekte, die ohne För-derung nicht auf den Markt kommen könnten, insbesondere in der Schweiz, wo der Markt klein, oft zu klein ist. Obwohl verschiedenste Studien gezeigt haben, dass die Kreativwirt-schaft zwar kleinteilig organisiert, aber den-noch als Wirtschafts- und Standortfaktor ernst zu nehmen ist, tun sich die öffentliche Hand, aber auch private Förderinstitutionen mit der Förderung der Kreativwirtschaft schwer. Denn noch immer denken viele, dass es nur unkommerzielle Kultur oder kommerzielle Kultur gibt, wobei für viele Kulturschaffende und -förderer die Erste gut, die Zweite ver-dächtig ist. Für andere wiederum ist es gerade umgekehrt: Unkommerzielle Kultur ist Luxus und kommerzieller Mainstream gut. Dabei ist die Grenze zwischen Kommerz und Kultur fliessend und das Schwarz-Weiss-Denken im rauen politischen Diskurs gefährlich.

Mit dem Kunstfreilager im Dreispitz und der dortigen Nachbarschaft zur Hochschu-le für Gestaltung und Kunst (HGK) stellte

sich auch für die Christoph Merian Stiftung die Frage, ob und wie sie künftig Kreativwirt-schaft fördern möchte. Sie hat deshalb vor drei Jahren zusammen mit der Gebert Rüf Stiftung, dem Gewerbeverband, «Kulturstadt jetzt» und dem Stellwerk eine Arbeitsgruppe gebildet, um herauszufinden, welche konkre-ten Projekte der Kreativwirtschaft in Basel im Allgemeinen und den Studienabgängern der HGK im Besonderen am meisten Nutzen bringen können. in diesem Prozess, gecoacht von Christoph Backes aus Bremen (www.ideenlotsen.de), haben sich unter dem Titel «Dynamo Basel» elf mögliche Massnahmen herauskristallisiert.1. braucht es eine Koordinationsstelle, 2. Wettbewerbe,3. neue Plattformen (Messen, Festivals), 4. ideentransfer (import, Export, ideen-

piraterie), 5. Mentoring / Coaching, 6. zielgruppenspezifische Netzwerkbildung, 7. eine Raumagentur, 8. Mikrokredite und Risikokapital,9. Modellprojekte 10. einen Expertenpool (train the trainer), und 11. braucht es Nachwuchsförderung («U25»).

DREi AUF EiNEN STREiCH!EiN DESiGNWETTBEWERB FÜR PAPiER – SCHRiFT – DRUCK

Einen grossen Teil ihrer Fördermittel inves-tiert die Christoph Merian Stiftung in dau-erhafte Partnerschaften mit institutionen, an deren Gründung sie beteiligt war. So unter-stützt sie die Basler Papiermühle, das Haus für elektronische Künste und Literatur Basel jährlich mit bedeutenden Zuschüssen an die Betriebskosten. Nun möchten wir mit einem Designwettbewerb ein neues Förderformat lancieren, das in dreifacher Hinsicht Wirkung erzielen soll.

Nach 30 Betriebsjahren stand kürzlich eine betriebliche, inhaltliche und bauliche Erneu-erung der Papiermühle an. Und nun soll das Tüpfelchen auf dem i folgen: Eine Erneuerung der Produktepalette. Die Basler Papiermühle ist ja nicht nur ein Muse-um, sondern auch ein Produktionsbetrieb für die «weisse» und die «schwarze» Kunst. Vor den Augen der Muse-umsbesucher werden Pa-piere und Druckerzeug-nisse hergestellt. Die Papier- und Druckpro-duktion trägt wesentlich zum hohen Eigen-wirtschaftlichkeitsgrad des nichtstaatlichen Museums bei. Deshalb ist das Museum auf gute Produkte und gute Verkäufe angewiesen.

Der Designwettbewerb, den die Stiftung lanciert hat, setzt genau hier an, indem er der Papiermühle ermöglichen soll, neue ver-kaufsfähige Produkte zu entwickeln und zu produzieren. Zugleich soll der Wettbewerb die junge Basler Kreativwirtschaft, das De-signschaffen fördern und die Zusammen-arbeit mit der Hochschule für Gestaltung und Kunst (HGK), dem baldigen grossen Player im

Kunstfreilager Dreispitz, intensivieren. Der Wettbewerb richtet sich deshalb vor allem an junge Designerinnen und Designer insbeson-dere der Fachrichtungen industrial Design, Visual Communication und Szenografie, die an der HGK studieren oder hier seit 2008 ab-geschlossen haben. Aber auch Studierende und Alumni anderer Hochschulen, die seit 2008 abgeschlossen haben, sind zugelassen, sofern sie in Basel wohnen oder arbeiten.

Prämiert werden von der Basler Papier-mühle herstellbare und/oder verkäufliche Objekte resp. Produkte aus den Bereichen Pa-

pier, Schrift und Druck wie zum Beispiel Papier-lampen, Teelichter, klei-nere Möbel aus Papier, Briefpapier, Journale, Tagebücher, Schriftpro-dukte, digitale Schriftsät-ze etc. Da die Produkte im Museumsshop ange-boten werden, sollte der maximale Endverkaufs-preis ChF 1 000 nicht übersteigen. Eine Jury bewertet die eingesand-ten Projekte.Nach der Vorselektion

gelangen 20 Objekte in die engere Auswahl. Diese sollen nach Abschluss des Wettbewerbs in einer Broschüre und mit einer kleinen Aus-stellung vorgestellt werden. Es gibt folgende drei Preiskategorien: Ein Hauptpreis à ChF 10 000, zwei weitere Hauptpreise à je ChF 5 000 und vier Förderpreise à je ChF 2 000. Der Ein-gabetermin für die Produktvorschläge ist der 21. Juni 2013.

Beat von WartburgWettbewerbsunterlagen: www.papierschriftdruck.ch

DiE HGK ALS PARTNERiNiM DiALOG MiT DER KULTUR- UND KREATiVWiRTSCHAFT

Der neue Campus der Hochschule für Ge-staltung und Kunst (HGK) auf dem Dreispitz wird 2014 bezugsfertig. Ab dann sind auf dem Dreispitz rund 750 Studierende und 200 Do-zierende an einem Ort vereint. Das umgebaute Zollfreilager sowie der achtgeschossige Neu-bau am Freilager-Platz werden das neue Domi-zil für die derzeit noch auf acht Standorte in Basel, Muttenz und Aarau verteilten Einheiten der Hochschule. Mit der Zusammenführung aller institute und Disziplinen an einem für die Kreativwirtschaft interessanten Ort will die Hochschule ihre Rolle innerhalb der bereits dynamisch angelaufenen Quartiersentwick-lung wahrnehmen. Sie unterstützt eine erhöh-te Sichtbarkeit von Gestaltung und Kunst in der Öffentlichkeit, denn ohne Zweifel hält der Dreispitz ein Potenzial für die Absolventinnen und Absolventen dieser Studienrichtungen bereit.

in Zusammenarbeit mit der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) entwickelt die Hochschule für Gestaltung und Kunst ein Kompetenznetzwerk für Cultural Entrepre-neurship. im Zentrum stehen die beruflichen Aussichten der Studierenden als künftige De-signerinnen und Designer sowie als Künstle-rinnen und Künstler und die Begleitung der Absolventinnen und Absolventen auf dem Weg in die Existenzgründung. Zahlreiche indizien aus dem Feld der Kreativwirtschaft sprechen dafür, dass die Zahl jener Studieren-den weiter ansteigen wird, die ihre berufliche Chance als Unternehmerinnen und Unter-nehmer erkennen und ergreifen wollen. Die Hochschule macht daher die Unterstützung kreativer Gründungsprozesse zu einer ihrer Schlüsselaufgaben und setzt dabei auch auf ihren neuen Standort: Kreative Jungunter-nehmen sollen teilhaben an der Transforma-tion des einst kaum zugänglichen Lager- und Gewerbeareals in einen urbanen Stadtteil.

Wissend, dass der Dreispitz mit seiner hohen Diversität an infrastruktur und Kompetenzen durch die hier ansässigen Unternehmen über ein grosses Potenzial verfügt, sucht die Hoch-schule für Gestaltung und Kunst den Dialog mit der Nachbarschaft.

Die nachhaltige Nachwuchsförderung im Rahmen des entstehenden Kompetenznetz-werks ist auf inklusion angelegt. So sollen schrittweise strategisch wichtige Bildungs-stätten des tertiären Sektors für eine Zusam-menarbeit gewonnen werden.

inhaltlich hat das Netzwerk vier thema-tische Schwerpunkte: Die ZHdK erarbeitet Aus- und Weiterbildungsangebote für Jung-unternehmerinnen und Jungunternehmer aus dem Kultur- und Kreativbereich und entwi-ckelt Formate der individuellen Laufbahnbe-ratung und Gründerservices. Die Hochschule für Gestaltung und Kunst legt den Fokus auf die Vernetzung wichtiger Stakeholder. Neben realen Begegnungen werden auch netzbasier-te Plattformen aufgebaut, sodass Studierende möglichst früh damit beginnen können, ihre persönlichen Netze zu knüpfen. Des Weite-ren wird anhand von Better Practice-Ansätzen samt neuen Finanzierungstypen ein Gründer-modell für die Kreativen erarbeitet. Dieses soll die Attraktivität für Startups- und Spin-offs auf dem Dreispitz erhöhen.

Die erste Förderphase des gemeinsam in-itiierten Projekts läuft bis Februar 2015 und wird finanziell unterstützt von der Gebert Rüf Stiftung sowie von der Avina Stiftung.

Caroline RoggoCaroline Roggo ist Leiterin Cultural Entrepreneurship an der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW

CLUSTER ODER GUANTANAMO ?KREATiVWiRTSCHAFT iM DREiSPiTZ

Das Dreispitzareal ist ein klassisches Gewerbe-gebiet, buntscheckig, mit einer grossen Nut-zungsvielfalt. Einem Filetstück gleich liegt es in der Stadtlandschaft zwischen Münchenstein und dem Gundeli. Deshalb sind die Stadt Ba-sel sowie Münchenstein und die Grundeigen-tümerin, die Christoph Merian Stiftung, daran interessiert, einerseits eine dichtere Nutzung mit höherer Wertschöpfung zu realisieren und andererseits das industriegebiet zu öffnen und in einem längeren Prozess in ein durchmisch-tes städtisches Quartier für Wohnen, Gewerbe, Freizeit und Kultur zu verwandeln.

Die Transformationsidee basiert auf einer Studie von Herzog & de Meuron aus dem Jahr 2002. Seither hat sich viel getan, besonders im Gebiet des ehemaligen Zollfreilagers. Mit der Eröffnung der Hochschule für Gestaltung und Kunst im nächsten Jahr kommt ein Kulturak-teur mit grossen Ambitionen in den Dreispitz und wird von hier mit Forschung und Lehre auch international ausstrahlen. Für eine ins-titution, die sich mit den zeitgenössischsten Formen der visuellen Kunst und des Designs, zum Beispiel der digitalen Kultur, ausein-andersetzt, gehören innovationen, Wandel, Transformationen zum daily business. Gerade deshalb ist die HGK im Dreispitz künftig am richtigen Ort.

Angesichts der Nähe von HGK und Schau-lager entwickelten Herzog & de Meuron die idee eines Campus des Bildes. Die Christoph

Merian Stiftung hat nun versucht, diese idee weiterzuspinnen. Heute heisst der Campus des Bildes – an das ehemalige Freilager anknüp-fend – Kunstfreilager. Dieses neue städtische Quartier soll Lehre und Forschung, Kunst-produktion, Kunstvermittlung, Kunstgewerbe und Kreativwirtschaft umfassen.

Erster Meilenstein war 2008 die Eröffnung der Dreispitzhalle durch das Festival der elek-tronischen Künste Shift. Hier finden seither viele Veranstaltungen wie zum Beispiel der Designmarkt statt. Zweiter Meilenstein war die Umnutzung eines ehemaligen Lagerge-bäudes an der Oslostrasse 10 zu einem Ateli-er-, Ausstellungs- und Gewerbebau. Das Haus Oslo beherbergt heute Radio X, die Fotogale-rie Oslo 8, den Young Art Space Oslo 10, zwei Fotobetriebe und einen Aufziehservice, das Haus für elektronische Künste und 16 Ateliers für 21 Kunstschaffende. Dritter Meilenstein war die Eröffnung der Rakete, des Container-baus für die Kreativwirtschaft (siehe Artikel unten), und vierter Meilenstein ist die Um-nutzung des Lagergebäudes Oslo 12 – 14. Hier wird im September 2014 zeitgleich mit der Fertigstellung der HGK das Haus für elekt-ronische Künste seinen definitiven Standort finden, und es werden Ateliers für ausländi-sche Gastkünstler des iaab und für regionale Autorinnen und Autoren eingerichtet.

So entsteht langsam, aber sicher ein Art Cluster im Kunstfreilager. So bestechend die idee der Dreispitz-Transformation für die einen ist, so abschreckend ist sie für andere. Wo bleibt da noch billiger Mietraum? ist das Ganze nicht ein gewaltiger Gentrifizierungs-prozess, in dem die Kunstschaffenden miss-braucht werden für die Renditeüberlegungen einer Stiftung? ist der Art Cluster nicht ein Kunst-Guantánamo in der Pampa?

Natürlich ist uns von der Christoph Meri-an Stiftung bewusst, dass die ganze Dreispitz-

DiE ANDERS-WiRTSCHAFTEiN PLÄDOYER FÜR DiE BASLER KREATiVWiRTSCHAFT

Basel hat jede Menge zu bieten, besonders was die Kreativwirtschaft angeht: Gute Aus-bildungsstätten, eine Szene, die an der einen oder anderen Stelle noch mehr Selbstbewusst-sein gegenüber Zürich vertragen könnte, und ein Bewusstsein für Wertigkeit und auch Frei-räume in der Stadt. Darüber hinaus gibt es eine Studie, die Kreativwirtschaft erst einmal als Wirtschaftszweig dargestellt hat, und eine initiative, die die Aufgabe hat, eine Lobby für die vielseitige Branche zu schaffen.

Alles gute Voraussetzungen, um der Krea-tivwirtschaft auch etwas zuzutrauen, und vor allem ihren Akteuren.

ich finde in Basel eine lebendige Kreativwirt-schaft mit vielen Potenzialen vor, der es aber an Anerkennung und passenden Plattformen mangelt. Viele Akteure wissen gar nicht, dass sie der Branche zugehören. Ein Musiker ist halt ein Musiker und ein Designer ein Desi-gner. So ist das Verständnis der Akteure. Dies ist aufgrund der Heterogenität der dreizehn Teilmärkte, in die die Kreativwirtschaft defi-nitionsgemäss eingeteilt ist, auch nicht ver-wunderlich.

Oftmals wird sowohl in Deutschland wie auch in der Schweiz alles in einen Topf ge-worfen, und die Unterschiede zwischen der

öffentlichen Förderung der Kultur, jener des tertiären Bereichs (Stiftungen, Vereine etc.)und der privatwirtschaftlich orientierten Kre-ativwirtschaft werden nicht erkannt. Sicher tut sich so mancher schwer, wenn Ökonomie und Kultur in einer engen Verbindung und Abhängigkeit gesehen werden. Das bedeutet nicht zugleich, dass ich dafür bin, dass die vom Staat geförderte Kultur beschnitten werden soll. Kultur ist für Basel mehr als nur ein wei-cher Standortfaktor. Wer aber alles sauber von einander trennen kann, versteht, dass die Kreativwirtschaft im Kern ein wichtiger Wirt-schaftszweig ist. Warum? Sicher sollten das Zahlen beweisen können, doch die Bedeutung eines Wirtschaftszweiges kann auch ganz an-ders gemessen werden. Was wäre unser Leben ohne die Produkte und Dienstleistungen der Kreativwirtschaft? innovationen entstehen doch unter dem Einfluss einer entsprechen-den ästhetischen Bildung und dank des krea-tiven und kulturellen Levels von Menschen. Das ist in Städten mit Traditionen nicht leicht verständlich. Vor allem, wenn eine Stadt wie Basel sich stark auf bestimmte Bereiche wie die Life Sciences konzentriert.

Die Kreativwirtschaft passt vor allem in das Weltbild des ständigen Wandels und des innovationsanspruchs. Ohne diese Branche wäre das Leben nicht nur trist, sondern auch rückständig. Sie unterliegt zwar genauso den Marktgegebenheiten wie die klassische Wirtschaft. Es wird in der gleichen Währung gezahlt, und die Grundsätze ordnungsgemäs-ser Buchführung gelten auch für die Kreativ-wirtschaft. Dennoch ist Kreativwirtschaft die «Anders-Wirtschaft». Woran kann man das festmachen? in der klassischen Wirtschaft wird Wissen gehortet, werden Kunden- und Lieferantenkontakte für sich behalten, um einen Wettbewerbsvorteil zu haben. Kreativ-wirtschaft hingegen teilt Wissen, arbeitet bran-chenübergreifend in Co-Working-Räumen oder finanziert sogar über Crowdfunding Unternehmensideen und Projekte. «Das An-

dere» liegt in der Dynamik und Haltung des Unternehmertums. in den ersten Schritten geht es den meisten Akteuren nur um das eine oder erste ökonomische Ziel: Miete zahlen und voller Kühlschrank. Mit einem solchen Anspruch, der viel Mut und Risiko voraussetzt, kann man starten.

Die Akteure der Kreativwirtschaft stellen sich oft in kürzester Zeit auf die wirtschafts-aktuellen Gegebenheiten ein. Wer jeden Tag eine Krise hat, wer die Herausforderung kennt, von der eigenen Kreativität zu leben und höchsten Ansprüchen gerecht zu wer-den, der weiss auch, wie die ganz kniffligen Dinge klappen. Davon könnte sich so manche Bank und Grossunternehmung eine Scheibe abschneiden.

Das Stellwerk Basel, in dem ich seit Januar als Geschäftsführer verantwortlich bin, ist ein guter Ort für die Akteure der Branche. Wir bieten Existenzgründern aus den Bereichen Architektur, Fotografie, Design und Kom-munikation als erstes kreativwirtschaftliches Gründerzentrum der Schweiz günstige Mieten und eine Begleitung in ihrer Selbstständigkeit sowie Netzwerke und Events an.

Von diesen guten Orten gibt es noch einige. Wichtig für die Basler Kreativwirtschaft ist, die bereits entstehenden Erfolge der lokalen Un-ternehmerinnen und Unternehmer sichtbar zu machen. Leider wird häufig nur darüber ge-sprochen, was alles schiefgeht. Verwaltung und Politik sowie die klassische Wirtschaft sollten im Umgang mit der «Anders-Wirtschaft» offe-ner und mutiger sein, und umgekehrt.

ich bin guter Hoffnung und verbreite ger-ne Euphorie für eine Branche, die in Basel und darüber hinaus grosse Aufmerksamkeit verdient.

Frank LemlohFrank Lemloh ist seit 2013 Geschäftsführer des Vereins Stellwerk Baselwww.stellwerkbasel.ch

in der Zwischenzeit hat sich viel getan: Zu-sammen mit der Gebert Rüf Stiftung unter-stützt die Christoph Merian Stiftung die Start-up Academy, weiter fördert sie Flatterschafft und zusammen mit der Ernst Göhner Stiftung den Verein Stellwerk, sie organisiert einen De-signwettbewerb zum Thema Papier – Schrift – Druck, unterstützt den Designmarkt sowie den Laufsteg Oslo, und sie schafft Raum für die Kreativwirtschaft mit dem Projekt Rakete. Schliesslich hat sich auch die HGK der Krea-tivwirtschaft zugewandt: Sie wird mit der Zür-cher Hochschule der Künste einen Lehrgang in «Cultural Entrepreneurship» anbieten. Wir haben unsere Partner eingeladen, ihre Projekte auf dieser Seite vorzustellen.

Auch der Kanton Basel-Stadt ist aktiv ge-worden, hat mit der Schaffung der initiative Kreativwirtschaft ein impulsprogramm im Sinne der Standortförderung lanciert und bietet mit der Website ikb.ch eine Plattform für die verschiedenen Branchenverbände und -vertreter.

All diese initiativen haben das Bewusst-sein für die Bedeutung der Kreativwirtschaft gestärkt, sie haben aber auch Diskussionen darüber ausgelöst, wie man in Basel die Krea-tiv- und Kulturwirtschaft fördert. Zum Glück. Die staatliche Kulturförderung darf Kreativ-wirtschaft zum Beispiel nicht mit Swisslos-Geldern fördern, und das Wirtschafts- und

Sozialdepartement versteht seine initiativen explizit nicht als Kultur-, sondern ausschliess-lich als Wirtschaftsförderung. «Kreative» sind schlecht organisiert, ein Branchenbewusstsein ist oft nicht vorhanden, und es gibt zu wenig oder zu wenig aktive Branchenverbände, die sich für die interessen ihrer Mitglieder einset-zen könnten (wie z.B. Balimage). So kämpft der Einzelne oft auf verlorenem Posten. Es ist deshalb wichtig, folgende Fragen zu stel-len und zu diskutieren: Wieviel Wirtschaft, wieviel «Kreation» soll gefördert werden, wie können Wirtschafts- und Kulturförderung verzahnt werden? Welche Branchen sollen in Basel prioritär unterstützt werden? Sollen strukturelle Schwächen beseitigt oder eher Stärken gestärkt werden? Wie können Nach-wuchs, Jungunternehmertum und Exzellenz gleichermassen gefördert werden? Die Fragen enthalten Zündstoff, Dynamit, und genau da-rum geht es ja: um zündende ideen und das Feuer für innovation.

Wir von der Christoph Merian Stiftung werden uns weiterhin für die Schaffung von günstigen Werk- und Atelierräumen, für nie-derschwellige Plattformen der Werk-, Produkt- und Labelpräsentation, für die Nachwuchs-förderung und die betriebliche Beratung einsetzen.

Beat von Wartburg

— EiN GEWALTiGER

GENTRiFiZiERUNGS-PROZESS ?

Transformation eine top-down gesteuerte Ent-wicklung ist. Und wir wissen auch, dass Kunst- und Kreativwirtschaftsnutzungen nicht auf dem Reissbrett entstehen, sondern bottom-up. Dennoch glauben wir, dass das Kunstfreilager eine grosse Chance für die Kultur ist. Es ist die einmalige Möglichkeit, die Kunst in der Stadtlandschaft zu verorten, für die Kunst ei-nen Ort zu schaffen, der sich für einmal nicht durch Musealität auszeichnet, sondern durch Lebendigkeit (über 1 000 Studierende werden hier täglich verkehren), durch künstlerische und gewerbliche Produktion, durch die Re-flexion über Kunst, durch interdisziplinäre, forschende Kunst.

Die Transformation des Dreispitz ist ein Generationenprojekt, ein langsamer Prozess, und das hat Vorteile. Denn noch bietet der Dreispitz viele Nischen; Nischen, die zahlrei-che Kulturschaffende bereits für sich entdeckt haben, für den Bandraum, das Architektur-büro, das Hindu-Kulturzentrum, die basel-city studios, Urban Farming, und und und. Es

ist ein Ort für private initiativen, für Men-schen, die an sich und ihre ideen glauben. Das Hinterhof-Projekt ist ein gutes Beispiel dafür. Hier hat eine Gruppe von Leuten mit idealis-tischen Zielen den Versuch gewagt, kommer-zielle Musik-, Bar- und Partykultur mit einem künstlerischen Anspruch zu verbinden, und die Hinterhof-Crew hat Erfolg damit.

Das Kunstfreilager ist eine idee, die Wirk-lichkeit wird, aber in keinem Fall ein mono-polistisches Unternehmen. Nicht alles muss hierherkommen und hier stattfinden. Und weil die Christoph Merian Stiftung nur dann philantropisch tätig sein kann, wenn sie auch an die Rendite im immobiliengeschäft denkt, findet die Transformation des Dreispitz in je-dem Fall statt – mit oder ohne Kultur. Wir finden, es wäre besser mit. Denn Kultur be-deutet Leben und Lebensqualität. Kultur tut dem Dreispitz gut, der Dreispitz kann aber auch der Kultur gut tun.

Beat von Wartburg

LAUFSTEG OSLOWas im vergangenen Jahr mit grosser Unge-wissheit als Versuch lanciert wurde, stand nach der erfolgreichen ersten Ausgabe seine Bewäh-rungsprobe. Kann sich die Veranstaltung nun einen festen Platz im Basler Kulturkalender sichern?

Die Rede ist von Laufsteg Oslo, der ein-tägigen Modeveranstaltung mit Modeschau und Modemarkt zur Förderung nationaler Jungdesignerinnen und aufstrebender Mode-labels, die am 4. Mai 2013 ihre Tore öffnete. Eine Freundin, gelernte Modedesignerin, war

überzeugt, dass ein solcher Event bei vielen Modeschaffenden Anklang finden würde, was sich nach kurzer Recherche durch uns bestätigte.

Mit der idee vor Augen, junge Modelabels zu fördern, die noch nicht auf dem Markt etabliert sind, und ihnen die Möglichkeit zu bieten, sich und ihre Kollektionen zu präsen-tieren, machten wir vom Verein Tor13 uns vor etwas mehr als einem Jahr an das Projekt Laufsteg Oslo. Keiner der Organisatoren war in der Modebranche tätig oder hatte schon

einmal eine Modeveranstaltung organisiert. Die Überzeugungskraft dieser idee, die Ge-wissheit, dass die Nachfrage seitens der Mode-schaffenden vorhanden ist, die Erfahrung im Bereich Eventmarketing und in der Organisa-tion musikalischer Events waren uns Antrieb genug.

Unsere Unerfahrenheit im Feld Modeveran-staltung brachte uns dazu, im stetigen Kontakt mit den Labels zu sein, auf ihre Vorstellungen und ideen einzugehen und uns auch Tipps zu holen. Wir merkten bald, dass dieser rege Austausch zu unserer Stärke wurde, darum probieren wir auch dieses Jahr auf ihre Wün-sche und Bedürfnisse einzugehen. Schliesslich sind es die Designer und Designerinnen und ihre Produkte, die während dieser Veranstal-tung im Vordergrund stehen.

Die wichtigste Frage, die sich stellte, war 2012: Wie finanzieren wir diesen Event? Die teilnehmenden Labels sollten einen möglichst kleinen Unkostenbeitrag zahlen müssen, da-rüber waren wir uns schnell einig. Da wir überhaupt nicht wussten, ob diese Modever-anstaltung auch Publikum anzieht, beschlos-sen wir, keinen Eintritt zu verlangen. Darum mussten wir versuchen, einerseits andere Einnahmequellen zu finden und andererseits die Ausgaben möglichst tief zu halten. Auf der Suche nach Räumlichkeiten, die unseren

Vorstellungen entsprachen, wurden wir dank der Christoph Merian Stiftung auf dem Drei-spitzareal fündig. Da dieses Vorhaben an ein Schulprojekt gekoppelt war, erhielten wir von den Unternehmen, von denen wir inventar mieteten, Rabatte, was uns half, die Kosten tief zu halten. Um mehr Einnahmen zu gene-rieren, organisierten wir eine Afterparty und einen Koch, der direkt vor Ort kochte – beides, um für Abwechslung zu sorgen und um die Leute so länger vor Ort zu halten und damit höhere Einnahmen beim Getränkeverkauf zu erzielen.

Dieses Jahr kam als Schwierigkeit dazu, dass Laufsteg Oslo kein Schulprojekt mehr ist und einige Rabatte wegfielen, was die Ausgaben in die Höhe schnellen liess. Wir wollten aber an unserem Konzept festhalten und warben darum um Sponsoren. Dies bedeutete mehr Aufwand, aber wir wollten über eine gewisse finanzielle Sicherheit verfügen. Ausserdem be-schlossen wir, dieses Jahr Eintritt zu verlangen, was sich bewährte, denn die Leute erschienen trotzdem so zahlreich wie letztes Jahr.

Ben AndristBen Andrist ist Logistikexperte. Privat engagiert er sich im Kulturverein tor13, der die zweite Design-Show Laufsteg Oslo am 4. Mai 2013 im Dreispitzareal organisierte.

g Klamott gg Kate Frank

KREATIv wIRTsChAfTSCHWERPUNKT

Viel diskutiert und nur zögerlich gefördert ist sie: die Kreativwirtschaft. Warum eigentlich? Shortcut stellt die Kultur- und Kreativwirtschaft zur Diskussion und einzelne konkrete Projekte vor

Mittel 1

Mittel 2

Mittel 3

Mittel 4

Mittel 5

Ziel 5

Ziel 4

Ziel 3

Ziel 2

Ziel 1

Kausale Logik

Kreativwirtscha�s-Politik-Logik

Mittel 1

Mittel 2

Mittel 3

Mittel 4

Mittel 5

Ziel

Wer bin ich?Was weiss ich?

Wen kenne ich?Was kann ich

TUN?

mehr Mittel (Ressourcen expandiert)

neue Richtung (Randbedingungen konvergiert)

Interaktion mitanderen

Menschen

Vereinbarungmit

Stakeholdern

neueMittel

neueZieleverfügbare

Mittel

die Siedlung innerhalb von nur zwei Wochen aufgebaut. Die L-förmig angeordnete und drei-stöckig gestapelte Container-Anlage besteht aus 39 vorfabrizierten Modulen à 25 m2. Sie sind isoliert und mit Zentralheizung und gros-sen Fenstern ausgestattet. Die Erschliessung funktioniert über Laubengänge, und eine 17 m hohe Aussichtsplattform im innenhof ermög-licht einen weitläufigen Panoramablick. Die Miete pro Modul und Monat beträgt ChF 485 inkl. Nebenkosten, Strom, Heizung und in-ternet.

Die Christoph Merian Stiftung ist eben-falls in der Rakete stationiert. Anhand eines regelmässig aktualisierten Architektur modells kann die Öffentlichkeit die dynamische Ent-wicklung und den Baufortschritt im Dreispitz mitverfolgen. Somit wird die Rakete zum Be-gegnungsraum der Nutzer, der Öffentlichkeit und der Stiftung.

Ein auf fünf Jahre befristetes Mietverhältnis ist Teil des Konzeptes; nach dieser Phase wird

die Rakete ab- und an einem anderen Standort im Dreispitz wieder neu aufgebaut. Auf diese Weise profitieren neue Jungunternehmer von der Gelegenheit günstiger Räume. Und die Stiftung achtet bei der Vergabe der Container darauf, dass sich die Nutzungen ergänzen und nicht behindern. Von der Mietpartei wird eine aktive Teilnahme am Leben in der Container-siedlung erwartet sowie Toleranz, Flexibilität und gegenseitiger Respekt. Am 1. Dezember 2012 bezogen die Mieter ihre Ateliers und Büros, am 1. März 2013 hob die Rakete mit einem Fest und einem Tag der offenen Türen offiziell ab.

Christoph Meneghettiwww.rakete-dreispitz.ch

DiE RAKETEEiN RAUMFAHRTPROGRAMM

Die Kreativszene braucht günstigen Raum zum Arbeiten und Ausprobieren. Nicht nur die Kreativwirtschaftsstudie des Wirtschafts- und Sozialdepartements, sondern auch zahl-reiche Gespräche mit Nutzerkreisen haben gezeigt, dass der Raum bedarf gross ist. Das Dreispitzareal eignet sich genau für solche Be-triebe wie kaum ein anderer Standort, denn erstens hat das Kunstfreilager frischen Wind und neue (kulturelle) Nutzungen auf den Dreispitz gebracht und zweitens ist und bleibt der Dreispitz ein Arbeitsgebiet. Und drittens entstehen hier im Zug der dynamischen Are-alentwicklung Chancen, so zum Beispiel die Vakanz einer Parzelle an prominenter Lage nahe der Tramstation Dreispitz, an der Mün-chensteinerstrasse 274.

Die Christoph Merian Stiftung hat die An-liegen der Kreativszene aufgenommen und die Chance dieses attraktiven Standorts am Schopf gepackt, um gemeinsam das Projekt Rakete Dreispitz zu initiieren. Der Name Rakete steht

für die zündende idee und die Schubkraft, mit denen Startups der Kreativ- und Kulturwirt-schaft neue Unternehmungen gründen und vorantreiben. in Anlehnung an das Projekt Basis lager in Zürich entwickelte die Stiftung eine Siedlung aus Büro-Containern, die güns-tig zu erstellen und ebenso günstig zu vermie-ten ist und an verschiedenen Standorten im Dreispitz verwendet werden kann.

Die Rakete ist somit eine mobile immobilie mit wechselnder Besetzung und flexiblem Be-zug zum jeweiligen Standort, eine Startrampe, wo Jungunternehmer gemeinsam etwas auf-bauen können. Die Kommission der Christoph Merian Stiftung hat im Januar 2012 einen Bau-kredit von ChF 2,2 Millionen gesprochen. Ziel ist es, mit dieser investition längerfristig eine schwarze Null zu erwirtschaften; die Rakete ist kein Wohlfahrtsprogramm, sondern vielmehr ein Raumfahrtsprogramm.

Nach einer anderthalb Jahre dauernden Planungs- und Vorbereitungsphase wurde

NEUEM NEU BEGEGNENEiN PLÄDOYER FÜR EiNE UNTERNEHMERiSCHE UND KREATiVE POLiTiK

mit DER KULTUR- UND KREATiVWiRTSCHAFT

Politik macht sich weltweit neuerdings gerne stark für eine wachsende Kultur- und Kreativ-wirtschaft. Doch umgekehrt wird ein Schuh draus: Die Politik wird vor allem von und mit der Kultur- und Kreativwirtschaft – von ihren Prozessen und Strukturen – lernen können. Vor allem kooperative Politik-Ansätze, die komplexen Handlungssituationen, Heteroge-nität und rasanter Dynamik Rechnung tragen, können sich hierbei zukünftig als besonders produktiv erweisen:

Die neuere Entrepreneurship-Forschung 1 hat das Denken, Entscheiden und Handeln erfolgreicher Unternehmer untersucht und dabei nachgewiesen, dass diese – vor allem in Situationen der Ungewissheit –

1. nicht einen am grünen Tisch entwickelten Plan in die Tat umsetzen, sondern auf der Grundlage der vorhandenen Mittel arbeiten;

2. in Partnerschaften grössere Sicherheit schaf-fen, indem sie kooperativ ihre Ziele modifi-zieren oder ihre Mittel erweitern;

3. darauf verzichten, die Zukunft vorhersa-gen zu wollen, und sich stattdessen darauf beschränken, sie sukzessiv zu gestalten;

4. Zufälle nutzen, um ihren Horizont zu er-weitern und sich zu innovationen anregen zu lassen.

Dabei sollte einer Verwechslung vorgebeugt werden: Entrepreneurship bedeutet nicht zwingend Ökonomisierung. Unternehmeri-sches Denken und Handeln kann im Kon-text sehr unterschiedlicher, materieller wie immaterieller Wertesysteme geschehen. Eine kreativwirtschaftlich-unternehmerische Poli-tik muss zukünftig besonders einer Aufgabe Aufmerksamkeit schenken, die in der inter-nationalen Governance-Forschung als erfolgs-kritisch beschrieben wird: Capacity Building, also die Kompetenzentwicklung der Akteure auf allen Ebenen. 2 Die heterogenen Netzwer-ke der Kultur- und Kreativwirtschaft sind prä-destiniert dazu, ein gemeinsames Lernen und auch ein Voneinander-Lernen zu ermöglichen. Aber braucht es denn überhaupt postheroi-sche Humusentwicklung oder Leuchtürme für die (Un-)Branche?

Einen erfolgversprechenden neuen Ansatz-punkt dazu liefert das dynamische Modell der Entrepreneurship-Forschung «Effectuation».

Nach Auffassung des Autors Michael Fasching-bauer sind Ausgangspunkt für gelungene Alli-anzen immer die handelnden Personen. Auf dieser Basis werden, im Rahmen dessen, was für die unterschiedlichen Partner leistbar ist und attraktiv erscheint, verbindliche Verein-barungen ausgehandelt. 1 Kooperative Politik beruht darauf, verbindliche Vereinbarungen mit denen einzugehen, die neue Mittel und Zielvorstellungen einbringen können und wollen.

Prinzip der Mittelorientierung für eine kooperative Politik mit der Kultur- und Kreativ wirtschaftKausales Vorgehen beruht auf Zielorientie-rung: Zuerst visiert man ein bestimmtes Ziel an, dann macht man Pläne und erschliesst geeignete Mittel, um genau dieses Ziel oder erwünschte Ergebnis zu erreichen. Kooperati-ve Politik mit der Kulturwirtschaft hingegen beruht auf mittelorientierung: Man erhebt die aktuell verfügbaren Mittel und fokussiert auf die Erschliessung der Ergebnisse, die sich mit den vorhandenen Mitteln erzielen lassen. Dem

Machbaren wird der Vorzug gegenüber dem Gewünschten gegeben.

Den Unterschied zwischen kausaler Ziel-orientierung und Mittelorientierung einer kooperativen Politik zeigt Abbildung 2.

Die verschiedenen Ansätze sind gut mit einer Metapher aus dem Alltag zu beschrei-ben – dem Kochen eines Essens: Kausal würde man ein Gericht und das dazugehörige Rezept auswählen, eine entsprechende Einkaufsliste zusammenstellen, die Zutaten besorgen und nach den vorgegebenen Schritten des Rezepts, das Gericht zubereiten.

Beim kooperativen Ansatz würde man eine Einladung aussprechen und die Gäste bitten, interessante Zutaten unabgesprochen mitzu-bringen. Dann würde man sich in die Küche setzen und gemeinsam überlegen: Welche möglichen Gerichte können wir mit allem, was in der Küche vorhanden und durch das Netzwerk erreichbar ist, zubereiten?

Auf beiden Wegen lassen sich hervorra-gende Gerichte zubereiten. Um allerdings die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass etwas Neues entsteht, ist die klare Empfehlung, der zweite Weg. Denn beim Standort-Wettbewerb um die hart umworbenen kreativen Talente werden wahrscheinlich jene Standorte die Nase vorne haben, die den Mut haben, zum Kochen ohne Rezept einzuladen. Denn: Neuem muss neu begegnet werden!

Christoph BackesChristoph Backes ist ideenlotse, Geschäftsführer u-ins-titut in Bremen, Gründungsgeschäftsführer des Grün-derZentrums Kulturwirtschaft Aachen, Lehrbeauftrag-ter an verschiedenen Hochschulen in Deutschland und der Schweiz sowie Berater der initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der deutschen Bundesregierung so-wie des RKW Kompetenzzentrums Kultur- und Krea-tivwirtschaft des Bundes in Deutschland.

Literaturhinweise:1 Faschingbauer, M. (2010). Effectuation – Wie er-folgreiche Unternehmer denken, entscheiden und handeln. Düsseldorf: Schäffer-Poeschel2 Willke, H. (2007). Smart Governance – Governing the Global Knowledge Society (S. 178 ff.). Frankfurt/New York: Campus Verlag

STECKBRiEF

Büro- und Ateliercluster für die Kreativwirtschaft (Containergebäude aus 39 Modulen)

Bauherrschaft Christoph Merian Stiftung

Gesamtkosten Projekt ChF 2,2 Mio.

Standort Münchensteinerstrasse 274,

4053 Basel (Dreispitz)

Grundstücksfläche 960 m2

Freiflächen 420 m2

Bruttogeschossfläche 1 500 m2

Hauptnutzfläche 1 000 m2

Geschosszahl 3

Bauvolumen 4 500 m3

Masse Einzelcontainer 10 m × 3 m × 3 m

Mietpreis ChF 485.– pro Container-Modul inkl. NK, Strom, internet und

Heizkosten

Planer in situ / NRS Team, Basel

Architektur und Bauleitung

emyl, Basel innenarchitektur und

Szenographie

Hauser, Schwarz, Basel Grafik und Beschriftung

Container Alho Systembau AG,

Wikon

Abbildung 1: Dynamisches Modell Effectuation (nach Sarasvathy & Dew) 1

Abbildung 2 (nach Sarasvathy)

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STARTUP ACADEMYSENSiBiLiSiEREN, VERNETZEN UND RÄUME BEREiTSTELLEN

Mit dem Neuwort «Kreativwirtschaft» sind Hoffnungen verbunden, an Ressourcen he-ranzukommen, die sich bislang erfolgreich der kommerziellen Verwertbarkeit entzogen haben. Wer sich mit der Kreativwirtschaft beschäftigt, wie das verschiedene Organisa-tionen bereits tun, muss deswegen behutsam vorgehen. Eine davon ist die Startup Academy, ein gemeinnütziger Verein, der Jungunterneh-merinnen und Jungunternehmer auf ihrem Weg in die berufliche Selbstständigkeit be-gleiten will, indem er sie mit Hochschulen und der Wirtschaft vernetzt. Gegenwärtig befinden sich 30 Jungunternehmen im Be-gleitprogramm der Startup Academy, rund die Hälfte kann der Kreativwirtschaft zugeordnet werden.

Viele Kreative sind heute sozusagen im Nebenamt kreativ, also ohne gross zu inves-tieren, mit typisch schweizerischer Solidi-tät. Sie arbeiten Teilzeit, konkretisieren ihre Geschäftsideen in Reststunden und starten ihre Einzelfirmen mit langem Atem. Oft ist die Preisgestaltung selbstausbeuterisch, be-triebswirtschaftliches Feedback verpönt, und gegenüber Finanzzahlen wehrt man sich mit lässiger Unlust.

Die Startup Academy versucht hier zu sen-sibilisieren und zu informieren. Sie vermittelt Personen in unterschiedlichen Rollen, die alle wirtschaftlich denken: Das sind Studierende der Betriebsökonomie oder Berufsleute und Unternehmer, die sich als Mentoren speziell um ein Jungunternehmen kümmern. Selbst- und Fremdbild werden dabei ebenso hinter-fragt wie wirtschaftliche Fakten von kreativen Wünschen getrennt. Um eine gleichbleibende Qualität zu erreichen, durchlaufen alle Start-ups zusätzlich eine Reihe von Checks durch Fachleute, insbesondere in den Bereichen Geschäftsidee, Persönlichkeit, Finanzierung, Treuhand und Logistik.

Bei diesen Besprechungen, aber auch in spontanen Gesprächen, bei Netzwerkanlässen, Workshops und Stammtischen findet ein Er-fahrungsaustausch statt, der oft selbstgesteuert ist. Und mit jedem neuen Startup wird das Netzwerk in der jeweiligen Branche dichter und tragfähiger.

Aus biografischer Sicht existieren gewöhn-lich drei, vier ideale Zeitfenster, in denen man sich selbstständig macht. Wer viele Personen in unterschiedlichen Rollen mit Leuten zu-sammenzubringt, die sich in solchen Zeitfens-tern befinden, nutzt dies. Neben der idealen Zeit hat der konkrete Raum eine wichtige Bedeutung: Sobald sich Leute in einem ge-eigneten Raum begegnen, entsteht ein kre-ativer Mehrwert. Hier profitiert die Startup Academy von einem Einrichtungsdesign, das unter Federführung von Vitra entwickelt und inzwischen am Picassoplatz in Basel erstmals umgesetzt wurde. Kurz: Es braucht intelligent gestalteten, zentral gelegenen und bezahl-baren Raum, der zur praktischen Nutzung motiviert und zum gedanklichen Austausch anregt. Wo das gegeben ist, muss man bald darüber nachdenken, wie weitere Räume mit denselben funktionalen Eigenschaften hinzu-gemietet werden können. Denn gross ist die Nachfrage und schnell wird Raum knapp.

Zur Förderung der Kreativwirtschaft im Raum Basel wird die Startup Academy wei-terhin diese Themen vorantreiben: sensibili-sieren, vernetzen und intelligent eingerichtete Räume an verschiedenen Orten offerieren.

Florian BlumerProf. Dr. Florian Blumer ist Professor für Wirtschafts-kommunikation an der Hochschule für Wirtschaft Basel (FHNW) und Mitinitiant und Vorstandsmitglied der Startup Academywww.startup-academy.ch

DYNAMO UND DYNAMiTDiE KREATiV WiRTSCHAFT BRAUCHT iNiTiATiVEN

Private und öffentliche Kulturförderer haben seit jeher Projekte verschiedenster kreativwirt-schaftlicher Branchen unterstützt – vielleicht ohne sich dessen bewusst zu sein: Bücher, Fil-me, Konzerte usw., kurz Projekte, die ohne För-derung nicht auf den Markt kommen könnten, insbesondere in der Schweiz, wo der Markt klein, oft zu klein ist. Obwohl verschiedenste Studien gezeigt haben, dass die Kreativwirt-schaft zwar kleinteilig organisiert, aber den-noch als Wirtschafts- und Standortfaktor ernst zu nehmen ist, tun sich die öffentliche Hand, aber auch private Förderinstitutionen mit der Förderung der Kreativwirtschaft schwer. Denn noch immer denken viele, dass es nur unkommerzielle Kultur oder kommerzielle Kultur gibt, wobei für viele Kulturschaffende und -förderer die Erste gut, die Zweite ver-dächtig ist. Für andere wiederum ist es gerade umgekehrt: Unkommerzielle Kultur ist Luxus und kommerzieller Mainstream gut. Dabei ist die Grenze zwischen Kommerz und Kultur fliessend und das Schwarz-Weiss-Denken im rauen politischen Diskurs gefährlich.

