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Research Collection
Doctoral Thesis
Ueber den alkalischen Aufschluss von Kaolin zur Gewinnung vonTonerde
Author(s): Schneeberger, Hans
Publication Date: 1941
Permanent Link: https://doi.org/10.3929/ethz-a-000095524
Rights / License: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted
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ETH Library
Über den alkalischen Aufschluß
von Kaolin zur Gewinnung von Tonerde
Von der
Eidgenössischen Technischen Hochschule
in Zürich
zur Erlangung der Würde
eines Doktors der Naturwissenschaften
genehmigte
Promotionsarbeit
vorgelegt von
Hans Schneebergeraus Seeberg (Kanton Bern)
Referent ÏHerr Prof. Dr. W. D. Treadwell
Korreferent: Herr Prof. Dr. P. Niggli
Ernst Lang - Zürich - 1941
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Die vorliegende Arbeit wurde im anorganisch-analytischen Labo¬
ratorium der Eidg. Techn. Hochschule in der Zeit vom Herbst 1938 bis
Winter 1940 ausgeführt.
Meinem hochverehrten Lehrer
Herrn Prof. Dr. W. D. Treadwell
spreche ich an dieser Stelle für sein Interesse und seine vielseitigen An¬
regungen meinen besten Dank aus.
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INHALTSANGABE.
Seitenzahl
Theoretischer Teil.
1. Tone als Ausgangsmaterial für die Tonerdegewinnung:a) Chemismus und Kristallstruktur der Tone .... 9
b) Thermische Aenderungen des Kaolinitgitters . ..13
2. Die Aufschlußverfahren zur Gewinnung von Tonerde aus
Tonerdeverbindungen:a) Geschichtlicher Ueberblick . . . . .
.15
b) Saure Aufschlußverfahren der Tone. . .
.18
c) Alkalische Verfahren . . . . . ..22
d) Reduktionsverfahren . . . . . ..27
Experimenteller Teil.
1. Die Aufschlußmischung:a) Die Soda-Calciumcarbonat-Schmelze
b) Das Mischungsverhältnis Kaolin: Soda: Calciumcarbonat
c) Die Formulierung des Reaktionsverlaufes
2. Die Sintermasse:
a) Wasserlösliche Tonerde und Kieselsäure •
b) Die Verteilung des Alkalis .....
c) Der Bodenkörper
29
33
33
39
41
43
d) Der Einfluß einer Vorbehandlung der Aufschlußmischung 45
e) Die Gewinnung der Tonerde......
48
f) Der Ersatz von CaC03 durch CaO ..... 49
3. Der zeitliche Verlauf des Aufschlusses:
a) Die Entwicklung von C02 durch die Zersetzungsreaktion . 50
b) Das lösliche Aluminat und Alkali als Funktion der Glüh¬
dauer...........
53
4. Der alkalische Aufschluß in wässeriger Phase. . . 56
5. Analytik:a) Bestimmung von Tonerde und Alkali in der Aluminatlauge 64
b) Die Bestimmung der Kieselsäure.... 68
c) Studien an Alumosilikatniederschlägen aus alkal. Lösungen 70
d) Das Verhalten von Fe, Ca und Ti im alkal. Aufschluß. 75
e) Die experimentellen Ergebnisse als Beitrag zur Kenntnis des
Systems Al203.2 Si02.x H20. y Na20 ...76
5
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EINLEITUNG.
Die Aluminiumproduktion hat in den letzten Jahren dank der viel¬
seitigen Verwendungsmöglichkeit dieses Metalls eine gewaltige Steige-
rung erfahren. In gleichem Umfang mußte die Produktion der Tonerde
als Ausgangsmaterial gefördert werden. Tonerde wird heute in gro߬
technischen Anlagen ausschließlich aus Bauxit gewonnen. Bevorzugt
werden die kieselsäurearmen Formen, wie sie in Südfrankreich mit
ziemlich viel Eisengehalt vorkommen. Das Rohmaterial muß durch Auf¬
schluß gereinigt werden, was allgemein mit alkalisch geführten Kreis¬
laufprozessen erreicht wird.
Dem altern Trockenverfahren mit Soda, das von H. Le Chate-
1 i e r entdeckt und von den Gebrüdern Löwig ausgearbeitet wurde,
wird heute allgemein das nasse Verfahren mit NaOH von K. J. B a y e r
vorgezogen. Beide Arbeitsmethoden erfordern ein Rohmaterial, das nur
sehr wenig Kieselsäure enthalten darf.
Im Hinblick darauf, daß die Lager an guten Bauxiten mit einem
Si02-Gehalt von unter 3 % nur vereinzelt vorkommen, hat sich die
wissenschaftliche Forschung schon seit Jahren nach andern Rohmate¬
rialien und Aufschlußmethoden umgesehen. Große Beachtung haben in
letzter Zeit die elektrother'mischen Reduktionsverfahren erlangt, welche
die Verarbeitung von Si02-reichen Bauxiten vorsehen. Bis heute haben
sie jedoch die alkalischen Kreislaufverfahren nicht mit Erfolg konkur¬
renzieren können.
Für Länder, die keine eigenen Bauxitlager besitzen, kann daher die
Gewinnung von Tonerde aus andern allgemein verbreiteten Mineralien
von Interesse werden. Im Vordergrund standen immer wieder die
kaolinitreichen Tone, die schon in der ersten Hälfte des letzten Jahr¬
hunderts als Rohmaterial für die Alaun- und Aluminiumsulfat-Fabrika¬
tion verwendet wurden. Für diesen Zweck glühte man den Kaolin auf
700,wobei er säurelöslich wurde, und löste alsdann die Tonerde mit
einer starken Mineralsäure heraus.
7
Die zunehmende Tonerdegewinnung aus dem Bauxit hat um die
Jahrhundertwende den Ton als Rohmaterial verdrängt. Zur Zeit wer¬
den alle reinen Aluminiumsalze aus Tonerde hergestellt. Wenn uns
heute der rasche Abbau der Bauxitlager dazu zwingt, uns nach einem
geeigneten Ersatz umzusehen, so greifen wir wieder auf den Ton zurück.
Es stellt sich nun die Frage, auf welchem Wege wir dieses Alumosilikat
zweckmäßig auf Tonerde verarbeiten wollen. Der Aufschluß mit einer
Mineralsäure ist bei der Alaun- und Aluminiumsulfatherstellung studiert
worden und heute zur Hauptsache bekannt. Neu ist für die sauren Ver¬
fahren lediglich die Ueberführung des Aluminiumsalzes in das Oxyd.Anders liegen die Verhältnisse beim Aufschluß mit Alkalien. Dieser
ist wesentlich später in Anlehnung an die alkalische Aufarbeitung des
Bauxits studiert worden. Sowohl vom rein chemischen als auch vom
praktischen Standpunkt aus bieten indessen die alkalisch geführten Auf¬
schlußverfahren großes Interesse. — Die vorliegende Arbeit soll dazu
beitragen, ein klares Bild vom Verlauf des alkalischen Aufschlusses zu
gewinnen.
8
Theoretischer Teil.
1. Tone als Ausgangsmaterial für die
Tonerdegewinnung.
a) Chemismus und Kristallstruktur der Tone.
Die Tone sind der Menschheit seit Jahrtausenden als Rohmaterial für
die keramischen Erzeugnisse bekannt. Der. Chemismus der Tone wurde
dagegen erst in den letzten Jahrzehnten erkannt. Im vergangenen Jahr¬
hundert herrschte noch allgemein die Auffassung, daß der Ton eine
chemisch einheitliche Verbindung sei, die in der Natur mit etwas Quarz
und Feldspat verunreinigt vorliege. Der Ausdruck »Tonsubstanz« wird
in der Folge heute noch gebraucht. Er ist keineswegs eindeutig und be¬
deutet in den meisten Fällen Kaolinit.
Heute verstehen wir unter Ton ein fein-disperses Sediment, das über¬
wiegend aus wasserhaltigen Alumosilikaten mit Teilchendurchmessern
von unter 2 ß besteht. Die Tonerdesilikat-Hydrate, die »Tonsubstanz«,
sind durch Verwitterung des Kalifeldspates entstanden. Ueber diesen
Abbau existieren zwei Anschauungen. Die erste nimmt einen Gitter¬
abbau des Feldspats zu Kaolin an, wobei Kali und Kieselsäure weggelöstwürden. Man könnte diesen Prozeß wie folgt formulieren:
K2O.Al203.6Si02 + 3H20->Al203.2Si02.2H20 + 2 KOH + 4 Si02
Die zweite Möglichkeit besteht in einer vollständigen Zersetzung des
Feldspats in Kali, kolloide Kieselsäure und Tonerde. Die Verwitterungs¬
neubildungen (Kaolin etc.) müssen sich dann als Reaktionen zwischen
Lösungen ergeben. Nach Untersuchungen von C. W. C o r r e n s und
W. von Engelhardt1 entspricht die natürliche Verwitterungwahrscheinlich dem zweiten Vorgang.
1 Die Naturwissenschaft. 26, 137 (1938).
2 9
W. von Engelhardt2 unterscheidet oxydische und silikatische
Tonmineralien. Zu den oxydischen zählt er z. B. den Bauxit, der sich
aus den Komponenten Al203 und Fe203 zusammensetzt. Das wichtigstesilikatische Tonmineral ist der Kaolinit, dem die Bruttoformel A1203.2Si02.2H20 zukommt. Tone, deren Tonsubstanz aus Kaolinit besteht,werden allgemein Kaoline genannt. Das Verhältnis Al : Si, das im
Kaolinit 1 : 1 beträgt, kann sich bei andern Tonmineralien, die als unter¬
geordnete Beimischungen auftreten, bis 1 AI : 4 Si verschieben. In den
meisten Tonvorkommen ist AI teilweise durch Fe ersetzt.
Besondere Eigenschaften weist eine Gruppe von Verbindungen auf,welche die Mineralien Montmorillonit, Beidellit und Nontronit umfaßt.
In diesen Tonerdesilikaten liegt ein Verhältnis AI : Si von 1 : 3 bis 1 : 4
vor. Sie zeichnen sich alle dadurch aus, daß sie mit Leichtigkeit Wasser
ins Gitter einlagern können. W. Noll3 nennt diese Erscheinung inner¬
kristallines Quellungsvermögen. Im Zusammenhang damit zeigen die
genannten Mineralien eine ausgeprägte Neigung zum Basenaustausch.
Zur Charakterisierung eines Alumosilikats ist infolge der häufig auf¬
tretenden Isomorphic und Polymorphie die chemische Analyse allein
ungenügend. Erst im Zusammenhang mit den röntgenographischenUntersuchungsmethoden gelang es, den kristallinen Bau der Tonmine¬
ralien aufzuklären.
Für die Struktur des Kaolinits sind verschiedene Formeln vorgeschla¬gen worden, die sich auf die Bruttoanalyse Al203.2Si02.2H20 stützen.
Zum Teil enthalten diese Formeln Strukturelemente, die als wenig wahr¬
scheinlich bezeichnet werden müssen. So nimmt P u k a 11 4 zwischen
den Silizium- und Aluminiumatomen Doppelsauerstoffbrücken: -O-O-
an und eine direkte Doppelbindung zwischen den Siliziumatomen. Von
V. Gerber5 wird dieses Formelbild einer Formulierung von Z u 1 -
kowsky6 vorgezogen, der annimmt, daß zwischen den ungleichenMetallatomen und den beiden Aluminiumatomen einfache Sauerstoff¬
brücken bestehen. Die vier Metallatome tragen je ein Hydroxyl. Durch
diese Verteilung der Hydroxyle würde zwar die stufenlose Wasserab-
2 Fortschr. d. Min. 21, 276 (1937).3 Ber. d. deutschen keram. Gesellschaft 19, 176 (1938).1 B. 43, 2098 (1910.5 Z. Elektroch. 25, 194 (1919).« Chem. Ind. 22, 290 (1899).
10
gäbe beim Erhitzen am besten erklärt. Die Formel steht aber mit den
Röntgenbefunden von W. Bragg' im Widerspruch.Neue Gesichtspunkte für die Strukturformel des Kaolinits sind von
der Röntgenanalyse geliefert worden. Derzufolge haben die Tone ge¬
meinsam mit den Glimmern die Struktur eines sogen. Schichten¬
gitters, makroskopisch erkennbar an der Ausbildung von Blättchen
oder Schuppen. Diese Strukturform ergibt sich aus der ungleichen Ver¬
teilung der Valenzkräfte im Raum, wobei zwei Dimensionen gegenüberder dritten deutlich bevorzugt sind. Das Kristallgitter setzt sich demzu¬
folge aus parallel verlaufenden Schichten zusammen, die in sich abge¬
sättigt sind und nur durch ihre elektrischen Felder zusammengehaltenwerden.
Die Tonmineralien sind im allgemeinen so gebaut, daß Silikat¬
schichten mit Aluminiumhydroxydschichten ab¬
wechseln8. Die Silikatschichten haben die Bruttoformel 4 Si + 6 O +
4 OH und setzen sich aus regulären Tetraedern zusammen, bei denen
die Siliziumatome in den Zentren, die Sauerstoffatome in den Ecken
sitzen. Das einzelne Tetraeder hängt an drei Ecken mit drei benachbar¬
ten Tetraedern zusammen, während das vierte Sauerstoffatom mit einem
Wasserstoffatom als Hydroxyl vorliegt. Die Anordnung wird dann so,
daß die Si- und die O-Atome, sowie die Hydroxyle in parallele Ebenen
zu liegen kommen (vgl. Fig. 1).
