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Sanktionen und Embargos
Ein Überblick über aktuelle Risiken für
Unternehmen
Robert Henrici
Dr. Kerstin Wilhelm
15. Frankfurter Symposium Compliance & Unternehmenssicherheit – 16. November 2016
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Sanktionen und Embargos
• Rechtliche Grundlagen und Reichweite ausgewählter europäischer
Embargo- und Sanktionsbestimmungen einschließlich aktueller
Entwicklungen
• Praktische Relevanz – Risiken für das Unternehmen
• Spannungsverhältnis zwischen europäischen und US-
amerikanischen Embargo- und Sanktionsbestimmungen
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1. Rechtliche Grundlagen und Reichweite
ausgewählter europäischer Embargo- und
Sanktionsbestimmungen einschließlich aktueller
Entwicklungen
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Zielsetzung des Außenwirtschaftsrechts
• Reglementierung des Wirtschaftsverkehrs mit fremden Staaten und Erhaltung des
außenwirtschaftlichen Gleichgewichts durch Abwehr schädigender Einflüsse von außen
sowie Schaffung der rechtlichen Rahmenbedingungen, die den Zugang von Waren und
Dienstleistungen zu einem territorial abgegrenzten Markt betreffen
• In Deutschland: Außenwirtschaftsgesetz (AWG) ist zentrales Gesetz zur Regelung des
Warenverkehrs mit dem Ausland
o Zum 1. September 2013 ist eine novellierte Fassung des AWG in Kraft getreten
o Ausgestaltung der Beschränkungen des AWG durch die ebenfalls am 1.September
2013 reformierte Fassung der Außenwirtschaftsverordnung (AWV)
• Zentraler Grundsatz der Außenwirtschaft in § 1 S. 1 AWG verankert:
Der Waren-, Dienstleistungs-, Kapital-, Zahlungs- und sonstiger Wirtschaftsverkehr mit
dem Ausland ist grundsätzlich frei, d.h. Wirtschaftsverkehr mit dem Ausland ist
erlaubt, solange er nicht ausdrücklich verboten ist.
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Außenpolitische Ziele von Embargos und Sanktionen
• Herbeiführung einer Verhaltensänderung des zu sanktionierenden Landes
(Politikwechsel)
• Ausübung von Druck auf ein zu sanktionierendes Land, bestimmte Vorgaben zu erfüllen
• Durchsetzungsinstrument bei Gefährdung des internationalen Friedens und der
internationalen Sicherheit und Versagen diplomatischer Bemühungen
• Verhütung und Bekämpfung von Terrorismusfinanzierung und Terrorakten
• „Abschreckung“ des zu sanktionierenden Landes sowie potentieller weiterer
Sanktionsadressaten
“Middle ground between words and war” Kofi Annan, 7. Generalsekretär der Vereinten Nationen
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Wirtschaftliche Bedeutung von Sanktionen
• Iran
o Wirtschaftliche Verluste in Höhe von bis zu 73 Milliarden USD für deutsche
Firmen (Zeitraum 2010 – 2012) [Quelle: Handelsblatt, 16.07.2014]
o Nach Verbot der Einfuhr von Öl und Gas aus dem Iran im Jahr 2012 durch
die EU Einbruch der Öl-Einnahmen des Irans von 118 Mrd. USD in 2011 auf
42 Mrd. in 2013 ein. [Quelle: F.A.Z., 16.01.2016]
• Russland
o Zunehmender Rückgang der Exporte dt. Firmen (Rückgang von 25,5% im
Jahr 2015; nahezu Halbierung des dt. Exports von 38 Mrd. Euro auf 21 Mrd.