Mit dem Kunstfreilager im Dreispitz und der dortigen Nachbarschaft zur Hochschu-le für Gestaltung und Kunst (HGK) stellte

sich auch für die Christoph Merian Stiftung die Frage, ob und wie sie künftig Kreativwirt-schaft fördern möchte. Sie hat deshalb vor drei Jahren zusammen mit der Gebert Rüf Stiftung, dem Gewerbeverband, «Kulturstadt jetzt» und dem Stellwerk eine Arbeitsgruppe gebildet, um herauszufinden, welche konkre-ten Projekte der Kreativwirtschaft in Basel im Allgemeinen und den Studienabgängern der HGK im Besonderen am meisten Nutzen bringen können. in diesem Prozess, gecoacht von Christoph Backes aus Bremen (www.ideenlotsen.de), haben sich unter dem Titel «Dynamo Basel» elf mögliche Massnahmen herauskristallisiert.1. braucht es eine Koordinationsstelle, 2. Wettbewerbe,3. neue Plattformen (Messen, Festivals), 4. ideentransfer (import, Export, ideen-

piraterie), 5. Mentoring / Coaching, 6. zielgruppenspezifische Netzwerkbildung, 7. eine Raumagentur, 8. Mikrokredite und Risikokapital,9. Modellprojekte 10. einen Expertenpool (train the trainer), und 11. braucht es Nachwuchsförderung («U25»).

DREi AUF EiNEN STREiCH!EiN DESiGNWETTBEWERB FÜR PAPiER – SCHRiFT – DRUCK

Einen grossen Teil ihrer Fördermittel inves-tiert die Christoph Merian Stiftung in dau-erhafte Partnerschaften mit institutionen, an deren Gründung sie beteiligt war. So unter-stützt sie die Basler Papiermühle, das Haus für elektronische Künste und Literatur Basel jährlich mit bedeutenden Zuschüssen an die Betriebskosten. Nun möchten wir mit einem Designwettbewerb ein neues Förderformat lancieren, das in dreifacher Hinsicht Wirkung erzielen soll.

Nach 30 Betriebsjahren stand kürzlich eine betriebliche, inhaltliche und bauliche Erneu-erung der Papiermühle an. Und nun soll das Tüpfelchen auf dem i folgen: Eine Erneuerung der Produktepalette. Die Basler Papiermühle ist ja nicht nur ein Muse-um, sondern auch ein Produktionsbetrieb für die «weisse» und die «schwarze» Kunst. Vor den Augen der Muse-umsbesucher werden Pa-piere und Druckerzeug-nisse hergestellt. Die Papier- und Druckpro-duktion trägt wesentlich zum hohen Eigen-wirtschaftlichkeitsgrad des nichtstaatlichen Museums bei. Deshalb ist das Museum auf gute Produkte und gute Verkäufe angewiesen.

Der Designwettbewerb, den die Stiftung lanciert hat, setzt genau hier an, indem er der Papiermühle ermöglichen soll, neue ver-kaufsfähige Produkte zu entwickeln und zu produzieren. Zugleich soll der Wettbewerb die junge Basler Kreativwirtschaft, das De-signschaffen fördern und die Zusammen-arbeit mit der Hochschule für Gestaltung und Kunst (HGK), dem baldigen grossen Player im

Kunstfreilager Dreispitz, intensivieren. Der Wettbewerb richtet sich deshalb vor allem an junge Designerinnen und Designer insbeson-dere der Fachrichtungen industrial Design, Visual Communication und Szenografie, die an der HGK studieren oder hier seit 2008 ab-geschlossen haben. Aber auch Studierende und Alumni anderer Hochschulen, die seit 2008 abgeschlossen haben, sind zugelassen, sofern sie in Basel wohnen oder arbeiten.

Prämiert werden von der Basler Papier-mühle herstellbare und/oder verkäufliche Objekte resp. Produkte aus den Bereichen Pa-

pier, Schrift und Druck wie zum Beispiel Papier-lampen, Teelichter, klei-nere Möbel aus Papier, Briefpapier, Journale, Tagebücher, Schriftpro-dukte, digitale Schriftsät-ze etc. Da die Produkte im Museumsshop ange-boten werden, sollte der maximale Endverkaufs-preis ChF 1 000 nicht übersteigen. Eine Jury bewertet die eingesand-ten Projekte.Nach der Vorselektion

gelangen 20 Objekte in die engere Auswahl. Diese sollen nach Abschluss des Wettbewerbs in einer Broschüre und mit einer kleinen Aus-stellung vorgestellt werden. Es gibt folgende drei Preiskategorien: Ein Hauptpreis à ChF 10 000, zwei weitere Hauptpreise à je ChF 5 000 und vier Förderpreise à je ChF 2 000. Der Ein-gabetermin für die Produktvorschläge ist der 21. Juni 2013.

Beat von WartburgWettbewerbsunterlagen: www.papierschriftdruck.ch

DiE HGK ALS PARTNERiNiM DiALOG MiT DER KULTUR- UND KREATiVWiRTSCHAFT

Der neue Campus der Hochschule für Ge-staltung und Kunst (HGK) auf dem Dreispitz wird 2014 bezugsfertig. Ab dann sind auf dem Dreispitz rund 750 Studierende und 200 Do-zierende an einem Ort vereint. Das umgebaute Zollfreilager sowie der achtgeschossige Neu-bau am Freilager-Platz werden das neue Domi-zil für die derzeit noch auf acht Standorte in Basel, Muttenz und Aarau verteilten Einheiten der Hochschule. Mit der Zusammenführung aller institute und Disziplinen an einem für die Kreativwirtschaft interessanten Ort will die Hochschule ihre Rolle innerhalb der bereits dynamisch angelaufenen Quartiersentwick-lung wahrnehmen. Sie unterstützt eine erhöh-te Sichtbarkeit von Gestaltung und Kunst in der Öffentlichkeit, denn ohne Zweifel hält der Dreispitz ein Potenzial für die Absolventinnen und Absolventen dieser Studienrichtungen bereit.

in Zusammenarbeit mit der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) entwickelt die Hochschule für Gestaltung und Kunst ein Kompetenznetzwerk für Cultural Entrepre-neurship. im Zentrum stehen die beruflichen Aussichten der Studierenden als künftige De-signerinnen und Designer sowie als Künstle-rinnen und Künstler und die Begleitung der Absolventinnen und Absolventen auf dem Weg in die Existenzgründung. Zahlreiche indizien aus dem Feld der Kreativwirtschaft sprechen dafür, dass die Zahl jener Studieren-den weiter ansteigen wird, die ihre berufliche Chance als Unternehmerinnen und Unter-nehmer erkennen und ergreifen wollen. Die Hochschule macht daher die Unterstützung kreativer Gründungsprozesse zu einer ihrer Schlüsselaufgaben und setzt dabei auch auf ihren neuen Standort: Kreative Jungunter-nehmen sollen teilhaben an der Transforma-tion des einst kaum zugänglichen Lager- und Gewerbeareals in einen urbanen Stadtteil.

Wissend, dass der Dreispitz mit seiner hohen Diversität an infrastruktur und Kompetenzen durch die hier ansässigen Unternehmen über ein grosses Potenzial verfügt, sucht die Hoch-schule für Gestaltung und Kunst den Dialog mit der Nachbarschaft.

Die nachhaltige Nachwuchsförderung im Rahmen des entstehenden Kompetenznetz-werks ist auf inklusion angelegt. So sollen schrittweise strategisch wichtige Bildungs-stätten des tertiären Sektors für eine Zusam-menarbeit gewonnen werden.

inhaltlich hat das Netzwerk vier thema-tische Schwerpunkte: Die ZHdK erarbeitet Aus- und Weiterbildungsangebote für Jung-unternehmerinnen und Jungunternehmer aus dem Kultur- und Kreativbereich und entwi-ckelt Formate der individuellen Laufbahnbe-ratung und Gründerservices. Die Hochschule für Gestaltung und Kunst legt den Fokus auf die Vernetzung wichtiger Stakeholder. Neben realen Begegnungen werden auch netzbasier-te Plattformen aufgebaut, sodass Studierende möglichst früh damit beginnen können, ihre persönlichen Netze zu knüpfen. Des Weite-ren wird anhand von Better Practice-Ansätzen samt neuen Finanzierungstypen ein Gründer-modell für die Kreativen erarbeitet. Dieses soll die Attraktivität für Startups- und Spin-offs auf dem Dreispitz erhöhen.

Die erste Förderphase des gemeinsam in-itiierten Projekts läuft bis Februar 2015 und wird finanziell unterstützt von der Gebert Rüf Stiftung sowie von der Avina Stiftung.

Caroline RoggoCaroline Roggo ist Leiterin Cultural Entrepreneurship an der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW

CLUSTER ODER GUANTANAMO ?KREATiVWiRTSCHAFT iM DREiSPiTZ

Das Dreispitzareal ist ein klassisches Gewerbe-gebiet, buntscheckig, mit einer grossen Nut-zungsvielfalt. Einem Filetstück gleich liegt es in der Stadtlandschaft zwischen Münchenstein und dem Gundeli. Deshalb sind die Stadt Ba-sel sowie Münchenstein und die Grundeigen-tümerin, die Christoph Merian Stiftung, daran interessiert, einerseits eine dichtere Nutzung mit höherer Wertschöpfung zu realisieren und andererseits das industriegebiet zu öffnen und in einem längeren Prozess in ein durchmisch-tes städtisches Quartier für Wohnen, Gewerbe, Freizeit und Kultur zu verwandeln.

Die Transformationsidee basiert auf einer Studie von Herzog & de Meuron aus dem Jahr 2002. Seither hat sich viel getan, besonders im Gebiet des ehemaligen Zollfreilagers. Mit der Eröffnung der Hochschule für Gestaltung und Kunst im nächsten Jahr kommt ein Kulturak-teur mit grossen Ambitionen in den Dreispitz und wird von hier mit Forschung und Lehre auch international ausstrahlen. Für eine ins-titution, die sich mit den zeitgenössischsten Formen der visuellen Kunst und des Designs, zum Beispiel der digitalen Kultur, ausein-andersetzt, gehören innovationen, Wandel, Transformationen zum daily business. Gerade deshalb ist die HGK im Dreispitz künftig am richtigen Ort.

Angesichts der Nähe von HGK und Schau-lager entwickelten Herzog & de Meuron die idee eines Campus des Bildes. Die Christoph

Merian Stiftung hat nun versucht, diese idee weiterzuspinnen. Heute heisst der Campus des Bildes – an das ehemalige Freilager anknüp-fend – Kunstfreilager. Dieses neue städtische Quartier soll Lehre und Forschung, Kunst-produktion, Kunstvermittlung, Kunstgewerbe und Kreativwirtschaft umfassen.

Erster Meilenstein war 2008 die Eröffnung der Dreispitzhalle durch das Festival der elek-tronischen Künste Shift. Hier finden seither viele Veranstaltungen wie zum Beispiel der Designmarkt statt. Zweiter Meilenstein war die Umnutzung eines ehemaligen Lagerge-bäudes an der Oslostrasse 10 zu einem Ateli-er-, Ausstellungs- und Gewerbebau. Das Haus Oslo beherbergt heute Radio X, die Fotogale-rie Oslo 8, den Young Art Space Oslo 10, zwei Fotobetriebe und einen Aufziehservice, das Haus für elektronische Künste und 16 Ateliers für 21 Kunstschaffende. Dritter Meilenstein war die Eröffnung der Rakete, des Container-baus für die Kreativwirtschaft (siehe Artikel unten), und vierter Meilenstein ist die Um-nutzung des Lagergebäudes Oslo 12 – 14. Hier wird im September 2014 zeitgleich mit der Fertigstellung der HGK das Haus für elekt-ronische Künste seinen definitiven Standort finden, und es werden Ateliers für ausländi-sche Gastkünstler des iaab und für regionale Autorinnen und Autoren eingerichtet.

So entsteht langsam, aber sicher ein Art Cluster im Kunstfreilager. So bestechend die idee der Dreispitz-Transformation für die einen ist, so abschreckend ist sie für andere. Wo bleibt da noch billiger Mietraum? ist das Ganze nicht ein gewaltiger Gentrifizierungs-prozess, in dem die Kunstschaffenden miss-braucht werden für die Renditeüberlegungen einer Stiftung? ist der Art Cluster nicht ein Kunst-Guantánamo in der Pampa?

Natürlich ist uns von der Christoph Meri-an Stiftung bewusst, dass die ganze Dreispitz-

DiE ANDERS-WiRTSCHAFTEiN PLÄDOYER FÜR DiE BASLER KREATiVWiRTSCHAFT

Basel hat jede Menge zu bieten, besonders was die Kreativwirtschaft angeht: Gute Aus-bildungsstätten, eine Szene, die an der einen oder anderen Stelle noch mehr Selbstbewusst-sein gegenüber Zürich vertragen könnte, und ein Bewusstsein für Wertigkeit und auch Frei-räume in der Stadt. Darüber hinaus gibt es eine Studie, die Kreativwirtschaft erst einmal als Wirtschaftszweig dargestellt hat, und eine initiative, die die Aufgabe hat, eine Lobby für die vielseitige Branche zu schaffen.

Alles gute Voraussetzungen, um der Krea-tivwirtschaft auch etwas zuzutrauen, und vor allem ihren Akteuren.

ich finde in Basel eine lebendige Kreativwirt-schaft mit vielen Potenzialen vor, der es aber an Anerkennung und passenden Plattformen mangelt. Viele Akteure wissen gar nicht, dass sie der Branche zugehören. Ein Musiker ist halt ein Musiker und ein Designer ein Desi-gner. So ist das Verständnis der Akteure. Dies ist aufgrund der Heterogenität der dreizehn Teilmärkte, in die die Kreativwirtschaft defi-nitionsgemäss eingeteilt ist, auch nicht ver-wunderlich.

Oftmals wird sowohl in Deutschland wie auch in der Schweiz alles in einen Topf ge-worfen, und die Unterschiede zwischen der

öffentlichen Förderung der Kultur, jener des tertiären Bereichs (Stiftungen, Vereine etc.)und der privatwirtschaftlich orientierten Kre-ativwirtschaft werden nicht erkannt. Sicher tut sich so mancher schwer, wenn Ökonomie und Kultur in einer engen Verbindung und Abhängigkeit gesehen werden. Das bedeutet nicht zugleich, dass ich dafür bin, dass die vom Staat geförderte Kultur beschnitten werden soll. Kultur ist für Basel mehr als nur ein wei-cher Standortfaktor. Wer aber alles sauber von einander trennen kann, versteht, dass die Kreativwirtschaft im Kern ein wichtiger Wirt-schaftszweig ist. Warum? Sicher sollten das Zahlen beweisen können, doch die Bedeutung eines Wirtschaftszweiges kann auch ganz an-ders gemessen werden. Was wäre unser Leben ohne die Produkte und Dienstleistungen der Kreativwirtschaft? innovationen entstehen doch unter dem Einfluss einer entsprechen-den ästhetischen Bildung und dank des krea-tiven und kulturellen Levels von Menschen. Das ist in Städten mit Traditionen nicht leicht verständlich. Vor allem, wenn eine Stadt wie Basel sich stark auf bestimmte Bereiche wie die Life Sciences konzentriert.

Die Kreativwirtschaft passt vor allem in das Weltbild des ständigen Wandels und des innovationsanspruchs. Ohne diese Branche wäre das Leben nicht nur trist, sondern auch rückständig. Sie unterliegt zwar genauso den Marktgegebenheiten wie die klassische Wirtschaft. Es wird in der gleichen Währung gezahlt, und die Grundsätze ordnungsgemäs-ser Buchführung gelten auch für die Kreativ-wirtschaft. Dennoch ist Kreativwirtschaft die «Anders-Wirtschaft». Woran kann man das festmachen? in der klassischen Wirtschaft wird Wissen gehortet, werden Kunden- und Lieferantenkontakte für sich behalten, um einen Wettbewerbsvorteil zu haben. Kreativ-wirtschaft hingegen teilt Wissen, arbeitet bran-chenübergreifend in Co-Working-Räumen oder finanziert sogar über Crowdfunding Unternehmensideen und Projekte. «Das An-

dere» liegt in der Dynamik und Haltung des Unternehmertums. in den ersten Schritten geht es den meisten Akteuren nur um das eine oder erste ökonomische Ziel: Miete zahlen und voller Kühlschrank. Mit einem solchen Anspruch, der viel Mut und Risiko voraussetzt, kann man starten.

Die Akteure der Kreativwirtschaft stellen sich oft in kürzester Zeit auf die wirtschafts-aktuellen Gegebenheiten ein. Wer jeden Tag eine Krise hat, wer die Herausforderung kennt, von der eigenen Kreativität zu leben und höchsten Ansprüchen gerecht zu wer-den, der weiss auch, wie die ganz kniffligen Dinge klappen. Davon könnte sich so manche Bank und Grossunternehmung eine Scheibe abschneiden.

Das Stellwerk Basel, in dem ich seit Januar als Geschäftsführer verantwortlich bin, ist ein guter Ort für die Akteure der Branche. Wir bieten Existenzgründern aus den Bereichen Architektur, Fotografie, Design und Kom-munikation als erstes kreativwirtschaftliches Gründerzentrum der Schweiz günstige Mieten und eine Begleitung in ihrer Selbstständigkeit sowie Netzwerke und Events an.

Von diesen guten Orten gibt es noch einige. Wichtig für die Basler Kreativwirtschaft ist, die bereits entstehenden Erfolge der lokalen Un-ternehmerinnen und Unternehmer sichtbar zu machen. Leider wird häufig nur darüber ge-sprochen, was alles schiefgeht. Verwaltung und Politik sowie die klassische Wirtschaft sollten im Umgang mit der «Anders-Wirtschaft» offe-ner und mutiger sein, und umgekehrt.

ich bin guter Hoffnung und verbreite ger-ne Euphorie für eine Branche, die in Basel und darüber hinaus grosse Aufmerksamkeit verdient.

Frank LemlohFrank Lemloh ist seit 2013 Geschäftsführer des Vereins Stellwerk Baselwww.stellwerkbasel.ch

in der Zwischenzeit hat sich viel getan: Zu-sammen mit der Gebert Rüf Stiftung unter-stützt die Christoph Merian Stiftung die Start-up Academy, weiter fördert sie Flatterschafft und zusammen mit der Ernst Göhner Stiftung den Verein Stellwerk, sie organisiert einen De-signwettbewerb zum Thema Papier – Schrift – Druck, unterstützt den Designmarkt sowie den Laufsteg Oslo, und sie schafft Raum für die Kreativwirtschaft mit dem Projekt Rakete. Schliesslich hat sich auch die HGK der Krea-tivwirtschaft zugewandt: Sie wird mit der Zür-cher Hochschule der Künste einen Lehrgang in «Cultural Entrepreneurship» anbieten. Wir haben unsere Partner eingeladen, ihre Projekte auf dieser Seite vorzustellen.

Auch der Kanton Basel-Stadt ist aktiv ge-worden, hat mit der Schaffung der initiative Kreativwirtschaft ein impulsprogramm im Sinne der Standortförderung lanciert und bietet mit der Website ikb.ch eine Plattform für die verschiedenen Branchenverbände und -vertreter.

All diese initiativen haben das Bewusst-sein für die Bedeutung der Kreativwirtschaft gestärkt, sie haben aber auch Diskussionen darüber ausgelöst, wie man in Basel die Krea-tiv- und Kulturwirtschaft fördert. Zum Glück. Die staatliche Kulturförderung darf Kreativ-wirtschaft zum Beispiel nicht mit Swisslos-Geldern fördern, und das Wirtschafts- und

Sozialdepartement versteht seine initiativen explizit nicht als Kultur-, sondern ausschliess-lich als Wirtschaftsförderung. «Kreative» sind schlecht organisiert, ein Branchenbewusstsein ist oft nicht vorhanden, und es gibt zu wenig oder zu wenig aktive Branchenverbände, die sich für die interessen ihrer Mitglieder einset-zen könnten (wie z.B. Balimage). So kämpft der Einzelne oft auf verlorenem Posten. Es ist deshalb wichtig, folgende Fragen zu stel-len und zu diskutieren: Wieviel Wirtschaft, wieviel «Kreation» soll gefördert werden, wie können Wirtschafts- und Kulturförderung verzahnt werden? Welche Branchen sollen in Basel prioritär unterstützt werden? Sollen strukturelle Schwächen beseitigt oder eher Stärken gestärkt werden? Wie können Nach-wuchs, Jungunternehmertum und Exzellenz gleichermassen gefördert werden? Die Fragen enthalten Zündstoff, Dynamit, und genau da-rum geht es ja: um zündende ideen und das Feuer für innovation.

Wir von der Christoph Merian Stiftung werden uns weiterhin für die Schaffung von günstigen Werk- und Atelierräumen, für nie-derschwellige Plattformen der Werk-, Produkt- und Labelpräsentation, für die Nachwuchs-förderung und die betriebliche Beratung einsetzen.

Beat von Wartburg

— EiN GEWALTiGER

GENTRiFiZiERUNGS-PROZESS ?

Transformation eine top-down gesteuerte Ent-wicklung ist. Und wir wissen auch, dass Kunst- und Kreativwirtschaftsnutzungen nicht auf dem Reissbrett entstehen, sondern bottom-up. Dennoch glauben wir, dass das Kunstfreilager eine grosse Chance für die Kultur ist. Es ist die einmalige Möglichkeit, die Kunst in der Stadtlandschaft zu verorten, für die Kunst ei-nen Ort zu schaffen, der sich für einmal nicht durch Musealität auszeichnet, sondern durch Lebendigkeit (über 1 000 Studierende werden hier täglich verkehren), durch künstlerische und gewerbliche Produktion, durch die Re-flexion über Kunst, durch interdisziplinäre, forschende Kunst.

Die Transformation des Dreispitz ist ein Generationenprojekt, ein langsamer Prozess, und das hat Vorteile. Denn noch bietet der Dreispitz viele Nischen; Nischen, die zahlrei-che Kulturschaffende bereits für sich entdeckt haben, für den Bandraum, das Architektur-büro, das Hindu-Kulturzentrum, die basel-city studios, Urban Farming, und und und. Es

ist ein Ort für private initiativen, für Men-schen, die an sich und ihre ideen glauben. Das Hinterhof-Projekt ist ein gutes Beispiel dafür. Hier hat eine Gruppe von Leuten mit idealis-tischen Zielen den Versuch gewagt, kommer-zielle Musik-, Bar- und Partykultur mit einem künstlerischen Anspruch zu verbinden, und die Hinterhof-Crew hat Erfolg damit.

Das Kunstfreilager ist eine idee, die Wirk-lichkeit wird, aber in keinem Fall ein mono-polistisches Unternehmen. Nicht alles muss hierherkommen und hier stattfinden. Und weil die Christoph Merian Stiftung nur dann philantropisch tätig sein kann, wenn sie auch an die Rendite im immobiliengeschäft denkt, findet die Transformation des Dreispitz in je-dem Fall statt – mit oder ohne Kultur. Wir finden, es wäre besser mit. Denn Kultur be-deutet Leben und Lebensqualität. Kultur tut dem Dreispitz gut, der Dreispitz kann aber auch der Kultur gut tun.

Beat von Wartburg

LAUFSTEG OSLOWas im vergangenen Jahr mit grosser Unge-wissheit als Versuch lanciert wurde, stand nach der erfolgreichen ersten Ausgabe seine Bewäh-rungsprobe. Kann sich die Veranstaltung nun einen festen Platz im Basler Kulturkalender sichern?

Die Rede ist von Laufsteg Oslo, der ein-tägigen Modeveranstaltung mit Modeschau und Modemarkt zur Förderung nationaler Jungdesignerinnen und aufstrebender Mode-labels, die am 4. Mai 2013 ihre Tore öffnete. Eine Freundin, gelernte Modedesignerin, war

überzeugt, dass ein solcher Event bei vielen Modeschaffenden Anklang finden würde, was sich nach kurzer Recherche durch uns bestätigte.

Mit der idee vor Augen, junge Modelabels zu fördern, die noch nicht auf dem Markt etabliert sind, und ihnen die Möglichkeit zu bieten, sich und ihre Kollektionen zu präsen-tieren, machten wir vom Verein Tor13 uns vor etwas mehr als einem Jahr an das Projekt Laufsteg Oslo. Keiner der Organisatoren war in der Modebranche tätig oder hatte schon

einmal eine Modeveranstaltung organisiert. Die Überzeugungskraft dieser idee, die Ge-wissheit, dass die Nachfrage seitens der Mode-schaffenden vorhanden ist, die Erfahrung im Bereich Eventmarketing und in der Organisa-tion musikalischer Events waren uns Antrieb genug.

Unsere Unerfahrenheit im Feld Modeveran-staltung brachte uns dazu, im stetigen Kontakt mit den Labels zu sein, auf ihre Vorstellungen und ideen einzugehen und uns auch Tipps zu holen. Wir merkten bald, dass dieser rege Austausch zu unserer Stärke wurde, darum probieren wir auch dieses Jahr auf ihre Wün-sche und Bedürfnisse einzugehen. Schliesslich sind es die Designer und Designerinnen und ihre Produkte, die während dieser Veranstal-tung im Vordergrund stehen.

Die wichtigste Frage, die sich stellte, war 2012: Wie finanzieren wir diesen Event? Die teilnehmenden Labels sollten einen möglichst kleinen Unkostenbeitrag zahlen müssen, da-rüber waren wir uns schnell einig. Da wir überhaupt nicht wussten, ob diese Modever-anstaltung auch Publikum anzieht, beschlos-sen wir, keinen Eintritt zu verlangen. Darum mussten wir versuchen, einerseits andere Einnahmequellen zu finden und andererseits die Ausgaben möglichst tief zu halten. Auf der Suche nach Räumlichkeiten, die unseren

Vorstellungen entsprachen, wurden wir dank der Christoph Merian Stiftung auf dem Drei-spitzareal fündig. Da dieses Vorhaben an ein Schulprojekt gekoppelt war, erhielten wir von den Unternehmen, von denen wir inventar mieteten, Rabatte, was uns half, die Kosten tief zu halten. Um mehr Einnahmen zu gene-rieren, organisierten wir eine Afterparty und einen Koch, der direkt vor Ort kochte – beides, um für Abwechslung zu sorgen und um die Leute so länger vor Ort zu halten und damit höhere Einnahmen beim Getränkeverkauf zu erzielen.

Dieses Jahr kam als Schwierigkeit dazu, dass Laufsteg Oslo kein Schulprojekt mehr ist und einige Rabatte wegfielen, was die Ausgaben in die Höhe schnellen liess. Wir wollten aber an unserem Konzept festhalten und warben darum um Sponsoren. Dies bedeutete mehr Aufwand, aber wir wollten über eine gewisse finanzielle Sicherheit verfügen. Ausserdem be-schlossen wir, dieses Jahr Eintritt zu verlangen, was sich bewährte, denn die Leute erschienen trotzdem so zahlreich wie letztes Jahr.

Ben AndristBen Andrist ist Logistikexperte. Privat engagiert er sich im Kulturverein tor13, der die zweite Design-Show Laufsteg Oslo am 4. Mai 2013 im Dreispitzareal organisierte.

g Klamott gg Kate Frank

KREATIv wIRTsChAfTSCHWERPUNKT

Viel diskutiert und nur zögerlich gefördert ist sie: die Kreativwirtschaft. Warum eigentlich? Shortcut stellt die Kultur- und Kreativwirtschaft zur Diskussion und einzelne konkrete Projekte vor

Page 11: Shortcut 1

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Ziel 5

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Ziel 2

Ziel 1

Kausale Logik

Kreativwirtscha�s-Politik-Logik

Mittel 1

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Mittel 4

Mittel 5

Ziel

Wer bin ich?Was weiss ich?

Wen kenne ich?Was kann ich

TUN?

mehr Mittel (Ressourcen expandiert)

neue Richtung (Randbedingungen konvergiert)

Interaktion mitanderen

Menschen

Vereinbarungmit

Stakeholdern

neueMittel

neueZieleverfügbare

Mittel

die Siedlung innerhalb von nur zwei Wochen aufgebaut. Die L-förmig angeordnete und drei-stöckig gestapelte Container-Anlage besteht aus 39 vorfabrizierten Modulen à 25 m2. Sie sind isoliert und mit Zentralheizung und gros-sen Fenstern ausgestattet. Die Erschliessung funktioniert über Laubengänge, und eine 17 m hohe Aussichtsplattform im innenhof ermög-licht einen weitläufigen Panoramablick. Die Miete pro Modul und Monat beträgt ChF 485 inkl. Nebenkosten, Strom, Heizung und in-ternet.

Die Christoph Merian Stiftung ist eben-falls in der Rakete stationiert. Anhand eines regelmässig aktualisierten Architektur modells kann die Öffentlichkeit die dynamische Ent-wicklung und den Baufortschritt im Dreispitz mitverfolgen. Somit wird die Rakete zum Be-gegnungsraum der Nutzer, der Öffentlichkeit und der Stiftung.

Ein auf fünf Jahre befristetes Mietverhältnis ist Teil des Konzeptes; nach dieser Phase wird

die Rakete ab- und an einem anderen Standort im Dreispitz wieder neu aufgebaut. Auf diese Weise profitieren neue Jungunternehmer von der Gelegenheit günstiger Räume. Und die Stiftung achtet bei der Vergabe der Container darauf, dass sich die Nutzungen ergänzen und nicht behindern. Von der Mietpartei wird eine aktive Teilnahme am Leben in der Container-siedlung erwartet sowie Toleranz, Flexibilität und gegenseitiger Respekt. Am 1. Dezember 2012 bezogen die Mieter ihre Ateliers und Büros, am 1. März 2013 hob die Rakete mit einem Fest und einem Tag der offenen Türen offiziell ab.

Christoph Meneghettiwww.rakete-dreispitz.ch

DiE RAKETEEiN RAUMFAHRTPROGRAMM

Die Kreativszene braucht günstigen Raum zum Arbeiten und Ausprobieren. Nicht nur die Kreativwirtschaftsstudie des Wirtschafts- und Sozialdepartements, sondern auch zahl-reiche Gespräche mit Nutzerkreisen haben gezeigt, dass der Raum bedarf gross ist. Das Dreispitzareal eignet sich genau für solche Be-triebe wie kaum ein anderer Standort, denn erstens hat das Kunstfreilager frischen Wind und neue (kulturelle) Nutzungen auf den Dreispitz gebracht und zweitens ist und bleibt der Dreispitz ein Arbeitsgebiet. Und drittens entstehen hier im Zug der dynamischen Are-alentwicklung Chancen, so zum Beispiel die Vakanz einer Parzelle an prominenter Lage nahe der Tramstation Dreispitz, an der Mün-chensteinerstrasse 274.

Die Christoph Merian Stiftung hat die An-liegen der Kreativszene aufgenommen und die Chance dieses attraktiven Standorts am Schopf gepackt, um gemeinsam das Projekt Rakete Dreispitz zu initiieren. Der Name Rakete steht

für die zündende idee und die Schubkraft, mit denen Startups der Kreativ- und Kulturwirt-schaft neue Unternehmungen gründen und vorantreiben. in Anlehnung an das Projekt Basis lager in Zürich entwickelte die Stiftung eine Siedlung aus Büro-Containern, die güns-tig zu erstellen und ebenso günstig zu vermie-ten ist und an verschiedenen Standorten im Dreispitz verwendet werden kann.

Die Rakete ist somit eine mobile immobilie mit wechselnder Besetzung und flexiblem Be-zug zum jeweiligen Standort, eine Startrampe, wo Jungunternehmer gemeinsam etwas auf-bauen können. Die Kommission der Christoph Merian Stiftung hat im Januar 2012 einen Bau-kredit von ChF 2,2 Millionen gesprochen. Ziel ist es, mit dieser investition längerfristig eine schwarze Null zu erwirtschaften; die Rakete ist kein Wohlfahrtsprogramm, sondern vielmehr ein Raumfahrtsprogramm.

Nach einer anderthalb Jahre dauernden Planungs- und Vorbereitungsphase wurde

NEUEM NEU BEGEGNENEiN PLÄDOYER FÜR EiNE UNTERNEHMERiSCHE UND KREATiVE POLiTiK

mit DER KULTUR- UND KREATiVWiRTSCHAFT

Politik macht sich weltweit neuerdings gerne stark für eine wachsende Kultur- und Kreativ-wirtschaft. Doch umgekehrt wird ein Schuh draus: Die Politik wird vor allem von und mit der Kultur- und Kreativwirtschaft – von ihren Prozessen und Strukturen – lernen können. Vor allem kooperative Politik-Ansätze, die komplexen Handlungssituationen, Heteroge-nität und rasanter Dynamik Rechnung tragen, können sich hierbei zukünftig als besonders produktiv erweisen:

Die neuere Entrepreneurship-Forschung 1 hat das Denken, Entscheiden und Handeln erfolgreicher Unternehmer untersucht und dabei nachgewiesen, dass diese – vor allem in Situationen der Ungewissheit –

1. nicht einen am grünen Tisch entwickelten Plan in die Tat umsetzen, sondern auf der Grundlage der vorhandenen Mittel arbeiten;

2. in Partnerschaften grössere Sicherheit schaf-fen, indem sie kooperativ ihre Ziele modifi-zieren oder ihre Mittel erweitern;

3. darauf verzichten, die Zukunft vorhersa-gen zu wollen, und sich stattdessen darauf beschränken, sie sukzessiv zu gestalten;

4. Zufälle nutzen, um ihren Horizont zu er-weitern und sich zu innovationen anregen zu lassen.

Dabei sollte einer Verwechslung vorgebeugt werden: Entrepreneurship bedeutet nicht zwingend Ökonomisierung. Unternehmeri-sches Denken und Handeln kann im Kon-text sehr unterschiedlicher, materieller wie immaterieller Wertesysteme geschehen. Eine kreativwirtschaftlich-unternehmerische Poli-tik muss zukünftig besonders einer Aufgabe Aufmerksamkeit schenken, die in der inter-nationalen Governance-Forschung als erfolgs-kritisch beschrieben wird: Capacity Building, also die Kompetenzentwicklung der Akteure auf allen Ebenen. 2 Die heterogenen Netzwer-ke der Kultur- und Kreativwirtschaft sind prä-destiniert dazu, ein gemeinsames Lernen und auch ein Voneinander-Lernen zu ermöglichen. Aber braucht es denn überhaupt postheroi-sche Humusentwicklung oder Leuchtürme für die (Un-)Branche?

Einen erfolgversprechenden neuen Ansatz-punkt dazu liefert das dynamische Modell der Entrepreneurship-Forschung «Effectuation».

Nach Auffassung des Autors Michael Fasching-bauer sind Ausgangspunkt für gelungene Alli-anzen immer die handelnden Personen. Auf dieser Basis werden, im Rahmen dessen, was für die unterschiedlichen Partner leistbar ist und attraktiv erscheint, verbindliche Verein-barungen ausgehandelt. 1 Kooperative Politik beruht darauf, verbindliche Vereinbarungen mit denen einzugehen, die neue Mittel und Zielvorstellungen einbringen können und wollen.

Prinzip der Mittelorientierung für eine kooperative Politik mit der Kultur- und Kreativ wirtschaftKausales Vorgehen beruht auf Zielorientie-rung: Zuerst visiert man ein bestimmtes Ziel an, dann macht man Pläne und erschliesst geeignete Mittel, um genau dieses Ziel oder erwünschte Ergebnis zu erreichen. Kooperati-ve Politik mit der Kulturwirtschaft hingegen beruht auf mittelorientierung: Man erhebt die aktuell verfügbaren Mittel und fokussiert auf die Erschliessung der Ergebnisse, die sich mit den vorhandenen Mitteln erzielen lassen. Dem

Machbaren wird der Vorzug gegenüber dem Gewünschten gegeben.

Den Unterschied zwischen kausaler Ziel-orientierung und Mittelorientierung einer kooperativen Politik zeigt Abbildung 2.

Die verschiedenen Ansätze sind gut mit einer Metapher aus dem Alltag zu beschrei-ben – dem Kochen eines Essens: Kausal würde man ein Gericht und das dazugehörige Rezept auswählen, eine entsprechende Einkaufsliste zusammenstellen, die Zutaten besorgen und nach den vorgegebenen Schritten des Rezepts, das Gericht zubereiten.

Beim kooperativen Ansatz würde man eine Einladung aussprechen und die Gäste bitten, interessante Zutaten unabgesprochen mitzu-bringen. Dann würde man sich in die Küche setzen und gemeinsam überlegen: Welche möglichen Gerichte können wir mit allem, was in der Küche vorhanden und durch das Netzwerk erreichbar ist, zubereiten?

Auf beiden Wegen lassen sich hervorra-gende Gerichte zubereiten. Um allerdings die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass etwas Neues entsteht, ist die klare Empfehlung, der zweite Weg. Denn beim Standort-Wettbewerb um die hart umworbenen kreativen Talente werden wahrscheinlich jene Standorte die Nase vorne haben, die den Mut haben, zum Kochen ohne Rezept einzuladen. Denn: Neuem muss neu begegnet werden!

Christoph BackesChristoph Backes ist ideenlotse, Geschäftsführer u-ins-titut in Bremen, Gründungsgeschäftsführer des Grün-derZentrums Kulturwirtschaft Aachen, Lehrbeauftrag-ter an verschiedenen Hochschulen in Deutschland und der Schweiz sowie Berater der initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der deutschen Bundesregierung so-wie des RKW Kompetenzzentrums Kultur- und Krea-tivwirtschaft des Bundes in Deutschland.

Literaturhinweise:1 Faschingbauer, M. (2010). Effectuation – Wie er-folgreiche Unternehmer denken, entscheiden und handeln. Düsseldorf: Schäffer-Poeschel2 Willke, H. (2007). Smart Governance – Governing the Global Knowledge Society (S. 178 ff.). Frankfurt/New York: Campus Verlag

STECKBRiEF

Büro- und Ateliercluster für die Kreativwirtschaft (Containergebäude aus 39 Modulen)

Bauherrschaft Christoph Merian Stiftung

Gesamtkosten Projekt ChF 2,2 Mio.

Standort Münchensteinerstrasse 274,

4053 Basel (Dreispitz)

Grundstücksfläche 960 m2

Freiflächen 420 m2

Bruttogeschossfläche 1 500 m2

Hauptnutzfläche 1 000 m2

Geschosszahl 3

Bauvolumen 4 500 m3

Masse Einzelcontainer 10 m × 3 m × 3 m

Mietpreis ChF 485.– pro Container-Modul inkl. NK, Strom, internet und

Heizkosten

Planer in situ / NRS Team, Basel

Architektur und Bauleitung

emyl, Basel innenarchitektur und

Szenographie

Hauser, Schwarz, Basel Grafik und Beschriftung

Container Alho Systembau AG,

Wikon

Abbildung 1: Dynamisches Modell Effectuation (nach Sarasvathy & Dew) 1

Abbildung 2 (nach Sarasvathy)

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STARTUP ACADEMYSENSiBiLiSiEREN, VERNETZEN UND RÄUME BEREiTSTELLEN

Mit dem Neuwort «Kreativwirtschaft» sind Hoffnungen verbunden, an Ressourcen he-ranzukommen, die sich bislang erfolgreich der kommerziellen Verwertbarkeit entzogen haben. Wer sich mit der Kreativwirtschaft beschäftigt, wie das verschiedene Organisa-tionen bereits tun, muss deswegen behutsam vorgehen. Eine davon ist die Startup Academy, ein gemeinnütziger Verein, der Jungunterneh-merinnen und Jungunternehmer auf ihrem Weg in die berufliche Selbstständigkeit be-gleiten will, indem er sie mit Hochschulen und der Wirtschaft vernetzt. Gegenwärtig befinden sich 30 Jungunternehmen im Be-gleitprogramm der Startup Academy, rund die Hälfte kann der Kreativwirtschaft zugeordnet werden.

Viele Kreative sind heute sozusagen im Nebenamt kreativ, also ohne gross zu inves-tieren, mit typisch schweizerischer Solidi-tät. Sie arbeiten Teilzeit, konkretisieren ihre Geschäftsideen in Reststunden und starten ihre Einzelfirmen mit langem Atem. Oft ist die Preisgestaltung selbstausbeuterisch, be-triebswirtschaftliches Feedback verpönt, und gegenüber Finanzzahlen wehrt man sich mit lässiger Unlust.

Die Startup Academy versucht hier zu sen-sibilisieren und zu informieren. Sie vermittelt Personen in unterschiedlichen Rollen, die alle wirtschaftlich denken: Das sind Studierende der Betriebsökonomie oder Berufsleute und Unternehmer, die sich als Mentoren speziell um ein Jungunternehmen kümmern. Selbst- und Fremdbild werden dabei ebenso hinter-fragt wie wirtschaftliche Fakten von kreativen Wünschen getrennt. Um eine gleichbleibende Qualität zu erreichen, durchlaufen alle Start-ups zusätzlich eine Reihe von Checks durch Fachleute, insbesondere in den Bereichen Geschäftsidee, Persönlichkeit, Finanzierung, Treuhand und Logistik.

Bei diesen Besprechungen, aber auch in spontanen Gesprächen, bei Netzwerkanlässen, Workshops und Stammtischen findet ein Er-fahrungsaustausch statt, der oft selbstgesteuert ist. Und mit jedem neuen Startup wird das Netzwerk in der jeweiligen Branche dichter und tragfähiger.

Aus biografischer Sicht existieren gewöhn-lich drei, vier ideale Zeitfenster, in denen man sich selbstständig macht. Wer viele Personen in unterschiedlichen Rollen mit Leuten zu-sammenzubringt, die sich in solchen Zeitfens-tern befinden, nutzt dies. Neben der idealen Zeit hat der konkrete Raum eine wichtige Bedeutung: Sobald sich Leute in einem ge-eigneten Raum begegnen, entsteht ein kre-ativer Mehrwert. Hier profitiert die Startup Academy von einem Einrichtungsdesign, das unter Federführung von Vitra entwickelt und inzwischen am Picassoplatz in Basel erstmals umgesetzt wurde. Kurz: Es braucht intelligent gestalteten, zentral gelegenen und bezahl-baren Raum, der zur praktischen Nutzung motiviert und zum gedanklichen Austausch anregt. Wo das gegeben ist, muss man bald darüber nachdenken, wie weitere Räume mit denselben funktionalen Eigenschaften hinzu-gemietet werden können. Denn gross ist die Nachfrage und schnell wird Raum knapp.

Zur Förderung der Kreativwirtschaft im Raum Basel wird die Startup Academy wei-terhin diese Themen vorantreiben: sensibili-sieren, vernetzen und intelligent eingerichtete Räume an verschiedenen Orten offerieren.

Florian BlumerProf. Dr. Florian Blumer ist Professor für Wirtschafts-kommunikation an der Hochschule für Wirtschaft Basel (FHNW) und Mitinitiant und Vorstandsmitglied der Startup Academywww.startup-academy.ch

DYNAMO UND DYNAMiTDiE KREATiV WiRTSCHAFT BRAUCHT iNiTiATiVEN

Private und öffentliche Kulturförderer haben seit jeher Projekte verschiedenster kreativwirt-schaftlicher Branchen unterstützt – vielleicht ohne sich dessen bewusst zu sein: Bücher, Fil-me, Konzerte usw., kurz Projekte, die ohne För-derung nicht auf den Markt kommen könnten, insbesondere in der Schweiz, wo der Markt klein, oft zu klein ist. Obwohl verschiedenste Studien gezeigt haben, dass die Kreativwirt-schaft zwar kleinteilig organisiert, aber den-noch als Wirtschafts- und Standortfaktor ernst zu nehmen ist, tun sich die öffentliche Hand, aber auch private Förderinstitutionen mit der Förderung der Kreativwirtschaft schwer. Denn noch immer denken viele, dass es nur unkommerzielle Kultur oder kommerzielle Kultur gibt, wobei für viele Kulturschaffende und -förderer die Erste gut, die Zweite ver-dächtig ist. Für andere wiederum ist es gerade umgekehrt: Unkommerzielle Kultur ist Luxus und kommerzieller Mainstream gut. Dabei ist die Grenze zwischen Kommerz und Kultur fliessend und das Schwarz-Weiss-Denken im rauen politischen Diskurs gefährlich.

Mit dem Kunstfreilager im Dreispitz und der dortigen Nachbarschaft zur Hochschu-le für Gestaltung und Kunst (HGK) stellte

sich auch für die Christoph Merian Stiftung die Frage, ob und wie sie künftig Kreativwirt-schaft fördern möchte. Sie hat deshalb vor drei Jahren zusammen mit der Gebert Rüf Stiftung, dem Gewerbeverband, «Kulturstadt jetzt» und dem Stellwerk eine Arbeitsgruppe gebildet, um herauszufinden, welche konkre-ten Projekte der Kreativwirtschaft in Basel im Allgemeinen und den Studienabgängern der HGK im Besonderen am meisten Nutzen bringen können. in diesem Prozess, gecoacht von Christoph Backes aus Bremen (www.ideenlotsen.de), haben sich unter dem Titel «Dynamo Basel» elf mögliche Massnahmen herauskristallisiert.1. braucht es eine Koordinationsstelle, 2. Wettbewerbe,3. neue Plattformen (Messen, Festivals), 4. ideentransfer (import, Export, ideen-

piraterie), 5. Mentoring / Coaching, 6. zielgruppenspezifische Netzwerkbildung, 7. eine Raumagentur, 8. Mikrokredite und Risikokapital,9. Modellprojekte 10. einen Expertenpool (train the trainer), und 11. braucht es Nachwuchsförderung («U25»).