Bei den Aluminiumhydroxyd-, bezw. Hydrargillitschichten haben wir
ähnliche Verhältnisse. Die Aluminiumatome sitzen hier in den Zentren
von regulären Oktaedern, deren Ecken von Hydroxylen eingenommenwerden. Auch hier liegen die gleichartigen Atome in parallelen Ebenen.
7Roy.Inst. Gt.Brit. Weekly Ev. Meet. (1937).
8 W. Bragg, 1. c.j W. Noll, 1. c.j siehe auch E. Schiebold, Ergebnisse der exakten
Naturwissensch., 11, 354 (1932).
11 •
Das Tonmineral, bei dem Silikat- und Aluminiumhydroxydschichten
regelmäßig wechseln, ist wahrscheinlich der Halloysit9. Er kann
strukturgenetisch als Ausgangsverbindung für den Kaolinit angesehenwerden. In nebenstehender Anordnung sind für den Halloysit und den
Kaolinit die in den parallelen Ebenen liegenden Atome untereinander ge¬
schrieben:
6 OH 6 OH
4 AI 4 AI
6 OH Kaolinit: 4 O + 2 OH
6 OH 4 Si
4 Si 6 O
6 O
Halloysit:
Erhitzt man den Halloysit gelinde, so kondensieren bei 50° die beiden
aufeinander folgenden Hydroxylschichten unter Wasseraustritt: der
Halloysit geht in den Kaolinit über. Beim Kaolinit sind folglich je
eine Silikat- und Aluminiumhydroxydschicht durch Valenzbindungen
gekoppelt; es resultiert eine neue Schicht, die 5 Atomebenen umfaßt.
Der Querschnitt durch eine solche Schicht ergibt folgende Anordnung:
Fig. 2.
OH OH OH OH OH OH
\ / < \ \ /AI AI AI AI
/ /\ /\ \0 OH 0 0 OH 0
\ / \ /Si _Si Si Si
C^^S><^^^SO^^O^^O^^O^^K^^O
Es läßt sich daraus leicht folgende Strukturformel ableiten:
9 Struktur noch fraglich.
. 12
In Uebereinstimmung mit diesem Formelbilde steht die Erfahrung,daß beim alkalischen Abbau des Kaolins wasserlösliches Aluminat ge¬
bildet wird, welches nach Titrationsstudien von W. D. Treadwell
und M. Zürcher10 die Formel (OH)2Al ONa besitzen muß. Er¬
folgt der Aufschluß im stark alkalischen Gebiet, wo alle verfügbaren
Hydroxylgruppen aktiviert werden, so ist es wahrscheinlich, daß die
Kieselsäure als Orthosilikat abgespalten wird.
b) Thermische Aenderungen des Kaolinitgitters.
Beim Aufschluß des Kaolins werden Temperaturen von über 800° be¬
nötigt. Das Kristallgitter erleidet dabei wesentliche Aenderungen, die
bis heute noch nicht eindeutig abgeklärt worden sind. Uebereinstim-
mend finden verschiedene Autoren11, daß der Kaolin zwischen 450° und
600° die Hauptmenge seines gebundenen Wassers abgibt. Nach einer
Angabe von S p a n g'e n b e r g12 ist dieses bei 900° bis auf 5 % der
ursprünglichen Menge ausgetrieben. Ueber die Natur des entwässerten
Kaolins existieren zwei Auffassungen. Die erste sieht in dem dehydrier¬ten Produkt ein mechanisches Gemenge der beiden Oxyde A1203 und
Si02, die andere eine chemische Verbindung Al203.2Si02, auch Kao¬
linanhydrid oder Metakaolin genannt.
Die erste Auffassung wird in einer Reihe älterer und neuer Arbeiten
vertreten. Ihre Verfasser13 stützen sich zur Hauptsache auf die bereits
erwähnte, von Sokoloff14 gefundene Erscheinung, daß der Wasser¬
verlust des Kaolins stöchiometrisch mit der Bildung von säurelöslicher
Tonerde verknüpft ist. Dieses Verhalten läßt auf die Bildung von y-
Tonerde schließen, welche in verdünnten Säuren leicht löslich ist. Beim
Glühen des Kaolins über 900° geht die Säurelöslichkeit verloren, ent¬
sprechend dem Uebergang von y- in a-Tonerde.
10 Helv. 15, 980 (1932).
11 Sokoloff, Keram. Rdschau 20, 365 (1912);Tammann u. Pape; Z. anorg. Chem. 127, 43 (1923);
Spangenberg, Keram. Rdschau 35, 332 (1927).
12 Spangenberg, 1. c.
13 Tammann u. Pape, I.e.; Sokoloff I.e.; D. S. Beljankin und W. P. Iwanowa
C 1938 I, 1552; H. Insley u. R. H. Ewell, C 1936 I, 523.
14 Sokoloff, 1. c.
13
Auf Grund einer eingehenden Arbeit vertritt Spangenberg die
zweite Auffassung des Kaolinzerfalls, d. h. die Bildung bezw. das Ver¬
bleiben einer Verbindung Al203.2Si02 nach dem Austreiben des Was¬
sers. Spangenberg unterzog den entwässerten Kaolin chemischen
und röntgenographischen Untersuchungen und machte folgende Fest¬
stellungen:Ein geglühtes Gemisch von Al203 und Si02 verhält sich gegen Säuren
und Alkalien nicht gleich wie der entwässerte Kaolin. Behandelt man
Kaolinanhydrid mit Sodalösung, so bleibt der Kieselsäuregehalt unan¬
getastet, solange die Tonerde nicht angegriffen wird. Wird dagegen die
Tonerde mit HCl herausgelöst, so greift nachher die Soda die übrig¬bleibende Kieselsäure an. Diese Erscheinung läßt sich nur so erklären,
daß die beiden Oxyde gegenseitig gebunden vorliegen müs¬
sen. Für diesen Zustand spricht weiter das optische Verhalten des Glüh¬
produktes. Es wurde eine einheitliche Form von Schuppen mit dem
gleichen Brechungsexponenten festgestellt. Röntgenographische Unter¬
suchungen ergaben ein schwach angedeutetes Diagramm.P. Schachtschnabel15 untersuchte die Rehydrierung
des geglühten Kaolins. Er behandelte das zwischen 400° und 800° er¬
hitzte Produkt mit Wasser bei 100° und fand eine allmähliche Rück¬
bildung des Kaolins. Daraus zog Schachtschnabel den Schluß, daß das
Kaolinitgitter beim Glühen nicht zerstört, sondern nur »eingedrückt«wird. W. Eitel16 schließt sich dieser Auffassung an und bezeichnet
die Umwandlung, die der Kaolin beim Erhitzen erleidet, als kristallo-
graphisch-chemischen Abbau unter Erhaltung der Struktur der Aus¬
gangssubstanz.Erhitzen wir den entwässerten Kaolin weiter, so tritt zwischen 950°
und 1000° eine exotherme Umwandlung ein; gleichzeitig wird die Ton¬
erde wieder säureunlöslich. Spangenberg beobachtete im Rönt-
genlicht das Auftreten eines feinkristallinen Pulverdiagramms, dessen
Deutung er offen läßt. Es besteht die Möglichkeit einer Rekristallisation
der beiden Oxyde oder der Bildung einer neuen Verbindung. Eine zweite
exotherme Reaktion bei 1200° entspricht der Umwandlung in M u 11 i t
3 Al203.2 Si02.
Vom Gesichtspunkt des Aufschlusses interessieren die Veränderun¬
gen, die der Kaolin bis zur Aufschlußtemperatur erleidet. Die Frage, ob
15 Chemie der Erde 4, 410 (1930).16 Physikal. Chemie der Silikate, 488 (1929).
14
mit dem Wasseraustritt ein Zerfall in ein disperses Gemisch von A1203
und Si02 eintritt, oder ob die Kaolinitstruktur mehr oder weniger in¬
takt bleibt, wollen wir hier noch offen lassen. Es wird später gezeigt,
daß wir auf Grund der experimentellen Ergebnisse dieser Arbeit die
zweite Version annehmen müssen.
Sicher erscheint bisher, daß im Bereich von 500° bis 900° der Kaolinit
eine leicht angreifbare Verbindung darstellt. Dies geht aus der Leicht¬
löslichkeit der Tonerdekomponente in verdünnten Säuren hervor. Es
ist aber anzunehmen, daß der im genannten Temperaturgebiet geglühteTon auch von Alkalien verhältnismäßig leicht angegriffen wird. Er¬
fahrungsgemäß benötigen wir bei der Behandlung mit Alkalien die
Energien des Schmelzflusses, um einen raschen und vollständigen Ab¬
bau des Alumosilikatgitters zu erzielen. Die geeignete Aufschlußtempe¬ratur für den alkalischen Angriff dürfte folglich der Temperaturbereichzwischen dem Schmelzpunkt des Alkalisalzes und 900° sein.
2. Die Aufschlußverfahren zur Gewinnung von Tonerde
aus Tonerdeverbindungen.
a) Geschichtlicher Weberblich.
Im Mittelalter war der Alaun die einzige technisch verwendete Alu¬
miniumverbindung. Er wurde ausschließlich aus dem Alaunstein oder
Alunit gewonnen, der die drei Komponenten Kali, Tonerde und Schwe¬
felsäure in der ungefähren Zusammensetzung des Alauns aufweist. Als
zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit der zunehmenden Papierproduktiondie Nachfrage nach Alaun rasch anstieg, reichten die bescheidenen
Alunitvorkommen nicht mehr aus, um den Bedarf zu decken. Man griffauf andere Aluminiumverbindungen, wie Kryolith, Bauxit und Tonerde¬
silikate. Diese wurden in zunehmendem Maße nicht mehr auf Alaun,
sondern auf Aluminiumsulfat verarbeitet. Von den Alumosilikaten wurde
nebst Leucit und Labradorstein zur Hauptsache Kaolin ausgebeutet. Es
zeigte sich, daß der Kaolin durch ein mäßiges Glühen bei 600—700° in
verdünnten Mineralsäuren zu ca. 80 % löslich wird. Sokoloff17 hat
später festgestellt, daß auf jedes Mol Wasser, welches beim Glühen ent¬
weicht, ein Mol lösliche Tonerde entsteht.
17 Sokoloff, 1. c.
15
Die größte Schwierigkeit bereitete der Aluminiumsulfat-Fabrikation
der Eisengehalt des Rohmaterials, der beim sauren Aufschluß mit dem
Aluminium in Lösung geht. Die Entfernung des Eisens erfolgte in der
Regel durch Umkristallisation des Aluminiumsalzes. Im Vergleich zum
normalen Sulfat war der Kalialaun infolge seiner geringeren Löslichkeit
und des guten Kristallisationsvermögens in viel reinerem Zustand er¬
hältlich.
Eine grundlegende Neuerung trat in der Technik der Aluminiumver¬
bindungen ein, als im Jahre 1888 die elektrolytische Gewinnung des
Aluminiums aus Tonerde im Kryolithschmelzfluß bekannt wurde. Da¬
mit nahm der Bauxit als Rohmaterial eine Vorzugsstellung ein. In der
Konkurrenz mit den bisherigen sauren Aufschlußmethoden setzten sich
die alkalischen Kreislaufverfahren rasch durch.
Das pyrogene Verfahren arbeitet mit Soda bei 1000°, das nasse oder
Bayer-Verfahren erhitzt mit Natronlauge unter Druck. Die alkalisch
gewonnene Tonerde wurde nicht nur Ausgangsmaterial für die Schmelz¬
elektrolyse, sondern auch für sämtliche reinen Aluminiumverbindungen.Es hat nicht an Versuchen gefehlt, die relativ teure Soda und Natron¬
lauge durch billigere Zusätze zu ersetzen. Am aussichtsreichsten er¬
schien in dieser Beziehung das Verfahren von Peniakoff18. Penia-
koff hat Bauxit mit Natriumsulfat und Kohle aufgeschlossen. Er gewinntneben Tonerde Natronlauge und Sö2 bezw. HCl. Trotz dieser an¬
scheinend vorteilhaften Bedingungen konnte sich das Verfahren gro߬technisch nicht durchsetzen.
Wenn auch die alkalischen Kreislaufverfahren eine reine und ver¬
hältnismäßig billige Tonerde liefern, sind dauernd Versuche unter¬
nommen worden, teils unter Heranziehung anderer Rohmaterialien,
neue Wege der Tonerdegewinnung einzuschlagen. Wiederholt griffman das Problem des sauren Aufschlusses auf, besonders um kieselsäure¬
haltige Aluminiumerze nutzbar zu machen. Während des Weltkrieges1914/18 wurden Untersuchungen in dieser Richtung z. B. in Deutsch¬
land sehr intensiv betrieben. Nach einer Mitteilung von H. Specke»ter19 wurden damals Tone in Griesheim sauer und alkalisch auf Ton¬
erde verarbeitet. Von den Ergebnissen soll später noch die Rede sein.