Euro in den vergangenen drei Jahren), daher Forderung nach Aufhebung der
Sanktionen [Quelle: Tagesschau, 19.02.2016]
o Allerdings: Bundesregierung sieht wirtschaftlichen Abschwung in Russland
als zentralen Faktor für Exportrückgang [BT-Drs. 18/6715]
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Relevanz von Embargos und Sanktionen für
Unternehmen
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Grundlagen für Sanktionen und Embargos (1)
1. Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen
o Art. 41 der Charta der Vereinten Nationen
„Der Sicherheitsrat kann beschließen, welche Maßnahmen - unter Ausschluss von
Waffengewalt - zu ergreifen sind, um seinen Beschlüssen Wirksamkeit zu
verleihen; er kann die Mitglieder der Vereinten Nationen auffordern, diese
Maßnahmen durchzuführen. Sie können die vollständige oder teilweise
Unterbrechung der Wirtschaftsbeziehungen, des Eisenbahn-, See- und
Luftverkehrs, der Post-, Telegraphen- und Funkverbindungen sowie sonstiger
Verkehrsmöglichkeiten und den Abbruch der diplomatischen Beziehungen
einschließen.“
o Völkerrechtliche Verbindlichkeit für Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, aber
Umsetzung in den jeweiligen Rechtsordnungen erforderlich
• In der EU Beschluss des Rates erforderlich (Art. 29 EUV), der idR. durch EU-
Verordnungen (auf Basis von Artikel 215 EUV) in den Mitgliedstaaten umgesetzt wird
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Grundlagen für Sanktionen und Embargos (2)
2. Sanktionen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) auf
völkerrechtlicher Ebene
3. Sanktionen im Rahmen im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik
der Europäischen Union (Art. 24 EUV)
o Beruhen stets auf Gemeinsamen Standpunkten nach Art. 29 EUV.
o Umsetzung richtet sich danach, ob der EU selbst oder den Mitgliedstaaten die
Kompetenz für die betreffende Regelung zusteht
4. Nationale Sanktionsmaßnahmen
Waffenembargo
Andere Embargo- oder
Sanktionsmaßnahme
> Zuständigkeit liegt bei Mitgliedstaaten
> Keine Kompetenz der EU gemäß Art.
346 AEUV
> Zuständigkeit liegt bei EU
> Erlass einer EU-Verordnung durch den Rat
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Reichweite von Embargos und Sanktionen der EU
• Ähnlicher Anwendungsbereich in unterschiedlichen EU-Verordnungen
• Vgl. Art. 16 VO (EU) Nr. 183/2009 des Rates vom 22. Dezember 2009 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 329/2007 des Rates über restriktive Maßnahmen gegen die Volksrepublik Korea oder Art. 13 VO (EU) Nr. 833/2014 des Rates vom 31. Juli 2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren
a) im Gebiet der Union;
b) an Bord der Luftfahrzeuge und Schiffe, die der Gerichtsbarkeit eines Mitgliedstaats unterliegen;
c) für Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, innerhalb und außerhalb des Gebiets der Union;
d) für nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründete oder eingetragene juristische Personen, Organisationen und Einrichtungen innerhalb und außerhalb des Gebiets der Union
e) für juristische Personen, Organisationen und Einrichtungen in Bezug auf Geschäfte, die ganz oder teilweise in der Union getätigt werden.
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Verschiedene Arten von Embargos und Sanktionen (1)
• Differenzierung nach länderbezogenen Embargos und personenbezogenen Embargos
o Stichwort: „Smart Sanctions“
• Länderbezogene Embargos
o Weitere Differenzierung nach Umfang der einzelnen Maßnahmen (Totalembargo,
Teilembargo) oder nach betroffenen Wirtschaftsbereichen bzw. Tätigkeiten möglich
Waffenembargo
Ein- und Ausfuhrverbote
Technische Hilfe
Finanzsanktionen
o Umgehungsverbot, z.B. Art. 12 VO (EU) Nr. 833/2014 (Russland)
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Verschiedene Arten von Embargos und Sanktionen (2)
• Personenbezogene Embargos
o Restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus, die länderunabhängig sind
und sich gegen einzelne gegen einzelne Personen, Einrichtungen oder
Organisationen richten
o Aufnahme der betroffenen Personen oder Unternehmen in Listen in den Anhängen
der jeweiligen Embargo- und Sanktionsverordnung (EU: „gelistete Personen“ oder
„Designated Parties (DP)“ / USA: „Specially Designated Nationals (SDN)“)
o Primär Finanzsanktionen, wie etwa Einfrieren von Geldern
• Zuständigkeiten in Deutschland
o Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) setzt Embargos betreffend
Güter, technische Hilfe und wirtschaftliche Ressourcen administrativ um
o Deutsche Bundesbank zuständig, soweit es um Gelder, Finanzmittel und Finanzhilfen
geht
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Übersicht der für Deutschland relevanten Embargos
Diese Übersicht berücksichtigt nicht die personenbezogenen Embargos zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus.