DREi AUF EiNEN STREiCH!EiN DESiGNWETTBEWERB FÜR PAPiER – SCHRiFT – DRUCK

Einen grossen Teil ihrer Fördermittel inves-tiert die Christoph Merian Stiftung in dau-erhafte Partnerschaften mit institutionen, an deren Gründung sie beteiligt war. So unter-stützt sie die Basler Papiermühle, das Haus für elektronische Künste und Literatur Basel jährlich mit bedeutenden Zuschüssen an die Betriebskosten. Nun möchten wir mit einem Designwettbewerb ein neues Förderformat lancieren, das in dreifacher Hinsicht Wirkung erzielen soll.

Nach 30 Betriebsjahren stand kürzlich eine betriebliche, inhaltliche und bauliche Erneu-erung der Papiermühle an. Und nun soll das Tüpfelchen auf dem i folgen: Eine Erneuerung der Produktepalette. Die Basler Papiermühle ist ja nicht nur ein Muse-um, sondern auch ein Produktionsbetrieb für die «weisse» und die «schwarze» Kunst. Vor den Augen der Muse-umsbesucher werden Pa-piere und Druckerzeug-nisse hergestellt. Die Papier- und Druckpro-duktion trägt wesentlich zum hohen Eigen-wirtschaftlichkeitsgrad des nichtstaatlichen Museums bei. Deshalb ist das Museum auf gute Produkte und gute Verkäufe angewiesen.

Der Designwettbewerb, den die Stiftung lanciert hat, setzt genau hier an, indem er der Papiermühle ermöglichen soll, neue ver-kaufsfähige Produkte zu entwickeln und zu produzieren. Zugleich soll der Wettbewerb die junge Basler Kreativwirtschaft, das De-signschaffen fördern und die Zusammen-arbeit mit der Hochschule für Gestaltung und Kunst (HGK), dem baldigen grossen Player im

Kunstfreilager Dreispitz, intensivieren. Der Wettbewerb richtet sich deshalb vor allem an junge Designerinnen und Designer insbeson-dere der Fachrichtungen industrial Design, Visual Communication und Szenografie, die an der HGK studieren oder hier seit 2008 ab-geschlossen haben. Aber auch Studierende und Alumni anderer Hochschulen, die seit 2008 abgeschlossen haben, sind zugelassen, sofern sie in Basel wohnen oder arbeiten.

Prämiert werden von der Basler Papier-mühle herstellbare und/oder verkäufliche Objekte resp. Produkte aus den Bereichen Pa-

pier, Schrift und Druck wie zum Beispiel Papier-lampen, Teelichter, klei-nere Möbel aus Papier, Briefpapier, Journale, Tagebücher, Schriftpro-dukte, digitale Schriftsät-ze etc. Da die Produkte im Museumsshop ange-boten werden, sollte der maximale Endverkaufs-preis ChF 1 000 nicht übersteigen. Eine Jury bewertet die eingesand-ten Projekte.Nach der Vorselektion

gelangen 20 Objekte in die engere Auswahl. Diese sollen nach Abschluss des Wettbewerbs in einer Broschüre und mit einer kleinen Aus-stellung vorgestellt werden. Es gibt folgende drei Preiskategorien: Ein Hauptpreis à ChF 10 000, zwei weitere Hauptpreise à je ChF 5 000 und vier Förderpreise à je ChF 2 000. Der Ein-gabetermin für die Produktvorschläge ist der 21. Juni 2013.

Beat von WartburgWettbewerbsunterlagen: www.papierschriftdruck.ch

DiE HGK ALS PARTNERiNiM DiALOG MiT DER KULTUR- UND KREATiVWiRTSCHAFT

Der neue Campus der Hochschule für Ge-staltung und Kunst (HGK) auf dem Dreispitz wird 2014 bezugsfertig. Ab dann sind auf dem Dreispitz rund 750 Studierende und 200 Do-zierende an einem Ort vereint. Das umgebaute Zollfreilager sowie der achtgeschossige Neu-bau am Freilager-Platz werden das neue Domi-zil für die derzeit noch auf acht Standorte in Basel, Muttenz und Aarau verteilten Einheiten der Hochschule. Mit der Zusammenführung aller institute und Disziplinen an einem für die Kreativwirtschaft interessanten Ort will die Hochschule ihre Rolle innerhalb der bereits dynamisch angelaufenen Quartiersentwick-lung wahrnehmen. Sie unterstützt eine erhöh-te Sichtbarkeit von Gestaltung und Kunst in der Öffentlichkeit, denn ohne Zweifel hält der Dreispitz ein Potenzial für die Absolventinnen und Absolventen dieser Studienrichtungen bereit.

in Zusammenarbeit mit der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) entwickelt die Hochschule für Gestaltung und Kunst ein Kompetenznetzwerk für Cultural Entrepre-neurship. im Zentrum stehen die beruflichen Aussichten der Studierenden als künftige De-signerinnen und Designer sowie als Künstle-rinnen und Künstler und die Begleitung der Absolventinnen und Absolventen auf dem Weg in die Existenzgründung. Zahlreiche indizien aus dem Feld der Kreativwirtschaft sprechen dafür, dass die Zahl jener Studieren-den weiter ansteigen wird, die ihre berufliche Chance als Unternehmerinnen und Unter-nehmer erkennen und ergreifen wollen. Die Hochschule macht daher die Unterstützung kreativer Gründungsprozesse zu einer ihrer Schlüsselaufgaben und setzt dabei auch auf ihren neuen Standort: Kreative Jungunter-nehmen sollen teilhaben an der Transforma-tion des einst kaum zugänglichen Lager- und Gewerbeareals in einen urbanen Stadtteil.

Wissend, dass der Dreispitz mit seiner hohen Diversität an infrastruktur und Kompetenzen durch die hier ansässigen Unternehmen über ein grosses Potenzial verfügt, sucht die Hoch-schule für Gestaltung und Kunst den Dialog mit der Nachbarschaft.

Die nachhaltige Nachwuchsförderung im Rahmen des entstehenden Kompetenznetz-werks ist auf inklusion angelegt. So sollen schrittweise strategisch wichtige Bildungs-stätten des tertiären Sektors für eine Zusam-menarbeit gewonnen werden.

inhaltlich hat das Netzwerk vier thema-tische Schwerpunkte: Die ZHdK erarbeitet Aus- und Weiterbildungsangebote für Jung-unternehmerinnen und Jungunternehmer aus dem Kultur- und Kreativbereich und entwi-ckelt Formate der individuellen Laufbahnbe-ratung und Gründerservices. Die Hochschule für Gestaltung und Kunst legt den Fokus auf die Vernetzung wichtiger Stakeholder. Neben realen Begegnungen werden auch netzbasier-te Plattformen aufgebaut, sodass Studierende möglichst früh damit beginnen können, ihre persönlichen Netze zu knüpfen. Des Weite-ren wird anhand von Better Practice-Ansätzen samt neuen Finanzierungstypen ein Gründer-modell für die Kreativen erarbeitet. Dieses soll die Attraktivität für Startups- und Spin-offs auf dem Dreispitz erhöhen.

Die erste Förderphase des gemeinsam in-itiierten Projekts läuft bis Februar 2015 und wird finanziell unterstützt von der Gebert Rüf Stiftung sowie von der Avina Stiftung.

Caroline RoggoCaroline Roggo ist Leiterin Cultural Entrepreneurship an der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW

CLUSTER ODER GUANTANAMO ?KREATiVWiRTSCHAFT iM DREiSPiTZ

Das Dreispitzareal ist ein klassisches Gewerbe-gebiet, buntscheckig, mit einer grossen Nut-zungsvielfalt. Einem Filetstück gleich liegt es in der Stadtlandschaft zwischen Münchenstein und dem Gundeli. Deshalb sind die Stadt Ba-sel sowie Münchenstein und die Grundeigen-tümerin, die Christoph Merian Stiftung, daran interessiert, einerseits eine dichtere Nutzung mit höherer Wertschöpfung zu realisieren und andererseits das industriegebiet zu öffnen und in einem längeren Prozess in ein durchmisch-tes städtisches Quartier für Wohnen, Gewerbe, Freizeit und Kultur zu verwandeln.

Die Transformationsidee basiert auf einer Studie von Herzog & de Meuron aus dem Jahr 2002. Seither hat sich viel getan, besonders im Gebiet des ehemaligen Zollfreilagers. Mit der Eröffnung der Hochschule für Gestaltung und Kunst im nächsten Jahr kommt ein Kulturak-teur mit grossen Ambitionen in den Dreispitz und wird von hier mit Forschung und Lehre auch international ausstrahlen. Für eine ins-titution, die sich mit den zeitgenössischsten Formen der visuellen Kunst und des Designs, zum Beispiel der digitalen Kultur, ausein-andersetzt, gehören innovationen, Wandel, Transformationen zum daily business. Gerade deshalb ist die HGK im Dreispitz künftig am richtigen Ort.

Angesichts der Nähe von HGK und Schau-lager entwickelten Herzog & de Meuron die idee eines Campus des Bildes. Die Christoph

Merian Stiftung hat nun versucht, diese idee weiterzuspinnen. Heute heisst der Campus des Bildes – an das ehemalige Freilager anknüp-fend – Kunstfreilager. Dieses neue städtische Quartier soll Lehre und Forschung, Kunst-produktion, Kunstvermittlung, Kunstgewerbe und Kreativwirtschaft umfassen.

Erster Meilenstein war 2008 die Eröffnung der Dreispitzhalle durch das Festival der elek-tronischen Künste Shift. Hier finden seither viele Veranstaltungen wie zum Beispiel der Designmarkt statt. Zweiter Meilenstein war die Umnutzung eines ehemaligen Lagerge-bäudes an der Oslostrasse 10 zu einem Ateli-er-, Ausstellungs- und Gewerbebau. Das Haus Oslo beherbergt heute Radio X, die Fotogale-rie Oslo 8, den Young Art Space Oslo 10, zwei Fotobetriebe und einen Aufziehservice, das Haus für elektronische Künste und 16 Ateliers für 21 Kunstschaffende. Dritter Meilenstein war die Eröffnung der Rakete, des Container-baus für die Kreativwirtschaft (siehe Artikel unten), und vierter Meilenstein ist die Um-nutzung des Lagergebäudes Oslo 12 – 14. Hier wird im September 2014 zeitgleich mit der Fertigstellung der HGK das Haus für elekt-ronische Künste seinen definitiven Standort finden, und es werden Ateliers für ausländi-sche Gastkünstler des iaab und für regionale Autorinnen und Autoren eingerichtet.

So entsteht langsam, aber sicher ein Art Cluster im Kunstfreilager. So bestechend die idee der Dreispitz-Transformation für die einen ist, so abschreckend ist sie für andere. Wo bleibt da noch billiger Mietraum? ist das Ganze nicht ein gewaltiger Gentrifizierungs-prozess, in dem die Kunstschaffenden miss-braucht werden für die Renditeüberlegungen einer Stiftung? ist der Art Cluster nicht ein Kunst-Guantánamo in der Pampa?

Natürlich ist uns von der Christoph Meri-an Stiftung bewusst, dass die ganze Dreispitz-

DiE ANDERS-WiRTSCHAFTEiN PLÄDOYER FÜR DiE BASLER KREATiVWiRTSCHAFT

Basel hat jede Menge zu bieten, besonders was die Kreativwirtschaft angeht: Gute Aus-bildungsstätten, eine Szene, die an der einen oder anderen Stelle noch mehr Selbstbewusst-sein gegenüber Zürich vertragen könnte, und ein Bewusstsein für Wertigkeit und auch Frei-räume in der Stadt. Darüber hinaus gibt es eine Studie, die Kreativwirtschaft erst einmal als Wirtschaftszweig dargestellt hat, und eine initiative, die die Aufgabe hat, eine Lobby für die vielseitige Branche zu schaffen.

Alles gute Voraussetzungen, um der Krea-tivwirtschaft auch etwas zuzutrauen, und vor allem ihren Akteuren.

ich finde in Basel eine lebendige Kreativwirt-schaft mit vielen Potenzialen vor, der es aber an Anerkennung und passenden Plattformen mangelt. Viele Akteure wissen gar nicht, dass sie der Branche zugehören. Ein Musiker ist halt ein Musiker und ein Designer ein Desi-gner. So ist das Verständnis der Akteure. Dies ist aufgrund der Heterogenität der dreizehn Teilmärkte, in die die Kreativwirtschaft defi-nitionsgemäss eingeteilt ist, auch nicht ver-wunderlich.

Oftmals wird sowohl in Deutschland wie auch in der Schweiz alles in einen Topf ge-worfen, und die Unterschiede zwischen der

öffentlichen Förderung der Kultur, jener des tertiären Bereichs (Stiftungen, Vereine etc.)und der privatwirtschaftlich orientierten Kre-ativwirtschaft werden nicht erkannt. Sicher tut sich so mancher schwer, wenn Ökonomie und Kultur in einer engen Verbindung und Abhängigkeit gesehen werden. Das bedeutet nicht zugleich, dass ich dafür bin, dass die vom Staat geförderte Kultur beschnitten werden soll. Kultur ist für Basel mehr als nur ein wei-cher Standortfaktor. Wer aber alles sauber von einander trennen kann, versteht, dass die Kreativwirtschaft im Kern ein wichtiger Wirt-schaftszweig ist. Warum? Sicher sollten das Zahlen beweisen können, doch die Bedeutung eines Wirtschaftszweiges kann auch ganz an-ders gemessen werden. Was wäre unser Leben ohne die Produkte und Dienstleistungen der Kreativwirtschaft? innovationen entstehen doch unter dem Einfluss einer entsprechen-den ästhetischen Bildung und dank des krea-tiven und kulturellen Levels von Menschen. Das ist in Städten mit Traditionen nicht leicht verständlich. Vor allem, wenn eine Stadt wie Basel sich stark auf bestimmte Bereiche wie die Life Sciences konzentriert.

Die Kreativwirtschaft passt vor allem in das Weltbild des ständigen Wandels und des innovationsanspruchs. Ohne diese Branche wäre das Leben nicht nur trist, sondern auch rückständig. Sie unterliegt zwar genauso den Marktgegebenheiten wie die klassische Wirtschaft. Es wird in der gleichen Währung gezahlt, und die Grundsätze ordnungsgemäs-ser Buchführung gelten auch für die Kreativ-wirtschaft. Dennoch ist Kreativwirtschaft die «Anders-Wirtschaft». Woran kann man das festmachen? in der klassischen Wirtschaft wird Wissen gehortet, werden Kunden- und Lieferantenkontakte für sich behalten, um einen Wettbewerbsvorteil zu haben. Kreativ-wirtschaft hingegen teilt Wissen, arbeitet bran-chenübergreifend in Co-Working-Räumen oder finanziert sogar über Crowdfunding Unternehmensideen und Projekte. «Das An-

dere» liegt in der Dynamik und Haltung des Unternehmertums. in den ersten Schritten geht es den meisten Akteuren nur um das eine oder erste ökonomische Ziel: Miete zahlen und voller Kühlschrank. Mit einem solchen Anspruch, der viel Mut und Risiko voraussetzt, kann man starten.

Die Akteure der Kreativwirtschaft stellen sich oft in kürzester Zeit auf die wirtschafts-aktuellen Gegebenheiten ein. Wer jeden Tag eine Krise hat, wer die Herausforderung kennt, von der eigenen Kreativität zu leben und höchsten Ansprüchen gerecht zu wer-den, der weiss auch, wie die ganz kniffligen Dinge klappen. Davon könnte sich so manche Bank und Grossunternehmung eine Scheibe abschneiden.

Das Stellwerk Basel, in dem ich seit Januar als Geschäftsführer verantwortlich bin, ist ein guter Ort für die Akteure der Branche. Wir bieten Existenzgründern aus den Bereichen Architektur, Fotografie, Design und Kom-munikation als erstes kreativwirtschaftliches Gründerzentrum der Schweiz günstige Mieten und eine Begleitung in ihrer Selbstständigkeit sowie Netzwerke und Events an.

Von diesen guten Orten gibt es noch einige. Wichtig für die Basler Kreativwirtschaft ist, die bereits entstehenden Erfolge der lokalen Un-ternehmerinnen und Unternehmer sichtbar zu machen. Leider wird häufig nur darüber ge-sprochen, was alles schiefgeht. Verwaltung und Politik sowie die klassische Wirtschaft sollten im Umgang mit der «Anders-Wirtschaft» offe-ner und mutiger sein, und umgekehrt.

ich bin guter Hoffnung und verbreite ger-ne Euphorie für eine Branche, die in Basel und darüber hinaus grosse Aufmerksamkeit verdient.

Frank LemlohFrank Lemloh ist seit 2013 Geschäftsführer des Vereins Stellwerk Baselwww.stellwerkbasel.ch

in der Zwischenzeit hat sich viel getan: Zu-sammen mit der Gebert Rüf Stiftung unter-stützt die Christoph Merian Stiftung die Start-up Academy, weiter fördert sie Flatterschafft und zusammen mit der Ernst Göhner Stiftung den Verein Stellwerk, sie organisiert einen De-signwettbewerb zum Thema Papier – Schrift – Druck, unterstützt den Designmarkt sowie den Laufsteg Oslo, und sie schafft Raum für die Kreativwirtschaft mit dem Projekt Rakete. Schliesslich hat sich auch die HGK der Krea-tivwirtschaft zugewandt: Sie wird mit der Zür-cher Hochschule der Künste einen Lehrgang in «Cultural Entrepreneurship» anbieten. Wir haben unsere Partner eingeladen, ihre Projekte auf dieser Seite vorzustellen.

Auch der Kanton Basel-Stadt ist aktiv ge-worden, hat mit der Schaffung der initiative Kreativwirtschaft ein impulsprogramm im Sinne der Standortförderung lanciert und bietet mit der Website ikb.ch eine Plattform für die verschiedenen Branchenverbände und -vertreter.

All diese initiativen haben das Bewusst-sein für die Bedeutung der Kreativwirtschaft gestärkt, sie haben aber auch Diskussionen darüber ausgelöst, wie man in Basel die Krea-tiv- und Kulturwirtschaft fördert. Zum Glück. Die staatliche Kulturförderung darf Kreativ-wirtschaft zum Beispiel nicht mit Swisslos-Geldern fördern, und das Wirtschafts- und

Sozialdepartement versteht seine initiativen explizit nicht als Kultur-, sondern ausschliess-lich als Wirtschaftsförderung. «Kreative» sind schlecht organisiert, ein Branchenbewusstsein ist oft nicht vorhanden, und es gibt zu wenig oder zu wenig aktive Branchenverbände, die sich für die interessen ihrer Mitglieder einset-zen könnten (wie z.B. Balimage). So kämpft der Einzelne oft auf verlorenem Posten. Es ist deshalb wichtig, folgende Fragen zu stel-len und zu diskutieren: Wieviel Wirtschaft, wieviel «Kreation» soll gefördert werden, wie können Wirtschafts- und Kulturförderung verzahnt werden? Welche Branchen sollen in Basel prioritär unterstützt werden? Sollen strukturelle Schwächen beseitigt oder eher Stärken gestärkt werden? Wie können Nach-wuchs, Jungunternehmertum und Exzellenz gleichermassen gefördert werden? Die Fragen enthalten Zündstoff, Dynamit, und genau da-rum geht es ja: um zündende ideen und das Feuer für innovation.

Wir von der Christoph Merian Stiftung werden uns weiterhin für die Schaffung von günstigen Werk- und Atelierräumen, für nie-derschwellige Plattformen der Werk-, Produkt- und Labelpräsentation, für die Nachwuchs-förderung und die betriebliche Beratung einsetzen.

Beat von Wartburg

— EiN GEWALTiGER

GENTRiFiZiERUNGS-PROZESS ?

Transformation eine top-down gesteuerte Ent-wicklung ist. Und wir wissen auch, dass Kunst- und Kreativwirtschaftsnutzungen nicht auf dem Reissbrett entstehen, sondern bottom-up. Dennoch glauben wir, dass das Kunstfreilager eine grosse Chance für die Kultur ist. Es ist die einmalige Möglichkeit, die Kunst in der Stadtlandschaft zu verorten, für die Kunst ei-nen Ort zu schaffen, der sich für einmal nicht durch Musealität auszeichnet, sondern durch Lebendigkeit (über 1 000 Studierende werden hier täglich verkehren), durch künstlerische und gewerbliche Produktion, durch die Re-flexion über Kunst, durch interdisziplinäre, forschende Kunst.

Die Transformation des Dreispitz ist ein Generationenprojekt, ein langsamer Prozess, und das hat Vorteile. Denn noch bietet der Dreispitz viele Nischen; Nischen, die zahlrei-che Kulturschaffende bereits für sich entdeckt haben, für den Bandraum, das Architektur-büro, das Hindu-Kulturzentrum, die basel-city studios, Urban Farming, und und und. Es

ist ein Ort für private initiativen, für Men-schen, die an sich und ihre ideen glauben. Das Hinterhof-Projekt ist ein gutes Beispiel dafür. Hier hat eine Gruppe von Leuten mit idealis-tischen Zielen den Versuch gewagt, kommer-zielle Musik-, Bar- und Partykultur mit einem künstlerischen Anspruch zu verbinden, und die Hinterhof-Crew hat Erfolg damit.

Das Kunstfreilager ist eine idee, die Wirk-lichkeit wird, aber in keinem Fall ein mono-polistisches Unternehmen. Nicht alles muss hierherkommen und hier stattfinden. Und weil die Christoph Merian Stiftung nur dann philantropisch tätig sein kann, wenn sie auch an die Rendite im immobiliengeschäft denkt, findet die Transformation des Dreispitz in je-dem Fall statt – mit oder ohne Kultur. Wir finden, es wäre besser mit. Denn Kultur be-deutet Leben und Lebensqualität. Kultur tut dem Dreispitz gut, der Dreispitz kann aber auch der Kultur gut tun.

Beat von Wartburg

LAUFSTEG OSLOWas im vergangenen Jahr mit grosser Unge-wissheit als Versuch lanciert wurde, stand nach der erfolgreichen ersten Ausgabe seine Bewäh-rungsprobe. Kann sich die Veranstaltung nun einen festen Platz im Basler Kulturkalender sichern?

Die Rede ist von Laufsteg Oslo, der ein-tägigen Modeveranstaltung mit Modeschau und Modemarkt zur Förderung nationaler Jungdesignerinnen und aufstrebender Mode-labels, die am 4. Mai 2013 ihre Tore öffnete. Eine Freundin, gelernte Modedesignerin, war

überzeugt, dass ein solcher Event bei vielen Modeschaffenden Anklang finden würde, was sich nach kurzer Recherche durch uns bestätigte.

Mit der idee vor Augen, junge Modelabels zu fördern, die noch nicht auf dem Markt etabliert sind, und ihnen die Möglichkeit zu bieten, sich und ihre Kollektionen zu präsen-tieren, machten wir vom Verein Tor13 uns vor etwas mehr als einem Jahr an das Projekt Laufsteg Oslo. Keiner der Organisatoren war in der Modebranche tätig oder hatte schon

einmal eine Modeveranstaltung organisiert. Die Überzeugungskraft dieser idee, die Ge-wissheit, dass die Nachfrage seitens der Mode-schaffenden vorhanden ist, die Erfahrung im Bereich Eventmarketing und in der Organisa-tion musikalischer Events waren uns Antrieb genug.

Unsere Unerfahrenheit im Feld Modeveran-staltung brachte uns dazu, im stetigen Kontakt mit den Labels zu sein, auf ihre Vorstellungen und ideen einzugehen und uns auch Tipps zu holen. Wir merkten bald, dass dieser rege Austausch zu unserer Stärke wurde, darum probieren wir auch dieses Jahr auf ihre Wün-sche und Bedürfnisse einzugehen. Schliesslich sind es die Designer und Designerinnen und ihre Produkte, die während dieser Veranstal-tung im Vordergrund stehen.

Die wichtigste Frage, die sich stellte, war 2012: Wie finanzieren wir diesen Event? Die teilnehmenden Labels sollten einen möglichst kleinen Unkostenbeitrag zahlen müssen, da-rüber waren wir uns schnell einig. Da wir überhaupt nicht wussten, ob diese Modever-anstaltung auch Publikum anzieht, beschlos-sen wir, keinen Eintritt zu verlangen. Darum mussten wir versuchen, einerseits andere Einnahmequellen zu finden und andererseits die Ausgaben möglichst tief zu halten. Auf der Suche nach Räumlichkeiten, die unseren

Vorstellungen entsprachen, wurden wir dank der Christoph Merian Stiftung auf dem Drei-spitzareal fündig. Da dieses Vorhaben an ein Schulprojekt gekoppelt war, erhielten wir von den Unternehmen, von denen wir inventar mieteten, Rabatte, was uns half, die Kosten tief zu halten. Um mehr Einnahmen zu gene-rieren, organisierten wir eine Afterparty und einen Koch, der direkt vor Ort kochte – beides, um für Abwechslung zu sorgen und um die Leute so länger vor Ort zu halten und damit höhere Einnahmen beim Getränkeverkauf zu erzielen.

Dieses Jahr kam als Schwierigkeit dazu, dass Laufsteg Oslo kein Schulprojekt mehr ist und einige Rabatte wegfielen, was die Ausgaben in die Höhe schnellen liess. Wir wollten aber an unserem Konzept festhalten und warben darum um Sponsoren. Dies bedeutete mehr Aufwand, aber wir wollten über eine gewisse finanzielle Sicherheit verfügen. Ausserdem be-schlossen wir, dieses Jahr Eintritt zu verlangen, was sich bewährte, denn die Leute erschienen trotzdem so zahlreich wie letztes Jahr.

Ben AndristBen Andrist ist Logistikexperte. Privat engagiert er sich im Kulturverein tor13, der die zweite Design-Show Laufsteg Oslo am 4. Mai 2013 im Dreispitzareal organisierte.

g Klamott gg Kate Frank

KREATIv wIRTsChAfTSCHWERPUNKT

Viel diskutiert und nur zögerlich gefördert ist sie: die Kreativwirtschaft. Warum eigentlich? Shortcut stellt die Kultur- und Kreativwirtschaft zur Diskussion und einzelne konkrete Projekte vor

Page 12: Shortcut 1

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Ziel 5

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Ziel 2

Ziel 1

Kausale Logik

Kreativwirtscha�s-Politik-Logik

Mittel 1

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Mittel 4

Mittel 5

Ziel

Wer bin ich?Was weiss ich?

Wen kenne ich?Was kann ich

TUN?

mehr Mittel (Ressourcen expandiert)

neue Richtung (Randbedingungen konvergiert)

Interaktion mitanderen

Menschen

Vereinbarungmit

Stakeholdern

neueMittel

neueZieleverfügbare

Mittel

die Siedlung innerhalb von nur zwei Wochen aufgebaut. Die L-förmig angeordnete und drei-stöckig gestapelte Container-Anlage besteht aus 39 vorfabrizierten Modulen à 25 m2. Sie sind isoliert und mit Zentralheizung und gros-sen Fenstern ausgestattet. Die Erschliessung funktioniert über Laubengänge, und eine 17 m hohe Aussichtsplattform im innenhof ermög-licht einen weitläufigen Panoramablick. Die Miete pro Modul und Monat beträgt ChF 485 inkl. Nebenkosten, Strom, Heizung und in-ternet.

Die Christoph Merian Stiftung ist eben-falls in der Rakete stationiert. Anhand eines regelmässig aktualisierten Architektur modells kann die Öffentlichkeit die dynamische Ent-wicklung und den Baufortschritt im Dreispitz mitverfolgen. Somit wird die Rakete zum Be-gegnungsraum der Nutzer, der Öffentlichkeit und der Stiftung.

Ein auf fünf Jahre befristetes Mietverhältnis ist Teil des Konzeptes; nach dieser Phase wird

die Rakete ab- und an einem anderen Standort im Dreispitz wieder neu aufgebaut. Auf diese Weise profitieren neue Jungunternehmer von der Gelegenheit günstiger Räume. Und die Stiftung achtet bei der Vergabe der Container darauf, dass sich die Nutzungen ergänzen und nicht behindern. Von der Mietpartei wird eine aktive Teilnahme am Leben in der Container-siedlung erwartet sowie Toleranz, Flexibilität und gegenseitiger Respekt. Am 1. Dezember 2012 bezogen die Mieter ihre Ateliers und Büros, am 1. März 2013 hob die Rakete mit einem Fest und einem Tag der offenen Türen offiziell ab.

Christoph Meneghettiwww.rakete-dreispitz.ch

DiE RAKETEEiN RAUMFAHRTPROGRAMM

Die Kreativszene braucht günstigen Raum zum Arbeiten und Ausprobieren. Nicht nur die Kreativwirtschaftsstudie des Wirtschafts- und Sozialdepartements, sondern auch zahl-reiche Gespräche mit Nutzerkreisen haben gezeigt, dass der Raum bedarf gross ist. Das Dreispitzareal eignet sich genau für solche Be-triebe wie kaum ein anderer Standort, denn erstens hat das Kunstfreilager frischen Wind und neue (kulturelle) Nutzungen auf den Dreispitz gebracht und zweitens ist und bleibt der Dreispitz ein Arbeitsgebiet. Und drittens entstehen hier im Zug der dynamischen Are-alentwicklung Chancen, so zum Beispiel die Vakanz einer Parzelle an prominenter Lage nahe der Tramstation Dreispitz, an der Mün-chensteinerstrasse 274.

Die Christoph Merian Stiftung hat die An-liegen der Kreativszene aufgenommen und die Chance dieses attraktiven Standorts am Schopf gepackt, um gemeinsam das Projekt Rakete Dreispitz zu initiieren. Der Name Rakete steht

für die zündende idee und die Schubkraft, mit denen Startups der Kreativ- und Kulturwirt-schaft neue Unternehmungen gründen und vorantreiben. in Anlehnung an das Projekt Basis lager in Zürich entwickelte die Stiftung eine Siedlung aus Büro-Containern, die güns-tig zu erstellen und ebenso günstig zu vermie-ten ist und an verschiedenen Standorten im Dreispitz verwendet werden kann.

Die Rakete ist somit eine mobile immobilie mit wechselnder Besetzung und flexiblem Be-zug zum jeweiligen Standort, eine Startrampe, wo Jungunternehmer gemeinsam etwas auf-bauen können. Die Kommission der Christoph Merian Stiftung hat im Januar 2012 einen Bau-kredit von ChF 2,2 Millionen gesprochen. Ziel ist es, mit dieser investition längerfristig eine schwarze Null zu erwirtschaften; die Rakete ist kein Wohlfahrtsprogramm, sondern vielmehr ein Raumfahrtsprogramm.

Nach einer anderthalb Jahre dauernden Planungs- und Vorbereitungsphase wurde

NEUEM NEU BEGEGNENEiN PLÄDOYER FÜR EiNE UNTERNEHMERiSCHE UND KREATiVE POLiTiK

mit DER KULTUR- UND KREATiVWiRTSCHAFT

Politik macht sich weltweit neuerdings gerne stark für eine wachsende Kultur- und Kreativ-wirtschaft. Doch umgekehrt wird ein Schuh draus: Die Politik wird vor allem von und mit der Kultur- und Kreativwirtschaft – von ihren Prozessen und Strukturen – lernen können. Vor allem kooperative Politik-Ansätze, die komplexen Handlungssituationen, Heteroge-nität und rasanter Dynamik Rechnung tragen, können sich hierbei zukünftig als besonders produktiv erweisen:

Die neuere Entrepreneurship-Forschung 1 hat das Denken, Entscheiden und Handeln erfolgreicher Unternehmer untersucht und dabei nachgewiesen, dass diese – vor allem in Situationen der Ungewissheit –

1. nicht einen am grünen Tisch entwickelten Plan in die Tat umsetzen, sondern auf der Grundlage der vorhandenen Mittel arbeiten;

2. in Partnerschaften grössere Sicherheit schaf-fen, indem sie kooperativ ihre Ziele modifi-zieren oder ihre Mittel erweitern;

3. darauf verzichten, die Zukunft vorhersa-gen zu wollen, und sich stattdessen darauf beschränken, sie sukzessiv zu gestalten;

4. Zufälle nutzen, um ihren Horizont zu er-weitern und sich zu innovationen anregen zu lassen.

Dabei sollte einer Verwechslung vorgebeugt werden: Entrepreneurship bedeutet nicht zwingend Ökonomisierung. Unternehmeri-sches Denken und Handeln kann im Kon-text sehr unterschiedlicher, materieller wie immaterieller Wertesysteme geschehen. Eine kreativwirtschaftlich-unternehmerische Poli-tik muss zukünftig besonders einer Aufgabe Aufmerksamkeit schenken, die in der inter-nationalen Governance-Forschung als erfolgs-kritisch beschrieben wird: Capacity Building, also die Kompetenzentwicklung der Akteure auf allen Ebenen. 2 Die heterogenen Netzwer-ke der Kultur- und Kreativwirtschaft sind prä-destiniert dazu, ein gemeinsames Lernen und auch ein Voneinander-Lernen zu ermöglichen. Aber braucht es denn überhaupt postheroi-sche Humusentwicklung oder Leuchtürme für die (Un-)Branche?

Einen erfolgversprechenden neuen Ansatz-punkt dazu liefert das dynamische Modell der Entrepreneurship-Forschung «Effectuation».

Nach Auffassung des Autors Michael Fasching-bauer sind Ausgangspunkt für gelungene Alli-anzen immer die handelnden Personen. Auf dieser Basis werden, im Rahmen dessen, was für die unterschiedlichen Partner leistbar ist und attraktiv erscheint, verbindliche Verein-barungen ausgehandelt. 1 Kooperative Politik beruht darauf, verbindliche Vereinbarungen mit denen einzugehen, die neue Mittel und Zielvorstellungen einbringen können und wollen.

Prinzip der Mittelorientierung für eine kooperative Politik mit der Kultur- und Kreativ wirtschaftKausales Vorgehen beruht auf Zielorientie-rung: Zuerst visiert man ein bestimmtes Ziel an, dann macht man Pläne und erschliesst geeignete Mittel, um genau dieses Ziel oder erwünschte Ergebnis zu erreichen. Kooperati-ve Politik mit der Kulturwirtschaft hingegen beruht auf mittelorientierung: Man erhebt die aktuell verfügbaren Mittel und fokussiert auf die Erschliessung der Ergebnisse, die sich mit den vorhandenen Mitteln erzielen lassen. Dem

Machbaren wird der Vorzug gegenüber dem Gewünschten gegeben.

Den Unterschied zwischen kausaler Ziel-orientierung und Mittelorientierung einer kooperativen Politik zeigt Abbildung 2.

Die verschiedenen Ansätze sind gut mit einer Metapher aus dem Alltag zu beschrei-ben – dem Kochen eines Essens: Kausal würde man ein Gericht und das dazugehörige Rezept auswählen, eine entsprechende Einkaufsliste zusammenstellen, die Zutaten besorgen und nach den vorgegebenen Schritten des Rezepts, das Gericht zubereiten.

Beim kooperativen Ansatz würde man eine Einladung aussprechen und die Gäste bitten, interessante Zutaten unabgesprochen mitzu-bringen. Dann würde man sich in die Küche setzen und gemeinsam überlegen: Welche möglichen Gerichte können wir mit allem, was in der Küche vorhanden und durch das Netzwerk erreichbar ist, zubereiten?

Auf beiden Wegen lassen sich hervorra-gende Gerichte zubereiten. Um allerdings die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass etwas Neues entsteht, ist die klare Empfehlung, der zweite Weg. Denn beim Standort-Wettbewerb um die hart umworbenen kreativen Talente werden wahrscheinlich jene Standorte die Nase vorne haben, die den Mut haben, zum Kochen ohne Rezept einzuladen. Denn: Neuem muss neu begegnet werden!

Christoph BackesChristoph Backes ist ideenlotse, Geschäftsführer u-ins-titut in Bremen, Gründungsgeschäftsführer des Grün-derZentrums Kulturwirtschaft Aachen, Lehrbeauftrag-ter an verschiedenen Hochschulen in Deutschland und der Schweiz sowie Berater der initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der deutschen Bundesregierung so-wie des RKW Kompetenzzentrums Kultur- und Krea-tivwirtschaft des Bundes in Deutschland.

Literaturhinweise:1 Faschingbauer, M. (2010). Effectuation – Wie er-folgreiche Unternehmer denken, entscheiden und handeln. Düsseldorf: Schäffer-Poeschel2 Willke, H. (2007). Smart Governance – Governing the Global Knowledge Society (S. 178 ff.). Frankfurt/New York: Campus Verlag

STECKBRiEF

Büro- und Ateliercluster für die Kreativwirtschaft (Containergebäude aus 39 Modulen)

Bauherrschaft Christoph Merian Stiftung

Gesamtkosten Projekt ChF 2,2 Mio.

Standort Münchensteinerstrasse 274,

4053 Basel (Dreispitz)

Grundstücksfläche 960 m2

Freiflächen 420 m2

Bruttogeschossfläche 1 500 m2

Hauptnutzfläche 1 000 m2

Geschosszahl 3

Bauvolumen 4 500 m3

Masse Einzelcontainer 10 m × 3 m × 3 m

Mietpreis ChF 485.– pro Container-Modul inkl. NK, Strom, internet und

Heizkosten

Planer in situ / NRS Team, Basel

Architektur und Bauleitung

emyl, Basel innenarchitektur und

Szenographie

Hauser, Schwarz, Basel Grafik und Beschriftung

Container Alho Systembau AG,

Wikon

Abbildung 1: Dynamisches Modell Effectuation (nach Sarasvathy & Dew) 1

Abbildung 2 (nach Sarasvathy)

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STARTUP ACADEMYSENSiBiLiSiEREN, VERNETZEN UND RÄUME BEREiTSTELLEN

Mit dem Neuwort «Kreativwirtschaft» sind Hoffnungen verbunden, an Ressourcen he-ranzukommen, die sich bislang erfolgreich der kommerziellen Verwertbarkeit entzogen haben. Wer sich mit der Kreativwirtschaft beschäftigt, wie das verschiedene Organisa-tionen bereits tun, muss deswegen behutsam vorgehen. Eine davon ist die Startup Academy, ein gemeinnütziger Verein, der Jungunterneh-merinnen und Jungunternehmer auf ihrem Weg in die berufliche Selbstständigkeit be-gleiten will, indem er sie mit Hochschulen und der Wirtschaft vernetzt. Gegenwärtig befinden sich 30 Jungunternehmen im Be-gleitprogramm der Startup Academy, rund die Hälfte kann der Kreativwirtschaft zugeordnet werden.

Viele Kreative sind heute sozusagen im Nebenamt kreativ, also ohne gross zu inves-tieren, mit typisch schweizerischer Solidi-tät. Sie arbeiten Teilzeit, konkretisieren ihre Geschäftsideen in Reststunden und starten ihre Einzelfirmen mit langem Atem. Oft ist die Preisgestaltung selbstausbeuterisch, be-triebswirtschaftliches Feedback verpönt, und gegenüber Finanzzahlen wehrt man sich mit lässiger Unlust.

Die Startup Academy versucht hier zu sen-sibilisieren und zu informieren. Sie vermittelt Personen in unterschiedlichen Rollen, die alle wirtschaftlich denken: Das sind Studierende der Betriebsökonomie oder Berufsleute und Unternehmer, die sich als Mentoren speziell um ein Jungunternehmen kümmern. Selbst- und Fremdbild werden dabei ebenso hinter-fragt wie wirtschaftliche Fakten von kreativen Wünschen getrennt. Um eine gleichbleibende Qualität zu erreichen, durchlaufen alle Start-ups zusätzlich eine Reihe von Checks durch Fachleute, insbesondere in den Bereichen Geschäftsidee, Persönlichkeit, Finanzierung, Treuhand und Logistik.

Bei diesen Besprechungen, aber auch in spontanen Gesprächen, bei Netzwerkanlässen, Workshops und Stammtischen findet ein Er-fahrungsaustausch statt, der oft selbstgesteuert ist. Und mit jedem neuen Startup wird das Netzwerk in der jeweiligen Branche dichter und tragfähiger.

Aus biografischer Sicht existieren gewöhn-lich drei, vier ideale Zeitfenster, in denen man sich selbstständig macht. Wer viele Personen in unterschiedlichen Rollen mit Leuten zu-sammenzubringt, die sich in solchen Zeitfens-tern befinden, nutzt dies. Neben der idealen Zeit hat der konkrete Raum eine wichtige Bedeutung: Sobald sich Leute in einem ge-eigneten Raum begegnen, entsteht ein kre-ativer Mehrwert. Hier profitiert die Startup Academy von einem Einrichtungsdesign, das unter Federführung von Vitra entwickelt und inzwischen am Picassoplatz in Basel erstmals umgesetzt wurde. Kurz: Es braucht intelligent gestalteten, zentral gelegenen und bezahl-baren Raum, der zur praktischen Nutzung motiviert und zum gedanklichen Austausch anregt. Wo das gegeben ist, muss man bald darüber nachdenken, wie weitere Räume mit denselben funktionalen Eigenschaften hinzu-gemietet werden können. Denn gross ist die Nachfrage und schnell wird Raum knapp.

Zur Förderung der Kreativwirtschaft im Raum Basel wird die Startup Academy wei-terhin diese Themen vorantreiben: sensibili-sieren, vernetzen und intelligent eingerichtete Räume an verschiedenen Orten offerieren.

Florian BlumerProf. Dr. Florian Blumer ist Professor für Wirtschafts-kommunikation an der Hochschule für Wirtschaft Basel (FHNW) und Mitinitiant und Vorstandsmitglied der Startup Academywww.startup-academy.ch

DYNAMO UND DYNAMiTDiE KREATiV WiRTSCHAFT BRAUCHT iNiTiATiVEN

Private und öffentliche Kulturförderer haben seit jeher Projekte verschiedenster kreativwirt-schaftlicher Branchen unterstützt – vielleicht ohne sich dessen bewusst zu sein: Bücher, Fil-me, Konzerte usw., kurz Projekte, die ohne För-derung nicht auf den Markt kommen könnten, insbesondere in der Schweiz, wo der Markt klein, oft zu klein ist. Obwohl verschiedenste Studien gezeigt haben, dass die Kreativwirt-schaft zwar kleinteilig organisiert, aber den-noch als Wirtschafts- und Standortfaktor ernst zu nehmen ist, tun sich die öffentliche Hand, aber auch private Förderinstitutionen mit der Förderung der Kreativwirtschaft schwer. Denn noch immer denken viele, dass es nur unkommerzielle Kultur oder kommerzielle Kultur gibt, wobei für viele Kulturschaffende und -förderer die Erste gut, die Zweite ver-dächtig ist. Für andere wiederum ist es gerade umgekehrt: Unkommerzielle Kultur ist Luxus und kommerzieller Mainstream gut. Dabei ist die Grenze zwischen Kommerz und Kultur fliessend und das Schwarz-Weiss-Denken im rauen politischen Diskurs gefährlich.

Mit dem Kunstfreilager im Dreispitz und der dortigen Nachbarschaft zur Hochschu-le für Gestaltung und Kunst (HGK) stellte

sich auch für die Christoph Merian Stiftung die Frage, ob und wie sie künftig Kreativwirt-schaft fördern möchte. Sie hat deshalb vor drei Jahren zusammen mit der Gebert Rüf Stiftung, dem Gewerbeverband, «Kulturstadt jetzt» und dem Stellwerk eine Arbeitsgruppe gebildet, um herauszufinden, welche konkre-ten Projekte der Kreativwirtschaft in Basel im Allgemeinen und den Studienabgängern der HGK im Besonderen am meisten Nutzen bringen können. in diesem Prozess, gecoacht von Christoph Backes aus Bremen (www.ideenlotsen.de), haben sich unter dem Titel «Dynamo Basel» elf mögliche Massnahmen herauskristallisiert.1. braucht es eine Koordinationsstelle, 2. Wettbewerbe,3. neue Plattformen (Messen, Festivals), 4. ideentransfer (import, Export, ideen-

piraterie), 5. Mentoring / Coaching, 6. zielgruppenspezifische Netzwerkbildung, 7. eine Raumagentur, 8. Mikrokredite und Risikokapital,9. Modellprojekte 10. einen Expertenpool (train the trainer), und 11. braucht es Nachwuchsförderung («U25»).

DREi AUF EiNEN STREiCH!EiN DESiGNWETTBEWERB FÜR PAPiER – SCHRiFT – DRUCK

Einen grossen Teil ihrer Fördermittel inves-tiert die Christoph Merian Stiftung in dau-erhafte Partnerschaften mit institutionen, an deren Gründung sie beteiligt war. So unter-stützt sie die Basler Papiermühle, das Haus für elektronische Künste und Literatur Basel jährlich mit bedeutenden Zuschüssen an die Betriebskosten. Nun möchten wir mit einem Designwettbewerb ein neues Förderformat lancieren, das in dreifacher Hinsicht Wirkung erzielen soll.

Nach 30 Betriebsjahren stand kürzlich eine betriebliche, inhaltliche und bauliche Erneu-erung der Papiermühle an. Und nun soll das Tüpfelchen auf dem i folgen: Eine Erneuerung der Produktepalette. Die Basler Papiermühle ist ja nicht nur ein Muse-um, sondern auch ein Produktionsbetrieb für die «weisse» und die «schwarze» Kunst. Vor den Augen der Muse-umsbesucher werden Pa-piere und Druckerzeug-nisse hergestellt. Die Papier- und Druckpro-duktion trägt wesentlich zum hohen Eigen-wirtschaftlichkeitsgrad des nichtstaatlichen Museums bei. Deshalb ist das Museum auf gute Produkte und gute Verkäufe angewiesen.

