Rohe Geschäfte

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Fokus 18. SEPTEMBER 2011 15 Anlagen der Konkola Copper Mines bei Kitwe: Gefährdete Umwelt FOTO: MEINRAD SCHADE Sambia Seite 18 Verheerende Folgen des Kupferabbaus in Mufulira Dobelli Seite 20 Warum wir uns gerne über Wahrheiten hinwegtäuschen Schawinski Seite 20 Kaspar Villigers Versagen nach dem UBS-Debakel JAMES BREIDING Mittagessen mit dem Banker und Autor SEITE 21 HENNING MANKELL Der Krimi-Autor über sein Polit-Engagement SEITE 23 ANZEIGE ROHE GESCHÄFTE VON MICHAEL SOUKUP Es ist eine heile Welt, die uns die Bou- levardpresse vorgaukelt. Letzte Woche berichtete der «Blick» aus Monaco. Fürst Albert II. und seine Gattin Char- lène hatten geladen. «Und mittendrin eine Ex-Miss-Schweiz! Fiona Hefti, 33, hatte auch Grund zum Feiern. Mit ihrem Mann, dem Rohstoffhändler Christian Wolfensberger, 40, und den Kindern Juri, 2, und Polina, 3 Mona- te, ist sie in ihr neues Haus am Zürich- see eingezogen.» Der Glamour-Gatte arbeitet bei Glencore. Als leitender Händler ge- hört er einem neunköpfigen Team an, das die Geschäftsbereiche Metalle, Energieprodukte und Agrarprodukte verantwortet. Dank dem Börsengang des weltgrössten Rohstoffhändlers vergangenen Mai wurde Wolfensber- ger auf einen Schlag steinreich. Die «Bilanz» schätzt, dass Wolfens- berger eine Beteiligung von 1 bis 3 Pro- zent an Glencore hält. In Zahlen aus- gedrückt: Am Tag des Börsengangs be- trug der Wert seines Aktienpakets zwi- schen 0,5 und 1,6 Milliarden Franken. Wie ist das möglich? Schliesslich sitzt ein Händler wie Wolfensberger meist in seinem Büro, starrt auf Bild- schirme und tippt auf die Tastatur. Als Co-Direktor verantwortet Wol- fensberger die Abteilung Eisenlegie- rung, Nickel und Kobalt. Sie gehört zu den lukrativsten Geschäftsfeldern von Glencore. Die Marktanteile bei den Metallen am Welthandelsvolumen sind unglaublich hoch: alleine bei Kupfer 50 Prozent, bei Kobalt respek- tive Nickel 23 und 14 Prozent. Eingesetzte Schwefelsäure ist verheerend für die Menschen Kobalt ist ein seltenes wie strategisch wichtiges Metall, das beispielsweise in Farben, Lacken und Batterien Ver- wendung findet. Gewonnen wird Ko- balt überwiegend aus Kupfer- und Ni- ckelerzen, die grösstenteils im Kongo und in Sambia abgebaut werden. In beiden afrikanischen Ländern besitzt Glencore Kupfer- und Kobaltminen. Zum Beispiel die Mopani Copper Mine (MCM) in Mufulira, die grösste Kupferhütte Afrikas und zugleich pro- fitabelste Sambias. In der Mopani-Mi- ne rackern sich 16 000 Menschen meh- rere Hundert Meter unter der Erde ab. Um die Metalle herauszulösen, wer- den grosse Mengen Schwefelsäure in die unteren Bodenschichten gespritzt – mit verheerenden Folgen für Mensch und Umwelt. 2008 vergifteten sich 800 Anwohner mit dem schwefelverseuch- ten Wasser. Eine französische Journalistin be- suchte die Kupfermine von Mopani, wo sie mit Zeugen sprach: «Alle be- richten in etwa dasselbe: An diesem Morgen hätten sie das Gefühl gehabt, Rasierklingen zu schlucken. Erbre- chen, starker Durchfall – manche hat- ten sich erst nach mehreren Wochen vollständig davon erholt.» Glencore betont, dass in den letzten Jahren über 2 Milliarden Dollar in Mo- pani investiert wurden, unter anderem, um in Übereinstimmung mit der Regie- rung bis zum Jahr 2015 alle Schwefel- dioxid-Emissionen abzufangen. Und damit ein Problem zu lösen, das bereits mehr als 60 Jahre vor Glencores Enga- gement in Mopani entstanden sei. Die Reportage über die Zustände in Glencores Kupfermine findet sich im Buch «Rohstoff – das gefährlichste Geschäft der Schweiz», das von der Nichtregierungsorganisation Erklä- rung von Bern (EvB) herausgegeben wird und morgen erscheint (siehe Vor- abdruck mit Glencores Stellungnah- Die Schweiz ist eine Drehscheibe des internationalen Rohstoffhandels. Händler von Firmen wie Glencore macht er zu Milliardären. Die Bevölkerung in den Förderländern leidet unter massiven Umweltschäden. FORTSETZUNG AUF SEITE 17 Schmetterlings-Wochen Beim Kauf einer Matratze in der Ausführung GrandeHygiène schenken wir Ihnen bis zu CHF 400.-* Hygiene-Bonus CHF 400.- * * Bis 30. November 2011, ab Breite 80 cm CHF 200.–, ab Breite 160 cm CHF 400.– l www.roviva.ch