Quelle: Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle Stand: 10.11.2016
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Waffenembargos
Diese Übersicht berücksichtigt nicht die personenbezogenen Embargos zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus.
Quelle: Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle Stand: 10.11.2016
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Ausfuhr-/Lieferbeschränkungen
Diese Übersicht berücksichtigt nicht die personenbezogenen Embargos zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus.
Quelle: Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle Stand: 10.11.2016
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Einfuhr-/Beförderungsbeschränkungen
Diese Übersicht berücksichtigt nicht die personenbezogenen Embargos zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus.
Quelle: Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle Stand: 10.11.2016
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Technische Hilfen und Finanzsanktionen
Diese Übersicht berücksichtigt nicht die personenbezogenen Embargos zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus.
Quelle: Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle Stand: 10.11.2016
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Aktuelle Entwicklungen – Nordkorea (1)
• Verschiedene Sanktionsmaßnahmen gegen Nordkorea durch den Sicherheitsrat der
Vereinten Nationen im Rahmen der Resolutionen 1718 (2006) und 1695 (2006)
• Umsetzung auf europäischer Ebene: Gemeinsamer Standpunkt 2006/795/GASP vom 20.
November 2006 und Verordnung (EG) Nr. 329/2007 vom 27. März 2007 („Nordkorea-
Embargo-Verordnung“).
o Waffenembargo
o Ausfuhrverbote
o Bereitstellungsverbot hinsichtlich Geldern und Wirtschaftsressourcen für gelistete
Personen, Organisationen und Einrichtungen
o Genehmigungspflicht für Ausfuhr von Ausrüstung zur Herstellung von Banknoten,
Wertzeichen, Banknoten- oder Wertzeichenspezialpapieren, wenn Käufer oder
Bestimmungsland Nordkorea ist (vgl. § 78 AWV)
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Aktuelle Entwicklungen – Nordkorea (2)
• Ausweitung des Nordkorea-Embargos durch
o Verordnung (EU) 2016/682 vom 29. April 2016, in Kraft getreten am 4. Mai 2016
o Verordnung (EU) 2016/841 vom 27. Mai 2016, in Kraft getreten am 29. Mai 2016
GüterbezogeneBeschränkungen
• Verbot der Einfuhr von Gold, bestimmten Erzen und Mineralien,
Erdölerzeugnissen, Luxusgütern
• Verbot der Ausfuhr von Flugkraftstoffen
• Bereitstellungsverbot für Schiffe und Luftfahrzeuge
• Verbot, Güter ein- oder auszuführen, die unmittelbar oder
mittelbar für die nordkoreanischen Streitkräfte bestimmt sind
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Aktuelle Entwicklungen – Nordkorea (3)
Beschränkungendes Geld- und Kapitalverkehrs
VO (EU) 2016/682
- Auswahl -
• Verbot der Eröffnung eines Bankkontos bei einem Kredit- oder
Finanzinstitut mit Sitz in Nordkorea
• Aufnahme von Korrespondenzbankbeziehungen zu einem
Kredit- oder Finanzinstitut mit Sitz in Korea
