Risikokapitalallokation als Instrument der Banksteuerung

10
18 ZfCM | Controlling & Management | Sonderheft 1 › 2007 THEORIE Burghof/Müller Risikokapitalallokation als Instrument der Banksteuerung Hans-Peter Burghof/Jan Müller Dipl. oec. Jan Müller Lehrstuhl für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen, Universität Hohenheim, 70599 Stuttgart E-Mail: [email protected] Einleitung Der Value-at-Risk bildet heute den state of the art der Banksteuerung. Er wird ei- nerseits zur nachträglichen Kontrolle des eingegangenen Risikos sowohl für inter- ne als auch bankaufsichtliche Zwecke eingesetzt. Andererseits findet er in der Form von Value-at-Risk-Limits Anwen- dung bei der Ex-ante-Steuerung des Risi- koexposures der Kreditinstitute. Adres- saten dieser Steuerungsimpulse sind die einzelnen Entscheider innerhalb des Bank- instituts, denen jeweils ein durch einen Value-at-Risk-Wert bestimmtes maxima- les Risiko des von ihnen zu verantwor- tenden Geschäfts vorgegeben wird. Zur Value-at-Risk-Berechnung für Fi- nanztitelportefeuilles existiert eine Viel- zahl anspruchsvoller wissenschaftlicher Arbeiten, die sich der Methoden der an- gewandten Statistik bedienen. Die mit der Risikosteuerung integral verbundene Zuteilung von Value-at-Risk-Limits zu einzelnen Entscheidern wird dagegen in der wissenschaftlichen Literatur bisher wenig betrachtet und erfolgt in der Pra- xis nach unfundierten Heuristiken. Eine Ursache für dieses Ungleichgewicht mag darin liegen, dass die Analyse dieser Fra- gestellung nur durch die Verbindung sta- tistischer mit anderen wissenschaftlichen Konzepten möglich ist, die es erlauben, das Verhalten der Entscheider unter einer bestimmten Anreiz-, Limit- und Informa- tionsstruktur zu beschreiben. Im vorliegenden Text wird daher das Konzept des Value-at-Risk um die Verhal- tensdimension der Steuerung erweitert. Die wenigen anzuführenden Lösungsan- sätze der Literatur werden in ihrer be- schränkten Reichweite dargestellt. Es er- gibt sich eine erhebliche Forschungslücke von großer Relevanz für die Praxis. Risikokapital und Limitsystem Die zentrale knappe Ressource des mo- dernen Bankmanagements ist das haf- tende Bankeigenkapital. Mit der Einfüh- rung von regulatorischen Eigenkapital- normen Ende der achtziger Jahre wurde ein säkularer Trend der Reduktion der Eigenkapitalquote von Kreditinstituten gebrochen (zu Eigenkapitalanforde- rungen vor und ab 1988 siehe Croughy/ Galai/Mark 1999, S.1 ff. und Best 1998 S. 180 ff.). Banken werden heute durch aufsichtliche Normen gezwungen, ein be- stimmtes Mindesteigenkapital im Ver- hältnis zu den von ihnen eingegangenen Risiken vorzuhalten. Darüber hinaus po- sitionieren sich einige Banken mit deut- lich höheren Eigenkapitalquoten. Allen Der Value-at-Risk bildet heute den state of the art der Banksteuerung. Dies schließt auch den Einsatz von Value-at-Risk-Limits zur Ex-ante-Steuerung des Ri- sikoexposures der Kreditinstitute ein. Adressaten dieser Steuerungsimpulse sind die einzelnen Entscheider inner- halb des Bankinstituts, denen jeweils ein durch einen Value-at-Risk-Wert be- stimmtes maximales Risiko des von ihnen zu verantwortenden Geschäfts vor- gegeben wird. Zur Value-at-Risk-Berechnung für Finanztitelportefeuilles existiert eine Viel- zahl anspruchsvoller wissenschaftlicher Arbeiten, die sich der Methoden der angewandten Statistik bedienen. Die mit der Risikosteuerung integral verbun- dene Zuteilung von Value-at-Risk-Limits zu einzelnen Entscheidern wird dage- gen in der wissenschaftlichen Literatur bisher wenig betrachtet und erfolgt in der Praxis nach unfundierten Heuristiken. Im vorliegenden Text wird daher das Konzept des Value-at-Risk um die Verhal- tensdimension der Steuerung erweitert. Die wenigen anzuführenden Lösungs- ansätze der Literatur werden in ihrer beschränkten Reichweite dargestellt. Es er- gibt sich eine erhebliche Forschungslücke von großer Relevanz für die Praxis. Prof. Dr. Hans-Peter Burghof Lehrstuhl für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen, Universität Hohenheim, 70599 Stuttgart E-Mail: [email protected]

Transcript of Risikokapitalallokation als Instrument der Banksteuerung

18 ZfCM |Controlling&Management|Sonderheft1›2007

Theorie

Burghof/Müller

risikokapitalallokation als instrument der BanksteuerungHans-Peter Burghof/Jan Müller

Dipl. oec. Jan MüllerLehrstuhl für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen, Universität Hohenheim, 70599 StuttgartE-Mail: [email protected]

EinleitungDer Value-at-Risk bildet heute den state of the art der Banksteuerung. Er wird ei-nerseits zur nachträglichen Kontrolle des eingegangenen Risikos sowohl für inter-ne als auch bankaufsichtliche Zwecke eingesetzt. Andererseits findet er in der Form von Value-at-Risk-Limits Anwen-dung bei der Ex-ante-Steuerung des Risi-koexposures der Kreditinstitute. Adres-saten dieser Steuerungsimpulse sind die einzelnen Entscheider innerhalb des Bank-instituts, denen jeweils ein durch einen Value-at-Risk-Wert bestimmtes maxima-les Risiko des von ihnen zu verantwor-tenden Geschäfts vorgegeben wird.

Zur Value-at-Risk-Berechnung für Fi-nanztitelportefeuilles existiert eine Viel-zahl anspruchsvoller wissenschaftlicher Arbeiten, die sich der Methoden der an-gewandten Statistik bedienen. Die mit der Risikosteuerung integral verbundene Zuteilung von Value-at-Risk-Limits zu einzelnen Entscheidern wird dagegen in der wissenschaftlichen Literatur bisher wenig betrachtet und erfolgt in der Pra-xis nach unfundierten Heuristiken. Eine Ursache für dieses Ungleichgewicht mag darin liegen, dass die Analyse dieser Fra-gestellung nur durch die Verbindung sta-tistischer mit anderen wissenschaftlichen Konzepten möglich ist, die es erlauben, das Verhalten der Entscheider unter einer bestimmten Anreiz-, Limit- und Informa-tionsstruktur zu beschreiben.

Im vorliegenden Text wird daher das Konzept des Value-at-Risk um die Verhal-tensdimension der Steuerung erweitert. Die wenigen anzuführenden Lösungsan-sätze der Literatur werden in ihrer be-schränkten Reichweite dargestellt. Es er-gibt sich eine erhebliche Forschungslücke von großer Relevanz für die Praxis.

Risikokapital und LimitsystemDie zentrale knappe Ressource des mo-dernen Bankmanagements ist das haf-tende Bankeigenkapital. Mit der Einfüh-

rung von regulatorischen Eigenkapital-normen Ende der achtziger Jahre wurde ein säkularer Trend der Reduktion der Eigenkapitalquote von Kreditinstituten gebrochen (zu Eigenkapitalanforde-rungen vor und ab 1988 siehe Croughy/ Galai/Mark 1999, S.1 ff. und Best 1998 S. 180 ff.). Banken werden heute durch aufsichtliche Normen gezwungen, ein be-stimmtes Mindesteigenkapital im Ver-hältnis zu den von ihnen eingegangenen Risiken vorzuhalten. Darüber hinaus po-sitionieren sich einige Banken mit deut-lich höheren Eigenkapitalquoten. Allen

DerValue-at-RiskbildetheutedenstateoftheartderBanksteuerung.DiesschließtauchdenEinsatzvonValue-at-Risk-LimitszurEx-ante-SteuerungdesRi-sikoexposuresderKreditinstituteein.