Der Designwettbewerb, den die Stiftung lanciert hat, setzt genau hier an, indem er der Papiermühle ermöglichen soll, neue ver-kaufsfähige Produkte zu entwickeln und zu produzieren. Zugleich soll der Wettbewerb die junge Basler Kreativwirtschaft, das De-signschaffen fördern und die Zusammen-arbeit mit der Hochschule für Gestaltung und Kunst (HGK), dem baldigen grossen Player im

Kunstfreilager Dreispitz, intensivieren. Der Wettbewerb richtet sich deshalb vor allem an junge Designerinnen und Designer insbeson-dere der Fachrichtungen industrial Design, Visual Communication und Szenografie, die an der HGK studieren oder hier seit 2008 ab-geschlossen haben. Aber auch Studierende und Alumni anderer Hochschulen, die seit 2008 abgeschlossen haben, sind zugelassen, sofern sie in Basel wohnen oder arbeiten.

Prämiert werden von der Basler Papier-mühle herstellbare und/oder verkäufliche Objekte resp. Produkte aus den Bereichen Pa-

pier, Schrift und Druck wie zum Beispiel Papier-lampen, Teelichter, klei-nere Möbel aus Papier, Briefpapier, Journale, Tagebücher, Schriftpro-dukte, digitale Schriftsät-ze etc. Da die Produkte im Museumsshop ange-boten werden, sollte der maximale Endverkaufs-preis ChF 1 000 nicht übersteigen. Eine Jury bewertet die eingesand-ten Projekte.Nach der Vorselektion

gelangen 20 Objekte in die engere Auswahl. Diese sollen nach Abschluss des Wettbewerbs in einer Broschüre und mit einer kleinen Aus-stellung vorgestellt werden. Es gibt folgende drei Preiskategorien: Ein Hauptpreis à ChF 10 000, zwei weitere Hauptpreise à je ChF 5 000 und vier Förderpreise à je ChF 2 000. Der Ein-gabetermin für die Produktvorschläge ist der 21. Juni 2013.

Beat von WartburgWettbewerbsunterlagen: www.papierschriftdruck.ch

DiE HGK ALS PARTNERiNiM DiALOG MiT DER KULTUR- UND KREATiVWiRTSCHAFT

Der neue Campus der Hochschule für Ge-staltung und Kunst (HGK) auf dem Dreispitz wird 2014 bezugsfertig. Ab dann sind auf dem Dreispitz rund 750 Studierende und 200 Do-zierende an einem Ort vereint. Das umgebaute Zollfreilager sowie der achtgeschossige Neu-bau am Freilager-Platz werden das neue Domi-zil für die derzeit noch auf acht Standorte in Basel, Muttenz und Aarau verteilten Einheiten der Hochschule. Mit der Zusammenführung aller institute und Disziplinen an einem für die Kreativwirtschaft interessanten Ort will die Hochschule ihre Rolle innerhalb der bereits dynamisch angelaufenen Quartiersentwick-lung wahrnehmen. Sie unterstützt eine erhöh-te Sichtbarkeit von Gestaltung und Kunst in der Öffentlichkeit, denn ohne Zweifel hält der Dreispitz ein Potenzial für die Absolventinnen und Absolventen dieser Studienrichtungen bereit.

in Zusammenarbeit mit der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) entwickelt die Hochschule für Gestaltung und Kunst ein Kompetenznetzwerk für Cultural Entrepre-neurship. im Zentrum stehen die beruflichen Aussichten der Studierenden als künftige De-signerinnen und Designer sowie als Künstle-rinnen und Künstler und die Begleitung der Absolventinnen und Absolventen auf dem Weg in die Existenzgründung. Zahlreiche indizien aus dem Feld der Kreativwirtschaft sprechen dafür, dass die Zahl jener Studieren-den weiter ansteigen wird, die ihre berufliche Chance als Unternehmerinnen und Unter-nehmer erkennen und ergreifen wollen. Die Hochschule macht daher die Unterstützung kreativer Gründungsprozesse zu einer ihrer Schlüsselaufgaben und setzt dabei auch auf ihren neuen Standort: Kreative Jungunter-nehmen sollen teilhaben an der Transforma-tion des einst kaum zugänglichen Lager- und Gewerbeareals in einen urbanen Stadtteil.

Wissend, dass der Dreispitz mit seiner hohen Diversität an infrastruktur und Kompetenzen durch die hier ansässigen Unternehmen über ein grosses Potenzial verfügt, sucht die Hoch-schule für Gestaltung und Kunst den Dialog mit der Nachbarschaft.

Die nachhaltige Nachwuchsförderung im Rahmen des entstehenden Kompetenznetz-werks ist auf inklusion angelegt. So sollen schrittweise strategisch wichtige Bildungs-stätten des tertiären Sektors für eine Zusam-menarbeit gewonnen werden.

inhaltlich hat das Netzwerk vier thema-tische Schwerpunkte: Die ZHdK erarbeitet Aus- und Weiterbildungsangebote für Jung-unternehmerinnen und Jungunternehmer aus dem Kultur- und Kreativbereich und entwi-ckelt Formate der individuellen Laufbahnbe-ratung und Gründerservices. Die Hochschule für Gestaltung und Kunst legt den Fokus auf die Vernetzung wichtiger Stakeholder. Neben realen Begegnungen werden auch netzbasier-te Plattformen aufgebaut, sodass Studierende möglichst früh damit beginnen können, ihre persönlichen Netze zu knüpfen. Des Weite-ren wird anhand von Better Practice-Ansätzen samt neuen Finanzierungstypen ein Gründer-modell für die Kreativen erarbeitet. Dieses soll die Attraktivität für Startups- und Spin-offs auf dem Dreispitz erhöhen.

Die erste Förderphase des gemeinsam in-itiierten Projekts läuft bis Februar 2015 und wird finanziell unterstützt von der Gebert Rüf Stiftung sowie von der Avina Stiftung.

Caroline RoggoCaroline Roggo ist Leiterin Cultural Entrepreneurship an der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW

CLUSTER ODER GUANTANAMO ?KREATiVWiRTSCHAFT iM DREiSPiTZ

Das Dreispitzareal ist ein klassisches Gewerbe-gebiet, buntscheckig, mit einer grossen Nut-zungsvielfalt. Einem Filetstück gleich liegt es in der Stadtlandschaft zwischen Münchenstein und dem Gundeli. Deshalb sind die Stadt Ba-sel sowie Münchenstein und die Grundeigen-tümerin, die Christoph Merian Stiftung, daran interessiert, einerseits eine dichtere Nutzung mit höherer Wertschöpfung zu realisieren und andererseits das industriegebiet zu öffnen und in einem längeren Prozess in ein durchmisch-tes städtisches Quartier für Wohnen, Gewerbe, Freizeit und Kultur zu verwandeln.

Die Transformationsidee basiert auf einer Studie von Herzog & de Meuron aus dem Jahr 2002. Seither hat sich viel getan, besonders im Gebiet des ehemaligen Zollfreilagers. Mit der Eröffnung der Hochschule für Gestaltung und Kunst im nächsten Jahr kommt ein Kulturak-teur mit grossen Ambitionen in den Dreispitz und wird von hier mit Forschung und Lehre auch international ausstrahlen. Für eine ins-titution, die sich mit den zeitgenössischsten Formen der visuellen Kunst und des Designs, zum Beispiel der digitalen Kultur, ausein-andersetzt, gehören innovationen, Wandel, Transformationen zum daily business. Gerade deshalb ist die HGK im Dreispitz künftig am richtigen Ort.

Angesichts der Nähe von HGK und Schau-lager entwickelten Herzog & de Meuron die idee eines Campus des Bildes. Die Christoph

Merian Stiftung hat nun versucht, diese idee weiterzuspinnen. Heute heisst der Campus des Bildes – an das ehemalige Freilager anknüp-fend – Kunstfreilager. Dieses neue städtische Quartier soll Lehre und Forschung, Kunst-produktion, Kunstvermittlung, Kunstgewerbe und Kreativwirtschaft umfassen.

Erster Meilenstein war 2008 die Eröffnung der Dreispitzhalle durch das Festival der elek-tronischen Künste Shift. Hier finden seither viele Veranstaltungen wie zum Beispiel der Designmarkt statt. Zweiter Meilenstein war die Umnutzung eines ehemaligen Lagerge-bäudes an der Oslostrasse 10 zu einem Ateli-er-, Ausstellungs- und Gewerbebau. Das Haus Oslo beherbergt heute Radio X, die Fotogale-rie Oslo 8, den Young Art Space Oslo 10, zwei Fotobetriebe und einen Aufziehservice, das Haus für elektronische Künste und 16 Ateliers für 21 Kunstschaffende. Dritter Meilenstein war die Eröffnung der Rakete, des Container-baus für die Kreativwirtschaft (siehe Artikel unten), und vierter Meilenstein ist die Um-nutzung des Lagergebäudes Oslo 12 – 14. Hier wird im September 2014 zeitgleich mit der Fertigstellung der HGK das Haus für elekt-ronische Künste seinen definitiven Standort finden, und es werden Ateliers für ausländi-sche Gastkünstler des iaab und für regionale Autorinnen und Autoren eingerichtet.

So entsteht langsam, aber sicher ein Art Cluster im Kunstfreilager. So bestechend die idee der Dreispitz-Transformation für die einen ist, so abschreckend ist sie für andere. Wo bleibt da noch billiger Mietraum? ist das Ganze nicht ein gewaltiger Gentrifizierungs-prozess, in dem die Kunstschaffenden miss-braucht werden für die Renditeüberlegungen einer Stiftung? ist der Art Cluster nicht ein Kunst-Guantánamo in der Pampa?

Natürlich ist uns von der Christoph Meri-an Stiftung bewusst, dass die ganze Dreispitz-

DiE ANDERS-WiRTSCHAFTEiN PLÄDOYER FÜR DiE BASLER KREATiVWiRTSCHAFT

Basel hat jede Menge zu bieten, besonders was die Kreativwirtschaft angeht: Gute Aus-bildungsstätten, eine Szene, die an der einen oder anderen Stelle noch mehr Selbstbewusst-sein gegenüber Zürich vertragen könnte, und ein Bewusstsein für Wertigkeit und auch Frei-räume in der Stadt. Darüber hinaus gibt es eine Studie, die Kreativwirtschaft erst einmal als Wirtschaftszweig dargestellt hat, und eine initiative, die die Aufgabe hat, eine Lobby für die vielseitige Branche zu schaffen.

Alles gute Voraussetzungen, um der Krea-tivwirtschaft auch etwas zuzutrauen, und vor allem ihren Akteuren.

ich finde in Basel eine lebendige Kreativwirt-schaft mit vielen Potenzialen vor, der es aber an Anerkennung und passenden Plattformen mangelt. Viele Akteure wissen gar nicht, dass sie der Branche zugehören. Ein Musiker ist halt ein Musiker und ein Designer ein Desi-gner. So ist das Verständnis der Akteure. Dies ist aufgrund der Heterogenität der dreizehn Teilmärkte, in die die Kreativwirtschaft defi-nitionsgemäss eingeteilt ist, auch nicht ver-wunderlich.

Oftmals wird sowohl in Deutschland wie auch in der Schweiz alles in einen Topf ge-worfen, und die Unterschiede zwischen der

öffentlichen Förderung der Kultur, jener des tertiären Bereichs (Stiftungen, Vereine etc.)und der privatwirtschaftlich orientierten Kre-ativwirtschaft werden nicht erkannt. Sicher tut sich so mancher schwer, wenn Ökonomie und Kultur in einer engen Verbindung und Abhängigkeit gesehen werden. Das bedeutet nicht zugleich, dass ich dafür bin, dass die vom Staat geförderte Kultur beschnitten werden soll. Kultur ist für Basel mehr als nur ein wei-cher Standortfaktor. Wer aber alles sauber von einander trennen kann, versteht, dass die Kreativwirtschaft im Kern ein wichtiger Wirt-schaftszweig ist. Warum? Sicher sollten das Zahlen beweisen können, doch die Bedeutung eines Wirtschaftszweiges kann auch ganz an-ders gemessen werden. Was wäre unser Leben ohne die Produkte und Dienstleistungen der Kreativwirtschaft? innovationen entstehen doch unter dem Einfluss einer entsprechen-den ästhetischen Bildung und dank des krea-tiven und kulturellen Levels von Menschen. Das ist in Städten mit Traditionen nicht leicht verständlich. Vor allem, wenn eine Stadt wie Basel sich stark auf bestimmte Bereiche wie die Life Sciences konzentriert.

Die Kreativwirtschaft passt vor allem in das Weltbild des ständigen Wandels und des innovationsanspruchs. Ohne diese Branche wäre das Leben nicht nur trist, sondern auch rückständig. Sie unterliegt zwar genauso den Marktgegebenheiten wie die klassische Wirtschaft. Es wird in der gleichen Währung gezahlt, und die Grundsätze ordnungsgemäs-ser Buchführung gelten auch für die Kreativ-wirtschaft. Dennoch ist Kreativwirtschaft die «Anders-Wirtschaft». Woran kann man das festmachen? in der klassischen Wirtschaft wird Wissen gehortet, werden Kunden- und Lieferantenkontakte für sich behalten, um einen Wettbewerbsvorteil zu haben. Kreativ-wirtschaft hingegen teilt Wissen, arbeitet bran-chenübergreifend in Co-Working-Räumen oder finanziert sogar über Crowdfunding Unternehmensideen und Projekte. «Das An-

dere» liegt in der Dynamik und Haltung des Unternehmertums. in den ersten Schritten geht es den meisten Akteuren nur um das eine oder erste ökonomische Ziel: Miete zahlen und voller Kühlschrank. Mit einem solchen Anspruch, der viel Mut und Risiko voraussetzt, kann man starten.

Die Akteure der Kreativwirtschaft stellen sich oft in kürzester Zeit auf die wirtschafts-aktuellen Gegebenheiten ein. Wer jeden Tag eine Krise hat, wer die Herausforderung kennt, von der eigenen Kreativität zu leben und höchsten Ansprüchen gerecht zu wer-den, der weiss auch, wie die ganz kniffligen Dinge klappen. Davon könnte sich so manche Bank und Grossunternehmung eine Scheibe abschneiden.

Das Stellwerk Basel, in dem ich seit Januar als Geschäftsführer verantwortlich bin, ist ein guter Ort für die Akteure der Branche. Wir bieten Existenzgründern aus den Bereichen Architektur, Fotografie, Design und Kom-munikation als erstes kreativwirtschaftliches Gründerzentrum der Schweiz günstige Mieten und eine Begleitung in ihrer Selbstständigkeit sowie Netzwerke und Events an.

Von diesen guten Orten gibt es noch einige. Wichtig für die Basler Kreativwirtschaft ist, die bereits entstehenden Erfolge der lokalen Un-ternehmerinnen und Unternehmer sichtbar zu machen. Leider wird häufig nur darüber ge-sprochen, was alles schiefgeht. Verwaltung und Politik sowie die klassische Wirtschaft sollten im Umgang mit der «Anders-Wirtschaft» offe-ner und mutiger sein, und umgekehrt.

ich bin guter Hoffnung und verbreite ger-ne Euphorie für eine Branche, die in Basel und darüber hinaus grosse Aufmerksamkeit verdient.

Frank LemlohFrank Lemloh ist seit 2013 Geschäftsführer des Vereins Stellwerk Baselwww.stellwerkbasel.ch

in der Zwischenzeit hat sich viel getan: Zu-sammen mit der Gebert Rüf Stiftung unter-stützt die Christoph Merian Stiftung die Start-up Academy, weiter fördert sie Flatterschafft und zusammen mit der Ernst Göhner Stiftung den Verein Stellwerk, sie organisiert einen De-signwettbewerb zum Thema Papier – Schrift – Druck, unterstützt den Designmarkt sowie den Laufsteg Oslo, und sie schafft Raum für die Kreativwirtschaft mit dem Projekt Rakete. Schliesslich hat sich auch die HGK der Krea-tivwirtschaft zugewandt: Sie wird mit der Zür-cher Hochschule der Künste einen Lehrgang in «Cultural Entrepreneurship» anbieten. Wir haben unsere Partner eingeladen, ihre Projekte auf dieser Seite vorzustellen.

Auch der Kanton Basel-Stadt ist aktiv ge-worden, hat mit der Schaffung der initiative Kreativwirtschaft ein impulsprogramm im Sinne der Standortförderung lanciert und bietet mit der Website ikb.ch eine Plattform für die verschiedenen Branchenverbände und -vertreter.

All diese initiativen haben das Bewusst-sein für die Bedeutung der Kreativwirtschaft gestärkt, sie haben aber auch Diskussionen darüber ausgelöst, wie man in Basel die Krea-tiv- und Kulturwirtschaft fördert. Zum Glück. Die staatliche Kulturförderung darf Kreativ-wirtschaft zum Beispiel nicht mit Swisslos-Geldern fördern, und das Wirtschafts- und

Sozialdepartement versteht seine initiativen explizit nicht als Kultur-, sondern ausschliess-lich als Wirtschaftsförderung. «Kreative» sind schlecht organisiert, ein Branchenbewusstsein ist oft nicht vorhanden, und es gibt zu wenig oder zu wenig aktive Branchenverbände, die sich für die interessen ihrer Mitglieder einset-zen könnten (wie z.B. Balimage). So kämpft der Einzelne oft auf verlorenem Posten. Es ist deshalb wichtig, folgende Fragen zu stel-len und zu diskutieren: Wieviel Wirtschaft, wieviel «Kreation» soll gefördert werden, wie können Wirtschafts- und Kulturförderung verzahnt werden? Welche Branchen sollen in Basel prioritär unterstützt werden? Sollen strukturelle Schwächen beseitigt oder eher Stärken gestärkt werden? Wie können Nach-wuchs, Jungunternehmertum und Exzellenz gleichermassen gefördert werden? Die Fragen enthalten Zündstoff, Dynamit, und genau da-rum geht es ja: um zündende ideen und das Feuer für innovation.

Wir von der Christoph Merian Stiftung werden uns weiterhin für die Schaffung von günstigen Werk- und Atelierräumen, für nie-derschwellige Plattformen der Werk-, Produkt- und Labelpräsentation, für die Nachwuchs-förderung und die betriebliche Beratung einsetzen.

Beat von Wartburg

— EiN GEWALTiGER

GENTRiFiZiERUNGS-PROZESS ?

Transformation eine top-down gesteuerte Ent-wicklung ist. Und wir wissen auch, dass Kunst- und Kreativwirtschaftsnutzungen nicht auf dem Reissbrett entstehen, sondern bottom-up. Dennoch glauben wir, dass das Kunstfreilager eine grosse Chance für die Kultur ist. Es ist die einmalige Möglichkeit, die Kunst in der Stadtlandschaft zu verorten, für die Kunst ei-nen Ort zu schaffen, der sich für einmal nicht durch Musealität auszeichnet, sondern durch Lebendigkeit (über 1 000 Studierende werden hier täglich verkehren), durch künstlerische und gewerbliche Produktion, durch die Re-flexion über Kunst, durch interdisziplinäre, forschende Kunst.

Die Transformation des Dreispitz ist ein Generationenprojekt, ein langsamer Prozess, und das hat Vorteile. Denn noch bietet der Dreispitz viele Nischen; Nischen, die zahlrei-che Kulturschaffende bereits für sich entdeckt haben, für den Bandraum, das Architektur-büro, das Hindu-Kulturzentrum, die basel-city studios, Urban Farming, und und und. Es

ist ein Ort für private initiativen, für Men-schen, die an sich und ihre ideen glauben. Das Hinterhof-Projekt ist ein gutes Beispiel dafür. Hier hat eine Gruppe von Leuten mit idealis-tischen Zielen den Versuch gewagt, kommer-zielle Musik-, Bar- und Partykultur mit einem künstlerischen Anspruch zu verbinden, und die Hinterhof-Crew hat Erfolg damit.

Das Kunstfreilager ist eine idee, die Wirk-lichkeit wird, aber in keinem Fall ein mono-polistisches Unternehmen. Nicht alles muss hierherkommen und hier stattfinden. Und weil die Christoph Merian Stiftung nur dann philantropisch tätig sein kann, wenn sie auch an die Rendite im immobiliengeschäft denkt, findet die Transformation des Dreispitz in je-dem Fall statt – mit oder ohne Kultur. Wir finden, es wäre besser mit. Denn Kultur be-deutet Leben und Lebensqualität. Kultur tut dem Dreispitz gut, der Dreispitz kann aber auch der Kultur gut tun.

Beat von Wartburg

LAUFSTEG OSLOWas im vergangenen Jahr mit grosser Unge-wissheit als Versuch lanciert wurde, stand nach der erfolgreichen ersten Ausgabe seine Bewäh-rungsprobe. Kann sich die Veranstaltung nun einen festen Platz im Basler Kulturkalender sichern?

Die Rede ist von Laufsteg Oslo, der ein-tägigen Modeveranstaltung mit Modeschau und Modemarkt zur Förderung nationaler Jungdesignerinnen und aufstrebender Mode-labels, die am 4. Mai 2013 ihre Tore öffnete. Eine Freundin, gelernte Modedesignerin, war

überzeugt, dass ein solcher Event bei vielen Modeschaffenden Anklang finden würde, was sich nach kurzer Recherche durch uns bestätigte.

Mit der idee vor Augen, junge Modelabels zu fördern, die noch nicht auf dem Markt etabliert sind, und ihnen die Möglichkeit zu bieten, sich und ihre Kollektionen zu präsen-tieren, machten wir vom Verein Tor13 uns vor etwas mehr als einem Jahr an das Projekt Laufsteg Oslo. Keiner der Organisatoren war in der Modebranche tätig oder hatte schon

einmal eine Modeveranstaltung organisiert. Die Überzeugungskraft dieser idee, die Ge-wissheit, dass die Nachfrage seitens der Mode-schaffenden vorhanden ist, die Erfahrung im Bereich Eventmarketing und in der Organisa-tion musikalischer Events waren uns Antrieb genug.

Unsere Unerfahrenheit im Feld Modeveran-staltung brachte uns dazu, im stetigen Kontakt mit den Labels zu sein, auf ihre Vorstellungen und ideen einzugehen und uns auch Tipps zu holen. Wir merkten bald, dass dieser rege Austausch zu unserer Stärke wurde, darum probieren wir auch dieses Jahr auf ihre Wün-sche und Bedürfnisse einzugehen. Schliesslich sind es die Designer und Designerinnen und ihre Produkte, die während dieser Veranstal-tung im Vordergrund stehen.

Die wichtigste Frage, die sich stellte, war 2012: Wie finanzieren wir diesen Event? Die teilnehmenden Labels sollten einen möglichst kleinen Unkostenbeitrag zahlen müssen, da-rüber waren wir uns schnell einig. Da wir überhaupt nicht wussten, ob diese Modever-anstaltung auch Publikum anzieht, beschlos-sen wir, keinen Eintritt zu verlangen. Darum mussten wir versuchen, einerseits andere Einnahmequellen zu finden und andererseits die Ausgaben möglichst tief zu halten. Auf der Suche nach Räumlichkeiten, die unseren

Vorstellungen entsprachen, wurden wir dank der Christoph Merian Stiftung auf dem Drei-spitzareal fündig. Da dieses Vorhaben an ein Schulprojekt gekoppelt war, erhielten wir von den Unternehmen, von denen wir inventar mieteten, Rabatte, was uns half, die Kosten tief zu halten. Um mehr Einnahmen zu gene-rieren, organisierten wir eine Afterparty und einen Koch, der direkt vor Ort kochte – beides, um für Abwechslung zu sorgen und um die Leute so länger vor Ort zu halten und damit höhere Einnahmen beim Getränkeverkauf zu erzielen.

Dieses Jahr kam als Schwierigkeit dazu, dass Laufsteg Oslo kein Schulprojekt mehr ist und einige Rabatte wegfielen, was die Ausgaben in die Höhe schnellen liess. Wir wollten aber an unserem Konzept festhalten und warben darum um Sponsoren. Dies bedeutete mehr Aufwand, aber wir wollten über eine gewisse finanzielle Sicherheit verfügen. Ausserdem be-schlossen wir, dieses Jahr Eintritt zu verlangen, was sich bewährte, denn die Leute erschienen trotzdem so zahlreich wie letztes Jahr.

Ben AndristBen Andrist ist Logistikexperte. Privat engagiert er sich im Kulturverein tor13, der die zweite Design-Show Laufsteg Oslo am 4. Mai 2013 im Dreispitzareal organisierte.

g Klamott gg Kate Frank

KREATIv wIRTsChAfTSCHWERPUNKT

Viel diskutiert und nur zögerlich gefördert ist sie: die Kreativwirtschaft. Warum eigentlich? Shortcut stellt die Kultur- und Kreativwirtschaft zur Diskussion und einzelne konkrete Projekte vor

Page 13: Shortcut 1

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Ziel 5

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Ziel 2

Ziel 1

Kausale Logik

Kreativwirtscha�s-Politik-Logik

Mittel 1

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Mittel 4

Mittel 5

Ziel

Wer bin ich?Was weiss ich?

Wen kenne ich?Was kann ich

TUN?

mehr Mittel (Ressourcen expandiert)

neue Richtung (Randbedingungen konvergiert)

Interaktion mitanderen

Menschen

Vereinbarungmit

Stakeholdern

neueMittel

neueZieleverfügbare

Mittel

die Siedlung innerhalb von nur zwei Wochen aufgebaut. Die L-förmig angeordnete und drei-stöckig gestapelte Container-Anlage besteht aus 39 vorfabrizierten Modulen à 25 m2. Sie sind isoliert und mit Zentralheizung und gros-sen Fenstern ausgestattet. Die Erschliessung funktioniert über Laubengänge, und eine 17 m hohe Aussichtsplattform im innenhof ermög-licht einen weitläufigen Panoramablick. Die Miete pro Modul und Monat beträgt ChF 485 inkl. Nebenkosten, Strom, Heizung und in-ternet.

Die Christoph Merian Stiftung ist eben-falls in der Rakete stationiert. Anhand eines regelmässig aktualisierten Architektur modells kann die Öffentlichkeit die dynamische Ent-wicklung und den Baufortschritt im Dreispitz mitverfolgen. Somit wird die Rakete zum Be-gegnungsraum der Nutzer, der Öffentlichkeit und der Stiftung.

Ein auf fünf Jahre befristetes Mietverhältnis ist Teil des Konzeptes; nach dieser Phase wird

die Rakete ab- und an einem anderen Standort im Dreispitz wieder neu aufgebaut. Auf diese Weise profitieren neue Jungunternehmer von der Gelegenheit günstiger Räume. Und die Stiftung achtet bei der Vergabe der Container darauf, dass sich die Nutzungen ergänzen und nicht behindern. Von der Mietpartei wird eine aktive Teilnahme am Leben in der Container-siedlung erwartet sowie Toleranz, Flexibilität und gegenseitiger Respekt. Am 1. Dezember 2012 bezogen die Mieter ihre Ateliers und Büros, am 1. März 2013 hob die Rakete mit einem Fest und einem Tag der offenen Türen offiziell ab.

Christoph Meneghettiwww.rakete-dreispitz.ch

DiE RAKETEEiN RAUMFAHRTPROGRAMM

Die Kreativszene braucht günstigen Raum zum Arbeiten und Ausprobieren. Nicht nur die Kreativwirtschaftsstudie des Wirtschafts- und Sozialdepartements, sondern auch zahl-reiche Gespräche mit Nutzerkreisen haben gezeigt, dass der Raum bedarf gross ist. Das Dreispitzareal eignet sich genau für solche Be-triebe wie kaum ein anderer Standort, denn erstens hat das Kunstfreilager frischen Wind und neue (kulturelle) Nutzungen auf den Dreispitz gebracht und zweitens ist und bleibt der Dreispitz ein Arbeitsgebiet. Und drittens entstehen hier im Zug der dynamischen Are-alentwicklung Chancen, so zum Beispiel die Vakanz einer Parzelle an prominenter Lage nahe der Tramstation Dreispitz, an der Mün-chensteinerstrasse 274.

Die Christoph Merian Stiftung hat die An-liegen der Kreativszene aufgenommen und die Chance dieses attraktiven Standorts am Schopf gepackt, um gemeinsam das Projekt Rakete Dreispitz zu initiieren. Der Name Rakete steht

für die zündende idee und die Schubkraft, mit denen Startups der Kreativ- und Kulturwirt-schaft neue Unternehmungen gründen und vorantreiben. in Anlehnung an das Projekt Basis lager in Zürich entwickelte die Stiftung eine Siedlung aus Büro-Containern, die güns-tig zu erstellen und ebenso günstig zu vermie-ten ist und an verschiedenen Standorten im Dreispitz verwendet werden kann.

Die Rakete ist somit eine mobile immobilie mit wechselnder Besetzung und flexiblem Be-zug zum jeweiligen Standort, eine Startrampe, wo Jungunternehmer gemeinsam etwas auf-bauen können. Die Kommission der Christoph Merian Stiftung hat im Januar 2012 einen Bau-kredit von ChF 2,2 Millionen gesprochen. Ziel ist es, mit dieser investition längerfristig eine schwarze Null zu erwirtschaften; die Rakete ist kein Wohlfahrtsprogramm, sondern vielmehr ein Raumfahrtsprogramm.

Nach einer anderthalb Jahre dauernden Planungs- und Vorbereitungsphase wurde

NEUEM NEU BEGEGNENEiN PLÄDOYER FÜR EiNE UNTERNEHMERiSCHE UND KREATiVE POLiTiK

mit DER KULTUR- UND KREATiVWiRTSCHAFT

Politik macht sich weltweit neuerdings gerne stark für eine wachsende Kultur- und Kreativ-wirtschaft. Doch umgekehrt wird ein Schuh draus: Die Politik wird vor allem von und mit der Kultur- und Kreativwirtschaft – von ihren Prozessen und Strukturen – lernen können. Vor allem kooperative Politik-Ansätze, die komplexen Handlungssituationen, Heteroge-nität und rasanter Dynamik Rechnung tragen, können sich hierbei zukünftig als besonders produktiv erweisen:

Die neuere Entrepreneurship-Forschung 1 hat das Denken, Entscheiden und Handeln erfolgreicher Unternehmer untersucht und dabei nachgewiesen, dass diese – vor allem in Situationen der Ungewissheit –

1. nicht einen am grünen Tisch entwickelten Plan in die Tat umsetzen, sondern auf der Grundlage der vorhandenen Mittel arbeiten;

2. in Partnerschaften grössere Sicherheit schaf-fen, indem sie kooperativ ihre Ziele modifi-zieren oder ihre Mittel erweitern;

3. darauf verzichten, die Zukunft vorhersa-gen zu wollen, und sich stattdessen darauf beschränken, sie sukzessiv zu gestalten;

4. Zufälle nutzen, um ihren Horizont zu er-weitern und sich zu innovationen anregen zu lassen.

Dabei sollte einer Verwechslung vorgebeugt werden: Entrepreneurship bedeutet nicht zwingend Ökonomisierung. Unternehmeri-sches Denken und Handeln kann im Kon-text sehr unterschiedlicher, materieller wie immaterieller Wertesysteme geschehen. Eine kreativwirtschaftlich-unternehmerische Poli-tik muss zukünftig besonders einer Aufgabe Aufmerksamkeit schenken, die in der inter-nationalen Governance-Forschung als erfolgs-kritisch beschrieben wird: Capacity Building, also die Kompetenzentwicklung der Akteure auf allen Ebenen. 2 Die heterogenen Netzwer-ke der Kultur- und Kreativwirtschaft sind prä-destiniert dazu, ein gemeinsames Lernen und auch ein Voneinander-Lernen zu ermöglichen. Aber braucht es denn überhaupt postheroi-sche Humusentwicklung oder Leuchtürme für die (Un-)Branche?

Einen erfolgversprechenden neuen Ansatz-punkt dazu liefert das dynamische Modell der Entrepreneurship-Forschung «Effectuation».

Nach Auffassung des Autors Michael Fasching-bauer sind Ausgangspunkt für gelungene Alli-anzen immer die handelnden Personen. Auf dieser Basis werden, im Rahmen dessen, was für die unterschiedlichen Partner leistbar ist und attraktiv erscheint, verbindliche Verein-barungen ausgehandelt. 1 Kooperative Politik beruht darauf, verbindliche Vereinbarungen mit denen einzugehen, die neue Mittel und Zielvorstellungen einbringen können und wollen.

Prinzip der Mittelorientierung für eine kooperative Politik mit der Kultur- und Kreativ wirtschaftKausales Vorgehen beruht auf Zielorientie-rung: Zuerst visiert man ein bestimmtes Ziel an, dann macht man Pläne und erschliesst geeignete Mittel, um genau dieses Ziel oder erwünschte Ergebnis zu erreichen. Kooperati-ve Politik mit der Kulturwirtschaft hingegen beruht auf mittelorientierung: Man erhebt die aktuell verfügbaren Mittel und fokussiert auf die Erschliessung der Ergebnisse, die sich mit den vorhandenen Mitteln erzielen lassen. Dem

Machbaren wird der Vorzug gegenüber dem Gewünschten gegeben.

Den Unterschied zwischen kausaler Ziel-orientierung und Mittelorientierung einer kooperativen Politik zeigt Abbildung 2.

Die verschiedenen Ansätze sind gut mit einer Metapher aus dem Alltag zu beschrei-ben – dem Kochen eines Essens: Kausal würde man ein Gericht und das dazugehörige Rezept auswählen, eine entsprechende Einkaufsliste zusammenstellen, die Zutaten besorgen und nach den vorgegebenen Schritten des Rezepts, das Gericht zubereiten.

Beim kooperativen Ansatz würde man eine Einladung aussprechen und die Gäste bitten, interessante Zutaten unabgesprochen mitzu-bringen. Dann würde man sich in die Küche setzen und gemeinsam überlegen: Welche möglichen Gerichte können wir mit allem, was in der Küche vorhanden und durch das Netzwerk erreichbar ist, zubereiten?

Auf beiden Wegen lassen sich hervorra-gende Gerichte zubereiten. Um allerdings die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass etwas Neues entsteht, ist die klare Empfehlung, der zweite Weg. Denn beim Standort-Wettbewerb um die hart umworbenen kreativen Talente werden wahrscheinlich jene Standorte die Nase vorne haben, die den Mut haben, zum Kochen ohne Rezept einzuladen. Denn: Neuem muss neu begegnet werden!

Christoph BackesChristoph Backes ist ideenlotse, Geschäftsführer u-ins-titut in Bremen, Gründungsgeschäftsführer des Grün-derZentrums Kulturwirtschaft Aachen, Lehrbeauftrag-ter an verschiedenen Hochschulen in Deutschland und der Schweiz sowie Berater der initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der deutschen Bundesregierung so-wie des RKW Kompetenzzentrums Kultur- und Krea-tivwirtschaft des Bundes in Deutschland.

Literaturhinweise:1 Faschingbauer, M. (2010). Effectuation – Wie er-folgreiche Unternehmer denken, entscheiden und handeln. Düsseldorf: Schäffer-Poeschel2 Willke, H. (2007). Smart Governance – Governing the Global Knowledge Society (S. 178 ff.). Frankfurt/New York: Campus Verlag

STECKBRiEF

Büro- und Ateliercluster für die Kreativwirtschaft (Containergebäude aus 39 Modulen)

Bauherrschaft Christoph Merian Stiftung

Gesamtkosten Projekt ChF 2,2 Mio.

Standort Münchensteinerstrasse 274,

4053 Basel (Dreispitz)

Grundstücksfläche 960 m2

Freiflächen 420 m2

Bruttogeschossfläche 1 500 m2

Hauptnutzfläche 1 000 m2

Geschosszahl 3

Bauvolumen 4 500 m3

Masse Einzelcontainer 10 m × 3 m × 3 m

Mietpreis ChF 485.– pro Container-Modul inkl. NK, Strom, internet und

Heizkosten

Planer in situ / NRS Team, Basel

Architektur und Bauleitung

emyl, Basel innenarchitektur und

Szenographie

Hauser, Schwarz, Basel Grafik und Beschriftung

Container Alho Systembau AG,

Wikon

Abbildung 1: Dynamisches Modell Effectuation (nach Sarasvathy & Dew) 1

Abbildung 2 (nach Sarasvathy)

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STARTUP ACADEMYSENSiBiLiSiEREN, VERNETZEN UND RÄUME BEREiTSTELLEN

Mit dem Neuwort «Kreativwirtschaft» sind Hoffnungen verbunden, an Ressourcen he-ranzukommen, die sich bislang erfolgreich der kommerziellen Verwertbarkeit entzogen haben. Wer sich mit der Kreativwirtschaft beschäftigt, wie das verschiedene Organisa-tionen bereits tun, muss deswegen behutsam vorgehen. Eine davon ist die Startup Academy, ein gemeinnütziger Verein, der Jungunterneh-merinnen und Jungunternehmer auf ihrem Weg in die berufliche Selbstständigkeit be-gleiten will, indem er sie mit Hochschulen und der Wirtschaft vernetzt. Gegenwärtig befinden sich 30 Jungunternehmen im Be-gleitprogramm der Startup Academy, rund die Hälfte kann der Kreativwirtschaft zugeordnet werden.

Viele Kreative sind heute sozusagen im Nebenamt kreativ, also ohne gross zu inves-tieren, mit typisch schweizerischer Solidi-tät. Sie arbeiten Teilzeit, konkretisieren ihre Geschäftsideen in Reststunden und starten ihre Einzelfirmen mit langem Atem. Oft ist die Preisgestaltung selbstausbeuterisch, be-triebswirtschaftliches Feedback verpönt, und gegenüber Finanzzahlen wehrt man sich mit lässiger Unlust.

Die Startup Academy versucht hier zu sen-sibilisieren und zu informieren. Sie vermittelt Personen in unterschiedlichen Rollen, die alle wirtschaftlich denken: Das sind Studierende der Betriebsökonomie oder Berufsleute und Unternehmer, die sich als Mentoren speziell um ein Jungunternehmen kümmern. Selbst- und Fremdbild werden dabei ebenso hinter-fragt wie wirtschaftliche Fakten von kreativen Wünschen getrennt. Um eine gleichbleibende Qualität zu erreichen, durchlaufen alle Start-ups zusätzlich eine Reihe von Checks durch Fachleute, insbesondere in den Bereichen Geschäftsidee, Persönlichkeit, Finanzierung, Treuhand und Logistik.

Bei diesen Besprechungen, aber auch in spontanen Gesprächen, bei Netzwerkanlässen, Workshops und Stammtischen findet ein Er-fahrungsaustausch statt, der oft selbstgesteuert ist. Und mit jedem neuen Startup wird das Netzwerk in der jeweiligen Branche dichter und tragfähiger.

Aus biografischer Sicht existieren gewöhn-lich drei, vier ideale Zeitfenster, in denen man sich selbstständig macht. Wer viele Personen in unterschiedlichen Rollen mit Leuten zu-sammenzubringt, die sich in solchen Zeitfens-tern befinden, nutzt dies. Neben der idealen Zeit hat der konkrete Raum eine wichtige Bedeutung: Sobald sich Leute in einem ge-eigneten Raum begegnen, entsteht ein kre-ativer Mehrwert. Hier profitiert die Startup Academy von einem Einrichtungsdesign, das unter Federführung von Vitra entwickelt und inzwischen am Picassoplatz in Basel erstmals umgesetzt wurde. Kurz: Es braucht intelligent gestalteten, zentral gelegenen und bezahl-baren Raum, der zur praktischen Nutzung motiviert und zum gedanklichen Austausch anregt. Wo das gegeben ist, muss man bald darüber nachdenken, wie weitere Räume mit denselben funktionalen Eigenschaften hinzu-gemietet werden können. Denn gross ist die Nachfrage und schnell wird Raum knapp.

Zur Förderung der Kreativwirtschaft im Raum Basel wird die Startup Academy wei-terhin diese Themen vorantreiben: sensibili-sieren, vernetzen und intelligent eingerichtete Räume an verschiedenen Orten offerieren.

Florian BlumerProf. Dr. Florian Blumer ist Professor für Wirtschafts-kommunikation an der Hochschule für Wirtschaft Basel (FHNW) und Mitinitiant und Vorstandsmitglied der Startup Academywww.startup-academy.ch

DYNAMO UND DYNAMiTDiE KREATiV WiRTSCHAFT BRAUCHT iNiTiATiVEN

Private und öffentliche Kulturförderer haben seit jeher Projekte verschiedenster kreativwirt-schaftlicher Branchen unterstützt – vielleicht ohne sich dessen bewusst zu sein: Bücher, Fil-me, Konzerte usw., kurz Projekte, die ohne För-derung nicht auf den Markt kommen könnten, insbesondere in der Schweiz, wo der Markt klein, oft zu klein ist. Obwohl verschiedenste Studien gezeigt haben, dass die Kreativwirt-schaft zwar kleinteilig organisiert, aber den-noch als Wirtschafts- und Standortfaktor ernst zu nehmen ist, tun sich die öffentliche Hand, aber auch private Förderinstitutionen mit der Förderung der Kreativwirtschaft schwer. Denn noch immer denken viele, dass es nur unkommerzielle Kultur oder kommerzielle Kultur gibt, wobei für viele Kulturschaffende und -förderer die Erste gut, die Zweite ver-dächtig ist. Für andere wiederum ist es gerade umgekehrt: Unkommerzielle Kultur ist Luxus und kommerzieller Mainstream gut. Dabei ist die Grenze zwischen Kommerz und Kultur fliessend und das Schwarz-Weiss-Denken im rauen politischen Diskurs gefährlich.

Mit dem Kunstfreilager im Dreispitz und der dortigen Nachbarschaft zur Hochschu-le für Gestaltung und Kunst (HGK) stellte

sich auch für die Christoph Merian Stiftung die Frage, ob und wie sie künftig Kreativwirt-schaft fördern möchte. Sie hat deshalb vor drei Jahren zusammen mit der Gebert Rüf Stiftung, dem Gewerbeverband, «Kulturstadt jetzt» und dem Stellwerk eine Arbeitsgruppe gebildet, um herauszufinden, welche konkre-ten Projekte der Kreativwirtschaft in Basel im Allgemeinen und den Studienabgängern der HGK im Besonderen am meisten Nutzen bringen können. in diesem Prozess, gecoacht von Christoph Backes aus Bremen (www.ideenlotsen.de), haben sich unter dem Titel «Dynamo Basel» elf mögliche Massnahmen herauskristallisiert.1. braucht es eine Koordinationsstelle, 2. Wettbewerbe,3. neue Plattformen (Messen, Festivals), 4. ideentransfer (import, Export, ideen-

piraterie), 5. Mentoring / Coaching, 6. zielgruppenspezifische Netzwerkbildung, 7. eine Raumagentur, 8. Mikrokredite und Risikokapital,9. Modellprojekte 10. einen Expertenpool (train the trainer), und 11. braucht es Nachwuchsförderung («U25»).

DREi AUF EiNEN STREiCH!EiN DESiGNWETTBEWERB FÜR PAPiER – SCHRiFT – DRUCK

Einen grossen Teil ihrer Fördermittel inves-tiert die Christoph Merian Stiftung in dau-erhafte Partnerschaften mit institutionen, an deren Gründung sie beteiligt war. So unter-stützt sie die Basler Papiermühle, das Haus für elektronische Künste und Literatur Basel jährlich mit bedeutenden Zuschüssen an die Betriebskosten. Nun möchten wir mit einem Designwettbewerb ein neues Förderformat lancieren, das in dreifacher Hinsicht Wirkung erzielen soll.

Nach 30 Betriebsjahren stand kürzlich eine betriebliche, inhaltliche und bauliche Erneu-erung der Papiermühle an. Und nun soll das Tüpfelchen auf dem i folgen: Eine Erneuerung der Produktepalette. Die Basler Papiermühle ist ja nicht nur ein Muse-um, sondern auch ein Produktionsbetrieb für die «weisse» und die «schwarze» Kunst. Vor den Augen der Muse-umsbesucher werden Pa-piere und Druckerzeug-nisse hergestellt. Die Papier- und Druckpro-duktion trägt wesentlich zum hohen Eigen-wirtschaftlichkeitsgrad des nichtstaatlichen Museums bei. Deshalb ist das Museum auf gute Produkte und gute Verkäufe angewiesen.

Der Designwettbewerb, den die Stiftung lanciert hat, setzt genau hier an, indem er der Papiermühle ermöglichen soll, neue ver-kaufsfähige Produkte zu entwickeln und zu produzieren. Zugleich soll der Wettbewerb die junge Basler Kreativwirtschaft, das De-signschaffen fördern und die Zusammen-arbeit mit der Hochschule für Gestaltung und Kunst (HGK), dem baldigen grossen Player im

Kunstfreilager Dreispitz, intensivieren. Der Wettbewerb richtet sich deshalb vor allem an junge Designerinnen und Designer insbeson-dere der Fachrichtungen industrial Design, Visual Communication und Szenografie, die an der HGK studieren oder hier seit 2008 ab-geschlossen haben. Aber auch Studierende und Alumni anderer Hochschulen, die seit 2008 abgeschlossen haben, sind zugelassen, sofern sie in Basel wohnen oder arbeiten.