• Eröffnung einer Repräsentanz oder Gründung einer
Zweigniederlassung oder Tochtergesellschaft in Nordkorea
• Gründung von Gemeinschaftsunternehmen oder Erwerb von
Beteiligung an einem Kredit- oder Finanzinstitut mit Sitz in
Nordkorea
• Bereitstellungsverbot für Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen
für Personen, Organisation oder Einrichtungen bei
feststehender Verbindung derselben zum Nuklearprogramm
• Verbot der finanziellen Unterstützung für den Handel mit
Nordkorea einschließlich Exportkredite, -garantien oder –
versicherungen für an solchen Handelsgeschäften beteiligte
Personen oder Einrichtungen
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Aktuelle Entwicklungen – Nordkorea (4)
Konkrete Handlungs – und Informations-pflichten
• Kredit- und Finanzinstitute mussten bis spätestens 31. Mai
2016:
• jedes Bankkonto bei einem Kredit- oder Finanzinstitut mit
Sitz in Nordkorea schließen
• Korrespondenzbankbeziehungen zu einem Kredit- oder
Finanzinstitut mit Sitz in Nordkorea beenden
• Repräsentanzen, Zweigniederlassungen oder
Tochtergesellschaften in Nordkorea schließen
• Eigentumsrechte an einem Kredit- oder Finanzinstitut mit
Sitz in Nordkorea aufgeben
• Informationspflicht gegenüber der deutschen Bundesbank bei
Verdacht, dass eine Aktivität ihres Kredit- oder Finanzinstituts zu
dem Nuklearprogramm oder zu verbotenen Aktivitäten beitragen
könnte
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Aktuelle Entwicklungen – Nordkorea (5)
WeitereBeschränkungendes Geld- und Kapitalverkehrs
VO (EU) 2016/841
- Auswahl -
• Verbot von Investitionen, Finanzierungen und
Wertpapierdienstleistungen, sofern folgende Personen betroffen sind
(Art. 5b VO (EG) 329/2007):
a) Personen, Organisationen und Einrichtungen der Regierung Nordkoreas
b) Partei der Arbeiter Koreas
c) Staatsangehörige Nordkoreas
d) Juristische Personen, Organisationen und Einrichtungen, die nach dem
Recht Nordkoreas gegründet oder eingetragen wurden
e) Personen, Organisationen und Einrichtungen, die in ihrem Namen oder
auf ihre Anweisung handeln
f) Juristische Personen, Organisationen und Einrichtungen, die sich in
ihrem Eigentum befinden oder unter ihrer Kontrolle stehen
• Grds. Verbot von Geldtransfers nach und von Korea
(Genehmigungspflicht für ausgewählte Transaktionen ab 15.000 €)
• Verbot der Eingehung oder der Beteiligung an Transaktionen mit u.a.
Kredit- und Finanzinstituten mit Sitz in Nordkorea
(Genehmigungspflicht für ausgewählte Transaktionen)
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Aktuelle Entwicklungen – Iran (1)
• 14. Juli 2015, Wien: Verständigung zwischen dem Iran und Frankreich, Großbritannien,
Deutschland, China, Russland und den USA auf ein umfassendes Nuklearabkommen
("Joint Comprehensive Plan of Action")
• 16. Januar 2016 ("Implementation Day"): Internationale Atomenergiebehörde (IAEO)
bestätigt, dass der Iran erste zentrale Schritte zum Rückbau seines Nuklearprogramms
entsprechend der Wiener Vereinbarung vorgenommen hat.
