Rücken- und Gegenwind für die Bürgerenergie · eine sozial, ökologisch und wirtschaftlich faire...

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Community Power Februar 2016 WWEA Policy Paper Series (PP-01-16) Rücken- und Gegenwind für die Bürgerenergie Bürgerwind-Perspekven aus Nordrhein-Wesalen und der Welt

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Februar 2016 WWEA Policy Paper Series (PP-01-16)

Rücken- und Gegenwind für die Bürgerenergie Bürgerwind-Perspektiven aus Nordrhein-Westfalen und der Welt

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Der Weltwindenergieverband (WWEA) ist ein internationaler ge einnüt iger er and it auptsit in Bonn euts hland WW ar eitet it vers hiedenen egierungen und internationalen rganisationen usa en u die

Windenergie weltweit aus u auen er ein Net werk von er nden und itgliedern in ü er ndustrie- und ntwi klungsl ndern hat der er and viele egierungen ei der ntwi klung wirksa er Progra e ur rderung von rneuer aren nergien unterstüt t ines der iele von WW ist die t rkung der Bürgerenergie und einer

de entraleren nergieversorgung innerhal e istierender egierungs- Bildungs- und ors hungseinri htungen sowie ei internationalen nstitutionen

Der Landesverband Erneuerbare Energien Nordrhein-Westfalen (LEE NRW ist die nteressenvertretung aller e hnologien ür erneuer are nergietr ger in Nordrhein-Westfalen euts hlands ev lkerungsrei hste Bundesland er er and set t si h ür das na hhaltige Wa hstu des Wirts ha sstandorts Nordrhein-Westfalen ein ein iel ist is eine vollst ndig au erneuer aren nergien asierende nergieversorgung voran utrei en

Über die Autoren:

arlo hi k ar eitet ei der World Wind nerg sso iation it auptsit in Bonn euts hland als ein ors hungsanal st und Bürgerenergie eau ragter r hat einen Ba helor s hluss in Politikwissens ha und ist nw rter au den aster in nviron ental overnan e uvor ar eitete er ei e hnologies or ono i evelop ent

einer in esotho t tigen N die si h au na hhaltige ntwi klung und e hnologien ür erneuer are nergietr ger wie B Biogas und solare leinanlagen spe ialisiert

te an s nger hat WW seit ründung i ahr geleitet und ist eneralsekret r des er andes r ist au h itglied i nternational teering o i ee von N e utive o i ee der lo al - a pagne und i anaging o i ee der nternational enewa le nerg llian e

an o ertin es h s ührender eiter N W

Weitere Anmerkungen und Kommentare von:

Paul ipe Wind-Works

adi areli sraeli Wind nerg sso iation

ugo u as a tor panien euts hland

r en ono Bündnis Bürgerenergie

r hane ulligan adi le Works td anada

aura Willia son N

Übersetzung der deutschen Version:

r Ben a in Badura en a in adura outlook o

Finanzielle Unterstützung:

ür ors hung und er entli hung dieser tudie sowie ür das nternationale Bürgerenergie posiu a anuar in Bonn dankt WW ür die nan ielle nterstüt ung der Stiftung Umwelt und Entwicklung des Landes

Nordrhein-Westfalen und der Stiftung für Internationale Begegnung der Sparkasse in Bonn.

Rücken-undGegenwindfürdieBürgerenergie

Bürgerwind-PerspektivenausNordrhein-WestfalenundderWelt

II

BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

Kurzzusammenfassung

DasModelldesBürgerwindparksstehtinNRWundDeutschland am Scheideweg. Einerseits habenBürgerwindprojektegroßesPotenzial fürdieUm-wandlung des kohlenstoffbasierten Energiere-gimeszueinemdemokratischen,dezentralisiertenundemissionsfreien,mitandernWorten:wahrlichnachhaltigenEnergiesystem.Darüberhinausstel-len Bürgerwindprojekte die dringend benötigtehohelokaleAkzeptanzsicherundtragenzurloka-lenWertschöpfungbei.Andererseitswirdvondenbevorstehenden Ausschreibungen erwartet, dasssie Bürgerwindprojekten einen großen Wettbe-werbsnachteileinbringen.DieExternalisierungder"Akzeptanzkosten" vonWindkraft könnte in derFolge eine drastische negative Wirkung auf dieweitere Verbreitung von BürgerwindprojektenundinsgesamtaufdenErfolgderdeutschenEner-giewendehaben.

Das in Paris geschlossene Rahmenabkommen der

Vereinten Nationen über Klimaänderungen aus

demJahr2015markiert faktischdiebishergrößte

weltweiteVerpflichtung zumAusbauderErneuer-

barenEnergieninderGeschichte.195Nationenha-

ben sich auf die Neutralisierung der Treibhaus-

gasemissionen bis 2050 geeinigt; ein Ziel, das nur

durch den schnellen Abbau des Einsatzes fossiler

Brennstoffe und einen Übergang zur Versorgung

durchErneuerbareEnergienzuerreichenist.Diege-

wähltenFormulierungen lassen immernochSpiel-

raumfüreineaufnuklearenundauffossilenBrenn-

stoffen basierende Energieenergieumwandlung in

KombinationmitCarbonCaptureandStorage.Die

historischniedrigenKostenderErneuerbarenEner-

gien und die sich allmählich angleichenden Rah-

menbedingungenfürdieunterschiedlichenEnergie-

träger erlauben jedoch eine einfache und gute

Schlussfolgerung: Erneuerbare Energien sind die

neueNorm–alleanderenLösungenstehenunter

Rechtfertigungszwang.NunstelltsichdieFrage,wie

eine sozial, ökologisch und wirtschaftlich faire

Transformationhinzu100%ErneuerbarenEnergien

realisierbar ist.EinesolcheUmwandlungmussdie

spezifischenPotenzialeundHerausforderungenvon

Energie aus Wind, Sonne, Wasserkraft, Biomasse

undGeothermieberücksichtigen.Außerdemmuss

siesichumdieBelangeundAkzeptanzderPersonen

kümmern, die Erneuerbare Energie produzieren

undkonsumieren.

Eine geeignete Option ist das Bürgerenergiekon-

zept,dasaufderIdeederlokalenTrägerschaftvon

ErneuerbarenEnergienbasiert.DiedreiHauptkrite-

rien,dieBürgerenergieprojektevomanderenPro-

jektenunterscheiden,sindlokaleBeteiligungamEi-

genkapital (>50%), lokaleStimmhoheit imProjekt

undmehrheitlichlokalerVerbleibdersozialenund

wirtschaftlichenWertschöpfung,diedurchdasPro-

jekt entsteht (gemäß Definition der mit Experten

ausallenKontinentenbesetztenWWEACommunity

PowerWorkingGroup).Bürgerwindisteinetechno-

logiespezifischeUnterkategorievonBürgerenergie.

Das WWEA-Projekt "Bürgerwindperspektiven aus

NRWundderWelt"hatzumZiel,günstigeRahmen-

bedingungenfürBürgerenergiezuidentifizieren.In-

nerhalb dieses Rahmens wurde eine Fallstudie zu

Bürgerwind inNordrhein-Westfalen (NRW) durch-

geführt.BasierendaufExperteninterviewsmitGe-

schäftsführernvonBürgerwindprojektenundeiner

Online-Befragung,diesichaneineweitergefasste

GruppevonBürgerwindakteuren richtete,wurden

diefolgendenSchlussfolgerungengezogen:

BiszumheutigenTageistBürgerwindeinnichtganz

einfachzufassendesKonzept,dasinNRW(oderin

Deutschland)bislangwederrechtlichnochpolitisch

definiertist.BürgerwindwirdjedochalseinModell

betrachtet,welche viele positive soziale undwirt-

schaftlicheWirkungen mit sich bringt, von denen

zwei der wichtigsten die Erhöhung lokaler Akzep-

tanz und der lokalenWertschöpfung sind. In den

meistenFällenstimmtdievondenExpertengege-

beneDarstellungvonBürgerwindmitderDefinition

derWWEAüberein,wasaufdieBrauchbarkeitder

LetzterenalsBasis füreineverbindlicheDefinition

sowiefürzukünftigeForschungenhindeutet.

NachMeinungderbefragtenExpertenistderwich-

tigsteEinflussfaktordesBürgerwindsdergarantier-

tenEinspeisevergütungzuzuschreiben,dieaufBun-

desebene durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz

(EEG) im Jahr 2000 eingeführt wurde. Andere Ein

flussfaktorensinddiewindenergie-freundlicheRe-

gierunginNRWseit2010,Klimaschutz-oderErneu-

erbare–Energien-Initiativen von Kommunen und

3

Regionen, informelle Bürgerwind-Leitlinien sowie

gesetzliche Richtlinien, die auf die Vereinfachung

vonPlanungs-undGenehmigungsverfahrenausge-

richtetsind,auchwennletzterenichtinersterLinie

anBürgerwindprojektegerichtetsind.Andererseits

wurdeverdeutlicht,dassdiesteigendeKomplexität,

dasvonkommerziellenWindkraftentwicklernindie

Höhe getriebene Pachtniveau, dieOpposition von

Natur-undArtenschutzverbänden,undeinewahr-

nehmbareAbnahmedesgesellschaftlichenInteres-

ses an Erneuerbaren Energien derzeit den Zubau

vonBürgerwindbehindern.Vondenbevorstehen-

denAusschreibungenfürWindenergieanLandwird

erwartet,dasssiegroßeHürdenfürdenEinsatzvon

Bürgerwind in NRW und Deutschland darstellen.

Von den Eckpunkten des bevorstehenden Aus-

schreibungsmodellswirderwartet,dasssieBürger-

windprojekteneinemgroßenWettbewerbsnachteil

aussetzenunddaherunabhängigeBürgerwindent-

wicklung in Zukunft unmöglich machen könnten.

DieimFebruar2016veröffentlichtenvereinfachten

Teilnahmebedingungen für Bürgerwindprojekte

können als ein erster, wenn auch unzureichender

SchrittindierichtigeRichtunginBezugaufdenEr-

haltderAkteursvielfaltbewertetwerden.Dennoch

werden Bürgerwindprojekte im Wettbewerb mit

Projekten von kommerziellen Projektentwicklern

bestehen müssen, welche im Ausschreibungspro-

zess daher weiterhin Wettbewerbsvorteile genie-

ßenwerden.

Künftige potenziell attraktive Geschäftsfelder und

AktivitätenfürBürgerwindprojekteumfassenunter

anderemRepowering,regionaleStromtarife,Ener-

giespeicherung, ElektromobilitätundEnergieeffizi-

enz.MomentanstehenjedochderhoheProfessio-

nalisierungsdruckunddiesichwandelndenrechtli-

chenRahmenbedingungeneinerflächendeckenden

AusweitungdieserAktivitäten imWege -mitAus-

nahme einiger Vorreiterprojekte von erfahrenen

Bürgerwindinitiatoren. Bürgerwind-Netzwerke,

entsprechendeInformationsplattformenundWind-

energie-VerbändewerdeneinewichtigeVermittler-

rolle für die Verbreitung des Bürgerwindkonzepts

undder innovativenGeschäftsmodellezugeschrie-

ben.

4

BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

INHALTSVERZEICHNIS

Kurzzusammenfassung II

TeilA:FallstudieBürgerwindinNordrhein-Westfalen 11.KontextundHintergrundzurStudie 1

1.1.Einführung 11.2.DefinitionvonSchlüsselbegriffen:Bürgerenergie,Bürgerwind,Bürgerwindakteure 31.3.DerStandvonBürgerwindinDeutschland 51.3.DiekommendenAusschreibungenfürWindenergieanLand 81.4.EinführungindieFallstudienregionNordrhein-Westfalen 10

2.StudiendesignundmethodischesVorgehen 133.ErgebnisseundDiskussion 14

3.1.ZusammensetzungderBefragten 143.2.ÜberlegungenzumBürgerwindkonzept 153.2.NutzeneffektederBürgerwindkraft 163.3.HürdenundTriebkräftedesBürgerwindsinNRW 183.4.BürgerwindimAusschreibungssystem–MeinungenundErwartungen 233.5.DieZukunftdesBürgerwinds 29

4.Schlussfolgerung 325.EmpfehlungenandiePolitik 35

5.1EmpfehlungenandiePolitikaufkommunalerEbene 355.2EmpfehlungenandiePolitikaufLandesebene 355.3EmpfehlungenandiePolitikaufBundesebene 355.4EmpfehlungenfürweitereForschungenimBereichderBürgerenergie 35

TeilB:ZusammenfassungWWEA-Bürgerwind-Symposium2016 361.PodiumsdiskussionderNRW-Bürgerwind-Experten 372.Präsentationsreihe„BürgerenergieundBürgerwindinEuropa“ 393.Präsentationsreihe„Bürgerwind-Weltreise“ 394.Podiumsdiskussion„DieZukunftderBürgerenergie–EineGlobaleDiskussion“ 40

TeilC:ZehnElementeeinerGlobalenBürgerenergie-Strategie 42

Anhang 43EckpunktederAusschreibungfürWindenergieanLandundErklärungdeseinstufigenReferenzertragsmodells 43

Literaturverzeichnis 45

1

TeilA:FallstudieBürgerwindinNordrhein-Westfalen

1.KontextundHintergrundzurStudie

“DieDurchschnittstemperaturaufderErdoberflä-chefürdasJahr2015istwahrscheinlichdiewärmsteseitBeginnderAufzeichnungenundwird1GradCelsiusüberdemsymbolischbedeutendenSchwellenwertdervorindustriellenÄraliegen.”

WorldMeteorologicalOrganisation

1.1.Einführung

FürdieÄrader fossilenBrennstoffemarkiertedas

Jahr2015den"AnfangvomEnde".Daslangerwar-

tete Rahmenabkommen der Vereinten Nationen

überKlimaänderungen,oderAbkommenvonParis,

wirdwahrscheinlich als der offizielleWendepunkt

imlangenundlangwierigenKampfgegendenvom

Menschen verursachten Klimawandel in die Ge-

schichteeingehen.Esmussimmernochvon195Re-

gierungen ratifiziert werden und wird seine volle

Wirkung nicht vor 2020 entfalten. Demgegenüber

kannschonjetztderEinsatzundAusbauErneuerba-

rerEnergiendieErreichungvonTreibhausgasneut-

ralität bis 2050 erreichen. Auf globaler Ebene hat

dieserParadigmenwechselbereitsdenAbflussvon

InvestitionenauskohlenstoffbasiertenEnergiequel-

len auf 2,6 Billionen USD gesteigert (Arabella

Advisors2015)undfürbreiteInvestitionsströmein

Industrie-undEntwicklungsländerninErneuerbare

Energiengesorgt.ImJahr2015wurdeweltweiteine

Rekordsumme von 329 Billionen USD in Erneuer-

bareEnergieninvestiert(Bloomberg2016).

AbgesehenvomAbkommenvonParishabendieAk-

tivitätenundVerpflichtungenderweltweitenBewe-

gungfür100%ErneuerbareEnergienindenletzten

JahreneinenormesNiveauerreicht.Überallaufder

WeltverfolgenLänder,Regionen,Gemeindenoder

StädtefreiwilligdasZiel,aufeinzu100%auserneu-

erbaren Energiequellen gespeistes Energiesystem

1DieInternetseitederGlobal100%EEKampagneisteinewertvolleInformationsquelleüberden

umzuschalten1.Dieservonobenunduntenausge-

hendeDruckaufdasbestehendeEnergiesystemad-

diertsichzudenallgemeinsinkendenStromgeste-

hungskosten für Erneuerbare Energien (IRENA

2015).AlledieseFaktorenmachendieErneuerba-

renzurneuenNormalität.

Nun stellt sich die Frage,wie eine sozial gerechte

TransformationzudenErneuerbarenEnergienun-

ter Berücksichtigung der spezifischen Potenziale

undHerausforderungenderTechnologienfürWind,

Sonne,Wasserkraft,BiomasseundGeothermieso-

wieunterBerücksichtigungderBelangeundBeden-

kenderLeute,dieErneuerbareEnergieproduzieren

und konsumieren, lokal umgesetzt werden kann.

DieAntwortaufdieseFrageistverbundenmitder

EntwicklungderWindkrafttechnologieimAllgemei-

nen. Dänemark und Deutschland gelten nicht nur

alsWindkraftpioniere, sondern auch als jene zwei

Länder, die das Bürgerwindmodell aus derWiege

gehobenhaben(Valentine2015;Toke2009).

Bis in die späten 90er Jahre war Windenergie in

Deutschland noch eineNischentechnologie. Frühe

Windkraftprojekte haben hauptsächlich Investitio-

nen in windreiche Küstenregionen angezogen, in

denenLandwirteundlokaleverankerteWindkraft-

pioniereihrLandzurNutzungderreichlichvorhan-

denen Windressourcen einsetzten. In dieser An-

fangsphasederWindenergiewurdedasModellge-

meinsamer lokalerTrägerschaft,dasdenKerndes

Bürgerwindkonzeptsdarstellt,dafüreingesetzt,das

finanzielle Risiko zu verteilen, das die hohen An-

fangsinvestitionenmitsichbrachten. ImJahr2000

wurdeinDeutschlanddasbisdatogültigeStromein-

speisungsgesetz (StrEG) durch das Erneuerbare-

Energien-Gesetz (EEG) ersetzt und die rechtlichen

Grundlagen für die Boomphase der Windenergie

gelegt.DieKombinationeiner20-jährigentechnolo-

giespezifischen Vergütungsgarantie für unabhän-

gigeEnergieproduzentenhatsichalseinErfolgsmo-

dell für die Einführung der Erneuerbaren in den

deutschenEnergiemarkterwiesen,welcherzudie-

semZeitpunktvonkohlenstoffintensivenbzw.nuk-

learenTechnologiendominiertunddirektoderindi-

rekt stark subventioniert wurde. Angezogen von

Standvon100%erneuerbareEnergien:www.go100re.net

2

BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

den finanziellen Schutzklauseln des EEG, vergrö-

ßerte sich die Anzahl von Bürgerwindprojekten

stark;genausowiedieWertschöpfungfürdieEin-

satzregionen und die Akzeptanz. Bürgerwind und

garantierteEinspeisevergütunghabensichsozusa-

genHandinHandentwickelt.

Heute sind Varianten des deutschen Vergütungs-

modellsin108Regierungsbezirkenaufnationalero-

dersubnationalerEbeneinKraft(REN212015),wosie günstige Rahmenbedingungen geschaffen und

denZuwachsanErneuerbarenEnergienbeschleu-

nigthaben.Abbildung1zeigt,dassimJuli2015die

globale Gesamtleistung der Windenergie an Land

undaufSeebei435GWbzw.gut4%desWeltelek-

trizitätsbedarfs lag (WWEA 2016), was zeigt, dass

dieWindkraft endgültig ihren Kinderschuhen ent-

wachsenist.

Wennmandie Investitionen in Erneuerbare Ener-

giennachLändergruppenvergleicht,befindensich

EntwicklungsländermittlerweileaufAugenhöhemit

den Industrienationen (REN21 2015). Aber inwie-

fernschließtdieserschnelleZuwachsanErneuerba-

ren Energien das Bürger(wind)energiemodell mit

ein?BesondersinEntwicklungsländernhabenBür-

gerwindprojekteeingroßesPotenzial;nichtnurdie

Entwicklungsphase des kohlenstoffbasierten Ener-

giesystemsauszulassen,sondernauchalseinnach-

haltigesundinkludierendesInstrumentzurArmuts-

minderung,undzwarunabhängigdavon,obessich

2Ausschreibungsverfahrenbeinhaltennormaler-weisemehralseinAuswahlkriterium,während

um große netzgekoppelte Anlagen oder Offgrid-

Kleinwindanlagen handelt. Der Anteil von Bürger-

windprojektenistjedochaufglobalerEbeneimmer

nochsehrgering.GenauergesagtistderAnteilnicht

einmalgemessenworden.BisherwirdderZuwachs

oderderAusbauvonWindkraftanlageninEntwick-

lungsländern eher von großen, global agierenden

Energieversorgern und Projektentwicklern ange-

trieben (Baker 2015; WWEA Community Wind

Symposium2016).

Vor diesem Hintergrund gibt es einen gewissen

weltweitenTrendhinzuAusschreibungsmodellen.

Während im Jahr2005nur fünfLänderAusschrei-

bungen2fürErneuerbarevorgesehenhatten,haben

2015 bereits 60 Länder Ausschreibungen einge-

führt. Theoretisch haben auch gut ausgestaltete

Ausschreibungsmodelle das Potenzial, den Anteil

vonBürgerwindzuvergrößern.DieRealitätzeichnet

aber ein anderes Bild, da die meisten Ausschrei-

bungsdesignsdieMarktzugangsbarrierenfürkleine

Teilnehmer vergrößern und erfahrene, kapital-

starke Projektentwickler und internationale Kon-

zernebegünstigen.

DasProjekt“BürgerwindperspektivenausNRWund

derWelt”hatdasübergeordneteZiel,günstigeRah-

menbedingungenfürBürgerwindunterbesonderer

Berücksichtigung der Regelungen im Zusammen-

hang mit Ausschreibungen zu identifizieren. Über

diegesamteProjektphasehinweg,dieaucheinin-

ternationales Bürgerwind-Symposium umfasste,

AuktionsmechanismenerfolgreicheBieternurauf-grunddesPreisesauswählen.BeideBegriffewer-dentrotzdemoftmiteinandervertauscht.

WeltweiterWindenergieZubau2011-2015

Abbildung1

3

BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

wird einMehr-Ebenen-Ansatz verfolgt. Dieser ba-

siert auf dem Grundsatz "think global, act local":

also globale Probleme und Tendenzen verstehen

undlokaleAntwortenuntersuchen,umsolideEmp-

fehlungenfürdiePolitikabzuleiten.Indiesemwei-

terenRahmenuntersuchtdieFallstudieBürgerwind

in Nordrhein-Westfalen (NRW), wie das Bürger-

windkonzeptlokalumgesetztwird.Dabeiwirdnicht

angenommen, dass die konkreten Ergebnisse ein-

facheinszueinsaufdieglobaleEbeneübertragen

werdenkönnen.TrotzdemkönnenvondenErgeb-

nissenwertvolleErkenntnisseerwartetwerden,die

die Diskussion um die Förderung und Weiterent-

wicklung des Bürgerwindkonzepts vorantreiben

können.

DieStudiewirddenderzeitigenStandvonBürger-

windinNRW,Deutschlandsbevölkerungsreichstem

und(mitBlickaufEnergieangebotund-nachfrage)

energieintensivstemBundesland, untersuchen. Sie

basiert auf Experteninterviews mit Geschäftsfüh-

rern vonBürgerwindprojekten und einerUmfrage

unter Mitgliedern von Windenergie-Genossen-

schaftenundAnteilseignernvonBürgerwindprojek-

ten.DerfolgendeAbschnittgibteinenÜberblickauf

dasKonzeptBürgerwind, seinenderzeitigenStand

in Deutschland und besonders in NRW. Der Ab-

schnittmitHintergrundinformationenendetmitei-

ner Einführung zum bevorstehenden Ausschrei-

bungsmodellfürWindenergieanLand.Nachderin-

haltlichenEinführungwerden inKapitel2dasStu-

diendesign und die methodische Vorgehensweise

präsentiert.DiewichtigstenErgebnisseausdenIn-

terviewsundderUmfragewerdeninKapitel3vor-

gestellt und erörtert. Auf eine kurze Schlussfolge-

rungfolgenkonkreteEmpfehlungenandiePolitik,

basierend auf den Belangen der Bürgerwindak-

teure.InTeilBderStudiewerdendiezentralenEr-

gebnissederPräsentationenundDiskussionendes

Internationalen Bürgerwindsymposiums (Bonn,

26.01.2016)vorgestellt.DerBerichtschließtmitden

ElementeneinerGlobalenBürgerenergie-Strategie.

