Servants Newsletter Mai 2008

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Philippinen servants Nr. 53 / Mai 2008 news 6 Slumfamilien kehren aufs Land zurück | 7 Familien unter Druck | 10 Hilfe für traumatisierte Strassenkinder «Wir Menschen, die an einen Schöpfer glauben, sind seine Füsse und seine Hände. Wenn wir nicht in seinem Namen helfen, wird auch Gott nicht helfen.» Christian Schneider, Seite 14

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Slumfamilien kehren aufs Land zurück Familien unter Druck Hilfe für traumatisierte Strassenkinder

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servantsNr. 53 / Mai 2008

news

6 Slumfamilien kehren aufs Land zurück | 7 Familien unter Druck | 10 Hilfe für traumatisierte Strassenkinder

«Wir Menschen, die an einen Schöpfer glauben, sind seine Füsse und seine Hände. Wenn wir nicht in seinem Namen helfen, wird auch Gott nicht helfen.» Christian Schneider, Seite 14

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Vor zehn Jahren berichteten wir in den Servants News von einem «Osterwun-der» aus der Anfangszeit von Onesimo. Wir wollten den Armen mit handfester Hilfe beistehen und sie zu einer Begeg-nung mit dem Auferstandenen einla-den. Durch viele Widerstände und Nie-derlagen fühlten wir uns manchmal wie die Jünger, nachdem Jesus gestor-ben war. Was nun? Aus der Traum von einer besseren Welt.Dann, in der Nacht vor Ostern 1998 erlebten wir ein kleines Naturphäno-men: Unsere Teenager von den Müll-bergen sassen am Strand von Camp Rock unter dem klaren Himmel einer tropischen Vollmondnacht. Plötzlich strandete ein Riesenschwarm von unzähligen kleinen Fischen gleich vor ihren Füssen. Tanzend vor Freude füll-ten sie eiligst mit Moskitonetzen jedes erdenkliche Gefäss. Nachdem sich alle Nachbarn bedient hatten, brachten unsere Jungs noch in der gleichen Nacht über hundert Kilo Fischsegen auf den lokalen Markt zum Verkauf. Ein alter einheimischer Fischer bezeug-te, dass er so etwas noch nie gesehen hatte.Am Ostermorgen lockte uns der Duft von gebratenem Fisch. Doch vor dem Essen lasen wir noch einen Abschnitt aus der Bibel über Ostern vor 2000 Jah-ren: Der Auferstandene überraschte sei-ne entmutigten Jünger mit einem Fischfrühstück. Wir schauten uns still an. Dann sagte jemand nur zwei Wor-te: «Jesus lebt.» Wir alle spürten, dass jetzt jedes weitere Wort überflüssig war.Später sagte uns ein Freund, wir sollen dieses kleine Wunder als Hinweis Got-tes nehmen, dass durch unseren Dienst viele unscheinbare Leute für Jesus gewonnen werden. Anschliessend folg-ten Jugendfreizeiten mit über 600 Teil-nehmern. Und seither schöpfen jedes Jahr Hunderte am gleichen Strand Hoffnung aus der Osterbotschaft.

Christian Schneider

Fisch vom Himmel

EDITORIAL

Titelbild: Junge vor der Müllhalde in Tondo

Gründe für den Schulabbruch gibt es viele: Die Kinder werden zu Hause zu wenig ermutigt, in der Schule fühlen sie sich oft dumm, weil sie nicht ange-sprochen sind von der Lehrmethode und deshalb keine Erfolge aufweisen können. Andere müssen meistens hung-rig zur Schule, können sich weder eine Schuluniform noch richtige Schuhe leisten. Dies sind jedoch wichtige Din-ge, um dazuzugehören.

Module für individuelle BildungslückenJugendlichen, die nicht mehr zur Schu-le gehen, fehlen Herausforderungen und Erfolgserlebnisse. Diese holen sie sich

in Strassenbanden, wo sie sich durch Gewalt Beachtung verschaffen. Trotz-dem bleiben immer Gefühle der Min-derwertigkeit. Vor einigen Jahren wur-de das Bildungsministerium aktiv und führte ein alternatives Schulprogramm (Alternative Learning System ALS) ein: Dabei werden zunächst die individuel-len Wissenslücken jedes Bewerbers un-tersucht und auf dieser Basis nur die Lernmodule ausgewählt, die er benö-tigt. Je nach Selbstdisziplin können die einzelnen Module sogar im Selbststudi-um bearbeitet werden. Die Lehr- und Lernmethoden kommen den Schülern entgegen: Eine trockene Theorienbüff-lerei gibt es nicht. Stattdessen wird kre-

Zweite Chance für Schulabbrecher

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Auf den Philippinen brechen viele Kinder und noch mehr Jugendliche die Schule ab. Die meisten Teilnehmer des Onesimo-Rehabilitationsprogramms gehören dazu, auch 38 der 39 Teilnehmer am Lilok-Friedenslager 2007.

Studentinnen vom ALS-Programm

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ativ gelernt, mit lebensbezogenen Auf-gaben, sodass sie Fähigkeiten erwerben, die sie im Alltag anwenden können. In einem Modul geht es zum Beispiel da-rum, wie man Formulare ausfüllt und vorgehen muss, damit man ins Sozialver-sicherungssystem aufgenommen wird. Ein anderes Modul trainiert Kommuni-kationsfähigkeiten anhand von positi-vem und negativem Feedback.Bei Onesimo wurde das ALS vor zwei Jahren eingeführt und gleich alle er-hältlichen Module wurden erworben. Mittlerweile hat sich das Programm so bewährt, dass Onesimo gar nicht alle Bewerber aufnehmen kann. Deshalb organisierte Onesimo einen Einfüh-rungskurs für Slumkirchen, die ALS in ihrer Nachbarschaft anbieten wollen. Die Lilok-Gruppe hatte sich ebenfalls entschlossen, ein ALS-Programm anzu-bieten. So ist die Onesimo-Bibliothek mittlerweile zu einem wichtigen An-laufpunkt geworden, weil hier die Ma-terialien der einzelnen Module ausge-liehen werden können.