Außerkrafttreten zentraler internationaler Wirtschafts- und
Finanzsanktionen
• „Transition Day“: Spätestens nach acht Jahren (2023) oder nach dem Bericht der
IAEO, dass jegliches Nuklearmaterialin Iran zu friedlichen Zwecken verwendet wird,
erfolgt am eine Aufhebung der verbliebenen europäischen Sanktionen mit Ausnahme von
Sanktionen wegen Menschenrechtsverletzungen
• „Termination Day“: Nach zehn Jahren (2025) Aufhebung der verbliebenen Sanktionen
der Vereinten Nationen
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Aktuelle Entwicklungen – Iran (2)
Wegfall von Verboten
- Auswahl -
BestehendeVerbote
- Auswahl -
• Einfuhr und Beförderung von Erdöl, Erdölerzeugnissen und Erdgas
• Schlüsselausrüstung für die iranische Erdöl- und Erdgasindustrie
• Ein- und Ausfuhr von Gold, Edelmetallen und Diamanten
• Ausfuhr von Banknoten und Münzen an Zentralbank des Iran
• Genehmigungspflicht für Geldtransfers
• Waffenembargo
• Bereitstellung von Geldern an Personen, Einrichtungen oder Organisationen, gegen die Finanzsanktionen angeordnet wurden
• Fortgeltung der Verbote nach der sog. Iran-Menschenrechtsverordnung
Aber: Keine absolute Freiheit im Handel mit dem Iran, sondern abgestuftes System
verbotener und genehmigungspflichtiger Rechtsgeschäfte und
Handlungen, insbesondere EG-Dual-Use Verordnung (VO (EG) Nr. 428/2009) und die
AWV zu beachten
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Aktuelle Entwicklungen – Russland
• VO (EU) Nr. 269/2014 vom 17. März 2014: Sanktionen gegen Russland als Reaktion auf
unrechtmäßige Annexion der Krim und der Stadt Sewastopol durch die EU, namentlich
Reisebeschränkungen und Finanzsanktionen (Einfrieren der Gelder bestimmter
Personen), im Anschluss mehrfache Verschärfungen der Sanktionen, etwa durch:
o Beschluss 2014/386/GASP und VO (EU) Nr. 692/2014 vom 23. Juni 2014: Erlass
von Handelsbeschränkungen für Waren aus der Krim oder Sewastopol sowie damit im
Zusammenhang stehender Finanzierungen und Versicherungen → Verlängerung bis
zum 23. Juni 2017 durch Beschluss des Europäischen Rates vom 17. Juni 2016
o Beschluss 2014/512/GASP und VO (EU) Nr. 833/2014 vom 31. Juli 2014: Im
Wesentlichen Einführung eines Waffenembargos, Handelsbeschränkungen für
gelistete Dual-use-Güter, d.h. Güter mit doppeltem Verwendungszweck, zu
militärischen Zwecken sowie Beschränkung des Zugangs zu den Kapitalmärkten für
bestimmte Finanzinstitute → Verlängerung bis zum 31. Juli 2017 durch Beschluss des
Europäischen Rates vom 1. Juli 2016
• Gegenmaßnahmen Russlands: Einfuhrverbot für Agrarprodukte und Lebensmittel
(aktuell bis 31. Dezember 2017) sowie Einreiseverbote für bestimmte Personen
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2. Praktische Relevanz – Risiken für das
Unternehmen
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Relevanz der Befolgung von Embargo- und
Sanktionsbestimmungen (1)
• Verschiedene Straf- und Ordnungswidrigkeitentatbestände im Embargo- und
Sanktionsrecht (§§ 17, 18 AWG – Straftaten; § 19 AWG – Ordnungswidrigkeiten), z.B.
o Verstöße gegen Waffenembargos → Straftaten gemäß § 17 AWG i.V.m. § 80 AWV
bei Vorsatz oder Leichtfertigkeit
o Verstöße gegen Verbots- und Genehmigungstatbestände in unmittelbar in
Deutschland geltenden Rechtsakten der EU, z.B. § 18 Abs. 1 Nr. 1 b AWG
(Zuwiderhandeln ggü. einem Verfügungsverbot über eingefrorene Gelder und
wirtschaftliche Ressourcen) → Verfolgung als Straftat bei Vorsatz, gemäß § 19 Abs. 1
AWG aber als Ordnungswidrigkeit bei Fahrlässigkeit
o Sonstige Verstöße werden idR als Ordnungswidrigkeit geahndet, z.B. Verstöße
gegen Bestimmungen der AWV, vgl. § 19 Abs. 3 AWG i.V.m. § 81 AWV oder Verstöße
gegen Rechtsakte der EU gemäß § 19 Abs. 4 AWG i.V.m. § 82 AWV.