Prämiert werden von der Basler Papier-mühle herstellbare und/oder verkäufliche Objekte resp. Produkte aus den Bereichen Pa-

pier, Schrift und Druck wie zum Beispiel Papier-lampen, Teelichter, klei-nere Möbel aus Papier, Briefpapier, Journale, Tagebücher, Schriftpro-dukte, digitale Schriftsät-ze etc. Da die Produkte im Museumsshop ange-boten werden, sollte der maximale Endverkaufs-preis ChF 1 000 nicht übersteigen. Eine Jury bewertet die eingesand-ten Projekte.Nach der Vorselektion

gelangen 20 Objekte in die engere Auswahl. Diese sollen nach Abschluss des Wettbewerbs in einer Broschüre und mit einer kleinen Aus-stellung vorgestellt werden. Es gibt folgende drei Preiskategorien: Ein Hauptpreis à ChF 10 000, zwei weitere Hauptpreise à je ChF 5 000 und vier Förderpreise à je ChF 2 000. Der Ein-gabetermin für die Produktvorschläge ist der 21. Juni 2013.

Beat von WartburgWettbewerbsunterlagen: www.papierschriftdruck.ch

DiE HGK ALS PARTNERiNiM DiALOG MiT DER KULTUR- UND KREATiVWiRTSCHAFT

Der neue Campus der Hochschule für Ge-staltung und Kunst (HGK) auf dem Dreispitz wird 2014 bezugsfertig. Ab dann sind auf dem Dreispitz rund 750 Studierende und 200 Do-zierende an einem Ort vereint. Das umgebaute Zollfreilager sowie der achtgeschossige Neu-bau am Freilager-Platz werden das neue Domi-zil für die derzeit noch auf acht Standorte in Basel, Muttenz und Aarau verteilten Einheiten der Hochschule. Mit der Zusammenführung aller institute und Disziplinen an einem für die Kreativwirtschaft interessanten Ort will die Hochschule ihre Rolle innerhalb der bereits dynamisch angelaufenen Quartiersentwick-lung wahrnehmen. Sie unterstützt eine erhöh-te Sichtbarkeit von Gestaltung und Kunst in der Öffentlichkeit, denn ohne Zweifel hält der Dreispitz ein Potenzial für die Absolventinnen und Absolventen dieser Studienrichtungen bereit.

in Zusammenarbeit mit der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) entwickelt die Hochschule für Gestaltung und Kunst ein Kompetenznetzwerk für Cultural Entrepre-neurship. im Zentrum stehen die beruflichen Aussichten der Studierenden als künftige De-signerinnen und Designer sowie als Künstle-rinnen und Künstler und die Begleitung der Absolventinnen und Absolventen auf dem Weg in die Existenzgründung. Zahlreiche indizien aus dem Feld der Kreativwirtschaft sprechen dafür, dass die Zahl jener Studieren-den weiter ansteigen wird, die ihre berufliche Chance als Unternehmerinnen und Unter-nehmer erkennen und ergreifen wollen. Die Hochschule macht daher die Unterstützung kreativer Gründungsprozesse zu einer ihrer Schlüsselaufgaben und setzt dabei auch auf ihren neuen Standort: Kreative Jungunter-nehmen sollen teilhaben an der Transforma-tion des einst kaum zugänglichen Lager- und Gewerbeareals in einen urbanen Stadtteil.

Wissend, dass der Dreispitz mit seiner hohen Diversität an infrastruktur und Kompetenzen durch die hier ansässigen Unternehmen über ein grosses Potenzial verfügt, sucht die Hoch-schule für Gestaltung und Kunst den Dialog mit der Nachbarschaft.

Die nachhaltige Nachwuchsförderung im Rahmen des entstehenden Kompetenznetz-werks ist auf inklusion angelegt. So sollen schrittweise strategisch wichtige Bildungs-stätten des tertiären Sektors für eine Zusam-menarbeit gewonnen werden.

inhaltlich hat das Netzwerk vier thema-tische Schwerpunkte: Die ZHdK erarbeitet Aus- und Weiterbildungsangebote für Jung-unternehmerinnen und Jungunternehmer aus dem Kultur- und Kreativbereich und entwi-ckelt Formate der individuellen Laufbahnbe-ratung und Gründerservices. Die Hochschule für Gestaltung und Kunst legt den Fokus auf die Vernetzung wichtiger Stakeholder. Neben realen Begegnungen werden auch netzbasier-te Plattformen aufgebaut, sodass Studierende möglichst früh damit beginnen können, ihre persönlichen Netze zu knüpfen. Des Weite-ren wird anhand von Better Practice-Ansätzen samt neuen Finanzierungstypen ein Gründer-modell für die Kreativen erarbeitet. Dieses soll die Attraktivität für Startups- und Spin-offs auf dem Dreispitz erhöhen.

Die erste Förderphase des gemeinsam in-itiierten Projekts läuft bis Februar 2015 und wird finanziell unterstützt von der Gebert Rüf Stiftung sowie von der Avina Stiftung.

Caroline RoggoCaroline Roggo ist Leiterin Cultural Entrepreneurship an der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW

CLUSTER ODER GUANTANAMO ?KREATiVWiRTSCHAFT iM DREiSPiTZ

Das Dreispitzareal ist ein klassisches Gewerbe-gebiet, buntscheckig, mit einer grossen Nut-zungsvielfalt. Einem Filetstück gleich liegt es in der Stadtlandschaft zwischen Münchenstein und dem Gundeli. Deshalb sind die Stadt Ba-sel sowie Münchenstein und die Grundeigen-tümerin, die Christoph Merian Stiftung, daran interessiert, einerseits eine dichtere Nutzung mit höherer Wertschöpfung zu realisieren und andererseits das industriegebiet zu öffnen und in einem längeren Prozess in ein durchmisch-tes städtisches Quartier für Wohnen, Gewerbe, Freizeit und Kultur zu verwandeln.

Die Transformationsidee basiert auf einer Studie von Herzog & de Meuron aus dem Jahr 2002. Seither hat sich viel getan, besonders im Gebiet des ehemaligen Zollfreilagers. Mit der Eröffnung der Hochschule für Gestaltung und Kunst im nächsten Jahr kommt ein Kulturak-teur mit grossen Ambitionen in den Dreispitz und wird von hier mit Forschung und Lehre auch international ausstrahlen. Für eine ins-titution, die sich mit den zeitgenössischsten Formen der visuellen Kunst und des Designs, zum Beispiel der digitalen Kultur, ausein-andersetzt, gehören innovationen, Wandel, Transformationen zum daily business. Gerade deshalb ist die HGK im Dreispitz künftig am richtigen Ort.

Angesichts der Nähe von HGK und Schau-lager entwickelten Herzog & de Meuron die idee eines Campus des Bildes. Die Christoph

Merian Stiftung hat nun versucht, diese idee weiterzuspinnen. Heute heisst der Campus des Bildes – an das ehemalige Freilager anknüp-fend – Kunstfreilager. Dieses neue städtische Quartier soll Lehre und Forschung, Kunst-produktion, Kunstvermittlung, Kunstgewerbe und Kreativwirtschaft umfassen.

Erster Meilenstein war 2008 die Eröffnung der Dreispitzhalle durch das Festival der elek-tronischen Künste Shift. Hier finden seither viele Veranstaltungen wie zum Beispiel der Designmarkt statt. Zweiter Meilenstein war die Umnutzung eines ehemaligen Lagerge-bäudes an der Oslostrasse 10 zu einem Ateli-er-, Ausstellungs- und Gewerbebau. Das Haus Oslo beherbergt heute Radio X, die Fotogale-rie Oslo 8, den Young Art Space Oslo 10, zwei Fotobetriebe und einen Aufziehservice, das Haus für elektronische Künste und 16 Ateliers für 21 Kunstschaffende. Dritter Meilenstein war die Eröffnung der Rakete, des Container-baus für die Kreativwirtschaft (siehe Artikel unten), und vierter Meilenstein ist die Um-nutzung des Lagergebäudes Oslo 12 – 14. Hier wird im September 2014 zeitgleich mit der Fertigstellung der HGK das Haus für elekt-ronische Künste seinen definitiven Standort finden, und es werden Ateliers für ausländi-sche Gastkünstler des iaab und für regionale Autorinnen und Autoren eingerichtet.

So entsteht langsam, aber sicher ein Art Cluster im Kunstfreilager. So bestechend die idee der Dreispitz-Transformation für die einen ist, so abschreckend ist sie für andere. Wo bleibt da noch billiger Mietraum? ist das Ganze nicht ein gewaltiger Gentrifizierungs-prozess, in dem die Kunstschaffenden miss-braucht werden für die Renditeüberlegungen einer Stiftung? ist der Art Cluster nicht ein Kunst-Guantánamo in der Pampa?

Natürlich ist uns von der Christoph Meri-an Stiftung bewusst, dass die ganze Dreispitz-

DiE ANDERS-WiRTSCHAFTEiN PLÄDOYER FÜR DiE BASLER KREATiVWiRTSCHAFT

Basel hat jede Menge zu bieten, besonders was die Kreativwirtschaft angeht: Gute Aus-bildungsstätten, eine Szene, die an der einen oder anderen Stelle noch mehr Selbstbewusst-sein gegenüber Zürich vertragen könnte, und ein Bewusstsein für Wertigkeit und auch Frei-räume in der Stadt. Darüber hinaus gibt es eine Studie, die Kreativwirtschaft erst einmal als Wirtschaftszweig dargestellt hat, und eine initiative, die die Aufgabe hat, eine Lobby für die vielseitige Branche zu schaffen.

Alles gute Voraussetzungen, um der Krea-tivwirtschaft auch etwas zuzutrauen, und vor allem ihren Akteuren.

ich finde in Basel eine lebendige Kreativwirt-schaft mit vielen Potenzialen vor, der es aber an Anerkennung und passenden Plattformen mangelt. Viele Akteure wissen gar nicht, dass sie der Branche zugehören. Ein Musiker ist halt ein Musiker und ein Designer ein Desi-gner. So ist das Verständnis der Akteure. Dies ist aufgrund der Heterogenität der dreizehn Teilmärkte, in die die Kreativwirtschaft defi-nitionsgemäss eingeteilt ist, auch nicht ver-wunderlich.

Oftmals wird sowohl in Deutschland wie auch in der Schweiz alles in einen Topf ge-worfen, und die Unterschiede zwischen der

öffentlichen Förderung der Kultur, jener des tertiären Bereichs (Stiftungen, Vereine etc.)und der privatwirtschaftlich orientierten Kre-ativwirtschaft werden nicht erkannt. Sicher tut sich so mancher schwer, wenn Ökonomie und Kultur in einer engen Verbindung und Abhängigkeit gesehen werden. Das bedeutet nicht zugleich, dass ich dafür bin, dass die vom Staat geförderte Kultur beschnitten werden soll. Kultur ist für Basel mehr als nur ein wei-cher Standortfaktor. Wer aber alles sauber von einander trennen kann, versteht, dass die Kreativwirtschaft im Kern ein wichtiger Wirt-schaftszweig ist. Warum? Sicher sollten das Zahlen beweisen können, doch die Bedeutung eines Wirtschaftszweiges kann auch ganz an-ders gemessen werden. Was wäre unser Leben ohne die Produkte und Dienstleistungen der Kreativwirtschaft? innovationen entstehen doch unter dem Einfluss einer entsprechen-den ästhetischen Bildung und dank des krea-tiven und kulturellen Levels von Menschen. Das ist in Städten mit Traditionen nicht leicht verständlich. Vor allem, wenn eine Stadt wie Basel sich stark auf bestimmte Bereiche wie die Life Sciences konzentriert.

Die Kreativwirtschaft passt vor allem in das Weltbild des ständigen Wandels und des innovationsanspruchs. Ohne diese Branche wäre das Leben nicht nur trist, sondern auch rückständig. Sie unterliegt zwar genauso den Marktgegebenheiten wie die klassische Wirtschaft. Es wird in der gleichen Währung gezahlt, und die Grundsätze ordnungsgemäs-ser Buchführung gelten auch für die Kreativ-wirtschaft. Dennoch ist Kreativwirtschaft die «Anders-Wirtschaft». Woran kann man das festmachen? in der klassischen Wirtschaft wird Wissen gehortet, werden Kunden- und Lieferantenkontakte für sich behalten, um einen Wettbewerbsvorteil zu haben. Kreativ-wirtschaft hingegen teilt Wissen, arbeitet bran-chenübergreifend in Co-Working-Räumen oder finanziert sogar über Crowdfunding Unternehmensideen und Projekte. «Das An-

dere» liegt in der Dynamik und Haltung des Unternehmertums. in den ersten Schritten geht es den meisten Akteuren nur um das eine oder erste ökonomische Ziel: Miete zahlen und voller Kühlschrank. Mit einem solchen Anspruch, der viel Mut und Risiko voraussetzt, kann man starten.

Die Akteure der Kreativwirtschaft stellen sich oft in kürzester Zeit auf die wirtschafts-aktuellen Gegebenheiten ein. Wer jeden Tag eine Krise hat, wer die Herausforderung kennt, von der eigenen Kreativität zu leben und höchsten Ansprüchen gerecht zu wer-den, der weiss auch, wie die ganz kniffligen Dinge klappen. Davon könnte sich so manche Bank und Grossunternehmung eine Scheibe abschneiden.

Das Stellwerk Basel, in dem ich seit Januar als Geschäftsführer verantwortlich bin, ist ein guter Ort für die Akteure der Branche. Wir bieten Existenzgründern aus den Bereichen Architektur, Fotografie, Design und Kom-munikation als erstes kreativwirtschaftliches Gründerzentrum der Schweiz günstige Mieten und eine Begleitung in ihrer Selbstständigkeit sowie Netzwerke und Events an.

Von diesen guten Orten gibt es noch einige. Wichtig für die Basler Kreativwirtschaft ist, die bereits entstehenden Erfolge der lokalen Un-ternehmerinnen und Unternehmer sichtbar zu machen. Leider wird häufig nur darüber ge-sprochen, was alles schiefgeht. Verwaltung und Politik sowie die klassische Wirtschaft sollten im Umgang mit der «Anders-Wirtschaft» offe-ner und mutiger sein, und umgekehrt.

ich bin guter Hoffnung und verbreite ger-ne Euphorie für eine Branche, die in Basel und darüber hinaus grosse Aufmerksamkeit verdient.

Frank LemlohFrank Lemloh ist seit 2013 Geschäftsführer des Vereins Stellwerk Baselwww.stellwerkbasel.ch

in der Zwischenzeit hat sich viel getan: Zu-sammen mit der Gebert Rüf Stiftung unter-stützt die Christoph Merian Stiftung die Start-up Academy, weiter fördert sie Flatterschafft und zusammen mit der Ernst Göhner Stiftung den Verein Stellwerk, sie organisiert einen De-signwettbewerb zum Thema Papier – Schrift – Druck, unterstützt den Designmarkt sowie den Laufsteg Oslo, und sie schafft Raum für die Kreativwirtschaft mit dem Projekt Rakete. Schliesslich hat sich auch die HGK der Krea-tivwirtschaft zugewandt: Sie wird mit der Zür-cher Hochschule der Künste einen Lehrgang in «Cultural Entrepreneurship» anbieten. Wir haben unsere Partner eingeladen, ihre Projekte auf dieser Seite vorzustellen.

Auch der Kanton Basel-Stadt ist aktiv ge-worden, hat mit der Schaffung der initiative Kreativwirtschaft ein impulsprogramm im Sinne der Standortförderung lanciert und bietet mit der Website ikb.ch eine Plattform für die verschiedenen Branchenverbände und -vertreter.

All diese initiativen haben das Bewusst-sein für die Bedeutung der Kreativwirtschaft gestärkt, sie haben aber auch Diskussionen darüber ausgelöst, wie man in Basel die Krea-tiv- und Kulturwirtschaft fördert. Zum Glück. Die staatliche Kulturförderung darf Kreativ-wirtschaft zum Beispiel nicht mit Swisslos-Geldern fördern, und das Wirtschafts- und

Sozialdepartement versteht seine initiativen explizit nicht als Kultur-, sondern ausschliess-lich als Wirtschaftsförderung. «Kreative» sind schlecht organisiert, ein Branchenbewusstsein ist oft nicht vorhanden, und es gibt zu wenig oder zu wenig aktive Branchenverbände, die sich für die interessen ihrer Mitglieder einset-zen könnten (wie z.B. Balimage). So kämpft der Einzelne oft auf verlorenem Posten. Es ist deshalb wichtig, folgende Fragen zu stel-len und zu diskutieren: Wieviel Wirtschaft, wieviel «Kreation» soll gefördert werden, wie können Wirtschafts- und Kulturförderung verzahnt werden? Welche Branchen sollen in Basel prioritär unterstützt werden? Sollen strukturelle Schwächen beseitigt oder eher Stärken gestärkt werden? Wie können Nach-wuchs, Jungunternehmertum und Exzellenz gleichermassen gefördert werden? Die Fragen enthalten Zündstoff, Dynamit, und genau da-rum geht es ja: um zündende ideen und das Feuer für innovation.

Wir von der Christoph Merian Stiftung werden uns weiterhin für die Schaffung von günstigen Werk- und Atelierräumen, für nie-derschwellige Plattformen der Werk-, Produkt- und Labelpräsentation, für die Nachwuchs-förderung und die betriebliche Beratung einsetzen.

Beat von Wartburg

— EiN GEWALTiGER

GENTRiFiZiERUNGS-PROZESS ?

Transformation eine top-down gesteuerte Ent-wicklung ist. Und wir wissen auch, dass Kunst- und Kreativwirtschaftsnutzungen nicht auf dem Reissbrett entstehen, sondern bottom-up. Dennoch glauben wir, dass das Kunstfreilager eine grosse Chance für die Kultur ist. Es ist die einmalige Möglichkeit, die Kunst in der Stadtlandschaft zu verorten, für die Kunst ei-nen Ort zu schaffen, der sich für einmal nicht durch Musealität auszeichnet, sondern durch Lebendigkeit (über 1 000 Studierende werden hier täglich verkehren), durch künstlerische und gewerbliche Produktion, durch die Re-flexion über Kunst, durch interdisziplinäre, forschende Kunst.

Die Transformation des Dreispitz ist ein Generationenprojekt, ein langsamer Prozess, und das hat Vorteile. Denn noch bietet der Dreispitz viele Nischen; Nischen, die zahlrei-che Kulturschaffende bereits für sich entdeckt haben, für den Bandraum, das Architektur-büro, das Hindu-Kulturzentrum, die basel-city studios, Urban Farming, und und und. Es

ist ein Ort für private initiativen, für Men-schen, die an sich und ihre ideen glauben. Das Hinterhof-Projekt ist ein gutes Beispiel dafür. Hier hat eine Gruppe von Leuten mit idealis-tischen Zielen den Versuch gewagt, kommer-zielle Musik-, Bar- und Partykultur mit einem künstlerischen Anspruch zu verbinden, und die Hinterhof-Crew hat Erfolg damit.

Das Kunstfreilager ist eine idee, die Wirk-lichkeit wird, aber in keinem Fall ein mono-polistisches Unternehmen. Nicht alles muss hierherkommen und hier stattfinden. Und weil die Christoph Merian Stiftung nur dann philantropisch tätig sein kann, wenn sie auch an die Rendite im immobiliengeschäft denkt, findet die Transformation des Dreispitz in je-dem Fall statt – mit oder ohne Kultur. Wir finden, es wäre besser mit. Denn Kultur be-deutet Leben und Lebensqualität. Kultur tut dem Dreispitz gut, der Dreispitz kann aber auch der Kultur gut tun.

Beat von Wartburg

LAUFSTEG OSLOWas im vergangenen Jahr mit grosser Unge-wissheit als Versuch lanciert wurde, stand nach der erfolgreichen ersten Ausgabe seine Bewäh-rungsprobe. Kann sich die Veranstaltung nun einen festen Platz im Basler Kulturkalender sichern?

Die Rede ist von Laufsteg Oslo, der ein-tägigen Modeveranstaltung mit Modeschau und Modemarkt zur Förderung nationaler Jungdesignerinnen und aufstrebender Mode-labels, die am 4. Mai 2013 ihre Tore öffnete. Eine Freundin, gelernte Modedesignerin, war

überzeugt, dass ein solcher Event bei vielen Modeschaffenden Anklang finden würde, was sich nach kurzer Recherche durch uns bestätigte.

Mit der idee vor Augen, junge Modelabels zu fördern, die noch nicht auf dem Markt etabliert sind, und ihnen die Möglichkeit zu bieten, sich und ihre Kollektionen zu präsen-tieren, machten wir vom Verein Tor13 uns vor etwas mehr als einem Jahr an das Projekt Laufsteg Oslo. Keiner der Organisatoren war in der Modebranche tätig oder hatte schon

einmal eine Modeveranstaltung organisiert. Die Überzeugungskraft dieser idee, die Ge-wissheit, dass die Nachfrage seitens der Mode-schaffenden vorhanden ist, die Erfahrung im Bereich Eventmarketing und in der Organisa-tion musikalischer Events waren uns Antrieb genug.

Unsere Unerfahrenheit im Feld Modeveran-staltung brachte uns dazu, im stetigen Kontakt mit den Labels zu sein, auf ihre Vorstellungen und ideen einzugehen und uns auch Tipps zu holen. Wir merkten bald, dass dieser rege Austausch zu unserer Stärke wurde, darum probieren wir auch dieses Jahr auf ihre Wün-sche und Bedürfnisse einzugehen. Schliesslich sind es die Designer und Designerinnen und ihre Produkte, die während dieser Veranstal-tung im Vordergrund stehen.

Die wichtigste Frage, die sich stellte, war 2012: Wie finanzieren wir diesen Event? Die teilnehmenden Labels sollten einen möglichst kleinen Unkostenbeitrag zahlen müssen, da-rüber waren wir uns schnell einig. Da wir überhaupt nicht wussten, ob diese Modever-anstaltung auch Publikum anzieht, beschlos-sen wir, keinen Eintritt zu verlangen. Darum mussten wir versuchen, einerseits andere Einnahmequellen zu finden und andererseits die Ausgaben möglichst tief zu halten. Auf der Suche nach Räumlichkeiten, die unseren

Vorstellungen entsprachen, wurden wir dank der Christoph Merian Stiftung auf dem Drei-spitzareal fündig. Da dieses Vorhaben an ein Schulprojekt gekoppelt war, erhielten wir von den Unternehmen, von denen wir inventar mieteten, Rabatte, was uns half, die Kosten tief zu halten. Um mehr Einnahmen zu gene-rieren, organisierten wir eine Afterparty und einen Koch, der direkt vor Ort kochte – beides, um für Abwechslung zu sorgen und um die Leute so länger vor Ort zu halten und damit höhere Einnahmen beim Getränkeverkauf zu erzielen.

Dieses Jahr kam als Schwierigkeit dazu, dass Laufsteg Oslo kein Schulprojekt mehr ist und einige Rabatte wegfielen, was die Ausgaben in die Höhe schnellen liess. Wir wollten aber an unserem Konzept festhalten und warben darum um Sponsoren. Dies bedeutete mehr Aufwand, aber wir wollten über eine gewisse finanzielle Sicherheit verfügen. Ausserdem be-schlossen wir, dieses Jahr Eintritt zu verlangen, was sich bewährte, denn die Leute erschienen trotzdem so zahlreich wie letztes Jahr.

Ben AndristBen Andrist ist Logistikexperte. Privat engagiert er sich im Kulturverein tor13, der die zweite Design-Show Laufsteg Oslo am 4. Mai 2013 im Dreispitzareal organisierte.

g Klamott gg Kate Frank

KREATIv wIRTsChAfTSCHWERPUNKT

Viel diskutiert und nur zögerlich gefördert ist sie: die Kreativwirtschaft. Warum eigentlich? Shortcut stellt die Kultur- und Kreativwirtschaft zur Diskussion und einzelne konkrete Projekte vor

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Kausale Logik

Kreativwirtscha�s-Politik-Logik

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Ziel

Wer bin ich?Was weiss ich?

Wen kenne ich?Was kann ich

TUN?

mehr Mittel (Ressourcen expandiert)

neue Richtung (Randbedingungen konvergiert)

Interaktion mitanderen

Menschen

Vereinbarungmit

Stakeholdern

neueMittel

neueZieleverfügbare

Mittel

die Siedlung innerhalb von nur zwei Wochen aufgebaut. Die L-förmig angeordnete und drei-stöckig gestapelte Container-Anlage besteht aus 39 vorfabrizierten Modulen à 25 m2. Sie sind isoliert und mit Zentralheizung und gros-sen Fenstern ausgestattet. Die Erschliessung funktioniert über Laubengänge, und eine 17 m hohe Aussichtsplattform im innenhof ermög-licht einen weitläufigen Panoramablick. Die Miete pro Modul und Monat beträgt ChF 485 inkl. Nebenkosten, Strom, Heizung und in-ternet.

Die Christoph Merian Stiftung ist eben-falls in der Rakete stationiert. Anhand eines regelmässig aktualisierten Architektur modells kann die Öffentlichkeit die dynamische Ent-wicklung und den Baufortschritt im Dreispitz mitverfolgen. Somit wird die Rakete zum Be-gegnungsraum der Nutzer, der Öffentlichkeit und der Stiftung.

Ein auf fünf Jahre befristetes Mietverhältnis ist Teil des Konzeptes; nach dieser Phase wird

die Rakete ab- und an einem anderen Standort im Dreispitz wieder neu aufgebaut. Auf diese Weise profitieren neue Jungunternehmer von der Gelegenheit günstiger Räume. Und die Stiftung achtet bei der Vergabe der Container darauf, dass sich die Nutzungen ergänzen und nicht behindern. Von der Mietpartei wird eine aktive Teilnahme am Leben in der Container-siedlung erwartet sowie Toleranz, Flexibilität und gegenseitiger Respekt. Am 1. Dezember 2012 bezogen die Mieter ihre Ateliers und Büros, am 1. März 2013 hob die Rakete mit einem Fest und einem Tag der offenen Türen offiziell ab.

Christoph Meneghettiwww.rakete-dreispitz.ch

DiE RAKETEEiN RAUMFAHRTPROGRAMM

Die Kreativszene braucht günstigen Raum zum Arbeiten und Ausprobieren. Nicht nur die Kreativwirtschaftsstudie des Wirtschafts- und Sozialdepartements, sondern auch zahl-reiche Gespräche mit Nutzerkreisen haben gezeigt, dass der Raum bedarf gross ist. Das Dreispitzareal eignet sich genau für solche Be-triebe wie kaum ein anderer Standort, denn erstens hat das Kunstfreilager frischen Wind und neue (kulturelle) Nutzungen auf den Dreispitz gebracht und zweitens ist und bleibt der Dreispitz ein Arbeitsgebiet. Und drittens entstehen hier im Zug der dynamischen Are-alentwicklung Chancen, so zum Beispiel die Vakanz einer Parzelle an prominenter Lage nahe der Tramstation Dreispitz, an der Mün-chensteinerstrasse 274.

Die Christoph Merian Stiftung hat die An-liegen der Kreativszene aufgenommen und die Chance dieses attraktiven Standorts am Schopf gepackt, um gemeinsam das Projekt Rakete Dreispitz zu initiieren. Der Name Rakete steht

für die zündende idee und die Schubkraft, mit denen Startups der Kreativ- und Kulturwirt-schaft neue Unternehmungen gründen und vorantreiben. in Anlehnung an das Projekt Basis lager in Zürich entwickelte die Stiftung eine Siedlung aus Büro-Containern, die güns-tig zu erstellen und ebenso günstig zu vermie-ten ist und an verschiedenen Standorten im Dreispitz verwendet werden kann.

Die Rakete ist somit eine mobile immobilie mit wechselnder Besetzung und flexiblem Be-zug zum jeweiligen Standort, eine Startrampe, wo Jungunternehmer gemeinsam etwas auf-bauen können. Die Kommission der Christoph Merian Stiftung hat im Januar 2012 einen Bau-kredit von ChF 2,2 Millionen gesprochen. Ziel ist es, mit dieser investition längerfristig eine schwarze Null zu erwirtschaften; die Rakete ist kein Wohlfahrtsprogramm, sondern vielmehr ein Raumfahrtsprogramm.

Nach einer anderthalb Jahre dauernden Planungs- und Vorbereitungsphase wurde

NEUEM NEU BEGEGNENEiN PLÄDOYER FÜR EiNE UNTERNEHMERiSCHE UND KREATiVE POLiTiK

mit DER KULTUR- UND KREATiVWiRTSCHAFT

Politik macht sich weltweit neuerdings gerne stark für eine wachsende Kultur- und Kreativ-wirtschaft. Doch umgekehrt wird ein Schuh draus: Die Politik wird vor allem von und mit der Kultur- und Kreativwirtschaft – von ihren Prozessen und Strukturen – lernen können. Vor allem kooperative Politik-Ansätze, die komplexen Handlungssituationen, Heteroge-nität und rasanter Dynamik Rechnung tragen, können sich hierbei zukünftig als besonders produktiv erweisen:

Die neuere Entrepreneurship-Forschung 1 hat das Denken, Entscheiden und Handeln erfolgreicher Unternehmer untersucht und dabei nachgewiesen, dass diese – vor allem in Situationen der Ungewissheit –

1. nicht einen am grünen Tisch entwickelten Plan in die Tat umsetzen, sondern auf der Grundlage der vorhandenen Mittel arbeiten;

2. in Partnerschaften grössere Sicherheit schaf-fen, indem sie kooperativ ihre Ziele modifi-zieren oder ihre Mittel erweitern;

3. darauf verzichten, die Zukunft vorhersa-gen zu wollen, und sich stattdessen darauf beschränken, sie sukzessiv zu gestalten;

4. Zufälle nutzen, um ihren Horizont zu er-weitern und sich zu innovationen anregen zu lassen.

Dabei sollte einer Verwechslung vorgebeugt werden: Entrepreneurship bedeutet nicht zwingend Ökonomisierung. Unternehmeri-sches Denken und Handeln kann im Kon-text sehr unterschiedlicher, materieller wie immaterieller Wertesysteme geschehen. Eine kreativwirtschaftlich-unternehmerische Poli-tik muss zukünftig besonders einer Aufgabe Aufmerksamkeit schenken, die in der inter-nationalen Governance-Forschung als erfolgs-kritisch beschrieben wird: Capacity Building, also die Kompetenzentwicklung der Akteure auf allen Ebenen. 2 Die heterogenen Netzwer-ke der Kultur- und Kreativwirtschaft sind prä-destiniert dazu, ein gemeinsames Lernen und auch ein Voneinander-Lernen zu ermöglichen. Aber braucht es denn überhaupt postheroi-sche Humusentwicklung oder Leuchtürme für die (Un-)Branche?

Einen erfolgversprechenden neuen Ansatz-punkt dazu liefert das dynamische Modell der Entrepreneurship-Forschung «Effectuation».

Nach Auffassung des Autors Michael Fasching-bauer sind Ausgangspunkt für gelungene Alli-anzen immer die handelnden Personen. Auf dieser Basis werden, im Rahmen dessen, was für die unterschiedlichen Partner leistbar ist und attraktiv erscheint, verbindliche Verein-barungen ausgehandelt. 1 Kooperative Politik beruht darauf, verbindliche Vereinbarungen mit denen einzugehen, die neue Mittel und Zielvorstellungen einbringen können und wollen.

Prinzip der Mittelorientierung für eine kooperative Politik mit der Kultur- und Kreativ wirtschaftKausales Vorgehen beruht auf Zielorientie-rung: Zuerst visiert man ein bestimmtes Ziel an, dann macht man Pläne und erschliesst geeignete Mittel, um genau dieses Ziel oder erwünschte Ergebnis zu erreichen. Kooperati-ve Politik mit der Kulturwirtschaft hingegen beruht auf mittelorientierung: Man erhebt die aktuell verfügbaren Mittel und fokussiert auf die Erschliessung der Ergebnisse, die sich mit den vorhandenen Mitteln erzielen lassen. Dem

Machbaren wird der Vorzug gegenüber dem Gewünschten gegeben.

Den Unterschied zwischen kausaler Ziel-orientierung und Mittelorientierung einer kooperativen Politik zeigt Abbildung 2.

Die verschiedenen Ansätze sind gut mit einer Metapher aus dem Alltag zu beschrei-ben – dem Kochen eines Essens: Kausal würde man ein Gericht und das dazugehörige Rezept auswählen, eine entsprechende Einkaufsliste zusammenstellen, die Zutaten besorgen und nach den vorgegebenen Schritten des Rezepts, das Gericht zubereiten.

Beim kooperativen Ansatz würde man eine Einladung aussprechen und die Gäste bitten, interessante Zutaten unabgesprochen mitzu-bringen. Dann würde man sich in die Küche setzen und gemeinsam überlegen: Welche möglichen Gerichte können wir mit allem, was in der Küche vorhanden und durch das Netzwerk erreichbar ist, zubereiten?

Auf beiden Wegen lassen sich hervorra-gende Gerichte zubereiten. Um allerdings die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass etwas Neues entsteht, ist die klare Empfehlung, der zweite Weg. Denn beim Standort-Wettbewerb um die hart umworbenen kreativen Talente werden wahrscheinlich jene Standorte die Nase vorne haben, die den Mut haben, zum Kochen ohne Rezept einzuladen. Denn: Neuem muss neu begegnet werden!

Christoph BackesChristoph Backes ist ideenlotse, Geschäftsführer u-ins-titut in Bremen, Gründungsgeschäftsführer des Grün-derZentrums Kulturwirtschaft Aachen, Lehrbeauftrag-ter an verschiedenen Hochschulen in Deutschland und der Schweiz sowie Berater der initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der deutschen Bundesregierung so-wie des RKW Kompetenzzentrums Kultur- und Krea-tivwirtschaft des Bundes in Deutschland.

Literaturhinweise:1 Faschingbauer, M. (2010). Effectuation – Wie er-folgreiche Unternehmer denken, entscheiden und handeln. Düsseldorf: Schäffer-Poeschel2 Willke, H. (2007). Smart Governance – Governing the Global Knowledge Society (S. 178 ff.). Frankfurt/New York: Campus Verlag

STECKBRiEF

Büro- und Ateliercluster für die Kreativwirtschaft (Containergebäude aus 39 Modulen)

Bauherrschaft Christoph Merian Stiftung

Gesamtkosten Projekt ChF 2,2 Mio.

Standort Münchensteinerstrasse 274,

4053 Basel (Dreispitz)

Grundstücksfläche 960 m2

Freiflächen 420 m2

Bruttogeschossfläche 1 500 m2

Hauptnutzfläche 1 000 m2

Geschosszahl 3

Bauvolumen 4 500 m3

Masse Einzelcontainer 10 m × 3 m × 3 m

Mietpreis ChF 485.– pro Container-Modul inkl. NK, Strom, internet und

Heizkosten

Planer in situ / NRS Team, Basel

Architektur und Bauleitung

emyl, Basel innenarchitektur und

Szenographie

Hauser, Schwarz, Basel Grafik und Beschriftung

Container Alho Systembau AG,

Wikon

Abbildung 1: Dynamisches Modell Effectuation (nach Sarasvathy & Dew) 1

Abbildung 2 (nach Sarasvathy)

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STARTUP ACADEMYSENSiBiLiSiEREN, VERNETZEN UND RÄUME BEREiTSTELLEN

Mit dem Neuwort «Kreativwirtschaft» sind Hoffnungen verbunden, an Ressourcen he-ranzukommen, die sich bislang erfolgreich der kommerziellen Verwertbarkeit entzogen haben. Wer sich mit der Kreativwirtschaft beschäftigt, wie das verschiedene Organisa-tionen bereits tun, muss deswegen behutsam vorgehen. Eine davon ist die Startup Academy, ein gemeinnütziger Verein, der Jungunterneh-merinnen und Jungunternehmer auf ihrem Weg in die berufliche Selbstständigkeit be-gleiten will, indem er sie mit Hochschulen und der Wirtschaft vernetzt. Gegenwärtig befinden sich 30 Jungunternehmen im Be-gleitprogramm der Startup Academy, rund die Hälfte kann der Kreativwirtschaft zugeordnet werden.

Viele Kreative sind heute sozusagen im Nebenamt kreativ, also ohne gross zu inves-tieren, mit typisch schweizerischer Solidi-tät. Sie arbeiten Teilzeit, konkretisieren ihre Geschäftsideen in Reststunden und starten ihre Einzelfirmen mit langem Atem. Oft ist die Preisgestaltung selbstausbeuterisch, be-triebswirtschaftliches Feedback verpönt, und gegenüber Finanzzahlen wehrt man sich mit lässiger Unlust.

Die Startup Academy versucht hier zu sen-sibilisieren und zu informieren. Sie vermittelt Personen in unterschiedlichen Rollen, die alle wirtschaftlich denken: Das sind Studierende der Betriebsökonomie oder Berufsleute und Unternehmer, die sich als Mentoren speziell um ein Jungunternehmen kümmern. Selbst- und Fremdbild werden dabei ebenso hinter-fragt wie wirtschaftliche Fakten von kreativen Wünschen getrennt. Um eine gleichbleibende Qualität zu erreichen, durchlaufen alle Start-ups zusätzlich eine Reihe von Checks durch Fachleute, insbesondere in den Bereichen Geschäftsidee, Persönlichkeit, Finanzierung, Treuhand und Logistik.

Bei diesen Besprechungen, aber auch in spontanen Gesprächen, bei Netzwerkanlässen, Workshops und Stammtischen findet ein Er-fahrungsaustausch statt, der oft selbstgesteuert ist. Und mit jedem neuen Startup wird das Netzwerk in der jeweiligen Branche dichter und tragfähiger.

Aus biografischer Sicht existieren gewöhn-lich drei, vier ideale Zeitfenster, in denen man sich selbstständig macht. Wer viele Personen in unterschiedlichen Rollen mit Leuten zu-sammenzubringt, die sich in solchen Zeitfens-tern befinden, nutzt dies. Neben der idealen Zeit hat der konkrete Raum eine wichtige Bedeutung: Sobald sich Leute in einem ge-eigneten Raum begegnen, entsteht ein kre-ativer Mehrwert. Hier profitiert die Startup Academy von einem Einrichtungsdesign, das unter Federführung von Vitra entwickelt und inzwischen am Picassoplatz in Basel erstmals umgesetzt wurde. Kurz: Es braucht intelligent gestalteten, zentral gelegenen und bezahl-baren Raum, der zur praktischen Nutzung motiviert und zum gedanklichen Austausch anregt. Wo das gegeben ist, muss man bald darüber nachdenken, wie weitere Räume mit denselben funktionalen Eigenschaften hinzu-gemietet werden können. Denn gross ist die Nachfrage und schnell wird Raum knapp.

Zur Förderung der Kreativwirtschaft im Raum Basel wird die Startup Academy wei-terhin diese Themen vorantreiben: sensibili-sieren, vernetzen und intelligent eingerichtete Räume an verschiedenen Orten offerieren.

Florian BlumerProf. Dr. Florian Blumer ist Professor für Wirtschafts-kommunikation an der Hochschule für Wirtschaft Basel (FHNW) und Mitinitiant und Vorstandsmitglied der Startup Academywww.startup-academy.ch

DYNAMO UND DYNAMiTDiE KREATiV WiRTSCHAFT BRAUCHT iNiTiATiVEN

Private und öffentliche Kulturförderer haben seit jeher Projekte verschiedenster kreativwirt-schaftlicher Branchen unterstützt – vielleicht ohne sich dessen bewusst zu sein: Bücher, Fil-me, Konzerte usw., kurz Projekte, die ohne För-derung nicht auf den Markt kommen könnten, insbesondere in der Schweiz, wo der Markt klein, oft zu klein ist. Obwohl verschiedenste Studien gezeigt haben, dass die Kreativwirt-schaft zwar kleinteilig organisiert, aber den-noch als Wirtschafts- und Standortfaktor ernst zu nehmen ist, tun sich die öffentliche Hand, aber auch private Förderinstitutionen mit der Förderung der Kreativwirtschaft schwer. Denn noch immer denken viele, dass es nur unkommerzielle Kultur oder kommerzielle Kultur gibt, wobei für viele Kulturschaffende und -förderer die Erste gut, die Zweite ver-dächtig ist. Für andere wiederum ist es gerade umgekehrt: Unkommerzielle Kultur ist Luxus und kommerzieller Mainstream gut. Dabei ist die Grenze zwischen Kommerz und Kultur fliessend und das Schwarz-Weiss-Denken im rauen politischen Diskurs gefährlich.

Mit dem Kunstfreilager im Dreispitz und der dortigen Nachbarschaft zur Hochschu-le für Gestaltung und Kunst (HGK) stellte

sich auch für die Christoph Merian Stiftung die Frage, ob und wie sie künftig Kreativwirt-schaft fördern möchte. Sie hat deshalb vor drei Jahren zusammen mit der Gebert Rüf Stiftung, dem Gewerbeverband, «Kulturstadt jetzt» und dem Stellwerk eine Arbeitsgruppe gebildet, um herauszufinden, welche konkre-ten Projekte der Kreativwirtschaft in Basel im Allgemeinen und den Studienabgängern der HGK im Besonderen am meisten Nutzen bringen können. in diesem Prozess, gecoacht von Christoph Backes aus Bremen (www.ideenlotsen.de), haben sich unter dem Titel «Dynamo Basel» elf mögliche Massnahmen herauskristallisiert.1. braucht es eine Koordinationsstelle, 2. Wettbewerbe,3. neue Plattformen (Messen, Festivals), 4. ideentransfer (import, Export, ideen-

piraterie), 5. Mentoring / Coaching, 6. zielgruppenspezifische Netzwerkbildung, 7. eine Raumagentur, 8. Mikrokredite und Risikokapital,9. Modellprojekte 10. einen Expertenpool (train the trainer), und 11. braucht es Nachwuchsförderung («U25»).

DREi AUF EiNEN STREiCH!EiN DESiGNWETTBEWERB FÜR PAPiER – SCHRiFT – DRUCK

Einen grossen Teil ihrer Fördermittel inves-tiert die Christoph Merian Stiftung in dau-erhafte Partnerschaften mit institutionen, an deren Gründung sie beteiligt war. So unter-stützt sie die Basler Papiermühle, das Haus für elektronische Künste und Literatur Basel jährlich mit bedeutenden Zuschüssen an die Betriebskosten. Nun möchten wir mit einem Designwettbewerb ein neues Förderformat lancieren, das in dreifacher Hinsicht Wirkung erzielen soll.

Nach 30 Betriebsjahren stand kürzlich eine betriebliche, inhaltliche und bauliche Erneu-erung der Papiermühle an. Und nun soll das Tüpfelchen auf dem i folgen: Eine Erneuerung der Produktepalette. Die Basler Papiermühle ist ja nicht nur ein Muse-um, sondern auch ein Produktionsbetrieb für die «weisse» und die «schwarze» Kunst. Vor den Augen der Muse-umsbesucher werden Pa-piere und Druckerzeug-nisse hergestellt. Die Papier- und Druckpro-duktion trägt wesentlich zum hohen Eigen-wirtschaftlichkeitsgrad des nichtstaatlichen Museums bei. Deshalb ist das Museum auf gute Produkte und gute Verkäufe angewiesen.

Der Designwettbewerb, den die Stiftung lanciert hat, setzt genau hier an, indem er der Papiermühle ermöglichen soll, neue ver-kaufsfähige Produkte zu entwickeln und zu produzieren. Zugleich soll der Wettbewerb die junge Basler Kreativwirtschaft, das De-signschaffen fördern und die Zusammen-arbeit mit der Hochschule für Gestaltung und Kunst (HGK), dem baldigen grossen Player im

Kunstfreilager Dreispitz, intensivieren. Der Wettbewerb richtet sich deshalb vor allem an junge Designerinnen und Designer insbeson-dere der Fachrichtungen industrial Design, Visual Communication und Szenografie, die an der HGK studieren oder hier seit 2008 ab-geschlossen haben. Aber auch Studierende und Alumni anderer Hochschulen, die seit 2008 abgeschlossen haben, sind zugelassen, sofern sie in Basel wohnen oder arbeiten.

Prämiert werden von der Basler Papier-mühle herstellbare und/oder verkäufliche Objekte resp. Produkte aus den Bereichen Pa-

pier, Schrift und Druck wie zum Beispiel Papier-lampen, Teelichter, klei-nere Möbel aus Papier, Briefpapier, Journale, Tagebücher, Schriftpro-dukte, digitale Schriftsät-ze etc. Da die Produkte im Museumsshop ange-boten werden, sollte der maximale Endverkaufs-preis ChF 1 000 nicht übersteigen. Eine Jury bewertet die eingesand-ten Projekte.Nach der Vorselektion

gelangen 20 Objekte in die engere Auswahl. Diese sollen nach Abschluss des Wettbewerbs in einer Broschüre und mit einer kleinen Aus-stellung vorgestellt werden. Es gibt folgende drei Preiskategorien: Ein Hauptpreis à ChF 10 000, zwei weitere Hauptpreise à je ChF 5 000 und vier Förderpreise à je ChF 2 000. Der Ein-gabetermin für die Produktvorschläge ist der 21. Juni 2013.