ALS zieht KreiseEinem Strassenjungen aus meinem Vier-tel begegne ich zum ersten Mal im ALS-Programm bei Lilok. Zwei Tage später lau-fen wir uns am Laden an der Ecke über den Weg. Er begrüsst mich strahlend. Sein Freund ist neugierig: «Woher kennst du sie?» «Aus der Schule!», kommt prompt die stolze Antwort. «Was für eine Schule denn?», tönt es erstaunt zurück. Der Jun-ge erweckt eben nicht den Eindruck, als ginge er in eine Schule …Eine Gruppe von Müttern, die frühere Lilok-Kurse absolviert hatten, freute sich über das ALS-Programm für die Banden-jugendlichen. Einige Wochen darauf erkundigten sie sich: «Wenn diese Ju-gendlichen so die Schule abschliessen können, gäbe es für uns dann nicht auch eine Möglichkeit? Wir haben auch nie abgeschlossen, möchten dies aber!»Dass Manny Pacquiao, ein internatio-naler Meister im Boxen und Idol vieler Jugendlicher in Armut ebenfalls ALS-Abgänger ist, macht das Programm in den Augen der Jungen noch eine Spur attraktiver.

Selbstbewusstsein durch BildungIn erster Linie geht es nicht darum, dass ALS-Absolventen höhere Bildungs-abschlüsse erreichen, obwohl dies na-türlich begrüssenswert ist. Viel wichtiger ist, dass die Teilnehmer Selbstvertrauen gewinnen: Fähigkeiten entdecken und entwickeln, sich ausdrücken können, sich anstrengen und Bestätigung be-kommen.Die anfängliche Kritik, das ALS-Pro-gramm sei eine zweitklassige Methode, ist mittlerweile widerlegt: Kritiker be-stätigen jetzt, ALS sei mindestens so anspruchsvoll wie das traditionelle Schulsystem. Es beinhalte sogar The-

men, die in einer regulären Schule nie behandelt würden. Inzwischen sind ei-nige Eltern am ALS interessiert als Er-gänzung zum normalen Schulstoff!

Ich bin begeistert, dass durch das Servants-Netzwerk progressive Schulbildung in die Armenviertel kommt – und dies nicht länger blosse Zukunftsmusik ist. Mit Ihrer Hilfe sponsert Servants die Pilot-phase des Lilok-ALS. Auch am Onesimo-ALS sind viele von Ihnen durch treue finanzielle Unterstützung beteiligt. Ganz herzlichen Dank!

Regula Hauser

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Manny Pacquiao ist internationaler Meister im Boxen und Idol vieler Jugendlicher in Armut. Dass er ALS absolviert hat, motiviert viele Jugendliche, ebenfalls daran teilzunehmen.

Hände von Strassenkindern in Manila

Boxeridol Manny Pacquiao

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Das aufwendige, langsame Leben ist gleichzeitig entspannend. Man geht früh schlafen, weil es nur zwei Petroleumlam-pen gibt. Alles ist sehr ruhig – ausser den vielen Naturgeräuschen. Und dann haben wir in der Nähe auch noch zwei wunderschöne Wasserfälle und aufre-gende Höhlen entdeckt!

Über Ostern hatten wir ein Familien-lager der Bukid-Gemeinde mit rund dreissig Teilnehmern da. Es war eine sehr schöne Atmosphäre. Viele der Teil-nehmer sind sehr arm und könnten sich solche Ferien nie leisten, obwohl alles einfach gehalten ist. Auch kir-chenferne Teilnehmer fühlten sich sehr wohl und würden sofort wieder kom-men.

Seit Mitte Januar können wir den Dach-stock des Gebäudes als Schlaf- und Gruppenraum nutzen. Unter dem Blätterdach ist es sehr gemütlich und kühl. Der untere Teil ist absichtlich offen, um Bambusbaumaterial für die nächsten Projekte geschützt zu lagern.

Das neue Zentrum in Tanay entsteht

Seit Mitte Dezember wird in Tanay das neue Zentrum von Lilok gebaut, schön sanft und langsam, weil doch das Leben da oben recht umständlich ist. Allein das Kochen auf dem Holzfeuer ohne jegliche Kühlmöglichkeit oder Nähe zu einem Markt erfordert einige Zeit.

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Im Lager gab es neben der Arbeit viel Zeit zum Geniessen. Viele erinnerten sich an ihre Kindheit auf dem Land, wo sie zum Beispiel Palmbesen gebun-den haben oder auf Palmen geklettert sind, um Nüsse herunterzuholen. Ande-re spalteten stundenlang Holz und die Kinder benutzten Nussschalen für Koch-spiele.

Nun planen wir die nächsten Schritte für das neue Zentrum. Wir möchten möglichst wenig Strom verbrauchen und setzen uns auch mit Alternativ-energie auseinander: Für die Wasser-pumpe möchten wir gerne eine Wind-mühle installieren, denn nachmittags haben wir meistens mittleren bis starken Wind. Für den übrigen Stromverbrauch planen wir Solarzellen, was natürlich recht grosse Investitionen erfordert.

Regula Hauser

Ein schonender Umgang mit der Schöp-fung hat bei den Teilnehmern Wurzeln geschlagen: Komposttoiletten, Bio-sei fe, die Wiederverwertung von jedem Tropfen Wasser und die Entsorgung von Plastik haben die Teilnehmer be-eindruckt. Wir tun hier etwas Radika-les, und die Leute schätzen es.

Die wichtigsten Infrastrukturen erlau-ben mehrtägige Gruppenaufenthalte. Viele haben nun gesehen, dass das Zen-trum wirklich entsteht, seit Mitte Janu-ar ist fast jedes Wochenende ausgebucht. Der lange Bambustisch unter dem Man-gobaum wird rege gebraucht.

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Slumfamilien kehren aufs Land zurück

Bisher fuhr Joey täglich vom Slum aus mit einem Holzkarren zu den besseren Wohngebieten und sammelte alte Fla-schen und Zeitungen. Sein Verdienst reichte kaum zum Essen. Sie lebten mit Verwandten zusammen; weil sie sich

aber nicht an den Kosten beteiligen konnten, wurden sie vor die Tür gesetzt. Dann fiel Joey in sein altes Verhaltens-muster zurück und verkaufte gestohlene Autobatterien. Er wurde erwischt und wäre beinahe im Gefängnis gelandet. Das hat ihn nun dazu bewogen, mit seiner Familie zu seiner Mutter in die Provinz zu ziehen. Er zog damals nach Manila, weil er sich mit dem neuen Partner der Mutter nicht verstand. Das hat sich nun aber gebessert.