1.2.DefinitionvonSchlüsselbegriffen:Bür-gerenergie,Bürgerwind,Bürgerwindak-teure

DasBürgerenergiekonzepthateinelangeTradition,

diesichaufdievorindustrielleÄrazurückverfolgen

lässt,alssichimlokalenEigentumbefindlicheMüh-

len die reichlich vorhandene Wind- und Wasser-

energiezunutzemachten(Hvelplund2014).Zusätz-

lichzudenfrüherenFormenderBürgerenergiewar

einGroßteildererstenStromverteilernetzeinganz

EuropainderHandvonlokalenGenossenschaften.

MitderZentralisierungvonEnergiesystemenverlo-

ren allerdings viele dieser Modelle ihre Funktion.

NacheinerPhasedesStillstandsinden1970erJah-

renwurdedasBürgerenergiekonzeptdurchdieAus-

wirkungendererstenglobalenÖlkriseunddeners-

ten technologischen Innovationen im Bereich der

ErneuerbarenEnergienwiederbelebt.EsistdenAk-

tivitäten der Bürgerenergieakteure zu verdanken,

dass erneuerbare Technologien in den Bereichen

Wind,Sonne,WasserundBiogasdazu inderLage

waren,sichvoneinerNischentechnologiezueiner

ernst zu nehmenden Alternative zum damals vor-

herrschenden Energiesystem zu entwickeln, das

vornehmlich auf fossilen Brennstoffen und Kern-

energieberuht(Hvelplund2014).

Die zeitgemäße Definition von Bürgerenergie ba-

siertaufdenEckpfeilerngemeinsamerlokalerTrä-

gerschaft, demokratischer Entscheidungsfindung

undeinemdezentralenVerständnisvonEnergiever-

sorgung.Wieobendetailliertbeschrieben,verkör-

pern Bürgerenergieprojekte gemäß der Definition

derWWEAeinGeschäftsmodell,indemBürgermin-

destens50%derAnteilsscheinehalten,dieAnleger

aus der Region kommen, in der die Anlage steht,

unddieWertschöpfungausdemProjektmehrheit-

lichlokalverteiltwird(Abbildung2).DieAusgestal-

tungdesGeschäftsmodellskannvonEnergiegenos-

senschaften, gemeinsamen Investitionen (einer

kleinenGruppelokalerInvestoren),lokalenInvesti-

tionen(gemeinsameInvestitionvonGemeindeund

Bürgern) bis hin zu geschlossenen Fonds reichen

(Yildiz2014). IndividuelleEigentümervonAnlagen

wie z. B landwirtschaftliche Einzelunternehmen,

EinpersonengesellschaftenundkleinereUnterneh-

menzählenauchzudenBürgerenergieakteuren.

4

BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

Abbildung2:DiedreiGrundpfeilerderBürgerenergie

AlseineUnterkategorievonBürgerenergie,umfasst

Bürgerwind alle Arten vonWindenergieprojekten,

die die oben erwähnten Kriterien erfüllen. Bisher

gibt es weder national noch international verab-

schiedete, rechtlich bindende Definitionen oder

Standards,diedabeihelfenkönnten,klarzwischen

"kommerziellen" und Bürgerwindprojekten zu un-

terscheiden.Dieser Sachverhaltmacht die globale

BestandsaufnahmevonBürgerwindprojektenzuei-

nem schwierigen Unterfangen. Seit 2011 benutzt

dieWWEAdiefolgendeDefinition,dieauseinerin-

tensivenDiskussionunterden(ausallenKontinen-

tenstammenden)MitgliedernderWWEACommu-

nityPowerArbeitsgruppehervorgegangenist:

BürgerwindistjedeKombinationvonmindestenszweiderdreifolgendenElemente:

1. DieBeteiligunglokalerIndividuenund/o-derGruppenamEigenkapitalderGesell-schaftbeträgtmindestens50Prozent:

Der Hauptanteil oder das ganze Projekt befindet

sichimBesitzeinerlokalenEinzelpersonodereiner

Gruppe vonAnteilseignern, egal, ob es sich dabei

um Landwirte, Genossenschaften, unabhängige

Stromproduzenten, Finanzinstitutionen, Kommu-

nen,Schulen,etc.handelt.

3FüreineausführlichewissenschaftlicheDefinitionvonBürgerwind,siehetrend:research2013(aufDeutsch).

2. DieStimmhoheitliegtbeieinerBürgerge-sellschaft

EineBürgerorganisationbestehendauslokalenAn-

teilseignernhältdenHauptteilderStimmrechte

beiProjektentscheidungen.

3. DerGroßteilderWertschöpfungeinesProjektsverbleibtinderRegion:

DerGroßteilallensozialenundwirtschaftlichen

NutzensverbleibtbeiderlokalenGemeinschaft.

DieseDefinitionwird vorzugsweise fürAktivitäten

derWWEAimBereichBürgerwindverwendet;ins-

besonderedann,wennvonBürgerwindaufglobaler

EbenedieRede ist. In die vorliegende Studie sind

Sekundärdaten aus verschiedenen Quellen einge-

flossen.SiebasiertalsoaufunterschiedlichenKon-

zeptionen vonBürgerwind3.Währendder gesam-

tenStudiewurdedaraufgeachtet,einMindestmaß

an Übereinstimmung zwischen den unterschiedli-

chen Bürgerwindkonzepten einzuhalten. Der Ein-

fachheithalberwirdBürgerwindbeiderWWEAan-

hand der drei oben beschriebenen Kriterien defi-

niert.

BeieinernäherenBetrachtungvonBürgerwind ist

esauchwichtig,zwischenbestimmtenAkteursgrup-

penunterscheidenzukönnen,dienormalerweisein

der Bürgerwindenergie verwickelt sind.Man kann

die folgenden Bürgerwind-Akteursgruppen unter-

scheiden,diesichnichtgegenseitigausschließen:

1. Geschäftsführer von Bürgerwindparks oderProjektinitiatoren sind die Haupttriebkräfteund Unternehmer hinter einem

Bürgerwindprojekt. Sie sind normalerweise

diejenigen, die mit einer Vision oder einer

einfachen Idee hinter einem bestimmten

Projekt stehen. Ihre Motive für die

Projektdurchführung können dem politischen

EinsatzfüreinnachhaltigesEnergiesystemoder

reinfinanziellenÜberlegungenentspringen.

2. Bürgerwindanteilseigner sind Landbesitzer,

Mitglieder von Energiegenossenschaften,

Partner in GmbH & Co. KGs oder

Mehrheitsbeteiligung

der Bürgerakteure

LokalgebündelteStimmrechte

RegionaleWertschöpfung

5

BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

Bürgerwindprojektanleger. Sie haben ein

generelles InteresseanderEnergiewendehin

zueinemdezentralisiertenEnergiesystemund

sind bereit in Erneuerbare zu investieren,

solangesiesicheineanhaltendeRenditedavon

versprechen.

3. Bürgerwindvermittler und -experten sind

damit beschäftigt, günstige

Rahmenbedingungen für Bürgerwind zu

schaffen. In diese Kategorie fallen Verbände,

Netzwerke und NGOs, aber auch

Einzelpersonen, die unabhängig oder

gemeinsammitdiesenInstitutionenarbeiten.

4. ProsumentensindsehraktiveStakeholderderErneuerbaren im Allgemeinen. Diese

Personengruppe besitzt oft eigene Solar-

Dachsysteme und sind in den Bereichen

Energieeffizienz,Heimspeicherung,Nahwärme

und Elektromobilität aktiv. Sie unterstützen

und beteiligen sich an Bürgerwindprojekten,

helfen bei örtlichen Umwandlungsprozessen

undhabeneineVorbildfunktion.

1.3.DerStandvonBürgerwindinDeutsch-land

Bürgerwind gemäß WWEA-Definition hat 2012

24,6% der Gesamtleistung von 30´854 MW der

Windenergie an Land in Deutschland ausgemacht

(sieheAbbildung3).ZähltmandazudenAnteilder

ProjektemitMinderheitsbeteiligungenörtlicherAk-

teureundüberregionalemFremd-undMezzanine-

kapitaldurchEinzelinvestoren,erreichtederAnteil

sogar50,4%.InstitutionelleundstrategischeInves-

torentrugen39,4%bei,währendnur10,2%imBe-

sitzvongroßenStromversorgernwar(Trend:Rese-

arch2013).EineStudieüberdieEigentumsverhält-

nisse neu zugebauter Anlagen im Zeitraum zwi-

schen2012-2014kommtzudemSchluss,dassun-

gefähr15-16%dieserAnlagendurchGeschäftsfüh-

rervonBürgerwindparksoderProjektinitiatorenre-

alisiert und 16-20% dieser Anlagen durch Bürger-

handbetriebenwurde(BWE2015).DieskleineDif-ferenz zwischen den beiden Phasen (Realisierung

undBetrieb)wurdedurchdieTatsacheerklärt,dass

manche Projekte möglicherweise von größeren

Windkraftentwicklernrealisiertwurden,diebeauf-

tragtwordenwaren,dieseProjektespäteranBür-

gerwindakteure zu verkaufen. Wegen fehlender

Einheitlichkeit der jeweils verwendeten Bürger-

winddefinitionenkönnendieErgebnissedieserStu-

dienjedochnurmitVorsichtinterpretiertwerden.

Der hohe Anteil von Bürgerwind in Deutschland

kann anhand mehrerer Faktoren erklärt werden.

Zuallererst zeichnet sich Windenergie durch ver-

gleichsweisehoheTransaktionskostenundgeringe

Rendite aus,was kommerzielle Entwickler und In-

vestorenabschreckenkann(Yildiz2014).ImGegen-

satzdazuwerdenindividuelleInvestorendurchdie

langfristige Investitionssicherheit mit moderaten

Renditeerwartungen von 4-6% angezogen. Dieser

TrendwirdvorallemdurchdasanhaltendeNiedrig-

zinsumfeldinDeutschlandbestärkt(BrühlandWalz

InstitutionelleInvestoren39,4%

Energieversorger10,2% Einzeleigentümer4,2%

Bürgerwind(imEinklangmitWWEA

Definition)20,4%

Bürgerbeteiligungüberregional,

Minderheitsbeteiligung25,8%

Bürgerwind (weiteDefinition) 50,4%

InstallierteLeistungWindenergieanLandnachEigentümergruppeinDeutschlandin2012(gesamt30.854MW)

Abbildung3:trend:research(2013)

6

BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

2015). Das relativ hohe Einkommensniveau in

Deutschland und die Investitionssicherheit durch

garantierteEinspeisevergütung (sieheKapitel1.4.)

ermöglicht der lokalen Bevölkerung dann, das In-

vestitionsvolumen gemeinsam aufzubringen. Ne-

benwirtschaftlichenMotivenkönnenlokaleTräger-

schaftundBeteiligungeheralseinewertvolleBerei-

cherungundnichtalsTransaktionskostenverstan-

denwerden.Bürgerwindakteurekönneneineaktive

RollebeimWechsellokalerEnergiepolitikund-pla-

nung spielenund individuell zurUmwandlungdes

Energiesystemsbeitragen.Zuletztwirdauchhäufig

unterschätzt, wie wichtig Bürgerwind ist, um zur

notwendigenAkzeptanzvonWindrädernbeizutra-

gen(Valentine2015;MusallandKuik2011).Inder

Vergangenheit wurde die Akzeptanz von

Windrädern oft als ein positiver Nebeneffekt

dargestellt.VordemHintergrundeinerwachsenden

4FüreinenkurzenÜberblicküberFremd-undMezzani-nekapitalsieheYildiz2014(Englisch)oderEnergieAgen-tur.NRW2014(Deutsch).

ZahlvonWindrädern,angesichtsgrößererWindrä-

derundsinkenderAkzeptanzratenkannBürgerwind

heute eine entscheidende Voraussetzung für die

RealisierungvonWindkraftprojektensein.

In Deutschland sind die meisten Bürgerwindpro-

jektealsGmbH&Co.KGs,Energiegenossenschaften

odereineKombinationdieserbeidenGeschäftsmo-

delleorganisiert.Tabelle1gibteinenkurzenÜber-

blicküberdieVorschriften,andiesichdieseRechts-

formenzuhaltenhaben.Zusätzlichzudieseneigen-

kapital-basiertenBürgerwindprojekten,gibtesauch

Windparks,dieeineBeteiligungdurchFremd-und

Mezzaninekapitalermöglichen.Dieseserlaubtein-

zelnen Investoren, sichmit geringerem unterneh-

merischemRisikozubeteiligen,schließtsieaberda-

von aus, eine aktive Rolle in konzeptionellen Ent-

scheidungsabläufenzuspielen4.

Tabelle1:BWE(2012)

7

BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

1.3.1.ENERGIEGENOSSENSCHAFTEN

InDeutschlandhatdasGenossenschaftsmodelleine

lange Tradition. Die erste Genossenschaft nahm

1863denBetriebauf (DRGV2015). Seitherhaben

sich selbstverwaltete Genossenschaften in ver-

schiedenen Wirtschaftszweigen erfolgreich etab-

liert. Genossenschaften funktionieren normaler-

weise auf der Basis der folgenden siebenGrunds-

ätze: freiwillige und offeneMitgliedschaft; demo-

kratische Entscheidungsfindung durch dieMitglie-

der;wirtschaftlicheMitwirkungderMitglieder;Au-

tonomie und Unabhängigkeit; Ausbildung, Fortbil-

dung und Information; Kooperation mit anderen

Genossenschaften; Vorsorge für dieGemeinschaft

derGenossenschaft(Viardot2013).

DieseVoraussetzungenmachenGenossenschaften

zueinemGeschäftsmodell,dassichperfektfürBür-

gerenergieundBürgerwindprojekteeignet,daihre

MitgliederdieGelegenheithaben,sichfinanziellzu

beteiligen und eine aktive Rolle in den Entschei-

dungsabläufen zu spielen. Jedes Mitglied der Ge-

nossenschafthateineStimme,egalwievieleAnteile

der Genossenschaft es hält. Die demokratische

Grundhaltung der Genossenschaften spiegelt sich

auch inderdurchschnittlichenMindestbeteiligung

von738Eurowieder,welcheauchPersonenmitge-

ringererKapitalausstattungermöglicht,sichzube-

teiligen.EinViertelderderzeitexistierendenEner-

giegenossenschaftenarbeitetsogarmiteinerMin-

destbeteiligungvonunter100Euro.2014betrugdie

durchschnittliche finanzielle Beteiligung der Mit-

glieder von Energiegenossenschaften 3.298 Euro

(DRGV2014).

Abbildung4:DRGV(2014)

Die 973 deutschen Energiegenossenschaften kön-

nen entweder auf der Basis ihrer Ressourcen

(Sonne,WindoderBioenergie)oderihrerAktivitä-

ten (Energieproduktion, Energieverbrauch oder

Dienstleistungen) klassifiziert werden. 75% aller

Energiegenossenschaften sind imBereich Sonnen-

energieaktiv,aberderBoomderSolarenergie-Ge-

nossenschaften hat sichmit der Novellierung des

Erneuerbaren-Energie-GesetzesimJahr2012dras-

tischvermindert(sieheAbbildung4),dadamalsdie

VergütungenfürSolarenergieprojektestarkgekürzt

wurden.Zusätzlicherwartetman,dasspotenzielle

neue Solar-Genossenschaften durch die seit 2014

bestehende Ausschreibungspflicht für Freiflächen-

anlagenabgeschrecktwerden.

WährenddieletztenJahrebereitsziemlichtrostlos

für Solarenergie-Genossenschaften waren, ist

Stromerzeugung durch Windkraft eine machbare

Alternative für Energie-Genossenschaften geblie-

ben.Bürgerwind-GenossenschaftenerzeugenEner-

gie vor allem durchWindräder, aber ihr Portfolio

kannauchandereAktivitätenundRessourcenbein-

halten. 2014waren68 aller deutschenEnergiege-

nossenschaftenvorallemimBereichWindkraftak-

tiv,undeinweitererkleinerZuwachsvonWind-Ge-

nossenschaftenistfürEnde2015zuerwarten.Vor

demHintergrundderab2017bevorstehendenAus-

schreibungen dürfte die Zukunftsperspektive der

Bürgerwind-Genossenschaften jedochähnlichdüs-

terwiediederSolar-Genossenschaftensein.

1.3.2.GMBH&CO.KGS

DieMehrheitderdeutschenBürgerwindparkssind

alsGmbH&Co.KGsorganisiert.ÄhnlichwiebeiGe-

nossenschaften zielt das Geschäftsmodell der ge-

schlossenenFondsdaraufab,Eigenkapitalvoneiner

großenZahlvonInvestorenzubeschaffen.DieGe-

schäftsführungmanagtdieGmbH,währenddieört-

lichenBewohneroderandere individuelleAnleger

alsGesellschafterfinanziellbeteiligtsind.ImGegen-

satz zu Bürgerwind-Genossenschaften sind ge-

schlossene Fondsweniger für Bürgerwindprojekte

geeignet,dieausdrücklichdaraufabzielen,alleAn-

teilseigner gleichermaßen an der unternehmeri-

schenEntscheidungsfindungzubeteiligenundKon-

trolleüberdieGeschäftsführungauszuüben.Ande-

rerseitserlaubengeschlosseneFondsverschiedene

Organisationsformen. Zum Beispiel kann eine

GmbH&Co.KGgroßeWindparksrealisierenundei-

nenTeilihresPortfoliosaufeineBürgerwindgenos-

senschaftübertragen,oderetwaeinzelnenlokalen

Investoren erlauben, sich finanziell durch Fremd-

923

58

132

160

194 183

104

29

0

50

100

150

200

250

2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014

AnzahlderNeugründungenvonEnergiegenossenschaften inDeutschland

8

BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

undMezzaninekapitalzubeteiligen.UmAnlegernfi-

nanzielle Beteiligungen anbieten zu können,müs-

sengeschlosseneFonds inderRegelstrengePros-

pektierungsvorgabenerfüllen.

LeidergibteskeinestatistischenDatenüberdieAn-

zahl und Zusammensetzung der Bürgerwindparks,

diealsGmbH&Co.KGsorganisiertsind.DerDeut-

scheVerbandfürGeschlosseneFonds(VGF)bietet

empirischeStudienzugeschlossenenFonds inner-

halb des Energiesektors im Allgemeinen an. Da

dieseStatistikenaberauchnicht-erneuerbareEner-

gieprojekteenthaltenundnichtzwischenkommer-

ziellenWindparks und Bürgerwind unterscheiden,

sindsienurvonbeschränktemNutzen(Yildiz2014).

1.3.DiekommendenAusschreibungenfürWindenergieanLand

Die Einführung einer garantierten Einspeisevergü-

tungdurchdasErneuerbare-Energien-Gesetz(EEG)

im Jahr 2000war eine entscheidende Rahmenbe-

dingungfürdasAufkommenunddenErfolgderBür-

gerenergie (Toke 2009; Li et al. 2013; Yildiz et al.

2015).SeithersindalleBetreibervonerneuerbarenEnergieanlagendazuberechtigt,technologiespezifi-

scheundschrittweiseverringerteZahlungenfürdie

insStromnetzeingespeisteElektrizitätzuerhalten.

2012 führteeineNovellierungdesEEGdieMarkt-

prämie und die Flexibilitätsprämie für Anlagenbe-

treiberein,dieihrenStromdirektverkaufen5.

Aus der Perspektive des Bürgerwinds hat die kos-

tendeckendeVergütungpro kWhübereinenZeit-

raumvon20JahrenerheblichzurBerechenbarkeit

derRenditebeigetragenundreduziertedasfinanzi-

elleRisiko,dasmiteinerhohenAnfangsinvestition

verbunden ist. Zusätzlichhat dasReferenzertrags-

modellesermöglicht,dassBürgerwindprojektenan

OrtenmitmittleremWindpotenzial realisiertwer-

denkonntenunddamitzufairenWettbewerbsbe-

dingungenfürdenZubauvonWindenergieinganz

Deutschlandbeigetragen.DasdeutscheModellder

garantierten Einspeisevergütung hat sich als Er-

folgsmodell für dieMarkteinführung von Erneuer-

baren Energien erwiesen und ist mittlerweile auf

globaler Ebene 108-mal repliziert worden (REN21

2015).

5FüreinenausführlicherenhistorischenÜberblickzumErneuerbare-Energien-GesetzsieheValentine(2015)

VordemHintergrund steigenderMarktanteileder

Erneuerbaren Energien und damit verbundenen

Fragen zu deren Integration in das Energiesystem

hatdieEuropäischeKommission2014neueRichtli-

nienfürstaatlicheBeihilfenzuEnergieundUmwelt-

schutzerlassen.DieseRichtlinien fordern,dass ab

2017UnterstützungfürErneuerbare-Energien-Pro-

jektegrundsätzlichdurcheineAusschreibungzuer-

folgenhat;obwohleinsolchesVorgehennichtun-

bedingt die Einbindung kleinerer Anbieter in den

Energiemarktfördert.DieHauptmotivationmagda-

rinbestehen, einedirekteMengensteuerungüber

dasAusschreibungsvolumenzuschaffen,kleineIn-

vestorenwieBürgerwindprojektezurückzudrängen

undgünstigeundvor allemplanbareMarktbedin-

gungen für traditionelle Stromversorger zu schaf-

fen,welchederzeitwegenihrespassivenInvestiti-

onsverhaltens gegenüber den Erneuerbaren Ener-

gienwirtschaftlicheProblemehaben(WWEACom-

munity Wind Symposium 2016). Nichtsdestotrotz

hatdiedeutscheRegierungbasierendaufdendrei

folgendenZielenentschieden,daserfolgreicheMo-

dell der garantierten Einspeisevergütung fallen zu

lassenundesdurchAusschreibungenfürWindener-

gieanLandundaufSeeundFreiflächen-Photovol-

taikanlagen(>1MW)zuersetzen:

1. DieAusbaukorridorefürErneuerbareEnergiennachdemEEG2014solleneingehaltenwer-den.DurchdieAusschreibungensollderzu-künftigeAusbaueffektivgesteuertwerden.

2. DieAusschreibungensollendenWettbewerbzwischenAnlagenbetreibernfördern–umaufdieseWeisedieKostendesFördersystemsge-ringzuhalten.DasGrundprinziphierbei:Erneu-erbarerStromsollnurinderHöhevergütetwerden,diefüreinenwirtschaftlichenBetriebderAnlagenerforderlichist.