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Rohstoffartikel in der Sonntagszeitung

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Page 1: Rohe Geschäfte

Fokus 18. September 2011

15Anlagen der Konkola

Copper Mines bei Kitwe: Gefährdete Umweltfoto: meinrad Schade

Sambia Seite 18Verheerende folgen des Kupferabbaus in mufulira

Dobelli Seite 20Warum wir uns gerne über Wahrheiten hinwegtäuschen

Schawinski Seite 20Kaspar Villigers Versagen nach dem UbS-debakel

JAMeS BreiDinG Mittagessen mit dem Banker und AutorSeite 21

HenninG MAnKellDer Krimi-Autor über sein Polit-EngagementSeite 23

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rohe geschäfteVon michaeL SoUKUp

Es ist eine heile Welt, die uns die Bou-levardpresse vorgaukelt. Letzte Woche berichtete der «Blick» aus Monaco. Fürst Albert II. und seine Gattin Char-lène hatten geladen. «Und mittendrin eine Ex-Miss-Schweiz! Fiona Hefti, 33, hatte auch Grund zum Feiern. Mit ihrem Mann, dem Rohstoffhändler Christian Wolfensberger, 40, und den Kindern Juri, 2, und Polina, 3 Mona-te, ist sie in ihr neues Haus am Zürich-see eingezogen.»

Der Glamour-Gatte arbeitet bei Glencore. Als leitender Händler ge-hört er einem neunköpfigen Team an, das die Geschäftsbereiche Metalle, Energieprodukte und Agrarprodukte

verantwortet. Dank dem Börsengang des weltgrössten Rohstoffhändlers vergangenen Mai wurde Wolfensber-ger auf einen Schlag steinreich.

Die «Bilanz» schätzt, dass Wolfens-berger eine Beteiligung von 1 bis 3 Pro-zent an Glencore hält. In Zahlen aus-gedrückt: Am Tag des Börsengangs be-trug der Wert seines Aktienpakets zwi-schen 0,5 und 1,6 Milliarden Franken.

Wie ist das möglich? Schliesslich sitzt ein Händler wie Wolfensberger meist in seinem Büro, starrt auf Bild-schirme und tippt auf die Tastatur.

Als Co-Direktor verantwortet Wol-fensberger die Abteilung Eisenlegie-rung, Nickel und Kobalt. Sie gehört zu den lukrativsten Geschäftsfeldern von Glencore. Die Marktanteile bei

den Metallen am Welthandelsvolumen sind unglaublich hoch: alleine bei Kupfer 50 Prozent, bei Kobalt respek-tive Nickel 23 und 14 Prozent.

eingesetzte Schwefelsäure ist verheerend für die Menschen

Kobalt ist ein seltenes wie strategisch wichtiges Metall, das beispielsweise in Farben, Lacken und Batterien Ver-wendung findet. Gewonnen wird Ko-balt überwiegend aus Kupfer- und Ni-ckelerzen, die grösstenteils im Kongo und in Sambia abgebaut werden. In beiden afrikanischen Ländern besitzt Glencore Kupfer- und Kobaltminen.

Zum Beispiel die Mopani Copper Mine (MCM) in Mufulira, die grösste Kupferhütte Afrikas und zugleich pro-

fitabelste Sambias. In der Mopani-Mi-ne rackern sich 16 000 Menschen meh-rere Hundert Meter unter der Erde ab. Um die Metalle herauszulösen, wer-den grosse Mengen Schwefelsäure in die unteren Bodenschichten gespritzt – mit verheerenden Folgen für Mensch und Umwelt. 2008 vergifteten sich 800 Anwohner mit dem schwefelverseuch-ten Wasser.