Allgemein geht aus den Angaben von Specketer hervor, daß so¬
wohl der saure wie der alkalische Abbau nicht befriedigten. Die ausge-
18 D.P. 80063, D.P. 93952.19 Z. physikal. Ch. 110, 514 (1924).
16
arbeiteten Verfahren blieben Kriegsverfahren und kamen nach Eintritt
normaler Handelsbeziehungen nicht mehr in Anwendung.In den letzten beiden Jahrzehnten wurde der Gewinnung von Ton¬
erde aus Alumosilikaten auch weiterhin Beachtung geschenkt. Der saure
Aufschluß erfuhr eine bedeutende Verbesserung durch das Verfahren
von M. Buckner20, dem es gelang, Tone mit wässerigem Ammon-
bisulfat aufzuschließen. Erwähnung verdienen auch die Arbeiten, die
von verschiedenen Autoren21 mit Sulfit ausgeführt wurden. So be¬
merkenswert diese neuen Wege waren, sind sie doch nie über das Ver¬
suchsstadium hinausgekommen.Vor einiger Zeit schien es, als ob die bestehenden Fabrikanlagen durch
die elektrothermischen Reduktionsverfahren ernsthaft konkurrenziert
würden. Große Beachtung fand besonders das Haglund- Ver¬
fahren, das den Bauxit mit Zusatz von Kohle und Pyrit schmilzt, sodaß
beim Erstarren der Reaktionsmasse die Hauptmenge der Tonerde aus
einer Aluminiumsulfidschmelze auskristallisiert. Die Gründe, warum
sich dieses Verfahren bisher nicht hat durchsetzen können, sind darin zu
suchen, daß das Nebenprodukt des Prozesses, die Eisen-Silizium-Legie¬
rung, sehr oft schwer verkäuflich war und zudem die gewonnene Ton¬
erde nicht die Reinheit einer Bayer-Tonerde erreicht.
In vermehrtem Maße ist in den letzten Jahren auch der alkalische
Aufschluß von Tonen wieder aufgegriffen worden. Nach Angaben von
Lilejew22 werden in Rußland Bauxite mit 20 %r Si02 unter Zusatz
von Kalk und Soda auf Tonerde verarbeitet. Es ist jedoch nicht ersicht¬
lich, wie weit die von Specketer23 festgestellten Nachteile dieses
Verfahrens (große Alkaliverluste) behoben werden konnten.
Verschiedenerorts ist man dazu übergegangen, Si02-reiche Bauxite
mit CaO allein zu schmelzen und die Calziumaluminatschmelze mit
Sodalösung auszulaugen. Die Anwendung dieses Verfahrens auf Tone
eignet sich weniger, da sehr hohe Temperaturen erforderlich sind.
Heute zeigt die Lage der Tonerdegewinnung folgendes Bild: Die
alkalischen Kreislaufverfahren sind in großtechnischen Anlagen der¬
artig ausgearbeitet worden, daß sie schwerlich durch neue Verfahren
konkurrenziert werden können, solange ihnen das notwendige Roh-
20 D.P. 425 222.21 Gmelin, Handb. d. anorg. Chemie, 8. Aufl., Bd. Aluminium B, 62.
22 C 1930II, 1594.23 H. Specketer, 1. c.
17
material zur Verfügung steht. Dieses Rohmaterial, ein Bauxit von weni¬
ger als 3 % Si02, ist in Europa allerdings zur Hauptsache abgebaut,und es besteht wenig Aussicht, durch neue Schürfungen größere Lagerfreilegen zu können. Die Verwendung anderer Rohmaterialien ist da¬
mit in greifbare Nähe gerückt und bringt naturgemäß neue Probleme
mit sich, die zuerst im wissenschaftlichen Laboratorium studiert werden
müssen.
Es ist wenig wahrscheinlich, daß in nächster Zeit Alumosilikate wie
Tone etc. technisch ausgebeutet werden, da vorläufig noch große Lageran weißen Bauxiten besonders in Nordamerika vorhanden sind. Diese
enthalten im Vergleich zum Kaolin immer noch ca. 20 % mehr Tonerde.
Mit dem Abbau von Bauxiten mit 5—10 % Si02-Gehalt ist auch schon
begonnen worden, ohne daß dabei prinzipiell neue Wege eingeschlagenwurden. Die Verarbeitung nach dem Bayer-Verfahren erfordert einen
gewissen Kalkzusatz, um die Kieselsäure zu binden. Besser eignen sich
die Reduktionsverfahren, bei denen das Silizium mit dem Eisen zu Metall
reduziert wird. Es ist sehr wohl möglich, daß nach der Erschöpfung der
roten Bauxitlager die Tonerde durch partielle elektrothermische Re¬
duktion des weißen Bauxits im Sinne von H a g 1 u n d gewonnen wird.
b) Saure Aufschlußverfahren der Tone.
Im folgenden sollen einzelne wichtige Aufschlußverfahren etwas
näher betrachtet werden. Die Herstellung von Tonerde über ein sauer
geführtes Verfahren stellt einen Umweg dar. Es wird zuerst ein Alu¬
miniumsalz gewonnen, das in einem zweiten Arbeitsprozeß in das Oxydübergeführt werden muß. Trotzdem ist dem sauren Aufschluß vor dem
alkalischen-oft der Vorzug gegeben worden; vor allem darum, weil die
Zersetzung des geglühten Kaolins mit einer starken Mineralsäure fast
quantitativ erfolgt. Aluminium und Eisen gehen dabei in Lösung, wäh¬rend die Kieselsäure als schwerlösliches Hydrat ausfällt.
Zum Aufschluß sind in erster Linie Schwefelsäure und Salzsäure, sel¬
tener Salpetersäure24 empfohlen worden. Mit jeder der drei Säuren löst
man leicht 80—90 % Tonerde aus dem entwässerten Ton. Die Bevor¬
zugung der einen oder andern hängt u. a. davon ab, wie rein ihre Alu»
-4 M. Büchner, D.P. 558 811; 576 159) Ver. Al.-Werke D.P. 607 742.
18
miniumsalze ausfallen, und wie leicht die Ueberführung derselben ins
Oxyd gelingt.Die Tonerde läßt sich aus einem Aluminiumsalz prinzipiell auf zwei
Wegen gewinnen: Man kann das Aluminium aus der sauren Lösung mit
einer Lauge als Hydrat fällen und dieses anschließend glühen; oder man
spaltet das trockene Salz thermisch in Tonerde und das Säureanhydrid.Im zweiten Fall wird die Säure zurückgewonnnen und ist im Kreislauf
verwendbar. Dieses Verfahren wird daher allgemein vorgezogen. Sein
Nachteil liegt darin, daß bei der pyrogenen Zersetzung die Apparaturenstark angegriffen werden.
Die analytische Schwierigkeit des sauren Aufschlusses besteht in der
Entfernung des Eisens, das mit dem Aluminium in Lösung geht. Die
Trennung durch Umkristallisieren, wie sie bei der Alaunfabrikation an¬
gewendet wird, eignet sich für die wenigsten Aluminiumsalze. H.
Specketer25 empfiehlt, das Al-sulfat unter Ammoniakdruck als
basisches Salz zu fällen, oder das Chlorid durch Einleiten von Salzsäure¬
gas auszusalzen. In beiden Fällen bleibt das Eisen in der Mutterlaugezurück. Specketer gibt dem Aufschluß mit HCl den Vorzug, da
die Titansäure dabei angeblich nicht gelöst wird und das Aluminium¬
chlorid relativ leicht zersetzbar ist.
Zur Abscheidung des Eisens werden noch eine Reihe weiterer Ver¬
fahren vorgeschlagen. Nach einem Patent aus Griesheim26 erhitzt
man die Chloride auf 300°, wobei das A1C13 in Oxychlorid und Tonerde
übergeführt wird, während das FeCl2 unzersetzt bleibt. Dieses kann
nachträglich weggelöst werden. W. Schuhmacher27 empfiehlteinen Aufschluß mit Schwefelsäuredämpfen bei 400—500°. Bei dieser
Temperatur soll sich noch kein Eisensulfat, dagegen schon lebhaft Alu¬
miniumsulfat bilden. Ein eisenfreies Al-chlorid will die I. G. F a r b e n28
auf folgendem Weg erreichen: Beide Chloride werden durch Glühen
in die Oxyde übergeführt und dann bei 750° mit einem Salzsäurestrom
behandelt. Dieser nimmt das Eisen als flüchtiges FeCl2 mit sich. Ver¬
schiedentlich wurde eine Chlorierung des Rohmaterials vorgenommen.
C. Fink und V. S.de March29 haben die Einwirkung von Chlor
25 H. Specketer, 1. c. siehe Seite 16.
28 D.P. 357 900.
27 D.P. 383 435.
28 DJ. 562498.29 The Electrochem. Soc, 509 (1938).
19
auf verschiedene Bauxite untersucht. Sie fanden z. B., daß bei einem
Bauxit mit 28 % Fe203 nach vierstündigem Chlorieren bei 900° 87 %
des Fe und 1 % AI in Chloride übergegangen waren.
Der saure Aufschluß kann auch trocken ausgeführt werden. Ver¬
wendet man hiezu Ammonsulfat, so gelangt man zu einem sauren Kreis¬
laufverfahren. Der Ton reagiert bei 400—500° mit Ammonsulfat nach
folgender Gleichung:
Al203.2Si02.2 H20 + 3 (NH4)2S04
Al2(SO,)3 + 2Si02 + 5 H20 + 6NH,
Das Aluminiumsulfat wird mit Wasser ausgelaugt, und aus der Lösungdas Al(OH)3 mit dem abgespaltetenen Ammoniak gefällt. Das Ver¬
fahren wurde von J. Heibling30 erstmals vorgeschlagen und spätervon J. D. R i e d e 131 und L. H e ß
32
ausgearbeitet. Es erscheint mir je¬doch fraglich, ob die Tonerde nach diesem Verfahren völlig frei von
Kieselsäure erhalten werden kann.
Eine weitere Verbesserung des oben genannten Verfahrens erzielte
M. Buchner33 dadurch, daß er den vorgeglühten Ton mit einer
Bisulfatlösung unter Druck behandelte. Das Aluminium geht bei diesem
Prozeß als Ammoniakalaun in Lösung, der zur Befreiung vom Eisen
noch umkristallisiert wird. Aus der Alaunlösung wird das Tonerde¬
hydrat wie oben mit NH3 gefällt. Das Verfahren soll eine reine Ton¬
erde liefern, sofern es gelingt, einen gut auswaschbaren Hydroxyd¬niederschlag zu fällen. Als Nachteil des Verfahrens werden die nicht
vermeidbaren Ammoniakverluste angegeben.Glüht man Ton mit Gips oder Nktriumsulfat, so erhält man eine Um¬
setzung, die auf einen alkalischen Aufschluß hinausläuft. In diesem
Fall wird die Säure abgespalten, und das Kation setzt sich zu Silikat und
Aluminat um nach folgender Reaktion:
Al203.2Si02. 2 H20 + 3 (NH4) 2S04
h 2 NaAl02 + 2Na2SiOs + 3H2S04
30 D.P. 70 549.
31 D.P. 359 975, 368 650.
32 D.P. 360 201, 388996.
33 M. Buchner, 1. c.
20
Im gleichen Sinn reagieren die Alkali- und Erdalkalichloride. Die Um¬
setzungen werden im Wasserdampfstrom, ev. unter Zugabe von Kohle
ausgeführt und erfordern Temperaturen von ca. 1000°. W. Guert-
ler34 hält sie für die erfolgreichsten Aufschlußverfahren der Tone. Er
schlägt ferner vor, die abgespaltene Salzsäure mit dem Ca-Silikat bei
400° zurückreagieren zu lassen, um das CaCl2 wieder zu gewinnen.
Nach der Reaktion wird die Aufschlußmasse zunächst mit Wasser aus¬
gelaugt, um das Calciumchlorid zu entfernen. Anschließend behandelt
man den Rückstand mit verdünnter Salzsäure, welche die Tonerde in
Lösung bringt. Nach den Angaben von Guertler verläuft der Pro¬
zeß quantitativ; er scheint jedoch reichlich kompliziert und kostspieligfür eine Gewinnung von AlCl3.
Unter milderen Bedingungen lassen sich Tone mit schwachen Mine¬
ralsäuren oder mit organischen Säuren aufschließen. Der Vorteil dieser
Verfahren gegenüber dem Aufschluß mit starken Säuren liegt darin, daß
die gebildeten Aluminiumsalze leichter pyrogen zersetzt werden können
und die Apparaturen weniger angegriffen werden. Gegenstand ein¬
gehender Untersuchungen war die schweflige Säure. H. G. Wild-
mann35 und die Japaner H. T a n a k a und T. K. S h i k e n g o36
schlagen übereinstimmend vor, den gerösteten und gemahlenen Ton
mit konz. S02-Lösung unter einigen Atm. Druck im Autoklaven zu be¬
handeln. Dabei geht das Aluminium zur Hauptsache als Sulfit in Lösung.Durch längeres Kochen der Lösung tritt Zerlegung in S02 ein, das im
Kreislauf verwendet wird, und in Al(OH)3 oder A10HS03. Das basi¬
sche Sulfit kann durch höheres Erhitzen leicht in Tonerde übergeführtwerden.
Einen Vorschlag, den geglühten Ton mit wässeriger Ameisensäure in
der Siedehitze auszulaugen, macht Bräuninger37. Nach seinen
Angaben scheidet sich das gelöste Aluminiumformiat nach mehrstündi¬
gem Kochen als Al(OH)(HCOO)2.2 H20 ab. Das basische Salz wird
durch Einwirkung von Wasserdampf bei 150—200° zersetzt, wobei Ton¬
erdehydrat zurückbleibt und die Ameisensäure wieder gewonnen wird.