3. VongroßenFirmenbiszukleinenGenossen-schaften:DieAkteursvielfaltunterdenAnla-genbetreibernsollerhaltenbleiben.Dennge-radekleineundmittlereUnternehmenerwei-sensichhäufigalsbesondersinnovativ(BMWi2015).

9

BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

DieStellungnahmenderBürgerwindakteurebezüg-

lich der bevorstehenden Restrukturierung war

überwiegend negativ6, da erwartetwird, dass die

Ausschreibungen einen Wettbewerbsnachteil für

kleineWindentwickler darstellen. Im Vergleich zu

professionellenProjektentwicklern,dievonmehre-

renSkaleneffekten (z.B.niedrigereEinkaufspreise

für Bauteile, höhere Kredit-Ratings) und größeren

Projektportfolios profitieren können, fehlt es klei-

nerenMitbietern am Know-how für strategisches

Bietverhalten,undsiekönntendurchdasRisikoab-

geschrecktwerden,sichvoneinemerfolglosabge-

gebenenAngebotnichterholen zukönnen.Daher

wirddasZiel,denderzeithohenGradanAkteurs-

vielfalt (z. B. kleine und mittlere Unternehmen,

Energiegenossenschaften,lokaleProjektentwickler,

etc.)aufrechtzuerhalten,alsunvereinbarmitAus-

schreibungenerachtet.DasErgebnisderbeideners-

ten Photovoltaikfreiflächen-Ausschreibungen hat

diese negativen Stellungnahmen weiter verstärkt,

dakeineinzigesBürgerenergieprojekteineKonzes-

sionerhaltenkonnte.ErstinderdrittenAusschrei-

bungsrundeerhieltenBürgerenergieprojekteeinen

Zuschlag, wobei die Zahl dieser Projekte mit fünf

voninsgesamt43bezuschlagtenProjektensehrge-

ringist.

EineMöglichkeitdiegroßeAkteursvielfaltaufrecht

zuerhalten,ist,kleineAkteureoderihreProjektein

denAusschreibungengesondertzubehandelnoder

sievondenAusschreibungenauszunehmen.Diese

MöglichkeitistindenRichtlinienderEuropäischen

Kommission vorgesehen,welche es zulassen, klei-

nereAnlagenvonderBeteiligungandenAusschrei-

bungen auszunehmen. Kleine Anlagen werden in

derRichtliniealssolchedefiniert,diewenigerals6

MW an Windkraft (oder 6 Erzeugungseinheiten)

umfassen.ImJanuar2016hatdieEU-Wettbewerbs-

kommissarinaufAnfragedesBundesverbandWind-

EnergiedieseVorgabenspezifiziert: „DieLeitlinien

beziehensichaufeinedurchschnittlichgroßeErzeu-

gungseinheitvon2,5bis3MWKapazität.DieBefrei-

ung vom Erfordernis der wettbewerblichen Aus-

schreibunggilt daher fürWindkraftprojektemitei-

nerHöchstgrenzevoninsgesamt18MW(6x3MW)

aninstallierterLeistung“(Vestager2016).

6FüreineAnalyseundBewertungderAussagenvonBür-gerenergie-/BürgerwindakteurenimoffiziellenBMWiKonsultationsprozesssieheBündnisBürgerenergiee.V.(2015)

Basierendaufdiesersogenanntende-minimisRe-

gelunghabenForschungsinstituteundBürgerwind-

experten Ausnahmekriterien entworfen und diese

in den offiziellen Konsultationsprozess zum kom-

mendenAusschreibungsdesigneingebracht.Bisher

hatdasBundesministeriumfürWirtschaftundEner-

giejedochentschieden,keineAusnahmenfürBür-

gerenergieprojekteindieEckpunkteaufzunehmen:

ZentralfürdasErreichenderAusbauzieleistderEr-haltderAkteursvielfalt:DerbisherigeAusbauderer-neuerbaren Energien basiert maßgeblich auf demEngagementeinerVielzahlverschiedenerPersonen,Unternehmen und Verbände; dies umfasst auchviele Bürgerenergiegenossenschaften. Bei derUm-stellungaufAusschreibungensolldiehoheAkteurs-vielfaltgewahrtbleiben.DiesemZweckdientzumei-nen die Bagatellgrenze von 1 [...]Weitere Ausnah-menzumSchutzderAkteursvielfaltwerdennichtimEEGgeregelt.Sowirdz.B.dieAusnahmefürWind-parksmitbiszusechsAnlagenausdenUmwelt-undEnergiebeihilfeleitliniennichtübernommen,weilsiedenAnlagenmarktsegmentieren,denWettbewerbverringern und zu volkswirtschaftlich ineffizientenLösungenführenwürde.(BMWi2015)

ErstimFebruar2016,nachdemdieBefragungenzur

vorliegendenStudieschonabgeschlossenwar,ver-

öffentlichte das BMWi eine aktualisierte Fassung

derEckpunkte7,welchenunauchvereinfachteTeil-

nahmebedingungen für Bürgerwindprojekte bein-

halten. Einerseitswird beiGebotsabgabe auf eine

BImSchG-Genehmigungverzichtet(soferneinNach-

weis der Flächensicherung und ein zertifiziertes

Windgutachtenvorgelegtwird).Zumanderenmuss

dieHälftederüblichenzuhinterlegendenSicherheit

(bid bond) erst nach der BImSchG-Genehmigung

hinterlegtwerden.DiesevereinfachtenTeilnahme-

bedingungengeltennurfürProjekte,diediefolgen-

denKriterienerfüllen:

• Gesellschaften,dieausmind.zehnPrivatperso-

nenbestehenundbeidenendieMehrheitder

Stimmrechte bei Privatpersonen vor Ort (im

Landkreis)liegt.

• Kein Gesellschafter darf mehr als 10% der

Stimmrechtehaben.�

7EineausführlicheÜbersichtzudenEckpunktenderAus-schreibungenfürWindenergieanLandsowieeineErläu-terungdeseinstufigenReferenzertragsmodellsbefindetsichimAnhangderStudie.

10

BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

• Die Gesellschafter dürfen nicht mehr als ein

ProjektproJahrplanen.�

• Max. Projektgröße: 6 Anlagen mit einer Ge-

samtleistungvonmax.18MW.�

DerLEENRWkritisiertdieseRegelungalsungenü-

gend, da sich viele Kosten erst im Laufe des Pla-

nungsprozesses ergeben und somit das zunächst

abgegebeneGebotoftmalsnichthaltbarist.Gene-

rell seien die vorgeschlagenen vereinfachten Teil-

nahmebedingungen nicht ausreichend, das Aus-

schreibungsverfahrenzueinemfairenWettbewerb

zwischenBürgerenergieprojektenundgroßenAkt-

eurenumzugestalten(LEENRW2016).

1.4.EinführungindieFallstudienregionNordrhein-Westfalen NRW ist mit 17,5Millionen Einwohnern Deutsch-

lands bevölkerungsstärkstes Bundesland und, ge-

messenanderFläche,dasviertgrößte(34´083km2).

Der größte Teil des Bundeslandeswird von Land-

wirtschaftsflächen (fast52%)undWald (25%)ein-

genommen.2013hatdieNRW-Landesregierungdas

KlimaschutzgesetzmitdemambitioniertenZieler-

lassen, die gesamten Kohlenstoffemissionen bis

2020um25%undbis2050um80%imVergleichzu

1990zureduzieren(LANUV2015).DerEinsatzvonErneuerbaren Energien und insbesondere der

WindenergiewirdalseinMittelgesehen,diesesZiel

zuerreichen.DasentsprechendeZielfürWindener-

gie ist, den Anteil der von Windkraft erzeugten

Elektrizitätbis 2020vonderzeit 4% (5,9TWh)auf

15%(20,7TWh)zuerhöhen.EineWindpotenzialstu-

die aus dem Jahr 2012 kam zu dem Schluss, dass

NRWbis zu 71 TWh erzeugen kann, fallsweniger

ökologisch-bedeutsame Waldflächen (z.B. Nadel-

holzmonokulturen) für die Erzeugung von Wind-

kraftnutzbargemachtwürden.Diemeistenpoten-

ziellenWindstandorteliegenzwischen60%und90

%desReferenzertrags(LANUV2015).

Mit 3073 Windrädern, die zusammengenommen

aufeineLeistungvon4080MWkommen(StandDe-

zember2015),nimmtNRWbundesweitdenfünften

Platz in SachenWindkraftkapazität ein (LEE NRW

2015).Abbildung5zeigtdieEntwicklungdesWind-

energieausbausinNRW.NacheinerkurzenBoom-

phasevon2000-2002istdieAusbauratestarkein-

gebrochen.DienachfolgendeStagnationkannzum

Teil aufdie schwarz-gelbeKoalitionsregierungvon

2005-2010zurückgeführtwerden,welchesichklar

gegenWindenergieausgesprochenhatte.DieseEin-

stellung wurde exemplarisch durch extrem hohe

AbstandsempfehlungenunddasVerbotvonWind-

kraftanlagen in Wäldern zum Ausdruck gebracht.

DieseEinschränkungenwurdenbzw.werdenvon

Abbildung5:BWE2015

11

BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

derderzeitigenrot-grünenKoalitionsregierungwie-

derabgeschafft,welcheseit2010imAmtist.Seit-

her ist eine kontinuierliche Steigerung des Wind-

energieausbaus zu sehen, von der erwartet wird,

dass sie mindestens bis zur Einführung der Aus-

schreibungenAnfang2017andauert.

ZentraleDokumentefürWindenergieentwicklunginNRW

• Erlass für die Planung und Genehmigung von

WindenergieanlagenundHinweisefürdieZiel-

setzungundAnwendung (Windenergie-Erlass)

2015

• Leitfaden Rahmenbedingungen fürWindener-

gieanlagenaufWaldflächeninNRW(2012)

• LeitfadenUmsetzung des Arten- undHabitat-

schutzes bei der Planung und Genehmigung

vonWindenergieanlageninNRW(2013;Evalu-

ationvorgesehen)

• Klimaschutzgesetz NRW (2013) und Klima-

schutzplanNRW(2015)

• Landesentwicklungsplan NRW (Fassung aus

demJahr1995,neuerLEPderzeitimEntwurfs-

stadium)

• Teilweise bereits überarbeitete, bzw. in der

Überarbeitung befindliche Regionalpläne der

sechsRegierungsbezirke

• FlächennutzungsplänederGemeinden

NRWunterteiltsichinsechsVerwaltungsregionen:

Arnsberg,Detmold,Düsseldorf,Köln,Münsterund

den Regionalverband Ruhr (siehe Abbildung 6).

DieseVerwaltungsregionensindverantwortlichfür

die Regionalplanung, welche sich wiederum nach

den übergeordneten Zielen des NRW-Landesent-

wicklungsplans richtet. Der Entwurf des Entwick-

lungsplans,dessenVerabschiedungfür2016erwar-

tetwird,siehtvor,ungefähr1,6%(54.000ha)von

NRWfürdenWindkrafteinsatz zu reservierenund

diese je nach entsprechendem Potenzial (das von

18.000hainArnsbergbiszu1.500haimRegional-

verbandRuhrreicht)überdieVerwaltungsregionen

zuverteilen.MitBezugzurWindkraftplanungwei-

sen die regionalen Entwicklungspläne nur die po-

tenziellenFlächenaus,dienichtinKonfliktmitan-

derenLandnutzungenstehen.Letztendlichsinddie

Kommunen die wichtigsten Behörden für die Pla-

nungvonWindparks,dasiefürdieBewilligungvon

Abbildung6:www.brd.nrw.de

12

BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

VorranggebietenfürdieWindenergieentwicklungin

ihren Flächennutzungsplänen verantwortlich sind.

NurinnerhalbdieserGebietekönnenWindprojekte

AntragaufBewilligungunterdemBundes-Immissi-

onsschutzgesetz (BImSchg) stellen. Kommunen

müssendieVorranggebieteausdenjeweiligenRe-

gionalplänenübernehmen,könnendarüberhinaus

aberauchnocheigeneFlächenausweisen.

DerWindenergie-Erlass,derimNovember2015auf

den neuesten Stand gebracht wurde, enthält pla-

nungsrechtlicheEmpfehlungenundgenehmigungs-

rechtlichbindendeVorgabenbezüglichFlächenwid-

mung, Repowering und Höhenbegrenzungen für

Kommunen, Investoren,ProjektplanerundBürger.

Sein wichtigstes Ziel ist es, den Windkrafteinsatz

durch die Festlegung intern verbindlicher Richt-

wertefürnachgeordneteBehördenzuerleichtern.

Bisher ist es das einzige offizielle Dokument des

Bundeslandes NRW, welches das Bürgerwindkon-

zept ("Bürgerwindparks") einführt. Darin werden

BürgerwindparksalsWindparksdargestellt,dieeine

konzeptionelleundfinanzielleBeteiligungvonBür-

gernermöglichen.DerErlassgibtmehrereEmpfeh-

lungen,wie Bürgerwindparks eingerichtetwerden

können,siehtaberdavonab,eineerschöpfendeDe-

finitionoderStandardsvorzuschlagen.ImVerständ-

nisdesPlanungsgesetzesmüssenBürgerwindparks

genauwiejederandererWindparkbehandeltwer-

den(LANUV2015).

DerzeitexistiereninNRWungefähr100Energiege-

nossenschaftenmit insgesamt23’000Mitgliedern.

DiemeistendieserEnergiegenossenschaftenarbei-

tenmitSolarenergie,undnursechsEnergiegenos-

senschaftenkönnendemBürgerwind zugerechnet

werden.DerallgemeineRückgangbeidenNeugrün-

dungen von Energiegenossenschaften lässt sich

auchinNRWbeobachten,dadieZahlsichmehrals

halbierthat:von22in2011zu8in2014.DerKlima-

schutzplan versucht diesenRückgang aufzuhalten,

indem er 100 neu gegründete Energiegenossen-

schaften in den nächsten Jahren zum Ziel erhebt.

WährenddieAnzahl der Energiegenossenschaften

vom Regionalen Genossenschaftsverband (RWGV)

im Auge behalten wird, gibt es keine Statistiken

überdenAnteilvonBürgerwindparks,diealsGmbH

&Co.KGsorganisiertsind.

Die EnergieAgentur.NRW, die im Auftrag der Lan-

desregierung arbeitet, betreibt eine Projektdaten-

bank fürBürgerenergie inNRW.Ende2015zählte

sie39Projekte,diezurWindenergiegehörten,wo-

von22nochandereErneuerbareEnergieninihrem

Portfoliohatten(EnergieAgentur.NRW2015).Zwar

basieren diese Zahlen auf der freiwilligen Eintra-

gungderProjekteundschließenMinderheitsbetei-

ligungenundFremd-undMezzaninekapitalmitein,

siestellenaberbisherdiedetailliertesteBestands-

aufnahmevonBürgerwindprojekteninNRWdar.

In NRW sindmehrere Klimaschutz- oder Erneuer-

bare–Energien-Initiativen von einzelnen Kommu-

neninsLebengerufenworden.Vieledavonbefas-

sensichauchmitBürgerwind.DerLandkreisStein-

furt, der entschieden hat, bis 2050 zum Energie-

selbstversorgerzuwerden,kannalseinBest-Prac-

tice-Beispiel für behördliche Bürgerwindinitiativen

herangezogenwerden.SteinfurthateinWindener-

gie-ServicezentruminderAbteilungfürKlimaschutz

und Nachhaltigkeit geschaffen. Zusätzlich hat der

KreiseineReihevoninformellenBürgerwind-Leitli-

nien entwickelt, und seit ihrer Einführung im Jahr

2011hatsichjederneurealisierteWindparkimZu-

ständigkeitsbereichandiefolgendenStandardsge-

halten:

BürgerwindparkLeitlinienimKreisSteinfurt

1. AlleGruppenimUmfeldwerdenamProjektbeteiligtGrundeigentümer,Anwohner,Landwirte,Bürger,Gemeinden,kommunale�Einrichtungen

2. FaireTeilhabedernichtdirektprofitierendenFlächeneigentümer,AnwohnerundsonstigenBetroffenenEntschädigungnichtmitdemSchwerpunktaufdiedirektenWindenergiestandorte

3. SicherstellungeinerdirektenkonzeptionellenundfinanziellenBürgerbeteiligungMindestanteilvon25%desEigenkapitalsindenHändeneinzelnerBürger�(außerhalbderGruppederFlächeneigentü-merinderWindvorrangzone)

4. VermeidungvonMehrheitsbeteiligungen5. GeringeMindestbeteiligungab1.000€6. Einbeziehungderörtlichen/regionalenStadt-

werkealsVermarktungspartner7. EinbeziehungderregionalenSparkassenund

VolksbankenzurFinanzierungdesFremdkapi-talsbzw.derEinzeleinlagen(KreisSteinfurt2015).

13

BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

2.StudiendesignundmethodischesVorge-hen

IndenletztenJahrensindvieleStudienzumThema

Bürgerwinddurchgeführtworden,insbesonderein

Deutschland. Vor dem Hintergrund der bevorste-

henden Ausschreibungen und deren absehbaren

(vorallemnegativen)Effekten fürBürgerwindpro-

jektestanddasThema2014und2015aufderTa-

gesordnung von Verbänden, Forschungsinstituten

und Fachmagazinen. Leider basierten diemeisten

derErgebnissenichtodernurteilweiseaufderPer-

spektive von Bürgerwindexperten mit praktischer

Umsetzungserfahrung.DievorliegendeStudiever-

suchtdieseLückezuschließenunddarausEmpfeh-

lungen für die Politik abzuleiten, die dabei helfen

können,denAnteilvonBürgerwindparksinZukunft

zuerhaltenodersogarzueinerVergrößerungdes-

selbenbeizutragen.DiesspiegeltauchdasZieldes

BMWiwieder,diederzeitigeAkteursvielfalt inden

bevorstehendenAusschreibungenbeizubehalten.

DievorliegendeStudieverfolgteinenexplorativen

Ansatz und versucht dabei, einen erschöpfenden

Überblick auf die derzeitigen Herausforderungen

und Potenziale von Bürgerwindparks in NRW aus

SichtderExpertenzugeben.Expertenwerdendefi-

niert als Bürgerwindakteure, vor allem Geschäfts-

führer (Projektinitiatoren)undBürgerwindvermitt-

lermiteinemMinimumvonfünfJahrenErfahrung

inderProjektentwicklung,demBetriebvonBürger-

windparks oder der Vermittlung des Bürgerwind-

konzeptsdurchindividuelleoderinstitutionelleAk-

tivitäten(z.B.Verbandsarbeit,Verwaltungundöf-

fentlicher Sektor). Zusätzlich wurde auch die Per-

spektivederlokalenGesellschaftermiteinbezogen,

da ein gewisser "Durchsickereffekt" des Experten-

wissenszuerwartenist.DieseGruppederAnteils-

eignerwurdeallerdingsdurchdieOnline-Befragung

abgedeckt.

ZentraleForschungsfragen:

1. WiedefinierenBürgerwindakteuredasKonzeptBürgerwind?

2. Was sind die vorteilhaften Wirkungen desBürgerwinds?

3. WaswarenbisherdieTriebkräfteundHürdenfürBürgerwindinNRW?

4. Wie bewerten Bürgerwindakteure die

bevorstehendenAusschreibungen?

5. Was sind potenziell attraktiveGeschäftsmodellefürBürgerwind?

DieseForschungsfragenhabendieGrundlagefürei-

nenMethodenmixgelegt,dersichausExpertenin-

terviews und einer Online-Befragung zusammen-

setzt.WährenddiequalitativenExperteninterviews

einenleitfadengestützten,offenenDialogzwischen

demForscherunddenExpertenermöglichen,zielen

diegeschlossenenFragenderOnline-Befragungda-

raufab,einefacettenreichere,quantitativeAnalyse

einerbreiterenStichprobezuermöglichen.Alsers-

ter Schritt wurde eine Literaturrecherche zu den

einschlägigenPolitikentwürfenundStudienzuBür-

gerwindinDeutschlandundNRWdurchgeführt.Da-

nachwurdederersteEntwurfdes Interviewleitfa-

densunddesOnlinefragebogensausgearbeitetund

einem Pre-Test durch die Projektpartner WWEA

undLEENRWundeinemExpertenderEnergieAgen-

tur.NRW unterzogen. Insgesamtwurden zwischen

dem26.Oktoberunddem16.November2015zehn

Experteninterviews durchgeführt, von denen acht

in Anwesenheit und zwei telefonisch stattfanden.

AnderOnline-Befragungkonntezwischendem30.

Oktober und dem 30 November 2015 teilgenom-

menwerden.

DieAuswertungderqualitativenInterviewserfolgte

durch eine "Pooling"-Variante der qualitativen In-

haltsanalyse nach Mayring (2002). Basierend auf

den Forschungsfragen wurde nach Transkription

derExperteninterviewseinKodierungskatalogent-

wickelt.NacheinererstenDurchsichtderqualitati-

venDaten,wurdendievomForscherdeduktivher-

geleitetenKodierungendurchKonzepteundKodie-

rungenergänzt,diesichausdenAntwortenderBe-

fragtenabzeichneten.

Abbildung7:Mayring(2002)

14

BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

IneinemletztenSchrittwurdederdarausentstan-

deneKodierungskatalogdazubenutzt,dieKomple-

xitätderTranskriptezustrukturierenundzuredu-

zieren, um, wo möglich, einen kontextualisierten

Vergleich und eine Interpretation der Ergebnisse

vor demHintergrund der Online-Befragung zu er-

lauben.DieAuswertungderErgebnissederOnline-

BefragungbasiertaufdeskriptiverStatistik.

3.ErgebnisseundDiskussion

3.1.ZusammensetzungderBefragten

Wiezuvorangedeutet, sindkeinegenauenZahlen

über die Anzahl der Bürgerwindprojekte in NRW

verfügbar.DaherwurdedereinzigerhältlicheRicht-

wertvon39ProjektenalsGrundgesamtheitfestge-

legt.ImLaufdesProjektswurden17Geschäftsfüh-

rer von Bürgerwindparks befragt, sieben davon

durchExperteninterviewsundzehndavondurchdie

Online-Befragung. Nach streng statistischenMaß-

stäbenerlaubtdieStichprobekeineverallgemeiner-

baren Aussagen über die Grundgesamtheit. Die

Stichprobe enthält allerdings auch zwei Bürger-

windvermittler, mehrere Geschäftsführermit grö-

ßeren Portfolios sowie einen Bürgerwind-Projekt-

entwickler,derbiszu80Projekteberät.Bezüglich

der räumlichen Verteilung schließt die Stichprobe

BefragteausallenVerwaltungsregionenmitein.Vor

diesemHintergrundkanndavonausgegangenwer-

den,dassdieStudieeinestarkeempirischeBasishat

unddieErgebnisseeinenvalidenÜberblicküberdie

StandpunktederBürgerwindakteureinNRWgeben.