Beat von WartburgWettbewerbsunterlagen: www.papierschriftdruck.ch

DiE HGK ALS PARTNERiNiM DiALOG MiT DER KULTUR- UND KREATiVWiRTSCHAFT

Der neue Campus der Hochschule für Ge-staltung und Kunst (HGK) auf dem Dreispitz wird 2014 bezugsfertig. Ab dann sind auf dem Dreispitz rund 750 Studierende und 200 Do-zierende an einem Ort vereint. Das umgebaute Zollfreilager sowie der achtgeschossige Neu-bau am Freilager-Platz werden das neue Domi-zil für die derzeit noch auf acht Standorte in Basel, Muttenz und Aarau verteilten Einheiten der Hochschule. Mit der Zusammenführung aller institute und Disziplinen an einem für die Kreativwirtschaft interessanten Ort will die Hochschule ihre Rolle innerhalb der bereits dynamisch angelaufenen Quartiersentwick-lung wahrnehmen. Sie unterstützt eine erhöh-te Sichtbarkeit von Gestaltung und Kunst in der Öffentlichkeit, denn ohne Zweifel hält der Dreispitz ein Potenzial für die Absolventinnen und Absolventen dieser Studienrichtungen bereit.

in Zusammenarbeit mit der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) entwickelt die Hochschule für Gestaltung und Kunst ein Kompetenznetzwerk für Cultural Entrepre-neurship. im Zentrum stehen die beruflichen Aussichten der Studierenden als künftige De-signerinnen und Designer sowie als Künstle-rinnen und Künstler und die Begleitung der Absolventinnen und Absolventen auf dem Weg in die Existenzgründung. Zahlreiche indizien aus dem Feld der Kreativwirtschaft sprechen dafür, dass die Zahl jener Studieren-den weiter ansteigen wird, die ihre berufliche Chance als Unternehmerinnen und Unter-nehmer erkennen und ergreifen wollen. Die Hochschule macht daher die Unterstützung kreativer Gründungsprozesse zu einer ihrer Schlüsselaufgaben und setzt dabei auch auf ihren neuen Standort: Kreative Jungunter-nehmen sollen teilhaben an der Transforma-tion des einst kaum zugänglichen Lager- und Gewerbeareals in einen urbanen Stadtteil.

Wissend, dass der Dreispitz mit seiner hohen Diversität an infrastruktur und Kompetenzen durch die hier ansässigen Unternehmen über ein grosses Potenzial verfügt, sucht die Hoch-schule für Gestaltung und Kunst den Dialog mit der Nachbarschaft.

Die nachhaltige Nachwuchsförderung im Rahmen des entstehenden Kompetenznetz-werks ist auf inklusion angelegt. So sollen schrittweise strategisch wichtige Bildungs-stätten des tertiären Sektors für eine Zusam-menarbeit gewonnen werden.

inhaltlich hat das Netzwerk vier thema-tische Schwerpunkte: Die ZHdK erarbeitet Aus- und Weiterbildungsangebote für Jung-unternehmerinnen und Jungunternehmer aus dem Kultur- und Kreativbereich und entwi-ckelt Formate der individuellen Laufbahnbe-ratung und Gründerservices. Die Hochschule für Gestaltung und Kunst legt den Fokus auf die Vernetzung wichtiger Stakeholder. Neben realen Begegnungen werden auch netzbasier-te Plattformen aufgebaut, sodass Studierende möglichst früh damit beginnen können, ihre persönlichen Netze zu knüpfen. Des Weite-ren wird anhand von Better Practice-Ansätzen samt neuen Finanzierungstypen ein Gründer-modell für die Kreativen erarbeitet. Dieses soll die Attraktivität für Startups- und Spin-offs auf dem Dreispitz erhöhen.

Die erste Förderphase des gemeinsam in-itiierten Projekts läuft bis Februar 2015 und wird finanziell unterstützt von der Gebert Rüf Stiftung sowie von der Avina Stiftung.

Caroline RoggoCaroline Roggo ist Leiterin Cultural Entrepreneurship an der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW

CLUSTER ODER GUANTANAMO ?KREATiVWiRTSCHAFT iM DREiSPiTZ

Das Dreispitzareal ist ein klassisches Gewerbe-gebiet, buntscheckig, mit einer grossen Nut-zungsvielfalt. Einem Filetstück gleich liegt es in der Stadtlandschaft zwischen Münchenstein und dem Gundeli. Deshalb sind die Stadt Ba-sel sowie Münchenstein und die Grundeigen-tümerin, die Christoph Merian Stiftung, daran interessiert, einerseits eine dichtere Nutzung mit höherer Wertschöpfung zu realisieren und andererseits das industriegebiet zu öffnen und in einem längeren Prozess in ein durchmisch-tes städtisches Quartier für Wohnen, Gewerbe, Freizeit und Kultur zu verwandeln.

Die Transformationsidee basiert auf einer Studie von Herzog & de Meuron aus dem Jahr 2002. Seither hat sich viel getan, besonders im Gebiet des ehemaligen Zollfreilagers. Mit der Eröffnung der Hochschule für Gestaltung und Kunst im nächsten Jahr kommt ein Kulturak-teur mit grossen Ambitionen in den Dreispitz und wird von hier mit Forschung und Lehre auch international ausstrahlen. Für eine ins-titution, die sich mit den zeitgenössischsten Formen der visuellen Kunst und des Designs, zum Beispiel der digitalen Kultur, ausein-andersetzt, gehören innovationen, Wandel, Transformationen zum daily business. Gerade deshalb ist die HGK im Dreispitz künftig am richtigen Ort.

Angesichts der Nähe von HGK und Schau-lager entwickelten Herzog & de Meuron die idee eines Campus des Bildes. Die Christoph

Merian Stiftung hat nun versucht, diese idee weiterzuspinnen. Heute heisst der Campus des Bildes – an das ehemalige Freilager anknüp-fend – Kunstfreilager. Dieses neue städtische Quartier soll Lehre und Forschung, Kunst-produktion, Kunstvermittlung, Kunstgewerbe und Kreativwirtschaft umfassen.

Erster Meilenstein war 2008 die Eröffnung der Dreispitzhalle durch das Festival der elek-tronischen Künste Shift. Hier finden seither viele Veranstaltungen wie zum Beispiel der Designmarkt statt. Zweiter Meilenstein war die Umnutzung eines ehemaligen Lagerge-bäudes an der Oslostrasse 10 zu einem Ateli-er-, Ausstellungs- und Gewerbebau. Das Haus Oslo beherbergt heute Radio X, die Fotogale-rie Oslo 8, den Young Art Space Oslo 10, zwei Fotobetriebe und einen Aufziehservice, das Haus für elektronische Künste und 16 Ateliers für 21 Kunstschaffende. Dritter Meilenstein war die Eröffnung der Rakete, des Container-baus für die Kreativwirtschaft (siehe Artikel unten), und vierter Meilenstein ist die Um-nutzung des Lagergebäudes Oslo 12 – 14. Hier wird im September 2014 zeitgleich mit der Fertigstellung der HGK das Haus für elekt-ronische Künste seinen definitiven Standort finden, und es werden Ateliers für ausländi-sche Gastkünstler des iaab und für regionale Autorinnen und Autoren eingerichtet.

So entsteht langsam, aber sicher ein Art Cluster im Kunstfreilager. So bestechend die idee der Dreispitz-Transformation für die einen ist, so abschreckend ist sie für andere. Wo bleibt da noch billiger Mietraum? ist das Ganze nicht ein gewaltiger Gentrifizierungs-prozess, in dem die Kunstschaffenden miss-braucht werden für die Renditeüberlegungen einer Stiftung? ist der Art Cluster nicht ein Kunst-Guantánamo in der Pampa?

Natürlich ist uns von der Christoph Meri-an Stiftung bewusst, dass die ganze Dreispitz-

DiE ANDERS-WiRTSCHAFTEiN PLÄDOYER FÜR DiE BASLER KREATiVWiRTSCHAFT

Basel hat jede Menge zu bieten, besonders was die Kreativwirtschaft angeht: Gute Aus-bildungsstätten, eine Szene, die an der einen oder anderen Stelle noch mehr Selbstbewusst-sein gegenüber Zürich vertragen könnte, und ein Bewusstsein für Wertigkeit und auch Frei-räume in der Stadt. Darüber hinaus gibt es eine Studie, die Kreativwirtschaft erst einmal als Wirtschaftszweig dargestellt hat, und eine initiative, die die Aufgabe hat, eine Lobby für die vielseitige Branche zu schaffen.

Alles gute Voraussetzungen, um der Krea-tivwirtschaft auch etwas zuzutrauen, und vor allem ihren Akteuren.

ich finde in Basel eine lebendige Kreativwirt-schaft mit vielen Potenzialen vor, der es aber an Anerkennung und passenden Plattformen mangelt. Viele Akteure wissen gar nicht, dass sie der Branche zugehören. Ein Musiker ist halt ein Musiker und ein Designer ein Desi-gner. So ist das Verständnis der Akteure. Dies ist aufgrund der Heterogenität der dreizehn Teilmärkte, in die die Kreativwirtschaft defi-nitionsgemäss eingeteilt ist, auch nicht ver-wunderlich.

Oftmals wird sowohl in Deutschland wie auch in der Schweiz alles in einen Topf ge-worfen, und die Unterschiede zwischen der

öffentlichen Förderung der Kultur, jener des tertiären Bereichs (Stiftungen, Vereine etc.)und der privatwirtschaftlich orientierten Kre-ativwirtschaft werden nicht erkannt. Sicher tut sich so mancher schwer, wenn Ökonomie und Kultur in einer engen Verbindung und Abhängigkeit gesehen werden. Das bedeutet nicht zugleich, dass ich dafür bin, dass die vom Staat geförderte Kultur beschnitten werden soll. Kultur ist für Basel mehr als nur ein wei-cher Standortfaktor. Wer aber alles sauber von einander trennen kann, versteht, dass die Kreativwirtschaft im Kern ein wichtiger Wirt-schaftszweig ist. Warum? Sicher sollten das Zahlen beweisen können, doch die Bedeutung eines Wirtschaftszweiges kann auch ganz an-ders gemessen werden. Was wäre unser Leben ohne die Produkte und Dienstleistungen der Kreativwirtschaft? innovationen entstehen doch unter dem Einfluss einer entsprechen-den ästhetischen Bildung und dank des krea-tiven und kulturellen Levels von Menschen. Das ist in Städten mit Traditionen nicht leicht verständlich. Vor allem, wenn eine Stadt wie Basel sich stark auf bestimmte Bereiche wie die Life Sciences konzentriert.

Die Kreativwirtschaft passt vor allem in das Weltbild des ständigen Wandels und des innovationsanspruchs. Ohne diese Branche wäre das Leben nicht nur trist, sondern auch rückständig. Sie unterliegt zwar genauso den Marktgegebenheiten wie die klassische Wirtschaft. Es wird in der gleichen Währung gezahlt, und die Grundsätze ordnungsgemäs-ser Buchführung gelten auch für die Kreativ-wirtschaft. Dennoch ist Kreativwirtschaft die «Anders-Wirtschaft». Woran kann man das festmachen? in der klassischen Wirtschaft wird Wissen gehortet, werden Kunden- und Lieferantenkontakte für sich behalten, um einen Wettbewerbsvorteil zu haben. Kreativ-wirtschaft hingegen teilt Wissen, arbeitet bran-chenübergreifend in Co-Working-Räumen oder finanziert sogar über Crowdfunding Unternehmensideen und Projekte. «Das An-

dere» liegt in der Dynamik und Haltung des Unternehmertums. in den ersten Schritten geht es den meisten Akteuren nur um das eine oder erste ökonomische Ziel: Miete zahlen und voller Kühlschrank. Mit einem solchen Anspruch, der viel Mut und Risiko voraussetzt, kann man starten.

Die Akteure der Kreativwirtschaft stellen sich oft in kürzester Zeit auf die wirtschafts-aktuellen Gegebenheiten ein. Wer jeden Tag eine Krise hat, wer die Herausforderung kennt, von der eigenen Kreativität zu leben und höchsten Ansprüchen gerecht zu wer-den, der weiss auch, wie die ganz kniffligen Dinge klappen. Davon könnte sich so manche Bank und Grossunternehmung eine Scheibe abschneiden.

Das Stellwerk Basel, in dem ich seit Januar als Geschäftsführer verantwortlich bin, ist ein guter Ort für die Akteure der Branche. Wir bieten Existenzgründern aus den Bereichen Architektur, Fotografie, Design und Kom-munikation als erstes kreativwirtschaftliches Gründerzentrum der Schweiz günstige Mieten und eine Begleitung in ihrer Selbstständigkeit sowie Netzwerke und Events an.

Von diesen guten Orten gibt es noch einige. Wichtig für die Basler Kreativwirtschaft ist, die bereits entstehenden Erfolge der lokalen Un-ternehmerinnen und Unternehmer sichtbar zu machen. Leider wird häufig nur darüber ge-sprochen, was alles schiefgeht. Verwaltung und Politik sowie die klassische Wirtschaft sollten im Umgang mit der «Anders-Wirtschaft» offe-ner und mutiger sein, und umgekehrt.

ich bin guter Hoffnung und verbreite ger-ne Euphorie für eine Branche, die in Basel und darüber hinaus grosse Aufmerksamkeit verdient.

Frank LemlohFrank Lemloh ist seit 2013 Geschäftsführer des Vereins Stellwerk Baselwww.stellwerkbasel.ch

in der Zwischenzeit hat sich viel getan: Zu-sammen mit der Gebert Rüf Stiftung unter-stützt die Christoph Merian Stiftung die Start-up Academy, weiter fördert sie Flatterschafft und zusammen mit der Ernst Göhner Stiftung den Verein Stellwerk, sie organisiert einen De-signwettbewerb zum Thema Papier – Schrift – Druck, unterstützt den Designmarkt sowie den Laufsteg Oslo, und sie schafft Raum für die Kreativwirtschaft mit dem Projekt Rakete. Schliesslich hat sich auch die HGK der Krea-tivwirtschaft zugewandt: Sie wird mit der Zür-cher Hochschule der Künste einen Lehrgang in «Cultural Entrepreneurship» anbieten. Wir haben unsere Partner eingeladen, ihre Projekte auf dieser Seite vorzustellen.

Auch der Kanton Basel-Stadt ist aktiv ge-worden, hat mit der Schaffung der initiative Kreativwirtschaft ein impulsprogramm im Sinne der Standortförderung lanciert und bietet mit der Website ikb.ch eine Plattform für die verschiedenen Branchenverbände und -vertreter.

All diese initiativen haben das Bewusst-sein für die Bedeutung der Kreativwirtschaft gestärkt, sie haben aber auch Diskussionen darüber ausgelöst, wie man in Basel die Krea-tiv- und Kulturwirtschaft fördert. Zum Glück. Die staatliche Kulturförderung darf Kreativ-wirtschaft zum Beispiel nicht mit Swisslos-Geldern fördern, und das Wirtschafts- und

Sozialdepartement versteht seine initiativen explizit nicht als Kultur-, sondern ausschliess-lich als Wirtschaftsförderung. «Kreative» sind schlecht organisiert, ein Branchenbewusstsein ist oft nicht vorhanden, und es gibt zu wenig oder zu wenig aktive Branchenverbände, die sich für die interessen ihrer Mitglieder einset-zen könnten (wie z.B. Balimage). So kämpft der Einzelne oft auf verlorenem Posten. Es ist deshalb wichtig, folgende Fragen zu stel-len und zu diskutieren: Wieviel Wirtschaft, wieviel «Kreation» soll gefördert werden, wie können Wirtschafts- und Kulturförderung verzahnt werden? Welche Branchen sollen in Basel prioritär unterstützt werden? Sollen strukturelle Schwächen beseitigt oder eher Stärken gestärkt werden? Wie können Nach-wuchs, Jungunternehmertum und Exzellenz gleichermassen gefördert werden? Die Fragen enthalten Zündstoff, Dynamit, und genau da-rum geht es ja: um zündende ideen und das Feuer für innovation.

Wir von der Christoph Merian Stiftung werden uns weiterhin für die Schaffung von günstigen Werk- und Atelierräumen, für nie-derschwellige Plattformen der Werk-, Produkt- und Labelpräsentation, für die Nachwuchs-förderung und die betriebliche Beratung einsetzen.

Beat von Wartburg

— EiN GEWALTiGER

GENTRiFiZiERUNGS-PROZESS ?

Transformation eine top-down gesteuerte Ent-wicklung ist. Und wir wissen auch, dass Kunst- und Kreativwirtschaftsnutzungen nicht auf dem Reissbrett entstehen, sondern bottom-up. Dennoch glauben wir, dass das Kunstfreilager eine grosse Chance für die Kultur ist. Es ist die einmalige Möglichkeit, die Kunst in der Stadtlandschaft zu verorten, für die Kunst ei-nen Ort zu schaffen, der sich für einmal nicht durch Musealität auszeichnet, sondern durch Lebendigkeit (über 1 000 Studierende werden hier täglich verkehren), durch künstlerische und gewerbliche Produktion, durch die Re-flexion über Kunst, durch interdisziplinäre, forschende Kunst.

Die Transformation des Dreispitz ist ein Generationenprojekt, ein langsamer Prozess, und das hat Vorteile. Denn noch bietet der Dreispitz viele Nischen; Nischen, die zahlrei-che Kulturschaffende bereits für sich entdeckt haben, für den Bandraum, das Architektur-büro, das Hindu-Kulturzentrum, die basel-city studios, Urban Farming, und und und. Es

ist ein Ort für private initiativen, für Men-schen, die an sich und ihre ideen glauben. Das Hinterhof-Projekt ist ein gutes Beispiel dafür. Hier hat eine Gruppe von Leuten mit idealis-tischen Zielen den Versuch gewagt, kommer-zielle Musik-, Bar- und Partykultur mit einem künstlerischen Anspruch zu verbinden, und die Hinterhof-Crew hat Erfolg damit.

Das Kunstfreilager ist eine idee, die Wirk-lichkeit wird, aber in keinem Fall ein mono-polistisches Unternehmen. Nicht alles muss hierherkommen und hier stattfinden. Und weil die Christoph Merian Stiftung nur dann philantropisch tätig sein kann, wenn sie auch an die Rendite im immobiliengeschäft denkt, findet die Transformation des Dreispitz in je-dem Fall statt – mit oder ohne Kultur. Wir finden, es wäre besser mit. Denn Kultur be-deutet Leben und Lebensqualität. Kultur tut dem Dreispitz gut, der Dreispitz kann aber auch der Kultur gut tun.

Beat von Wartburg

LAUFSTEG OSLOWas im vergangenen Jahr mit grosser Unge-wissheit als Versuch lanciert wurde, stand nach der erfolgreichen ersten Ausgabe seine Bewäh-rungsprobe. Kann sich die Veranstaltung nun einen festen Platz im Basler Kulturkalender sichern?

Die Rede ist von Laufsteg Oslo, der ein-tägigen Modeveranstaltung mit Modeschau und Modemarkt zur Förderung nationaler Jungdesignerinnen und aufstrebender Mode-labels, die am 4. Mai 2013 ihre Tore öffnete. Eine Freundin, gelernte Modedesignerin, war

überzeugt, dass ein solcher Event bei vielen Modeschaffenden Anklang finden würde, was sich nach kurzer Recherche durch uns bestätigte.

Mit der idee vor Augen, junge Modelabels zu fördern, die noch nicht auf dem Markt etabliert sind, und ihnen die Möglichkeit zu bieten, sich und ihre Kollektionen zu präsen-tieren, machten wir vom Verein Tor13 uns vor etwas mehr als einem Jahr an das Projekt Laufsteg Oslo. Keiner der Organisatoren war in der Modebranche tätig oder hatte schon

einmal eine Modeveranstaltung organisiert. Die Überzeugungskraft dieser idee, die Ge-wissheit, dass die Nachfrage seitens der Mode-schaffenden vorhanden ist, die Erfahrung im Bereich Eventmarketing und in der Organisa-tion musikalischer Events waren uns Antrieb genug.

Unsere Unerfahrenheit im Feld Modeveran-staltung brachte uns dazu, im stetigen Kontakt mit den Labels zu sein, auf ihre Vorstellungen und ideen einzugehen und uns auch Tipps zu holen. Wir merkten bald, dass dieser rege Austausch zu unserer Stärke wurde, darum probieren wir auch dieses Jahr auf ihre Wün-sche und Bedürfnisse einzugehen. Schliesslich sind es die Designer und Designerinnen und ihre Produkte, die während dieser Veranstal-tung im Vordergrund stehen.

Die wichtigste Frage, die sich stellte, war 2012: Wie finanzieren wir diesen Event? Die teilnehmenden Labels sollten einen möglichst kleinen Unkostenbeitrag zahlen müssen, da-rüber waren wir uns schnell einig. Da wir überhaupt nicht wussten, ob diese Modever-anstaltung auch Publikum anzieht, beschlos-sen wir, keinen Eintritt zu verlangen. Darum mussten wir versuchen, einerseits andere Einnahmequellen zu finden und andererseits die Ausgaben möglichst tief zu halten. Auf der Suche nach Räumlichkeiten, die unseren

Vorstellungen entsprachen, wurden wir dank der Christoph Merian Stiftung auf dem Drei-spitzareal fündig. Da dieses Vorhaben an ein Schulprojekt gekoppelt war, erhielten wir von den Unternehmen, von denen wir inventar mieteten, Rabatte, was uns half, die Kosten tief zu halten. Um mehr Einnahmen zu gene-rieren, organisierten wir eine Afterparty und einen Koch, der direkt vor Ort kochte – beides, um für Abwechslung zu sorgen und um die Leute so länger vor Ort zu halten und damit höhere Einnahmen beim Getränkeverkauf zu erzielen.

Dieses Jahr kam als Schwierigkeit dazu, dass Laufsteg Oslo kein Schulprojekt mehr ist und einige Rabatte wegfielen, was die Ausgaben in die Höhe schnellen liess. Wir wollten aber an unserem Konzept festhalten und warben darum um Sponsoren. Dies bedeutete mehr Aufwand, aber wir wollten über eine gewisse finanzielle Sicherheit verfügen. Ausserdem be-schlossen wir, dieses Jahr Eintritt zu verlangen, was sich bewährte, denn die Leute erschienen trotzdem so zahlreich wie letztes Jahr.

Ben AndristBen Andrist ist Logistikexperte. Privat engagiert er sich im Kulturverein tor13, der die zweite Design-Show Laufsteg Oslo am 4. Mai 2013 im Dreispitzareal organisierte.

g Klamott gg Kate Frank

KREATIv wIRTsChAfTSCHWERPUNKT

Viel diskutiert und nur zögerlich gefördert ist sie: die Kreativwirtschaft. Warum eigentlich? Shortcut stellt die Kultur- und Kreativwirtschaft zur Diskussion und einzelne konkrete Projekte vor

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Kausale Logik

Kreativwirtscha�s-Politik-Logik

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Ziel

Wer bin ich?Was weiss ich?

Wen kenne ich?Was kann ich

TUN?

mehr Mittel (Ressourcen expandiert)

neue Richtung (Randbedingungen konvergiert)

Interaktion mitanderen

Menschen

Vereinbarungmit

Stakeholdern

neueMittel

neueZieleverfügbare

Mittel

die Siedlung innerhalb von nur zwei Wochen aufgebaut. Die L-förmig angeordnete und drei-stöckig gestapelte Container-Anlage besteht aus 39 vorfabrizierten Modulen à 25 m2. Sie sind isoliert und mit Zentralheizung und gros-sen Fenstern ausgestattet. Die Erschliessung funktioniert über Laubengänge, und eine 17 m hohe Aussichtsplattform im innenhof ermög-licht einen weitläufigen Panoramablick. Die Miete pro Modul und Monat beträgt ChF 485 inkl. Nebenkosten, Strom, Heizung und in-ternet.

Die Christoph Merian Stiftung ist eben-falls in der Rakete stationiert. Anhand eines regelmässig aktualisierten Architektur modells kann die Öffentlichkeit die dynamische Ent-wicklung und den Baufortschritt im Dreispitz mitverfolgen. Somit wird die Rakete zum Be-gegnungsraum der Nutzer, der Öffentlichkeit und der Stiftung.

Ein auf fünf Jahre befristetes Mietverhältnis ist Teil des Konzeptes; nach dieser Phase wird

die Rakete ab- und an einem anderen Standort im Dreispitz wieder neu aufgebaut. Auf diese Weise profitieren neue Jungunternehmer von der Gelegenheit günstiger Räume. Und die Stiftung achtet bei der Vergabe der Container darauf, dass sich die Nutzungen ergänzen und nicht behindern. Von der Mietpartei wird eine aktive Teilnahme am Leben in der Container-siedlung erwartet sowie Toleranz, Flexibilität und gegenseitiger Respekt. Am 1. Dezember 2012 bezogen die Mieter ihre Ateliers und Büros, am 1. März 2013 hob die Rakete mit einem Fest und einem Tag der offenen Türen offiziell ab.

Christoph Meneghettiwww.rakete-dreispitz.ch

DiE RAKETEEiN RAUMFAHRTPROGRAMM

Die Kreativszene braucht günstigen Raum zum Arbeiten und Ausprobieren. Nicht nur die Kreativwirtschaftsstudie des Wirtschafts- und Sozialdepartements, sondern auch zahl-reiche Gespräche mit Nutzerkreisen haben gezeigt, dass der Raum bedarf gross ist. Das Dreispitzareal eignet sich genau für solche Be-triebe wie kaum ein anderer Standort, denn erstens hat das Kunstfreilager frischen Wind und neue (kulturelle) Nutzungen auf den Dreispitz gebracht und zweitens ist und bleibt der Dreispitz ein Arbeitsgebiet. Und drittens entstehen hier im Zug der dynamischen Are-alentwicklung Chancen, so zum Beispiel die Vakanz einer Parzelle an prominenter Lage nahe der Tramstation Dreispitz, an der Mün-chensteinerstrasse 274.

Die Christoph Merian Stiftung hat die An-liegen der Kreativszene aufgenommen und die Chance dieses attraktiven Standorts am Schopf gepackt, um gemeinsam das Projekt Rakete Dreispitz zu initiieren. Der Name Rakete steht

für die zündende idee und die Schubkraft, mit denen Startups der Kreativ- und Kulturwirt-schaft neue Unternehmungen gründen und vorantreiben. in Anlehnung an das Projekt Basis lager in Zürich entwickelte die Stiftung eine Siedlung aus Büro-Containern, die güns-tig zu erstellen und ebenso günstig zu vermie-ten ist und an verschiedenen Standorten im Dreispitz verwendet werden kann.

Die Rakete ist somit eine mobile immobilie mit wechselnder Besetzung und flexiblem Be-zug zum jeweiligen Standort, eine Startrampe, wo Jungunternehmer gemeinsam etwas auf-bauen können. Die Kommission der Christoph Merian Stiftung hat im Januar 2012 einen Bau-kredit von ChF 2,2 Millionen gesprochen. Ziel ist es, mit dieser investition längerfristig eine schwarze Null zu erwirtschaften; die Rakete ist kein Wohlfahrtsprogramm, sondern vielmehr ein Raumfahrtsprogramm.

Nach einer anderthalb Jahre dauernden Planungs- und Vorbereitungsphase wurde

NEUEM NEU BEGEGNENEiN PLÄDOYER FÜR EiNE UNTERNEHMERiSCHE UND KREATiVE POLiTiK

mit DER KULTUR- UND KREATiVWiRTSCHAFT

Politik macht sich weltweit neuerdings gerne stark für eine wachsende Kultur- und Kreativ-wirtschaft. Doch umgekehrt wird ein Schuh draus: Die Politik wird vor allem von und mit der Kultur- und Kreativwirtschaft – von ihren Prozessen und Strukturen – lernen können. Vor allem kooperative Politik-Ansätze, die komplexen Handlungssituationen, Heteroge-nität und rasanter Dynamik Rechnung tragen, können sich hierbei zukünftig als besonders produktiv erweisen:

Die neuere Entrepreneurship-Forschung 1 hat das Denken, Entscheiden und Handeln erfolgreicher Unternehmer untersucht und dabei nachgewiesen, dass diese – vor allem in Situationen der Ungewissheit –

1. nicht einen am grünen Tisch entwickelten Plan in die Tat umsetzen, sondern auf der Grundlage der vorhandenen Mittel arbeiten;

2. in Partnerschaften grössere Sicherheit schaf-fen, indem sie kooperativ ihre Ziele modifi-zieren oder ihre Mittel erweitern;

3. darauf verzichten, die Zukunft vorhersa-gen zu wollen, und sich stattdessen darauf beschränken, sie sukzessiv zu gestalten;

4. Zufälle nutzen, um ihren Horizont zu er-weitern und sich zu innovationen anregen zu lassen.

Dabei sollte einer Verwechslung vorgebeugt werden: Entrepreneurship bedeutet nicht zwingend Ökonomisierung. Unternehmeri-sches Denken und Handeln kann im Kon-text sehr unterschiedlicher, materieller wie immaterieller Wertesysteme geschehen. Eine kreativwirtschaftlich-unternehmerische Poli-tik muss zukünftig besonders einer Aufgabe Aufmerksamkeit schenken, die in der inter-nationalen Governance-Forschung als erfolgs-kritisch beschrieben wird: Capacity Building, also die Kompetenzentwicklung der Akteure auf allen Ebenen. 2 Die heterogenen Netzwer-ke der Kultur- und Kreativwirtschaft sind prä-destiniert dazu, ein gemeinsames Lernen und auch ein Voneinander-Lernen zu ermöglichen. Aber braucht es denn überhaupt postheroi-sche Humusentwicklung oder Leuchtürme für die (Un-)Branche?

Einen erfolgversprechenden neuen Ansatz-punkt dazu liefert das dynamische Modell der Entrepreneurship-Forschung «Effectuation».

Nach Auffassung des Autors Michael Fasching-bauer sind Ausgangspunkt für gelungene Alli-anzen immer die handelnden Personen. Auf dieser Basis werden, im Rahmen dessen, was für die unterschiedlichen Partner leistbar ist und attraktiv erscheint, verbindliche Verein-barungen ausgehandelt. 1 Kooperative Politik beruht darauf, verbindliche Vereinbarungen mit denen einzugehen, die neue Mittel und Zielvorstellungen einbringen können und wollen.

Prinzip der Mittelorientierung für eine kooperative Politik mit der Kultur- und Kreativ wirtschaftKausales Vorgehen beruht auf Zielorientie-rung: Zuerst visiert man ein bestimmtes Ziel an, dann macht man Pläne und erschliesst geeignete Mittel, um genau dieses Ziel oder erwünschte Ergebnis zu erreichen. Kooperati-ve Politik mit der Kulturwirtschaft hingegen beruht auf mittelorientierung: Man erhebt die aktuell verfügbaren Mittel und fokussiert auf die Erschliessung der Ergebnisse, die sich mit den vorhandenen Mitteln erzielen lassen. Dem

Machbaren wird der Vorzug gegenüber dem Gewünschten gegeben.

Den Unterschied zwischen kausaler Ziel-orientierung und Mittelorientierung einer kooperativen Politik zeigt Abbildung 2.

Die verschiedenen Ansätze sind gut mit einer Metapher aus dem Alltag zu beschrei-ben – dem Kochen eines Essens: Kausal würde man ein Gericht und das dazugehörige Rezept auswählen, eine entsprechende Einkaufsliste zusammenstellen, die Zutaten besorgen und nach den vorgegebenen Schritten des Rezepts, das Gericht zubereiten.

Beim kooperativen Ansatz würde man eine Einladung aussprechen und die Gäste bitten, interessante Zutaten unabgesprochen mitzu-bringen. Dann würde man sich in die Küche setzen und gemeinsam überlegen: Welche möglichen Gerichte können wir mit allem, was in der Küche vorhanden und durch das Netzwerk erreichbar ist, zubereiten?

Auf beiden Wegen lassen sich hervorra-gende Gerichte zubereiten. Um allerdings die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass etwas Neues entsteht, ist die klare Empfehlung, der zweite Weg. Denn beim Standort-Wettbewerb um die hart umworbenen kreativen Talente werden wahrscheinlich jene Standorte die Nase vorne haben, die den Mut haben, zum Kochen ohne Rezept einzuladen. Denn: Neuem muss neu begegnet werden!

Christoph BackesChristoph Backes ist ideenlotse, Geschäftsführer u-ins-titut in Bremen, Gründungsgeschäftsführer des Grün-derZentrums Kulturwirtschaft Aachen, Lehrbeauftrag-ter an verschiedenen Hochschulen in Deutschland und der Schweiz sowie Berater der initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der deutschen Bundesregierung so-wie des RKW Kompetenzzentrums Kultur- und Krea-tivwirtschaft des Bundes in Deutschland.

Literaturhinweise:1 Faschingbauer, M. (2010). Effectuation – Wie er-folgreiche Unternehmer denken, entscheiden und handeln. Düsseldorf: Schäffer-Poeschel2 Willke, H. (2007). Smart Governance – Governing the Global Knowledge Society (S. 178 ff.). Frankfurt/New York: Campus Verlag

STECKBRiEF

Büro- und Ateliercluster für die Kreativwirtschaft (Containergebäude aus 39 Modulen)

Bauherrschaft Christoph Merian Stiftung

Gesamtkosten Projekt ChF 2,2 Mio.

Standort Münchensteinerstrasse 274,

4053 Basel (Dreispitz)

Grundstücksfläche 960 m2

Freiflächen 420 m2

Bruttogeschossfläche 1 500 m2

Hauptnutzfläche 1 000 m2

Geschosszahl 3

Bauvolumen 4 500 m3

Masse Einzelcontainer 10 m × 3 m × 3 m

Mietpreis ChF 485.– pro Container-Modul inkl. NK, Strom, internet und

Heizkosten

Planer in situ / NRS Team, Basel

Architektur und Bauleitung

emyl, Basel innenarchitektur und

Szenographie

Hauser, Schwarz, Basel Grafik und Beschriftung

Container Alho Systembau AG,

Wikon

Abbildung 1: Dynamisches Modell Effectuation (nach Sarasvathy & Dew) 1

Abbildung 2 (nach Sarasvathy)

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STARTUP ACADEMYSENSiBiLiSiEREN, VERNETZEN UND RÄUME BEREiTSTELLEN

Mit dem Neuwort «Kreativwirtschaft» sind Hoffnungen verbunden, an Ressourcen he-ranzukommen, die sich bislang erfolgreich der kommerziellen Verwertbarkeit entzogen haben. Wer sich mit der Kreativwirtschaft beschäftigt, wie das verschiedene Organisa-tionen bereits tun, muss deswegen behutsam vorgehen. Eine davon ist die Startup Academy, ein gemeinnütziger Verein, der Jungunterneh-merinnen und Jungunternehmer auf ihrem Weg in die berufliche Selbstständigkeit be-gleiten will, indem er sie mit Hochschulen und der Wirtschaft vernetzt. Gegenwärtig befinden sich 30 Jungunternehmen im Be-gleitprogramm der Startup Academy, rund die Hälfte kann der Kreativwirtschaft zugeordnet werden.

Viele Kreative sind heute sozusagen im Nebenamt kreativ, also ohne gross zu inves-tieren, mit typisch schweizerischer Solidi-tät. Sie arbeiten Teilzeit, konkretisieren ihre Geschäftsideen in Reststunden und starten ihre Einzelfirmen mit langem Atem. Oft ist die Preisgestaltung selbstausbeuterisch, be-triebswirtschaftliches Feedback verpönt, und gegenüber Finanzzahlen wehrt man sich mit lässiger Unlust.

Die Startup Academy versucht hier zu sen-sibilisieren und zu informieren. Sie vermittelt Personen in unterschiedlichen Rollen, die alle wirtschaftlich denken: Das sind Studierende der Betriebsökonomie oder Berufsleute und Unternehmer, die sich als Mentoren speziell um ein Jungunternehmen kümmern. Selbst- und Fremdbild werden dabei ebenso hinter-fragt wie wirtschaftliche Fakten von kreativen Wünschen getrennt. Um eine gleichbleibende Qualität zu erreichen, durchlaufen alle Start-ups zusätzlich eine Reihe von Checks durch Fachleute, insbesondere in den Bereichen Geschäftsidee, Persönlichkeit, Finanzierung, Treuhand und Logistik.

Bei diesen Besprechungen, aber auch in spontanen Gesprächen, bei Netzwerkanlässen, Workshops und Stammtischen findet ein Er-fahrungsaustausch statt, der oft selbstgesteuert ist. Und mit jedem neuen Startup wird das Netzwerk in der jeweiligen Branche dichter und tragfähiger.

Aus biografischer Sicht existieren gewöhn-lich drei, vier ideale Zeitfenster, in denen man sich selbstständig macht. Wer viele Personen in unterschiedlichen Rollen mit Leuten zu-sammenzubringt, die sich in solchen Zeitfens-tern befinden, nutzt dies. Neben der idealen Zeit hat der konkrete Raum eine wichtige Bedeutung: Sobald sich Leute in einem ge-eigneten Raum begegnen, entsteht ein kre-ativer Mehrwert. Hier profitiert die Startup Academy von einem Einrichtungsdesign, das unter Federführung von Vitra entwickelt und inzwischen am Picassoplatz in Basel erstmals umgesetzt wurde. Kurz: Es braucht intelligent gestalteten, zentral gelegenen und bezahl-baren Raum, der zur praktischen Nutzung motiviert und zum gedanklichen Austausch anregt. Wo das gegeben ist, muss man bald darüber nachdenken, wie weitere Räume mit denselben funktionalen Eigenschaften hinzu-gemietet werden können. Denn gross ist die Nachfrage und schnell wird Raum knapp.

Zur Förderung der Kreativwirtschaft im Raum Basel wird die Startup Academy wei-terhin diese Themen vorantreiben: sensibili-sieren, vernetzen und intelligent eingerichtete Räume an verschiedenen Orten offerieren.

Florian BlumerProf. Dr. Florian Blumer ist Professor für Wirtschafts-kommunikation an der Hochschule für Wirtschaft Basel (FHNW) und Mitinitiant und Vorstandsmitglied der Startup Academywww.startup-academy.ch

DYNAMO UND DYNAMiTDiE KREATiV WiRTSCHAFT BRAUCHT iNiTiATiVEN

Private und öffentliche Kulturförderer haben seit jeher Projekte verschiedenster kreativwirt-schaftlicher Branchen unterstützt – vielleicht ohne sich dessen bewusst zu sein: Bücher, Fil-me, Konzerte usw., kurz Projekte, die ohne För-derung nicht auf den Markt kommen könnten, insbesondere in der Schweiz, wo der Markt klein, oft zu klein ist. Obwohl verschiedenste Studien gezeigt haben, dass die Kreativwirt-schaft zwar kleinteilig organisiert, aber den-noch als Wirtschafts- und Standortfaktor ernst zu nehmen ist, tun sich die öffentliche Hand, aber auch private Förderinstitutionen mit der Förderung der Kreativwirtschaft schwer. Denn noch immer denken viele, dass es nur unkommerzielle Kultur oder kommerzielle Kultur gibt, wobei für viele Kulturschaffende und -förderer die Erste gut, die Zweite ver-dächtig ist. Für andere wiederum ist es gerade umgekehrt: Unkommerzielle Kultur ist Luxus und kommerzieller Mainstream gut. Dabei ist die Grenze zwischen Kommerz und Kultur fliessend und das Schwarz-Weiss-Denken im rauen politischen Diskurs gefährlich.

Mit dem Kunstfreilager im Dreispitz und der dortigen Nachbarschaft zur Hochschu-le für Gestaltung und Kunst (HGK) stellte

sich auch für die Christoph Merian Stiftung die Frage, ob und wie sie künftig Kreativwirt-schaft fördern möchte. Sie hat deshalb vor drei Jahren zusammen mit der Gebert Rüf Stiftung, dem Gewerbeverband, «Kulturstadt jetzt» und dem Stellwerk eine Arbeitsgruppe gebildet, um herauszufinden, welche konkre-ten Projekte der Kreativwirtschaft in Basel im Allgemeinen und den Studienabgängern der HGK im Besonderen am meisten Nutzen bringen können. in diesem Prozess, gecoacht von Christoph Backes aus Bremen (www.ideenlotsen.de), haben sich unter dem Titel «Dynamo Basel» elf mögliche Massnahmen herauskristallisiert.1. braucht es eine Koordinationsstelle, 2. Wettbewerbe,3. neue Plattformen (Messen, Festivals), 4. ideentransfer (import, Export, ideen-

piraterie), 5. Mentoring / Coaching, 6. zielgruppenspezifische Netzwerkbildung, 7. eine Raumagentur, 8. Mikrokredite und Risikokapital,9. Modellprojekte 10. einen Expertenpool (train the trainer), und 11. braucht es Nachwuchsförderung («U25»).

DREi AUF EiNEN STREiCH!EiN DESiGNWETTBEWERB FÜR PAPiER – SCHRiFT – DRUCK

Einen grossen Teil ihrer Fördermittel inves-tiert die Christoph Merian Stiftung in dau-erhafte Partnerschaften mit institutionen, an deren Gründung sie beteiligt war. So unter-stützt sie die Basler Papiermühle, das Haus für elektronische Künste und Literatur Basel jährlich mit bedeutenden Zuschüssen an die Betriebskosten. Nun möchten wir mit einem Designwettbewerb ein neues Förderformat lancieren, das in dreifacher Hinsicht Wirkung erzielen soll.

Nach 30 Betriebsjahren stand kürzlich eine betriebliche, inhaltliche und bauliche Erneu-erung der Papiermühle an. Und nun soll das Tüpfelchen auf dem i folgen: Eine Erneuerung der Produktepalette. Die Basler Papiermühle ist ja nicht nur ein Muse-um, sondern auch ein Produktionsbetrieb für die «weisse» und die «schwarze» Kunst. Vor den Augen der Muse-umsbesucher werden Pa-piere und Druckerzeug-nisse hergestellt. Die Papier- und Druckpro-duktion trägt wesentlich zum hohen Eigen-wirtschaftlichkeitsgrad des nichtstaatlichen Museums bei. Deshalb ist das Museum auf gute Produkte und gute Verkäufe angewiesen.

Der Designwettbewerb, den die Stiftung lanciert hat, setzt genau hier an, indem er der Papiermühle ermöglichen soll, neue ver-kaufsfähige Produkte zu entwickeln und zu produzieren. Zugleich soll der Wettbewerb die junge Basler Kreativwirtschaft, das De-signschaffen fördern und die Zusammen-arbeit mit der Hochschule für Gestaltung und Kunst (HGK), dem baldigen grossen Player im

Kunstfreilager Dreispitz, intensivieren. Der Wettbewerb richtet sich deshalb vor allem an junge Designerinnen und Designer insbeson-dere der Fachrichtungen industrial Design, Visual Communication und Szenografie, die an der HGK studieren oder hier seit 2008 ab-geschlossen haben. Aber auch Studierende und Alumni anderer Hochschulen, die seit 2008 abgeschlossen haben, sind zugelassen, sofern sie in Basel wohnen oder arbeiten.

Prämiert werden von der Basler Papier-mühle herstellbare und/oder verkäufliche Objekte resp. Produkte aus den Bereichen Pa-

pier, Schrift und Druck wie zum Beispiel Papier-lampen, Teelichter, klei-nere Möbel aus Papier, Briefpapier, Journale, Tagebücher, Schriftpro-dukte, digitale Schriftsät-ze etc. Da die Produkte im Museumsshop ange-boten werden, sollte der maximale Endverkaufs-preis ChF 1 000 nicht übersteigen. Eine Jury bewertet die eingesand-ten Projekte.Nach der Vorselektion

gelangen 20 Objekte in die engere Auswahl. Diese sollen nach Abschluss des Wettbewerbs in einer Broschüre und mit einer kleinen Aus-stellung vorgestellt werden. Es gibt folgende drei Preiskategorien: Ein Hauptpreis à ChF 10 000, zwei weitere Hauptpreise à je ChF 5 000 und vier Förderpreise à je ChF 2 000. Der Ein-gabetermin für die Produktvorschläge ist der 21. Juni 2013.

Beat von WartburgWettbewerbsunterlagen: www.papierschriftdruck.ch

DiE HGK ALS PARTNERiNiM DiALOG MiT DER KULTUR- UND KREATiVWiRTSCHAFT

Der neue Campus der Hochschule für Ge-staltung und Kunst (HGK) auf dem Dreispitz wird 2014 bezugsfertig. Ab dann sind auf dem Dreispitz rund 750 Studierende und 200 Do-zierende an einem Ort vereint. Das umgebaute Zollfreilager sowie der achtgeschossige Neu-bau am Freilager-Platz werden das neue Domi-zil für die derzeit noch auf acht Standorte in Basel, Muttenz und Aarau verteilten Einheiten der Hochschule. Mit der Zusammenführung aller institute und Disziplinen an einem für die Kreativwirtschaft interessanten Ort will die Hochschule ihre Rolle innerhalb der bereits dynamisch angelaufenen Quartiersentwick-lung wahrnehmen. Sie unterstützt eine erhöh-te Sichtbarkeit von Gestaltung und Kunst in der Öffentlichkeit, denn ohne Zweifel hält der Dreispitz ein Potenzial für die Absolventinnen und Absolventen dieser Studienrichtungen bereit.

in Zusammenarbeit mit der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) entwickelt die Hochschule für Gestaltung und Kunst ein Kompetenznetzwerk für Cultural Entrepre-neurship. im Zentrum stehen die beruflichen Aussichten der Studierenden als künftige De-signerinnen und Designer sowie als Künstle-rinnen und Künstler und die Begleitung der Absolventinnen und Absolventen auf dem Weg in die Existenzgründung. Zahlreiche indizien aus dem Feld der Kreativwirtschaft sprechen dafür, dass die Zahl jener Studieren-den weiter ansteigen wird, die ihre berufliche Chance als Unternehmerinnen und Unter-nehmer erkennen und ergreifen wollen. Die Hochschule macht daher die Unterstützung kreativer Gründungsprozesse zu einer ihrer Schlüsselaufgaben und setzt dabei auch auf ihren neuen Standort: Kreative Jungunter-nehmen sollen teilhaben an der Transforma-tion des einst kaum zugänglichen Lager- und Gewerbeareals in einen urbanen Stadtteil.