Vom Aufschluß mit einer schwachen Säure kann allgemein gesagt
werden, daß er zum Ziele führt, wenn auch nicht so vollständig wie mit
34 D.P. 516 278 (1930).35 E.P. 161 310. Siehe auch D.P. 597 495.36 Jap. P. 40 177.37 D.P. 624 104; vgl. die P. der I. G. Farben D.P. 654 557 u. 636 826.
21
einer starken Mineralsäure. Es hat sich jedoch gezeigt, daß dabei immer
etwas Kieselsäure in Lösung geht, welche z. T. als Verunreinigung der
gewonnenen Tonerde auftritt.
c) Alkalische Verfahren.
Der alkalische Aufschluß ist der direkte Weg für die Gewinnung von
Tonerde aus Aluminiumverbindungen. Das Aluminium geht dabei
anionisch, d. h. als Aluminat in Lösung. In dieser Form kann es sehr
leicht in das Hydroxyd übergeführt werden.
Während beim sauren Aufschluß das Eisen der störende Begleiter ist,
geht bei einer alkalischen Behandlung die Kieselsäure in Lösung und
das Eisen bleibt im Rückstand. Die Kieselsäure wirkt sich hier doppeltnachteilig aus. Sie geht z. T. eine schwerlösliche Verbindung von der
Zusammensetzung (Na20)2.Al203.2Si02 ein und verursacht dadurch
Alkali- und Tonerdeverluste. Zum andern Teil löst sie sich in der Alu-
minatlauge und fällt als Verunreinigung mit der Tonerde aus.
Nach seiner chemischen Zusammensetzung eignet sich der Bauxit
am besten für den alkalischen Aufschluß. Abgesehen von seinem hohen
Tonerdegehalt (ca. 60 %), weist er meistens viel Fe203 und wenig Si02
auf. Die meisten alkalischen Verfahren sind dementsprechend für Bauxit
vorgesehen. In großtechnischem Ausmaß werden die sogenannten alka¬
lischen Kreislaufverfahren angewendet. Das ältere Trockenverfahren
wurde erstmals von H. LeChatelier38 ausgeführt und später von
den Gebrüdern G. und F. L ö w i g39 technisch ausgearbeitet. Nach
diesem pyrogenen Verfahren sintert man den Bauxit mit Soda bei ca.
1000° und laugt die Reaktionsmasse mit Wasser aus. Man erhält eine
Aluminatlösung, aus der die Tonerde durch Einleiten von C02 gefälltwird. Die Restlauge wird bis zur wasserfreien Soda eingedampft und
diese weiter verwendet.
Der nasse Aufschluß von K. J. B a y e r40
ist gegenüber dem Trocken¬
verfahren ein Fortschritt. Man benötigt weniger hohe Temperaturen und
kann das Eindampfen der Restlauge vermeiden. Der Aufschluß wird mit
Natronlauge im Autoklaven unter einigen Atm. Druck ausgeführt, wo»
38 Gmelin, Bd. Aluminium B, S. 15.39 D.P. 93, 1650, 19 784.40 D.P. 43 977, 65 604.
22
bei die Tonerde als Aluminat in Lösung geht. Einige Bauxite, z. B. die
ungarischen, lassen sich auf diese Art nur schwer aufschließen.
Der charakteristische Vorteil des Bayer' sehen Laugeverfahrens
besteht im sog. Ausrühren der Tonerde, wobei nach W. D.
Treadwell41 schwerlösliche polymère Tonerde zur Ausscheidung
gelangt. Setzt man der Aluminatlauge kristallisiertes Aluminium¬
hydroxyd als Erreger zu, so fallen beim Einhalten gewisser Bedingungen
(Temperatur und Laugenkonzentration) ca. 60 % der Tonerde aus .Die
ausgerührte Tonerde ist bedeutend reiner als die mit Kohlendioxyd ge¬
fällte.
Ein pyrogenes Verfahren, das nicht im Kreislauf arbeitet, ist der Auf¬
schluß mit Natriumsulfat und Pyrit oder Kohle als Reduktionsmittel.
Setzt man der Aufschlußmischung die richtige Menge Kohle zu, so läßt
sich die Bildung löslicher Sulfide vermeiden, und der Prozeß verläuft
nach der Gleichung:
2(4Al203.Fe203) +8Na2S04H-5C
>-l6NaA102 + 4FeO + 5C02 + 8S02
Peniakoff hat mehrere Patente auf dieses Verfahren43 erworben,
das unter ähnlichen Bedingungen auch mit Kochsalz ausgeführt werden
kann. Theoretisch sieht es sehr verlockend aus; man gewinnt neben der
Tonerde noch eine Lauge und eine Säure. Praktisch haben sich die
alkalischen Kreislaufverfahren besser bewährt.
Die alkalischen Aufschlußverfahren der Tone sind allgemein in
Anlehnung an den Bauxitaufschluß vorgeschlagen worden. Der hohe
Kieselsäuregehalt der Tone von 40—50 % erfordert jedoch eine wesent¬
lich andere Arbeitsweise. Ein Aufschluß mit einer reinen Alkaliverbin¬
dung fällt außer Betracht, da unter solchen Bedingungen sehr viel
Si02 mit der Tonerde in Lösung gehen würde. Die Abscheidung der
Kieselsäure in einer schwerlöslichen Form ist demnach beim Aufschluß
von Tonen unerläßlich. Man hat hiezu schon früh die Eigenschaft der
Erdalkalimetalle benützt, schwerlösliche Silikate zu bilden. Den ersten
41 Helv. 17, 774 (1934).42 Vgl. z. B.: E. Baerwind u. F. Gewecke in Ulimann, Enzykl. d. techn. Chemie,
S. 301, Bd. I.
A. Bräuer, Fortschr. d. anorgan. ehem. Industrie, 3. T. Bd. I, S. 3285.
A. v. Zeerleder, in Engelhardt, Handbuch d. techn. Elektrochemie III, S. 209 (1934).43 I.e. siehe Seite 16.
23
Vorschlag in dieser Richtung hat H. Müller44 im Jahre 1880 ge¬
macht. Er empfiehlt, Aluminiumerze mit CaC03 und Soda auf helle
Rotglut zu erhitzen. Dabei bildet sich unlösliches Ca-Silikat und lös¬
liches Na-Aluminat, welches mit Wasser ausgelaugt werden kann.
H. Packard45 hat das Patent von Müller dahin ergänzt, daß
er für die Aufschlußmischung ein bestimmtes Verhältnis vorschrieb. Er
nahm 2 Mole CaO auf 1 Mol Si02 und 2 Mole Soda auf 1 Mol Al203.Während des Weltkrieges wurde in Griesheim nach dem Patent von
P a c k a r d Kaolin auf Tonerde verarbeitet. Nach Angaben von H.
Specketer46 wurden dabei Tonerdeausbeuten von 80 % erreicht.
Nachteilig erwiesen sich die hohen Alkaliverluste von 30—50 %, die das
Verfahren unwirtschaftlich machten.
In einer eingehenden Arbeit über die Aufschlußmöglichkeiten der
Tone kommt auch V. Gerber47 zum Schluß, daß bei Aufschlüssen
mit Kalk und Soda die von P a c k a r d vorgeschlagene Mischung ein
Optimum darstelle. Gerber verwendete CaC03 an Stelle von CaO.
Er glüht die Mischung bei verschiedenen Temperaturen und fand zwi¬
schen 800 und 900° die höchsten Tonerdeausbeuten. Uebereinstimmend
mit Specketer werden Alkaliverluste von 30—40 % angegeben.Gerber nimmt an, daß die Soda in der Hitze den Kaolin zuerst in
Nephelin Na2O.Al203.2Si02 überführt, und daß dieser durch die Ein¬
wirkung des Calciumoxyds in Ca-Silikat und Na-Aluminat gespaltenwird. Die Alkaliverluste können dann damit erklärt werden, daß die
Umsetzung mit dem Kalk nur unvollständig erfolgt.In einigen Versuchsreihen hat Gerber die Soda teilweise durch
Kochsalz und das CaC03 durch BaC03 ersetzt. Die erhaltenen Re¬
sultate zeigen, daß der Aufschluß auch mit diesen Zusätzen gelingt,ohne daß die Ergebnisse wesentlich differieren.
lieber den Aufschluß des Tons mit Kalk und Soda werden von weite¬
ren Autoren4S Angaben gemacht, die sich auf andere Mischungsver¬hältnisse und Temperaturen beschränken. Während die Temperatur¬angaben weit auseinander gehen (875—1400°), werden für die Auf-
44 D.P. 12 947.45 D.P. 182 442.48 1. c. s. Seite 16.47 1. c. s. Seite 10.48 E. O. Wilson, C 1934 II, 303.
Electric Smelting u. Aluminium Co. A.P. 2 058 145.
Vergl. auch D.P. 619 129 und D.P. 654 236.
24
Schlußmischung ziemlich übereinstimmend auf 1 Mol Si02 2 Mole CaO
und auf 1 Mol Al203 1 bis 2 Mole Na2C03 vorgeschlagen. Unabgeklärt
bleibt die Frage, ob die Beimischung von Calciumoxyd oder Calcium-
karbonat zweckmäßiger sei. Ferner vermißt man in den meisten Ar¬
beiten die Angabe der Alkaliverluste und eine mögliche Vermeidungderselben. Dieser Punkt ist jedoch von großer Wichtigkeit im Hinblick
auf eine praktische Anwendung des Verfahrens.
Es ist versucht worden, Bauxit und Ton mit Kalk allein aufzuschließen.
Analog dem Aufschluß mit Alkalien läßt sich die Umsetzung mit Kalk
prinzipiell auf zwei Wegen —- trocken und in wässeriger Phase — er¬
reichen. Beim pyrogenen Aufschluß erhitzt man die Mischung der bei¬
den Stoffe zum Schmelzen, was eine Temperatur von mindestens 1300°
erfordert. Dabei setzen sich Tonerde und Si02 zu Ca-Aluminat bezw.
Ca-Silikat um. Die erkaltete Schmelzmasse wird zerkleinert und mit
Sodalösung ausgelaugt, wobei sich das Ca-Aluminat zu Na-Aluminat
und CaC03 umsetzt, während das Ca-Silikat nur wenig angegriffen
wird. G. und F. L ö w i g49 haben das Verfahren erstmals im Zusammen¬
hang mit dem Soda-Aufschluß am Bauxit untersucht. Später haben die
Société Electro-Métallurgique Française50 und
die L o n z a51 daran gearbeitet. Um das Auslaugen der Aluminat-
schmelze zu erleichtern, wurden der Mischung Alkalisalze zugesetzt.
E. Martin52 erhält auf diese Art 90 % Tonerde-Ausbeute bei einer
Glühtemperatur von 1300°.
Die Schwierigkeit des Auslaugens umgeht die L o n z a,indem sie
die Hälfte des Ca-Aluminats in einer Säure löst und mit dem Rest ver¬
rührt. Es findet dann eine Umsetzung nach folgender Gleichung statt:
2 A1(N03)3 + 3 CaO.Al203 + H20 > 3 Ca(N03)2 + 4 Al(OH)3
Die Säuremenge wird so bemessen, daß sich lösliches Calciumnitrat und
Al(OH)3 bilden. Das Hydroxyd wird zur Reinigung nochmals mit Na¬
tronlauge in Lösung gebracht.Der wässerige Aufschluß mit Kalk ist von J. C. S é a i 11 e s
53ein¬
gehend untersucht worden. S é a i 11 e s behandelt die vorgeglühte Alu-
miniumverbindung unter 10 Atm. Druck mit einem Ueberschuß an Kalk
49 D.P. 1650.50 Schw. P. 93 574.51 D.P. 559 919i Schw. P. 150 910.
52 Schw. P. 89 956.83 F. P. 634 430 s 649 027.
4 25
und einem Wasserzusatz, der mindestens 50 % des festen Materials be¬
trägt. Es bilden sich unter diesen Bedingungen wasserhaltige Ca-Alu-
minate verschiedener Zusammensetzung. Sie werden mit Sodalösung zu
Na-Aluminat und CaC03 umgesetzt.
Die erwähnten Aufschlußverfahren mit Kalk sind an Bauxiten studiert
worden. Auch Kaolin läßt sich auf diesem Wege aufschließen, doch er¬
folgt der Abbau in auslaugbare Ca-Aluminate nicht quantitativ. Das
pyrogene Verfahren erfordert sehr hohe Temperaturen; H. Specke-ter54 erzielte damit Tonerde-Ausbeuten von nur 70 %. Beim nassen
Aufschluß mit Kalk hängt der Grad der Zersetzung stark von der Art des
Tones ab. Die Ausbeuten an löslichem Aluminat fallen hier noch wesent¬
lich niedriger aus.
Ausschließlich für den Aufschluß von Tonen ist das kombinierte Ver¬
fahren von A. K a y s e r und A. H. C o w 1 e s55
gedacht. Dieses Ver¬
fahren arbeitet in zwei Stufen. Im ersten Prozeß wird der Ton mit Koch¬
salz gemischt und im Wasserdampfström auf 1000° erhitzt. Das Alu-
mosilikat wird dabei abgebaut; es bilden sich teilweise Na-Aluminat und
Na-Silikat, zur Hauptsache jedoch eine ternäre Verbindung nach der
Reaktionsgleichung:
Al203.2Si02 + 2 NaCl + H20 > Na2O.Al203.2Si02 + 2 HCl
Die Reaktionsmasse wird zerkleinert, mit Kalk gemischt und ein zweites
Mal gesintert, wobei sich zur Hauptsache folgender Vorgang abspielt:
Na2O.Al203.2Si02 + 4 CaO > 2 Ca2Si04 + 2 NaAl02
Das Aluminat kann mit Wasser oder Alkalilösung ausgelaugt werden.