AdressatendieserSteuerungsimpulsesinddieeinzelnenEntscheiderinner-halbdesBankinstituts,denenjeweilseindurcheinenValue-at-Risk-Wertbe-stimmtesmaximalesRisikodesvonihnenzuverantwortendenGeschäftsvor-gegebenwird.

ZurValue-at-Risk-BerechnungfürFinanztitelportefeuillesexistierteineViel-zahlanspruchsvollerwissenschaftlicherArbeiten,diesichderMethodenderangewandtenStatistikbedienen.DiemitderRisikosteuerungintegralverbun-deneZuteilungvonValue-at-Risk-LimitszueinzelnenEntscheidernwirddage-geninderwissenschaftlichenLiteraturbisherwenigbetrachtetunderfolgtinderPraxisnachunfundiertenHeuristiken.

ImvorliegendenTextwirddaherdasKonzeptdesValue-at-RiskumdieVerhal-tensdimensionderSteuerungerweitert.DiewenigenanzuführendenLösungs-ansätzederLiteraturwerdeninihrerbeschränktenReichweitedargestellt.Eser-gibtsicheineerheblicheForschungslückevongroßerRelevanzfürdiePraxis.

Prof. Dr. Hans-Peter BurghofLehrstuhl für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen, Universität Hohenheim, 70599 StuttgartE-Mail: [email protected]

Sonderheft1›2007|Controlling&Management|ZfCM 19RisikokapitalallokationalsInstrumentderBanksteuerung

Instituten gemeinsam ist aber, dass Ei-genkapital in Relation zu anderen Finan-zierungsmitteln teuer und nur beschränkt verfügbar ist. Die Geschäftsentfaltungs-möglichkeiten eines Kreditinstituts wer-den daher heute wesentlich durch das verfügbare Eigenkapital bestimmt (eine Gegenüberstellung grundlegender Vari-anten von Eigenkapitalanforderungen bietet Dimson/Marsh 1995).

Wie bei jeder knappen Ressource stellt sich auch beim haftenden Eigenkapital die Frage der richtigen, d. h. der den Un-ternehmenswert maximierenden Alloka-tion über die Geschäftsfelder des Unter-nehmens. Dabei ist jedoch nicht die Fi-nanzierungsfunktion der Aufnahme von Eigenkapital gefragt. Jedes Bankgeschäft benötigt zwar eine Finanzierung. Die Zu-ordnung bestimmter Eigenkapitaltrans-aktionen zu bestimmten Geschäftsab-schlüssen wäre aber konstruiert, da das Bankunternehmen als Ganzes eine Haf-tungseinheit bildet. Ausschlaggebend ist vielmehr die Fähigkeit des Eigenkapitals, als Verlustpuffer existenzbedrohende Verluste des Bankunternehmens auffan-gen zu können (vgl. Dowd 1998, S. 209, 217 11.). In diesem Sinne begreift man das Eigenkapital einer Bank als Ausdruck der Risikotragfähigkeit des Unterneh-mens. Auch hier gilt das Postulat der Haftungseinheit. Man kann sich jedoch fragen, inwieweit einzelne Geschäfte zum möglichen Entstehen solcher existenzbe-drohender Verluste beitragen. In Abhän-gigkeit davon würde das Einzelgeschäft oder eine Teilmenge der Geschäfte einer Bank mehr oder weniger Risikotragfä-higkeit und damit haftendes Eigenkapital „verbrauchen“. Das daraus erwachsende Allokationsproblem ist allerdings sehr viel komplexer als die einfache Zuord-nung von Finanzierungsmitteln zu Inves-titionen.

Die Verlustausgleichsfunktion wird nicht nur, und vielleicht nicht einmal am effizientesten, durch die in der Bilanz ver-zeichneten Eigenkapitalpositionen er-füllt. Bezugsgröße der Eigenkapitalallo-kation ist daher nicht das bilanzielle Ei-genkapital, sondern seine Erweiterung zum so genannten Risikokapital, oder, in bankaufsichtlicher Modifikation, zum

haftenden Eigenkapital. Bei der Feststel-lung des haftenden Eigenkapitals ist zu-sätzlich zu berücksichtigen, dass manche Kapitalpositionen für Dritte kaum über-prüfbar sind und daher für regulatorische Zwecke nicht berücksichtigt werden können (vgl. Burghof/Rudolph 1996, S. 124 ff.). In grober Annäherung lassen sich für die Kapitalallokation die Kom-ponenten des Risikokapitals in fünf un-terschiedliche Qualitätskategorien ein-ordnen:

Der Rückgriff auf primäres und se-kundäres Risikokapital kann erfolgen, ohne dass externe Kapitalgeber dies wahrnehmen. Die Auflösung bilanzieller Kapitalpositionen oder gar der Rückgriff auf Nachrangkapital erzeugt dagegen er-hebliche Verwerfung zwischen dem Bankunternehmen und seinen Kapitalge-bern. Es erscheint daher nahe liegend, dass die Bankleitung mit dieser Priorisie-rung auf Eigenkapital zum Verlustaus-gleich zurückgreift.

Dem Risikokapital gegenübergestellt (und häufig auch fälschlicherweise mit ihm gleichgesetzt) wird der Value-at-Risk. Diese Größe beschreibt, welchen Verlustbetrag die Rendite eines Porte-feuilles während einer normierten Halte-dauer (bankaufsichtlich 10 Tage, im in-ternen Risikomanagement der Banken üblicherweise ein Tag) mit einer bestimm-

ten Wahrscheinlichkeit (dem so genann-ten Konfidenzniveau, z. B. 99 %) nicht überschreitet. Das Risikomanagement formuliert über die Ermittlung des Value-at-Risk eine Kapitalanforderung, der als Ist-Größe das tatsächlich vorhandene Ri-sikokapital gegenüberzustellen ist. Da der Value-at-Risk sich fundiert nur für Teilportefeuilles einer Bank errechnen lässt, setzt diese Betrachtungsweise eine Allokation des Risikokapitals inner-halb der Bank voraus. Aus anderen Teil-

portefeuilles können sich Kapitalbedarfe ergeben, die nicht mit der Metho-de des Value-at-Risk er-mittelt wurden und durch-aus gegriffenen Charak-ter haben können (siehe etwa zum operational risk Basle Committee on Banking Supervision 2003).

Risikomanagement besteht auf dieser Ebene demnach in der Vorgabe und Kontrolle von Li-miten der Risikoüber-nahme für einzelne Or-ganisationseinheiten. Da-bei tritt das auf diese Organisationseinheit al-loziierte Risikokapital als

Risikobegrenzungsgröße dem mit der Methode des Value-at-Risk oder auch einer anderen Methode ermittelten Risi-ko gegenüber. Die Limite können sich auf das gesamte Geschäft der Bank, einzelne Geschäftsbereiche, einzelne Entscheider, oder jeweils separat auf einzelne Risiko-kategorien der Geschäfte (Kreditrisiko, Zinsänderungsrisiko, Währungsrisiko, …) beziehen. Steuerungswirkung entfal-ten sie natürlich nur insoweit, als sie sich an einen individuellen Adressaten rich-ten, der eben dieses Risiko gestalten kann. Dies kann ein einzelner Händler sein, aber auch der Leiter eines Han-delsbereichs oder der zentralen Abtei-lung des Risikomanagements, die für das betreffende Risiko in unternehmenswei-ter Aggregation verantwortlich ist.