Wissend, dass der Dreispitz mit seiner hohen Diversität an infrastruktur und Kompetenzen durch die hier ansässigen Unternehmen über ein grosses Potenzial verfügt, sucht die Hoch-schule für Gestaltung und Kunst den Dialog mit der Nachbarschaft.

Die nachhaltige Nachwuchsförderung im Rahmen des entstehenden Kompetenznetz-werks ist auf inklusion angelegt. So sollen schrittweise strategisch wichtige Bildungs-stätten des tertiären Sektors für eine Zusam-menarbeit gewonnen werden.

inhaltlich hat das Netzwerk vier thema-tische Schwerpunkte: Die ZHdK erarbeitet Aus- und Weiterbildungsangebote für Jung-unternehmerinnen und Jungunternehmer aus dem Kultur- und Kreativbereich und entwi-ckelt Formate der individuellen Laufbahnbe-ratung und Gründerservices. Die Hochschule für Gestaltung und Kunst legt den Fokus auf die Vernetzung wichtiger Stakeholder. Neben realen Begegnungen werden auch netzbasier-te Plattformen aufgebaut, sodass Studierende möglichst früh damit beginnen können, ihre persönlichen Netze zu knüpfen. Des Weite-ren wird anhand von Better Practice-Ansätzen samt neuen Finanzierungstypen ein Gründer-modell für die Kreativen erarbeitet. Dieses soll die Attraktivität für Startups- und Spin-offs auf dem Dreispitz erhöhen.

Die erste Förderphase des gemeinsam in-itiierten Projekts läuft bis Februar 2015 und wird finanziell unterstützt von der Gebert Rüf Stiftung sowie von der Avina Stiftung.

Caroline RoggoCaroline Roggo ist Leiterin Cultural Entrepreneurship an der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW

CLUSTER ODER GUANTANAMO ?KREATiVWiRTSCHAFT iM DREiSPiTZ

Das Dreispitzareal ist ein klassisches Gewerbe-gebiet, buntscheckig, mit einer grossen Nut-zungsvielfalt. Einem Filetstück gleich liegt es in der Stadtlandschaft zwischen Münchenstein und dem Gundeli. Deshalb sind die Stadt Ba-sel sowie Münchenstein und die Grundeigen-tümerin, die Christoph Merian Stiftung, daran interessiert, einerseits eine dichtere Nutzung mit höherer Wertschöpfung zu realisieren und andererseits das industriegebiet zu öffnen und in einem längeren Prozess in ein durchmisch-tes städtisches Quartier für Wohnen, Gewerbe, Freizeit und Kultur zu verwandeln.

Die Transformationsidee basiert auf einer Studie von Herzog & de Meuron aus dem Jahr 2002. Seither hat sich viel getan, besonders im Gebiet des ehemaligen Zollfreilagers. Mit der Eröffnung der Hochschule für Gestaltung und Kunst im nächsten Jahr kommt ein Kulturak-teur mit grossen Ambitionen in den Dreispitz und wird von hier mit Forschung und Lehre auch international ausstrahlen. Für eine ins-titution, die sich mit den zeitgenössischsten Formen der visuellen Kunst und des Designs, zum Beispiel der digitalen Kultur, ausein-andersetzt, gehören innovationen, Wandel, Transformationen zum daily business. Gerade deshalb ist die HGK im Dreispitz künftig am richtigen Ort.

Angesichts der Nähe von HGK und Schau-lager entwickelten Herzog & de Meuron die idee eines Campus des Bildes. Die Christoph

Merian Stiftung hat nun versucht, diese idee weiterzuspinnen. Heute heisst der Campus des Bildes – an das ehemalige Freilager anknüp-fend – Kunstfreilager. Dieses neue städtische Quartier soll Lehre und Forschung, Kunst-produktion, Kunstvermittlung, Kunstgewerbe und Kreativwirtschaft umfassen.

Erster Meilenstein war 2008 die Eröffnung der Dreispitzhalle durch das Festival der elek-tronischen Künste Shift. Hier finden seither viele Veranstaltungen wie zum Beispiel der Designmarkt statt. Zweiter Meilenstein war die Umnutzung eines ehemaligen Lagerge-bäudes an der Oslostrasse 10 zu einem Ateli-er-, Ausstellungs- und Gewerbebau. Das Haus Oslo beherbergt heute Radio X, die Fotogale-rie Oslo 8, den Young Art Space Oslo 10, zwei Fotobetriebe und einen Aufziehservice, das Haus für elektronische Künste und 16 Ateliers für 21 Kunstschaffende. Dritter Meilenstein war die Eröffnung der Rakete, des Container-baus für die Kreativwirtschaft (siehe Artikel unten), und vierter Meilenstein ist die Um-nutzung des Lagergebäudes Oslo 12 – 14. Hier wird im September 2014 zeitgleich mit der Fertigstellung der HGK das Haus für elekt-ronische Künste seinen definitiven Standort finden, und es werden Ateliers für ausländi-sche Gastkünstler des iaab und für regionale Autorinnen und Autoren eingerichtet.

So entsteht langsam, aber sicher ein Art Cluster im Kunstfreilager. So bestechend die idee der Dreispitz-Transformation für die einen ist, so abschreckend ist sie für andere. Wo bleibt da noch billiger Mietraum? ist das Ganze nicht ein gewaltiger Gentrifizierungs-prozess, in dem die Kunstschaffenden miss-braucht werden für die Renditeüberlegungen einer Stiftung? ist der Art Cluster nicht ein Kunst-Guantánamo in der Pampa?

Natürlich ist uns von der Christoph Meri-an Stiftung bewusst, dass die ganze Dreispitz-

DiE ANDERS-WiRTSCHAFTEiN PLÄDOYER FÜR DiE BASLER KREATiVWiRTSCHAFT

Basel hat jede Menge zu bieten, besonders was die Kreativwirtschaft angeht: Gute Aus-bildungsstätten, eine Szene, die an der einen oder anderen Stelle noch mehr Selbstbewusst-sein gegenüber Zürich vertragen könnte, und ein Bewusstsein für Wertigkeit und auch Frei-räume in der Stadt. Darüber hinaus gibt es eine Studie, die Kreativwirtschaft erst einmal als Wirtschaftszweig dargestellt hat, und eine initiative, die die Aufgabe hat, eine Lobby für die vielseitige Branche zu schaffen.

Alles gute Voraussetzungen, um der Krea-tivwirtschaft auch etwas zuzutrauen, und vor allem ihren Akteuren.

ich finde in Basel eine lebendige Kreativwirt-schaft mit vielen Potenzialen vor, der es aber an Anerkennung und passenden Plattformen mangelt. Viele Akteure wissen gar nicht, dass sie der Branche zugehören. Ein Musiker ist halt ein Musiker und ein Designer ein Desi-gner. So ist das Verständnis der Akteure. Dies ist aufgrund der Heterogenität der dreizehn Teilmärkte, in die die Kreativwirtschaft defi-nitionsgemäss eingeteilt ist, auch nicht ver-wunderlich.

Oftmals wird sowohl in Deutschland wie auch in der Schweiz alles in einen Topf ge-worfen, und die Unterschiede zwischen der

öffentlichen Förderung der Kultur, jener des tertiären Bereichs (Stiftungen, Vereine etc.)und der privatwirtschaftlich orientierten Kre-ativwirtschaft werden nicht erkannt. Sicher tut sich so mancher schwer, wenn Ökonomie und Kultur in einer engen Verbindung und Abhängigkeit gesehen werden. Das bedeutet nicht zugleich, dass ich dafür bin, dass die vom Staat geförderte Kultur beschnitten werden soll. Kultur ist für Basel mehr als nur ein wei-cher Standortfaktor. Wer aber alles sauber von einander trennen kann, versteht, dass die Kreativwirtschaft im Kern ein wichtiger Wirt-schaftszweig ist. Warum? Sicher sollten das Zahlen beweisen können, doch die Bedeutung eines Wirtschaftszweiges kann auch ganz an-ders gemessen werden. Was wäre unser Leben ohne die Produkte und Dienstleistungen der Kreativwirtschaft? innovationen entstehen doch unter dem Einfluss einer entsprechen-den ästhetischen Bildung und dank des krea-tiven und kulturellen Levels von Menschen. Das ist in Städten mit Traditionen nicht leicht verständlich. Vor allem, wenn eine Stadt wie Basel sich stark auf bestimmte Bereiche wie die Life Sciences konzentriert.

Die Kreativwirtschaft passt vor allem in das Weltbild des ständigen Wandels und des innovationsanspruchs. Ohne diese Branche wäre das Leben nicht nur trist, sondern auch rückständig. Sie unterliegt zwar genauso den Marktgegebenheiten wie die klassische Wirtschaft. Es wird in der gleichen Währung gezahlt, und die Grundsätze ordnungsgemäs-ser Buchführung gelten auch für die Kreativ-wirtschaft. Dennoch ist Kreativwirtschaft die «Anders-Wirtschaft». Woran kann man das festmachen? in der klassischen Wirtschaft wird Wissen gehortet, werden Kunden- und Lieferantenkontakte für sich behalten, um einen Wettbewerbsvorteil zu haben. Kreativ-wirtschaft hingegen teilt Wissen, arbeitet bran-chenübergreifend in Co-Working-Räumen oder finanziert sogar über Crowdfunding Unternehmensideen und Projekte. «Das An-

dere» liegt in der Dynamik und Haltung des Unternehmertums. in den ersten Schritten geht es den meisten Akteuren nur um das eine oder erste ökonomische Ziel: Miete zahlen und voller Kühlschrank. Mit einem solchen Anspruch, der viel Mut und Risiko voraussetzt, kann man starten.

Die Akteure der Kreativwirtschaft stellen sich oft in kürzester Zeit auf die wirtschafts-aktuellen Gegebenheiten ein. Wer jeden Tag eine Krise hat, wer die Herausforderung kennt, von der eigenen Kreativität zu leben und höchsten Ansprüchen gerecht zu wer-den, der weiss auch, wie die ganz kniffligen Dinge klappen. Davon könnte sich so manche Bank und Grossunternehmung eine Scheibe abschneiden.

Das Stellwerk Basel, in dem ich seit Januar als Geschäftsführer verantwortlich bin, ist ein guter Ort für die Akteure der Branche. Wir bieten Existenzgründern aus den Bereichen Architektur, Fotografie, Design und Kom-munikation als erstes kreativwirtschaftliches Gründerzentrum der Schweiz günstige Mieten und eine Begleitung in ihrer Selbstständigkeit sowie Netzwerke und Events an.

Von diesen guten Orten gibt es noch einige. Wichtig für die Basler Kreativwirtschaft ist, die bereits entstehenden Erfolge der lokalen Un-ternehmerinnen und Unternehmer sichtbar zu machen. Leider wird häufig nur darüber ge-sprochen, was alles schiefgeht. Verwaltung und Politik sowie die klassische Wirtschaft sollten im Umgang mit der «Anders-Wirtschaft» offe-ner und mutiger sein, und umgekehrt.

ich bin guter Hoffnung und verbreite ger-ne Euphorie für eine Branche, die in Basel und darüber hinaus grosse Aufmerksamkeit verdient.

Frank LemlohFrank Lemloh ist seit 2013 Geschäftsführer des Vereins Stellwerk Baselwww.stellwerkbasel.ch

in der Zwischenzeit hat sich viel getan: Zu-sammen mit der Gebert Rüf Stiftung unter-stützt die Christoph Merian Stiftung die Start-up Academy, weiter fördert sie Flatterschafft und zusammen mit der Ernst Göhner Stiftung den Verein Stellwerk, sie organisiert einen De-signwettbewerb zum Thema Papier – Schrift – Druck, unterstützt den Designmarkt sowie den Laufsteg Oslo, und sie schafft Raum für die Kreativwirtschaft mit dem Projekt Rakete. Schliesslich hat sich auch die HGK der Krea-tivwirtschaft zugewandt: Sie wird mit der Zür-cher Hochschule der Künste einen Lehrgang in «Cultural Entrepreneurship» anbieten. Wir haben unsere Partner eingeladen, ihre Projekte auf dieser Seite vorzustellen.

Auch der Kanton Basel-Stadt ist aktiv ge-worden, hat mit der Schaffung der initiative Kreativwirtschaft ein impulsprogramm im Sinne der Standortförderung lanciert und bietet mit der Website ikb.ch eine Plattform für die verschiedenen Branchenverbände und -vertreter.

All diese initiativen haben das Bewusst-sein für die Bedeutung der Kreativwirtschaft gestärkt, sie haben aber auch Diskussionen darüber ausgelöst, wie man in Basel die Krea-tiv- und Kulturwirtschaft fördert. Zum Glück. Die staatliche Kulturförderung darf Kreativ-wirtschaft zum Beispiel nicht mit Swisslos-Geldern fördern, und das Wirtschafts- und

Sozialdepartement versteht seine initiativen explizit nicht als Kultur-, sondern ausschliess-lich als Wirtschaftsförderung. «Kreative» sind schlecht organisiert, ein Branchenbewusstsein ist oft nicht vorhanden, und es gibt zu wenig oder zu wenig aktive Branchenverbände, die sich für die interessen ihrer Mitglieder einset-zen könnten (wie z.B. Balimage). So kämpft der Einzelne oft auf verlorenem Posten. Es ist deshalb wichtig, folgende Fragen zu stel-len und zu diskutieren: Wieviel Wirtschaft, wieviel «Kreation» soll gefördert werden, wie können Wirtschafts- und Kulturförderung verzahnt werden? Welche Branchen sollen in Basel prioritär unterstützt werden? Sollen strukturelle Schwächen beseitigt oder eher Stärken gestärkt werden? Wie können Nach-wuchs, Jungunternehmertum und Exzellenz gleichermassen gefördert werden? Die Fragen enthalten Zündstoff, Dynamit, und genau da-rum geht es ja: um zündende ideen und das Feuer für innovation.

Wir von der Christoph Merian Stiftung werden uns weiterhin für die Schaffung von günstigen Werk- und Atelierräumen, für nie-derschwellige Plattformen der Werk-, Produkt- und Labelpräsentation, für die Nachwuchs-förderung und die betriebliche Beratung einsetzen.

Beat von Wartburg

— EiN GEWALTiGER

GENTRiFiZiERUNGS-PROZESS ?

Transformation eine top-down gesteuerte Ent-wicklung ist. Und wir wissen auch, dass Kunst- und Kreativwirtschaftsnutzungen nicht auf dem Reissbrett entstehen, sondern bottom-up. Dennoch glauben wir, dass das Kunstfreilager eine grosse Chance für die Kultur ist. Es ist die einmalige Möglichkeit, die Kunst in der Stadtlandschaft zu verorten, für die Kunst ei-nen Ort zu schaffen, der sich für einmal nicht durch Musealität auszeichnet, sondern durch Lebendigkeit (über 1 000 Studierende werden hier täglich verkehren), durch künstlerische und gewerbliche Produktion, durch die Re-flexion über Kunst, durch interdisziplinäre, forschende Kunst.

Die Transformation des Dreispitz ist ein Generationenprojekt, ein langsamer Prozess, und das hat Vorteile. Denn noch bietet der Dreispitz viele Nischen; Nischen, die zahlrei-che Kulturschaffende bereits für sich entdeckt haben, für den Bandraum, das Architektur-büro, das Hindu-Kulturzentrum, die basel-city studios, Urban Farming, und und und. Es

ist ein Ort für private initiativen, für Men-schen, die an sich und ihre ideen glauben. Das Hinterhof-Projekt ist ein gutes Beispiel dafür. Hier hat eine Gruppe von Leuten mit idealis-tischen Zielen den Versuch gewagt, kommer-zielle Musik-, Bar- und Partykultur mit einem künstlerischen Anspruch zu verbinden, und die Hinterhof-Crew hat Erfolg damit.

Das Kunstfreilager ist eine idee, die Wirk-lichkeit wird, aber in keinem Fall ein mono-polistisches Unternehmen. Nicht alles muss hierherkommen und hier stattfinden. Und weil die Christoph Merian Stiftung nur dann philantropisch tätig sein kann, wenn sie auch an die Rendite im immobiliengeschäft denkt, findet die Transformation des Dreispitz in je-dem Fall statt – mit oder ohne Kultur. Wir finden, es wäre besser mit. Denn Kultur be-deutet Leben und Lebensqualität. Kultur tut dem Dreispitz gut, der Dreispitz kann aber auch der Kultur gut tun.

Beat von Wartburg

LAUFSTEG OSLOWas im vergangenen Jahr mit grosser Unge-wissheit als Versuch lanciert wurde, stand nach der erfolgreichen ersten Ausgabe seine Bewäh-rungsprobe. Kann sich die Veranstaltung nun einen festen Platz im Basler Kulturkalender sichern?

Die Rede ist von Laufsteg Oslo, der ein-tägigen Modeveranstaltung mit Modeschau und Modemarkt zur Förderung nationaler Jungdesignerinnen und aufstrebender Mode-labels, die am 4. Mai 2013 ihre Tore öffnete. Eine Freundin, gelernte Modedesignerin, war

überzeugt, dass ein solcher Event bei vielen Modeschaffenden Anklang finden würde, was sich nach kurzer Recherche durch uns bestätigte.

Mit der idee vor Augen, junge Modelabels zu fördern, die noch nicht auf dem Markt etabliert sind, und ihnen die Möglichkeit zu bieten, sich und ihre Kollektionen zu präsen-tieren, machten wir vom Verein Tor13 uns vor etwas mehr als einem Jahr an das Projekt Laufsteg Oslo. Keiner der Organisatoren war in der Modebranche tätig oder hatte schon

einmal eine Modeveranstaltung organisiert. Die Überzeugungskraft dieser idee, die Ge-wissheit, dass die Nachfrage seitens der Mode-schaffenden vorhanden ist, die Erfahrung im Bereich Eventmarketing und in der Organisa-tion musikalischer Events waren uns Antrieb genug.

Unsere Unerfahrenheit im Feld Modeveran-staltung brachte uns dazu, im stetigen Kontakt mit den Labels zu sein, auf ihre Vorstellungen und ideen einzugehen und uns auch Tipps zu holen. Wir merkten bald, dass dieser rege Austausch zu unserer Stärke wurde, darum probieren wir auch dieses Jahr auf ihre Wün-sche und Bedürfnisse einzugehen. Schliesslich sind es die Designer und Designerinnen und ihre Produkte, die während dieser Veranstal-tung im Vordergrund stehen.

Die wichtigste Frage, die sich stellte, war 2012: Wie finanzieren wir diesen Event? Die teilnehmenden Labels sollten einen möglichst kleinen Unkostenbeitrag zahlen müssen, da-rüber waren wir uns schnell einig. Da wir überhaupt nicht wussten, ob diese Modever-anstaltung auch Publikum anzieht, beschlos-sen wir, keinen Eintritt zu verlangen. Darum mussten wir versuchen, einerseits andere Einnahmequellen zu finden und andererseits die Ausgaben möglichst tief zu halten. Auf der Suche nach Räumlichkeiten, die unseren

Vorstellungen entsprachen, wurden wir dank der Christoph Merian Stiftung auf dem Drei-spitzareal fündig. Da dieses Vorhaben an ein Schulprojekt gekoppelt war, erhielten wir von den Unternehmen, von denen wir inventar mieteten, Rabatte, was uns half, die Kosten tief zu halten. Um mehr Einnahmen zu gene-rieren, organisierten wir eine Afterparty und einen Koch, der direkt vor Ort kochte – beides, um für Abwechslung zu sorgen und um die Leute so länger vor Ort zu halten und damit höhere Einnahmen beim Getränkeverkauf zu erzielen.

Dieses Jahr kam als Schwierigkeit dazu, dass Laufsteg Oslo kein Schulprojekt mehr ist und einige Rabatte wegfielen, was die Ausgaben in die Höhe schnellen liess. Wir wollten aber an unserem Konzept festhalten und warben darum um Sponsoren. Dies bedeutete mehr Aufwand, aber wir wollten über eine gewisse finanzielle Sicherheit verfügen. Ausserdem be-schlossen wir, dieses Jahr Eintritt zu verlangen, was sich bewährte, denn die Leute erschienen trotzdem so zahlreich wie letztes Jahr.

Ben AndristBen Andrist ist Logistikexperte. Privat engagiert er sich im Kulturverein tor13, der die zweite Design-Show Laufsteg Oslo am 4. Mai 2013 im Dreispitzareal organisierte.

g Klamott gg Kate Frank

KREATIv wIRTsChAfTSCHWERPUNKT

Viel diskutiert und nur zögerlich gefördert ist sie: die Kreativwirtschaft. Warum eigentlich? Shortcut stellt die Kultur- und Kreativwirtschaft zur Diskussion und einzelne konkrete Projekte vor

Mittel 1

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Ziel 5

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Ziel 3

Ziel 2

Ziel 1

Kausale Logik

Kreativwirtscha�s-Politik-Logik

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Mittel 3

Mittel 4

Mittel 5

Ziel

Wer bin ich?Was weiss ich?

Wen kenne ich?Was kann ich

TUN?

mehr Mittel (Ressourcen expandiert)

neue Richtung (Randbedingungen konvergiert)

Interaktion mitanderen

Menschen

Vereinbarungmit

Stakeholdern

neueMittel

neueZieleverfügbare

Mittel

die Siedlung innerhalb von nur zwei Wochen aufgebaut. Die L-förmig angeordnete und drei-stöckig gestapelte Container-Anlage besteht aus 39 vorfabrizierten Modulen à 25 m2. Sie sind isoliert und mit Zentralheizung und gros-sen Fenstern ausgestattet. Die Erschliessung funktioniert über Laubengänge, und eine 17 m hohe Aussichtsplattform im innenhof ermög-licht einen weitläufigen Panoramablick. Die Miete pro Modul und Monat beträgt ChF 485 inkl. Nebenkosten, Strom, Heizung und in-ternet.

Die Christoph Merian Stiftung ist eben-falls in der Rakete stationiert. Anhand eines regelmässig aktualisierten Architektur modells kann die Öffentlichkeit die dynamische Ent-wicklung und den Baufortschritt im Dreispitz mitverfolgen. Somit wird die Rakete zum Be-gegnungsraum der Nutzer, der Öffentlichkeit und der Stiftung.

Ein auf fünf Jahre befristetes Mietverhältnis ist Teil des Konzeptes; nach dieser Phase wird

die Rakete ab- und an einem anderen Standort im Dreispitz wieder neu aufgebaut. Auf diese Weise profitieren neue Jungunternehmer von der Gelegenheit günstiger Räume. Und die Stiftung achtet bei der Vergabe der Container darauf, dass sich die Nutzungen ergänzen und nicht behindern. Von der Mietpartei wird eine aktive Teilnahme am Leben in der Container-siedlung erwartet sowie Toleranz, Flexibilität und gegenseitiger Respekt. Am 1. Dezember 2012 bezogen die Mieter ihre Ateliers und Büros, am 1. März 2013 hob die Rakete mit einem Fest und einem Tag der offenen Türen offiziell ab.

Christoph Meneghettiwww.rakete-dreispitz.ch

DiE RAKETEEiN RAUMFAHRTPROGRAMM

Die Kreativszene braucht günstigen Raum zum Arbeiten und Ausprobieren. Nicht nur die Kreativwirtschaftsstudie des Wirtschafts- und Sozialdepartements, sondern auch zahl-reiche Gespräche mit Nutzerkreisen haben gezeigt, dass der Raum bedarf gross ist. Das Dreispitzareal eignet sich genau für solche Be-triebe wie kaum ein anderer Standort, denn erstens hat das Kunstfreilager frischen Wind und neue (kulturelle) Nutzungen auf den Dreispitz gebracht und zweitens ist und bleibt der Dreispitz ein Arbeitsgebiet. Und drittens entstehen hier im Zug der dynamischen Are-alentwicklung Chancen, so zum Beispiel die Vakanz einer Parzelle an prominenter Lage nahe der Tramstation Dreispitz, an der Mün-chensteinerstrasse 274.

Die Christoph Merian Stiftung hat die An-liegen der Kreativszene aufgenommen und die Chance dieses attraktiven Standorts am Schopf gepackt, um gemeinsam das Projekt Rakete Dreispitz zu initiieren. Der Name Rakete steht

für die zündende idee und die Schubkraft, mit denen Startups der Kreativ- und Kulturwirt-schaft neue Unternehmungen gründen und vorantreiben. in Anlehnung an das Projekt Basis lager in Zürich entwickelte die Stiftung eine Siedlung aus Büro-Containern, die güns-tig zu erstellen und ebenso günstig zu vermie-ten ist und an verschiedenen Standorten im Dreispitz verwendet werden kann.

Die Rakete ist somit eine mobile immobilie mit wechselnder Besetzung und flexiblem Be-zug zum jeweiligen Standort, eine Startrampe, wo Jungunternehmer gemeinsam etwas auf-bauen können. Die Kommission der Christoph Merian Stiftung hat im Januar 2012 einen Bau-kredit von ChF 2,2 Millionen gesprochen. Ziel ist es, mit dieser investition längerfristig eine schwarze Null zu erwirtschaften; die Rakete ist kein Wohlfahrtsprogramm, sondern vielmehr ein Raumfahrtsprogramm.

Nach einer anderthalb Jahre dauernden Planungs- und Vorbereitungsphase wurde

NEUEM NEU BEGEGNENEiN PLÄDOYER FÜR EiNE UNTERNEHMERiSCHE UND KREATiVE POLiTiK

mit DER KULTUR- UND KREATiVWiRTSCHAFT

Politik macht sich weltweit neuerdings gerne stark für eine wachsende Kultur- und Kreativ-wirtschaft. Doch umgekehrt wird ein Schuh draus: Die Politik wird vor allem von und mit der Kultur- und Kreativwirtschaft – von ihren Prozessen und Strukturen – lernen können. Vor allem kooperative Politik-Ansätze, die komplexen Handlungssituationen, Heteroge-nität und rasanter Dynamik Rechnung tragen, können sich hierbei zukünftig als besonders produktiv erweisen:

Die neuere Entrepreneurship-Forschung 1 hat das Denken, Entscheiden und Handeln erfolgreicher Unternehmer untersucht und dabei nachgewiesen, dass diese – vor allem in Situationen der Ungewissheit –

1. nicht einen am grünen Tisch entwickelten Plan in die Tat umsetzen, sondern auf der Grundlage der vorhandenen Mittel arbeiten;

2. in Partnerschaften grössere Sicherheit schaf-fen, indem sie kooperativ ihre Ziele modifi-zieren oder ihre Mittel erweitern;

3. darauf verzichten, die Zukunft vorhersa-gen zu wollen, und sich stattdessen darauf beschränken, sie sukzessiv zu gestalten;

4. Zufälle nutzen, um ihren Horizont zu er-weitern und sich zu innovationen anregen zu lassen.

Dabei sollte einer Verwechslung vorgebeugt werden: Entrepreneurship bedeutet nicht zwingend Ökonomisierung. Unternehmeri-sches Denken und Handeln kann im Kon-text sehr unterschiedlicher, materieller wie immaterieller Wertesysteme geschehen. Eine kreativwirtschaftlich-unternehmerische Poli-tik muss zukünftig besonders einer Aufgabe Aufmerksamkeit schenken, die in der inter-nationalen Governance-Forschung als erfolgs-kritisch beschrieben wird: Capacity Building, also die Kompetenzentwicklung der Akteure auf allen Ebenen. 2 Die heterogenen Netzwer-ke der Kultur- und Kreativwirtschaft sind prä-destiniert dazu, ein gemeinsames Lernen und auch ein Voneinander-Lernen zu ermöglichen. Aber braucht es denn überhaupt postheroi-sche Humusentwicklung oder Leuchtürme für die (Un-)Branche?

Einen erfolgversprechenden neuen Ansatz-punkt dazu liefert das dynamische Modell der Entrepreneurship-Forschung «Effectuation».

Nach Auffassung des Autors Michael Fasching-bauer sind Ausgangspunkt für gelungene Alli-anzen immer die handelnden Personen. Auf dieser Basis werden, im Rahmen dessen, was für die unterschiedlichen Partner leistbar ist und attraktiv erscheint, verbindliche Verein-barungen ausgehandelt. 1 Kooperative Politik beruht darauf, verbindliche Vereinbarungen mit denen einzugehen, die neue Mittel und Zielvorstellungen einbringen können und wollen.

Prinzip der Mittelorientierung für eine kooperative Politik mit der Kultur- und Kreativ wirtschaftKausales Vorgehen beruht auf Zielorientie-rung: Zuerst visiert man ein bestimmtes Ziel an, dann macht man Pläne und erschliesst geeignete Mittel, um genau dieses Ziel oder erwünschte Ergebnis zu erreichen. Kooperati-ve Politik mit der Kulturwirtschaft hingegen beruht auf mittelorientierung: Man erhebt die aktuell verfügbaren Mittel und fokussiert auf die Erschliessung der Ergebnisse, die sich mit den vorhandenen Mitteln erzielen lassen. Dem

Machbaren wird der Vorzug gegenüber dem Gewünschten gegeben.

Den Unterschied zwischen kausaler Ziel-orientierung und Mittelorientierung einer kooperativen Politik zeigt Abbildung 2.

Die verschiedenen Ansätze sind gut mit einer Metapher aus dem Alltag zu beschrei-ben – dem Kochen eines Essens: Kausal würde man ein Gericht und das dazugehörige Rezept auswählen, eine entsprechende Einkaufsliste zusammenstellen, die Zutaten besorgen und nach den vorgegebenen Schritten des Rezepts, das Gericht zubereiten.

Beim kooperativen Ansatz würde man eine Einladung aussprechen und die Gäste bitten, interessante Zutaten unabgesprochen mitzu-bringen. Dann würde man sich in die Küche setzen und gemeinsam überlegen: Welche möglichen Gerichte können wir mit allem, was in der Küche vorhanden und durch das Netzwerk erreichbar ist, zubereiten?

Auf beiden Wegen lassen sich hervorra-gende Gerichte zubereiten. Um allerdings die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass etwas Neues entsteht, ist die klare Empfehlung, der zweite Weg. Denn beim Standort-Wettbewerb um die hart umworbenen kreativen Talente werden wahrscheinlich jene Standorte die Nase vorne haben, die den Mut haben, zum Kochen ohne Rezept einzuladen. Denn: Neuem muss neu begegnet werden!

Christoph BackesChristoph Backes ist ideenlotse, Geschäftsführer u-ins-titut in Bremen, Gründungsgeschäftsführer des Grün-derZentrums Kulturwirtschaft Aachen, Lehrbeauftrag-ter an verschiedenen Hochschulen in Deutschland und der Schweiz sowie Berater der initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der deutschen Bundesregierung so-wie des RKW Kompetenzzentrums Kultur- und Krea-tivwirtschaft des Bundes in Deutschland.

Literaturhinweise:1 Faschingbauer, M. (2010). Effectuation – Wie er-folgreiche Unternehmer denken, entscheiden und handeln. Düsseldorf: Schäffer-Poeschel2 Willke, H. (2007). Smart Governance – Governing the Global Knowledge Society (S. 178 ff.). Frankfurt/New York: Campus Verlag

STECKBRiEF

Büro- und Ateliercluster für die Kreativwirtschaft (Containergebäude aus 39 Modulen)

Bauherrschaft Christoph Merian Stiftung

Gesamtkosten Projekt ChF 2,2 Mio.

Standort Münchensteinerstrasse 274,

4053 Basel (Dreispitz)

Grundstücksfläche 960 m2

Freiflächen 420 m2

Bruttogeschossfläche 1 500 m2

Hauptnutzfläche 1 000 m2

Geschosszahl 3

Bauvolumen 4 500 m3

Masse Einzelcontainer 10 m × 3 m × 3 m

Mietpreis ChF 485.– pro Container-Modul inkl. NK, Strom, internet und

Heizkosten

Planer in situ / NRS Team, Basel

Architektur und Bauleitung

emyl, Basel innenarchitektur und

Szenographie

Hauser, Schwarz, Basel Grafik und Beschriftung

Container Alho Systembau AG,

Wikon

Abbildung 1: Dynamisches Modell Effectuation (nach Sarasvathy & Dew) 1

Abbildung 2 (nach Sarasvathy)

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STARTUP ACADEMYSENSiBiLiSiEREN, VERNETZEN UND RÄUME BEREiTSTELLEN

Mit dem Neuwort «Kreativwirtschaft» sind Hoffnungen verbunden, an Ressourcen he-ranzukommen, die sich bislang erfolgreich der kommerziellen Verwertbarkeit entzogen haben. Wer sich mit der Kreativwirtschaft beschäftigt, wie das verschiedene Organisa-tionen bereits tun, muss deswegen behutsam vorgehen. Eine davon ist die Startup Academy, ein gemeinnütziger Verein, der Jungunterneh-merinnen und Jungunternehmer auf ihrem Weg in die berufliche Selbstständigkeit be-gleiten will, indem er sie mit Hochschulen und der Wirtschaft vernetzt. Gegenwärtig befinden sich 30 Jungunternehmen im Be-gleitprogramm der Startup Academy, rund die Hälfte kann der Kreativwirtschaft zugeordnet werden.

Viele Kreative sind heute sozusagen im Nebenamt kreativ, also ohne gross zu inves-tieren, mit typisch schweizerischer Solidi-tät. Sie arbeiten Teilzeit, konkretisieren ihre Geschäftsideen in Reststunden und starten ihre Einzelfirmen mit langem Atem. Oft ist die Preisgestaltung selbstausbeuterisch, be-triebswirtschaftliches Feedback verpönt, und gegenüber Finanzzahlen wehrt man sich mit lässiger Unlust.

Die Startup Academy versucht hier zu sen-sibilisieren und zu informieren. Sie vermittelt Personen in unterschiedlichen Rollen, die alle wirtschaftlich denken: Das sind Studierende der Betriebsökonomie oder Berufsleute und Unternehmer, die sich als Mentoren speziell um ein Jungunternehmen kümmern. Selbst- und Fremdbild werden dabei ebenso hinter-fragt wie wirtschaftliche Fakten von kreativen Wünschen getrennt. Um eine gleichbleibende Qualität zu erreichen, durchlaufen alle Start-ups zusätzlich eine Reihe von Checks durch Fachleute, insbesondere in den Bereichen Geschäftsidee, Persönlichkeit, Finanzierung, Treuhand und Logistik.

Bei diesen Besprechungen, aber auch in spontanen Gesprächen, bei Netzwerkanlässen, Workshops und Stammtischen findet ein Er-fahrungsaustausch statt, der oft selbstgesteuert ist. Und mit jedem neuen Startup wird das Netzwerk in der jeweiligen Branche dichter und tragfähiger.

Aus biografischer Sicht existieren gewöhn-lich drei, vier ideale Zeitfenster, in denen man sich selbstständig macht. Wer viele Personen in unterschiedlichen Rollen mit Leuten zu-sammenzubringt, die sich in solchen Zeitfens-tern befinden, nutzt dies. Neben der idealen Zeit hat der konkrete Raum eine wichtige Bedeutung: Sobald sich Leute in einem ge-eigneten Raum begegnen, entsteht ein kre-ativer Mehrwert. Hier profitiert die Startup Academy von einem Einrichtungsdesign, das unter Federführung von Vitra entwickelt und inzwischen am Picassoplatz in Basel erstmals umgesetzt wurde. Kurz: Es braucht intelligent gestalteten, zentral gelegenen und bezahl-baren Raum, der zur praktischen Nutzung motiviert und zum gedanklichen Austausch anregt. Wo das gegeben ist, muss man bald darüber nachdenken, wie weitere Räume mit denselben funktionalen Eigenschaften hinzu-gemietet werden können. Denn gross ist die Nachfrage und schnell wird Raum knapp.

Zur Förderung der Kreativwirtschaft im Raum Basel wird die Startup Academy wei-terhin diese Themen vorantreiben: sensibili-sieren, vernetzen und intelligent eingerichtete Räume an verschiedenen Orten offerieren.

Florian BlumerProf. Dr. Florian Blumer ist Professor für Wirtschafts-kommunikation an der Hochschule für Wirtschaft Basel (FHNW) und Mitinitiant und Vorstandsmitglied der Startup Academywww.startup-academy.ch

DYNAMO UND DYNAMiTDiE KREATiV WiRTSCHAFT BRAUCHT iNiTiATiVEN

Private und öffentliche Kulturförderer haben seit jeher Projekte verschiedenster kreativwirt-schaftlicher Branchen unterstützt – vielleicht ohne sich dessen bewusst zu sein: Bücher, Fil-me, Konzerte usw., kurz Projekte, die ohne För-derung nicht auf den Markt kommen könnten, insbesondere in der Schweiz, wo der Markt klein, oft zu klein ist. Obwohl verschiedenste Studien gezeigt haben, dass die Kreativwirt-schaft zwar kleinteilig organisiert, aber den-noch als Wirtschafts- und Standortfaktor ernst zu nehmen ist, tun sich die öffentliche Hand, aber auch private Förderinstitutionen mit der Förderung der Kreativwirtschaft schwer. Denn noch immer denken viele, dass es nur unkommerzielle Kultur oder kommerzielle Kultur gibt, wobei für viele Kulturschaffende und -förderer die Erste gut, die Zweite ver-dächtig ist. Für andere wiederum ist es gerade umgekehrt: Unkommerzielle Kultur ist Luxus und kommerzieller Mainstream gut. Dabei ist die Grenze zwischen Kommerz und Kultur fliessend und das Schwarz-Weiss-Denken im rauen politischen Diskurs gefährlich.

Mit dem Kunstfreilager im Dreispitz und der dortigen Nachbarschaft zur Hochschu-le für Gestaltung und Kunst (HGK) stellte

sich auch für die Christoph Merian Stiftung die Frage, ob und wie sie künftig Kreativwirt-schaft fördern möchte. Sie hat deshalb vor drei Jahren zusammen mit der Gebert Rüf Stiftung, dem Gewerbeverband, «Kulturstadt jetzt» und dem Stellwerk eine Arbeitsgruppe gebildet, um herauszufinden, welche konkre-ten Projekte der Kreativwirtschaft in Basel im Allgemeinen und den Studienabgängern der HGK im Besonderen am meisten Nutzen bringen können. in diesem Prozess, gecoacht von Christoph Backes aus Bremen (www.ideenlotsen.de), haben sich unter dem Titel «Dynamo Basel» elf mögliche Massnahmen herauskristallisiert.1. braucht es eine Koordinationsstelle, 2. Wettbewerbe,3. neue Plattformen (Messen, Festivals), 4. ideentransfer (import, Export, ideen-

piraterie), 5. Mentoring / Coaching, 6. zielgruppenspezifische Netzwerkbildung, 7. eine Raumagentur, 8. Mikrokredite und Risikokapital,9. Modellprojekte 10. einen Expertenpool (train the trainer), und 11. braucht es Nachwuchsförderung («U25»).

DREi AUF EiNEN STREiCH!EiN DESiGNWETTBEWERB FÜR PAPiER – SCHRiFT – DRUCK

Einen grossen Teil ihrer Fördermittel inves-tiert die Christoph Merian Stiftung in dau-erhafte Partnerschaften mit institutionen, an deren Gründung sie beteiligt war. So unter-stützt sie die Basler Papiermühle, das Haus für elektronische Künste und Literatur Basel jährlich mit bedeutenden Zuschüssen an die Betriebskosten. Nun möchten wir mit einem Designwettbewerb ein neues Förderformat lancieren, das in dreifacher Hinsicht Wirkung erzielen soll.

Nach 30 Betriebsjahren stand kürzlich eine betriebliche, inhaltliche und bauliche Erneu-erung der Papiermühle an. Und nun soll das Tüpfelchen auf dem i folgen: Eine Erneuerung der Produktepalette. Die Basler Papiermühle ist ja nicht nur ein Muse-um, sondern auch ein Produktionsbetrieb für die «weisse» und die «schwarze» Kunst. Vor den Augen der Muse-umsbesucher werden Pa-piere und Druckerzeug-nisse hergestellt. Die Papier- und Druckpro-duktion trägt wesentlich zum hohen Eigen-wirtschaftlichkeitsgrad des nichtstaatlichen Museums bei. Deshalb ist das Museum auf gute Produkte und gute Verkäufe angewiesen.

Der Designwettbewerb, den die Stiftung lanciert hat, setzt genau hier an, indem er der Papiermühle ermöglichen soll, neue ver-kaufsfähige Produkte zu entwickeln und zu produzieren. Zugleich soll der Wettbewerb die junge Basler Kreativwirtschaft, das De-signschaffen fördern und die Zusammen-arbeit mit der Hochschule für Gestaltung und Kunst (HGK), dem baldigen grossen Player im

Kunstfreilager Dreispitz, intensivieren. Der Wettbewerb richtet sich deshalb vor allem an junge Designerinnen und Designer insbeson-dere der Fachrichtungen industrial Design, Visual Communication und Szenografie, die an der HGK studieren oder hier seit 2008 ab-geschlossen haben. Aber auch Studierende und Alumni anderer Hochschulen, die seit 2008 abgeschlossen haben, sind zugelassen, sofern sie in Basel wohnen oder arbeiten.

Prämiert werden von der Basler Papier-mühle herstellbare und/oder verkäufliche Objekte resp. Produkte aus den Bereichen Pa-

pier, Schrift und Druck wie zum Beispiel Papier-lampen, Teelichter, klei-nere Möbel aus Papier, Briefpapier, Journale, Tagebücher, Schriftpro-dukte, digitale Schriftsät-ze etc. Da die Produkte im Museumsshop ange-boten werden, sollte der maximale Endverkaufs-preis ChF 1 000 nicht übersteigen. Eine Jury bewertet die eingesand-ten Projekte.Nach der Vorselektion

gelangen 20 Objekte in die engere Auswahl. Diese sollen nach Abschluss des Wettbewerbs in einer Broschüre und mit einer kleinen Aus-stellung vorgestellt werden. Es gibt folgende drei Preiskategorien: Ein Hauptpreis à ChF 10 000, zwei weitere Hauptpreise à je ChF 5 000 und vier Förderpreise à je ChF 2 000. Der Ein-gabetermin für die Produktvorschläge ist der 21. Juni 2013.

Beat von WartburgWettbewerbsunterlagen: www.papierschriftdruck.ch

DiE HGK ALS PARTNERiNiM DiALOG MiT DER KULTUR- UND KREATiVWiRTSCHAFT

Der neue Campus der Hochschule für Ge-staltung und Kunst (HGK) auf dem Dreispitz wird 2014 bezugsfertig. Ab dann sind auf dem Dreispitz rund 750 Studierende und 200 Do-zierende an einem Ort vereint. Das umgebaute Zollfreilager sowie der achtgeschossige Neu-bau am Freilager-Platz werden das neue Domi-zil für die derzeit noch auf acht Standorte in Basel, Muttenz und Aarau verteilten Einheiten der Hochschule. Mit der Zusammenführung aller institute und Disziplinen an einem für die Kreativwirtschaft interessanten Ort will die Hochschule ihre Rolle innerhalb der bereits dynamisch angelaufenen Quartiersentwick-lung wahrnehmen. Sie unterstützt eine erhöh-te Sichtbarkeit von Gestaltung und Kunst in der Öffentlichkeit, denn ohne Zweifel hält der Dreispitz ein Potenzial für die Absolventinnen und Absolventen dieser Studienrichtungen bereit.

in Zusammenarbeit mit der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) entwickelt die Hochschule für Gestaltung und Kunst ein Kompetenznetzwerk für Cultural Entrepre-neurship. im Zentrum stehen die beruflichen Aussichten der Studierenden als künftige De-signerinnen und Designer sowie als Künstle-rinnen und Künstler und die Begleitung der Absolventinnen und Absolventen auf dem Weg in die Existenzgründung. Zahlreiche indizien aus dem Feld der Kreativwirtschaft sprechen dafür, dass die Zahl jener Studieren-den weiter ansteigen wird, die ihre berufliche Chance als Unternehmerinnen und Unter-nehmer erkennen und ergreifen wollen. Die Hochschule macht daher die Unterstützung kreativer Gründungsprozesse zu einer ihrer Schlüsselaufgaben und setzt dabei auch auf ihren neuen Standort: Kreative Jungunter-nehmen sollen teilhaben an der Transforma-tion des einst kaum zugänglichen Lager- und Gewerbeareals in einen urbanen Stadtteil.

Wissend, dass der Dreispitz mit seiner hohen Diversität an infrastruktur und Kompetenzen durch die hier ansässigen Unternehmen über ein grosses Potenzial verfügt, sucht die Hoch-schule für Gestaltung und Kunst den Dialog mit der Nachbarschaft.

