Rote Zellen

5/11/2018 Rote Zellen - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/rote-zellen 1/13



Die letzten 30 Jahre – Erinnerungen an Rote Zellen und andere Linke

Am 24. November 2010 lief im Ersten der Film Die letzten 30 Jahre (Regie: Michael Gutmann; Buch:Ruth Toma), der für den Deutschen Fernsehpreis nominiert worden war. Er hat ihn nicht erhalten.

Das tröstet. Denn zu befürchten ist, daß nicht wenige ‚Nachgeborene’, die diesen Film sahen, nundenken, Linke und Staat der siebziger, achtziger... Jahre wären so gewesen, wie in dem Filmchendargestellt.

Aber weder hatten die Roten Zellen auch nur entfernte Ähnlichkeit mit ihrer Karikatur imFilm (und Linke plapperten auch nicht so) noch erhielt jemand ‚Berufsverbot’ dafür, daß er einmalin München ein Rote-Zellen-Flugblatt an der Uni verteilt hatte (oder wurde ihm gar, wie im Film,der Eintritt ins Referendariat verweigert – das kam mal vor, aber bereits 1975 wurde vom Bundes-verfassungsgericht in Band 39, S. 334 ff. geklärt wurde, daß trotz ‚Radikalenerlaß’ Heiner Sämisch,der an 40 Veranstaltungen der Rotzjur in Kiel teilgenommen haben sollte, das Referendariat alsTeil der Ausbildung zu gewähren ist; er wurde später Rechtsanwalt und ist inzwischen gestorben).Bernhard Schlink, der sich damals in Heidelberg auf seine Promotion vorbereitete, schildert einestudentische Hörsaalblockade gegen die Professoren Hans Schneider und Karl Doehring (BernhardSchlink, Vergangenheitsschuld, Zürich 2007, S. 145-153; 157-163). Der Anführer der Blockade (RoteZelle Jura) wurde später für öffentliches Recht habilitiert und nach heftigen Kontroversen schließ-lich in die honorige Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer aufgenommen; heute ist er Kol-lege Schlinks an der Humboldt-Universität zu Berlin.

Michael Gutmann und Ruth Toma, beide Jahrgang 1956, könnten eigentlich besser wissen,

wie Das rote Jahrzehnt (Gerd Koenen) aussah. Keine Ahnung, was sie 1975 oder zu Zeiten desStartbahn-West-Kampfes Anfang in den Achtzigern trieben. Vielleicht sind sie nur Opfer des Ab-kupferns aus Wikipedia, wo es (noch) keinen Beitrag über die Roten Zellen gibt und diese nur alsTeil der Münchner Studentenbewegung, Vorläufer der MG (Marxistische Gruppe) der Alleinunter-halter Ludwig Fertl & Karl Held en passant erwähnt werden. Weder von der Rotzök an der FreienUniversität in Berlin/West, in welcher der einflußreiche, leider auch schon verstorbene ÖkonomJörg Huffschmid startete (sein gelbes edition-suhrkamp -Bändchen über Die Politik des Kapitals erlebte viele Auflagen; später DKP und Professor in Bremen), noch von der dortigen Rotzeg ist näm-lich in Wikipedia die Rede...

Wie dem auch sei – provoziert durch die Legendenbildung des Films habe ich in altenUnterlagen gestöbert und wenigstens die Deckblätter einiger Rote-Zellen-Publikationen gescannt(Interessenten an ‚Mehr’ – bitte melden!); zu den Trouvaillen gehört u.a. der Veranstaltungshinweis„Lethen“, der niemand anders als den heutzutage renommierten Germanisten Helmut Lethen meint(nach der Wiedervereinigung Professor in Rostock, nachdem die SED-Bruderpartei DKP einst imMarburg der siebziger Jahre ihm als maoistisch-nationalen Abtrünnigen von der richtigen Linie desSowjetmarxismus ein Quasi-Berufsverbot erteilt hatte). Beim Scannen habe ich ausnahmsweiseauch mal mehr als nur das Deckblatt gescannt, und zwar als es um das Schulungsprogramm ging,mit dem wir Oberschüler am Städtischen neusprachlichen Gymnasium Blomberg uns einst imMarxismus schulten (ob Schulkamerad Frank[-Walter] Steinmeier dabei war, wird nicht verraten)...

Rote Zellen

Documents

Transcript of Rote Zellen