Mit Blick auf die Entscheidungsrele-vanz von Steuerungsinstrumenten bieten

Kapitalposition Risikokapitalquellen

Übergewinn Primäre

Stille Reserven Sekundäre

Mindestgewinn, Sonderposten für allgemeine Bankrisiken

Tertiäre

Offene Reserven,Gezeichnetes Kapital

Quartäre

Ergänzungs- und Nachrangkapital (ohne stille Reserven)

Quintäre

Tabelle1: HierarchisierungverschiedenerRisikokapitalkategorien(inAnlehnunganLister1997,S.190ff.,Schierenbeck/Lister2003,S.15)

20 ZfCM |Controlling&Management|Sonderheft1›2007

Theorie

Burghof/Müller

sich demnach zwei Dimensionen zur Strukturierung des Limitsystems an, wie sie auch die qualitativen Vorgaben des Basle Committee of Banking Supervision (1996a, S. 39 f.) zum Management von Marktpreisrisiken fordern: Einerseits eine Limithierarchie, die der Hierarchie der Organisationseinheiten folgt. In dieser Struktur erhalten untergeordnete Ent-scheider einen Anteil an der Ressource Risikokapital, um damit für die Bank einen möglichst hohen Ertrag zu erzielen. Andererseits empfiehlt es sich, auf Ge-samtbankebene das Risiko nach bestimm-ten Kategorien zu strukturieren und zu aggregieren, um unerwünschte Risiko-konzentrationen zu erkennen und mit möglichst global wirkenden Finanzinstru-menten abzubauen. In Reinform geschieht dies in einem zentralen Risikomanage-ment, das keine eigene Gewinnerzielungs-absicht und damit auch keine Meinung über mögliche Preisentwicklungen der von ihm zur Korrektur von Risikokon-zentrationen genutzten Instrumente ent-wickelt und es auch vermeidet, in die Ent-scheidungen der untergeordneten Organi-sationseinheiten in für diese erkennbarer Weise einzugreifen. Schon an dieser Stelle ist hervorzuheben, dass diese Form der zentralen Korrektur der nach der Risiko-kapitalallokation dezentral gebildeten Ri-sikoposition der Bank nur mit zeitlicher Verzögerung erfolgen kann.

Damit stellen sich für die Banksteue-rung zunächst zwei interdependente Fra-gen: Welches Risiko möchte die Bank durch ein entsprechend gestaltetes Limit-system insgesamt eingehen, und nach welchen Regeln und Kriterien verteilt sich dieses Risiko auf die einzelnen Ge-schäftsfelder bzw. Organisationseinhei-ten? Die Entscheidung über das Risiko ist dabei nicht in Isolation zu sehen: Kredit-institute suchen die optimale Positionie-rung am Markt durch die Wahl einer geeigneten Risiko-Chancen-Position. Dabei kann sich das Management einer Bank mehr oder weniger risikofreudig verhalten. Man spricht hier auch vom Risikoappetit, den die Eigentümer einer Bank über das zentrale Management in die Risikopolitik der Bank implementie-ren wollen (vgl. Best 1998, S. 142 f.).

Die Umsetzung in die Gesamtbank-steuerung würde in einem gedachten Va-lue-at-Risk-Risikomodell der Gesamt-bank (für einen Überblick zur Ermittlung des Gesamtbankrisikos siehe Böve/Hu-bensack/Pfingsten 2006, S. 17 ff.) zu-nächst über die Wahl eines bestimmten Konfidenzniveaus und einer bestimmten Haltedauer für die Errechnung des Value-at-Risk erfolgen. Die Bankenaufsicht er-weitert diese Anpassungsmöglichkeiten um einen pauschalen Multiplikator für die Kapitalanforderung, der in Abhän-gigkeit von der Qualität des Risikomo-dells Werte zwischen 3 und 4 annimmt (vgl. Basle Committee on Banking Super-vision 1996b, S. 8 und Jorion 2001, S. 137). Während man in der betrieblichen Umsetzung einen derartigen Fremdkör-per in der Value-at-Risk-Berechnung ver-meiden sollte, sind bei der Definition und Abgrenzung des Risikokapitals selbst be-stimmte diskretionäre Entscheidungen zu treffen, die Einfluss auf das Gesamtri-siko haben. Fällt die Definition des Risi-kokapitals etwa sehr weit aus, steht dem Kreditinstitut ein entsprechend großzü-giger bemessener Kapitalbetrag zur Risi-kodeckung zur Verfügung.

Tatsächlich findet das Konzept des Value-at-Risk nur in Teilbereichen des Risikoportefeuilles einer Bank Anwen-dung. Nur auf dieser Ebene lässt sich demnach der unterschiedliche Risikoap-petit durch die Wahl der Haltedauer und

des Konfidenzniveaus beeinflussen. Ge-nauso wichtig ist, nach welchen Regeln eine Aggregation der Risiken der Teilbe-reiche erfolgt. Damit ist die Risikokapi-talallokation innerhalb des Unterneh-mens der wesentliche Transmissionsrie-men von der Übernahme einzelner Ri-siken zur Gestaltung des Gesamtrisikos eines Instituts. Auch hier können defen-sivere oder offensivere Vorgaben gewählt werden. Wie im Folgenden deutlich wird, hängt der in dieser Strukturentscheidung zum Ausdruck kommende Risikoappetit davon ab, in welcher Form Korrelati-onen zwischen den verschiedenen Risi-kobereichen mit einfließen und inwie-weit informationelle Prozesse berück-sichtigt werden.

Dabei ist eine grundlegende Erkennt-nis nahe liegend: Da die Renditen der von den einzelnen Limitadressaten eingegan-genen Positionen nicht vollständig korre-liert sind, ergeben sich zwischen den Teil-limiten Diversifikationseffekte. Ein bloßes Aufaddieren der Kapitalanforde-rungen der einzelnen Abteilungen impli-ziert eine Korrelation von eins und ist damit offenkundig falsch (vgl. Burghof 1998, S. 163 ff.). Die Summe der Teilli-mite sollte demnach größer sein als das insgesamt dem Kreditinstitut zur Verfü-gung stehende Risikokapital. Gleiches gilt, wie in der folgenden Abbildung ver-anschaulicht, auf jeder Hierarchiestufe des Limitsystems.

GeschäftsbereichVAR-Limit: € 20 Mio

Abteilung AVAR-Limit: € 10 Mio

Abteilung BVAR-Limit: € 12 Mio

Abteilung CVAR-Limit: € 8 Mio

Team A1VAR-Limit:

€ 8 Mio

Team A2VAR-Limit:

€ 7 Mio

Team C1VAR-Limit:

€ 6 Mio

Team C2VAR-Limit:

€ 5 Mio

Team C3VAR-Limit:

€ 3 Mio

Abbildung1: BeispielhafterAuszugauseinemVAR-Limit-System(JPMorgan/Reuters1996,S.33)

Sonderheft1›2007|Controlling&Management|ZfCM 21RisikokapitalallokationalsInstrumentderBanksteuerung

In Theorie und Praxis herrscht jenseits dieser qualitativen Erkenntnis aber keine Einigkeit darüber, wie diese Struktur konkret umzusetzen ist. Offene Fragen betreffen die Methodik zur Verteilung der Limite auf die einzelnen Organisati-onseinheiten und zur Festlegung des Ni-veaus der Limite im Verhältnis zum Ge-samtlimit der jeweilig übergeordneten Organisationseinheit bzw. dem Risiko-kapital der Gesamtbank. Dabei spielen nur vordergründig Fragen der Korrelati-on zwischen Wertpapieren die wichtigste Rolle. Dahinter steht das Problem, wel-chen Einfluss Informationen und Infor-mationsprozesse auf das mit der Risiko-kapitalallokation zu lösende Delegati-onsproblem haben.

Steuerung mit risikoadjustierten Performancemaßnahmen

Jede Optimierung benötigt eine Zielgrö-ße. Für die Risikokapitalallokation be-steht diese offenkundig im Verhältnis von Ertrag zu eingesetztem (knappen) Risi-kokapital. Damit fällt die Zielgröße in die Klasse der risikoadjustierten Perfor-mancemaße (RAPM; zu RAPM siehe Wilson 1992, Zaik/Walter/Kelling/James 1996, Crouhy/Turnbull/Wakeman 1999, Jorion 2001, S. 387 ff.). Die Risikoadjus-tierung erfolgt bei diesen Maßen entwe-der durch eine explizite Berücksichtigung der durch die Risikoübernahme entste-henden Eigenkapitalkosten (RAROC, RARORAC) und/oder durch die Verwen-dung des eingesetzten Risikokapitals als Bezugsgröße der Ertragsrelation (RO-RAC, RARORAC). Alle drei Größen, d. h. RAROC, RORAC und RARORAC, sind zumindest potenzielle Kandidaten für die Zielgröße, an der sich eine Risikokapi-talallokation orientieren könnte (die Be-griffsbildung bezüglich der RAPMs ist etwas schwankend; im Folgenden folgen wir der Terminologie von Croughy/ Turn-bull/Wakeman 1999, S. 6; Siehe auch Matten 1996, 2000, S. 147 und Erasmus/ Morrison).