In den letzten Jahren wurde das Verfahren von der Electric-
Smelting § Aluminium Co. wieder aufgenommen. In einem
Patent58 werden für beide Stufen die Zusammensetzung der Mi¬
schungen und die erforderlichen Temperaturen angegeben. Diese be¬
tragen bei der ersten Umsetzung 900—1200°, bei der zweiten 1100 bis
1400°. Das Verfahren hat den Nachteil, daß das Kochsalz bei den ein¬
gehaltenen Temperaturen schon sehr rasch verdampft, und daß die ab¬
gespaltene Salzsäure die Apparaturen stark angreift.
54 I.e. s. Seite 16.65 A. P. 1 040 893,- 1 040 894.58 E.P. 461117.
26
Es mag interessieren, welches von den genannten Verfahren für den
Abbau von Tonen am zweckmäßigsten erscheint. In ihren technologi¬schen Beiträgen bemerken sowohl W. Fulda57 wie E. Baerwind
und F. Geweckc58, daß sich kieselsäurereiche Aluminiumverbin¬
dungen vorteilhaft nur auf saurem Wege aufschließen lassen. Bei nähe¬
rer Betrachtung zeigt sich aber, daß auch ein alkalisch geführter Auf¬
schluß zum Ziele führen kann. Der hohe Kieselsäuregehalt der Tone
erfordert allerdings große Kalkzuschläge, womit das Verhältnis von
nutzbarem zu totem Material ungünstig wird; wenn es aber gelingt, den
Aufschlußrückstand zu verwerten, so fällt dieser Punkt nicht mehr so
nachteilig ins Gewicht. Von den in Frage kommenden alkalischen Ver¬
fahren dürfte dasjenige mit Kalk und Soda am geeignetsten sein; vor¬
ausgesetzt, daß die Alkaliverluste vermieden werden können.
d) Reduktionsverfahren.
Der Gedanke, Aluminiumerze durch elektrothermische Reduktion auf
Tonerde zu verarbeiten, wurde schon im Jahre 1900 von C h. M.
Hall69, dem Entdecker der elektrolytischen Aluminiumgewinnung, ge¬
äußert. Das Rohmaterial wurde zu diesem Zwecke mit Kohle gemischtund im elektrischen Ofen geschmolzen. Liegt eine Verbindung mit den
Komponenten A1203, Fe203, Si02 und Ti02 vor, so wird das Eisenoxydleicht, Silizium- und Titanoxyd schwer und die Tonerde, praktisch nicht
reduziert. Man erhält dann eine schwere Schmelze der reduzierten Me¬
talle, über welcher die leichtere Tonerdeschmelze geschichtet liegt.Nach dem Erkalten trennt man Legierung und Tonerdeschlacke auf
magnetischem Wege voneinander.
Das Verfahren eignet sich in erster Linie für AI-Erze mit viel Eisen
und wenig Silizium, z. B. für Bauxite mit 5—10 % Si02. Diese Kiesel¬
säuremenge wird in Gegenwart von viel Eisenoxyd fast quantitativ re¬
duziert, und man erhält eine Fe-Si-Legierung, welche magnetisch leicht
entfernt werden kann.
Wesentlich verschieden davon liegen die Verhältnisse bei der Ver¬
arbeitung von Tonen. Einem Eisengehalt von einigen Prozenten steht hier
57 W. Fulda: Tonerde und ihre Salze in Muspratt's Chemie (1927), S. 1232.58 Ulimann, Enzykl. d. techn. Chemie, 1. Bd., 2. Aufl.69 D.P. 135 553.
27
ein Kieselsäuregehalt von ca. 50 % gegenüber. Um dieses Si02 an¬
nähernd vollständig zu reduzieren, sind zwei Schmelzprozesse unter Zu¬
gabe von viel Fe203 notwendig. Titansäure wird auch unter diesen Be¬
dingungen nur teilweise zu Metall reduziert.
Die Reduktionsverfahren fanden in der Technik Interesse, sobald die
elektrische Energie billig und in großen Mengen erhältlich war. Große
Beachtung wurde eine Zeitlang dem Verfahren von Haglund60 ge¬
schenkt. H a g 1 u n d setzt der Bauxit-Kohle-Mischung noch Pyrit zu.
Damit erreicht er neben der Reduktion von Fe, Si und Ti, daß sich ein
Teil der Tonerde zu Aluminiumsulfid umsetzt, welches die Eigenschafthat, Tonerde zu lösen. Beim Abkühlen kristallisiert die Tonerde aus der
Aluminiumsulfidschmelze aus. Diese Tonerde weist jedoch nicht die
Reinheit auf, welche nach dem alkalischen Bayer- Verfahren erzielt
wird.
Auf Veranlassung von Herrn Prof. Dr. W. D. Treadwell unter¬
nahm ich weitere Versuche über den mild geführten alkalischen Auf¬
schluß von Kaolin, in der Absicht, auf diese Weise neue Einblicke in
den Reaktionsmechanismus der Zersetzung zu gewinnen.
60 Ulimann, 1. Bd., 2. Aufl., S. 283.
28
Experimenteller Teil.
1. Die AufSchlußmischung.
a) Die Soda-Calciumkarbonatschtnelze.
Der Aufschluß von Kaolin mit Calciumkarbonat und Soda ist da¬
durch gekennzeichnet, daß bei verhältnismäßig niedriger Temperatur
(800°) ein rascher Umsatz der Kieselsäure mit dem Kalk stattfindet.
Ohne Sodazusatz geht bei dieser Temperatur auch eine Reaktion zwi¬
schen Kaolin und Kalk vor sich. Untersuchungen von J. W e y e r61
haben ergeben, daß diese jedoch sehr langsam erfolgt. W e y e r
stellte z. B. bei 800° eine Umsetzung von 52 % innert 112 Stunden fest.
Die rasche Umsetzung wird dadurch ermöglicht, daß das Calcium¬
karbonat bei Anwesenheit von Soda im Schmelzfluß einwirken kann.
Soda und Calciumkarbonat haben die Eigenschaft, von etwa 800° an
homogene Schmelzen zu bilden. Die phasenchemischen Eigenschaftendieser Schmelzen sind von P. N i g g 1 ie2 eingehend studiert worden.
N i g g 1 i bestimmte den Kohlendioxydverlust von Na2C03—CaCCv
Schmelzen variierender Zusammensetzung bei verschiedenen Tempera¬
turen. Er fand z. B., daß im Kohlendioxydstrom eine Mischung von 24 %
CaC03 und 76 % Na2C03 bei 1000° kein C02 abspaltet. Vergleichs¬weise sei bemerkt, daß reines Calciumkarbonat bei 1000° einen Zer¬
setzungsdruck von 5,7 Atm. hat.
Das System Na2C03.CaC03 zeigt bei 30 Mol% CaC03 ein Eutek-
tikum. Auf der Soda-Ueberschuß-Seite erstarrt ein Gemisch von Na2
C03.CaC03-Doppelsalz und Soda-Mischkristallen. Oberhalb 50 Mol %
CaC03 erstarrt die Schmelze unabhängig vom gewählten Ansatz bei
Zement 20, 560 (1931).
Z. anorgan. Ch. 98, 290 (1916).
Siehe auch W. Eitel, N. Jahrbuch f. Mineralogie II, 45—61 (1922).
29
813°. Von großer Wichtigkeit für den Aufschluß ist die von N i g g 1 i
gemachte Feststellung, daß Calciumoxyd im Gegensatz zu Calciumkar»
bonat in der Sodaschmelze praktisch unlöslich ist.
Zur Erklärung der leichten Schmelzbarkeit des Salzgemisches und
seiner Beständigkeit im Schmelzfluß nehmen wir die Bildung eines
mäßig stabilen Carbonatkomplexes [Ca(C03)2]" in der Schmelze an,
wodurch die Tension des Kohlendioxyds der Schmelze gegenüber der¬
jenigen des reinen Calciumkarbonates stark vermindert werden müßte.
Es schien uns daher wichtig, die C02-Tension der Schmelze in einem
größeren Temperaturgebiet zu messen. Hiezu wurde die in Fig. 3 dar¬
gestellte Versuchsanordnung gewählt:
In einem elektrisch geheizten Rohrofen, der eine genaue Einstellungund Kontrolle der Temperatur gestattet, wurden Proben von reinem
Calciumkarbonat und feingepulvertem Na2Ca(C03)2-Doppelsalz in
zwei dicht nebeneinander liegenden Porzellanröhren von 1 cm Durch¬
messer und 70 cm Länge erhitzt. Die Proben betrugen je 1 gr und waren
in Schiffchen aus Kupferfolie eingefüllt. Das Doppelsalz stellte ich her
aus einer Mischung von molekular gleichen Teilen Soda und Calcium¬
karbonat, die in einer Kohlendioxydatmosphäre vorsichtig bis zur kla¬
ren Schmelze erhitzt, sodann abgekühlt und pulverisiert wurde.
30
lieber die Salze in beiden Rohren strich ein Wasserstoffstrom von
genau gleicher Geschwindigkeit. Der Partialdruck des Kohlendioxyds
in den Endgasen mußte dann der Tension desselben über den Salzpulvern
entsprechen. Der Wasserstoffstrom wurde von zwei in Serie geschalteten
elektrolytischen Zersetzern erzeugt. Diese bestanden aus U-Rohren von
20 cm Länge und 1,5 cm Durchmesser, die zur Hälfte mit 15%iger
NaOH gefüllt waren. Als Elektroden dienten Spiralen aus reinem
Nickeldraht.
Die Elektrolyse wurde bei 8 Volt Spannung mit 0,1 Amp. durchge¬
führt und lieferte so 50 ccm Wasserstoff in 1 Stunde. Vergleiche mit
kleinerer Gasstromgeschwindigkeit ergaben, daß sich die Gleichge¬
wichtsdrucke bei der angegebenen Geschwindigkeit einstellen konnten.
Zur Reinigung von C02 und Wasserdampf leitete ich den erzeugten
Wasserstoff zunächst durch zwei U-Rohre, die mit Aetznatronstück-
chen beschickt waren. Das aus den Porzellanröhren austretende Gas¬
gemisch wurde in zwei 60 ccm fassenden Gasbüretten aufgefangen. Als
Sperrflüssigkeit diente eine gesättigte Kochsalzlösung. Das Gasvolumen,
das nach der Einstellung des Gleichgewichtsdruckes im Rohr während
einer Stunde in die Bürette übergeströmt war, wurde auf Zehntel-ccm
genau gemessen, dann in eine Kalipipette übergetrieben, und der C02-
Gehalt aus der Differenz bestimmt.
Die Messungen wurden im Temperaturgebiet von 680—750° aus¬
geführt. Höhere Temperaturen eigneten sich für die Tensionsmessungen
nicht, da dann beim Doppelsalz bereits eine merkliche Sinterung ein¬
trat. Diese hatte zur Folge, daß sich der C02-Partialdruck im Er¬
hitzungsrohr nicht mehr einstellen konnte und die gemessenen C02-
Werte daher zu tief ausfielen.
Die sorgfältigen Tensionsmessungen an Calciumkarbonat von An«
drossow63 und von Tamaru, Siomi undAndati64 las¬
sen sich mit Hilfe der thermischen Daten von H. U 1 r i c h65
gut dar¬
stellen durch den Ansatz:
logp(mm)= + 10,442 1
63 Z. physikal. Ch. 116, 81 (1925).
64 Z. physikal. Ch. 157, 447 (1931).
65 Lehrbuch d. physikal. Chemie, S. 120 (1938).
31
Die resultierende Wärmetönung der Reaktion
CaC03^=^CaO + C02
ergibt sich aus Gleichung 1 zu
Q = 4,579^£-
= 39,7 Kcal 2
d 1/T
Die eigenen Messungen mit reinem Calciumkarbonat ergaben Werte,
welche befriedigend mit Gleichung 1 übereinstimmten. Daraus war zu
ersehen, daß sich bei den Strömungsversuchen die Gleichgewichts¬drucke eingestellt hatten.
An dem fein gepulverten Doppelsalz Na2Ca(C03)2 wurden die fol¬
genden Tensionswerte beobachtet:
Tabelle 1.
T: 953° 973° 1003° 1023°
p(mm): 12,1 17,5 32,8 50,0
Diese Tensionswerte lassen sich durch folgenden linearen Ausdruck
darstellen:
i , ,10100
.
log p (mm) = f- 8,769 3
Die zugehörige Wärmetönung der Reaktion
Na2 [Ca(C03)2] > CaO + C02 + Na2COs 4
ergibt sich aus Gleichung 3 unter Benützung von 2 zu 46,2 Kcal. Gegen¬über dem reinen Calciumkarbonat erhalten wir folglich beim Doppel¬salz eine zusätzliche Wärmetönung von 6,5 Kcal., womit in der Tat das
Salz Na2[Ca(C03)2] als mäßig stabiler Komplex gekennzeichnet ist.
32
b) Das Mischungsverhältnis Kaolin-.Soda-.Calciutnharbonat.
Meine Aufschlußversuche führte ich mit einem möglichst reinen Kao-
linit aus, der in Mol% die folgende Zusammensetzung besaß:
A1203 '20,2% Fe2Os 0,26%
SiOä 39,8% HäO 39,6 %
entsprechend der Formel Al2O3,0,013 Fe203, 1,97 Si02, 1,96 H20.