Zusammensetzung der Stichprobe für die Exper-teninterviews

• 1ExpertefürBürgerenergie-Geschäftsmodelle,derbeiderEnergieAgentur.NRWtätigist

• 1 Experte für Energiegenossenschaften, derbeim RWGV arbeitet (regionalerGenossenschaftsverband)

• 1 Geschäftsführer eines Bürgerwind-Projektentwicklers, der derzeit 80 Projekteberät

• 1 Geschäftsführer eines Bürgerwindprojekts,welches sich seit sechs Jahren in Entwicklungbefindet

• 1 Geschäftsführer einer Bürgerwind-Energiegenossenschaft

• 5 Geschäftsführer von Bürgerwindprojekten,diealsgeschlosseneFondsorganisiertsind

◦ 3davonmitgrößerenPortfolios,dieauchmit Energiegenossenschaftenzusammenarbeiten

Geschäftsführereines

Bürgerwindparks 10Kommanditist/An-legereines

Bürgerwindparks9

sonstigerBürgerwindakteur 3

HintergrundzurPerson

wenigerals5Jahre6

5-9Jahre3

10-15Jahre4

längerals15Jahre9

SeitwannsindSiealsBürgerwindakteuraktiv?

16

3

1

2

GmbH&Co.KG.

KooperationGenossenschaft+GmbH&Co.KG.

Genossenschaft

Andere

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18

WelcheGesellschaftsformwurdefürIhrBürgerwindprojektgewählt?

7

4

8

5

3 3

0

5

10

InwelcherPlanungsregionsindSieprimäraktiv?

Abbildung8

ZusammensetzungderStichprobeinderOnline-Befragung

15

BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

DieMehrheit der Befragten (Geschäftsführer und

Gesellschafter) kannden geschlossenen Fonds zu-

gerechnetwerden.ZweiunabhängigeBürgerwind-

Genossenschaften haben noch ein Experteninter-

view und einen Online-Fragebogen beigetragen.

SechsGeschäftsführervonProjekteningeschlosse-

nenFondshabendaraufhingewiesen,dasssiemit

einerGenossenschaftbeimBetriebdesWindparks

zusammenarbeiten.

3.2.ÜberlegungenzumBürgerwindkonzept

DerfolgendeTeilabschnittbasiertaufdenErgebnis-

sen der Experteninterviews,welche ermöglichten,

offeneÜberlegungen zumBürgerwindkonzept an-

zustellen. DieMehrheit der Interviewten betonte,

dassBürgerwindalsKonzeptnichtrechtlichfestge-

legtist,wederinDeutschlandnochinNRW.Dieser-

möglichtstattdessen,dasKonzeptsozudefinieren,

wieesdenBelangenundÜberzeugungenderjewei-

ligenBürgerwindakteureentspricht.

In diesem Zusammenhang erwähnten Geschäfts-

führervonBürgerwindparksmitkleinenPortfolios,

dassdasFehleneinergemeinsamenDefinitionund

gemeinsamer Standards von Bürgerwind, rein

"kommerziellen"WindentwicklernSpielraumlässt,

ihreProjektealsBürgerwindauszugeben,ohnesich

an die dahinter stehenden Grundsätze zu halten.

DreiBefragteerwähnten,dassKommunen,diean

derFörderungvonBürgerwindinihremZuständig-

keitsbereich interessiert sind, Schwierigkeiten da-

mithaben,zwischenBürgerwindprojektenundde-

ren Nachahmern zu unterscheiden. Im Gegensatz

dazusorgtensichInterviewtemitgrößerenPortfo-

lioswenigerüberdie schwammigeAuslegungvon

Bürgerwind.

Viele Experten erklärten das Bürgerwindkonzept,

indem sie es von kommerziell betriebenenWind-

parks großer Projektentwickler abgrenzten. Letz-

terewurdenalsProjektedargestellt,dieprimärda-

raufabzielen,großeInvestitionsvolumenfürinstitu-

tionelleAnlegerzuerzeugen,dienichtmitderEin-

satzregion inVerbindungstehen.Zusätzlichwurde

angemerkt, dass die Projektentwicklungskosten

("weicheKosten")kommerziellerWindprojektebe-

deutendhöhersind(inmanchenFällenbiszu25%

AnteilimVergleichzu5-10%beiBürgerwind),weil

größere Projektentwickler daran interessiert sind,

ProfiteeherdurchdenspäterenVerkaufnachFer-

tigstellungderProjektealsdurchdenBetriebder-

selbenzuerzielen.AlsErgebnisdavonwirderwar-

tet,dassdieWertschöpfung,diedurchdasProjekt

geschaffenwird,ausderRegionabfließt.

DiefolgendeListefasstdieimmerwiedererwähn-

ten Eigenschaften zusammen, die Bürgerwindpro-

jekten durch die Interviewten zugeschriebenwur-

den.DieZahlinKlammernbeziehtsichaufdieAn-

zahlderExperten,diedieseEigenschaftenerwähn-

ten.

Ofterwähnt(5-10-mal)

• Durch lokale Bürger entwickelte,motivierteundfinanzierteProjekte(9)

○ Ausnahme 1: Projekte die vor Ortinitiiert, aber durch nicht-regionaleProjektentwickler unter derBedingung realisiert wurden, dassprimärlokaleAnlegereineChanceaufBeteiligunghabensollen(5)

○ Ausnahme 2: Im Falle, dass dasEigenkapital nicht von lokalenAnlegern beschafft werden kann,sollte das Projekt für eine weitereBeteiligung überregionaler, einzelnerAnlegergeöffnetwerden(8)

• Stückelungsstrukturen (Verteilung derAnteilsscheine), die eine breit angelegtefinanzielle Beteiligung lokaler Anlegerermöglichen(9)

• Bedeutender Beitrag zur lokalenWertschöpfung(9)

• BürgerenergieschließtgrößereWindparksnichtaus(8)

• Finanzierung des Fremdkapitals durchlokaleBanken(5)

• Optionale lokale Stiftungen für dieVerteilungvonProjekteinkünften(5)

• Hoher Anteil anehrenamtlichen/freiwilligen Aktivitäten inPlanungundBetriebdesBürgerwinds(5)

16

BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

Wenigerofterwähnt(2-4-mal)

• WindparksimBesitzeinerkleinenZahlvonlokalenLandwirtenundLandbesitzernsindkeineBürgerwindparks(4)

• Anteilder"weichenKosten"istnichthöherals5%(2)oder10%(1)

• Transparenz aller Aktivitäten,insbesonderederfinanziellenAspekte(3)

• RechtlicherTrägerdesBürgerwindprojektsamgleichenOrtwiedieWindräder(3)

• Projektentwicklung und -betrieb in derHandderselbenPersonengruppe(2)

VonallenerwähntenEigenschaftenstimmtnureine

nicht mit der Bürgerwind-Definition der WWEA

überein.Windparks,dievoneinerkleinenZahlvon

Landwirten und Landbesitzern betrieben werden,

wurdenvonvierExpertenvomBürgerwindkonzept

ausgeschlossen,weildieseProjektedenentstehen-

denNutzenaufwenigelokaleAnlegerverteilt.Eine

strikte Anwendung der WWEA-Standards würde

auch diese spezielle Projektform dem Bürgerwind

zurechnen.

DieBeteiligungderKommunenanBürgerwindpro-

jektenisteineeherumstritteneAngelegenheit.Ei-

nigederInterviewtenschlossendieBeteiligungvon

Kommunen (z. B. Planung und/oder Betrieb, An-

teilseigner) mit in ihre Bürgerwind-Definition mit

derBegründungein,dassGemeindenimAllgemei-

nen einen "bürgerorientierten" Ansatz verfolgten.

AndereschlossenWindprojekte,diesichprimärim

Eigentum und Betrieb von Stadtwerken befinden,

ausdemBürgerwindkonzeptaus,dadiesedemda-

hinterstehenden Prinzip des Bürgers entgegenste-

hen.

EbensowenigÜbereinkunftgabesinderFrage,wie

derentscheidendeBegriff "lokal"operationalisiert

werdensollte.DieMehrheitderExpertenhatdavon

Abstandgenommen,strikteräumlicheGrenzenfür

Bürgerwindprojektefestzulegen,undwiesaufkon-

zeptionelleFlexibilitätfürFällehin,indenenEigen-

kapital nicht auf lokaler Ebene beschafft werden

kann. Der Geschäftsführer eines Bürgerwindparks

hatProjektanteileerst lokalenBewohnernderbe-

herbergenden Kommune angeboten und später

seine Zielgruppe auf Bewohner des beherbergen-

den Landkreises ausgeweitet. Ein anderer Inter-

viewpartner schlug ein Örtlichkeitskriterium vor,

welchesverlangt,dasswenigstens75%derGesell-

schafterausderGegendmitderselbenPostleitzahl

stammensollen,woauchdieWindränderstehen.

DiebeidenBefragtenausdemGenossenschaftsum-

feldwurden zu denAlleinstellungsmerkmalen des

genossenschaftlichenBürgerwindeinsatzesbefragt.

Beide wiesen darauf hin, dass Genossenschaften

nicht nur Anlagevehikel seien, sondern inkludie-

rendeGeschäftsmodelle,welchediekonzeptionelle

BeteiligungallerGenossenschaftsmitgliederermög-

lichten. Außerdem wurden Genossenschaften als

einfache und verständlicheGeschäftsmodelle dar-

gestellt,dieauchLaienerlaubten,zurnachhaltigen

Entwicklungbeizutragen.

3.2.NutzeneffektederBürgerwindkraft

ImJahr2015wurdeeineStudieüberdieNutzenef-

fektederBürgerenergie inDeutschlandveröffent-

licht.DieseStudiekamzudemSchluss,dassBürge-

renergieprojekte zehn positive sozioökonomische

Wirkungenhaben, vondenen fünf als soziale und

6

4

4

3

10

11

11

12

9

6

11

7

6

10

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

IntegrationvonBürgerninnachhaltigeWirtschaftsprozesse

Akzeptanz vonerneuerbarenEnergieerzeugnungsanlagen

ErhöhungdesgesellschatlichenEngagementsimEnergiesektor

MitbestimmungundTransparenz

Identitätsbildung(ProjektundOrt)

WiebewertenSiedenEinfluss,denBürgerwindparksaufdiefolgendengesellschaftlichenNutzeneffektehabenkönnen?

keinEinfluss gemäßigter Einfluss großerEinfluss sehrgroßerEinflussAbbildung9

17

BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

fünfalswirtschaftlicheWirkungendargestelltwer-

denkönnen(IZES2015).EineListedieserzehnNut-zeneffektewurdedemOnline-Fragebogenmitdem

Zielbeigefügt,dieWirkungenausderSichtweiseder

Bürgerwindakteure inNRWzumessenund zube-

werten.DieinterviewtenExpertenwurdennichtdi-

rektaufgefordert,dieWirkungenzubewerten,alle

WirkungenwurdenjedochvondenBefragtenselbst

angesprochen, außer dem Nutzeneffekt, welcher

Bürgerwind die Schaffung und den Erhalt von Ar-

beitsplätzenzurechnet.

DieerstenfünfFaktorenwerdenalssozialeWirkun-

gen dargestellt.Wie Abbildung 9 zeigt, wird dem

Bürgerwindmodell ein großer Einfluss auf die In-

tegration von Bürgern in nachhaltigeWirtschafts-

prozesse (73%), Akzeptanz (100%), gesellschaftli-

ches Engagement im Energiesektor (82%), Mitbe-

stimmung und Transparenz (81%) und regionale

Identitätsbildung (86%) zugesprochen. Keine der

dargestelltensozialenWirkungenwurdemitderKa-

tegorie"keinEinfluss"bewertet.

Die gesellschaftlicheAkzeptanzwirkungwurde aus

SichtweisedesBürgerwindsüberallezehnWirkun-

gen hinweg am stärksten eingeschätzt. Dieser

Standpunkt wurde auch von allen Interviewpart-

nern erwähnt. Die positive Wirkung des Bürger-

winds auf lokale Akzeptanzwird auch durch viele

empirischeStudienbelegt.Einedavon,2011durch-

geführt in Südost-Deutschland, hat herausgefun-

den,dass62%derjenigen,dieinderNäheeinesBür-

gerwindparks leben,einepositivebissehrpositive

Meinungundnur1%einenegativeodersehrnega-

tiveMeinunghatten.ImGegensatzdazuhattenPer-

sonen,dieinderNäheeineskommerziellenWind-

parkslebten,eineneutraleMeinung(47%),wohin-

gegen26%positivodersehrpositivund27%negativ

oder sehr negativ eingestellt waren (Musall und

Kuik2011).

NichtsdestotrotzbetonteneinigeInterviewpartner,

dassderEinsatzdesBürgerwindmodellskeinehin-

reichendeBedingungfürdasAusbleibenlokalenWi-

derstandsgegenWindparksist.Gegenbewegungen

wie Bürgerinitiativen formieren sich auch gegen

Bürgerwindprojekte. Die Interviewpartner schätz-

tendieStärkedesWiderstandsgegenBürgerwind-

projektegeringereinalsbeikommerziellenProjek-

ten,dienichtlokaleingebettetsind.

Vonden fünfwirtschaftlichenNutzeneffekten,die

derBürgerenergie zugeschriebenwerden,wurden

nurvieraufeinensignifikantenEinflussdesBürger-

winds zurückgeführt. 86 % der Befragten sagten,

dassBürgerwindeinenstarkenEinflussaufdieRea-

lisierung von Projekten hat, die zuvor gescheitert

sind oder nicht von anderenMarktteilnehmern in

Betracht gezogen werden. Dieses Ergebnis kann

auchdurchdie Erfahrungeines Interviewten illus-

triertwerden,dereinProjektdurchgeführthat,wel-

ches zuerst in der Hand eines großen Projektent-

wicklerswar, aberdannamFehlen lokalerAkzep-

tanz scheiterte. Außerdem wurde erwähnt, dass

ProjektemitgeringerRenditeerwartung,z.B.3-4%,

einegeringereRealisierungschancedurch instituti-

onelleAkteurehaben,aberfürBürgerwindakteure

immernocheineattraktiveOptiondarstellen.

DieamzweithöchstenvonalleneingeschätzteWir-

kungwurdederRolledesBürgerwinds fürdieAk-

teursvielfalt zugeschrieben (95%). Im Gegensatz

dazuerhieltenAufbauundProfessionalisierungei-

nesneuenWirtschaftszweigsdaszweitschwächste

1

1

3

1

9

2

12

11

12

6

7

5

8

9

5

13

4

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

RealisierungbestimmterAnlagennurdurchBürgerenergie

ErhöhungderAkteursvielfalt

AufbauundProfessionalisierungeinesneuen"Wirtschaftszweigs"

RegionaleWertschöpfung

SchaffungundErhaltvonArbeitsplätzen

WiebewertenSiedenEinfluss,denBürgerwindparksaufdiefolgendenökonomischenNutzeneffektehabenkönnen?

keinEinfluss gemäßigterEinfluss großerEinfluss sehrgroßerEinflussAbbildung10

18

BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

Rating; nur 52% der Befragten schrieben Bürger-

windeinengroßenEinflussaufdieseKategoriezu.

DieskanndurchdengegenwärtighohenProfessio-

nalisierungsgrad und den hohen Anteil desWind-

energieeinsatzes im Allgemeinen erklärt werden.

Viele Experten wiesen auf die Tatsache hin, dass

BürgerwindeinstmalsderGeburtshelferdesWind-

krafteinsatzes war und die Technologie auf den

Markt gebracht hat. In dieser Hinsichtmögen die

positivenWirkungen über die Zeit hinweg schwä-

chergewordensein.

Mit93%wurdedieWirkungaufdieGenerierunglo-

kalerWertschöpfungalsdrittstärksteEinflussgröße

des Bürgerwinds eingeschätzt. Diese Momentauf-

nahmewurdeauchvon9der10Expertengeteilt.

EinerderExpertenzitierteeineStudie,diebesagte,

dassein2MW-WindradübereinenZeitraumvon20

JahreneineWertschöpfungvon2,8Millionengene-

rierenkannunddass,wenndasBürgerwindmodell

angewendet würde, diemeisteWertschöpfung in

derRegionverbleibt(Mühlenhoff2010).Einande-

rer Experte sagte, dass Bürgerwind als ein Mittel

undWertschöpfungalseinZweckgesehenwerden

können.

Im Gegensatz dazu wird Bürgerwind nicht als ein

großerEinflussfaktorfürdieSchaffungunddenEr-

haltvonArbeitsplätzengesehen.60%derBefragten

schriebenBürgerwindnureinenmittlerenEinfluss

aufdieseWirkungzu.

3.3. Hürden und Triebkräfte des Bürger-windsinNRW

IndiesemUnterkapitelliegtderFokusaufdenHür-

den und Triebkräften des Bürgerwinds. Abbildung

11gibteinenÜberblickaufdieErgebnissederOn-

linebefragung bezüglich der übergeordneten Rah-

menbedingungen für den Windenergieeinsatz in

Deutschland.DieErgebnissezeigen,dassdiegaran-

tierte Einspeisevergütung als die allerwichtigste

RahmenbedingungfürdieEntwicklungdesBürger-

windsgesehenwird.DieGesamtstichprobederStu-

die(22Online-Befragungenund10Experten)waren

sichüberderenpositivenEffektfürBürgerwindpro-

jekteeinig.

NachMeinungderExperten,hatdieEinspeisever-

gütungInvestitionssicherheitüberdiegesamtePro-

jektdauer von 20 Jahren hinweg hergestellt. Aus

dem Blickwinkel der Bürgerwind-Geschäftsführer

betrachtetemanProjektealsintrockenenTüchern,

sobaldsieordentlichgeplantundallenotwendigen

Genehmigungenerhaltenhatten.Zudemwurdege-

sagt, dass die garantierte Einspeisevergütung ein

starkesSignalanBankenausgesendethat,diesich

bereiterklärten,dasFremdkapitalvonBürgerwind-

projektenzufinanzieren.ZusammenmitdemRefe-

renzertragsmodell,welchesnurvon40%derFrage-

bogenteilnehmeralspositiveingeschätztwird,war

dasBürgerwindkonzeptinderLage,voneinerklei-

nenZahlvisionärerProjekteinGegendenmitsehr

1

1

2

9

12

16

16

12

22

9

5

4

1

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

GarantierteEinspeisevergütung

Referenzertragsmodell

FallendeKostenWindtechnologie

EinführungDirektvermarktung

Prospektpflicht

WelchederfolgendenRahmenbedingungenwarenfürdieRealisierungIhresBürgerwindprojektesentscheidend?

negativ neutral positivAbbildung11

19

BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

hoherWindgeschwindigkeit zueinemweitverbrei-

tetenModellmit dezentralisierter, lokaler Träger-

schaftzuexpandieren.

DerübergeordneteRahmendesErneuerbare-Ener-

gien-Gesetzes,welchesdiebeidenobenerwähnten

Regelungen enthält, hat allerdings seit seinemEr-

lassimJahr2000häufigeNovellierungenerfahren.

In den Experteninterviews erwähnten Projektent-

wickler,dasssieimmeraufrechtlicheÄnderungen

während der Durchführung der Projekte gefasst

seinmussten.DienegativenKommentareüberdas

ReferenzertragsmodellbezogensichaufdieTatsa-

che,dassdiederzeitigeVersiondesEEG70%-oder

60%-Standorte, die in ganz NRW ziemlich häufig

sind,nichtmiteinschließt.DenfallendenKostenfür

WindtechnologieundderrechtlichenVerpflichtung

aufDirektvermarktungwurdenwederinderOnline-

StichprobenochvondenExperten signifikanteEf-

fektezugeschrieben.

EineHürdefürBürgerwind,zumindestausSichtder

Bürgerwindakteure, die mit geschlossenen Fonds

arbeiten,warendie2009eingeführtenProspektie-

rungsvorgaben. 40% der Online-Befragten schätz-

tendieProspektierungsvorgabenalseinenhinderli-

chenundkostentreibendenFaktor fürBürgerwind

ein.DreiExpertenundProjektleiterstelltendenge-

nerellenNutzenvonProspekteninFrage,dadiese

nur an der Einhaltung formaler Regeln und eher

nicht nach ihrem Inhalt bewertetwürden. Außer-

demwidersprechendieAusnahmevonProspektie-

rungsvorgabenfürWindparks,diealsgeschlossene

Fondsorganisiertsindundvonwenigerals20An-

teilseignerngehaltenwerden,demBürgerwindmo-

dell.

AusbauzielefürErneuerbarenEnergienaufBundes-

und Landesebenewerdennichtalsentscheidende

FaktorenfürBürgerwindparksangesehen.Mit41%

waren die Bewertungen der Ausbauziele NRWs

leichthöheralsdiejenigenfürdieAusbauzieledes

1

1

4

9

15

18

15

12

7

3

3

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

NRWWindenergieerlass2011

KommunaleKlimaschutz- oderErneuerbareInitiativen

NRWLeitfadenWald

NRWLeitfadenArten-undHabitatschutz

WelchederfolgendenRahmenbedingungenaufNRW-LandesebenewarenfürdieRealisierungIhresBürgerwindprojektesentscheidend?

negativ neutral positiv

1

13

13

9

8

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

AusbauzieleErneuerbareEnergienNRW

AusbauzieleErneuerbareEnergienBund

WiebewertenSiedenEinflussderAusbauzielefürErneuerbareEnergieninNRWundaufBundesebene aufIhreAktivitätenimBereichdesBürgerwinds?

negativ neutral positiv

Abbildung12

Abbildung13

20

BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

Bundes. Nach Meinung der Experten ist das Ziel

NRWs,dassWindenergie15%desEnergiemixes in

2020ausmachensoll,einwichtigespolitischesSig-

nal,nichtmehrundnichtweniger.DieAusbauziele

würdenalsnützlichererachtet,wennsieinnerhalb

deszuverabschiedendenLandesentwicklungsplans

formalisiertwürden.VordemHintergrunddesder-

zeitigenAusbautempos derWindenergiewird das

ErreichendesAusbauzielsvon15%bis2020alseher

unrealistischbetrachtet.

SiehtmansichdieBewertungdernormativenund

planungsbezogenenRahmenbedingungfürBürger-

windinNRWan(Abbildung13),sokannmansehen,

dass diemeisten Items neutral bewertet werden.

NurderNRW-Windenergieerlass in seinerVersionausdemJahr2011

8wurdeklaralseinepositiveRah-

menbedingungangesehen (57%).DieExpertener-

klärten den Windenergieerlass als eine Richtlinie,

die nachgeordneten Behörden dabei hilft, zu Ent-

scheidungen für oder gegen denWindenergieein-

satz zu kommen. Die "mündliche Verpflichtung"

zumBürgerenergiekonzeptisteinerdererstenPa-

ragraphendes Erlasses undwirdwohlwollendbe-

trachtet,abereswirdnichtgesagt,dasserirgendei-

nenEinflussaufdieBasisarbeitvonProjektinitiato-

rengehabthat.KeinebesonderenUnterstützungs-

programmewurdeneingesetzt,sodasssichProjek-

tinitiatoren allein gelassen und nur dann wertge-

schätztfühlten,wennsieesschaffeneinProjektzu

realisieren.AuchvonderbevorstehendenNovellie-

rungdesErlasseswurdenichterwartet,dasssieum-

wälzendeVeränderungenmitsichbringen,sondern

eher,dasssieeinigeDetailsundGerichtsentscheide

hinzufügenwürde.