Eine französische Journalistin be-suchte die Kupfermine von Mopani, wo sie mit Zeugen sprach: «Alle be-richten in etwa dasselbe: An diesem Morgen hätten sie das Gefühl gehabt, Rasierklingen zu schlucken. Erbre-chen, starker Durchfall – manche hat-ten sich erst nach mehreren Wochen vollständig davon erholt.»

Glencore betont, dass in den letzten Jahren über 2 Milliarden Dollar in Mo-pani investiert wurden, unter anderem, um in Übereinstimmung mit der Regie-rung bis zum Jahr 2015 alle Schwefel-dioxid-Emissionen abzufangen. Und damit ein Problem zu lösen, das bereits mehr als 60 Jahre vor Glencores Enga-gement in Mopani entstanden sei.

Die Reportage über die Zustände in Glencores Kupfermine findet sich im Buch «Rohstoff – das gefährlichste Geschäft der Schweiz», das von der Nichtregierungsorganisation Erklä-rung von Bern (EvB) herausgegeben wird und morgen erscheint (siehe Vor-abdruck mit Glencores Stellungnah-

Die Schweiz ist eine Drehscheibe des internationalen Rohstoffhandels. Händler von Firmen wie Glencore macht er zu Milliardären. Die Bevölkerung in den Förderländern leidet unter massiven Umweltschäden.

FortSetzUnG AUF Seite 17

Schmetterlings-WochenBeim Kauf einer Matratze in der AusführungGrandeHygiène schenken wir Ihnen bis zuCHF 400.-*

Hygiene-BonusCHF 400.-** Bis 30. November 2011, ab Breite 80 cm CHF 200.–, ab Breite 160 cm CHF 400.– l www.roviva.ch

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17 18. September 2011

RohstoffhandelFokus

me auf Seite 18 und www.sonn-tagszeitung.ch/fokus).

Die Brisanz des Buches liegt we-niger im Aufdecken neuer Skan-dale als in der Verdichtung unzäh-liger, meist öffentlich zugänglicher Informationen zu einem Gesamt-bild des globalen Rohstoffhandels mit Zentrum Schweiz.

Meist beschränkt sich die Be-richterstattung auf die giganti-schen Umsätze der Rohstoffbran-che. So befinden sich unter den 20 umsatzstärksten Schweizer Firmen sechs Rohstoffhändler: Glencore (Platz 1), Trafigura (3), Xstrata (7), Mercuria (8), Cargill (11) und Petroplus (13).

«Bekannt ist über diese ver-schwiegene Branche, die hier in der Schweiz etwa gleich viel zum Bruttoinlandprodukt beiträgt wie der Maschinenbau, so gut wie gar nichts», schreibt die EvB.

Der Gang Glencores an die Börse zeigt jedoch eindrücklich auf, dass der «Rohstofffluch» auch lange nach dem Ende der europäischen Kolonialherrschaft weiterhin wirkt: Rohstoffreiche Länder sind und bleiben sehr arm, während Rohstoffhändler aus der industrialisierten Welt unermesslich reich werden. «Roh-stoffhändler», sagte der grüne Zuger Politiker Josef Lang über Glencore-Gründer Marc Rich, «sind die Blutsauger der Dritten Welt.»

Ivan Glasenberg, CEO von Glen-core, wurde praktisch über Nacht zum sechstreichsten Schweizer. Der Wert seines Aktienpakets entsprach mit 8,2 Milliarden Franken der Hälfte des Brutto-inlandpro-dukts Sambias. Und die für den Handel mit Kupfer, Zink und Blei zuständigen Senior Traders, Daniel Maté und Telis Mistakidis, sind der viertreichste Spanier respektive der zweit-reichste Grieche.

«Unternehmen wie Glencore machen, was sie wollen»

Die steuerliche Optimierung von Konzernstrukturen ist genauso Strategie wie der lockere Umgang mit Umweltauflagen oder Arbeits-rechten. In Norwegen fliessen 70 Prozent der Gewinne aus den Ölexporten in die Staatskasse. In Sambia hingegen liegt dieser An-teil unter 5 Prozent.

Der sambische Ökonom und Aktivist Savior Mwambwa weiss warum: «Unternehmen wie Glen-core verbuchen die Gewinne in extra dafür in Steuerparadiesen angesiedelten Filialen.» Sie hät-ten die besten Anwälte und die besten Buchhalter der Welt: «Sie machen, was sie wollen.»

Und das geht laut EvB so: Glen-core besitzt über eine Finanztoch-ter in der Steueroase Bermuda und ein Investmentvehikel auf British Virgin Island seit 2000 einen Mehrheitsanteil an der Mo-pani-Mine. Hauptsitz Glencores ist wiederum die Schweiz. So kommt es, dass laut UNO-Han-delsstatistik der Anteil der sambi-schen Exporte in die Schweiz am

Gesamtvolumen seit 2002 drama-tisch zugenommen hat: 2008 be-trug er rund 50 Prozent. Damit ist die Schweiz der grösste Kupfer-verbraucher der Welt.