Eine mild geführte rationelle Analyse führte zur praktisch vollständigen
Lösung der Einwaage, ohne einen sandigen Rückstand zu hinterlassen.
Bei der Wahl des Mischungsverhältnisses Kaolin:Soda:Calciumkarbonat
suchte ich empirisch die für den Aufschluß minimal notwendige MengeSoda + Kalk zu ermitteln. In Abweichung von den bisherigen Vor¬
schlägen habe ich versucht, zur Schonung des Calciumkarbonats in
der Schmelze den Aufschluß bei möglichst tiefer Temperatur auszu¬
führen. Hierzu wurden Proben von 2—5 gr Kaolin mit den entspre¬
chenden Zusätzen Na2C03 und CaC03 innig gemischt, 2 Stunden auf
850—900° erhitzt, und das Glühprodukt mit 5%iger Sodalösung ausge¬
laugt. Das in Lösung gegangene Aluminat (Bestimmung siehe Abschnitt
Analytik) ergab die Prozente aus dem Kaolin gewonnene Tonerde.
Nach einer Reihe orientierender Tastversuche ergab die Mischungvon 1 Mol Kaolin: 3 Mole Na2C03 : 5 Mole CaC03 eine maximale
Aluminatausbeute von 68 %. Zur Abklärung der Frage, ob mit dem
Variieren der zugesetzten Menge Soda + Calciumkarbonat das Ergeb¬nis noch verbessert werden könnte, führte ich die in Tabelle 2 darge¬stellte Versuchsreihe aus.
Tabelle 2.
Anzahl Mole der 1 .
Aufsdilußmischung |
Prozente Al2 03 1 jgßin Lösung |
5
37,8
6
59,5
7,2
68,8
8
68,2
10
66,9
12
64,8
16
63,5
20
63,2
Die konstante Aufschlußmischung: 3 Mole Soda + 5 Mole Calcium¬
karbonat wurde in steigenden Mengen einem Mol Kaolin zugesetzt.
Fig. 4 zeigt die graphische Darstellung dieser Versuche. Wie man sieht,
5 33
fhizcnte Al, û3 fjg 4
in Losung
io
50
10
4 8 12 H 20 Mok Mischungprohfol JÇaalin.
1 Mol Mischung . s/, Mole CaCOstH MNe, CO,
ergab die Mischung von 8 Molen (3 Mole Na2C03 + 5 Mole CaC03)
auf 1 Mol Kaolin die größte Menge an gelöster Tonerde. Ein vermehr¬
ter Zusatz an Aufschlußmischung scheint die Bildung von Alumosilikat
und Polysilikaten zu begünstigen.Im Laufe weiterer Untersuchungen stellte es sich heraus, daß beim
Einhalten von günstigeren Bedingungen (vgl. S. 47) der Sodazusatz auf
2 Mole reduziert werden kann, ohne die Aluminatausbeute merklich zu
beeinträchtigen. Dagegen wirkte sich das Herabsetzen des CaC03-
Zusatzes ungünstig aus. Aus diesen Ergebnissen zog ich den Schluß,daß das Mischungsverhältnis von 1 Mol Kaolin : 2 Molen Na2C03 :
5 Molen CaC03 für den alkalischen Aufschluß ein Optimum darstellt.
c) Die Formulierung des Reaktionsverlaufes.
Mit der Kenntnis der optimalen Aufschlußmischung und der Ver¬
hältnisse in der Soda-Calciumkarbonatschmelze sollte es möglich sein,
/ ^"—*--oo-
34
eine Formulierung des Reaktionsverlaufes zu entwickeln. Nach Unter¬
suchungen von Grüner66 reagieren Kaolin und Soda nach folgenderGleichung:
HO—AI— O—Si^=0 NaO—AI—O—Sie=0
HOx
\OH > O + 2Na2C03—>-NaO x\ONa > O
HO-^Al—O—Si = 0 NaO-^Al-O— Si = 0
+ 2 H20 + 2 C02 5
Es ist anzunehmen, daß die Reaktion auch in Anwesenheit von Calcium-
karbonat zur Hauptsache in diesem Sinne verläuft. Der entstandene
Natriumkaolin wird dann durch sekundäre Einwirkung des Kalkes
unter Bildung von Ca-Orthosilikat zerlegt67. Ein Mol Kaolin würde sich
nach dieser Formulierung folglich mit 2 Molen Soda und 4 Molen Cal-
ciumkarbonat umsetzen. Es ist nun aber auch eine Einwirkung des
CaCOä auf den Aluminatrest zu erwarten, und zwar unter Bildungeines Carbonatosalzes des Calciums im Sinne der Formel:
T NaON /Ox -|>A1< >C= 0 Ca
L NaO/ xy J 2
Durch die Einwirkung von Wasser müßte dieses Carbonatosalz glattin Calciumkarbonat und das lösliche Aluminat (HO)2AlONa zerfallen:
TNaO O 1>A1< >C= O L Ca + 2 HÖH—> CaC03 + NaäC03
L NaOX N0X J+ 2(OH)2Al ONa 6
In der Tat zeigen die wässerigen Auszüge bei der elektrometrischen
Titration (Seite 66) den für (HO)2A10Na typischen Aluminatsprung,während das bei Aluminaten von der Struktur
NaO —Al< >A1 — ONa
°
nicht der Fall wäre68.
66 Z. anorg. Ch. 182, 328 (1929).67 Vergl. P. Niggli, Z. anorg. Ch. 98, 304 (1916); siehe auch J. Weyer, I.e.68 Treadwell und Zürcher, 1. c. s. Seite 13.
35
Die Existenz des vermuteten Aluminium-Calcium-Carbonato-Salzes
wurde nachfolgend noch weiteren Prüfungen unterzogen. Lassen wir
Carbonate mit Tonerde reagieren, so kann der Umsatz am freigewor¬
denen Kohlendioxyd gemessen werden. Eine geeignete Versuchsanlage,
die Seite 50 beschrieben ist, erlaubte es, die Reaktion von Carbonat-
Tonerde-Gemischen auf Grund der C02-Abgabe nach Geschwindigkeitund Menge festzustellen. Der Reaktionsverlauf drei solcher Gemische,
die in einer Kohlendioxyd-Atmosphäre bei 830° erhitzt wurden, ist in
Fig. 5 dargestellt.
Cm3 CO, TlgS
100
1(0
160
MO
120
100
60
eo
40
10
10 20 40 50 »in
Die Kurve 1 veranschaulicht die C02-Entwicklung einer Mischung
von 2,120 gr wasserfreier Soda + 1,000 gr Calciumcarbonat + 1,020 gr
Tonerde (Mischung 1). Diese Mischung hat das Molverhältnis
2 Na2C03:1 CaC03:1 A1203 u. entspricht damit der Zusammensetzung
des Aluminium-Calcium-Carbonato-Salzes [(NaO)2Al02CO]2Ca. Die
Kurven 2 und 3 zeigen den Reaktionsverlauf der gleichen Mischung ohne
Calciumcarbonat- bezw. ohne Sodazusatz. Alle drei Gemische würden
bei vollständiger Umsetzung zu Na-Aluminat, Ca-Aluminat oder dem
36
Carbonatosalz die gleiche Menge Kohlendioxyd abgeben. Ein Vergleichder drei Kurven zeigt deutlich, daß die Umsetzung der Tonerde mit
Soda + Calciumcarbonat in der Tat intensiver verläuft, als diejenigeder Tonerde mit nur einem der beiden Carbonate.
Das* in Fig. 5 dargestellte Ergebnis sagt indessen noch nicht aus, daß '
die Mischung 1 (2 Na2C03 + 1 CaCOa + 1 Al203) zu einem Car-
bonatokomplex geführt haben muß. Bei 830° ist, wie wir gesehen haben,
das Soda-Calciumcarbonatgemisch flüssig, während die reine Soda erst
bei 852° schmilzt. Man kann also vermuten, daß der rasche Umsatz der
Mischung 1 nur dem geschmolzenen Zustand des Gemisches zuzu¬
schreiben ist und wie die Tonerde-Soda-Mischung zu Natriumaluminat
NaA102 geführt hat. In diesem Fall würde eine Carbonatschmelze von
der Zusammensetzung des Doppelsalzes Na2 C03.CaC03 zurück¬
bleiben:2 Na2C03+Al203+CaC03
> 2 NaAl02+C02+Na2C03.CaC03 7
Zur Abklärung dieser Frage erhitzte ich die bei 830° gesinterte
Mischung 1 in der C02-Atmosphäre auf 925°, also 50° über die Zer¬
setzungstemperatur des reinen Calciumcarbonats und beobachtete die
C02-Abspaltung. Sodann erhitzte ich auf die gleiche Temperatur die
Mischung von 1,060 gr Soda + 1,000 gr CaC03; das ist die Menge
Doppelsalz, die bei der Bildung von Natrium-Aluminat nach Glei¬
chung 7 in der Mischung 1 zurückbleiben müßte. Die jeweilige C02-
Abgabe der beiden Mischungen ist in Fig. 6 dargestellt.
CmiCOi fig e
f Ca COa 325'
37
Kurve 1 entspricht der gesinterten Tonerde-Soda-Calciumcarbonat-
mischung. Der rasche Anstieg in den ersten 20 Minuten ist damit zu
erklären, daß das Glühen bei 830° nur zu einem 80%igen Umsatz ge¬
führt hat (vgl. Fig. 5); 50 ccm C02 würden demnach noch auf die rest¬
liche Umsetzung von 20 % entfallen. Im weiteren Verlauf flacht die
Kurve rasch ab, während die Doppelsalzkurve einen annähernd linearen
Charakter aufweist. Mit Kurve 3 ist zum Vergleich die Abspaltung des
C02 aus 0,500 gr reinem CaC03 bei 925° dargestellt.Aus dem Verlauf von Kurve 1 geht hervor, daß die Mischung von
2 Na2C03 + 1 CaC03 + 1 A1203 nach der Abspaltung eines Mols
Kohlendioxyd bei 925° gegen weiteren C02-Verlust mäßig beständigist. Es kann also kein Umsatz zu Natriumaluminat im Sinne von Glei¬
chung 7 stattgefunden haben, da sonst das restliche Carbonatgemischnach Kurve 2 mit konstanter Geschwindigkeit C02 abgeben müßte.
Folglich darf die Existenz eines Calcium-Aluminium-Carbonatosalzes
mit großer Sicherheit angenommen werden.
Unter der Annahme, daß der Abbau des Kaolins über den formulier¬
ten Carbonatokomplex führt, läßt sich das empirisch festgestellte opti¬
male Mischungsverhältnis von 1 Mol Kaolin : 2 Molen Soda : 5 Molen
Calciumcarbonat zwanglos erklären. Während nach Gleichung 5 die
zwei Mole Soda zur Ueberführung in Natriumkaolin benötigt werden,
setzen sich 4 Mole CaC03 mit den beiden Si02 des Tons zu Ca2Si04
um, und das restliche Mol CaC03 bildet mit dem abgespaltenen Alu-
minatrest das Carbonatosalz. Die Gleichung kann dann wie folgt for¬
muliert werden:
Al203.2Si02 + 2 Na2COs + 5 CaC03 > 2 Ca2SiC*4 +
[(NaO)2Al02CO]2Ca + 5 C02 8
Es wird sich im Laufe weiterer Untersuchungen über den zeitlichen
Verlauf der Aufschlußreaktion (Seite 50) zeigen, daß die obige Formu¬
lierung auch durch die Menge des umgesetzten Kohlendioxyds gestützt
wird. Dennoch ist nicht anzunehmen, daß der Aufschlußprozeß in sei¬
nem ganzen Umfang durch eine einzige Gleichung formuliert werden
kann. Allein das Auftreten der Alkaliverluste läßt deutlich erkennen,
daß noch sekundäre Prozesse wie Alumosilikat- oder Glasbildung ein¬
treten müssen.
38
2. Das Glühprodukt (die Sintermasse).
a) Wasserlösliche Tonerde und Kieselsäure.
Um auf experimenteller Grundlage rasch einen Einblick in den Auf¬
schlußmechanismus zu gewinnen, schien es mir zweckmäßig, eine
Reihe von Proben bei verschiedenen Temperaturen zu glühen und das
Glühprodukt zu analysieren. Die Untersuchungen wurden mit Mi¬
schungen von gleicher Zusammensetzung (3 Mole Soda + 5 Mole
CaC03 auf 1 Mol Kaolin) im Temperaturgebiet von 700—1000° aus¬
geführt.Die einzelnen Proben von 5—10 gr wurden fein pulverisiert und in
einem Nickel- oder Porzellantiegel erhitzt. Das Glühen erfolgte in einem
elektrisch geheizten Tiegelofen. Für die Temperaturmessung diente ein
Nickel-Nickelchrom-Thermoelement und ein Millivoltmeter. Nach zwei¬
stündigem Erhitzen verrieb ich die gesinterte Masse, die sich jeweilsleicht von der Tiegelwandung lösen ließ, und laugte mit 50—100 ccm
Wasser aus. Es erwies sich als zweckmäßig, das Auslaugen bei ca. 50°
vorzunehmen? höheres Erwärmen führte zu einem teilweisen Ausfällen
der Tonerde, da der Alkaligehalt der Lösung verhältnismäßig gering
war.
In der filtrierten Aluminatlauge wurden die gelöste Tonerde und
Kieselsäure, sowie der Alkaligehalt bestimmt. Die Resultate sind in Ta¬
belle 3 dargestellt:
Tabelle 3.