NebendemWindenergieerlassexistiereneinNRW-

LeitfadenWaldundeinNRW-LeitfadenArten-und

Habitatschutz. Ähnlich wie der Windenergieerlass

dienen diese Richtlinien Kommunen, Projektent-

wicklern und Genehmigungsbehörden als Bezugs-

punkt,diesichmitdemWindenergieeinsatzimAll-

gemeinenbefassen.WährendsichdiebeidenRicht-

linienamEndederRanglistebefinden,danur13%

sie als positiv fürBürgerwindeinschätzen,und im

FalldesLeitfadensArtenundHabitatschutzdiene-

gative Einschätzung mit 17% sogar noch stärker

8TheWindEnergyDecreeinits2015versionwasnotyetenacted/publishedbythetimeofthesurvey/inter-views.

war,weichtdieMeinungderinterviewtenExperten

vondiesenErgebnissenab.

Einige Experten betonten, dass die Auswirkungen

dieserbeidenPapieresowiederWindenergieerlass

nur im Verhältnis zur gesamten Windenergieent-

wicklung gemessen werden können. Denn keines

dieser Dokumente bietet spezifische Anreize für

Bürgerwindprojekte.AusSichtderEntwickleristder

LeitfadenWaldimGrundenützlich,abervieleKom-

munenbehandelnWälderimmernochalsTabu-Zo-

nenfürdenWindenergieeinsatz.MitBlickaufden

SchutzvonArtenundLebensräumenerwähntendie

Experten,dassdieAuflagenunddiedarausabgelei-

tetenUntersuchungenundBewilligungenmitsehr

hohenKostenverbundenensindunddeshalbdiefi-

nanzielle Belastung der Bürgerwindprojekte erhö-

hen. Deshalb halten viele Experten eine Vereinfa-

chungvonGenehmigungsverfahrenfürwichtig.

Klimaschutz- oder Erneuerbare–Energien-Initiati-

venvoneinzelnenKommunenwurdenvon35%der

Stichprobe als günstige Rahmenbedingungen be-

wertet. Experten gaben an, dass windenergie-

freundliche Gemeinderäte und Bürgermeister zu-

nehmendanderlokalenAkzeptanzderWindener-

gieinteressiertsind,wasBürgerwindaufihreTages-

ordnung setzt. Dabei muss man berücksichtigen,

dasssienichtdazubefugtsind,Bürgerwindrecht-

lich zu erzwingen. Nichtsdestotrotz kann ihre Ein-

stellungeinentscheidenderFaktorzuGunstendes

Bürgerwindssein(sieheauchdasBeispieldesLand-

kreisesSteinfurtinKapitel1.4.).IneinemFallwurde

eine kommunale Klimaschutz-Initiative als Haupt-

triebkraft hinter dem Erfolg eines Bürgerwindpro-

jekts gesehen,welches zuvor gescheitertwar.Die

BeteiligungvonLokalpolitikernundKommunenan

BürgerwindprojektenwurdeauchalswichtigerFak-

torfürdieVerbesserunglokalerAkzeptanzerachtet.

ZusätzlichglaubenExperten,dassZielezuErneuer-

barenEnergienaufkommunalerEbenedenSinnfür

dieDringlichkeitdesZubausErneuerbarerEnergien

verstärken und als Triebkraft für Bürgerwind die-

nen.

21

BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

Abbildung14

Abbildung14zeigt,wiedieTeilnehmerderOnline-

BefragungdieNetzwerkstrukturenfürBürgerwind-

akteure in NRW einschätzen. DieMehrheit (45%)

bewertet die Netzwerkstrukturen als neutral, ge-

folgtvon40%derBefragten,welchedieexistieren-

denStrukturen„gut“bewertet.DreiBefragtewaren

mitdenexistierendenGelegenheitenzumNetzwer-

ken unzufrieden und die Antwortkategorie "sehr

gut"wurdeüberhauptnichtgewählt.AlsdieExper-

ten zu den existierenden Netzwerkstrukturen be-

fragtwurden,antwortetensiemitVerweisauf re-

gelmäßige Zusammenkünfte und internetbasierte

InformationsplattformenderEnergieagenturNRW.

Zusätzlich wurde auch der Regionalverband des

DeutschenWindenergieverbandes (BWENRW)er-

wähnt. Bisher ist keine der existierenden Netz-

werkstrukturenspeziellaufBürgerwindakteureaus-

gerichtet. Der befragte Experte der Energieagen-

tur.NRW,welcheraucheinekostenloseEinstiegsbe-

ratungfürBürgerwindakteureanbietet,sagte,dass

einBürgerenergie-NetzwerkAnfang2016gestartet

werdensoll.DieAuftaktveranstaltungfandEndeJa-

nuar2016inWittenstatt.Außerdembietetderre-

gionaleGenossenschaftsverband(RWGV)regelmä-

ßigeWeiterbildungssitzungenundTreffenfürseine

Mitgliederan.

DieübrigenErgebnissediesesUnterkapitelszuden

TriebkräftenundHürdenfürBürgerwindinNRWba-

sieren allein auf den Antworten der interviewten

Experten.WährenddieRückendeckungderLandes-

regierung (zumindest für den Windenergieeinsatz

imAllgemeinen)alseineTriebkrafthervorgehoben

werdenkann,könnenalleanderenerwähntenRah-

menbedingungen als Hindernisse für Bürgerwind

kategorisiertwerden.

PolitischeVerpflichtungderLandesregierung

Diewindenergie-freundlicheLandesregierungwird

als wichtige Triebkraft für den Ausbau derWind-

energie gesehen. Einige Geschäftsführer von Bür-

gerwindparks merkten jedoch an, dass politische

EntscheidungsfindungzuGunstenderWindenergie

nicht schnell genug verläuft. Insbesondere der

"Durchsickereffekt"vonLandesvorschriftenbishin-

unter zur kommunalen Verwaltung wird als sehr

langsamwahrgenommen.DasZielderLandesregie-

rung die Neugründung von 100 Energiegenossen-

schaftenzufördern,wurdevondenbeidenExper-

tenausdemUmfeldderEnergie-Genossenschaften

positivbewertet.Siezweifeltenjedochdaran,dass

dieses Ziel in naher Zukunft erreichtwird und sie

hattenbishernichtsvonderEinrichtungvonFörder-

programmen für Energiegenossenschaften be-

merkt.

Wettbewerb mit kommerziellen Projektentwick-lern

DieMehrheitderExpertenhaben ihreSorgeüber

die hohenPachtniveaus (bis zu 12%des Jahreser-

trags) zumAusdruck gebracht, die den Landbesit-

zern von kommerziellen Windprojektentwicklern

versprochen werden. Bürgerwindprojekte bieten

normalerweise niedrigere Pachtniveaus in Höhe

von5%anundkönnendahernichtmitdengröße-

renMarktteilnehmernmithalten,sofernLandbesit-

zernurdurchhöherenProfitmotiviertsind.

MitBlickaufdieGesamtkostenvonBürgerwindpro-

jekten,haltenGeschäftsführervonkleinenBürger-

windprojekten diesemit Bezug auf die Kosten als

schlankerinderEntwicklungsphase,daeinigeihrer

AktivitätenauffreiwilligerBasisdurchgeführtwer-

denunddieProjektesogestaltetsind,einenProfit

inderBetriebsphaseabzuwerfen.Zusätzlicherwar-

tet man von Bürgerwind Kostensenkungen durch

TransparenzundMitbestimmung,dadiesedenlo-

kalen Widerstand gegen das Projekt vermindern.

Nichtsdestotrotznimmtmanan,dassdieAktivitä-

tenvonBürgerwindakteurenhöhereTransaktions-

kostenhaben,wennesdarumgeht,potenzielleAn-

legerzugewinnen,Fremdkapitalzubeschaffenoder

PreisevonBauteilenauszuhandeln.

21

109

00

2

4

6

8

10

12

sehrschlecht schlecht neutral gut sehrgut

WiebewertenSiedieNetzwerkstrukturenfürBürgerwindakteureinNRW?

22

BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

KomplexitätvonPlanungundProfessionalisierung

EinedergrößtenHürdenfürdenBürgerwindeinsatz

wird der steigenden Komplexität der Planungsab-

läufezugeschrieben,dievondenBürgerwindakteu-

renverlangt,ihreUnternehmungenzuprofessiona-

lisieren. Diesbezüglich betonten Projektentwickler

mitkleinerenPortfolios,dasssiestarkvonWissen

und Fachkenntnissen abhängen, was dazu führt,

dassdieunabhängigeProjektentwicklungeinenho-

henRessourcenaufwandbetreibenmuss.EineMög-

lichkeit,umanWissenzukommen,wurdeinguten

Netzwerkstrukturen und den persönlichen Bezie-

hungen zwischen Geschäftsführern von Bürger-

windprojektenundBürgerwindvermittlernund-ex-

pertengesehen,diebereitserfolgreichwaren.Ob-

wohldieunabhängigeEntwicklungvonBürgerwind-

projekten von der Basis aus in der Vergangenheit

möglichwar,denkenvieleExpertennun,dassohne

professionelleHilfeundAufsichtsowieverlässlicher

undausdauernderPersönlichkeiten,diedasProjekt

durch die Entwicklungsphase bringen, Bürgerwind

in seiner klassischen Form in Zukunft nicht mehr

möglichseinwird.

Ein anderer mit der Professionalisierung zusam-

menhängender Aspekt ist die geringe politische

Vertretung und Einflussnahme von Bürgerwindak-

teuren. Nach Ansicht eines Experten sind der

schwerdefinierbareCharakterdesBürgerwindsund

das Fehlen finanziellerRessourcen sowieder Zeit-

mangelfürzusätzlichefreiwilligeAktivitätenfürdie-

sesProblemverantwortlich.InsbesondereaufBun-

desebene wird die fehlende Fürsprache als ein

Problembetrachtet,daBürgerwindakteureerwar-

tungsgemäß gegen größere,mitmehrRessourcen

ausgestattet Windmarktteilnehmer im Nachteil

sind.

KonfliktemitWindenergiegegnernundArten-undNaturschutzverbänden

ImAllgemeinengehtmandavonaus,dassBürger-

windprojekte erheblich zur lokalenAkzeptanz von

WindrädernbeitragenundgeringerenWiderstand

durch Bürgerinitiativen hervorrufen. Aber Bürger-

windistkeinPatentrezeptgegenjeglicheFormvon

Konflikt.Wenn jedocheinKonflikt inderEntwick-

lungsphaseentsteht,haltenExpertenBürgerwind-

projekte für vorteilhafter als Projekte auswärtiger

Entwickler, da Geschäftsführer von Bürgerwind-

parksoderProjektinitiatoreninderRegelgutauflo-

kalerEbenevernetztundansprechbarsind.Außer-

dem erwähnten Geschäftsführer von Bürgerwind-

parks,dasssiediefolgendenStrategieneinsetzten,

umKonflikteschonimVorfeldzuvermeiden:Trans-

parenzdurchInformationundKonsultation,direkte

finanzielleBeiträgedurchBeteiligungundFlächen-

pachtmodelle, die benachbarte Grundstücke mit

einbinden,undindirektefinanzielleBeiträgedurch

lokale Stiftungen zum Erhalt ländlicher Infrastruk-

tur.AuchbetrachtetmandieMedienalswichtigen

Akteur,wennesumdieMinderunglokalerKonflikte

durch ausgewogene und sachgerechte Berichter-

stattunggeht.

AlsbesonderskonfliktträchtigwerdendieAktivitä-

teneinigerNaturschutzverbändegesehen.VieleEx-

pertenwiesenaufdengrundsätzlichenWiderstand

vonTeilendieserInteressengruppehin,wennesum

Windprojektentwicklunggeht,egal,obdieProjekte

alsBürgerwindoderkommerzielleWindparksreali-

siert werden. Das Beispiel des Windparks in der

Kommune Hilbeck wurde von allen Experten er-

wähnt. IndiesemFallwurdeeinbereits inAuftrag

gegebenes Windprojekt vor Gericht verklagt und

musstedenBetriebeinstellen,weil einebedrohte

TierartinseinerNäheausgemachtwordenwarund

obwohldieProjektentwickler sichandieAuflagen

der Kommune gehalten hatten. Man geht davon

aus,dassdieserspezielleFalleinestarkeSignalwir-

kung für Bürgerwindakteure hat, die sich von der

Gerichtsentscheidungmöglicherweiseabschrecken

lassen,da siebefürchten, etwasÄhnliches könnte

auchihremProjektpassieren.

GesellschaftlicherRückhaltderEnergiewende

EinandererofterwähnterFaktor,demeinehinder-

licheWirkungaufdenEinsatzvonBürgerwindzuge-

schriebenwird, istdiegenerelleAbnahmedesge-

sellschaftlichenRückhaltsfürBürgerwind,Erneuer-

bareEnergienunddieEnergiewende imAllgemei-

nen.WährenddiepolitischeUnterstützungundder

gesellschaftlicheRückhaltfürBürgerwindnachdem

UnfallinFukushimaimJahr2011sehrgroßwaren,

geht derzeit das öffentliche Interesse wieder zu-

rück. "Jeweiter Fukushima zurückliegt, umso grö-

ßerwirddie Kritik anWindenergie", sagte ein Ex-

perte.EinandererExpertemerktean,dassdieAk-

zeptanz zurückgeht und "Nicht-hier-bei-mir"-Ein-

23

BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

stellungen zunehmen; unterstützt vonMedienbe-

richtenübererneuerbareEnergien,diesichnurauf

diesteigendenStrompreisekonzentrieren.Dreider

interviewtenFachleuteäußertenhingegendieVer-

mutung, dass die Vertragsstaatenkonferenz (COP

21) des Rahmenabkommens der Vereinten Natio-

nenüberKlimaänderungeninParis(diedamalsim-

mernochbevorstand)dasPotenzialhat,dieerneu-

erbarenEnergienundBürgerwindzurückaufdieTa-

gesordnung zu setzen. Ein Experte war der Mei-

nung,dassinternationaleVerpflichtungenzurege-

nerativenEnergieneinenstarkenEinflussaufloka-

lesVerhaltenausübenkönnen,weildieLeutesich

darüberinformieren,wasinanderenLändernpas-

siert und nur widerwillig ihre Einstellung ändern,

wennessonstauchniemandtut.

3.4. Bürgerwind im Ausschreibungssystem–MeinungenundErwartungen

Das folgende Unterkapitel behandelt dieMeinun-

genund Erwartungen vonBürgerwindakteuren zu

dengeplantenAusschreibungsmodellen.VorderIn-

terviewphaseundderOnline-Befragunghatte das

BMWinureineersteVersiondesEckpunktepapiers

überAusschreibungenfürWindenergieanLandver-

öffentlicht.DieseersteVersiondesPapiersbeinhal-

tetenochnichtdenAusschlusseinerde-minimisRe-

gelung, das einstufige Referenzertragsmodell

(beideDezember2016)oderdievereinfachtenTeil-

nahmebedingungen für Bürgerwindprojekte (Feb-

ruar2016),eswurdenlediglichBeratungs-undIn-

formationsleistungen für Bürgerenergieprojekte

angekündigt.

Abbildung15

Die Ergebnisse derOnline-Befragung zeichnen ein

klaresBild(sieheAbbildung15).AlleBefragtenbe-

wertetendiebevorstehendenAusschreibungenals

negativ. 68% der Befragten erwarten sogar "sehr

negative" Auswirkungen auf die Aktivitäten von

Bürgerwindakteuren. Dieser düstere Ausblick

wurdeauchvondenmeistenderbefragtenExper-

ten geteilt. Insbesondere erwartet man einen er-

heblichenRückgangdesAnteilsunabhängigerBür-

gerwindprojekteanderBasisundExpertenbezeug-

ten, dass kleinere Marktteilnehmer sich bereits

schon aus der Projektentwicklung zurückziehen.

15

7

0 0 00

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6

8

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14

16

sehrnegativ negativ keinEinfluss positiv sehrpositiv

WiewirdsichdasgeplanteAusschreibungsmodellIhrerMeinungnachaufdieAktivitätenvon

Bürgerwindakteurenauswirken?

7

7

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3

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0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

SteuerungderAusbaumenge

StärkungdesInnovationswettbewerbs

SenkungderGestehungskosten

SteuerungderAusbaustandorte

FairePreisfindungdurchdenMarkt

FürwiewahrscheinlichhaltenSiedieErfüllungderfolgendenZieledurcheineEinführungeinesAusschreibungssystemsfürWindenergie

anLand?

wirdnichterreicht unwahrscheinlich wahrscheinlich sehrwahrscheinlichAbbildung16

24

BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

Der bei der Energieagentur.NRW arbeitende Ex-

pertewiesdaraufhin,dassvieleBürgerwindakteure

zögern,neueProjekteinAngriffzunehmen.

AlleExperten,dieanderProjektentwicklungarbei-

teten,sprachenmitBezugaufBürgerwindprojekte

voneinem"Endspurt".DiemeistenProjektinitiato-

renzielendaraufab,nochvorEnde2016eineBe-

willigungzubekommenundsichsodiegarantierte

Einspeisevergütungzusichernundnichtindenbe-

vorstehenden Ausschreibungen teilzunehmen. Zu

derZeitExperteninterviewsbestandallerdingsnoch

immer Hoffnung auf eine angemessen gestaltete

EndversiondesAusschreibungsmodells,diesichmit

denBelangenderBürgerwindakteureauseinander-

setzt; gerade auch weil das BMWi verlauten ließ,

denErhaltderderzeithohenAkteursvielfaltalsein

Hauptzielzuverfolgen.

Abbildung16zeigtdieErgebnissederOnline-Befra-

gung für die Frage inwieweit erwartet wird, dass

sichdievorgestelltenpositivenErgebnissederAus-

schreibungen einstellen,welche oft von Ihren Be-

fürworternangeführtwerden.DasBild istausder

SichtderBürgerwindakteureabermalsziemlichdüs-

ter.DaseinzigwahrscheinlicheErgebnisistdieSteu-

erungderAusbaumengemit einer leichtenMehr-

heitvon53%,dieauchdreibefragteExpertenein-

schließt,diedenken,dassdiesesErgebniserreicht

wird. NachMeinung der Experten war die Steue-

rungvonAusbauzielenbereitsmitdemEinspeise-

mechanismus möglich, da mit der Steuerung der

Vergütungssätze indirekt auch die Ausbaumenge

gesteuertwerdenkann.

ImGegensatzzurSteuerungderAusbaumengehal-

ten es nur 22% der Befragten für wahrscheinlich,

dassdieAusschreibungenfüreinenregionalausge-

glichenenAusbauderWindenergiesorgenkönnen.

Einige Experten stellten den regional ausgegliche-

nen Ausbau der Windenergie allerdings als sehr

dringendesProblemdar,daWindstromerzeugerin

einigenwindreichenRegionen inNorddeutschland

teilweiseabgeregeltwerdenmüssen,währendVer-

gütungssätze für mittelstarke Windregionen mit

stabilen Verteilernetzen (wie inNRW) keine reali-

sierbarenProjekteermöglichen.VordiesemHinter-

grundwieseneinigeExpertenaufdieVorteiledes

einstufigen Referenzertragsmodells hin, welches

auch60%Standorteeinschließtsolle.

73%gehendavonaus,dassAusschreibungenkeine

günstigen Rahmenbedingungen für Innovationen

schaffenwerden.Dierestlichen27%haltenInnova-

tiondurchWettbewerbfürwahrscheinlich.EinEx-

pertebetonte,dassdieanstehendenAusschreibun-

genenormenZeitdruckaufWindprojektentwickler

ausübenwerden,dasiemitStrafenrechnenmüs-

sen,wenndasProjektnichtrechtzeitigfertiggestellt

wird. Der bereits bestehende Kostendruck bezüg-

lichdesProjektdesignswirddadurchweitererhöht.

Diese beiden Faktoren wurden von Geschäftsfüh-

rern von Bürgerwindparks oder Projektinitiatoren

als größte Hürden bei der Arbeit mit innovativen

Technologien betrachtet, die noch nicht im Ge-

schäftsalltagetabliertsind,undumProzessinnova-

tionenwiezumBeispielintegrativePlanungauszu-

probieren.DieswirdalsgroßerRückschrittgewer-

tet, da Experten der Ansicht waren, dass Bürger-

windinderVergangenheitdazuinderLagewar,In-

novationenmarktfähigzumachen.

DassAusschreibungenzueinerKostensenkungbei

derStromerzeugungführen,wurdevon82%derBe-

fragtenalsunwahrscheinlicheingestuft,wovonwie-

derum27%denken,dassüberhauptkeineKosten-

senkungerreichtwerdenwird.Gutdazupasst,dass

dieBefragtenderBehauptung,dassAusschreibun-

genzu"fairerPreisfindung"führen,sehrskeptisch

gegenüberstehen.50%derBefragtendenkennicht,

dassAusschreibungen"faire"PreisefürWindkraft-

projekteherbeiführenwerden.40%bewertendie-

sespotenzielleErgebnisalsunwahrscheinlich.Auch

ausSichtderExpertensindPreissenkungenlangfris-

tignichtzuerwarten.EinerderBefragtensagteeine

PreissenkungfürdieersteAusschreibungsrundevo-

raus,abereinendarauffolgendenPreisanstieg, so-

baldstrategischesBietverhaltenpraktiziertundRi-

sikoüberschüsse zu den Angeboten hinzuaddiert

werden;wobeierauchaufinternationaleErfahrun-

genwiez.B.inGroßbritannienhinwies.Einanderer

Experteerwähnte,dasservomGesetzgeberdieEin-

führung eines Höchstpreises erwartete, der nur

Preissenkungen aber keine Preissteigerungen zu-

ließe,wasnachAuffassungdes Expertennicht als

fairePreisfindungdurchdenMarktverkauftwerden

könne.

25

BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

Abbildung17fasstdienegativenBewertungderbe-

vorstehenden Ausschreibungen aus der Bürger-

windperspektive zusammen. Im Allgemeinenwer-

denalleerwartetenAuswirkungen,dieimFragebo-

genvorkommen,alsnegativbewertet.NureinBe-

fragterbewerteteStrafrisikenalsneutralfürdieAk-

tivitätenvonBürgerwindakteuren.

Die (bürokratische)Komplexitätssteigerung fürdie

Projektentwicklung,diedasAusschreibungsmodell

mit sich bringt, wird als große Hürde für Bürger-

windprojektebetrachtet.52%derBefragtenerwar-

ten sehr negative Wirkungen dieser Komplexität,

undderResterwartetnegativeoderleichtnegative

Effekte.Alle interviewtenExpertenerwarten,dass

GeschäftsführervonBürgerwindparksoderProjek-

tinitiatoren, die zum ersten Mal als unabhängige

Projektentwicklerdabeisind,sehrgroßeSchwierig-

keiten habenwerden, anAusschreibungen erfolg-

reichteilzunehmen.NurBürgerwindprojekteerfah-

renerInitiatorenhabenerwartungsgemäßdieRes-

sourcen und das Know-how, um gegen größere

Marktteilnehmern im Wettbewerb zu bestehen.

Dieswird auch von der Vorhersage gestützt, dass

einzelneBürgerwindprojekteundunerfahreneIniti-

atorennicht zumstrategischenBieten inder Lage

seinwerden,wasfürdieseGruppezueinemWett-

bewerbsnachteilführt.