Dabei fällt zunächst der RAROC (Risk-adjusted Return on Capital) aus dem Rahmen, da bei dieser Größe der

Gewinn abzüglich der Risikokapitalkos-ten in das Verhältnis zum eingesetzten Gesamtkapital gesetzt wird:

RAROC = G – r · VaR

----------------------- ,

K

mit G als Nettogewinn, r als Risikokapi-talkostensatz bzw. Hurdle Rate, VaR als alloziiertes Risikokapital (mit der impli-ziten Annahme, dass es sich hier jeweils um ein Value-at-Risk-Limit handelt) und K als investiertem Gesamtkapital. Von der Konstruktion her würde sich diese Größe eher zur Beurteilung der effizi-enten Nutzung eines knappen Gesamtka-pitals eignen.

Die vorliegende Problemstellung lässt sich besser durch eine Maximierung des RORAC (Return on Risk-adjusted Capi-tal) operationalisieren:

RORAC = G

---------

VaR

drückt in einfachster Form die Relation zwischen Ertrag und eingesetztem Risi-kokapital aus. Dieses Konzept findet eine wichtige Modifikation im RARORAC (Risk-adjusted Return on Risk-adjusted Capital), bei welchem der Nettogewinn um die Risikokapitalkosten gemindert wird. Damit wird die Hurdle Rate zur Benchmark für den Erfolg einer Organi-sationseinheit, die nach diesem Kriterium beurteilt werden soll:

RARORAC = G – r ·VaR

---------------------- = RORAC – r .

VaR

Gegenüber dem RORAC eröffnet diese Formulierung mit der Bestimmung der richtigen Hurdle Rate ein weiteres Pro-blemfeld. Einerseits kann argumentiert werden, dass die Bank über alle Ge-schäftsfelder hinweg eine Haftungsein-heit bildet und daher auch mit einem einheitlichen Risikokapitalkostensatz zu belegen ist. Das Risiko eines Geschäfts-bereichs wird bei einer korrekten Risiko-abbildung durch die Höhe der sich erge-benden Risikokapitalanforderungen richtig berücksichtigt und muss nicht durch eine Anpassung der Hurdle Rate

zusätzlich akzentuiert werden. Anderer-seits hält die Literatur auch Ansätze be-reit, die gerade diese Argumentation zu entkräften suchen (siehe Wilson 2003, S. 79 ff.). Sie proklamieren, dass unter-schiedliche Geschäftsfelder auch mit un-terschiedlichen Ertragserwartungen zu versehen seien und daher für jedes Ge-schäftsfeld von unterschiedlichen Hurdle Rates auszugehen ist.

Gegen die Verwendung des RARO-RAC im Kontext der Limitallokation spricht aber auch, dass in einer hierar-chischen Limitstruktur den untergeord-neten Organisationseinheiten aufgrund der Diversifikationseffekte ein in der Summe höherer als der insgesamt tat-sächlich an Risikokapital verfügbare Be-trag zugeteilt wird (vgl. Abbildung 1 oben). Verwendet man den tatsächlichen Kapitalkostensatz als Hurdle Rate für die untergeordneten Organisationseinheiten, würde man diese mit überzogenen Kapi-talkosten belasten und systematisch „arm“ rechnen. Da die Benchmark damit zu hoch angesetzt wird, können vor allem konservative Strategien diese kaum schlagen. Die Verantwortlichen werden damit unter Druck gesetzt und könnten mit einem sehr risikofreudigen Verhalten reagieren, da sie nur bei einem besonders hohen Gewinn auch im Kennzahlensys-tem der Bank ein positives Ergebnis aus-weisen können.

Geht man von einer einheitlichen Hurdle Rate für die Gesamtbank aus, so wäre die Konsequenz aus dieser Beob-achtung, die Hurdle Rate ri für die Abtei-lung i entsprechend herab zu skalieren, so etwa für eine Bank mit nur zwei Hier-archieebenen und n Organisationsein-heiten auf

VaRBank

-------------------- .

ri = rBank n

∑VaRi

i = 1

Bei einer sich am RARORAC orientie-renden Limitallokation ist die Hurdle Rate jedoch zugleich eine Inputvariable; Limitallokation und die Bestimmung der Hurdle Rate werden damit zu interde-pendenten Problemstellungen. Es stellt

22 ZfCM |Controlling&Management|Sonderheft1›2007

Theorie

Burghof/Müller

sich damit die Frage, welchen zusätz-lichen Nutzen die Vorgabe einer Bench-mark für die Limitallokation liefert, in der ja nicht über die Aufgabe oder Beibe-haltung der entsprechenden Organisati-onseinheit entschieden werden soll.

Damit bietet sich ein Festhalten am RORAC als relevanter Zielgröße der Li-mitallokation auf der jeweiligen Hierar-chieebene an, ohne dass man allerdings den RORAC über mehrere Hierarchie-ebenen oder Teilhierarchien hinweg ver-gleichen dürfte. Für derartige Vergleiche wäre eine Ex-post-Betrachtung auf der Grundlage eines differenzierten RARO-RAC-Systems mit entsprechend skalier-ten Hurdle Rates sinnvoll.

Die Limitallokation ist in der logischen Folge vor den Entscheidungen über das Eingehen von konkreten Positionen anzu-ordnen. Der Nettogewinn G repräsentiert damit den erwarteten Gewinn aus dem Handeln der Organisationseinheit und kei-neswegs den Erwartungswert des Gewinns eines statischen Portefeuilles von Finanzti-teln. Wie hoch dieser Erwartungswert ist, wäre anhand von Vergangenheitsdaten oder auch auf der Grundlage anders gene-rierter Prognosedaten zu schätzen. Dabei sind Vergangenheitsdaten wiederum mit den jeweils zugestandenen Geschäftsent-faltungsmöglichkeiten zu gewichten. Eine eigentliche Methodik existiert dazu noch nicht. Diese müsste Fixkosteneffekte und Kostendegressionen berücksichtigen und auf der Ertragsseite auf marktliche Be-schränkungen der Ertragserzielung einge-hen. Für eine Handelsabteilung wäre etwa die Frage wichtig, bis zu welchem Volumen des einzelnen Geschäfts man noch als rei-ner Preisnehmer auftritt und ab wann mögliche Gewinne durch eine Reaktion des Marktpreises verwässert werden. An-gesichts der Komplexität und des sehr situ-ativen Charakters dieser Probleme dürfte es sinnvoll sein, bei der Ertragsmodellie-rung zunächst von möglichst einfachen Annahmen auszugehen und möglichst we-nig Struktur zu präjudizieren.

Die Idee der Allokation knapper Res-sourcen impliziert, dass im Nenner des RORAC das zugeteilte, häufig als Value-at-Risk-Wert ausgedrückte Risikokapital und nicht der Erwartungswert des tatsäch-

lich „verbrauchten“ Risikokapitals steht. Man gelangt zu einer Äquivalenz, wenn man, wie in vielen Modellierungen dieses Problems, davon ausgeht, dass die Ent-scheidungsträger ihre Limite immer voll ausschöpfen (siehe beispielsweise Dresel/Härtl/Johanning 2002, Burghof/ Sinha 2005 und Burghof/Müller 2006). Tatsäch-lich werden aber Limite häufig nur teilwei-se ausgeschöpft. Dies kann geschehen, weil Entscheider besonders vorsichtig sein wol-len oder einfach keine lohnende Geschäfts-möglichkeit entdecken. Gerade im Han-delsbereich sollte aber mit der Limitver-gabe auch eine Verpflichtung einhergehen, eine Meinung zur Marktentwicklung zu bilden und diese unter Ausschöpfung des Limits zur Geltung zu bringen.