Eigenes Land statt SlumZusammen mit Arnold, dem Betreuer der Leuchtturm-Gemeinschaft, besuche ich Joey, um mir ein Bild zu machen und herauszufinden, wie man der jun-gen Familie helfen kann, auf dem Land zu bleiben und nicht wieder zu ver-elenden. Wir fahren mit dem Bus zwei Stunden nach Norden, wo uns Joey mit dem Tricycle abholt. Sie wohnen in einem abgelegenen Aussiedlungsge-biet für ehemalige Slumbewohner, die dort eigenes Land kaufen können. Die Hütten stehen nicht so dicht gedrängt. Es gibt erst wenige Bäume, aber Platz für einen Gemüsegarten. Joeys Familie lebt nun hier bei seiner Mutter in einer wackligen Hütte mit zwei sehr kleinen Räumen.

Effizientere Arbeit dank VelosDie Mutter fährt jeden Morgen sehr früh mit dem Fahrrad zum Markt, kauft dort Gemüse und verkauft es dann von Haus zu Haus. Der Stiefvater arbeitet

auf dem Bau. Sie haben zusammen noch vier kleine Kinder. Auch Joeys Geschwister Caroline und Mark leben bei ihnen, sie waren früher beide bei Onesimo. Wir freuen uns, dass Janis in der Familie akzeptiert ist. Sie kümmert sich um die Kinder, wenn die andern unterwegs sind. Der Jüngste ist dreijäh-rig. Als wir eintreffen, hat er ein ge-schwollenes Auge von einem Stock-schlag. Wir ermutigen die Mutter zu einem Arztbesuch und helfen mit dem Geld, das wir eigentlich Joey bringen wollten.In der Zwischenzeit versuchen wir, her-auszufinden, wie sie hier ihren Lebens-unterhalt verdienen könnten. Joey und Mark verkaufen jeden Tag geräucherte Fische. Dazu tragen sie einen schwe-ren, grossen Korb auf dem Kopf und laufen weit zu einem Fischhändler. Mit einem Fahrrad und einem Anhänger könnten sie morgens und nachmittags Fische verkaufen und mehr verdienen. Aber ihnen fehlt das Geld für ein altes Fahrrad. Wir wollen ihnen eines kau-fen, aber der Händler ist nicht da. So geben wir ihnen das Geld für zwei Velos, obwohl uns dabei etwas unwohl ist. In der Regel geben wir kein Geld, damit es nicht für anderes ausgegeben wird. Aber schon am nächsten Tag er-fahren wir per SMS, dass die Fahrräder nun ein grosser Segen für die ganze Grossfamilie sind.

Als Grosseltern im UrlaubDer Aufenthalt bei dieser fleissigen Familie hat mich beeindruckt und be-glückt. Auch sie sind von unserem Be-such berührt worden und bedanken sich immer wieder per SMS. Ich hoffe, dass noch viele junge Familien in ihre Heimat zurückgehen können, um dort ihre Kinder in wunderbarer Natur, fri-scher Luft und weniger schlechten Ein-flüssen grosszuziehen.Bis Juni bin ich mit Lothar auf Heimat-urlaub. Am 29. Februar sind wir Gross-eltern eines kleinen Jungen, Malte The-oden Kress, geworden. Wir sind sehr dankbar.

Ingrid Weissenborn

In den letzten Servants News hat Christian Auer berichtet, wie seine Frau Janice der jungen Janis als Hebamme zur Seite stand. Nun sind Janis und ihr Mann Joey mit ihrer kleinen Tochter aufs Land zurückgekehrt und haben die Leuchtturm-Gemeinschaft und die zeitweilige Unterkunft bei Auers verlassen.

Joey und Janis mit ihrem Baby

Die Fahrräder sind ein grosser Segen für die ganze Grossfamilie.

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Familien unter Druck

Das Leben als Ehepaar mit kleinen Kin-dern ist hart – das erleben auch Schwei-zer Familien. Viel schwieriger wird es durch den ständigen finanziellen Druck: «Das Fieber meines Kindes geht nicht weg, aber wir haben kein Geld für den Arzt.»«Nächste Woche müssen wir die Miete bezahlen. Aber das bisschen Geld, das wir haben, müssen wir für Reis verwen-den; wir haben ja nur noch eine Tasse Vorrat.»«Mein Kind braucht eine neue Schuluni-form. Und meine Nichte ist im Kran-kenhaus und benötigt dringend Geld. Zusätzlich muss ich heute unsere Schul-den im Quartierladen bezahlen. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als neue Schulden zu machen. Aber wo? Und mein Mann weiss nichts Gescheiteres zu tun, als heute den ganzen Tag lang Basketball zu spielen!» «Oh mein Mann! Einen Fünftel seines Monatslohns hat er heute für eine neue Uhr verbraucht – wie kommen wir die-sen Monat bloss über die Runden?»

EhestreitSpannungen in der Ehe sind häufig. So kam es im Lager zu einem Knall: Ein handgreiflicher Ehekrach endete damit, dass sich das Pärchen – sie haben zwei kleine Kinder – getrennt hat, hoffent-lich nur vorübergehend. Ein Grund-problem in der Beziehung ist, dass die Frau Mühe hat zu akzeptieren, dass ihr Mann arm und ungebildet ist. Schlimm ist, dass der Mann anfangs Jahr seine recht gute Arbeitsstelle verloren hat. Nur selten hat er nun ein Einkommen:

Ab und zu gibt es beim Abfallhaufen in der Nähe seines Elternhauses, wo er seit dem Ehekrach meist lebt, neuen Müll, und dann verdient er sich etwas als «Recycling-Spezialist».Kürzlich besuchten Arnold, der für Onesimo-Familien zuständige Mitar-beiter, und ich die Frau. Sie ist bereit, professionelle Seelsorge in Anspruch zu nehmen. Ihr Mann hat jedoch noch Angst davor.