DieMöglichkeit, keinen Zuschlag für ein durchge-

plantesProjektzuerhalten,wirdalsgroßesRisiko

fürBürgerwindprojektebetrachtet.55%derBefrag-

tendenken, dass diesesRisikomit sehrnegativen

Effektenbehaftetist.DieExpertenerläuterten,dass

BürgerwindprojekteimAllgemeinenkeinehöheren

Kosten als kommerzielle Projekte aufweisen und

alsodazuinderLagesind,mitgrößerenProjektent-

wicklernmitzuhalten.Mansagtaber,dasssichdiese

faire Ausgangslage mit der Einführung von Aus-

schreibungen ändern wird. Durch das Risiko zu

scheitern,könnenBürgerwindinitiatorenSchwierig-

keitenhaben,RisikokapitalfürnotwendigeAktivitä-

teninderAnfangsphasederProjektentwicklungzu

beschaffen,undsichinderFolgeausdemMarktzu-

rückziehen.IndenmeistenFällengehtmandavon

aus,dassBürgerwindinitiatorenmiteinzelnenPro-

jektennichtinderLagesind,finanzielleVerlusteim

Fall einer gescheiterten Ausschreibungsteilnahme

ausreichendzustreuen.

Durch die garantierte Einspeisevergütung können

Bürgerwindinitiatoren problemlos die Renditeer-

träge potenzieller Anteilseigner, Mitglieder oder

Anleger berechnen. Ausschreibungen erschweren

diesenAblauf,dadaserwartetefinanzielleEinkom-

meneinesProjektsnichtmehreinfachvorhergesagt

werdenkann.48%derBefragtenbetrachtendiesals

sehr negativen Effekt für die Bürgerwindentwick-

lung,unddie restlichenBefragtenerwartennega-

tive(42%)oderleichtnegative(10%)Auswirkungen.

Einer der Experten betonte, dass Unsicherheiten

mit Bezug zur Renditeerwartung die Zeit zur Be-

1

1

2

2

5

9

7

9

6

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11

10

8

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

SteigendeKomplexität

GenerellesZuschlagsrisiko

UnsicherheitenbezüglichRenditeerträgen

Strafrisiken(Pönale,Entzug)

SofernSiedieAusschreibungennegativbewerten,wassindausIhrerSichtdiezentralenHürdenfürBürgerwindprojekteim

geplantenAusschreibungsmodell?

keinEinfluss schwachnegativerEinfluss negativerEinfluss sehrnegativerEinflussAbbildung17

26

BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

schaffungvonEigenkapitalverlängert,dieRealisie-

rungeinesProjektsnachhintenverschiebtundda-

her Strafrisiken erhöht (siehe nächsterAbschnitt).

Hinzu kommt, dass die Prospektierungsvorgaben

eineweitereHerausforderungfürBürgerwindinitia-

torendarstellen,diemitgeschlossenenFondsarbei-

ten,daderRenditeertragpraktischnichtimVoraus

berechnetwerdenkann.Außerdemmüssenabge-

wiesene Angebotemöglicherweise neu berechnet

werden,umbeizukünftigenAusschreibungsrunden

teilnehmenzukönnen,waszusätzlicheKostenmit

sichbringt.

40%derBefragtenbetrachtenStrafrisikenalseinen

sehrnegativenEffekt fürdenBürgerwind.Nurein

Befragter glaubt, dass Strafrisiken keinen Einfluss

aufBürgerwindprojektehabenunddieverbleiben-

den 55% verteilen sich auf die Kategorien "nega-

tive" bis "leicht negative" Auswirkungen. Die be-

fragtenExpertenbetrachtetenbidbonds(zuhinter-

legendeSicherheiten)alseinweiteresHindernisfür

kleineProjektentwicklerundstelltenderenSinnin

Frage(30´000€proMW),dadasKapital,dasindie

AnfangsphasederProjektentwicklunggestecktwird

(geschätzte100´000-300´000€proWindrad)be-

reitsalsBeweisfürdenDurchführungswilleneines

Projektentwicklersdienenkann.EineOptionfürdie

UmgehungdiesesnegativenEffektsfürBürgerwind-

projekte,wirdinderMöglichkeitgesehen,eineGa-

rantienurimFalleeinesZuschlagszuverlangen.In

diesemFallglaubtman,dassBankeneherdazube-

reit wären, die benötigteMenge an Fremdkapital

zurVerfügungzustellen.

Ausgehend von den vorhergehenden Ergebnissen

ergibtsichdiefolgendeZusammenstellungderRisi-

kenfürBürgerwindprojekte:

ÜbersichtderRisikenfürBürgerwindprojekte:

• Windgutachten(Ertragsrisiko)

• Umweltverträglichkeitsprüfung(ArtenundLebensräume)

• Politischer Konsens im Bezug auf denFlächennutzungsplan

• GenehmigungdurchdenImmissionschutz

• Beschwerdeverfahren(ex-ante/ex-post)

ZusätzlicheRisikendurchAusschreibungen:

• Zuschlagsrisiko

• Finanzierbarkeit (Eigenkapital,BeschaffungvonFremd-undRisikokapital)

• Strafrisiken

Die in den Richtlinien für staatliche Beihilfen zu

EnergieundUmweltschutzderEuropäischenKom-

mission(sieheKapitel1.3.)eingeschlossenede-mi-

nimisRegelungermöglichtgenerell,kleineProjekte

zu Erneuerbaren Energien von Ausschreibungen

auszunehmen. Zurzeit der Durchführung der On-

line-BefragungundderExperteninterviewswurden

mehrere de-minimis-Gestaltungs- und Berechti-

gungskriteriendiskutiertundindenoffiziellenKon-

sultationsprozess des BMWi eingebracht. Da eine

gutangepasstede-minimis-RegelungausderSicht

2,4

2,3

1,8

0 1 2 3

generelleAusnahmeregelungenfürkleinereProjekte(max.6WEAsmitjeweilsmax.6MW)

generelleAusnahmeregelungfüreinmaligeMarktteilnahme

separateAusschreibungsrunden fürkleinereProjekte

FürwiewichtighaltenSiefolgendeAusnahmeregelungenfürBürgerwindakteureimgeplantenAusschreibungsmodell?0=nichtwichtig1=wichtig2=sehrwichtig3=essenziell

Abbildung18

27

BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

von Bürgerwind erwartungsgemäß als positiv be-

trachtet wird, wurden den Umfrageteilnehmern

dreimöglicheVariantenvorgeschlagen.

Abbildung18zeigtdiedurchschnittlicheBewertung

derBefragtenaufeinerSkalavon0(Varianteistfür

Bürgerwindnichtwichtig)bis3(VarianteistfürBür-

gerwind essentiell). Die erste Variante genereller

AusnahmeregelungenfürkleinereProjekte(mitma-

ximal 6 Windrädern mit jeweils maximal 6 MW)

wurde imDurchschnittmit 2,4 bewertet,was an-

zeigt,dassdiesede-minimisRegelungalseinemög-

licheunddenBelangenvonBürgerwindparksdien-

licheVariantebetrachtetwird. Expertenbetonten

allerdings,dassdieAnbringungder6x6Hürdezwei

fragwürdige Wirkungen haben könnte. Einerseits

könntesieBürgerwindakteurennuraufkleinePro-

jektebeschränken.Andererseitskönntensichgrö-

ßere Windenergieakteure dazu verleiten lassen,

kleineProjektezuentwickeln.EingenerellesProb-

lemwurde inderTatsachegesehen,dassderder-

zeitigeMarktanteilvonWindparksmitwenigerals

fünfWindrädernbeimehrals60%liegtundmanda-

her von derMehrheit neuerWindparks erwartet,

dasssieunterdie6x6Hürdefallen.

Auch die zweite Variante, eine generelle Ausnah-

meregelung für einmaligeMarktteilnahme,wurde

als sehrwichtig bewertet (Durchschnittswert 2,3).

DieseVariantewurdevoneinigenExpertenalsvor-

teilhaftgewertet,daunabhängiganderBasisent-

wickelte Bürgerwindparks erwartungsgemäß nur

einProjektdurchführen.Expertenbezweifeltenal-

lerdings, dass eine solche Ausgestaltung leicht in

derPraxisumsetzbaristundwiesenaufdieSchwie-

rigkeitenhin,"einmaligeMarktbeteiligung"zudefi-

nieren.

ZuletztwurdenseparateAusschreibungsrundenfür

kleinereProjektevorgeschlagen.DieseVarianteer-

zielteeinenDurchschnittvon1,8underhieltdamit

wenigerZuspruchalsdieanderenVarianten.Trotz-

demwirdsiealswichtigeOptionfürBürgerwindpro-

jekteangesehen.KeinerderExpertenerwähnteo-

der kommentierte diese Variante direkt bei der

FragenachmöglichenAusgestaltungenderde-mini-

misRegelung.EinExperteschlugeineAusnahmere-

gelungbasierendaufdemKriteriumvor,dassmin-

deste 75%derGesellschafter aus derGegendmit

derselbenPostleitzahlkommen,woauchderWind-

parkangesiedelt ist.DieseRegelungwürdesicher-

stellen,dassderGroßteilderWertschöpfunginder

Einsatzregionverbleibt.

Ein Bürgerwindexperte wiesen auf das generelle

Problem von Ausnahmeregelungen hin. Für den

Fall, dass die ausgenommenen Projekte auf Basis

derderzeitigenEEG-Sätzevergütetwürden,würden

derExpertenacheigenerRechnungEnde2018nur

noch7,68EurocentsprokWh(basierendaufeiner

Degressionsstufevon1,2%proQuartal)vonerhal-

ten.VordiesemHintergrundwurdevorgeschlagen,

BürgerwindprojektevomHauptausschreibungsver-

fahrenauszuschließenundsieautomatischaufBa-

sis des Durchschnittspreises der letzten drei Aus-

schreibungsrundenzuvergüten.WieinKapitel1.3.

erwähnt,hatdasBMWiinderletztgültigenFassung

des Eckpunktepapiers entschieden, keine auf der

de-minimis Regelung basierenden Ausnahmen für

kleineMarktteilnehmermit aufzunehmen und le-

diglichvereinfachteTeilnahmevoraussetzungenfür

Bürgerwindprojektezugewähren.

NebenAusnahmeregelungengibtesanderepoten-

ziellen Ausgestaltungsoptionen im geplanten Aus-

schreibungsmodell,welchedenWettbewerbsnach-

teilvonBürgerwindparksberücksichtigen.Vierpo-

tenzielle Ausgestaltungsoptionen wurden in den

Online-Fragebogenaufgenommen(sieheAbbildung

19). Diemit einemDurchschnittswert von 2,1 am

höchstenbewerteteVariantewardiejenigezuver-

einfachtenQualifikationsanforderungenfürBürger-

windprojekte.DieAntwortvariantenenthieltendrei

Komponenten:niedrigereBietungsgarantien,nied-

rigereStrafsätzeundlängereRealisierungsphasen.

EineandereAusgestaltungsoptionfürBürgerwind-

projekte könnte die Einführung einer Sicherheits-

zahlungsein,welcheerstnachdemGebotszuschlag

fürdasProjektfälligwäre.DieseSicherheitszahlung

würdedenderzeitigvorgesehenenbidbondvon30

€ pro kW ersetzen, welche bereits bei Gebotsab-

gabebezahltwerdenmuss.DieseOptionwurdeins-

besonderealseinepassendeLösungfürdieVermin-

derung von Strafrisiken gesehen und wurde auch

voneinigenExpertenunddenUmfrageteilnehmern

erwähnt,diedieseOptionalssehrwichtigbetrach-

teten(1,9).

FinanzielleUnterstützungsprogrammewährendder

Entwicklungsphase von Bürgerwindprojekten er-

zielteneinenDurchschnittswertvon1,6undfallen

28

BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

somitaufeinenBereichzwischenwichtigundsehr

wichtig. Bisher wird von Bürgerwindprojekten ge-

sagt,dass siekeineProblemehaben,wennesum

dieBeschaffungvonEigen-,Fremd-oderRisikokapi-

talgeht.Expertendeutetendaraufhin,dasses im

AllgemeineneinesehrgroßeNachfragepotenzieller

Gesellschaftergibt,um inProjektemiteinstelliger

Rendite zu investieren, und (meist) lokale Banken

bereitsind,FremdkapitalzurVerfügungzustellen.

DasinderAnfangsphasevonWindprojektenbenö-

tigteRisikokapital istüberdieletztenJahregestie-

genundeineNeuausrichtungaufAusschreibungen

wirderwartungsgemäßhoheZuschlagsrisikengene-

rieren.InderFolgewirdfürkleineBürgerwindiniti-

atoren erwartet, dass sie Schwierigkeiten bei der

Beschaffung von Kapital, insbesondere Risikokapi-

tal, für ihreProjektehabenwerden.Bishergibtes

keine auf Bürgerwindprojekte ausgerichtete För-

dermodellefürRisikokapitalinNRW.Dieinterview-

tenExpertendeutetenan,dassdiestaatlicheBank

vonNRW (NRW.Bank)darübernachdenkt,einauf

BürgerwindausgerichtetesRisikokapitalmodellauf-

zulegen,wasvondenExpertenbegrüßtwurde.

Zuletzt erzielte die Option gesetzlich festgelegter

BeteiligungsquotenfürlokaleBewohnerbzw.Anle-

gereinenDurchschnittswertvon1,2,wasdieseOp-

tionzurunbeliebtesten(aber immernoch"wichti-

gen")dervorgeschlagenenAuswahlmacht.Dieses

ErgebnisspiegeltsichauchinderMeinungderEx-

pertenwieder,dieäußerten,dassBeteiligungsquo-

tengesetzlich schwerdurchsetzbar sindundmög-

licherweisemitRegulierungenaufBundes-undeu-

ropäischerEbeneinKonfliktgeraten.Dänemarkhat

bereitsimJahr2009fürWindenergieanLandBetei-

ligungsquoten von 20% für Bewohner eingeführt.

Die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpom-

mern plant derzeit diesesModell zu übernehmen

und das Landesparlament wird voraussichtlich im

März2016überdeneingebrachtenGesetzentwurf

entscheiden. Die befragten Bürgerwindexperten

betrachten die Initiative der Politik als positiv,

brachten aber auch zum Ausdruck, dass rechtlich

festgelegteBeteiligungsquotennuranderOberflä-

chedesProblemskratztenunddassmannichter-

warten kann, so denWettbewerbsnachteilen von

Bürgerwind in Ausschreibungsmodellen Herr zu

werden.

DieEntscheidungdesBMWi,vereinfachteTeilnah-

mebedingungen(TeilnahmeohneBImSchG-Geneh-

migungundTeilungdesbid-bond)fürBürgerwind-

akteureinderimFebruar2016veröffentlichenVer-

siondesEckpunktepapiers zuverankern,kannvor

demHintergrundderErgebnissederBefragungals

positivundimSinnederBefragten,abergleichzeitig

alsunzureichendbewertetwerden.

2,1

1,9

1,6

1,2

0 1 2 3

vereinfachteQualifikationsanforderungen

SicherheitenerstnachGebotszuschlagabzugeben

finanzielleUnterstützunginderEntwicklungsphase

gesetzlichfestgelegteBeteiligungsquoten

FürwiewichtighaltenSiediefolgendenpotentiellenAusgestaltungsoptionenfürBürgerwindakteureimgeplanten

Ausschreibungsmodell?0=nichtwichtig1=wichtig2=sehrwichtig3=essenziell

Abbildung19

29

BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

Chancen von Bürgerwindprojekten in Ausschrei-bungen

Die Interviewmethode ermöglichte, die Bürger-

windakteurezufragen,obsieauchpositiveAspek-

tenmitdemkommendenAusschreibungsmodellin

Verbindungbringen.DieMehrheitderExpertener-

wähnte, dass Ausschreibungen langfristig höhere

VergütungssätzefürdieEnergieerzeugungalsinder

derzeitgarantiertenEinspeisevergütungherbeifüh-

ren können. Es wurde allerdings bezweifelt, dass

derGesetzgebereinersolchenEntwicklungtatenlos

zusehenwürde,wasdurchdenimEckpunktepapier

vomDezember2015eingeführtenHöchstpreisbe-

stätigtwerdenkonnte.AußerdemwieseneinigeEx-

perten auf die Möglichkeit hin, dass sehr hohe

Pachtniveaus verschwinden und „Überförderung“

einzelner Projekte möglicherweise reduziert wür-

den,waswiederumdieWettbewerbsfähigkeitdes

Bürgerwindsverbessernkönnte.DiemeistenExper-

tenwarensichdarineinig,dasseingutausgestalte-

tesAusschreibungsmodell,welchesdiebesonderen

Herausforderungen und positiven Wirkungen von

Bürgerwindprojekten berücksichtigt und wert-

schätzt,theoretischmitdemderzeithohenGradan

Akteursvielfalt vereinbar sein könnte. Ein solches

ModellmüssteallerdingseineReihevonkomplexen

Faktorenberücksichtigen.

3.5.DieZukunftdesBürgerwinds

DerletzteTeilderUmfrageundderExperteninter-

views war darauf ausgelegt, potenziell attraktive

Geschäftsmodelle und Wege zur Professionalisie-

rung von Bürgerwindaktivitäten zu identifizieren.

Der Online-Fragebogen schloss drei thematische

Blöcke (Repowering-Aktivitäten, potenziell attrak-

tive Geschäftsmodelle und den Nutzen von Netz-

werken, Informationsplattformen und Verbänden)

mitein,währendderInterviewleitfadenetwasoffe-

ner ausgerichtet war und auch darauf abzielte,

günstigenRahmenbedingungen zukünftigerAktivi-

tätenvonBürgerwindakteurenaufdieSpurzukom-

men.

Neben demAusbau vonWindenergie durch neue

Anlagen ist das Repowering von Windparks ent-

scheidend,umdieambitioniertenWindenergieziele

vonNRWzuerreichen.Abbildung20zeigtwiedie

UmfrageteilnehmerdasPotenzialfürzukünftigeAk-

tivitäten von Bürgerwindakteuren im Bereich des

Repoweringbewerten.Währenddavonausgegan-

genwird,dassdasRepoweringbereitsexistierender

Büergerwindprojekte ein großes Potenzial hat

(71%),maßman der Umwandlung "konventionel-

ler" Windparks in Bürgerwindparks durch

RepoweringwenigerPotenzialzu.19%derBefrag-

tenbehaupteten,dassdieseOptionkeinPotenzial

hatund43%gestandenihrnureingeringesPoten-

zialzu.

NachMeinung der Experten hat Repowering den

Ruf,einensehrhohenRessourcenaufwandzuerfor-

dern, insbesondere wenn die Landpachtvereinba-

rungenneuausgehandeltwerdenmüssen.Norma-

lerweisegehtmandavonaus,dasskleinereBürger-

windformationennichtgenügendKnow-howundfi-

nanzielleRessourcenhaben,umRepowering-Aktivi-

tätenohnedieHilfevonprofessionellenProjektent-

wicklern durchzuführen. Dahingegen praktizieren

erfahrenereGeschäftsführer vonBürgerwindparks

mitgrößerenPortfoliosbereitsRepowering.EinEx-

pertewar an einemRepowering-Prozess beteiligt,

derimAbbauvonsiebzehnWindrädernendete,die

dann durch neun leistungsstärkereWindräder er-

setztwurden.DieVerhandlungundNeuausrichtung

der Landpachtvereinbarung dauerten bei diesem

Projekt ungefähr drei Jahre. Der beim regionalen

Genossenschaftsverband arbeitende Experte er-

klärte, dass, obwohl in NRW bisher keine Bürger-

wind-GenossenschafteinProjektrepowerthat,ein

allgemeinesInteresseanzukünftigenAktivitätenim

1

4

5

9

15

7 1

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

RepoweringfürBürgerwindprojekte

UmwandlungvonkonventionellenWindparksinBürgerwindparksdurchRepowering

WiebewertenSiedasPotenzialfürzukünftigeAktivitätenvonBürgerwindakteurenimBereichdesRepowerings?

keinPotenzial geringesPotenzial großesPotential sehrgroßesPotentialAbbildung20

30

BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

Bereich Repowering bestehe. Einige Experten er-

achtetendieUmwandlungeines"konventionellen"

Windparks in einen Bürgerwindpark als eine inte-

ressanteOptionfürdieZukunft.DiemeistenExper-

tenbetontenallerdings,dassmannichterwartete,

dass die derzeitigen Rahmenbedingungen und die

bevorstehendenAusschreibungensolcheOptionen

beförderten.

Abbildung21fasstdieErgebnissedesOnline-Frage-

blocks zu potenziell innovativen Geschäftsfeldern

zusammen,dienebenderRealisierungunddemBe-

trieb von Bürgerwindparks erschlossen werden

könnten. Die Befragten konnten angeben, ob sie

bereitsindementsprechendenGeschäftsfeldaktiv

warenoderobsieplanten,dies inZukunftzutun.

ZuletztkonntendieBefragtenauchangeben,obdie

vorgeschlagenen Aktivitäten nicht auf der Tages-

ordnungihrerBürgerwindprojektestehen.

DasAngebotvonStromtarifenspeziellfürlokaleo-

derregionaleKundenstehtanersterStelledervor-

geschlagenenListe.53%derBefragtensindanregi-

onalerVermarktungihrerStromerzeugunginteres-

siert und drei der Befragten haben einen solchen

Tarifbereitseingeführt.Nur32%derBefragtenzie-

henregionaleStromtarifenichtalszukünftigesGe-

schäftsfeldinBetracht.NachMeinungderExperten

stellenlokaleoderregionaleStromtarifeindiesem

Moment die attraktivste Geschäftsgelegenheit für

Bürgerwindprojekte dar. Ein Experte wies darauf

hin,dassfallsgünstigerechtlicheRahmenbedingun-

genfürregionaleStromtarifeexistierenwürden,je-

des Bürgerwindprojekt einen solchen Tarif in sei-

nemPortfoliohätte.Darüberhinausgehtmanda-

vonaus,dasslokaleTarifezumehrAkzeptanzfüh-

ren,dalokaleBewohner,dienichtdirektamProjekt

beteiligtsind,eineGelegenheitbekämen,vonnied-

rigeren Strompreisen zuprofitieren.NachderAb-

schaffung des Grünstromprivilegs und der Einfüh-

rungderPflichtzurDirektvermarktungimJahr2014

sehensichBürgerwindprojekteRegulierungshemm-

nissenfürdieEinrichtungregionalerStromtarifege-

genüber.Daskönnteerklären,weshalb32%derBe-

fragteninZukunftnichtvorhaben,regionaleStrom-

tarifeeinzuführen.

Stromerzeugung durch andere Erneuerbare Ener-

gien steht an zweiter Stelle auf der Liste; vierBe-

fragte (22%)gabenan,dass siebereitsandereEr-

neuerbareEnergienaußerWindinihrPortfolioauf-

genommenhaben.ImGegensatzdazubetontedie

MehrheitderBefragten(56%),dasssiezurzeitkeine

Diversifizierung ihres Portfolios planen. Die restli-

chen22%zeigenimmerhinnochInteresseanande-

renErneuerbaren.DiesereherdüstereAusblickauf

vielseitigerePortfoliosderBürgerwindprojektewird

auchvondenExpertengeteilt,diediesennegativen

Trend auf die Vergütungskürzungen aufgrund der

bereits eingeführten Ausschreibungen für Solar-

energiezurückführten.