Risikokapitalallokation als Delegation von Entscheidungsrechten

Die Literatur zum Value-at-Risk kann ihre Herkunft aus der Welt der neoklas-sischen Kapitalmarkttheorie nicht ver-leugnen. Man betrachtet überwiegend Portefeuilles aus Wertpapieren, die von einer bestimmten betrieblichen Organi-sationseinheit gehalten werden (siehe bei-spielsweise Basak/Shapiro 2001, Camp-bell/Huisman/Koedijk 2001, Alexander/Baptista 2002, Wang/Shyu/Liao/Chen/Chen 2003 und Yiu 2004). Das Risiko dieser Gesamtposition wird durch den Umfang der einzelnen Positionen und der daraus resultierenden Verteilung der Renditen dieses Portefeuilles bestimmt. Bei entsprechend restriktiven Vertei-lungsannahmen werden damit die Er-wartungswerte, Varianzen und Korrelati-onen der einzelnen Wertpapiere zueinan-der zur entscheidenden Inputgröße zur Bestimmung des Portfolio-Value-at-Risk. Bei gut diversifizierten Portefeuilles schließlich spielen vor allem die Korre-lationen eine bestimmende Rolle. Für die Limitsteuerung von Marktrisiken greift man zur Bestimmung dieser In-putfaktoren auf Vergangenheitswerte des Marktes zurück.

Wie bereits im vorhergehenden Ab-schnitt angesprochen wurde, ist die Ent-

scheidungssituation bei der Limitsetzung aber eine andere: Die Zuteilung eines Li-mits bei der Ressourcenallokation bein-haltet immer auch die Delegation von Entscheidungsrechten (zu Grundzügen der Delegationsthematik siehe Laux/Lier-mann 2005, S. 214 ff.). Dies gilt natürlich auch für Value-at-Risk-Limits. Der Ent-scheidungsträger erhält hier das Recht, im Rahmen des vorgegebenen Limits riskante Positionen einzugehen. Wüsste die dele-gierende Instanz zum Zeitpunkt der Li-mitsetzung, welches Portefeuille aus ris-kanten Positionen sich daraus ergeben wird, wäre die Delegation der Entschei-dungsrechte und damit die Limitsteuerung verzichtbar.

Ziel der über die Limitsetzung opera-tionalisierten Delegation von Entschei-dungsrechten ist es, die besonderen Fä-higkeiten eines Mitarbeiters oder einer Gruppe von Mitarbeitern zu nutzen. Bei Handelsentscheidungen dürfte die Befä-higung im Fokus stehen, Informations-vorsprünge gegenüber dem Markt zu gewinnen und rasch auszunutzen. Dies ist der zentralen Einheit sowohl aus Gründen der beschränkten Informati-onsverarbeitungskapazität als auch der mangelhaften Umsetzungsgeschwindig-keit nicht möglich. Sie muss es daher den Händlern (oder anderen Entscheidern in der Bank) überlassen, Positionen am Markt einzugehen, und kann nur nach-träglich, etwa über eigene Handelsaktivi-täten oder Anweisungen einer Treasury-Abteilung, korrigierend eingreifen.

Die Limitallokation lässt sich somit als erster Schritt in einem dynamischen Prozess der Risikosteuerung beschreiben, welcher dann über das dezentrale Einge-hen von Positionen, der zentralen Abbil-dung der daraus folgenden Einzel- und Portefeuillerisiken und der Korrektur der Gesamtrisikoposition durch eine zentrale Treasury-Abteilung nach der Ergebnisre-alisation in eine Rückkopplung mündet. Diese Rückkopplung bezieht sich zu-nächst auf die Qualität der verwendeten Modelle der Risikoabbildung. Ergeben sich beim Vergleich der über einen be-stimmten Zeitraum realisierten mit im Risikomodell prognostizierten Ergebnis-verteilungen deutliche Abweichungen,

Sonderheft1›2007|Controlling&Management|ZfCM 23RisikokapitalallokationalsInstrumentderBanksteuerung

kann man darin einen Hin-weis auf Schwächen im Mo-dell sehen. Ein besonderer Ansporn diesen abzuhelfen besteht bei Verwendung in-terner Modelle in der Eigen-kapitalregulierung der Ban-kenaufsicht. Hier erhöhen sich die Eigenkapitalanfor-derungen und damit implizit auch die Kapitalkosten, wenn der als Value-at-Risk für ein bestimmtes Konfidenzniveau ermittelte Verlustwert des Portefeuilles allzu häufig überschritten wird (vgl. Basle Committee on Banking Su-pervision 1996b, Crouhy/ Galai/Mark 1999, S. 15 f., Jorion 2001 S. 129 ff.).

Die Risikoanpassung der zentralen Treasury-Abteilung ist erforderlich, um das Risiko aus extremen Portefeuilles zu begrenzen. So könnten zufällig zahlreiche Händler Positionen aufgebaut haben, die stark positiv miteinander korreliert sind. Das Gesamtrisiko des Portefeuilles fällt damit unerwartet hoch aus und dürfte in aller Regel für die Gesamtbank nicht ak-zeptabel sein. Andererseits ist denkbar, dass stark gegenläufige Positionen ge-wählt werden. In diesem Fall ist die Risi-kotragfähigkeit der Bank unterausgelas-tet. Denkbar wäre, dass die Zentrale „un-genutztes“ Risikokapital zur Übernahme weiteren Risikos einsetzt.

Auf eine nachträgliche Korrektur könnte verzichtet werden, wenn grund-sätzlich immer ausreichendes Risikokapi-tal zur Abdeckung des Portefeuillerisikos des riskantesten denkbaren Portefeuilles vorgehalten würde. Der in Abbildung 1 verdeutlichte Diversifikationseffekt der Limitsteuerung würde damit entfallen. Die Bank würde im Ergebnis eine exzes-sive Eigenkapitalvorsorge betreiben. Eine weniger konservative, mögliche Diversi-fikationseffekte berücksichtigende Limit-setzung auf Ebene der einzelnen Orga-nisationseinheiten macht eine Ex-post-Anpassung unumgänglich, um zufällig entstandene existenzbedrohende Risiko-konzentrationen möglichst rasch zu kor-rigieren. Das Niveau der Limits der einzel-

nen Entscheider wird damit zu einer Funktion der mit dieser Anpassung ver-bundenen Kosten. Der Versuch einer Quantifizierung dieser Anpassungskosten erscheint wenig aussichtsreich. Im Fol-genden sollen aber mögliche Determinan-ten für ihre Höhe diskutiert werden.

Transaktionskosten im engeren Sinne: Für das Limitniveau relevant sind nur die in Abhängigkeit von der Größe und Häufigkeit einer Anpassung ent-stehenden Kosten, also etwa die ent-sprechenden Provisionen und Ab-wicklungskosten wie sie auch im ak-tiven Eigenhandel der Bank entstehen. Dabei ist für die zentrale Disposition allerdings eine pauschalere Vorgehens-weise denkbar, etwa die Verwendung von Indexderivaten, um gegenüber einer (Des-)Investition in einzelnen Titeln Kosten zu sparen. Bei einer ent-sprechend groben Anpassung dürften sich diese Transaktionskosten in engen Grenzen halten. Kosten des Handelns ohne Informati-onsvorsprung: Ob es den Händlern tatsächlich gelingt, einen Informati-onsvorsprung gegenüber dem Markt zu gewinnen und durch eine daran an-knüpfende Spekulation auszuschöp-fen, mag im Einzelfall zweifelhaft sein. Für die zentrale Disposition durch die Treasury-Abteilung ist es jedoch mit Blick auf ihre betriebliche Funktion ausgeschlossen, spezifische Informati-

1.

2.

onen zu verarbeiten und in ihre Ent-scheidungsfindung einfließen zu las-sen. Welche Kosten aus diesem unin-formierten Handeln entstehen, hängt vom Grad der Informationseffizienz der betreffenden Märkte ab (vgl. Fa-ma 1970). Dabei ist nur bei im stren-gen Sinne informationseffizienten Märkten mit einem neutralen Ergeb-nis zu rechnen, während jeder Ab-strich bei der Informationseffizienz das uninformierte Agieren verteuert. In Konsequenz dieser Überlegung sollten Limite auf sehr informations-effizienten Märkten eher großzügig, auf weniger informationseffizienten Märkten wegen der steigenden An-passungskosten dagegen enger gesetzt werden. Die Kosten informationslosen Han-delns lassen sich ebenfalls durch den Einsatz möglichst global wirkender Instrumente wie entsprechender In-dexderivate reduzieren, allerdings nur soweit diese noch eine ausreichende Hedgewirkung auf die von den Händ-lern gebildeten Einzelpositionen ent-falten. Diese Vorgehensweise hat auch den Vorteil, dass die Zentrale nicht di-rekt die von den Händlern gewählten Entscheidungen konterkariert, was problematische Anreizwirkungen auf das Händlerverhalten haben könnte. Kosten der zeitlichen Verzögerung: Ge-rade hinsichtlich der Rücknahme zu

3.