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Relevanz der Befolgung von Embargo- und
Sanktionsbestimmungen (2)
• Vergaberechtliche Konsequenzen bei Verstößen gegen Außenwirtschaftsrecht möglich
• § 122 Abs. 1 GWB: „Öffentliche Aufträge werden an fachkundige und leistungsfähige
(geeignete) Unternehmen vergeben, die nicht nach den §§ 123 oder 124
ausgeschlossen worden sind“
• § 123 GWB – Zwingende Ausschlussgründe bei bestimmten Katalogstraftaten
• § 124 GWB – Fakultative Ausschlussgründe z.B. Abs. 1 Nr. 3 GWB, wenn „das
Unternehmen im Rahmen der beruflichen Tätigkeit nachweislich eine schwere
Verfehlung begangen hat, durch die die Integrität des Unternehmens infrage gestellt
wird“.
• § 125 GWB – Teilnahme am Wettbewerb trotz Vorliegens zwingender oder fakultativer
Ausschlussgründe bei Nachweis einer Selbstreinigung möglich
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3. Spannungsverhältnis zwischen europäischen
und US-amerikanischen Embargo- und
Sanktionsbestimmungen
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Uncle Sam‘s langer Arm
Problem: „Uncle Sam‘s langer Arm“
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OFAC (1)
OFAC - Office of Foreign Assets Control („Amt für Kontrolle von Auslandsvermögen“)
• Exportkontrollbehörde des U.S. Department of the Treasury, zuständig für die Verwaltung
(administration) und Durchsetzung (enforcement) von U.S.- Wirtschaftssanktionen
o OFAC kann auch Sanktionsnormen erlassen bzw. konkretisieren
o Zuständigkeit des OFAC für die Überwachung der Einhaltung und für die Verfolgung /
Ahndung von Verstößen gegen Wirtschaftssanktionen und andere Rechtsnormen
• US-Handels- und Wirtschaftssanktionen richten sich gegen Länder, Unternehmen und
(Gruppen von) Einzelpersonen
o Länderbezogene Embargos (z.B. Irak, Kuba)
o Personenbezogene Embargos: Specially Designated Nationals (SDN)–Liste
(http://www.treasury.gov/resource-center/sanctions/SDN-List/Pages/default.aspx)
• Rechtsfolge eines Verstoßes: Verhängung von Bußgeldern bis Freiheitsstrafe möglich
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OFAC (2)
Adressaten
• U.S.-Bürger, Unternehmen mit Sitz / Personen
mit Wohnsitz bzw. temporärem Aufenthalt in
den USA (auch Tochtergesellschaften und
Niederlassungen von Nicht-U.S.-Unternehmen)
• „Extra-territorial effect“:
o Tochtergesellschaften / Niederlassungen von
U.S.-Unternehmen mit Sitz außerhalb der
USA
o Teilweise jegliche Transaktionen mit Bezug
zu den USA, z.B. OFAC-widrige Verwendung
von Exportgütern aus den USA durch
Unternehmen mit Sitz außerhalb der USA
o Non-U.S. Personen, die U.S.-Unternehmen /
U.S.-Personen zu Verstoß gegen
Restriktionen verleiten
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§ 7 AWV – Spannungsverhältnis zu OFAC
• § 7 Außenwirtschaftsverordnung (AWV):
„Die Abgabe einer Erklärung im
Außenwirtschaftsverkehr, durch die sich ein
Inländer an einem Boykott gegen einen anderen
Staat beteiligt (Boykott-Erklärung), ist verboten.“
• Problem: Aufgrund des Abwehrcharakters des § 7
AWV und exterritorialen Ansatzes der U.S.-
Sanktionen Überschneidung der
Anwendungsbereiche von Verpflichtungen
möglich
• Praktische Beispiele:
o Kuba, Venezuela: U.S.-Sanktionen, aber keine
Sanktionen EU/BRD
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§ 7 AWV – Einzelheiten
• Boykott: Keine Definition in § 7 AWV