6

10

10

10

10

10

4

7

9

8

3

4

1

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

RegionaleStromvermarktung

ErneuerbareaußerWind

Energieeffizienz

Energiespeicherung

Elektromobilität

InwelchenderfolgendeninnovativenGeschäftsfelderundTechnologienplanenSieinZukunftaktivzuseinbzw.sindSiejetzt

schonaktiv?

nichtgeplant von Interesse bereitsaktivAbbildung21

31

BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

DieBefragtensindziemlichgenauzweigeteilt zwi-

schendenen,dieEnergiespeicherung (47%), Ener-

gieeffizienz(39%)undElektromobilität(44%)alspo-

tenziellattraktiveGeschäftsfeldererachtenundje-

nen,dienichtplanen,indiesenGeschäftsfeldernak-

tivzusein.NachMeinungderExpertenpassenalle

drei Wirtschaftszweige zum angestrebten, auf Er-

neuerbaren Energien basierenden Energiesystem

und stellen daher attraktive Geschäftsfelder für

Bürgerwindakteuredar.DerhierfürbenötigtePro-

fessionalisierungsgrad sowie das Fehlen günstiger

Rahmenbedingungenoder Fördermodelle für Bür-

gerwindakteure halten diese Gruppe nach Erwar-

tungderExpertendavonab,indieseMärkteeinzu-

steigen.EnergieeffizienzundElektromobilitätwur-

den als Wirtschaftszweige dargestellt, von denen

einegroßeAusstrahlungskraftaufdas"Prosumen-

ten"-Konzeptzuerwartenist,sobaldsieimEnergie-

systemerfolgreichintegriertseinwerden.NachAn-

gabederExperten,wirdEnergiespeicherungimmer

nochalseineTechnologieangesehen,diesehrhohe

Anfangsinvestitionenverlangt,welcheBürgerwindi-

nitiatoren noch nicht vorzuschießen in der Lage

sind.Eswurdeallerdingserwähnt,dassEnergiespei-

cherungHandinHandmitdemAusbauderErneu-

erbarenEnergiengehensollteunddassBürgerwin-

dinitiatoren als Vorreiter für dezentrale Energie-

speicherungdienenkönnten.

EinExperteerwähnte,dassKleinwindanlagen(nicht

in der Online-Befragung enthalten) eine interes-

sante Technologie für kleinere Marktteilnehmer

undBürgerwindprojektedarstelle. Dievergleichs-

weise hohen Stromerzeugungskosten von Klein-

windanlagenwerdenallerdingsalseingroßesHin-

dernis für die Ausbreitung und den Einsatz dieser

Technologie gesehen, sowohl in NRW als auch in

Deutschland.

Mankannvermuten,dassNetzwerke,Informations-

plattformenundVerbändeeinewichtigeFunktion

inBezugaufdieVerbreitungvonInnovationen,die

EtablierungneuerGeschäftsfelderunddieProfessi-

onalisierung haben. Ausgehend von dieser An-

nahmewurdeeineFrageüberdenNutzendieserIn-

stitutionen mit verschiedenen räumlichen Abstu-

fungen in den Online-Fragebogen aufgenommen.

DieErgebnissezeigeneinenklarenTrend(sieheAb-

bildung22);jegrößerderAktionsradiusderInstitu-

tionist, jekleineristderwahrgenommeneNutzen

für die zukünftigenAktivitäten vonBürgerwindak-

teureninNRW.InstitutionenaufBundes-undLan-

desebenewerdenalssehrnützlichfürkünftigeAk-

tivitäten der Befragten erachtet (beide mit 73%),

währendInstitutionen,diesichaufdieeuropäische

(73%)oderdieinternationale(60%)Ebenekonzent-

rieren,nureinenmittlerenNutzenzugemessenbe-

kommen.

DieserTrendkannanhandderfolgendenErgebnisse

ausdenExperteninterviewserklärtwerden.DieAk-

tivitäten und Interessen von Bürgerwindakteuren

werdenalssehrabhängigvonheimischenRahmen-

bedingungenerachtet,unddaherwerdenErfahrun-

3

5

6

6

15

13

16

16

4

4

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

Landesebene

Bundesebene

Europaebene

InternationaleEbene

WiebewertenSiedenNutzenvonNetzwerken,InformationsplattformenundVerbändenfürBürgerwindakteurein

BezugaufIhrezukünftigenAktivitäten?

nichtnützlich eingeschränkteNützlichkeit sehrnützlichAbbildung22

32

BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

genausanderenLänderninderRegelvonBürger-

windakteuren alsweniger relevant angesehen. In-

stitutionen, die ihre Arbeit auf der Bundes- oder

Landesebene (in diesem FallNRW) konzentrieren,

werdenalssehrwichtigbewertet,dasieGelegen-

heitenzumNetzwerkenundUnterstützungbeiFra-

genzudenrechtlichenRahmenbedingungenbieten

und daher Transaktionskosten für Bürgerwindak-

teure senken. Obwohl die Experten die Meinung

teilten,dasseuropäischeundinternationaleBürger-

windorganisationen alsweniger nützlich als deren

Gegenstückeaufdernationalenodernachgeordne-

tenEbenenerachtetwerden,unterstrichensiede-

renBedeutungfürdieglobaleVerbreitungdesBür-

gerwindkonzepts, bewährterMethoden und inno-

vativerGeschäftsmodelle.

AußerdemwerdenVerbändeaufBundes-oderLan-

desebenealswichtigangesehen,weilsieinderLage

sind,politischeEntscheidungsfindungzubeeinflus-

senunddieBelangederBürgerwind-Akteureaufdie

politischeTagesordnungzusetzen.EinigeExperten

waren allerdings besorgt darüber, dass die den

Windsektor repräsentierenden Organisationen

meistvongroßenMarktteilnehmerndominiertwer-

den,deren Interessennicht immermitdenenvon

Bürgerwindakteuren übereinstimmen. Ein Befrag-

ter erwähnte, dass regionale Landwirtschaftsver-

bändeeinewichtigeRollebeiderVerbesserungdes

Bürgerwindeinsatzes spielen könnten, da sie eine

Multiplikatorenwirkung auf Ihre Mitglieder ausü-

ben,dieeinengroßenAnteilderLandbesitzeraus-

machen.

Geschäftsführer von Bürgerwindparks mit kleinen

Portfoliosbetonten,dassihrErfolgeherauflokalen

personenzentriertenNetzwerkenals auf ihrer Ein-

bindungingrößereInstitutionenbasiert,daletztere

ofthöhereTransaktionskostenmitsichbringen.In

dieserHinsichtwerdenauchBürgerwind-Vorzeige-

modellealswichtigerachtet,umdiewichtigeRolle

der Verbreitung innovativer Geschäftsmodelle zu

übernehmen. Bei Energiegenossenschaften geht

mandavonaus,dasssievorerstdaraninteressiert

sind, das Energiesystemmittels lokaler Initiativen

undeinerstarkenBetonungregionalerIdentitätzu

verändern.InderFolgebegrenzenvieleMitglieder

vonEnergie-GenossenschaftenihrenAktionsradius

aufeinspeziellesgeographischesGebiet.

4.Schlussfolgerung

DieUntersuchunghatgezeigt,dassBürgerwindzu

einemgewissenGradeinschwerfassbaresKonzept

bzw. Geschäftsmodell ist, das in NRW und in

Deutschlandmomentanwederrechtlichnochpoli-

tischdefiniert ist.Bürgerwindwird jedochalseine

FormderWindenergieentwicklunggesehen,welche

vielepositivesozialeundwirtschaftlicheWirkungen

hat,vondenenzweiderwichtigstendieErhöhung

lokalerAkzeptanzundWertschöpfungsind. Inden

meistenFällenstimmtdievondenExpertengege-

beneDarstellungvonBürgerwindmitderDefinition

derWWEAüberein,wasaufdieBrauchbarkeitder

LetzterenalsBasis füreinepotenziell verbindliche

Definition sowie für zukünftige Forschungen hin-

deutet. Bisher war eine rechtliche Definition von

BürgerwindinDeutschlandnichtnotwendig,dadie

garantierte Einspeisevergütung Bürgerwind nicht

benachteiligt. Die bevorstehenden Ausschreibun-

genfürWindenergieanLandwerdenallerdingsdie

derzeit ausgeglichenen Wettbewerbsbedingungen

zwischen kommerziellen Entwicklern und Bürger-

windakteurenabschaffen.

NachMeinung der befragten NRW-Bürgerwindex-

pertenwarundistdiewichtigsteTriebkraftdesBür-

gerwinds die garantierte Einspeisevergütung, die

aufBundesebenedurchdasErneuerbare-Energien-

Gesetz (EEG) im Jahr 2000 eingeführt wurde. An-

dere Triebkräfte sind die windenergie-freundliche

RegierunginNRWseit2010,Klimaschutz-oderEr-

neuerbare–Energien-Initiativen von Kommunen

undRegionen,informelleBürgerwind-Leitlinienso-

wie gesetzliche Richtlinien, die auf die Vereinfa-

chung von Planungs- und Bewilligungsverfahren

ausgerichtetsind,auchwennletzterenichtinerster

Linie an Bürgerwindprojekte gerichtet sind. Ande-

rerseits wird gesagt, dass steigende Komplexität,

dasvonkommerziellenWindkraftentwicklernindie

Höhe getriebene Pachtniveau, dieOpposition von

Natur-undArtenschutzverbänden,undeinewahr-

nehmbareAbnahmedesgesellschaftlichenInteres-

sesanErneuerbarendasErfolgsmodellBürgerwind

derzeitausbremsen.VondenbevorstehendenAus-

schreibungenfürWindenergieanLandwirderwar-

tet,dasssiegroßeHürdenfürdenBürgerwindaus-

bauinNRWundDeutschlandaufstellen.ZudenEck-

punkten des kommenden Ausschreibungsmodells

33

BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

wurde deutlich gemacht, dass sie Bürgerwindpro-

jekteneinemgroßenWettbewerbsnachteilausset-

zen und daher unabhängige Bürgerwindentwick-

lunginZukunftnahezuunmöglichmachen.

DieimFebruar2016veröffentlichtenvereinfachten

Teilnahmebedingungen für Bürgerwindprojekte

können als ein erster, wenn auch unzureichender

SchrittindierichtigeRichtunginBezugaufdenEr-

halt der Akteursvielfalt bewertet werden. Da sich

viele Kosten erst im Laufe des Planungsprozesses

ergebenundsomitdaszunächstabgegebeneGebot

oftmalsnichthaltbarseinwird,werdendieverein-

fachten Teilnahmebedingungen jedoch nicht als

ausreichendeLösungzumErhaltderBürgerenergie

betrachtet (LEE NRW 2016). Bürgerwindprojekte

werden weiterhin im Wettbewerb mit Projekten

von kommerziellen Projektentwicklern bestehen

müssen,welcheimAusschreibungsprozessWettbe-

werbsvorteile(Know-How,strategischesBieten,Ri-

sikostreuung) genießen. Dieses strukturelle Un-

gleichgewichtläuftGefahr,dassErfolgs-undAkzep-

tanzmodell des Bürgerwinds zukünftig aus dem

Marktzudrängen.

EinBlick indieZukunftdesBürgerwindmodellsre-

sultierte in einer Zusammenstellung potenziell at-

traktiverGeschäftsmodelleundzusätzlicherMarkt-

initiativen für Bürgerwindprojekte. Vor allem

Repowering-Aktivitäten, regionale Stromtarife,

Energiespeicherung, Elektromobilität und Energie-

effizienzstehenaufderZukunftsagendavielerPro-

jektinitiatoren.MitAusnahmeeinigerWegbereiter-

projekte erfahrener Bürgerwindinitiatoren stehen

jedochderderzeitigeProfessionalisierungsgradund

diesichwandelndenrechtlichenRahmenbedingun-

geneinerflächendeckendenAufnahmedieserAkti-

vitätenimWege.Informationsplattformen,Bürger-

wind-NetzwerkeundWindenergie-Verbändebesit-

zenvordiesemHintergrundeinewichtigeMultipli-

katorenfunktionfürdieAufnahmedesBürgerwind-

konzeptsundderinnovativenGeschäftsmodelle.

Zusammenfassend betrachtet, steht das Bürger-

windmodell inNRWundDeutschlandamScheide-

weg.EinerseitshatBürgerwindeingroßesPotenzial

fürdieUmwandlungdeskohlenstoffbasierten(und

zu einem geringeren Maß nuklearen) Energiesys-

temshinzueinemdemokratischen,dezentralisier-

tenundemissionsfreien, inandernWorten:wahr-

lich nachhaltigen Energiesystem. Darüber hinaus

stellt Bürgerwind dringend benötigte hohe lokale

AkzeptanzherundträgtzurlokalenWertschöpfung

bei. Andererseits wird von den bevorstehenden

Ausschreibungen erwartet, dass sie dem Bürger-

wind einen großen Wettbewerbsnachteil einbrin-

gen. Die Externalisierung der "Akzeptanzkosten"

vonWindkraftkönnte inderFolgeeinedrastische

Wirkung auf die weitere Verbreitung von Bürger-

windprojekten und die Ergebnisse der deutschen

Energiewendehaben.EinerderinterviewtenExper-

tenbringtdiesmitdenfolgendenWortenaufden

Punkt:

"Die Energiewende wird ohne Bürgerwindprojektenicht erfolgreich sein. Windenergie kann nur alsHauptbestandteildeszukünftigenSystemserneuer-barer Energieträger dienen,wenn sein Einsatz ak-zeptiertwird."

MitBlickaufdieinternationaleEbene,istzuerwar-

ten, dass die Entscheidung der EU bzw. Deutsch-

lands, die garantierte Einspeisevergütung abzu-

schaffen und durch Ausschreibungen zu ersetzen,

ein starkes Nachahmungssignal an andere Länder

sendet. Deshalb könnte ein deutsches Ausschrei-

bungsmodell,dassichernsthaftumdieBedürfnisse

des Bürgerwinds kümmert, auch positiveWirkun-

genaufdieVerbreitungvonBürgerwindaufgloba-

lerEbeneentfalten.

DievorliegendeStudie zielteprimärdaraufab,ei-

nenbreitangelegtenÜberblickaufdieVergangen-

heit, Gegenwart und Zukunft des Bürgerwindkon-

zepts inNRWzugeben.Diesereherbreitgefasste

AnsatzhatnichtimmereinedetaillierteKausalana-

lyse einzelner Triebkräfte und Hürden für Bürger-

windzugelassen.DiezentralenErgebnissehabenje-

dochBürgerwindinNRWausderGesamtschauprä-

sentiertundkönnendaherdazudienen,eine fun-

dierteGrundlagefürbevorstehende,tiefergehende

AnalysenimBereichBürgerwindundBürgerenergie

imAllgemeinenzubieten.

WeitereForschungsarbeitenimBereichBürgerwind

undBürgerenergieinNRWundDeutschlandsollten

auchLängsschnittstudienbeinhalten,umexplorativ

zuerforschen,wiesicheinzelneProjekteoderder

Bürgerwind insgesamt über die Zeit entwickeln;

speziell mit Blick auf das kommende Ausschrei-

bungsmodell.Dies sollte auch eine gründlicheBe-

standsaufnahmebereitsexistierenderBürgerwind-

projektebeinhalten,umAussagenüberdenAnteil

34

BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

vonBürgerwindprojekteninderAkteursvielfalttref-

fenzukönnen.Darüberhinausisteswichtig,mehr

darüberzuerfahren,wiediepolitischenRahmenbe-

dingungen verändert werden könnten, um mehr

Bürgerbeteiligung inBereichenzuerzielen,die für

die erfolgreiche Transformation des nordrhein-

westfälischen und deutschen Energiesektors von

Bedeutung sind. Schließlich würden Analysen von

Bürgerwind in anderen Ländernweiterhelfen, för-

derliche und hemmende Rahmenbedingungen zu

identifizieren. Diese sollten die Analyse von Ge-

schäftsmodellen in verschiedenen Ländern, For-

schungenzudenWechselwirkungenverschiedener

politischer und institutioneller Rahmenbedingun-

gen,sowieForschungenzurÜbertragbarkeitexistie-

renderGeschäftsmodelleaufLänder,indenensich

Bürgerderzeitnochnicht fürBürgerwindengagie-

ren,abdecken.

DieNRW-StudieschließtmitdemZitateinesBürger-

windexperten,welchesaufdiezentraleBedeutung

der"Prosumenten"fürdieEnergiewendehinweist:

"Nur wenn wir die Energiewende wirklich leben,könnenwirsieverstehen."

35

BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

5.EmpfehlungenandiePolitik

5.1EmpfehlungenandiePolitikaufkommunalerEbene

• BürgerwindmusszueinemGrundbausteinlokalerEnergieprogrammewerdenalsTeileinerlokalen

Strategiezu100%ErneuerbarenEnergien.

• FörderungundAnreizprogrammefürfreiwillige,lokaleBürgerwind-Richtlinien.

• StärkungvorhandenerInstanzenfürdieSchlichtungvonWindenergie-KonfliktenvorOrt.

5.2EmpfehlungenandiePolitikaufLandesebene

• EtablierungvonMechanismenzurfinanziellenundkonzeptionellenUnterstützungvon

BürgerwindprojekteninderkritischenPhase.

• AusgearbeiteteVerpflichtunggegenüberdemBürgerwindmodellundderBürgerenergieim

Allgemeinen.

• UnterstützungsprogrammefürKlimaschutzundInitiativenfürErneuerbarenEnergienvonKommunen.

• BereitstellungvonMediationsplattformenfürWindenergieundArtenschutzkonflikte

• WeiterelandespolitischeArbeitmitBezugaufdieGestaltungeinesangemessenenVergütungssystems

5.3EmpfehlungenandiePolitikaufBundesebene

• EinrichtungeinesVergütungssystemsfürWindenergieanLand,welchesBürgerwindprojektenicht

benachteiligt

• BürgerenergieprojekteinHöhevon18MegawattgrundsätzlichvonAusschreibungenbefreienund

diesenProjekteneineauskömmliche,festeVergütunggewähren

• Verankerungeinerklaren,trennscharfenundtreffendenDefinitionvonBürgerwindakteuren

• GestaltungeinesStrommarktdesigns,dassesBürgerenergieprojektenermöglicht,ihrenStromregional

zuvermarkten

• UnterstützungvonMechanismenfüreinenganzheitlichenAnsatzfürdieErneuerbarenEnergien,der

Elektromobilität,EnergieeffizienzundKlimaanpassungmiteinschließt.

5.4EmpfehlungenfürweitereForschungenimBereichderBürgerenergie

• LangzeitstudienzurMarktpositionvonBürgerwindprojekten,vorallemimkommenden

Ausschreibungsmodell

• ForschungzudenfinanziellenundorganisatorischenBelangenwährendderkritischenPlanungs-und

Entwicklungsphase

• ForschungzuLeitlinien,Klimaschutz-oderErneuerbare–Energien-Initiativenvoneinzelnen

Kommunen.

• BestandsaufnahmevonBürgerwindprojekteninDeutschland,umvalideAussagenüberdie

EntwicklungderAkteursvielfalttreffenzukönnen

36

BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

TeilB:ZusammenfassungWWEA-Bürgerwind-Symposium2016

Insgesamt110Gästeaus20LändernvonsechsKontinenten folgten

derEinladungvonWWEAundLEENRWundversammelten sicham

26.01.2016imGustav-Stresemann-InstitutBonn,umüberihreErfah-

rungenmitBürgerwindprojekteninihrenHeimatländernzusprechen.

DieGästedesersten,internationalenWWEABürgerwindSymposiums

(„TailwindandHeadwindforCommunityPower–RegionalandGlobal

CommunityWindPerspectives“wurdendurchStefanGsänger(WWEA

Generalsekretär)undPeterRae(PräsidentWWEA)begrüßt.Weitere

Grußworte,welchedieaktuellenEntwicklungenundHerausforderun-

genimBereichderBürgerenergieunddieSignalwirkungdesnochjun-

genPariserAbkommensthematisierten,gabesvonJanDobertin(LEE

NRW),ViktorHaase(StiftungfürUmwelt&EntwicklungNRW)undDr.

HermannFalk(BEE).

VordemHintergrundderAtomkatastrophen inTschernobylvor30 Jahrenund inFukushimavor fünf Jahren

machteDr.TetsunariIida(InstituteforSustainableEnergyPolicies)ausJapaninseinemGrußwortdeutlich,dass

einesozialverträglicheundgesellschaftlichakzeptierteEnergiewendenurvon„unten“,alsovondenBürgern,

kommenkann.Währendsich80%derJapanervonderKernenergieabgewendethaben,verfolgtdieRegierung

immernocheineaktiveundförderlicheAtompolitik.NichtsdestotrotzsindseitderKatastrophein2011bessere

ZeitenfürErneuerbareEnergieninJapanangebrochen.MiteinergarantiertenundauskömmlichenEinspeisever-

gütungkonnteindenletztenJahreneineSteigerungderErneuerbarenEnergienimEnergiemixinJapanerreicht

werden.ErneuerbarewerdennunfürvieleMenschensichtbarund200lebendigeBürgerenergieprojektezeugen

vomgroßenInteresseundderAktivitätderjapani-

schen Bevölkerung im Bereich der „Energiedemo-

kratie“.Das symbolträchtige Fukushimawird2016

zumSchauplatzderjapanischenundinternationalen

Bürgerenergiewerden, denn ImMärz veranstaltet

der Bürgermeister von Fukushima einen Tag der

BürgerenergieundEndedesJahreswirddieWorld

WindEnergyConferenceinTokioundimAnschluss

die WWEA Community Power Conference in

Fukushimastattfinden.

IndenfolgendenKapitelnsinddieeinzelnenProgrammpunktedesSymposiumsbündigzusammengefasst.Die

digitalenFolienallerPräsentationendesSymposiumskönnenonlineunterfolgendemLinkabgerufenwerden:

http://www.wwindea.org/presentations-international-symposium-on-community-power/

WWEAPräsidentPeterRae

TeilnehmerdesBürgerwindSymposiumsinBonn

37

BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

1.PodiumsdiskussionderNRW-Bürgerwind-Experten

Moderation:JanDobertin,LEENRW

• GünterPulte,RothaarwindGmbH&Co.KG

• WernerSoika,BürgerEnergieIssum

• HeinzThier,BBWind

• KlausSchulzeLangenhorst,BWENRW

• JakobMüller,GLSBank

• Dr.KatrinGehles,Energieagentur.NRW

Im Anschluss an die Präsentation der NRW-Bürger-

wind-StudiewurdenderenzentraleErgebnisseundta-

gesaktuelleEntwicklungenimBereichdesBürgerwinds

imNRW-Expertenpaneldiskutiert;diezentralenStudienergebnissekonntendurchdieExpertenbestätigtwer-

den. ImweiterenVerlaufderDebattestandvorallemdieFragenachderZukunftderBürgerenergie imAus-

schreibungsmodellimZentrum.ImFolgendensinddiewesentlichenDiskussionsinhaltethematischzusammen-

gefasst:

WermachtdieEnergiewende?