«Grosser Bruder» für JonathanEdong (13) kommt aus ganz schwieri-gen Familienverhältnissen. Die Onesi-mo-Arbeit unter Strassenkindern wur-de ihm zu einem grossen Segen, und so konnte er seine Primarschulausbildung wieder aufnehmen. Die Schule lag in dem Viertel, in dem seine Grosseltern wohnen. Aber mit der Zeit klappte das Zusammenleben mit ihnen nicht mehr. Da die Schule nur 200 m von unserem Haus entfernt ist, ergab es sich, dass Edong nun seit Februar bei uns lebt, zumindest mal bis zum Ende des Schul-jahres. Edong ist ein angenehmer Junge, und er hat schon einige Freunde aus unserer Umgebung, die er öfter zu uns heimbringt. Jonathan findet es toll, dass er nun einen Kuya (grösseren Bruder) hat.

Schweizer DirektheitMit Jonabel, Natalias Freundin, und den zahlreichen Freunden von Edong platz-ten Esstisch und Haus wieder einmal aus allen Nähten. So gab ich der Kin-derschar unverblümt zu verstehen: «Ich finde es schön, dass ihr gern hier seid, aber es geht nicht, dass ihr ständig hier esst. Kommt doch einfach nur ab und zu zum Essen.» Etwas später meinte Janice, so direkt hätte ich das nicht sagen dürfen. «Die kommen wohl gar nicht mehr», befürchtete sie. Ich war dann froh, dass die Kinder dennoch weiterhin zu uns kommen.

Meine Tochter, eine FilipinaKürzlich hatten wir als Philippine Ser-vants eine Retraite im neu erworbenen Lilok-Zentrum. Philippine Servants un-terstützt als Gruppe Efren und Becky Roxas aus dem Paho-Slum, die seit Juni 2006 als Servants-Missionare in Phnom Penh, Kambodscha, leben und arbei-ten. Mit dem Servants-Minibus fuhren

wir an einen atemberaubend schönen Fluss, der zum Baden einlud. Natalia entschied sich, mit mir zu Fuss dorthin zu gehen. Wegen der holprigen Strasse fuhr der Minibus sehr langsam, sodass Natalia dicht hinter dem Bus rennen konnte. Ich sagte: «Natalia, lass uns doch ein wenig warten, so dass wir keinen stinkigen und lärmigen Bus mehr vor uns haben.» Sie rannte aber weiter. Schliesslich wurde der Bus etwas schnel-ler und entfernte sich von uns. Da be-gann sie zu weinen: «Oh, jetzt sind wir nicht mehr mit den anderen zusam-men!»

Korruption in der RegierungDie Präsidentin, zu deren Schandtaten Wahlbetrug bei den Wahlen 2004 und 2007, politische Morde durch die Armee und massive Korruption gehören, ist zur Zeit vermehrt unter Druck: Ein Berater, der in ein Bestechungsgeschäft der Regie-rung verwickelt ist, sagte vor dem Senats-ausschuss viel glaubwürdiger aus als die Regierungsvertreter, die jegliches Ver-gehen bestritten. Dadurch wurden die Rufe nach einer Absetzung der Präsi-dentin wieder lauter. Zur Enttäuschung vieler sagte aber die einflussreiche katho-lische Bischofskonferenz Ende Februar, dass der Kampf um die Wahrheit und gegen die Korruption mit und durch die gegenwärtige Regierung erfolgen sol-le. Verschiedene Faktoren bewogen die Bischöfe wohl dazu: Der Vatikan mahnt davor, sich politisch zu sehr einzumi-schen, die Regierung unterstützt die katholische Kirche hier finanziell immer wieder, die Präsidentin hat sich in eini-gen Bereichen für katholische Werte eingesetzt. In der philippinischen Kul-tur sind das Gefühl der Verpflichtung zur Dankbarkeit und die Autoritätshö-rigkeit sehr ausgeprägt.

Christian Auer

Die Familien der Onesimo-Absolventen waren sehr dankbar, dass auch 2008 wieder ein Familienlager stattfand – noch dazu im wunderschönen Camp Rock. Ich konnte am Wochenende dabei sein. Die Ehepaare nahmen die verschiedenen Anregungen dankbar auf. Und natürlich war das Geniessen der Natur am Strand ein Höhepunkt.

Die Frau hat Mühe zu akzeptieren, dass ihr Mann arm und ungebildet ist.

Viele Freunde besuchen Familie Auer

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Als ich Saleh mitteilte, dass ich ihre Eltern besuchen und ihre Familie per-sönlich kennenlernen wolle, war sie aus-ser sich vor Freude und umarmte mich stürmisch. Sie versicherte mir, dass ich willkommen sei, aber nach einer Pause entschuldigte sie sich traurig: «Unser Haus ist sehr klein und wir können dir vermutlich kein Essen servieren.» Vor Verlegenheit kratzte Sie sich wie ver-rückt am Kopf und entschuldigte sich fortlaufend. Ich versuchte sie mit Humor zu gewinnen: «Keine Sorge, auch ich lebe in einem sehr kleinen Haus. Und ich bin so dick und fett, ich brauche kei-ne Zwischenverpflegung.» Dann packte sie mich am Arm und grinste: «Unser Pastor ist eben ein Cowboy!»

Alles in einem RaumAls ich mit meinem Begleiter bei Salehs Familie ankam, begrüsste uns die Mut-ter warm und freundlich. Sei entschul-

digte sich: «Unser Haus ist sehr klein, alles in einem Zimmer verpackt.» Küche, Essplatz und Schlafzimmer waren in einem einzigen Raum. Ich beschwich-tigte ihre Verlegenheit: «Gut, dass ihr ein Haus habt, viele müssen auf der Strasse schlafen.» Viele kleine unterer-nährte Kinder drängten sich an den Tisch. Die Früchte und Brote, die wir mitgebracht hatten, verschwanden durch zahlreiche, kleine Hände. Der Hunger dieser Kinder muss gross sein, dachte ich. «Ayayay», rief die Mutter vergeb-lich, «entschuldigen Sie, meine Kinder haben keinen Respekt.» «Keine Sorge», beschwichtigte ich sie, «ich habe das Essen ja für die Kinder mitgebracht.» Wir wussten, dass keines der dreizehn Kin-der je zur Schule ging, und wir hörten, ein paar seien zur Adoption weggege-ben worden. Nachbarn erzählten uns unter vorgehaltener Hand, dass sie zwei ihrer Söhne an reiche Familien ver-

kauften und dass diese jetzt im Aus-land leben. Doch die Mutter war bereits wieder schwanger.