o Zwangs- oder Druckmittel, durch das ein anderer (Adressat) aufgefordert wird, einen
Dritten (Person, Personengruppe, Unternehmen oder Staat) vom regelmäßigen
Geschäftsverkehr auszuschließen
o Kein Verbot nach § 7 AWV bei Embargomaßnahmen, die auf UN-Resolutionen oder
EU-Recht beruhen und nach den maßgeblichen Bestimmungen deutsches Recht
darstellen bzw. für Deutschland verbindlich sind
• Gegen einen anderen Staat:
o Insbesondere, wenn Gegenstand des Boykotts wirtschaftliche Beziehungen zu einem
Staat als solchem sind
o Verordnungsbegründung und Runderlass Nr. 27/92: „in der Regel“ sind auch Boykott-
Erklärungen gegen Staatsangehörige des Staates und Unternehmen, die dort ihren
Sitz haben, vom Verbot erfasst
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§ 7 AWV – Persönlicher Anwendungsbereich
• „Inländer“ (früher: „Gebietsansässige“ gemäß § 4a AWV a.F., gültig bis 31. August 2013)
• Gemäß § 2 Abs. 15 AWG n.F. sind Inländer
1. natürliche Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland;
2. juristische Personen und Personengesellschaften mit Sitz oder Ort der Leitung im
Inland;
3. Zweigniederlassungen ausländischer juristischer Personen oder
Personengesellschaften, wenn die Zweigniederlassungen ihre Leitung im Inland
haben und es für sie eine gesonderte Buchführung gibt; und
4. Betriebsstätten ausländischer juristischer Personen oder Personengesellschaften im
Inland, wenn die Betriebsstätten ihre Verwaltung im Inland haben.
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§ 7 AWV – Verbotene Erklärungen
Beispiele für verbotene Erklärungen (nach Runderlass Nr. 31/92)
• Erklärung, keine direkten oder indirekten Geschäftsbeziehungen zum boykottierten Staat
zu haben
• Black-List-Klauseln: z.B. Erklärung, dass das Unternehmen (sowie seine
Tochtergesellschaften) nicht auf einer sog. Black-List steht und keine
Geschäftsbeziehungen mit Unternehmen unterhält, die auf einer solchen Black-List
stehen
• Negative Ursprungserklärungen (Ware oder Gelder stammen nicht aus einem
boykottierten Land)
• Beschränkungen des Exports von Waren/der Verwendung von Geldern: Erklärung, die
Ware nicht an einen/in einem bestimmten Staat zu verkaufen bzw. die Gelder dort nicht
zu verwenden
• Über die Beispiele hinaus ist jede ausdrückliche Bezugnahme auf einen Boykott oder
eine Black-List als Indiz für eine Boykott-Erklärung anzusehen
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§ 7 AWV – Erlaubte Erklärungen
Beispiele für erlaubte Erklärungen (nach Runderlass Nr. 31/92)
• Positive Ursprungserklärungen: Erklärung, dass Ware ausschließlich aus einem
ausdrücklich genannten Land stammt
• Einhaltung von Embargos, die durch den Sicherheitsrat der UN oder die EU verhängt
werden
• Erklärung der Beachtung der Gesetze des Empfängerlands allgemein (außer erkennbar
auf Boykott-Gesetze bezogen, beispielsweise dadurch, dass die Boykottgesetze des
Empfängerlandes eingehalten werden müssen)
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§ 7 AWV – Rechtsfolgen eines Verstoßes
• Unzulässige Boykotterklärung i.S.d. § 7 AWV ist verboten
• Verstoß ist eine Ordnungswidrigkeit
o Ordnungswidrig handelt, „wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 7 eine Boykott-
Erklärung abgibt“ (§ 81 Abs. 1 Nr. 1 AWV i.V.m. § 19 Abs. 3 Nr. 1a. AWG)
o Ahndung mit Bußgeld bis EUR 500.000 (§ 19 Abs. 6 AWG)
o Unternehmensgeldbuße gemäß § 30 OWiG, ggf. i.V.m. § 130 OWiG möglich