Temperatur in ° C. Prozente gelöste Substanz
A1203 NaaO SiOj
700 5,6 — 2,6
740 8,2 86,6 3,2
780 41,1 — —
800 61,2 82,4 4,0
830 74,2 — —
850 78,3 76,5 2,5
880 81,1 — 1,8
900 82,4 69,8 1,1
950 84,2 65,8 1,0
1000 83,6 62,7 —
39
Als erstes interessierte die in Lösung gegangene Tonerde. Sie ist in
Fig. 7 in Prozenten (bezogen auf den Al203-Gehalt des Kaolins) für die
Prozente in Losung fig?
TOO Boo S" 1000
°C
verschiedenen Temperaturen aufgetragen. Der rasche Anstieg der Kurve
um 780° fällt mit der Sinterung des Soda-Calciumcarbonatgemisches zu¬
sammen. Gegen 900° erreicht der Aufschluß einen stationären Zustand.
Verglichen mit Tabelle 2 fällt die hohe Aluminatausbeute von 84 % auf.
Diese wurde durch besonders feine Mahlung der Mischung erzielt. Es
zeigte sich, daß die Korngröße des Kaolins und die innige Mischung der
Proben einen günstigen Einfluß auf die Aufschlußergebnisse hatten. Dies
ist leicht verständlich, da ja der Ton als feste Phase an der Reaktion teil¬
nimmt.
Aus Fig. 7 ist weiterhin die in der Aluminatlauge gelöste Kieselsäure
(berechnet als Si02) ersichtlich. Sie beträgt bei 900° Aufschlußtempe¬ratur nur 1 %, bezogen auf den Si02-Gehalt des Kaolins. Eine ent¬
sprechende Verunreinigung der Aluminatlauge durch Kieselsäure tritt
gewöhnlich auch bei der Bauxitverarbeitung ein. Das Problem der Ent-
kieselung ist dort schon verschiedentlich untersucht worden. Wie einer
40
Reihe von Patenten69 zu entnehmen ist, kann durch Zusatz von ge¬
branntem Kalk unter Rühren der Hauptteil der gelösten Kieselsäure ge¬
fällt werden.
Es gelang auch im vorliegenden Fall, durch Rühren mit wenig CaO
4/s der gelösten Kieselsäure aus der Aluminatlauge auszufällen. Dabei
beobachtete ich allerdings, daß auch etwas Tonerde mitgefällt wurde;
dies kann indessen verhindert werden, wenn man das Glühprodukt mit
Sodalösung auslaugt, oder nachträglich der Lauge noch Alkali zusetzt.
Wird die Tonerde aus der Aluminatlauge mit Kohlendioxyd ausgefällt,
so geht die restliche gelöste Kieselsäure zur Hauptsache mit in den
Al(OH)3-Niederschlag. Ein bedeutend reineres Produkt kann dadurch
erzielt werden, daß man das Aluminiumhydroxyd nach Bayer70
ausrührt (vgl. S. 23).
b) Die Verteilung des Alkalis.
Die 3. Kurve in Fig. 7 stellt das lösliche Alkali in Form von Soda oder
Na-Aluminat dar. Die Werte sind in Prozent der angesetzten Soda an¬
gegeben; die jeweilige Ergänzung zu 100 % entspricht also dem Alkali¬
verlust. Diese Verluste, die z. B. von Specketer und Gerber71
(vgl. Seite 24) sehr hoch angegeben werden, sind ein Hauptgrund dafür,
daß das Kalk-Soda-Verfahren noch keine praktische Anwendung er¬
langt hat.
Aus dem Verlauf der Kurve ist ersichtlich, daß mit steigender Tem¬
peratur des Aufschlusses das in der Lösung wiedergewonnene Alkali
ziemlich rasch abnimmt. Bei 900° sind nach dem Aufschluß über 30 %
der zugesetzten Soda in wasserunlöslicher Form, wahrscheinlich als
glasartige Schlacke vorhanden. Um die Schlackenbildung nach Mög¬
lichkeit zu verhindern, ist es folglich angezeigt, den Aufschluß bei Tem¬
peraturen wenig über 800° auszuführen. Wie aus Fig. 7 hervorgeht,
nimmt jedoch mit sinkender Glühtemperatur der Umsatz zu löslichem
Aluminat ab. Es gilt hier also eine optimale Temperatur zu finden, bei
der einerseits noch wenig Schlacke gebildet wird, anderseits die Um-
69 Lonza, F.P. 748 295; DJ. 575 346;
F. N. Strokow, Russ. Pat. 42 992;
F. M. Pesin, Russ. Pat. 39 093.
70 I.e.71 I.e.
41
Setzung zu Aluminat schon möglichst vollständig ist. Diese Temperaturdürfte zwischen 820 und 830° liegen.Die Verfolgung des zeitlichen Aufschlußverlaufes (S. 52) hat ferner
gezeigt, daß die Schlackenbildung mit der Erhitzungsdauer langsam zu¬
nimmt. Es hat sich nun als zweckmäßig erwiesen, die Aufschlu߬
mischung zweimal kürzere Zeit zu glühen. Sehr gute Resultate wurdenbei folgenden Bedingungen erzielt: 30 Minuten glühen bei 820°, danndas gesinterte Produkt fein verreiben und nochmals 20 Minuten auf
830° erhitzen. Beim zweiten Glühen sinterte die Mischung nochmals
deutlich und wurde wesentlich kompakter, ohne jedoch zusammen zu
backen. Sie ließ sich sehr leicht pulverisieren und auslaugen. Unter die¬
sen Bedingungen konnten 82 % lösliches Aluminat gewonnen werden,während nur 12 % der zugesetzten Soda verloren gingen.
In diesem Zusammenhang kann die Frage gestellt werden, in welcher
Form die Soda durch den Glühprozeß blockiert wird. Es wäre aber auch
denkbar, daß sich ein Teil davon bei Temperaturen über dem Schmelz¬
punkt des Carbonatgemisches verflüchtigt. Um das nachzuprüfen,führte ich an einer aufgeschlossenen Probe eine sorgfältige Alkalianalyseaus. Die Probe hatte die optimale Zusammensetzung (2 Mole Soda +5 Mole CaC03 auf 1 Mol Kaolin) und wurde 4 Stunden bei 900° ge¬
glüht. Im wässerigen Auszug bestimmte ich das Alkali direkt durch
Titration mit V2 n HCl (vgl. Abschnitt Analytik S. 64) und fand 58,9 %der abgewogenen Soda.
Bei der Bestimmung des Alkaligehaltes im wasserunlöslichen Rück¬stand ging ich wie folgt vor: Der ausgewaschene Bodenkörper wurde bis
zur vollständigen Zersetzung 1 Stunde mit verdünnter Salzsäure ge¬kocht. Dabei ging alles in Lösung mit Ausnahme der Kieselsäure, diezur Hauptsache gallertig abgeschieden wurde. Aus der sauren Lösungfällte ich bei Siedehitze miteinander die drei Kationen: Eisen, Alumi¬nium und Calcium mit NH4OH + (NH4)2C03. Das Filtrat, das nun
noch Kochsalz und etwas Kieselsäure gelöst enthielt, wurde zur Trockene
verdampft, mit dem doppelten Gewicht an reinem Si02 versetzt und in
einer Platinschale mit Flussäure abgeraucht. Der Rückstand konnte als
Na2SiF6 gewogen werden und ergab 39,7 % der angesetzten Soda. Ausder Summe der Sodabilanz von 98,6 % ist zu ersehen, daß der Verlustdes Alkalis nicht auf ein Verdampfen der Schmelze zurückzuführen ist.
Daraus folgt, daß — wie wir bisher angenommen haben — das unlös¬liche Natrium in Form einer Alkaliverbindung blockiert ist.
42
Es mag hier interessieren, auf welche Weise die Blockierung des Al¬
kalis vor sich gehen könnte. Da das Natrium-Calciumcarbonat-Doppel-
salz durch Wasser leicht zersetzt wird, fällt diese Möglichkeit außer
Betracht. Naheliegend wäre die Bildung eines schwerlöslichen Natrium-
Alumosilikates anzunehmen. Gerber72 glaubt, daß sich die Ver¬
bindung aus dem Kaolin und der Soda, die er mit Nephelin Na20.
Al203.2Si02 bezeichnet, mit dem Kalk nicht vollständig umsetzt. Nach
seinem Dafürhalten wäre die unzersetzte ternäre Verbindung Na20.
Al203.2Si02 die Form, in der das Alkali unlöslich vorliegt.
Die Aufschlußergebnisse zeigen nun aber, daß viel mehr Alkali im¬
mobilisiert wird, als dies die anwesende Tonerde gemäß der Formel
Na20.Al203.2Si02 verursachen könnte. Im angeführten Beispiel waren
80 % der Tonerde (= 0,8 Mole) als lösliches Aluminat vorhanden.
Folglich können die restlichen 0,2 Mole A1203 bei Nephelin- oder
Natriumkaolin-Bildung maximal 0,2 Mole bezw. 0,4 Mole Soda binden.
Die Analyse zeigte jedoch, daß 40 % oder 0,8 Mole der angewandten
Soda im unlöslichen Rückstand waren. Dieses Ergebnis führt zum
Schluß, daß das blockierte Alkali wenigstens teilweise in Form von
Natrium-Calcium-Silikaten vorliegen muß,
c) Der Bodenkörper.
Nach dem Auslaugen der gesinterten Aufschlußmischung bleibt je¬
weils ein beträchtlicher unlöslicher Anteil zurück. Dieser ist ausge¬
sprochen kristallin und läßt sich gut filtrieren. Er beträgt bei der opti¬
malen Mischung 70 Gewichtsprozente der gesamten Substanzmenge,
wenn eine Aluminatausbeute von 80 % und ein Alkaliverlust von 15 %
angenommen werden. Der Rückstand weist dann die folgende molare
Zusammensetzung auf:
CaO SiOa A1203 NaaO
Molprozente: 67,2 26,8 2,8 4,1
In der Folge versuchte ich, das Alkali durch hydrothermale Zer¬
setzung des Rückstandes zurückzugewinnen. Zu diesem Zwecke wur¬
den Proben von 3 gr des fein gepulverten und mehrmals gewaschenen
72 I.e. s. Seite 10.
43
Bodenkörpers mit 20 ccm Wasser im Bombenrohr erhitzt und an¬
schließend das in Lösung gegangene Alkali durch Titration bestimmt.
Nach der Behandlung zeigte sich, daß ein Teil des suspendierten Pul-<
vers eine deutliche Umkristallisation unter Volumzunahme erfahren
hatte. Die Ergebnisse dieser Versuche sind in Tabelle 4 zusammen¬
gestellt.Tabelle 4:
Temperatur Zugehöriger Drude Dauer der Erhitzung % Alkali in Lösung180° 9,9 Atm. 6 Std. 40,6
200° 15,3 » 8 » 75,0
215° 21,2 » 10 » 76,4
Es geht daraus hervor, daß bei 200° und dem zugehörigen Druck von
ca. 15 Atm. nach 8 Stunden % des immobilisierten Alkalis regeneriertwaren. Gleichzeitig war etwas Kieselsäure, dagegen keine Tonerde in
Lösung gegangen. Eine energischere Behandlung des Rückstandes hatte
keine wesentliche Erhöhung des löslichen Anteils zur Folge. Es scheint
demnach, daß ca. 3A des blockierten Alkalis in Form eines Natrium-
Calcium-Silikates vorliegen, das durch Wasserdampf unter Druck zer¬
setzt werden kann.
Nach der hydrothermalen Zersetzung verbleiben noch 3 bis 4 % der
beim Aufschluß angesetzten Soda im Rückstand. Dieser weist dann eine
Zusammensetzung auf, die einem Portlandzement nahe kommt:
CaO Si02 Al2Os Na20
Gewichts-% 67,7 27,6 3,6 1,1
Die Verwertungsmöglichkeit von Rückständen, die beim Aufschluß
von Tonen nach dem Kalk-Soda-Verfahren entstehen, ist schon unter-
sucht worden. Nach den Angaben von P. Budkinoff73 bewirkensolche Rückstände als Zusatz zu Portlandzement eine Steigerung der
Abbindegeschwindigkeit und eine Steigerung der Festigkeit von Zement-
Sand-Gemischen. Im Verhältnis 1 : 3 mit Sand gemischt, soll sich dasMaterial in feingemahlenem Zustand selbst als guter Baustoff eignen.W. G u e r 11 e r
w findet, daß der Rückstand, den man beim Aufschlußmit Soda und 4 Molen CaO auf 1 Mol Ton erhält, nach Zugabe eines
weiteren Mols Calciumoxyd einen einwandfreien Zement darstelle. Da
73 C 1933 I, S. 1986.74 Z. Elektroch. 43, 501 (1937).
44
ich für meine Aufschlüsse die Mischung von 5 Molen CaC03 auf 1 Mol
Kaolin wähle, erhalte ich nach dem Auslaugen des Sintergutes gerade die
von Guertler empfohlene Zusammensetzung des Rückstandes. Das
Brennen einer Probe bei 1300° hat denn auch die abbindenden Eigen¬
schaften des Materials bestätigt, doch wurde das Problem in dieser
Richtung nicht weiter verfolgt.
d) Der Einfluß einer Vorbehandlung der Aufschlußmischung.