Zentral

Risikokapital-allokation

(Limitsystem,DelegationvonEntscheidungs-rechten)

Dezentral

Risktaking

(DezentraleGenese desAusgangs-portefeuilles)

Zentral

Risiko-messung

(Value at Risk des Ausgangs-portefeuilles)

Zentral

Risiko-anpassung

(Hedgingoderzusätzlichesrisk taking)

Ergebnis-realisation

BacktestingMaximierungder gewähltenrisiko-adjustiertenZielgröße (z. B. RORAC)

Ausnutzung von Infor-mationsvorsprüngendezentraler Entscheider im Unternehmen

Abbildung2: RisikokapitalallokationundRisikomanagementprozess

24 ZfCM |Controlling&Management|Sonderheft1›2007

Theorie

Burghof/Müller

riskanter Positionen könnte man ar-gumentieren, dass die Kosten des un-informierten Handelns der Treasury gering sind, da sich bis zum Zeitpunkt des Eingreifens der Treasury der oft-mals nur kurzfristig vorhandene In-formationsvorsprung des Händlers aufgelöst und im Preis niedergeschla-gen hat. Hinter diesem Argument ver-birgt sich allerdings vor allem die zweite wichtige Kostendimension: Die Korrektur kann nur mit zeitlicher Verzögerung erfolgen. Bis zu diesem Zeitpunkt können gerade im Han-delsgeschäft schon erhebliche Verluste aufgelaufen sein. Eine zu große Aus-weitung der Limite brächte somit er-hebliche Risikokosten mit sich. Eine weitere Einflussgröße auf das Limitni-veau ist damit die Wahrscheinlichkeit kurzfristiger Preisänderungen im ent-sprechenden Marktsegment. Kosten der Nichtanpassung bei prohi-bitiv hohen Anpassungskosten: Vor allem im Handelsbereich lassen sich Positionen meist rasch wieder auflö-sen oder aber Gegenpositionen finden, die das entstandene Risiko mehr oder weniger vollständig hedgen. Je weiter man sich von derart liquiden Märkten entfernt, umso schwieriger kann es sein, die eingegangene Risikoposition wieder zu korrigieren. Im Extremfall muss die Position durchgehalten wer-den, weil eine Anpassung mit prohibi-tiv hohen Kosten verbunden wäre und zu geringeren Kosten verfügbare Hed-ginginstrumente eine nur sehr unvoll-kommene Hedgewirkung entfalten. In diesem Fall wäre Risikokapital län-gerfristig in einer ineffizienten Ver-wendung gebunden. Besteht ein glo-baler Anpassungsbedarf, wird dieser vor allem über die liquiden Positionen exekutiert, für die daraus besonders hohe Kosten des Handelns der Treasu-ry ohne Information erwachsen. In Konsequenz dieser Überlegungen soll-ten Limite für das Engagement auf il-liquiden Märkten enger ausfallen.Kosten der Unterausnutzung des allozi-ierten Risikokapitals: Eine zu defensive Limitsetzung führt zu einer unbefrie-digenden Ausnutzung möglicher In-

4.

5.

formationsvorsprünge. Diese Kosten-dimension bildet den entscheidenden Trade off zu den bisher genannten As-pekten, die alle in Richtung auf eine Verengung der Limits wirken.

Geht man davon aus, dass die Anpas-sungskosten die entscheidende Wirkung auf das Limitniveau eines Limitsystems haben, lässt sich zumindest in qualitativer Darstellung das Entscheidungsproblem skizzieren (s. Abbildung 3).

Man kann das an diese Überlegung zu knüpfende Kostenminimierungsproblem sehr vereinfacht formulieren als:

___ VAR

E(C) = ∫C(VaR|Ziel – VaR)dF(VaR) = min! VAR

-----------

Dabei stellt F(VaR) die Verteilungsfunk-tion über den Value-at-Risk der unter-schiedlichen sich aus der Limitallokation ergebenen Portefeuilles dar.

Neben einer Vorstellung vom Verlauf der Anpassungskostenfunktion bedarf eine Limitallokation damit eines Kon-zepts für das Entscheidungsverhalten der Organisationseinheiten, aus welchem sich die Wahrscheinlichkeiten für das Eingehen bestimmter Portefeuilles und damit die Funktion F(VaR) ableiten lässt. Dieses Konzept steht in einem scharfen Kontrast zur neoklassisch geprägten Li-teratur des quantitativen Risikomanage-ments: Die uneingeschränkte Bezugnah-me auf Marktdaten setzt voraus, dass die Akteure über keinen Informationsvor-

sprung verfügen. Implizit wird damit un-terstellt, dass die Portefeuilles zufällig zustande kommen. Damit ist eine Dele-gation von Entscheidungsrechten aber nicht mehr sinnvoll.

Ein umfassendes Modell der Risikoka-pitalallokation muss demnach auch eine Modellierung der informationellen Pro-zesse und Handlungsanreize beinhalten, die die Grundlage der Entscheidungen auf der jeweiligen Organisationsebene bilden.

AllokationsmechanismenDie Komplexität des Limitallokations-problems dürfte dafür verantwortlich sein, dass in der Praxis eher fragwürdige Heuristiken zur Anwendung kommen. Die einfachste ist das schlichte Festhalten am status quo: Bei der Einführung eines Limitsystems wird geprüft, wie viel Risi-kokapital die Geschäftstätigkeit einer Organisationseinheit in der Vergangen-heit benötigt hätte und ihr eben dieser Betrag zugestanden. Eine Anpassung er-folgt in Verhandlungen der Zentrale mit den jeweils Verantwortlichen. Damit schlagen sich im besten Fall in der Limit-allokation die strategischen Präferenzen der Zentrale nieder. Das Verhandlungs-ergebnis wird aber auch vom Verhand-lungsgeschick und der Verhandlungs-macht der dezentralen Entscheider beein-flusst. Eine eigentliche Optimierung des Limitsystems findet nicht statt.

Aus Perspektive der neoklassischen Wirtschaftstheorie ist die beste Lösung

Anpassungs-kosten C

RealisiertesRisiko desAusgangsportefeuille(VaR)

Zielrisiko(VaR)

Abbildung3: QualitativerVerlaufderAnpassungskostenfunktion

Sonderheft1›2007|Controlling&Management|ZfCM 25RisikokapitalallokationalsInstrumentderBanksteuerung

für die Allokation knapper Ressourcen immer ein Markt, in betrachtetem Fall ein bankinterner Markt für Risikokapi-tal (zur Kapitalverteilung über interne Märkte siehe beispielsweise Williamson 1975 und Stein 1997; speziell zur Risiko-kapitalverteilung siehe Saita 1999, S. 100 ff. sowie Stoughton/Zechner 2004, die einen marktähnlichen Mechanismus be-schreiben). Auf diesem Markt steht das der Bank verfügbare Risikokapital als Angebot der Nachfrage der einzelnen Organisationseinheiten nach mit Risiko-kapital zu belegenden Geschäftsentfal-tungsmöglichkeiten gegenüber. Der sich im Marktgleichgewicht ergebende Preis für Risikokapital wäre gleichzeitig die von allen zu verdienende Mindestrendite.