o Gewinnabschöpfung oder Verfall möglich
o Aufsichtsrechtliche Maßnahmen, etwa bei Verstößen gegen § 7 AWV durch
Kreditinstitute möglich
o Ggf. Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts gemäß § 134 BGB (§ 7 AWG = gesetzliches
Verbot)
o Ggf. Versagung der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer
Gerichtsentscheidungen in Deutschland wegen Verstoß gegen ordre public
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EU-Blocking-Verordnung (1)
• VO (EG) Nr. 2271/96 des Rates vom 22 . November 1996 zum Schutz vor den
Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener
Rechtsakte sowie von darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnahmen
(„EU-Blocking-Verordnung“)
• Reaktion auf Rechtsnormen der USA, „um die bestehende Rechtsordnung [und] die
Interessen der Gemeinschaft [...] zu schützen, insbesondere durch Aufhebung,
Neutralisierung, Blockierung oder anderweitige Bekämpfung der Auswirkungen der
betreffenden ausländischen Rechtsakte“ (Präambel)
• Betrifft nur bestimmte Gesetze / Verordnungen in Bezug auf folgende Länder: Iran, Kuba,
Libyen
• Keine [gemeinschaftsansässige] Person darf selbst oder durch einen Vertreter [...] aktiv
oder durch bewusste Unterlassung Forderungen oder Verboten [...] nachkommen, die
direkt oder indirekt auf den im Anhang aufgeführten Gesetzen oder den darauf
beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnahmen beruhen [...] (Art. 5 Abs. 1 EU-
Blocking-VO)
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EU-Blocking-Verordnung (2)
• Persönlicher Anwendungsbereich erfasst gemäß Artikel 11 EU-Blocking-VO unter
anderem (i) alle juristischen Personen, die in der Gemeinschaft eingetragen sind (Nr. 2),
(ii) alle natürlichen Personen, die in der Gemeinschaft ansässig und Staatsangehörige
eines Mitgliedsstaats sind (Nr. 1), (iii) alle übrigen natürlichen Personen, die in der
Gemeinschaft ansässig sind, sofern sich diese nicht in dem Land aufhalten, dessen
Staatsangehörigkeit sie besitzen (Nr. 4) sowie (iv) alle übrigen natürlichen Personen im
Gebiet der Gemeinschaft, [...] die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit handeln (Nr. 5)
• Sanktionen bei Zuwiderhandlung legt gemäß Artikel 9 EU-Blocking-VO jeder
Mitgliedstaat selbst fest:
• Ordnungswidrigkeit gemäß § 82 Abs. 4 AWV i.V.m. § 19 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 AWG
• Geldbuße bis zu EUR 500.000 gemäß § 19 Abs. 6 AWG (gegen natürlich Person und
gemäß § 30 OWiG (ggf. i.V.m. § 130 OWiG) auch gegen juristische Person)
• Gewinnabschöpfung oder Verfall
• Aufsichtsrechtliche Maßnahmen (Banken)
• Zivilrechtliche Sanktionen
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Beispiel für Handhabung in der Praxis
Beispiel: Kreditverträge
Banken (meist U.S. Banken) verlangen in Transaktionen von Darlehensnehmern und
Garantiegebern:
o Zusicherungen („Representations“), dass die Darlehensnehmer / Begünstigten nicht
gegen die von der OFAC verkündeten und sonstigen Sanktionsnormen und
Geldwäschebestimmungen verstoßen
o Verpflichtungen („Undertakings“), dass die von ihnen zur Verfügung gestellten / im
Rahmen einer Kapitalmaßnahme eingenommenen Mittel nicht in einer Weise
verwendet werden, die gegen durch das OFAC verhängte oder sonstige Sanktionen
und U.S.-Rechtsnormen verstößt
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