Völlig unterernährtWeil die Hütte zu klein für uns alle war, warteten wir im Freien auf den Vater. Als er von der Arbeit kam, sprangen die Kleinen an ihm hoch und schrien nach Münzen und Esswaren. Wütend schrie er sie an und befahl augenblickliche Ruhe! Als er uns Kaffee offerierte, lehn-ten wir ab, da wir bereits wussten, dass keiner vorhanden war. Nun erzählte uns das Elternpaar ihre Geschichte. Die Mutter ist ganz für die Kinder da, wäh-rend Vater als Hilfsarbeiter rund 3.70 Franken im Tag verdient. Mir fiel gleich auf, dass er raucht und vermutlich ein Alkoholproblem hat. Die Mutter ver-dächtigt ihn auch des gelegentlichen illegalen Drogenkonsums. Der Anblick des jüngsten, völlig unterernährten Kin-des wollte mir das Herz zerreissen. Der Vater kommentierte traurig: «Das Geld reicht kaum zum Essen, wie soll ich denn meine Kinder zur Schule schicken!»Dann unterhielten wir uns lange sehr angeregt. Wir lachten über die Witze des Vaters. Es schien, als gäbe es kein wirkliches Problem in dieser Familie.

Alles nur Wünsche?Nun sitze ich wieder zu Hause und wünsche mir, ich könnte ihnen genug Essen bringen, das kranke Kind ins Spi-tal und die andern zur Schule schicken. Ich weiss nicht, ob ich die Eltern für ihre Familienplanung beschuldigen muss oder die Regierung für ihre Tatenlosig-keit. Oder mache ich mir Sorgen, die sich nicht einmal die Eltern machen?Ich lege alles Gott hin und bete für die-se Familie. Aber ich weiss auch, dass ich selber etwas tun muss, um zu helfen! Sie waren so dankbar über unseren Besuch und ich bin so traurig über das, was ich gesehen habe. Ich bin selber arm aufge-wachsen und lebe immer noch in einem Armenviertel. Mir wird bewusst, wie sehr Gott mich gesegnet hat. Aber wie soll die-se Familie überleben? Ich bete weiter für sie und helfe Saleh in unserem Zentrum.

Dennis Manas

CHF 3.70 pro Tag für 13 Kinder

Saleh lebt seit ein paar Monaten bei den Onesimo Girls. Vor zwei Tagen besuchte ich ihre Familie, die bei einer Müllhalde lebt.

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«Viele kleine unterernährte Kinder drängten sich an den Tisch.»

Saleh zwischen Dennis und einer Sozialarbeiterin

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Verantwortung für hungernde Geschwister

Vor zwei Jahren lernten wir Jeffrey bei einem Einsatz im Slum kennen. Er war einer von vielen Jungs, welche die Schu-le vorzeitig verlassen hatten. Er stand unter Drogen, als er uns fragte, ob er ins Camp mitkommen dürfe. Er war sech-zehn, aber wegen seiner abgemagerten Statur hielten wir ihn zuerst für einen Zwölfjährigen.

Eine Hütte voller UngezieferWir besuchten seine Familie, um uns ein Bild zu machen. In der schmutzi-gen Hütte lebten auf ein paar Quadrat-metern zehn Menschen. Eine seiner Schwestern hatte eben ein Baby gebo-ren, ohne dass da ein Vater wäre. Ich wollte wissen, wer für sie sorgt. «Vater arbeitet als Müllsammler. Es reicht nicht immer zum Essen. Wir helfen alle mit», erwiderte Jeffrey verlegen und kratzte sich in seinem verfilzten Haar. Die Hüt-te war wie die Umgebung voller Unge-ziefer und es stank abscheulich.

Hungernde GeschwisterBegeistert war Jeffrey im Work Camp dabei. Als die Teilnehmer aus ihrem Le-ben erzählten, blieb Jeffrey lange stumm. Ich legte meine Arme um seine schma-len, von der Sonne schwarz gebrannten Schultern und fragte ihn, was ihn be-drücke. «Ich sorge mich um meine Ge-schwister, Pastor. Mir geht es so gut hier. Ich esse, während meine Geschwis-

ter hungern.» Jeffrey hielt seine Tränen zurück. Ich versuchte ihn zu trösten: «Jetzt ist es Zeit, dass du dir von uns hel-fen lässt, damit du die Schule abschlies-sen und eine gute Arbeit finden kannst. Dann erst kannst du deiner Familie hel-fen.» Nach dem Camp kam Jeffrey in die Lebensgemeinschaft von Onesimo, wo er sich spürbar veränderte. Er hörte auf zu fluchen, zeigte Respekt, befolgte die Hausregeln und war ein zuverlässiger Mitarbeiter.

Der Traum der ElternEr schrieb damals einen Bericht über seine Lebensgeschichte: «Wir sind acht Geschwister. Mein Vater arbeitet als Müllsammler, weil er nichts anderes gelernt hat. So versucht er, uns alle zu ernähren. Als meine Mutter starb, konn-te ich nicht mehr zur Schule gehen. Ich fing an zu stehlen, weil ich dachte, dass uns jetzt nichts anderes übrig blie-be, um zu überleben. Aber so wurde ich zum Problem für meinen Vater und kam ins Gefängnis. Später half ich ihm beim Müllsammeln. Mein Kollege Jubert sagte zu mir, er gehe mit Onesimo ins Camp, ich solle doch auch mitkommen und ein neues Leben anfangen. Zuerst lachte ich ihn aus, doch er wollte unbe-dingt, dass ich mitgehe. Dort war es richtig toll, weil ich viele Freunde ken-nenlernte. Die Leiter waren wie ältere Brüder, sie redeten mit uns und halfen uns. Nach dem Camp gehörte ich zu denen, die bei Onesimo einsteigen konn-ten. Ich habe eine bessere Zukunft vor mir und kann wieder zur Schule gehen. Ich möchte für mich und meine Ge-schwister sorgen. Ich werde den Traum meines Vaters und meiner verstorbe-nen Mutter verwirklichen und die Schu-le abschliessen.»