Leider lässt sich das Modell des inter-nen Marktes nicht ohne weiteres auf die Allokation von Risikokapital übertra-gen. Eine durch den Marktmechanismus generierte Kapitalallokation sollte zwar die Ertragserwartungen der einzelnen Organisationseinheiten richtig wider-spiegeln. Sie berücksichtigt aber keine Diversifikationseffekte und kann zu un-erwünschten Risikokonzentrationen in besonders ertragreichen, aber auch ris-kanten Geschäften führen. Eine eigent-liche Optimierung über Ertrag und Risi-ko der Bank findet nicht statt. Daneben stellt sich die Frage, ob die einzelnen Ent-scheider nicht gerade in riskanten Ge-schäftsbereichen einen Anreiz haben, Ri-sikokapital zu teuer einzukaufen, da sie persönlich nicht für Verluste haften, mit einem hohen Gewinn aber ihre Karriere entscheidend befördern können.

Die Alternative zur dezentralen Steue-rung über einen internen Markt ist die zentrale Planung und Optimierung über die Geschäftsentfaltungsmöglichkeiten aller Organisationseinheiten. Dabei han-delt es sich nicht um eine Portfolioopti-mierung im konventionellen Sinne, da bei der Limitvergabe nicht bestimmt ist, wie die einzelnen Entscheider das Limit ausfüllen werden. In einem globalen Si-mulationsmodell wären demnach die Auswahlentscheidungen auf der jewei-ligen Organisationsebene in die Menge der verfügbaren Portefeuilles aus Finanz-titeln abzubilden. In einem ersten Schritt

sind dazu der Informationsstand, die In-formationsprozesse, Handlungsmöglich-keiten und Handlungsreize der jeweiligen dezentralen Entscheider wie auch des zen-tralen Risikomanagements zu ermitteln und in einem iterativen Verfahren über die Limitsetzung so zu steuern, dass die ge-wählte Zielgröße unter der Nebenbedin-gung der Einhaltung der Kapitalrestrikti-on maximiert wird. Offenkundig ist diese Aufgabe methodisch nicht lösbar. Im Fol-genden sollen daher nur einige Partialan-sätze angesprochen werden, die isoliert einzelne Fragestellung analysieren.

Für die richtige Berücksichtigung von Korrelationseffekten zwischen den Wert-papieren bietet sich zunächst der Einsatz der klassischen Ansätze der Portfolioop-timierung unter Berücksichtigung einer Value-at-Risk-Nebenbedingung an. In der Praxis der Value-at-Risk-Steuerung werden die Risiken der einzelnen Finanz-titel in einem so genannten Mapping auf bestimmte Risikofaktoren aggregiert. So-weit sich die Delegation der Entschei-dungsrechte nur auf die Auswahl be-stimmter Finanztitel aus einer jeweils eng definierten Gruppe bezieht, schlagen sich unterschiedliche Auswahlentscheidungen in sehr ähnlicher Weise im jeweiligen Ri-sikoaggregat nieder. Eine nachträgliche Korrektur der so gebildeten Portefeuilles riskanter Finanztitel durch das zentrale Risikomanagement ist verzichtbar, da die durch das Mapping abgebildeten Risiko-positionen nicht oder nur unwesentlich von den dezentralen Auswahlentschei-dungen abhängen. Das zentrale Risiko-management kann sich daher darauf be-schränken, die optimale Limitallokation über die einzelnen Risikofaktoren zu er-mitteln. In diesem eingeschränkten Rah-men kann die klassische Portfolioopti-mierung also ein durchaus sinnvolles Verfahren der Limitallokation darstellen.

Die Portfoliooptimierung über Risi-kofaktoren vernachlässigt allerdings durch die ausschließliche Bezugnahme auf die für die einzelnen Risikofaktoren ermittelten Marktdaten den Informati-onsvorsprung der dezentralen Entschei-der und mögliche Informationsprozesse zwischen diesen. Während sich aus dem Informationsvorsprung ein zusätzlicher

Sicherheitspuffer ergibt, ist die Wirkung der Kommunikation zwischen den Ent-scheidern zunächst unbestimmt, kann aber auch eine grobe Unterschätzung des tatsächlichen Risikos bewirken (vgl. Burghof/Sinha 2005). Nicht anwendbar ist das Konzept der Portfoliooptimierung über Risikofaktoren vor allem dann, wenn die dezentralen Entscheider auch eine Wahl zwischen Long- und Shortpo-sitionen in den von ihnen gehandelten Risiken haben. Bei einer Shortposition ergibt sich eine genau gegenläufige Kor-relation. Eine Optimierung kann daher nicht erfolgen, ohne dass im Modell auch die Entscheidung zwischen Long- und Short-Positionen abgebildet wird.

Eine wichtige Erweiterung dieser An-sätze bringt die Definition des Risikoka-pitaladressaten als Geschäftseinheit bei Straßberger (vgl. Straßberger 2002). Da-mit wird der Entscheider selbst als Risi-kotreiber erkannt. Dass daher Korrelati-onen zwischen der Ergebniswirkung von Entscheidungen zu betrachten sind, wird im entsprechenden Ansatz jedoch nicht klar herausgestellt. Auch wird nicht nä-her untersucht, wie mit der daraus resul-tierenden erhöhten Instabilität der Kor-relationen umzugehen ist. Bei der Formu-lierung des Optimierungsproblems wird dagegen für jede Geschäftseinheit ein nicht-linearer Zusammenhang zwischen zugeteiltem Risikokapital und Gewinn angenommen, der aufgrund seiner funk-tionalen Form die Existenz einer inneren Lösung gewährleistet. Für die Praxis be-stünde das zentrale Problem demnach in der Ermittlung solcher funktionaler Zu-sammenhänge. Die eigentliche Verhal-tensdimension der Risikosteuerung wird jedoch ausgeblendet, was den Wert der Vorgehensweise auch für die Praxis stark einschränkt.

Dass die Limitallokation ein dyna-misches Problem ist, wird bei der Frage nach der Verwendung von Zwischenge-winnen und -verlusten deutlich. Diese verändern das Risikokapital der Bank und sollten eine dynamische Anpassung des Limitsystems bewirken. Die nahelie-gendste Form der Anpassung wäre, das Limit der jeweils für das Ergebnis verant-wortlichen Organisationseinheit dement-

26 ZfCM |Controlling&Management|Sonderheft1›2007

Theorie

Burghof/Müller

sprechend auszuweiten oder einzuschrän-ken (vgl. Beeck/Johanning/Rudolph 1999). Eine solche Regelung entfaltet starke An-reizwirkungen: Erfolgreiche Mitarbeiter erhalten zusätzliche Geschäftsentfal-tungsmöglichkeiten, mit denen sie in Zu-kunft höhere Gewinne und Prämien ver-dienen können. Daneben beinhaltet dieses Vorgehen einen impliziten Lern-prozess: Die Zentrale gibt Risikokapital in die Abteilungen, die sich in der Vergan-genheit als besonders befähigt erwiesen haben. Sowohl der Anreiz- als auch der Lerneffekt werden allerdings überzeich-net, da Erfolg und Misserfolg auch im-mer eine starke Zufallskomponente bein-halten. Schließlich enthält dieser Modell-ansatz keine systematische Behandlung von Diversifikationseffekten und bietet in diesem Sinne keine Optimierung der Limitverteilung.

In einer eigenen Untersuchung be-trachten wir die Auswirkung einer expli-ziten Modellierung von Diversifikations-, Informations- und Lerneffekten (siehe Burghof/Müller 2006). Im Zentrum die-ses Ansatzes steht die rationale Erwar-tungsbildung der Zentrale über die Erfolgs-erwartung jedes einzelnen dezentralen Entscheiders nach jeder Ergebnisrealisati-on. Mit einem Optimierungsalgorithmus wird die unter Portfoliogesichtspunkten optimale Limitallokation in Abhängig-keit von der zum jeweiligen Zeitpunkt geschätzten Erfolgswahrscheinlichkeit neu angepasst. Am Ende dieses Prozesses stehen eine weitgehende Aufdeckung der Fähigkeiten der einzelnen Entscheider und ein nach Maßgabe dieses Wissens-stands effizientes Limitportefeuille.