Freilich nur auf dem Papier. Denn es handelt sich dabei um virtuelle Kupferladungen, die per Mausklick verschoben werden. Jedenfalls taucht Sambia in der Importstatistik der Eidgenössi-schen Zollverwaltung für Kupfer nirgendwo auf.

Eine Untersuchung der Buch-prüfungsfirma Grant Thornton und der Beratungsfirma Econ Pöyry im Auftrag der sambischen Steuerbehörden kam Ende 2010 zum Schluss, dass Glencore in Sambia gezielt die Kosten aufblä-he und intern keine Marktpreise verrechne. Statt Gewinnsteuern zu zahlen, schreibe Glencore in Sambia seit Jahren Verluste – ob-wohl der Kupferpreis dieses Jahr mit 10 000 Dollar pro Tonne so hoch wie noch nie war.

Ein raffiniertes Instrument zur Steuervermeidung sind Derivate-Geschäfte, die der Preisabsiche-rung dienen. Die Rechnungsprü-fer fanden Derivate-Deals, die so strukturiert waren, dass Mopani sowohl bei steigenden als auch sinkenden Preisen verliert. Die jeweilige Gegenpartei war eine andere Glencore-Tochter.

Glencore widerspricht vehe-ment dieser Darstellung: «Wir ha-ben öffentlich und wiederholt Vorwürfe in Bezug auf Mopanis Steuerzahlungen zurückgewie-sen. Die gemachten Behauptun-gen basieren auf einem Entwurf eines vorläufigen Berichts, der vor

einigen Monaten in Sambia in Umlauf gebracht wurde und den die sambische Finanzbehör-de als ‹vertraulichen, vorläufigen und unvollständigen Entwurf› be-schrieb.» Dieser enthalte grund-legende sachliche Fehler, zu de- nen Glencore auf seiner Website Stellung nehme.

Trafiguras verschachteltes Imperium optimiert Steuern

Sind die Milliardengewinne ein-mal in der Schweiz parkiert, kom-men das milde Steuerklima und die willigen Steuerbehörden ins Spiel. Entscheidend sind nicht die an sich bereits europaweit re-kordtiefen Unternehmenssteuern, sondern die Sonderregeln.

Neben Genf ist Zug mit rund 100 Handelshäusern einer der weltweit wichtigsten Rohstoff-Drehscheiben. Die Händler fan-den in den 70er-Jahren Gefallen an einer Zuger Spezialität: der gemischten Domizilgesellschaft. Dank dieses gewitzten Kunstgriffs profitieren die Händler von den Tiefststeuersätzen, die eigentlich nur für Briefkastenfirmen gelten – obwohl beispielsweise in Glen- cores «Briefkasten» derzeit 550 Händler arbeiten. Sie dürfen in Zug eine Geschäftstätigkeit aus-üben, wenn der Anteil des Aus-landsgeschäfts mindestens 80 Pro-zent beträgt. Damit bleibt das Gros der im Ausland erzielten Erträge weitgehend steuerfrei. Letztes Jahr betrug Glencores Gewinn immer-hin 3,8 Milliarden Franken.

Mittlerweile mischen auch ande-re Kantone mit. Die in Luzern an-sässige Trafigura ist mit 79 Milliar-

den Franken Umsatz zweitgröss-ter Rohstoffhändler der Schweiz. Auch er optimiert meisterhaft sei-ne Steuern – dank einem ver-schachtelten Imperium, bestehend aus 40 Tochtergesellschaften.

Die Verwirrung fängt schon bei der Firmenadresse an: «Trafigura Beheer B.V. Amsterdam, Zürich-strasse 31, 6002 Lucerne». Erst eine Recherche der SonntagsZei-tung ergibt Folgendes: Die Mutter-gesellschaft Farringford NV ist auf den Niederländischen Antillen re-gistriert, der Holdingsitz befindet sich in Amsterdam, gehandelt wird aber in London, Genf und Luzern. In der Innerschweiz schlägt das Herz Trafiguras: der Handelsraum für Kupfer, Blei, Zink und Alumi-nium mit 200 Mitarbeitern.

Da in Luzern in den Neunziger-jahren die regulären Unterneh-menssteuern hoch waren, konnte Trafigura wohl nur mit einem privilegierten Steuersatz für ge-mischte Domizilgesellschaft ge-ködert werden. Statt aktuell 10,5 Prozent Gewinnsteuern bewegen sich die reduzierten Sätze in Lu-zern zwischen 0 und 3 Prozent.