Helfen ohne ChanceAm 23. Dezember 2007 rief Anthony, der Hausvater, an und sagte, dass Jef-frey die Gemeinschaft verlassen wolle. Weil er wissen wollte, wie es seiner Fa-milie geht, besuchte er sie vor Weihnach-ten im Slumdorf. Was er dort antraf, über-wältigte ihn: «Vater Anthony, ich werde Onesimo verlassen und nach Hause ge-hen. Niemand sonst schaut zu meinen jüngeren Geschwistern.» Weinend be-richtete er, dass sein Vater zu einer Frau gezogen sei und die Kinder ihrem Schick-sal überliess. Er wollte sofort zur Arbeit auf der Müllhalde zurückkehren, um für seine Geschwister zu sorgen. Anthony

spürte das Dilemma von Jeffrey, der eigentlich hier bleiben wollte, und ver-suchte ihn erfolglos zurückzuhalten. Noch am selben Abend verliess Jeffrey die Gemeinschaft. Es war Weihnachten und einer seiner besten Jungs, der bald Gruppenleiter werden sollte, hat One-simo verlassen. Ihn erwartete eine ver-nebelte Zukunft, die ihn schnell zurück in ein kaputtes Leben führt, wo er kaum eine Chance mehr hat. Sein chaotisches Zuhause musste ihn total überfordern!

Zurück in der GemeinschaftAm Weihnachtsabend kam wieder ein Telefonanruf: Jeffrey hatte sich bei einem Unfall den Fuss gebrochen. Das war für seinen Vater ein Grund, zu seiner Fami-lie zurückzukehren. Bald darauf besuch-te er mich und bat, seinem Sohn noch eine Chance zu geben. Er versicherte uns, dass Jeffrey zurückkehren will, um einmal seine Träume zu verwirklichen.Ein paar Tage später fiel mir Jeffrey um den Hals. «Sorry, Pastor, ich ging weg, weil ich so Mitleid mit meinen Ge-schwistern hatte und dachte, ich kön-ne ihnen helfen. Jetzt weiss ich, dass ich das nicht schaffe.» «Es ist okay, Jeff, ich bin nicht wütend auf dich! Wichtig ist, dass du nun zurück bist und deine Ausbildung beenden kannst.» Dann beobachtete ich, wie er glücklich den anderen Boys die Geschichte von sei-nem Unfall erzählte, als gäbe es keine Probleme mehr auf der Welt. Mir gehen Fragen durch den Kopf: Wie lange hält er es in der Gemeinschaft aus? Was, wenn der Vater seine Kinder wieder hungern lässt und wenn er merkt, dass es seinen Geschwistern schlecht geht?Ich schliesse die Augen und meine Fragen werden zum Gebet. Die Zeit wird es zei-gen. Gott wird Jeffrey auf den guten Weg führen. Ich muss das bei ihm ruhen lassen, er hat sein Ziel mit ihm. Jeffrey ist sein Kind.

Dennis Manas

Jeffreys Eltern arbeiteten als Müllsammler. Als die Mutter mangels Medikamenten starb, starb mit ihr auch Jeffreys Hoffnung, und am liebsten wäre er mit ihr gestorben. Dann begann er, Drogen zu konsumieren und zu stehlen.

Jeffrey

«Ich möchte für mich und meine Geschwister sorgen. Ich werde den Traum meines Vaters und meiner verstorbenen Mutter verwirklichen und die Schule abschliessen.»

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Der Green Bag wird bereits für viele Strassenkinder in Asien, Afrika und Süd-amerika verwendet und mit intensiver Wirkungsforschung begleitet. Er enthält Karten mit Zeichnungen und Fotos, die es dem Kind erleichtern, in der Seelsor-ge über traumatische Erfahrungen zu reden und seine Gefühle auszudrü-cken. Der Seelsorger nimmt dann das stärkste Gefühl auf und führt das Kind durch einen Heilungsprozess. Ein Modellkind mit ähnlichen Erfahrun-gen dient dabei der Identifikation. Geschichten von Jesus, worin das glei-che Gefühl eine Rolle spielt, führen zu einer Selbstwahrnehmung aus göttli-cher Perspektive. Ein Trauma führt zu

negativen Gefühlen, tiefem Selbstwert und dann zu schwierigem Verhalten. Der Prozess hilft, diesen Kreislauf zu durchbrechen, damit das Kind wieder mehr Selbstwert entwickeln kann.

Aufbruch zur HeilungDas Training begann mit zwei Tagen Theorie und Selbsterfahrung. Dann benutzten wir drei Tage lang den Green Bag intensiv, zuerst untereinander und dann mit Onesimo Kids. Jeder Teilneh-mer betreute ein Kind, während die andern mit versteckter Kamera alles mitverfolgten, um nachher darüber aus-zutauschen. Bei einigen Mitarbeitern sind auch persönliche unverarbeitete Er-

Hilfe für traumatisierte Strassenkinder

Die Organisation Livewords hat für traumatisierte Strassenkinder ein Werkzeug zur Aufarbei-tung entwickelt, den Green Bag. Ende Februar kam eine erfahrene Seelsorgerin aus Singapur zu Onesimo, um zehn Mitarbeiter dafür auszubilden.

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fahrungen aufgebrochen, als Anfang ei-nes Heilungsprozesses. Die Kraft dieser Methode hat mich tief beeindruckt. Wir

staunen, wie heilsam biblische Geschich-ten für verletzte Gefühle sind. Nun ha-ben wir das Privileg, mit den Green Bags viele Kinder von Onesimo der göttlichen Heilkraft zuzuführen, aber auch eine grosse Verantwortung, wenn Strassen-kinder über ihre Träume sprechen.

Raguel studiert Materialien aus dem Green Bag

Wir staunen, wie heilsam biblische Geschichten für verletzte Gefühle sind.

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Bau in QuiapoNach eingehender Planung hat im Feb-ruar der Bau des neuen Temporary Shel-ters in Quiapo begonnen. Weil der Was-serstand nur einen Meter unter der Erde liegt, ist der Boden sehr weich. Das Fun-dament zu legen, ist darum aufwendig. Trotzdem kommen wir gut voran und der Bau sollte Ende August planmässig fertig sein. Wir freuen uns auf dieses neue Domizil, das zwanzig Kindern Raum bietet. Daneben haben wir auch ein Schulzimmer für Kinder im infor-mellen Unterricht. Und wir werden sogar einen Garten mit Spielplatz anbie-ten können.