Keine Berücksichtigung finden in die-sem Ansatz die Informationsprozesse zwischen den einzelnen Entscheidern. Hierzu gibt es bisher nur die Vorstellung, dass durch die Beobachtung der Akti-onen anderer Händler einer Handelsab-teilung eine so genannte informational cascade ausgelöst werden kann (siehe Burghof/Sinha 2005). Die Händler igno-rieren ihre spezifische Information und folgen dem allgemeinen Trend. Die da-durch erzeugten Portefeuilles zeichnen sich durch eine hohe Risikokonzentrati-on aus. Ist ein solches Herding möglich,

treten solche extremen Portefeuilles mit sehr viel höherer Wahrscheinlichkeit auf als erwartet. Entsprechend höher sind die erwarteten Anpassungskosten, was nahe legt, in einem solchen Umfeld Limite sehr konservativ zu bemessen.

SchlussbemerkungDie Allokation von Risikokapital und, darauf aufbauend, der Einsatz risikoad-justierter Erfolgskennzahlen entwickelt sich zum zentralen Instrument der inter-nen Steuerung von Finanzunternehmen. Es erscheint daher bedenklich, dass dieses Instrument zumindest gegenwärtig auf einer äußerst schmalen konzeptionellen Grundlage ruht. Theoretische Arbeiten zur Allokation von Value-at-Risk-Limiten sprechen nur Teilaspekte an, und in der Praxis werden viele Probleme bisher noch nicht einmal erkannt. Angesichts der großen Komplexität der damit ver-bundenen Fragestellungen ist zwar auch für die Zukunft der Rückgriff auf Heuris-tiken erforderlich. Aber auch die Ent-wicklung einer guten Heuristik zur Risi-kokapitalallokation bedarf der Kenntnis der grundlegenden Zusammenhänge, und diese sind bisher nur unvollkommen her-ausgearbeitet worden. Damit verbleibt eine erhebliche Forschungslücke. Bis die-se geschlossen ist und die daraus abgelei-teten Erkenntnisse in die Praxis umgesetzt sind, dürfte die Steuerung über Value-at-Risk-Limits ein deutliches Defizit in der Durchsetzung der unternehmerischen Zielsetzungen aufweisen.

LiteraturAlexander, G. J./Baptista, A. M. (2002): Eco-nomic Implications of Using a Mean-VAR Model for Portfolio Selection: A Comparison with Me-an-Variance Analysis, Vol. 26, No. 7/8, S. 1159 – 1193.Basak, S./Shapiro, A. (2001): Value-at-Risk Ba-sed Risk Management: Optimal Policies and As-set Prices, Review of Financial Studies, Vol. 14, No. 2, S. 371 – 405.Basle Commitee on Banking Supervision (1996a): Amendment to the Capital Accord to Incorporate Market Risks, Bank for Internatio-nal Settlements.Basle Commitee on Banking Supervision (1996b): Supervisory Framework for the Use of

“Backtesting” in Conjunction with the Internal Models Approach to Market Risk Capital Re-quirements, Bank for International Settlements.Basle Commitee on Banking Supervision (2003): Sound Practices for the Management and Supervision of Operational Risk, Bank for Inter-national Settlements.Beeck, H./Johanning, L./Rudoplh, B. (1999): Value-at-Risk-Limitstrukturen zur Steuerung und Begrenzung von Marktrisiken im Aktien-bereich, OR-Spektrum, Jg. 21, Nr. 1 – 2, S. 259 – 286.Best, P. W. (1998): Implementing Value-at-Risk, Chichester et al..Böve, R./Hubensack, C./Pfingsten, A. (2006): Ansätze zur Ermittlung des Gesamtbankrisikos, Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, Jg. 59, Nr. 13., S. 17 – 23.Burghof, H.-P. (1998): Eigenkapitalnormen in der Theorie der Finanzintermediation, Berlin.Burghof, H.-P./Müller, J. (2006): Allocation of Economic Capital in Banking – A Simulation Ba-sed Approach, working paper, University of Ho-henheim.Burghof, H.-P./Rudolph, B. (1996): Banken-aufsicht – Theorie und Praxis der Regulierung, Wiesbaden.Burghof, H.-P./Sinha, T. (2005): Capital Alloca-tion with Value-at-Risk – The Case of Informed Traders and Herding, Journal of Risk, Vol. 7, No. 4, S. 47 – 73.Campbell, R./Huisman, R./Koedijk, K. (2001): Optimal Portfolio Selection in a Value-at-Risk Framework, Journal of Banking & Finance, Vol. 25, No. 9, S. 1789 – 1804.Croughy, M./Turnbull, S. M./Wakeman, L. (1999): Measuring Risk-Adjusted Performance, Journal of Risk, Vol. 2, No. 1, S. 4 – 35.Croughy, M./Galai, D./Mark, R. (1999): The New 1998 Regulatory Framework for Capital Adequacy: “Standardized Approach” versus “In-ternal Models”, The Handbook of Risk Manage-ment and Analysis, Carol Alexander (ed.), Chichester, S. 1 – 37.Dresel, T./Härtl, R./Johanning, L. (2002): Risk Capital Allocation Using Value-at-Risk Li-mits if Correlations Between Traders’ Exposures are Unpredictable, European Investment Review, Vol. 1, No. 1, S. 57 – 64.Dimson, E./Marsh, P. (1995): Capital Require-ments for Securities Firms, Journal of Finance, Vol. 50, No. 3, S. 821 – 851.Dowd, K. (1998): Beyond Value-at-Risk – The New Science of Risk Management, Chichester et al.Erasmus, M./Morrison, S. (undated report): Relating Risk to Profitability, Coopers and Ly-brand.Fama, E. (1970): Efficient Capital Markets: A Review of Theory and Empirical Work, Journal of Finance, Vol. 25, No. 2, S. 383 – 417.JPMorgan/Reuters (1996): RiskMetricsTM – Technical Document, 4th ed., New York.

DO

I: 10

.136

5/s1

2176

-012

-015

1-x

Sonderheft1›2007|Controlling&Management|ZfCM 27RisikokapitalallokationalsInstrumentderBanksteuerung

Jorion, P. (2001): Value-at-Risk, 2nd ed., New York et al.Laux, H./Liermann, F. (2005): Grundlagen der Organisation – Die Steuerung von Entschei-dungen als Grundproblem der Betriebswirt-schaftslehre, 6. Aufl., Berlin.Lister, M. (1997): Risikoadjustierte Ergebnis-messung und Risikokapitalallokation, Frankfurt am Main.Matten, C. (1996): Managing Bank Capital: Ca-pital Allocation and Performance Measurement, Chichester.Matten, C. (2000): Managing Bank Capital: Ca-pital Allocation and Performance Measurement, 2nd ed., Chichester.Saita, F. (1999): Allocation of Risk Capital in Financial Institutions, Financial Management, Vol. 28, No. 3, S. 95 – 111.Schierenbeck, H./Lister, M. (2003): Ertrags-orientierte Allokation von Risikokapital im Bankbetrieb, Basel.Stein, J. C. (1997): Internal Capital Markets and the Competition for Corporate Resources, Jour-nal of Finance, Vol. 52, No. 1, S. 111 – 133.Stoughton, N. M./Zechner, J. (2004): Opti-mal Capital Allocation in Banking, working pa-per, University of Calgary, University of Vien-na.Strassberger, M. (2002): Risikokapitalallokati-on und Marktpreisrisikosteuerung mit Value-at-Risk-Limiten, Lohmar.Wang, C.-P./Shyu, David/Liao, Y. C./Chen, M.-C./Chen, M.-L. (2003): A Model of Optimal Dynamic Asset Allocation in a Value-at-Risk Framework, International Journal of Risk As-sessment & Management, Vol. 4, No. 4, S. 301 – 309.Williamson, O. E. (1975): Markets and Hie-rarchies: Analysis and Antitrust Implications, New York.Wilson, T. (1992): RAROC Remodelled, Risk, Vol. 5, No. 8, S. 112 – 119.Wilson, T. (2003): Overcoming the Hurdle, Risk, Vol. 16, No. 7, S. 79 – 83.Yiu, K. F. C. (2004): Optimal Portfolios under a Value-at-Risk Constraint, Journal of Economic Dynamics & Control, Vol. 28, No. 7, S. 1317 – 1334.Zaik, E./Walter, J./Kelling, J./James, C. (1996): RAROC at Bank of America: From The-ory to Practice, Journal of Applied Corporate Finance, Vol. 9, No. 2, S. 83 – 93.