Bei einer knappen Milliarde Franken Gewinn zahlte Trafigura so 2009 höchstens 30 Millionen Franken Steuern. Damit zählt Trafigura zu den grössten Steuer-zahlern Luzerns, gleichzeitig ent-gehen aber den Produktionslän-dern Hunderte von Millionen Franken an Steuergeldern.

Laut der welschen Wirtschafts-zeitung «L’Agefi» verlegt Trafigu-ra auf Ende Jahr seinen juristi-schen Sitz nach Genf. Dabei spiel-ten die ebenfalls attraktiven Gen-

fer Steuersätze eine nur unterge-ordnete Rolle. Entscheidend war die Entwicklung Genfs zur global dominierenden Erdöldrehscheibe: Von drei Liter Erdöl, die auf dem Weltmarkt verkauft werden, wird einer über die Schweiz gehandelt. Allein die fünf grössten in Genf an-gesiedelten Ölkonzerne haben einen Weltmarktanteil von 28 Pro-zent. Glencore steuert aus Baar weitere 5 Prozent dazu.

Um den Kauf weiterer Minen finanzieren zu können, wagte Glencore den Schritt an die Bör-se. Dafür steht der Rohstoffkoloss nun im Scheinwerferlicht der Weltöffentlichkeit. Werden von Nichtregierungsorganisationen gravierende Verstösse gegen Um-weltauflagen oder Menschenrech-te angeprangert, wirkt sich dies negativ auf den Aktienkurs aus, und institutionelle Investoren wie Pensionskassen machen einen weiten Bogen um Glencore.

Trafigura hat praktisch keine Informationspflichten

Als letztes Jahr ein Bankenanalyst bei einer Präsentation für Inves-toren Trafigura fragte, ob sie einen Börsengang plane, erntete er ungläubige Blicke. Der Roh-stoffgigant würde sicherlich nicht an die Börse gehen. Denn als Privatfirma hat er praktisch keine Informationspflichten.

Der gegen Korruption und übermächtige Konzerne kämpfen-de US-Bundesrichter Lous Brand-eis stellte schon vor hundert Jah-ren fest: «Sunlight is the best di-sinfectant – Sonnenlicht ist das beste Desinfektionsmittel.»

Rohe Geschäfte

FoRTSeTzUnG von SeITe 153

ENERGIE MINERAL AGRAR

Quellen: EvB, UNCTAD 2010

Öl

Gas

Kohle

Gold

Kupfer

Aluminium

Eisenerz

Edelsteine

Diverse mineralische RohstoffeGetreidePflanzenfette

Futtermittel

Kaffee, Kakao, Tee

Zucker

Baumwolle

Diverse Agrarprodukte*

*Beinhaltet auch Früchte undGemüse, die keine standardisierten«Commodities» darstellen

Rohstoffmarkt nach Marktanteilen (Monetäre Anteile an Weltexporten)

Quellen: EvB, Handelszeitung, Firmenangaben

*in Milliarden Franken 2010

Energie-Rohstoffe

Firma MineralischeRohstoffe

Agrar-Rohstoffe

ERDÖ

L

ERDG

AS

KOHL

E

KUPF

ER

ALU

EISE

N

GETR

EIDE

PflAN

ZENF

ETTE

ZUCK

ER

Glencore

Trafigura

Xstrata

Mercuria

Cargill

1.

2.

3.

4.

5.

Baar ZG

Luzern

Zug

Genf

Genf

145

79

30

29

22

57 500

6000

38 500

800

130 000

Firmendaten

UMSA

TZ*

MIT

ARBE

ITER

WEL

TWEI

T

SITZ

Kerngeschäft der FirmaNebengeschäft der Firma

Märkte der wichtigstenSchweizer Rohstofffirmen

Eisen

Aluminium

Zink

Ferrochrome (für Stahlveredelung)

Kupfer

Blei

Nickel

Kobalt

Kohle (thermisch)

Öl

9,3 1%

METALLE

3,9 22%

1,7 60%

1,5 16%

1,4 50%

0,3 45%

0,2 14%

0,02 23%

196 28%

ENERGIE

125 5%*

Rohstoff Mio.Tonnen

Anteilam freienRohstoffmarkt

*Volumen des freien Rohstoffmarkts nicht bekannt,deshalb Welthandelsvolumen gemäss UNCTAD 2010

Glencores Marktmacht (2010)