Daniel Wartenweiler

O N E S I M O N E W S

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In den letzten Servants News berichte-ten wir von der Forderung des philippi-nischen Sozialamtes, mit unseren the-rapeutischen Wohngemeinschaften die Slums zu verlassen. Der Erfolg unseres Konzepts basiert aber gerade darauf, dass junge Menschen in ihrer gewohn-ten Slum-Umgebung ein neues Leben einüben. Nach den bisherigen Verhand-lungen signalisiert die Regierung einen gangbaren Weg: Minderjährige sollen in den Randzonen der Armenviertel untergebracht werden, in Häusern, wel-

che die Sicherheitsvorschriften erfül-len. Jugendliche über achtzehn Jahre können bleiben. Ihr Aufenthalt wird aber als temporäre Trainingssituation bezeichnet, damit ihre Einrichtungen nicht mehr unter die Rubrik Waisen-haus fallen. Definitive Entscheide ste-hen noch aus, das Sozialamt hat schon zweimal einen Besuchstermin wieder abgesagt. Die Mitarbeiter sind etwas nervös, hängt ihre Arbeit doch von die-ser Lizenz ab!

Abschlussfeier von Onesimo mit traditioneller Kleidung

Sozialamt sucht Lösung

AbschlussfeierEnde Januar wurden über vierzig Jugendliche, die verschiedene Schul-stufen und Berufskurse abgeschlossen haben, am Schulfest geehrt. Erstmals trugen sie feierlich die traditionellen schwarzen Mäntel und Hüte als Zei-chen der Ehrung, was den Familien viel bedeutet. Über zweihundert Freunde

nahmen am dreistündigen Programm teil: Dreissig Boys und Girls, die vor einem halben Jahr aufgenommen wur-den, erzählten von ihrem Überlebens-kampf auf der Strasse und auf der Müll-halde, und wie ihr Leben nun eine Wende genommen hat.

Daniel Wartenweiler vor der Baustelle des neuen Temporary Shelters in Quiapo

Die Ausgebildeten mit ihren Green Bags

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Rund sechzig ehemalige Programmteil-nehmer waren an der Familienwoche in Camp Rock dabei. Nach dieser ermuti-genden Zeit legten die Leiter das Pro-gramm für dieses Jahr fest: Eheseminare, Bibelgesprächskreise, ein Familien-Spar-programm und andere Aktivitäten sind vorgesehen! Die Leuchtturm-Gemein-schaft kümmert sich weiter um junge Menschen, welche die Ausbildung und die Therapie von Onesimo abgeschlos-sen oder vorzeitig verlassen haben.

Nach Ostern haben in den Philippinen wieder die langen Sommerferien begon-nen, um die tropische Trocken- und Hitzezeit zu überbrücken. Mit dem erlö-senden Regen im Juni beginnt dann auch wieder die Schulzeit. Onesimo

Jahresprogramm der Leuchtturm-Gemeinschaft

Aktive Sommerferienorganisiert wieder Feriencamps am schönen Strand von Camp Rock. Für Hunderte von Teenagern aus den Slums wird hier der Traum von Ferien wahr, der sonst den Reichen vorbehalten ist. Sie erleben dieses Jahr ein attraktives

Programm rund um das Leben von Moses und haben Gelegenheit, neue Freundschaften zu knüpfen.In den Slums finden Bibel- und Spiel-wochen für die kleinen Kinder statt, die dabei viel von Gott hören und erleben.Auch die Einsätze auf den Strassen und Müllhalden werden intensiviert. Die acht Gemeinschaften von Onesimo nehmen im Juni wieder junge Menschen auf, die einen Neustart wagen wollen.

Als Familie planen wir einen fünfwö-chigen Besuch in Manila. Wir freuen uns sehr auf die Begegnung mit alten und neuen Freunden und hoffen, dass wir Mitarbeiter und Teilnehmer von Onesimo ermutigen und mit guten Nach-richten wieder heimreisen können.

Christian Schneider

O N E S I M O N E W S

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Strassenkinder in der Dorfkirche

Die Kinder sassen, standen und tanz-ten mit russverschmierten Gesichtchen inmitten von sauberem Schweizer Müll auf der Kirchenbühne. Die kleinen Dar-steller berichteten aus ihrem harten Le-ben als Strassenkinder in Manila. Sie lie-hen ihre Gesichter und ihre Stimmen den Strassenkindern, die sonst bei uns ungehört bleiben. Beseelt vom Oster-geschehen bauten sie eine Brücke von der Schweiz nach Manila. Lieder von Adonia verliehen der Darbietung den Charakter eines Musicals und unterstri-chen die bewegenden Aussagen. Zum Schluss wurden Bastelarbeiten und Ku-chen verkauft. Der Gewinn von über 2 300 Franken kommt benachteiligten Kindern und Jugendlichen in Manila zugute.

Das Skript ist für interessierte Sonntags-schulen erhältlich bei: christian.schneider @ onesimo.ch, Telefon 061 301 42 66

Am Palmsonntag haben fast fünfzig Sonntagsschüler in der Dorfkirche von Bubendorf ein Theaterstück über Onesimo aufgeführt.

Servants CH K I N D E R T H E A T E R

Im Herbst besuchen einige Leiter und Teilnehmer von Onesimo die Schweiz und erzählen mit Musik und Bildern aus ihrem Leben:

Ehemalige Strassenteens kommen in die Schweiz

V O R A N K Ü N D I G U N G

Bern: Samstag, 18. Oktober, 17.00 Uhr, Deltagemeinde, Jubiläumsplatz

Zollikofen: Sonntag, 19. Oktober 09.30 Uhr, Sammlung + Sendung, Kreuzstrasse 7

Bubendorf: Sonntag, 19. Oktober, 17.00 Uhr, Reformierte Kirche Basel: Samstag, 25. Oktober 2008, 18.00 Uhr, Thomaskirche Zürich: Samstag, 1. November, 18.00 Uhr, EMK Kreis 4, Stauffacherstrasse 54

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O N E S I M O

IM SLUM ERLEBT

Tod in der Kapelle

«Eine Kapelle musste her, die Leute wollten es», erklärt mir Rob, «das Got-teshaus ist den Menschen hier wichti-ger als ihr eigenes Dach über dem Kopf.» Das Kirchlein sieht recht solide aus, ver-glichen mit einigen Hütten der Mitglie-der, die oft nur aus Plastikplanen und Karton bestehen. Die Kapelle dient auch als Schule für viele Kinder, als Mütter-treff und anderes mehr! Um das Ehepaar Rob und Lorraine Ewing, den Servants-Mitarbeitern aus Australien, hat sich eine Gemeinde von etwa siebzig Gläubigen gebildet.