Die nachhaltige Nachwuchsförderung im Rahmen des entstehenden Kompetenznetz-werks ist auf inklusion angelegt. So sollen schrittweise strategisch wichtige Bildungs-stätten des tertiären Sektors für eine Zusam-menarbeit gewonnen werden.

inhaltlich hat das Netzwerk vier thema-tische Schwerpunkte: Die ZHdK erarbeitet Aus- und Weiterbildungsangebote für Jung-unternehmerinnen und Jungunternehmer aus dem Kultur- und Kreativbereich und entwi-ckelt Formate der individuellen Laufbahnbe-ratung und Gründerservices. Die Hochschule für Gestaltung und Kunst legt den Fokus auf die Vernetzung wichtiger Stakeholder. Neben realen Begegnungen werden auch netzbasier-te Plattformen aufgebaut, sodass Studierende möglichst früh damit beginnen können, ihre persönlichen Netze zu knüpfen. Des Weite-ren wird anhand von Better Practice-Ansätzen samt neuen Finanzierungstypen ein Gründer-modell für die Kreativen erarbeitet. Dieses soll die Attraktivität für Startups- und Spin-offs auf dem Dreispitz erhöhen.

Die erste Förderphase des gemeinsam in-itiierten Projekts läuft bis Februar 2015 und wird finanziell unterstützt von der Gebert Rüf Stiftung sowie von der Avina Stiftung.

Caroline RoggoCaroline Roggo ist Leiterin Cultural Entrepreneurship an der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW

CLUSTER ODER GUANTANAMO ?KREATiVWiRTSCHAFT iM DREiSPiTZ

Das Dreispitzareal ist ein klassisches Gewerbe-gebiet, buntscheckig, mit einer grossen Nut-zungsvielfalt. Einem Filetstück gleich liegt es in der Stadtlandschaft zwischen Münchenstein und dem Gundeli. Deshalb sind die Stadt Ba-sel sowie Münchenstein und die Grundeigen-tümerin, die Christoph Merian Stiftung, daran interessiert, einerseits eine dichtere Nutzung mit höherer Wertschöpfung zu realisieren und andererseits das industriegebiet zu öffnen und in einem längeren Prozess in ein durchmisch-tes städtisches Quartier für Wohnen, Gewerbe, Freizeit und Kultur zu verwandeln.

Die Transformationsidee basiert auf einer Studie von Herzog & de Meuron aus dem Jahr 2002. Seither hat sich viel getan, besonders im Gebiet des ehemaligen Zollfreilagers. Mit der Eröffnung der Hochschule für Gestaltung und Kunst im nächsten Jahr kommt ein Kulturak-teur mit grossen Ambitionen in den Dreispitz und wird von hier mit Forschung und Lehre auch international ausstrahlen. Für eine ins-titution, die sich mit den zeitgenössischsten Formen der visuellen Kunst und des Designs, zum Beispiel der digitalen Kultur, ausein-andersetzt, gehören innovationen, Wandel, Transformationen zum daily business. Gerade deshalb ist die HGK im Dreispitz künftig am richtigen Ort.

Angesichts der Nähe von HGK und Schau-lager entwickelten Herzog & de Meuron die idee eines Campus des Bildes. Die Christoph

Merian Stiftung hat nun versucht, diese idee weiterzuspinnen. Heute heisst der Campus des Bildes – an das ehemalige Freilager anknüp-fend – Kunstfreilager. Dieses neue städtische Quartier soll Lehre und Forschung, Kunst-produktion, Kunstvermittlung, Kunstgewerbe und Kreativwirtschaft umfassen.

Erster Meilenstein war 2008 die Eröffnung der Dreispitzhalle durch das Festival der elek-tronischen Künste Shift. Hier finden seither viele Veranstaltungen wie zum Beispiel der Designmarkt statt. Zweiter Meilenstein war die Umnutzung eines ehemaligen Lagerge-bäudes an der Oslostrasse 10 zu einem Ateli-er-, Ausstellungs- und Gewerbebau. Das Haus Oslo beherbergt heute Radio X, die Fotogale-rie Oslo 8, den Young Art Space Oslo 10, zwei Fotobetriebe und einen Aufziehservice, das Haus für elektronische Künste und 16 Ateliers für 21 Kunstschaffende. Dritter Meilenstein war die Eröffnung der Rakete, des Container-baus für die Kreativwirtschaft (siehe Artikel unten), und vierter Meilenstein ist die Um-nutzung des Lagergebäudes Oslo 12 – 14. Hier wird im September 2014 zeitgleich mit der Fertigstellung der HGK das Haus für elekt-ronische Künste seinen definitiven Standort finden, und es werden Ateliers für ausländi-sche Gastkünstler des iaab und für regionale Autorinnen und Autoren eingerichtet.

So entsteht langsam, aber sicher ein Art Cluster im Kunstfreilager. So bestechend die idee der Dreispitz-Transformation für die einen ist, so abschreckend ist sie für andere. Wo bleibt da noch billiger Mietraum? ist das Ganze nicht ein gewaltiger Gentrifizierungs-prozess, in dem die Kunstschaffenden miss-braucht werden für die Renditeüberlegungen einer Stiftung? ist der Art Cluster nicht ein Kunst-Guantánamo in der Pampa?

Natürlich ist uns von der Christoph Meri-an Stiftung bewusst, dass die ganze Dreispitz-

DiE ANDERS-WiRTSCHAFTEiN PLÄDOYER FÜR DiE BASLER KREATiVWiRTSCHAFT

Basel hat jede Menge zu bieten, besonders was die Kreativwirtschaft angeht: Gute Aus-bildungsstätten, eine Szene, die an der einen oder anderen Stelle noch mehr Selbstbewusst-sein gegenüber Zürich vertragen könnte, und ein Bewusstsein für Wertigkeit und auch Frei-räume in der Stadt. Darüber hinaus gibt es eine Studie, die Kreativwirtschaft erst einmal als Wirtschaftszweig dargestellt hat, und eine initiative, die die Aufgabe hat, eine Lobby für die vielseitige Branche zu schaffen.

Alles gute Voraussetzungen, um der Krea-tivwirtschaft auch etwas zuzutrauen, und vor allem ihren Akteuren.

ich finde in Basel eine lebendige Kreativwirt-schaft mit vielen Potenzialen vor, der es aber an Anerkennung und passenden Plattformen mangelt. Viele Akteure wissen gar nicht, dass sie der Branche zugehören. Ein Musiker ist halt ein Musiker und ein Designer ein Desi-gner. So ist das Verständnis der Akteure. Dies ist aufgrund der Heterogenität der dreizehn Teilmärkte, in die die Kreativwirtschaft defi-nitionsgemäss eingeteilt ist, auch nicht ver-wunderlich.

Oftmals wird sowohl in Deutschland wie auch in der Schweiz alles in einen Topf ge-worfen, und die Unterschiede zwischen der

öffentlichen Förderung der Kultur, jener des tertiären Bereichs (Stiftungen, Vereine etc.)und der privatwirtschaftlich orientierten Kre-ativwirtschaft werden nicht erkannt. Sicher tut sich so mancher schwer, wenn Ökonomie und Kultur in einer engen Verbindung und Abhängigkeit gesehen werden. Das bedeutet nicht zugleich, dass ich dafür bin, dass die vom Staat geförderte Kultur beschnitten werden soll. Kultur ist für Basel mehr als nur ein wei-cher Standortfaktor. Wer aber alles sauber von einander trennen kann, versteht, dass die Kreativwirtschaft im Kern ein wichtiger Wirt-schaftszweig ist. Warum? Sicher sollten das Zahlen beweisen können, doch die Bedeutung eines Wirtschaftszweiges kann auch ganz an-ders gemessen werden. Was wäre unser Leben ohne die Produkte und Dienstleistungen der Kreativwirtschaft? innovationen entstehen doch unter dem Einfluss einer entsprechen-den ästhetischen Bildung und dank des krea-tiven und kulturellen Levels von Menschen. Das ist in Städten mit Traditionen nicht leicht verständlich. Vor allem, wenn eine Stadt wie Basel sich stark auf bestimmte Bereiche wie die Life Sciences konzentriert.

Die Kreativwirtschaft passt vor allem in das Weltbild des ständigen Wandels und des innovationsanspruchs. Ohne diese Branche wäre das Leben nicht nur trist, sondern auch rückständig. Sie unterliegt zwar genauso den Marktgegebenheiten wie die klassische Wirtschaft. Es wird in der gleichen Währung gezahlt, und die Grundsätze ordnungsgemäs-ser Buchführung gelten auch für die Kreativ-wirtschaft. Dennoch ist Kreativwirtschaft die «Anders-Wirtschaft». Woran kann man das festmachen? in der klassischen Wirtschaft wird Wissen gehortet, werden Kunden- und Lieferantenkontakte für sich behalten, um einen Wettbewerbsvorteil zu haben. Kreativ-wirtschaft hingegen teilt Wissen, arbeitet bran-chenübergreifend in Co-Working-Räumen oder finanziert sogar über Crowdfunding Unternehmensideen und Projekte. «Das An-

dere» liegt in der Dynamik und Haltung des Unternehmertums. in den ersten Schritten geht es den meisten Akteuren nur um das eine oder erste ökonomische Ziel: Miete zahlen und voller Kühlschrank. Mit einem solchen Anspruch, der viel Mut und Risiko voraussetzt, kann man starten.

Die Akteure der Kreativwirtschaft stellen sich oft in kürzester Zeit auf die wirtschafts-aktuellen Gegebenheiten ein. Wer jeden Tag eine Krise hat, wer die Herausforderung kennt, von der eigenen Kreativität zu leben und höchsten Ansprüchen gerecht zu wer-den, der weiss auch, wie die ganz kniffligen Dinge klappen. Davon könnte sich so manche Bank und Grossunternehmung eine Scheibe abschneiden.

Das Stellwerk Basel, in dem ich seit Januar als Geschäftsführer verantwortlich bin, ist ein guter Ort für die Akteure der Branche. Wir bieten Existenzgründern aus den Bereichen Architektur, Fotografie, Design und Kom-munikation als erstes kreativwirtschaftliches Gründerzentrum der Schweiz günstige Mieten und eine Begleitung in ihrer Selbstständigkeit sowie Netzwerke und Events an.

Von diesen guten Orten gibt es noch einige. Wichtig für die Basler Kreativwirtschaft ist, die bereits entstehenden Erfolge der lokalen Un-ternehmerinnen und Unternehmer sichtbar zu machen. Leider wird häufig nur darüber ge-sprochen, was alles schiefgeht. Verwaltung und Politik sowie die klassische Wirtschaft sollten im Umgang mit der «Anders-Wirtschaft» offe-ner und mutiger sein, und umgekehrt.

ich bin guter Hoffnung und verbreite ger-ne Euphorie für eine Branche, die in Basel und darüber hinaus grosse Aufmerksamkeit verdient.

Frank LemlohFrank Lemloh ist seit 2013 Geschäftsführer des Vereins Stellwerk Baselwww.stellwerkbasel.ch

in der Zwischenzeit hat sich viel getan: Zu-sammen mit der Gebert Rüf Stiftung unter-stützt die Christoph Merian Stiftung die Start-up Academy, weiter fördert sie Flatterschafft und zusammen mit der Ernst Göhner Stiftung den Verein Stellwerk, sie organisiert einen De-signwettbewerb zum Thema Papier – Schrift – Druck, unterstützt den Designmarkt sowie den Laufsteg Oslo, und sie schafft Raum für die Kreativwirtschaft mit dem Projekt Rakete. Schliesslich hat sich auch die HGK der Krea-tivwirtschaft zugewandt: Sie wird mit der Zür-cher Hochschule der Künste einen Lehrgang in «Cultural Entrepreneurship» anbieten. Wir haben unsere Partner eingeladen, ihre Projekte auf dieser Seite vorzustellen.

Auch der Kanton Basel-Stadt ist aktiv ge-worden, hat mit der Schaffung der initiative Kreativwirtschaft ein impulsprogramm im Sinne der Standortförderung lanciert und bietet mit der Website ikb.ch eine Plattform für die verschiedenen Branchenverbände und -vertreter.

All diese initiativen haben das Bewusst-sein für die Bedeutung der Kreativwirtschaft gestärkt, sie haben aber auch Diskussionen darüber ausgelöst, wie man in Basel die Krea-tiv- und Kulturwirtschaft fördert. Zum Glück. Die staatliche Kulturförderung darf Kreativ-wirtschaft zum Beispiel nicht mit Swisslos-Geldern fördern, und das Wirtschafts- und

Sozialdepartement versteht seine initiativen explizit nicht als Kultur-, sondern ausschliess-lich als Wirtschaftsförderung. «Kreative» sind schlecht organisiert, ein Branchenbewusstsein ist oft nicht vorhanden, und es gibt zu wenig oder zu wenig aktive Branchenverbände, die sich für die interessen ihrer Mitglieder einset-zen könnten (wie z.B. Balimage). So kämpft der Einzelne oft auf verlorenem Posten. Es ist deshalb wichtig, folgende Fragen zu stel-len und zu diskutieren: Wieviel Wirtschaft, wieviel «Kreation» soll gefördert werden, wie können Wirtschafts- und Kulturförderung verzahnt werden? Welche Branchen sollen in Basel prioritär unterstützt werden? Sollen strukturelle Schwächen beseitigt oder eher Stärken gestärkt werden? Wie können Nach-wuchs, Jungunternehmertum und Exzellenz gleichermassen gefördert werden? Die Fragen enthalten Zündstoff, Dynamit, und genau da-rum geht es ja: um zündende ideen und das Feuer für innovation.

Wir von der Christoph Merian Stiftung werden uns weiterhin für die Schaffung von günstigen Werk- und Atelierräumen, für nie-derschwellige Plattformen der Werk-, Produkt- und Labelpräsentation, für die Nachwuchs-förderung und die betriebliche Beratung einsetzen.

Beat von Wartburg

— EiN GEWALTiGER

GENTRiFiZiERUNGS-PROZESS ?

Transformation eine top-down gesteuerte Ent-wicklung ist. Und wir wissen auch, dass Kunst- und Kreativwirtschaftsnutzungen nicht auf dem Reissbrett entstehen, sondern bottom-up. Dennoch glauben wir, dass das Kunstfreilager eine grosse Chance für die Kultur ist. Es ist die einmalige Möglichkeit, die Kunst in der Stadtlandschaft zu verorten, für die Kunst ei-nen Ort zu schaffen, der sich für einmal nicht durch Musealität auszeichnet, sondern durch Lebendigkeit (über 1 000 Studierende werden hier täglich verkehren), durch künstlerische und gewerbliche Produktion, durch die Re-flexion über Kunst, durch interdisziplinäre, forschende Kunst.

Die Transformation des Dreispitz ist ein Generationenprojekt, ein langsamer Prozess, und das hat Vorteile. Denn noch bietet der Dreispitz viele Nischen; Nischen, die zahlrei-che Kulturschaffende bereits für sich entdeckt haben, für den Bandraum, das Architektur-büro, das Hindu-Kulturzentrum, die basel-city studios, Urban Farming, und und und. Es

ist ein Ort für private initiativen, für Men-schen, die an sich und ihre ideen glauben. Das Hinterhof-Projekt ist ein gutes Beispiel dafür. Hier hat eine Gruppe von Leuten mit idealis-tischen Zielen den Versuch gewagt, kommer-zielle Musik-, Bar- und Partykultur mit einem künstlerischen Anspruch zu verbinden, und die Hinterhof-Crew hat Erfolg damit.

Das Kunstfreilager ist eine idee, die Wirk-lichkeit wird, aber in keinem Fall ein mono-polistisches Unternehmen. Nicht alles muss hierherkommen und hier stattfinden. Und weil die Christoph Merian Stiftung nur dann philantropisch tätig sein kann, wenn sie auch an die Rendite im immobiliengeschäft denkt, findet die Transformation des Dreispitz in je-dem Fall statt – mit oder ohne Kultur. Wir finden, es wäre besser mit. Denn Kultur be-deutet Leben und Lebensqualität. Kultur tut dem Dreispitz gut, der Dreispitz kann aber auch der Kultur gut tun.

Beat von Wartburg

LAUFSTEG OSLOWas im vergangenen Jahr mit grosser Unge-wissheit als Versuch lanciert wurde, stand nach der erfolgreichen ersten Ausgabe seine Bewäh-rungsprobe. Kann sich die Veranstaltung nun einen festen Platz im Basler Kulturkalender sichern?

Die Rede ist von Laufsteg Oslo, der ein-tägigen Modeveranstaltung mit Modeschau und Modemarkt zur Förderung nationaler Jungdesignerinnen und aufstrebender Mode-labels, die am 4. Mai 2013 ihre Tore öffnete. Eine Freundin, gelernte Modedesignerin, war

überzeugt, dass ein solcher Event bei vielen Modeschaffenden Anklang finden würde, was sich nach kurzer Recherche durch uns bestätigte.

Mit der idee vor Augen, junge Modelabels zu fördern, die noch nicht auf dem Markt etabliert sind, und ihnen die Möglichkeit zu bieten, sich und ihre Kollektionen zu präsen-tieren, machten wir vom Verein Tor13 uns vor etwas mehr als einem Jahr an das Projekt Laufsteg Oslo. Keiner der Organisatoren war in der Modebranche tätig oder hatte schon

einmal eine Modeveranstaltung organisiert. Die Überzeugungskraft dieser idee, die Ge-wissheit, dass die Nachfrage seitens der Mode-schaffenden vorhanden ist, die Erfahrung im Bereich Eventmarketing und in der Organisa-tion musikalischer Events waren uns Antrieb genug.

Unsere Unerfahrenheit im Feld Modeveran-staltung brachte uns dazu, im stetigen Kontakt mit den Labels zu sein, auf ihre Vorstellungen und ideen einzugehen und uns auch Tipps zu holen. Wir merkten bald, dass dieser rege Austausch zu unserer Stärke wurde, darum probieren wir auch dieses Jahr auf ihre Wün-sche und Bedürfnisse einzugehen. Schliesslich sind es die Designer und Designerinnen und ihre Produkte, die während dieser Veranstal-tung im Vordergrund stehen.

Die wichtigste Frage, die sich stellte, war 2012: Wie finanzieren wir diesen Event? Die teilnehmenden Labels sollten einen möglichst kleinen Unkostenbeitrag zahlen müssen, da-rüber waren wir uns schnell einig. Da wir überhaupt nicht wussten, ob diese Modever-anstaltung auch Publikum anzieht, beschlos-sen wir, keinen Eintritt zu verlangen. Darum mussten wir versuchen, einerseits andere Einnahmequellen zu finden und andererseits die Ausgaben möglichst tief zu halten. Auf der Suche nach Räumlichkeiten, die unseren

Vorstellungen entsprachen, wurden wir dank der Christoph Merian Stiftung auf dem Drei-spitzareal fündig. Da dieses Vorhaben an ein Schulprojekt gekoppelt war, erhielten wir von den Unternehmen, von denen wir inventar mieteten, Rabatte, was uns half, die Kosten tief zu halten. Um mehr Einnahmen zu gene-rieren, organisierten wir eine Afterparty und einen Koch, der direkt vor Ort kochte – beides, um für Abwechslung zu sorgen und um die Leute so länger vor Ort zu halten und damit höhere Einnahmen beim Getränkeverkauf zu erzielen.

Dieses Jahr kam als Schwierigkeit dazu, dass Laufsteg Oslo kein Schulprojekt mehr ist und einige Rabatte wegfielen, was die Ausgaben in die Höhe schnellen liess. Wir wollten aber an unserem Konzept festhalten und warben darum um Sponsoren. Dies bedeutete mehr Aufwand, aber wir wollten über eine gewisse finanzielle Sicherheit verfügen. Ausserdem be-schlossen wir, dieses Jahr Eintritt zu verlangen, was sich bewährte, denn die Leute erschienen trotzdem so zahlreich wie letztes Jahr.

Ben AndristBen Andrist ist Logistikexperte. Privat engagiert er sich im Kulturverein tor13, der die zweite Design-Show Laufsteg Oslo am 4. Mai 2013 im Dreispitzareal organisierte.

g Klamott gg Kate Frank

KREATIv wIRTsChAfTSCHWERPUNKT

Viel diskutiert und nur zögerlich gefördert ist sie: die Kreativwirtschaft. Warum eigentlich? Shortcut stellt die Kultur- und Kreativwirtschaft zur Diskussion und einzelne konkrete Projekte vor

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Koji Morimoto, Ausschnitte aus EXTRA, Aquarell auf Papier, Fineliner auf transparenter Folie, Bleistift auf Papier, Copic Marker, 1995 © Beyond C, Tokyo / R & S Records, London / Sony Music. Ent., TokyoKoji Morimoto, Hintergrund für EXTRA, Line-Overlay: Aquarell auf Papier und Fineliner auf transparenter Folie, 1995 © Beyond C, Tokyo / R & S Records, London / Sony Music. Ent., TokyoKoji Morimoto, Auszug aus dem Storyboard für Dimension Bomb, Bleistift und Copic Marker auf Papier, 2009 © Koji Morimoto, 2009, Studio 4°C, Tokio

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EDiTORiAL—

Ein Shortcut, liebe Leserin, lieber Leser, ermöglicht im iT-Bereich per Tastenkombination oder via Link einen direkten Zugang zu gewünschten Applikationen und informationen. «Shortcut» heisst auch das neue Kulturmagazin der Christoph Merian Stiftung. Der Name ist Programm. Shortcut soll Sie ohne Umwege mit der Christoph Merian Stiftung kurzschliessen. Mit diesem «Link» möchten wir Sie darüber informieren, was die Stiftung im Kulturellen tut und warum. Shortcut berichtet über die Kultur förderpraxis und setzt einzelne Projekte in den Zusammenhang der Stiftungsförderpolitik. Das Magazin will Hintergründe beleuchten und einen Blick in den Backstage-Be-reich ermöglichen, sowohl bei der klassischen Projektförderung als auch bei den stiftungseigenen Projekten und Kulturplayern wie dem Christoph Merian Verlag, dem Cartoonmuseum Basel und dem Austauschprogramm iaab. Jede Ausgabe enthält ei-nen thematischen Schwerpunkt. Wir beginnen mit der Kreativ-wirtschaft.Shortcut erscheint von nun an regelmässig und ergänzt damit unseren monatlichen Veranstaltungsnewsletter, den «Kultur-kalender».*Wir wünschen ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre!Beat von Wartburg, Leiter Abteilung Kultur der Christoph Merian Stiftung

FALLBEiL FÜR GÄNSEBLÜMCHENSeit neun Jahren führt der Christoph Merian Verlag in Zu-sammenarbeit mit dem Schwei-zer Radio SRF Hörbücher im Programm. Der Schwerpunkt der gemeinsamen Hörbuchedition liegt dabei auf inszenierten Hör-spielen. Daneben erschienen im-mer wieder Hörbücher ausserhalb dieser Reihe, oft in Zusammen-arbeit mit anderen institutionen wie dem Robert Walser Archiv und dem Migros Kulturprozent oder mit den Autoren selbst (so Urs Widmer und Franz Hohler). Eine weitere langjährige Koope-ration besteht mit der Stiftung Radio Basel. Sie vergibt seit 2007 den internationalen Featurepreis an herausragende Produktionen von ARD, ORF und SRF. Das Gewinnerfeature wird jeweils auf CD veröffentlicht und erscheint im Christoph Merian Verlag.

Radio-Features sind Reportagen, die Elemente des Hörspiels und der Dokumentation miteinander verbinden. Ein gut gemachtes Feature fesselt den Hörer, lässt ihn in die (wahre!) Geschichte eintauchen und spielt virtuos mit den Stilmitteln des Radios.

«Fallbeil für Gänseblümchen» – Gewinner des internationalen Featurepreises 2012 – ist ein solches Feature. Zu hören sind ausgewählte Ausschnitte aus ei-nem Gerichtsprozess in Ostberlin zur Zeit des Kalten Krieges Mitte

der 1950er-Jahre. Der Westspiona-ge angeklagt sind Elli Barczatis (Deckname «Gänseblümchen»), Sekretärin des DDR-Ministerprä-sidenten Otto Grotewohl, und ihr Geliebter, der westdeutsche Agent Karl Laurenz. Die Öffentlichkeit ist bei diesem Gerichtsprozess ausgeschlossen, die Staatssicher-heit schneidet die Verhandlung mit.

Über ein halbes Jahrhundert sind seit diesem Prozess vergangen, der nach der Wiedervereinigung ein juristisches Nachspiel hatte. Maximilian Schönherr hat die Bänder der Stasi entdeckt und daraus für den WDR ein Radio-feature erstellt, das unter die Haut geht. Das bisher unveröffentlichte Originalmaterial erzählt viel über das Funktionieren einer Diktatur und ist ein packendes Zeitzeug-nis, das den deutsch-deutschen Konflikt in einem scharfen Licht darstellt.

Obwohl die einst überzeugte Genossin Elli Barczatis keine wirklich wichtigen informationen an Westdeutschland geliefert hat, zeigt sich das Gericht gnadenlos. Die Angeklagten sind ohne Verteidiger, das Urteil scheint fest zu stehen, noch bevor die Ver-handlung begonnen hat, Gericht und Staatsanwalt arbeiten Hand in Hand. Die perfide Rhetorik und die Fangfragen des Richters sind schwer zu ertragen, und

selbst heute, knapp sechzig Jahre nach der Verhandlung, fühlt man die Bedrohung fast körperlich. Auch die komplexe Beziehung der Angeklagten zu ihrem Gelieb-ten ist erschütternd. Schliesslich steuert der Prozess auf das unver-meidliche Ende zu: die Verkün-digung des Todesurteils, das zwei Monate später vollstreckt wurde.

Als Hörbuch im Christoph Merian Verlag erschienen, fand das Feature grosse Aufmerksam-keit. Es war unter anderem auf der renommierten Bestenliste des Hessischen Rundfunks notiert, war «Hörbuch der Woche» im Bayerischen Rundfunk und wird bereits im Geschichtsunterricht eingesetzt.

Oliver Bolanz

www.merianverlag.ch

DiGiTAL DURCH DiE BASLER VERGANGENHEiTDas zeitgeschichtliche Webportal baslerchronik.ch neu auch für Mobilgeräte

Dass sich die Medienwelt rasch und immer rascher ändert, ist eine Binsenweisheit. Die Digitali-sierung unseres Alltags hat schon lange eingesetzt. Für das 1879 begonnene Basler Stadtbuch und die darin eingegliederte Basler Chronik begann die neue Zeit-rechnung im Jahr 2000. Erstmals konnten dann alle Artikel und alle Autorinnen und Autoren beim Christoph Merian Verlag auch online abgerufen werden, et-was später auch alle Chronikein-träge. Seit 2011 geht die Chronik als Website baslerchronik.ch ihren eigenen, nun rein digitalen Weg. Film- und Tondokumente von

Telebasel und Regionaljournal sowie eigens in Auftrag gegebene Fotos sorgen für die multimediale Anreicherung.

Die Firma Hinderling & Volkart hat die Website von Beginn an sehr ansprechend und fortschritt-lich entwickelt. Allerdings hatte baslerchronik.ch den Haken, für den Arbeitsplatzcomputer ausgelegt zu sein und nicht für Smartphones oder für Tablets, die sich in den letzten zwei Jahren enorm verbreitet haben. Seit Ende Januar 2013 ist deswegen eine für Mobilgeräte und deren Touch-screen optimierte Parallelwebsite aufgeschaltet. Die Bedienung

geschieht intuitiv und spielerisch. Zudem hat die bisherige Website ein Update erhalten, indem die Suchfunktion verfeinert und das Ansteuern bestimmter Daten erleichtert worden sind.

Was heutzutage nicht im Web erscheint, stirbt aus dem öffentli-chen Bewusstsein weg. Mit dem zeitgeschichtlichen Webportal baslerchronik.ch sichert und erweitert die Christoph Merian Stiftung eine wichtige Recherche-möglichkeit über das Basel der vergangenen 130 und der noch kommenden Jahre.

André Salvisberg

iAAB WiRD JETZT FRANZÖSiSCHDiE STADT MULHOUSE iST PROJEKTPARTNER VON iAAB

Was die bildende Kunst mit derjenigen des Vinifizierens verbindet, hat die Basler Künst-lerin Renée Levi einmal festgehalten, sei der Prozess des Komprimierens – und das Stadium der Gärung, könnte man noch hinzufügen. So entwickelt etwa ein guter Gewürztrami-ner aus dem Elsass seine Finesse und seine mineralische Struktur erst nach drei Jahren Flaschenlegung, und wenn er sich dann noch zwei Jahre im Holzfass entspannen kann, dann blühen die verwandelten Trauben buchstäb-lich zu einem reichen Strauss an Aromen und Düften auf.

Auch Kooperationen im Kunstbereich kön-nen manchmal die Stadien des Reifens mit Gewinn durchlaufen. So hat sich die Zusam-menarbeit zwischen dem Künstleraustausch-programm iaab und den elsässischen institu-tionen auf der Strecke von Mulhouse nach Basel in traminischen Dimensionen entfaltet, sie hat lange Zeit gegärt, ist dann mehrfach im Barrique gewendet und verkostet worden – bis sie sich jetzt mit einem umso überraschende-ren und hinreissenden Bouquet präsentiert: Seit Mai 2013 ist die Stadt Mulhouse gemein-sam mit der Kunsthalle Mulhouse Teil der iaab-Trägerschaft. Dabei hat iaab, dank dem intensiven Engagement und dem standhaften Einsatz von Kunsthallendirektorin Sandrine Wymann, mit Mulhouse einen ganz beson-ders vielfältigen und engagierten Partner ge-winnen können; denn die Stadt unterstützt das Stipendienprogramm nicht nur jährlich mit einem finanziellen Beitrag, sie bringt mit der Kunsthalle Mulhouse auch einen agilen Partner mit ins Boot, der wiederum eng mit der neu fusionierten Haute-Ecole des Arts du Rhin zusammenarbeitet. Diese elsässische Hochschule für Gestaltung und Kunst ver-bindet seit Kurzem künstlerisch die Städte Mulhouse und Strasbourg.

So wird die Kunsthalle in Zukunft durch die Kooperation mit iaab jeweils pro Jahr zwei Gastkünstler bzw. Gastdesigner aus indien be-herbergen, deren Arbeit der Geschichte, der Fabrikation und/oder dem Design von Texti-lien gewidmet ist und die während ihres Auf-enthalts in der einstigen Textilhochburg Mul-house unter anderem von der Haute-Ecole des Arts du Rhin, dem Musée de l’impression sur Etoffes sowie der Ecole Nationale Supérieure d’ingénieurs Sud Alsace begleitet werden. im Gegenzug können sich professionelle Künstle-rinnen und Künstler, die im Elsass leben oder arbeiten, für ein iaab-Auslandsstipendium be-werben.

Somit ist denn iaab zum ersten Mal in sei-ner 27-jährigen Geschichte trinational veran-kert, und sein Einzugsgebiet erstreckt sich nun mit einem Mal von Basel bis weit über Stras-bourg hinaus, von Freiburg i. Br. durch das Unter- und Oberbaselbiet bis an die äussersten Ränder des Kantons Solothurn. Zum ersten Mal wird die Ausschreibung des Stipendien-programms dieses Jahr auch zweisprachig pu-bliziert und die Bewerbung erfolgt neu online auf der iaab-Website, ebenfalls zweisprachig.

Alexandra Stäheli

SCHREiBEN iN iNDiENDer Fachausschuss Literatur BS / BL hat zusam-men mit iaab ein Schriftsteller-Stipendium für Bangalore ausgeschrieben. Birgit Kempker wur-de für einen dreimonatigen Aufenthalt in der Writer’s Residency Sangam-House ausgewählt. Vier Fragen an die Basler Autorin, die Anfang November ihre Zelte in indien aufschlagen wird.

Frau Kempker, Sie haben ein Stipendium für das Schriftstellerhaus Sangam in Bangalore erhalten. Welche Wünsche oder Erwartungen verbinden Sie mit ihrem Aufenthalt in indien? Den Wunsch nach Zeit und Raum, in dem Unvorhergesehenes passieren kann. Zärtlich-keit und Disziplin, das ist mein Code für 2013, mehr von beidem wünsche ich mir auch. Haben Sie ein konkretes schriftstellerisches Projekt für die Zeit in indien?Zu viele. Der Peggyplan, da sitzt Peggy mit einer Reihe ungebildeter Räuber am Fluss und denkt (und verkörpert). Der Liebesplan, da bereitet sich ein Mann auf die Liebe vor. Und besonders der Tanzplan, Schreiben als eine andere Art zu tanzen. Meine Art, mich den Dingen, dem Denken, dem Schreiben und Menschen, Erinnerungen zu nähern, ist: es zu verkörpern. Es ist etwas sehr Einfaches, und dieser Einfachheit würde ich gerne näherkom-men, sie verkörpern.

Welche Effekte könnte es für Sie haben, in einem fremdsprachigen Kontext zu schreiben?Der Sprachplan. ich stelle mir vor, in eng-lischer Sprache zu schreiben und mich erst später zurückzuholen in die deutsche Sprache, nach den drei Monaten. Natürlich verspreche ich mir davon eine gewisse gründliche Ent-kempkerung.

Denken Sie, dass «das indische», das tropische Fluidum vor Ort, in irgendwelcher Form in ihr Schreiben einfliessen wird? Auch wenn dieses inhaltlich und formal in einem anderen Kon-text angesiedelt ist. (in einem europäischen oder evtl. auch in einem allgemein-menschli-chen, ich denke da an den Liebesplan, also die Frage nach der Liebe eines Mannes.)Für den Liebesplan hat es bestimmt Folgen, dass ich meinen Mann mit nach indien neh-me. Er wird dort anders darüber nachdenken, wie er sich auf die Liebe vorbereiten kann und wie er einer Frau gefallen könnte. Er wird ja auch seine Umgebung beobachten und Schlüsse ziehen. Vielleicht muss ich ihn dann dort lassen, falls er sich durch seine Er-kenntnisse und Bemühungen für die Liebe in Europa disqualifiziert.

interview: Alexandra Stäheli

iAAB –UNTERWEGS ZU NEUEN

BAUSTELLENSÜDAFRiKANiSCHE LEERE, CHiNESiSCHER AUSSENBLiCK

UND RÄUMLiCHE AUSDEHNUNG

Er fühle sich innerlich total leer und er habe keine Ahnung, in welche Richtung sich sei-ne Arbeit weiter entwickeln werde – ja, ob überhaupt!, berichtet der südafrikanische Gastkünstler igshaan Adams zwei Monate nach seiner Ankunft in Basel mit von Sorgen erfüllten Augen. Und das iaab-Team ist begeis-tert. Denn der Künstler zeigt alle Symptome einer gelungenen Residency. Wenn sich Kunst-schaffende auf die räumliche, zeitliche und diskursive Verschiebung des Lebenskontextes, die eine Residency immer bedeutet, wirklich einlassen, kann es geschehen, dass vertraute Sichtweisen, scheinbar normale Abläufe und gängige Perspektiven auf die künstlerische Praxis plötzlich von einem Werk abzufliessen beginnen – und sich ein tiefes Nichts einzu-stellen beginnt, eine fast schon zen-artige Lee-re, auf deren Grund noch zart und konturlos ganz neue, unerwartete, nie gedachte ideen ihre Augen aufschlagen.

im inneren der iaab-Zentrale jedoch herrscht momentan alles andere als medi-tative Stille, nach der sich das iaab-Team in diesen umtriebigen Frühlingstagen fast ein wenig sehnt. Denn das Programm ist gerade dabei, seine Schwerpunkte zu verlagern und sich in vielfältiger Weise nochmals neu zu entwerfen. Nebst seiner neuen geografischen Ausdehnung bis weit über Strasbourg hinaus und der Ergänzung der iaab-Trägerschaft um die Stadt Mulhouse – die einen Meilenstein in der Geschichte des Programms darstellt – be-müht sich das bisher auf die visuellen Künste fokussierte Stipendienprogramm auch inhalt-lich um eine Erweiterung: in Kooperation mit

dem Fachausschuss Literatur BS / BL und der Kulturstiftung Pro Helvetia hat iaab für das Jahr 2013 das Pilotprojekt eines Autorenaus-tauschs mit indien lanciert. Während so der aus Kalkutta stammende Schriftsteller Ruchir Joshi zu Beginn dieses Jahres drei kalte, dafür aber umso produktivere Monate in einem der Basler iaab-Ateliers verbrachte, erhält nun die Basler Schriftstellerin und Künstlerin Birgit Kempker die Gelegenheit eines dreimonati-gen Aufenthalts in einem Schriftstellerhaus in Bangalore.

Neu ist auch der ebenfalls in Zusammen-arbeit mit der Pro Helvetia lancierte Aus-tausch für Kuratoren, der sich in Basel seit Anfang Mai mit der Residency des chinesi-schen Kunstvermittlers Xia Yanguo mani-festiert: Der aus Peking stammende Kurator und Kunstkritiker wird bis im September in einem der iaab-Ateliers im St. Alban-Tal 40a logieren und gemeinsam mit dem Team des Ausstellungsraums Klingental zur Saisoner-öffnung der Galerien eine Show realisieren, die Xias hoffentlich prickelnde, befremdende, bestürzende und in jedem Falle bereichernde (Aussen-)Sicht auf die regionale Kunstszene spiegeln wird.

Und damit auch sonst noch alles neu bleibt, hat sich iaab nebst dem längst nötigen Re-launch der Website per Ende Jahr auch noch eine weitere Baustelle angelacht: Wenn alles gut geht, startet bereits im September der Um-bau des Gebäudes D an der Oslostrasse 12 auf dem Dreispitz-Areal, das mit einem ehrgeizi-gen Fahrplan ab Ende 2014 die neuen Ateliers für die iaab-Gastkünstler aus aller Welt beher-

iMPRESSUM

Redaktion und TexteOliver Bolanz, Leiter Christoph Merian Verlag

Anette Gehrig, Leiterin Cartoon Museum Basel Christoph Meneghetti, Projektleiter Abteilung Kultur

André Salvisberg, Archive & Sammlungen Alexandra Stäheli, Projektleiterin iaab

Beat von Wartburg, Leiter Abteilung Kultur Rebekka Wiedmer, Assistentin Abteilung Kultur

—PROTO ANiME CUT

Zukunftsvisionen im japanischen AnimationsfilmVisions of the Future in Japanese Animated Films

8.6. – 13.10.2013www.cartoonmuseum.ch

PROTO ANIME

CUT ZUKUNFTSViSiONEN iM JAPANiSCHEN ANiMATiONSFiLM

Anime sind japanische Animationsfilme (ge-zeichnete Trickfilme), die auf der Ästhetik und den Themen der hierzulande noch bekannte-ren Manga (japanische Comics) aufbauen. Sie sind seit einigen Jahren nicht nur bei Fans beliebt, sondern gewinnen zunehmend Ein-fluss auf den Mainstream der globalen Popkul-tur. Anspruchsvolle Anime sind künstlerisch hochstehend, sie spielen oft in einem Science-Fiction-Rahmen und befassen sich mit gesell-schaftlichen Fragen, Zukunftsahnungen und Mensch-Technik-interaktionen. Hierzulande bekannt sind die erfolgreichen Anime «Akira» (1988), «Ghost in the Shell» (1995) und «Neon Genesis Evangelion» (1995), die Gesellschaften

der Zukunft entwerfen und als experimentelle Projektionsfläche für Fantasien und Utopien faszinieren. Aktuelle Themen wie der techni-sche Fortschritt, die Urbanisierung und die Folgen des Wirtschaftswachstums in Japan scheinen uminterpretiert in der Zukunft auf und werden so verarbeitet. Diese Filme prä-gen bis heute die Vorstellungen vom visuellen und narrativen Stil der Anime und bilden den Ausgangspunkt der Ausstellung.

Die zweisprachige (e/d) Ausstellung «Proto Anime Cut. Zukunftsvisionen im japanischen Animationsfilm» stellt Themen, Künstler und Herstellungsprozesse des Genres erstmals in der Schweiz vor. Die handelnden Figuren und

äusserst aufwendigen Szenerien werden eben-so untersucht wie die inhalte, Mechanismen und Möglichkeiten gezeichneter japanischer Science-Fiction. «Proto Anime Cut» bietet so einen aussergewöhnlichen Einblick in ein künstlerisches Schaffen an der Grenze von Film, bildender Kunst und Popkultur.

Die Ausstellung zeigt zahlreiche, der Öf-fentlichkeit normalerweise nicht zugängliche Originalzeichnungen und -skizzen, Studien-material, inspirationsquellen und eine Reihe weiterer Originalobjekte aus dem Herstel-lungsprozess der Filme und präsentiert die entsprechenden Filmausschnitte. Ganz am Anfang durchläuft eine Anime-Produktion

Prozesse kreativer Erfindung, lässt neue Wel-ten entstehen und wird durch künstlerische Entscheidungen geformt. in diesen subjekti-ven Momenten eines ansonsten formalisier-ten und industrialisierten Prozesses wird der narrative Stoff gewoben, aus dem sich schliess-lich die kleinen und grossen Geschichten der filmischen Vision entwickeln. Die ausgestell-ten Arbeiten sind vor allem Zeugnisse dieser kritischen und erfindungsreichen Phase der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und ästhetischen Themen und sind für ein breites Publikum genauso faszinierend wie für eingeschworene Fans.

Trickfilme entstehen durch Arbeitstei-lung, also mit Beteiligung unterschiedlichster Künstler. Gleichzeitig werden sie von prägen-den Persönlichkeiten gestaltet. Die Ausstel-lung zeigt Künstler aus verschiedenen Diszip-linen, die wesentlich dazu beigetragen haben, den typischen Stil von Anime zu etablieren.

Die vorgestellten Regisseure und illustra-toren Hideaki Anno, Haruhiko Higami, Koji Morimoto, Hiromasa Ogura, Mamoru Oshii und Takashi Watabe eint ihr interesse an der realistischen Konstruktion möglicher Welt-bilder und an wirklichkeitsnahen Visionen zukünftiger Städte und Landschaften. Diese Künstler gehören zu einer Generation von il-lustratoren, die noch fast ausschliesslich von Hand zeichnete und den typischen Animestil massgeblich geprägt hat.

Ein Höhepunkt der japanischen Trickfilm-kunst ist sicherlich Katsuhiro Otomos Film «Akira», der 1988 dem japanischen Anime zu internationaler Anerkennung verhalf. Er ba-siert auf Otomos gleichnamigem, insgesamt 2 000 Seiten umfassenden Manga-Epos «Akira» und hat für eine ganze Generation von Kino-besuchern die Sehgewohnheiten und Vorbe-halte gegenüber den künstlerischen Möglich-keiten von Zeichentrickfilmen grundlegend verändert. Als «Akira» 1988 veröffentlicht wur-de, befand sich die japanische Wirtschaftsblase

auf dem Höhepunkt. Der Film reflektiert die grundsätzliche Befürchtung, dass die kapita-listischen Fundamente, auf denen Japan nach dem Zweiten Weltkrieg neu errichtet wurde, am Ende doch nicht so stabil sein könnten wie angenommen. Sowohl der grosse Erfolg von «Akira» als auch der Realismus von « Patlabor» und «Ghost in the Shell» sowie die Glaub-würdigkeit von «Neon Genesis Evangelion» hängen vor allem mit der erstklassigen und detaillierten Darstellung Tokios als Bühne der Geschichten zusammen.

Die Ausstellung «Proto Anime Cut. Zu-kunftsvisionen im japanischen Animati-onsfilm» wird ausserdem von zahlreichen vertiefenden Veranstaltungen, einem Film-programm, Führungen und Vermittlungsan-geboten für Schulen und private Gruppen be-gleitet. in Kooperation mit dem Comix Shop und kult.kino lädt das Cartoonmuseum zu einem Manga- und Anime-Weekend, an dem japanische Trickfilme und Comics im Mittel-punkt stehen. Sowohl die bekannten, aber sehr selten im Kino zu sehenden Filme der teilnehmenden Künstler als auch unbekann-tere Meisterwerke werden präsentiert. Die den Filmen zugrunde liegenden Manga werden zur Ansicht parat liegen. Auch Familien und Kinder sollen angesprochen werden.

Zudem vermitteln Vorträge in Zusammen-arbeit mit der Volkshochschule Hintergrund-wissen zu Anime und Manga. Während der Sommerferien werden Animationsfilmwork-shops für Kinder und Jugendliche angeboten.

Anette Gehrig

プロトアニメカット日本のアニメーションにおける未来像

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bergen wird – in unmittelbarer Nähe und mit einer direkten räumlichen Verbindung zu den Studios der regionalen Künstler an der Oslo-strasse 10. Damit der prickelnde Austausch zwischen den Kulturen, Kunstverständnissen und Disziplinen im Spiel der Gezeiten zwi-

schen existenzieller Leere und künstlerischer Fülle so richtig aufschäumen kann.

Alexandra Stäheliiaab-Ausschreibung: Bewerbung bis 8.7.13 einreichen!Jetzt neu online unter www.iaab.ch

Gestaltung Hauser, Schwarz – Basel

Druck Gremper AG – Münchenstein

Christoph Merian Stiftung St. Alban-Vorstadt 5

Ch-4002 Basel

DAS KULTURMAGAZiN DER CHRiSTOPH MERiAN STiFTUNG

shORTCUTSchwerpunkt:

KREATiVWiRTSCHAFTCartoonmuseum Basel:

JAPANiSCHER ANiMATiONSFiLM

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TRiNATiONAL

#1Juni 2013