Quellen: EvB, Glencore-Emissionsprospekte und -Jahresberichte, UNCTAD 2010

SoZ C

andr

ian;

Foto

: shu

tters

tock

AGRAR

Getreide

Pflanzenöl und Ölsaaten

19 9%

8 4%

Marktanteile der Genfer Rohstoffhändler

35 % Genferseeregion 35 % Genferseeregion 50 % Genferseeregion 50 % Genferseeregion25 % London 20 % Singapur 20 % London 10 % Zürich/Winterthur20 % New York, Houston 10 % Restliches Europa 20 % Hamburg15 % Paris

5 % New York5 % Andere 20 % Andere5 % Singapur15 % Singapur 15 % Nord- und Südamerika 15 % Nord- und Südamerika

10 % Andere

ERDÖL GETREIDE, ÖLSAATEN ZUCKER KAFFEE

35

5

15

25

20

35

2010

15

20 15

15

20

50 50

105

5

20

10

Quel

len:

EvB

, GTS

A

Page 3: Rohe Geschäfte

1818. September 2011

FokusRohstoffhandel

Zweimal, 2009 und 2010, ist die französische Filmjournalistin Alice Odiot nach Sambia im südlichen Afrika gereist, um in der Kupfermine von Mopani, die von einer Tochtergesellschaft des Schweizer Rohstoffkonzerns Glencore betrieben wird, zu den sozialen und ökologischen Folgen des Bergbaus zu recherchieren.

Zum ersten Mal trafen wir Christopher Nkatha im Juni 2009. Christo-pher ist Bergarbeiter. Er arbeitete für Mopani Copper Mines (MCM),

jene Bergbaugesellschaft, die die Kupfervorkommen in Mufulira ausbeutet. Das Abbaugebiet er-streckt sich über 19 000 Hektar im Herzen der Industrieregion Cop-perbelt. Mufulira liegt nur weni-ge Kilometer von der Grenze zur Demokratischen Republik Kongo entfernt (...). Hier haben die Betreiber der Mopani-Mine die grösste Kupferhütte Afrikas errichtet. Es ist einer der renta-belsten Bergbaustandorte des Landes (...).

Wir sind in Begleitung von Herrn Chileshe, einem arbeits-losen Bergarbeiter. Wir fahren am Minengelände entlang (...). Herr Chileshe führt uns nach Kankoyo. Das ist jener Stadtteil von Mufu-lira, der unmittelbar an das Berg-baugelände grenzt und 40 000 Einwohnerinnen und Einwohner hat (...). Je weiter wir auf der holp-rigen Strasse vorankommen, des-to mehr wird vom Minenkomplex sichtbar. Bläulicher, weisser und schwarzer Rauch steigt aus einem unglaublichen Wirrwarr giganti-scher Rohre, Leitungen und Trich-ter auf (...).

Seit einer halben Stunde, also seitdem wir hier sind, habe ich einen eigenartigen, leicht süssli-chen Geschmack im Mund. Dann verändert er sich, so als hätte ich eine Bleistiftspitze gegessen. Es schmeckt metallisch und unange-nehm. Ich atme durch die Nase und meine Lunge zieht sich zu-sammen. Ich spüre ein Brennen in der Luftröhre.

Herr Chileshe hat den Ellen-bogen vor das Gesicht genommen und schützt sich mit dem Jacken-ärmel. Er lächelt etwas verlegen. «Das ist das Centa», gesteht er uns. Diesen Namen haben die Be-wohnerinnen und Bewohner von Kankoyo dem giftigen Gas gege-ben, das aus den Anlagen strömt. Schwefeldioxid. Der Husten lässt sich nicht unterdrücken, doch je mehr man hustet und einatmet, um wieder Luft zu bekommen, desto mehr tut einem der Brust-korb weh. Wir möchten nur noch weg. Nie zuvor habe ich so eine Luft eingeatmet. «Wir haben uns auch nie daran gewöhnt», sagt uns Herr Chileshe, als wir den kleinen Hof vor Christophers Haus betreten.

Rissige Wände bilden zwei Räu-me unter einem rostzerfressenen Blechdach. Alle Dächer des Vier-tels sind in diesem Zustand. Alle sind vom sauren Regen gezeich-net. Im Kontakt mit Wasser ver-wandelt sich Schwefeldioxid näm-lich in Schwefelsäure. Deshalb sind Regenfälle hier eine echte Bedrohung, sie machen die Böden unfruchtbar. Überall nur Staub. Unmöglich, einen Gemüsegarten zu unterhalten.

Christopher bittet uns herein und stellt uns seine Familie vor.