Zu wenig Wasser zum WaschenHeute Sonntag mische ich mich unter die Gottesdienstbesucher. Ich zähle dreis-sig Erwachsene, viele Mütter mit ihren Babys und etwa doppelt so viele Kinder. Nicht alle hören konzentriert zu. Einige kommen und gehen und das scheint nie-manden zu stören. Auch ein paar Hun-de schleichen herum. Es ist drückend heiss unter dem Blechdach, das auf den unverputzten Zementsteinen liegt. Wir sitzen dicht, Schulter an Schulter auf Holzlatten. Es riecht unangenehm nach Schweiss. Seife und Wasser sind Man-gelware, Körperpflege ist hier ein Luxus.

Wer sich waschen will, muss meistens lange bei der Wasserstelle anstehen. Trink-wasser muss in Flaschen abgefüllt oder kanisterweise gekauft werden.

Die Mutter will ihr Kind festhaltenTüre und Fenster der Kapelle sind weit offen in der Hoffnung auf ein Lüft-chen. Wir singen Lieder über Gottes Liebe zu uns. Die Hingabe dieser Men-schen berührt mich, denn ich weiss, dass einige ohne Frühstück gekommen sind. Nach der Predigt fordert Rob die Besucher auf, mit sich beten zu lassen. Fast alle drängen sich nach vorne. Die Not ist zu offensichtlich, um sie zu ver-stecken. Einzelne heulen hemmungs-los. Und ich meine auch Freude zu spü-ren, die sich in die Tränen der Not mischt. Eine Frau hält ihren vierjähri-gen Sohn im Arm, eingehüllt in ein weisses Tuch. Er besteht nur aus Haut und Knochen. Die verarmte Fischerfa-milie ist vor wenigen Wochen in die Hauptstadt gekommen in der Hoff-nung auf Arbeit und Hilfe. «Betet alle mit», ruft Rob, «das Kind ist sehr krank, hier kann nur noch ein Wunder hel-fen.» Dann kehrt Ruhe ein, die plötz-lich von einem gellenden Schrei durch-brochen wird. Darin liegt die tiefe Trauer und Verzweiflung einer Mutter, die ihr Liebstes festhalten möchte. Als Rob den Tod des Knaben mitteilt, schnürt es mir die Kehle zu. Bilder der letzten Wochen ziehen an mir vorüber, als zwei andere Kleinkinder in nächster Nachbarschaft gestorben sind. Einer der verarmten Väter bastelte eine klei-ne Holzkiste als Sarg und schaufelte ein Erdloch neben dem Friedhof. Für ein offizielles Grab fehlten ihm die Mittel.

Wo bleibt Gott?Unterernährung, Masern, Lungenent-zündung, Durchfall … Wo ist Gott in all dem? Ich erinnere mich an meinen ers-ten Aufenthalt in Manila. Wir besuch-ten damals Strassenkinder und junge Prostituierte, sie sich bei uns ausheul-ten. Wir hörten Geschichten von Ar-mut und Entbehrung, von Missbrauch, Scham und Gewalt. Das waren nicht mehr die Armen am Bildschirm in ei-nem fernen Land. Das waren Joey, Boy, Jenny und Gloria. Junge, schöne Men-schen aus Fleisch und Blut, die mich berührten. Menschen, die von einem schönen Leben träumten! Sie zogen durch die staubigen Strassen Manilas,

verkauften Zeitungen, Zigaretten und Süssigkeiten und halfen mit, ihre Fami-lien vor dem Hungertod zu retten. Teenager verkauften ihre jungen Kör-per in dunklen Bordellen, damit ihre Geschwister zur Schule gehen konn-ten. Nach jenem Einsatz lief ich um zwei Uhr früh fünfzehn Kilometer durch das nächtliche Manila nach Hau-se und heulte: «Gott, wie kannst du das zulassen? Warum gibt es so viele Menschen unter deinen Geschöpfen, denen es so schlecht geht?» Ich schrie in die Nacht hinein und klagte Gott an. Eine Antwort blieb aus.Dann aber, nicht plötzlich, nicht laut und auch nicht vollständig, meinte ich in den folgenden Tagen und Wochen eine Stimme zu hören in Form einer Ahnung, die sich in mir ausbreitete und sich zur Gewissheit verfestigte: Wir Menschen, die an einen Schöpfer glau-ben, sind seine Füsse und seine Hände. Wenn wir nicht in seinem Namen hel-fen, wird auch Gott nicht helfen, noch nicht.

Bring mich in die KircheZurück zum traurigen Erlebnis in der Kapelle: Die Mutter erscheint bereits am nächsten Sonntag wieder und erzählt, ihr Sohn sei schon seit einiger Zeit zu krank und zu schwach zum Essen und Reden gewesen. Aber am letzten Sonn-tagmorgen wachte er auf und sagte klar und bestimmt: «Mutter, bring mich in die Kirche, ich möchte heute mit dir in die Kirche.» Eine Deutung liegt nahe. Der sterbende Knabe wusste, wo sein Weg hinging. Er ging zu Gott, während die ganze Gemeinde für ihn betete und ihn so begleitete. Gott ist auch im Lei-den ganz nahe!

Christian Schneider

Christian Schneider hat über zehn Jahre in den Slums von Manila gelebt und berichtet in loser Folge über seine Erlebnisse, die er in seinem Tagebuch festgehalten hat.

Die Not ist zu offensichtlich, um sie zu verstecken.

P h i l i p p i n e n

Kindersterben in Bagong Silang

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«Heute ist das Spektakuläre die Versuchung der Kirche. Doch Jesus hat uns zur Kleinheit berufen!»

Shane Claiborne