• VonSeitenderPolitikgibtesseitderNuklearkatastropheinFukushimavielZuspruchfürdasModellder

Bürgerenergie.VertreterallergroßenParteiensprechensichderzeitfürdezentraleBürgerenergie-Pro-

jekteaus,häufigbleibtesaberbeiLippenbekenntnissen,diekeinekonkretenErgebnissefürdieBürge-

renergiepraktikermitsichbringen.

• Aktuell gehendieNeueintragungenvonBürgerprojektenstark zurück,was fürdieEnergiewendeals

solcheproblematischist,danurBürgerwindprojektedienotwendigeAkzeptanzfürdenWindkraftaus-

bauaufdemLandmit sichbringen. Stellt sichdieBevölkerunggegenOnshore-Wind, soverliertdie

EnergiewendeihrenwichtigstenAntriebundeswirddannaufdieteurereWindenergieaufSeeausge-

wichen.

• GroßeKonzernehabendieEnergiewendeverschlafen,unddie jetzigeEnergiepolitikversuchtsichan

die„großenVier“anzubiedern,anstattdiejenigenzufördern,deneneinsauberesunddemokratisches

EnergiesystemamHerzenliegt.

DefinitionBürgerwind:

• DieDefinitionvonBürgerwindparksnachderWWEAoderandereDefinitionensolltennacheinerEini-

gungfürSonderregelungenimEEGverankertwerden.EinegenaueDefinitionvonBürgerenergiebzw.

Bürgerwindfestzuschreibengestaltetsichjedochalsschwierig,dadieWeltderBürgerenergiesehrviel-

fältigist.ZentraleBestandteileeinerBürgerwind-Definitionsolltensein:

o Regionalität

o Beteiligungsangebot(organisatorischeBeteiligung,Gesellschaftsanteilebzw.Eigenkapitalund

Stimmrecht)

• AlsFolgederzunehmendenKomplexitätvonPlanungsprozessensolltenauchStadtwerkeundexterne

Bürgerwind-DienstleisterdasklassischeBürgerwindmodellergänzenkönnen.

• ProfessionalisierungundEhrenamtsindwichtigfürBürgerprojekte.DieEntwicklungundRealisierung

einesBürgerwindparksistehrenamtlichjedochkaumnochzustemmen.

Ausschreibungengenerell

DieTeilnehmerderNRW-Podiumsdikussion

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BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

• DerklassischeBürgerwindpark isthäufigeinEinzelprojekt.EinScheiternderPlanungkannnichtmit

anderen,erfolgreichenProjektenkompensiertwerden.NacheinemmehrjährigenPlanungsmarathon

mitenormenKostenfürGutachtenundUmweltprüfungenkommtmitdenAusschreibungennochdas

Risikohinzu,imBietverfahrenzuunterliegenundkeineVergütungzuerhalten.Dasschrecktschonheute

vielepotenzielleBürgerwindrealisiererabbzw.sieversuchen,nochimJahr2016eineGenehmigungzu

bekommenundsomitdasAusschreibungsmodellzuumgehen.AusdiesemGrundkannindennächsten

zweiJahrennocheinBoomdesBürgerwindserwartetwerden,dieweitereZukunftderBürgerenergie

istjedochsehrunsicher.• DaseigentlicheZielderkommendenAusschreibungenstelltdieMengensteuerungundnichtdieKos-

tensenkungdar.DerAusbaukorridorwirddurchdieAusschreibungeneingestaucht,wobeieinhohes

Ausbauvolumen strategischemBieten entgegenwirken könnte. ImAllgemeinenwird dieMengenbe-

schränkungdurchdasderzeitiggeplanteAusschreibungsdesigneineGeschwindigkeitsbegrenzungfür

denAusbauErneuerbarerEnergieneinführen.WürdedieBundesnetzagenturausreichendgroßeWind-

leistungs-MengenzurAusschreibungbringen,hätteninZukunftdurchausauchBürgerprojekteChan-

cen.• DieProspekterstellung fürBürgerwindprojektewarbisher immermitdemSinnderRisikoaufklärung

verbunden.DieseistimModellderAusschreibungkaumnochmöglich,damandieRahmenbedingun-

genunddenletztendlichenZuschlagspreisvorhernichtkennt.BisherrechnetemanbeieinemProjekt

vonderErlös-zurKostenseite,inZukunftwirdmanesandersherumhandhabenmüssen.

• DiefinanziellenPlanungsrisikenstelleneineimmergrößereHürdefürBürgerwindparksdar.Damitden-

nocheinigeProjekteeineChancehätten,versuchenGenossenschaftsbankenbeiderBereitstellungdes

Risiko-Kapitalszuassistieren.DieFremdkapitalfinanzierungwirdauchinZukunftfürgutgeplanteBür-

gerwindprojektemöglichsein,jedochwirddieEigenkapitalfinanzierung(beidembisherigenStanddes

Ausschreibungsmodells)alsschwierigerachtet.

ForderungenAusschreibungsdesignundEEG-Novelle:

• ForderungenvonSeitenderDiskussionsteilnehmer:

o VerankerungeinertrennscharfenundvalidenBürgerwinddefinition,

o BürgschaftenerstnachgewonnenerAusschreibungzuhinterlegen,

o PlanungssicherheitdurcheinstabilesEEG,

o EinführungeineseinstufigenReferenzertragsmodellsumalleStandortezuberücksichtigen,

o einegarantierteundauskömmlicheEinspeisevergütungfürBürgerwindprojekte,

o trotzeventuellerAussichtaufeine18MWde-minimis-RegelsollteBürgerenergie inZukunft

nichtbegrenztwerden.

39

BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

2.Präsentationsreihe„BürgerenergieundBürgerwindinEuropa“

Referenten:

• SiwardZomer,REScoop:EnergiegenossenschafteninEuropa• Dr.PrebenMaegaard,NordicFolkecenter:StatusQuoeinesBürgerwindVorreiters• KatherinaGrashof,InstitutfürZukunftsEnergieSysteme:DieNutzeneffektederBürgerenergie• Dr.JosepPuig,EurosolarSpanien:BürgerwindinSüdeuropa• Dr.JelteHarnmeijer,JamesHuttonInstitute:Endspurt?BürgerwindimVereinigtenKönigreich• JonathanBonadio,EuropäischeKommission:ErneuerbareEnergienundGenossenschaftenimKontextder

EuropäischenUnion

DievonRolandRoesch(IRENA)moderiertePräsentationsreihe„BürgerenergieundBürgerwindinEuropa“wei-

teteden zuvor aufNRWundDeutschlandbeschränktenDiskussionsrahmenderVeranstaltungaus. Zweider

KurzpräsentationnähertensichdemThemaBürgerwindausdergesamteuropäischenPerspektive,dreiPräsen-

tationenwidmeten sichdenErfolgenundHerausforderungen vonBürgerwindakteuren in einzelnen Ländern

(Dänemark,GroßbritannienundSpanien)undeinePräsentationbehandelteausführlichdieNutzeneffekte,wel-

cheBürgerenergieprojektemitsichbringenkönnen.AuchindieserPräsentationsreihelageinHauptaugenmerk

aufdenallenMitgliedsländernderEuropäischenUnionbevorstehendenundüberwiegendnegativbewerteten

AusschreibungsmodellenunddeninvielenLändernschlechterwerdendenRahmenbedingungenfürdenAusbau

derBürgerenergie.NebendiesendüsterenZukunftsaussichten,machtendiePräsentationenaberauchdeutlich,

dassmitderregionalenWertschöpfungunddenhohenAkzeptanzratenenormesPotenzialinderBürgerenergie

zuverortenist.DieReferentenausderBürgerwindpraxismerktenan,dassdiePolitikdieVerantwortungfürdas

ScheiternderEnergiewendezutragenhat,wennnunRahmenbedingungengeschaffenwerden,welcheeinem

dezentralen,demokratischenundumweltfreundlichenEnergiesystemimWegestehen.

3.Präsentationsreihe„Bürgerwind-Weltreise“

Referenten:

• Kanada:Dr.ChristineKönig,OntarioSustainableEnergyAssociation

• Japan:Dr.TetsunariIida,InstituteforSustainableEnergyPolicies

• Australien:Hon.PeterReaAO,WWEAPräsident

• Mali:Dr.IbrahimTogola,MaliFolkecenter

• Mexiko:SergioOceransky,YansaGroup

• Südafrika:NeilTownsend,justenergy

DiezweitePräsentationsreihedesSymposiumswurdevonDr.MichaelKöberlein(GIZ)moderiertundboteinen

ÜberblickzudenRahmenbedingungen,TriebkräftenundHindernissenfürBürgerenergieprojekteundBürger-

windparksinsechsaußereuropäischenLändern.DieersteHälftederPräsentationsreihedecktemitReferenten

ausKanada,JapanundAustraliendreiIndustrienationenab,derenEnergiesystemestarkauffossilen(vorallem

Australien)bzw.atomaren(vorallemOntario/KanadaundJapan)Energieträgernberuhen,denenErneuerbare

Energienaberkeineswegsfremdsind.Einer flächendeckendenEnergiewendesteht indiesenLändernderzeit

abernocheinestarkeLobbyderkonventionellenEnergiekonzerneundgeringeodernichtvorhandeneFörde-

rungenfürErneuerbareEnergienimWeg.AndererseitstragendiesinkendenKostenfürerneuerbarenStrom,

dasglobaleBekenntniszumKampfgegendenKlimawandelundneueRegierungschefs,welchedenErneuerbaren

freundlichgegenüberstehen (AustralienundKanada)dazubei,dassdieZukunftauchvieleMöglichkeiten für

BürgerwindakteureindiesenLändernbietet.

40

BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

ImzweitenTeilderPräsentationsreihewurdendieBarrierenthematisiert,welchederDiffusiondesBürgerwind-

modellsinEntwicklungs-undTransformationsländernmomentanimWegesteht.AllebetrachtetenLänder(Mali,

MexikoundSüdafrika)sindeigentlichreichanErneuerbarenEnergien,dieserReichtumspiegeltsichaberselten

imLebendstandardderBevölkerungwider.AuchwenninMexikoundSüdafrikamomentangroßeSummenin

denAusbauErneuerbarerEnergieninvestiertwerden,soverbleibendieerwirtschaftetenErträgeindenHänden

einigerwenigerinternationalerInvestoren.InMexikogingengroßeWindkraftprojektevoninternationalenIn-

vestoren sogarmit erheblichenMenschenrechtsverletzungen einher, die in gewaltintensiven Konflikten zwi-

schenindigenenBevölkerungsgruppenundWindkraftbetreibernmündeten.NachMeinungundErfahrungder

ReferentenbietenBürgerenergie-undspeziellBürgerwindprojekteeinenholistischenAnsatz,umEnergiearmut

alsauchabsoluteArmutzubekämpfenundgleichzeitignachhaltigewirtschaftlicheEntwicklungloszutreten.Der-

zeit stehendemBürgerwindmodell jedochnocherheblicheBarrieren imWeg.VorallemdieMarktdominanz

großer europäischer Konzerne sowie politische undwirtschaftlicheRahmenbedingungen (wie z.B. Ausschrei-

bungsmodellemithohenTeilnahmehürdeninMexikoundSüdafrika)werdenalsZugangsbarrierefürkleine,un-

abhängige,einheimischeProjektentwicklerundBürgerenergieinteressiertengewertet.

4.Podiumsdiskussion„DieZukunftderBürgerenergie–EineGlobaleDiskussion“

Referenten:

• SiwardZomer,REScoop

• NeilTownsend,justenergy

• Dr.HermannFalk,BEE

• Dr.RolandRoesch,IRENA

• StefanSchurig,WorldFutureCouncil

• GadiHareli,IsraeliWindEnergyAssoci-

ation

• Dr.TetsunariIida,ISEP

DievonDr.HarryLehmann(Umweltbundesamt)moderierteabschließendePodiumsdiskussionsetztezueiner

SynthesederPräsentationenundDiskussionendesBürgerwindsymposiumsanunddrehtesichvorallemumdie

ErfordernisseaufdemWegzueinerglobalerfolgreichenEnergiewende.DiezentralenDiskussionspunktesind

hierkurzzusammengefasst:

• PolitikerundEntscheidungsträgermüssenerkennen,dasssichdieMehrheitderBürgereindezentrales

undklimafreundlichesEnergiesystemwünschenunddieInitiativenundProjekte,dieschonvonBürgern

undGemeinschaftenaufderganzenWeltrealisiertwurdenundwerden,bedürfenderFörderungund

verstärkterAufmerksamkeit.

• Einweiterer,oftvernachlässigterVorteilvonBürgerenergieistdieSozialisationunddassteigendeGe-

sellschaftsgefühl,mitwelchemalleBeteiligtennacheinererfolgreichenRealisationeinesBürgerener-

gieprojektsbelohntwerden.SomitgehtesbeiderEnergiewendenichtnurumInvestitionenundein

nachhaltigesEnergiesystem,sondernauchumdensozialenZusammenhaltderGesellschaft.Sobalddie

BevölkerungeinGefühlfürKleinprojekteundDezentralisierungbekommtunddieRahmenbedingungen

stimmen,kannsichdieEnergiewendezueinemSelbstläuferentwickeln.

DieTeilnehmerderPodiumsdiskussionundWWEAGeneralsekretärStefanGsänger

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BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

• StädteundKommunennehmeneinewichtigeRolle inderglobalenEnergiewendeein.Siesollten im

BereichderErneuerbarenEnergieneineFührungsrolleübernehmen,WegezumZiel(roadmarking)fest-

legen,denpolitischenRahmensetzenundsichfürdieFreiheit,dasStromnetzohneEinschränkungen

nutzenzukönnen,einsetzen.

• Fürdie(Bürger)EnergiewendewirdinZukunftsehrvielKapitalausderPrivatwirtschaftbenötigt,auch

ausdenKommunen.AndieserSchnittstellemussinZukunftdaraufgeachtetwerden,dassBürgernund

individuellenInvestorennichtdieMöglichkeitentzogenwird,amEnergiemarktteilzunehmen.Einde-

zentralesEnergiesystemsollteesmöglichstvielen,wennnichtsogarallenMenschenermöglichen,nach-

haltigeEnergiezuproduzierenundzukonsumieren.

• EineerfolgreicheEnergiewendeistvorallemvonvalidenDatenabhängig.Projektierer,Bürger,Planer

undPolitikerbenötigeneinegefestigteDatengrundlageumzentralepolitische,infrastrukturelleundin-

vestitionsbezogeneEntscheidungen treffenzukönnen. InternationalenOrganisationenkommtdabei

einewichtigeRolleinderKoordinationderSammlungundBereitstellungdieserDatenzu.

• EntscheidungsträgerninEntwicklungs-undTransformationsländersollteaufgezeigtwerden,warumdie

BürgerenergiesowichtigistundwelcheNutzeneffektediesesModellmitsichbringt,wasbishernicht

sonderlichgutgelungenist.SinkendeTransaktionskostenundeinförderlicherpolitischerRahmenkön-

nenalsFundamentfüreineEnergiewendedienen,dieLösungsansätzefürArmutsbekämpfungalsauch

dieBekämpfungdesKlimawandelsbietet.AusschreibungsmodellesolltenvordiesemHintergrundeher

kritischbetrachtetwerden.

• DasPariserAbkommenwareinenormwichtigesSignalfürdieweltweiteEnergiewende,dieserRücken-

winddarfjetztnichtaufhörenwehenbzw.esmüssennundieWeichengelegtwerden,damitesinruhi-

gerenZeitenauchwirklichmitderEnergiewendeweitergeht.DieFrage,diesichvorCOP21gestellthat

war:WerträgtdieLastundweristverantwortlichfürdenKlimawandel?Nun,nachdemPariserAbkom-

men,stelltsichdieFrage:WernutztdieChancen,auchindenEntwicklungsländern?

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BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

TeilC:ZehnElementeeinerGlobalenBürgerenergie-Strategie

1. BürgerenergieisteineTriebfederundwesentlicheVoraussetzungfürdenErfolgderglobalen

Energiewende,wieinParisbeschlossen

2. BürgerenergiebedeutetgleichmäßigeVerteilungvonNutzenundVorteilen,diesichausder

Energieerzeugungergeben,undstärktdielokaleWertschöpfung,insbesondereauchinEntwick-

lungsländern

3. BürgerenergiesichertsozialeAkzeptanzundsozialeUnterstützungfürdieEnergiewende

4. BürgerenergieprojektesollengleicheMarktzugangschancenwiealleanderenInvestorenhaben

undnichtdiskriminiertwerden

5. GarantierteEinspeisetarifehabensichalskosteneffizientesInstrumentbewährt,dasallenfaire

MarktzugangschancengewährtundgleichzeitigeinehoheAusbaudynamikerreichenkann

6. FürdieIntegrationderErneuerbarenEnergienmüssenneueInstrumenteentwickeltwerden,

diediewichtigeRollederBürgerenergienutzenundsicherstellen

7. BürgerenergiekommteinezentraleRolleaufdemWegzueinerVollversorgungausErneuerba-

renEnergienzu,insbesonderebeiderlokalenIntegrationderErneuerbarenEnergien

8. NeueGeschäftsmodellefürBürgerenergieliegeninsbesondereindirektenVersorgungvon100

%StromausErneuerbarenEnergien,sowieinweiterenBereichenwieMobilität,Heizen/Kühlen,

undmehr

9. Bürgerenergieakteuresollensichregional,nationalwieinternationalbesservernetzenundsich

gemeinsamaufallenEbenenfürdiepolitischeAnerkennungderSchlüsselrollederBürgerener-

gieeinsetzen

10. EinführungeinesGlobalFIT-Programms(sieheAbbildung23)etwaimRahmendesGreenCli-

mateFund,umnationaleEinspeisetarifeinEntwicklungsländernabzusichern.

Abbildung23:übernommenausWWEA(2014)

43

BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

Anhang

EckpunktederAusschreibungfürWindenergieanLandundErklärungdeseinstufigenRefe-renzertragsmodells

(StandFebruar2016)

• FürWindenergieanlagenanLandwerdenAusschreibungeneingeführt.Hiervonwerdenausgenommen:

o AnlagenmiteinerLeistungbis1MW

o PrototypenineinemUmfangvonhöchstens100MWproJahr.

• TeilnehmenkönnenalleAnlagen,dieübereineGenehmigungnachdemBundes-Immissionsschutzgesetz

verfügen(AusnahmefürBürgerwindprojekte).

• DerersteGebotsterministder1.Mai2017.

• ImJahr2017werdenzweiweitereAusschreibungsrundendurchgeführt,2018sindesinsgesamtvierAus-

schreibungsrunden.DieanfänglichhöhereFrequenzbeidenAusschreibungsrundendientdazu,dasssich

möglichstschnelleinZuschlagsniveauetabliert.Ab2019werdennurnochdreiAusschreibungsrundenpro

Jahrdurchgeführt,umdasWettbewerbsniveauanzuheben.

• Gebotenwirdaufden„anzulegendenWert“aufBasiseineseinstufigenReferenzertragsmodellsamRefe-

renzstandort(100Prozent-Standort).

• DerHöchstwertfürdieGebotewirdmit7,0CentproKilowattstundefürden100Prozent-Referenzstandort

über20Jahrefestgelegt.DerWertwirdautomatischjährlichumeinProzentabgesenkt.JenachWettbe-

werbsbedingungenundKostensituationkanndieBundesnetzagenturdenWertauchumbiszuzehnProzent

höheroderniedrigerfestsetzen.

• DieHöhederzuhinterlegendenSicherheitbeträgt30EuroproKilowatt(AusnahmefürBürgerwindprojekte:

15€prokWbeiGebotsabgabe,15€prokWbeiZuschlag).

• DieAnlagensolleninnerhalbvonzweiJahrennachZuschlagserteilungerrichtetwerden.Nachinsgesamt30

MonatenverfälltderZuschlag;dieseFristkanneinmaligverlängertwerden,wenndasProjektbeklagtwird.

• Gebotenwirdaufden„anzulegendenWert“aufBasiseineseinstufigenReferenzertragsmodellsamRefe-

renzstandort(100Prozent-Standort).

o DerReferenzstandortwirdneudefiniert,umdenBaueffizienterAnlagenstärkeralsbislanganzu-

reizen.BeiderBerechnungdesReferenzertragswertswirdinZukunftauf100mHöheeineWind-

geschwindigkeitvon6,45m/szugrundegelegtunddieZunahmederWindgeschwindigkeitmitzu-

nehmenderAnlagenhöhe istdurchdassog.PotenzgesetzmiteinemHellmannindexvon0,25zu

definieren.

o AufdieserGrundlagegebendieAnlagenbetreiberinderAusschreibungihreGeboteaufBasiseines

100Prozent-Standortsab.HierzuwirddertatsächlicherwarteteReferenzertragderAnlagemithilfe

eines gesetzlichdefiniertenKorrekturfaktors indenReferenzertrageines100Prozent-Standorts

umgerechnet.DadurchistdieVergleichbarkeitderGebotegegeben.

o DieZuschlägewerdenvonderBNetzAaufdieserGrundlageerteilt.DiebezuschlagtenWindener-

gieanlagenwerdenanschließendanhandihrestatsächlichenReferenzertrags(undnichtdesauf100

ProzentumgerechnetenReferenzertrags)gefördert.ZudiesemZweckwirdderindividuelleRefe-

renzertrag vor Inbetriebnahme für den jeweiligen Standort nachGutachten aufBasis der FGW-

Richtlinienfestgelegt.DieserkonkreteVergütungssatzgiltüberdengesamtenVergütungszeitraum

von20Jahren.DerReferenzertragwirdkünftignachfünf,zehnund15Jahrenüberprüft,umdie

FörderungbesserandentatsächlichenErtragderAnlageanzupassen.

o HintergrundzurBerechnungderVergütungshöhe:DerZuschlagswertwird fürden100Prozent-

ReferenzertragswertmiteinemKorrekturfaktormultipliziert.DafürwerdenimEEGStützwertein

Dezimalschritten zwischen 70 und 150 Prozent festgelegt. Zwischen benachbarten Stützwerten

44

BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

wird linear interpoliert. Unterhalb eines Referenzertragswerts von 70 Prozentwird der Korrek-

turfaktornichtweitererhöht.DieKorrekturfaktorenwurdensogewählt,dasseindeutschlandwei-

terAusbauunterstütztundgleichzeitigwindhöffigereStandortestärkerangereiztwerden.Eswer-

denfolgendeStützwertefürdieKorrekturfaktorenvorgeschlagen:

• DerHöchstwertfürdieGebotewirdmit7,0CentproKilowattstundefürden100Prozent-Referenzstandort

über20Jahrefestgelegt.DieserWertentsprichtgrobdembisherigenVergütungssatzindemzweistufigen

Referenzertragsmodell(Mischkalkulation).DerWertwirdautomatischjährlichumeinProzentabgesenkt.Je

nachWettbewerbsbedingungenundKostensituationkanndieBNetzAdenWertauchumbiszuzehnProzent

höheroderniedrigerfestsetzen.

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BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT

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World Wind Energ ssociation e

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www wwindea org

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orneliusstra e üsseldorf

Deutschland

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www lee-nrw de

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