«Das hier ist Bagdad, einfach ohne Krieg»Eine Reportage aus Mufulira in Sambia, wo eine Tochterfirma des

Schweizer Rohstoffkonzerns Glencore die grösste Kupferhütte Afrikas betreibt

Er hat sieben Kinder (...). Cleopa-tra, seine älteste Tochter, ist 17. Sie trägt ein weites, ärmelloses T-Shirt und auf ihrer Haut sind deutlich Schwangerschaftsstrei-fen zu sehen. Cleopatra hat gera-de ihr nur wenige Monate altes Baby verloren. Vor zwei Wochen hat sie es beerdigt. Doch richtig kann sie das immer noch nicht be-greifen. Sie hat Albträume. «Mein Kind ist nicht an einer Krankheit gestorben.» Sie meint, die Anlage stosse immer noch Schwefel-dioxid aus, trotz der Entschwefe-lungssysteme (...).

«Es ging dem Baby nicht gut, es hatte Atemnot», sagt Christopher. «Wir haben es sofort ins Gesund-heitszentrum gebracht. Dort gibt es aber keinen Arzt und die Kran-kenschwestern waren im Streik.

fläche gepumpt. Mittels Hydroly-se wird anschliessend das Kupfer herausgelöst.»

Bei dieser Laugung werden al-so täglich grosse Mengen Schwe-felsäure direkt in die unteren Bo-denschichten von Mufulira einge-spritzt (...). Diese Laugungstech-nik verursacht verheerende Um-weltschäden, doch sie ist rentabel: Man kann das Kupfer schneller und mit weitaus weniger Arbeits-kräften fördern (...).

Unterhalb der Lagerstätten, in die täglich Hunderte Liter Schwe-felsäure gespritzt werden, befin-det sich das Trinkwasserreservoir der städtischen Gesellschaft Mu-longa Water. Ein Pumpensystem sollte verhindern, dass dort Säu-re eindringt. Am 2. Januar 2008 haben sich mit diesem Trinkwas-

ser dennoch über 800 Personen vergiftet. Einer davon war Junior, Christophers ältester Sohn. Er er-innert sich noch sehr genau dar-an: «Als ich ins Krankenhaus kam, waren dort viele Leute. Alle klagten. Ich hatte Angst zu sterben.»

Ein Jahr später, 2010, sind wir wieder in Mufulira (...). Wir neh-men am ersten öffentlichen Mee-ting der von Christopher gegrün-deten Organisation Green and Justice teil. Sie findet an einem Samstag im August im Hof der Kirche von Kankoyo statt (...). «Wir wollen mit Green and Justi-ce für diejenigen sprechen, die keine Stimme haben, und das an-prangern, was hier in unserer Ge-meinde passiert.» Christopher ist Vorsitzender des Vereins.

Danach erhebt sich Savior (Lei-ter einer sambischen Nichtregie-rungsorganisation, Anmerkung der Redaktion): «Mopani behaup-tet, keine Gewinne zu machen und zahlt deshalb keine Steuern. Könnt ihr das glauben?» Die auf Bänken unter einem Baum sitzen-den Leute schütteln schüchtern die Köpfe. «Wenn sie wirklich kei-ne Gewinne machen würden, wä-ren sie doch längst abgehauen, oder?» Lautstarke Zustimmung.

Nun hebt Savior die Stimme: «Das bedeutet, dass sie lügen und ihre Konten frisieren. Mopani nimmt unser Kupfer, verseucht unsere Umwelt und zahlt keine Steuern. Wir können sie verkla-gen. Das ist möglich, kostet aber Zeit …» Ein Mann steht auf und stimmt zu: «Wir müssen etwas tun. Das hier ist Bagdad, einfach ohne Krieg.»

Niemand in Mufulira wurde für die Vergiftung entschädigt. Mopa-ni hat ein Bussgeld von etwa hun-dert Dollar an die örtliche Zweig-stelle des Umweltministeriums gezahlt und weiter mit Schwefel-säure gefördert (...).

Die Mitglieder von Green and Justice sammeln im ganzen Vier-tel Aussagen. Sie lassen sich von jedem Zeugen eine Genehmigung unterschreiben, damit er von einem Anwalt vertreten werden kann (...). Charles Mwandila ist besorgt über die Fördermethode mit Säure. Das Grundwasser war bereits 2004 und 2005 verunrei-nigt worden. In den Büros des Verwaltungschefs der Gemeinde Mufulira schwenkt er vor unseren Augen eine Wasseranalyse, die die Ereignisse vom 2. Januar 2008 belegt. «Man spricht von ‹Emis-sionen›, in Wirklichkeit handelt es sich aber um Vergiftung», sagt er aufgebracht.

Seit 2000 halte sich Mopani nicht an die in Sambia geltenden Normen für den Ausstoss von Schwefeldioxid in die Atmosphä-re. Und die Tochtergesellschaft von Glencore gedenkt, bis 2015 weiter so zu verfahren. Charles zeigt eine der wenigen Luftanaly-sen, die ihm vorliegen. Im Juli 2009 lag der Schwefeldioxidanteil 72-mal über der Norm. Auch die Arsenemissionen übersteigen die gesetzlichen Grenzwerte um das 16-Fache (...).

Ende August 2010 hat Green and Justice 97 Zeugenaussagen gesammelt. Savior ist zurückge-kommen, um die Mitglieder unter dem Baum bei der Kirche von Kankoyo zu informieren. Es wird ein langwieriges, kom-pliziertes Verfahren werden, doch die Opfer im Süden Afrikas wol-len sich nichts mehr gefallen lassen.

Arbeiter der Mopani Copper Mines:

«Mopani nimmt unser Kupfer

und verseucht unsere Umwelt»

foTo: MEinRAd SchAdE

«in Mopani wurden seit der Priva­tisierung mehr als 2 Mia. dollar von den Eigentümern investiert. diese investitionen sichern die langfristige Zukunft des Unter­nehmens. Ein Zustand, der vor dem Einstieg von Glencore kei­nesfalls gegeben war. Glencore ist überzeugt, dass Mopani über die kommenden Jahrzehnte Wert­schöpfung für Sambia und seine Partner liefert, sichere und drin­gend benötigte Arbeitsplätze für viele Tausend Menschen schafft

und sich Umweltproblemen an­nimmt, die vor der Privatisierung während Jahrzehnten schlichtweg unbeachtet blieben. in dieser Zeit hat Glencore nicht einen einzigen cent an dividenden aus dem Unternehmen entnommen. dank den investitionen ist Mopani einer der grössten Arbeitgeber des Landes (...). Glencore teilt die Besorgnis über die Schwefel­dioxid­Emissionen in Mufulira, die bereits viele Jahrzehnte vor der Beteiligung von Glencore ein The­

ma waren. nach erheblichen in­vestitionen und im Einklang mit dem mit den sambischen Behör­den vereinbarten Umweltmanage­mentplan wird heute bereits die hälfte aller Schwefeldioxid­Emis­sionen abgefangen. die Anlagen vor Glencores Übernahme hatten keinerlei dieser Vorrichtungen zum Auffangen von Schwefel­dioxid­ oder Staubemissionen. im Zuge der weiteren Modernisie­rung der Schmelzanlagen rechnet Glencore damit, dass bis zum

Jahr 2015 praktisch alle Schwe­feldioxid­Emissionen abgefangen werden. die investitionen in Mo­pani ermöglichen dem Unterneh­men, die lokale Bevölkerung auf breiter Basis zu unterstützen. Mo­pani investierte 2010 mehr als 15 Mio. dollar in zivile Projekte, vor allem im Gesundheitsbereich. das Unternehmen betreibt zwei Kran­kenhäuser, sieben Kliniken und fünf Erste­hilfe­Zentren (...).» die vollständige Stellungnahme unter www.sonntagszeitung.ch/fokus

Glencore nimmt Stellung: «Mopani investierte 2010 mehr als 15 Mio. Dollar in zivile Projekte»

Alice odiots Reportage aus Sambia ist ein gekürzter Vorabdruck aus dem Buch «Roh stoff – das gefähr­

lichste Geschäft der Schweiz», 434 S., 34.80 fr., Salis­Verlag. das Buch der entwicklungs­politischen organisation Erklärung von Bern (EvB) kommt nächste Woche in den handel.

Brisanter Stoff

Und dann riechst du diese Luft. Stell dir mal vor, wie es einem Säugling dabei geht. Hier kann man nicht sicher sein, ein Kind aufwachsen zu sehen, solange es nicht das Alter von anderthalb Jahren erreicht hat.» (...)

In einem Hotel im Copperbelt treffen wir zufällig Dimitri, einen Glencore-Berater (...). Er schult für Glencore ein zehnköpfiges Team kasachischer Ingenieure in einer neuen, von Mopani entwi-ckelten Fördermethode. In sei-nem Zimmer bügelt Dimitri sein Hemd und mit freiem Oberkörper erläutert er: «In die Lagerstätte wird Säure gespritzt, die eindringt und die Metalle herauslöst. Das Gemisch wird in Reservoirs ge-speichert und dann an die Ober-