Zur Prüfung der Frage, ob durch eine geeignete Vorbehandlung des
Kaolins die Aufschlußresultate verbessert werden könnten, untersuchte
ich zunächst den Einfluß einer vorangehenden Entwässerung. Eine
größere Menge Ton wurde zwei Stunden auf 700° erhitzt. Mit dem ge¬
glühten Produkt wiederholte ich unter gleichen Bedingungen einige Ver¬
suche, die ich mit gewöhnlichem Kaolin ausgeführt hatte. Es zeigte sich
dabei, daß die Ausbeuten an löslichem Aluminat 3—4 % tiefer und die
Alkaliverluste 4—5 % höher ausfielen. Das deutet darauf hin, daß durch
die vorangehende Wasserabgabe die Bildung von schwerlöslichem
Natrium-Alumosilikat, z. B. Nephelin, erleichtert wird. Schreibt man den
entwässerten Kaolin mit der Formel:
/Alv-O--Si<f°°<Ä1>° >°
AI — O--Si\Q
so wird die Reaktion im Sinne einer Nephelinbildung nach folgender
Gleichung verständlich:
/Al^-O — Si/°O < > 0 > O + Na2C03—
AI — 0 — Si^O
Aus den obigen Angaben geht hervor, daß ein Entwässern des Kao¬
lins vor dem Glühen das Aufschlußergebnis eher im ungünstigen Sinne
45
beeinflußt. Es bleibt nun noch zu untersuchen, ob durch eine voran¬
gehende Hydratation der Abbau des Tons erleichtert werden kann.
Das Kaolinitgitter hat die Eigenschaft, Wasser zwischen die einzelnenSchichten zu lagern. Nach Angaben von Bradley, Grimm und
Clark75 können Wassermoleküle sukzessive in das Gitter eingelagertwerden, ohne daß die Struktur dabei geändert wird; es tritt nur eine
Verlängerung der c-Achse ein. Bragg78 hat die Dichte des einge¬lagerten Wassers zu 1,3 berechnet. Es scheint nun möglich, die Hydra¬tation so zu forcieren, daß ein teilweiser Abbau des Gitters erreichtwerden könnte.
In diesem Sinne untersuchte ich zunächst die Einwirkung von mehr¬
maligem Gefrieren und Auftauen auf eine Tonsuspension. 1 gr Kaolinwurde in einem Kochglas mit 30 ccm Wasser aufgeschlämmt, und die
Suspension zehnmal je 5 Minuten in gefrorenem und 5 Minuten in flüs¬
sigem Zustand belassen. Das Gefrieren erfolgte in einem mit festem
Kohlendioxyd gekühlten Aetherbad. Um festzustellen, ob durch diese
Behandlung die Tonteilchen eine Aenderung erfahren hatten, verglichich ihre Sedimentationsgeschwindigkeit mit derjenigen einer gewöhn¬lichen Suspension. Es zeigte sich, daß die Teilchen der gefrorenen Sus¬
pension doppelt so rasch sedimentierten,als diejenigender Vergleichsprobe. Diese Erscheinung könnte u. a. so gedeutet wer¬
den, daß unter dem Einfluß des Gefrierens Wassermoleküle von größe¬rer Dichte zwischen die Gitterebenen eingelagert wurden, wodurchdie Teilchen an Gewicht zunahmen. Nach zweitägigem Stehen sedi-mentierten beide Proben gleich rasch. Die Teilchen hatten folglich wie¬
der den gleichen Hydratationszustand erreicht.
Als Gegenstück zum Gefrieren untersuchte ich anschließend die Ein¬
wirkung von überhitztem Wasserdampf unter Druck. Ich behandelteeine Tonsuspension im Autoklaven bei 60 Atm. Druck und prüfte nach¬her auch hier die Teilchenänderung mit einem Sedimentationsversuch.Das Ergebnis war das Gegenteil von demjenigen der gefrorenen Sus¬
pension. Die Kaolinteilchen sedimentierten hier viel langsamer. Nach
eintägigem Stehenlassen war eine gewöhnliche Probe vollständig sedi-mentiert, die mit Wasserdampf unter Druck behandelte erst zu einem
Fünftel. Diese blieb nach dreiwöchigem Stehen noch stark getrübt. Es
75 Z. Kristallogr. 97, 216 (1937).76 I.e. s. Seite 11.
46
scheint hier folglich eine weitgehende Teilchenverkleinerung bis in den
kolloiden Zustand eingetreten zu sein.
Um festzustellen, wie weit ein Abbau des Kaolinitgitters stattgefun¬
den hatte, behandelte ich je 1 gr der drei verschiedenen Suspensionen
mit 30 ccm doppeltnormaler Salzsäure 10 Minuten lang bei 80° und be¬
stimmte die in Lösung gegangene Tonerde. Die erhaltenen Werte sind
in Tabelle 5 zusammengestellt.
Tabelle 5:
Gewöhnliche Probe 15,2 mgr A1203 = 3,8 %
Gefrierprobe 17,0 mgr A1203 = 4,3 %
Druckprobe 25,6 mgr Al203 = 6,3 %
Es geht daraus hervor, daß auch die Einwirkung von Wasserdampfunter Druck das Tongitter nur in geringem Maße so zerstören konnte,
daß es durch verdünnte Säuren leicht angreifbar wird. Aufschlußver¬
suche mit vorbehandeltem Kaolin zeigten keine merklichen Verbesse¬
rungen gegenüber den Ergebnissen mit gewöhnlichem Material. Auch
bei tieferen Glühtemperaturen blieben sich die Ausbeuten an löslicher
Tonerde gleich.Hatten die erwähnten Vorbehandlungen des Kaolins auf das Auf¬
schlußergebnis keinen merklich günstigen Einfluß, so erwies es sich
dagegen als nützlich, vor dem Aufschluß die Komponenten des
Gemisches möglichst innig zu durchmengen. Das
konnte dadurch erreicht werden, daß man die Soda als konzentrierte
Lösung mit dem Kaolin und dem Calciumcarbonat mischte. Noch
zweckmäßiger schien es, den Kaolin mit der entsprechenden Menge
Calciumoxyd in eine Alkalilösung einzutragen, und in diese Suspension
Kohlendioxyd zu leiten. Auf diese Art dürfte die innigste Durch¬
mischung erreicht worden sein.
Die Aufschlüsse, die ich mit dem extrem gemischten Pulver aus¬
führte, unterschieden sich von den bisherigen rein äußerlich in der Be¬
schaffenheit der Sintermasse. Diese war weniger gesintert und wies
keine glasigen Körner auf, wie das die andern Proben besonders bei
längerem Glühen regelmäßig zeigten. Das lösliche Aluminat übertraf
mit 84- % die frühern Ergebnisse nicht, dagegen wurden im wässerigen
Auszug bis 95 % der zugesetzten Soda wieder vorgefunden. Die innige
47
Mischung wirkte sich also in der Weise aus, daß die Bildung der alkali-
haltigen unlöslichen Verbindungen zurückgedrängt wurde.
e) Die Gewinnung der Tonerde.
Nachdem die günstigsten Bedingungen für einen, wirksamen Auf¬
schluß genügend erprobt waren, ging ich dazu über, aus einer größernMenge Ton ein fertiges Tonerdepräparat herzustellen. 50 gr Kaolin
wurden mit 41,1 gr Soda + 97,0 gr Calciumcarbonat entsprechenddem Molverhältnis: 1 Kaolin : 2 Na2C03 : 5 CaC03 innig vermengt.Die Mischung wurde in einem Heß'schen Tiegel 40 Minuten bei 825°
geglüht, dann das leicht gesinterte Reaktionsprodukt in einem Porzellan¬
mörser verrieben und nochmals 30 Minuten auf 830° erhitzt. Nach der
zweiten Sinterung wurde die Masse in einer Kugelmühle gemahlen. Um
zu erreichen, daß möglichst wenig Kieselsäure in Lösung ging, setzte
ich der Mischung noch 5 gr CaO zu und laugte sodann mit 1 Liter
kaltem Wasser aus.
Aus der filtrierten Aluminatlauge wurde das Aluminiumhydroxyd bei
70° durch Einleiten von Kohlendioxyd gefällt. Der Niederschlag war
reinweiß und gut filtrierbar. Die Tonerde wies nun folgende Verteilungauf:
Ansatz: 50 gr Kaolin entsprechen 1 9,75 gr A1203
Mit C02 gefällt und gewogen 14,36 gr A1203In der Restlauge durch Titration bestimmt 1,94 gr A1203
Totale Ausbeute 16,30 gr A1203= 8 2,5%.
Von den 41,1 gr Soda wurden in der Aluminatlauge durch Titration
37,6 gr = 91,3 % festgestellt. In der gefällten Tonerde wurde der Kiesel¬
säuregehalt colorimetrisch bestimmt. Er betrug 0,4 %.
Bei einer praktischen Anwendung des Verfahrens müßte die alka¬
lische Restlauge eingedampft und die Soda zurückgewonnen werden,um sie nachher einer neuen Aufschlußmischung zusetzen zu können.
Die Sintermasse würde dementsprechend mit weniger Wasser ausge¬
laugt, wozu allerdings zu bemerken ist, daß dann mehr Kieselsäure in
Lösung geht.
48
Im Zusammenhang mit der praktischen Seite des Kaolinaufschlusses
kann gefragt werden, ob sich ein beliebiger Ton oder Mergel nach dem
Kalk-Soda-Verfahren auf Tonerde verarbeiten läßt. Ich untersuchte
diese Frage an einem kalkhaltigen Ton folgender Zusammensetzung:
A1203 Si02 Fe203 CaC03 MgC03 H20 sand.Rüdstd.
Gew. % 18,2 27,9 3,5 36,5 2,2 7,1 4,6
Dieses Material mischte ich mit Kalk und Soda in der Weise, daß wie
bei den bisherigen Aufschlüssen auf 1 Mol Tonsubstanz 2 Mole Soda
+ 5 Mole CaC03 entfielen. Pro Mol überschüssige Kieselsäure berech¬
nete ich 2 Mole CaC03 zur Bildung von Orthosilikat, wobei der Kalk¬
gehalt des Rohmaterials in Abzug gebracht wurde.
Der Aufschluß wurde unter den gleichen Bedingungen wie die Kao¬
linaufschlüsse durchgeführt. Die Analyse des wässerigen Auszuges er¬
gab, daß 70 % der Tonerde in Lösung gegangen waren. Verhältnis¬
mäßig hoch fiel der Alkaliverlust von 24 % aus. Der große Kieselsäure¬
gehalt des Tons hat demnach die Schlackenbildung gefördert. Aus dem
Ergebnis ist ersichtlich, daß die Gewinnung der Tonerde aus aluminium-
haltigen Böden nach dem beschriebenen Verfahren möglich ist.
/) Ersatz des Calciumcarbonats durch Calciumoxyd.
Es wurde früher darauf hingewiesen (S. 25), daß in den Literaturan¬
gaben über den Kaolinaufschluß mit Soda die Beimischung von Cal¬
ciumcarbonat oder Calciumoxyd ohne Unterschied empfohlen wird. Auf
Grund unserer bisherigen Ueberlegungen und der experimentellen Er¬
gebnisse müssen wir jedoch erwarten, daß die beiden Calciumverbin»
düngen bei mäßiger Temperatur eine wesentlich verschiedene Auf¬
schlußwirkung auf den Ton haben. Wie wir gesehen haben, wird die
notwendige Aktivierung des Calciums durch das Flußmittel Soda er¬
reicht dank der Löslichkeit des Calciumcarbonats im Natriumcarbonat.
Da nun nach den Beobachtungen von N i g g 1 i7T das Calciumoxyd
im Gegensatz zum Calciumcarbonat in der Sodaschmelze praktisch un¬
löslich ist, so sind beim Ersatz des CaC03 durch CaO bedeutend
schlechtere Aufschlußresultate zu erwarten.
77 P. Niggli, I.e. s. Seite 29.
49
Ich prüfte diese Frage an einigen Aufschlüssen im Temperaturgebietvon 850 bis 900° und fand beim Auslaugen der Sintermasse überein¬
stimmend Aluminatausbeuten, die ca. 30 % tiefer waren als diejenigender Calciumcarbonat-Aufschlüsse.
Die Aufschlüsse mit der Calciumoxydmischung können bedeutend
verbessert werden, wenn das Glühen in einer Kohlendioxydatmosphäreerfolgt. 2 Proben, die im C02-Strom bei 850 und 880° erhitzt wurden,
ergaben 78 % bezw. 79,4 % lösliches Aluminat. Gleiche Ergebnissewurden mit Mischungen erreicht, die im geschlossenen Rohrofen ohne
Zufuhr von Kohlendioxyd geglüht wurden. Das C02, das bei der Um¬
setzung des Kaolins mit der Soda frei wird, scheint demnach zu ge¬
nügen, um die für den weitern Abbau erforderliche Menge löslichen
Calciumcarbonats zu bilden.
3. Der zeitliche Verlauf des Aufschlusses.
a) Die Entwicklung von C02 durch die Zersetzungsreaktion.
Auf Grund der Reaktionsgleichung 8 (Seite 38) werden bei der Um¬
setzung von 1 Mol Kaolin 5 Mole C02 in Freiheit gesetzt. Können wir
die Abgabe des Kohlendioxyds zeitlich verfolgen, so erhalten wir ein
Bild vom Tempo des Aufschlusses. Die gesamte Menge des abgespal¬tenen C02 wird sodann eine weitere Kontrolle des formulierten Reak¬
tionsverlaufes liefern.
Zur Beobachtung der Kohlendioxyd-Abgabe diente eine Apparatur,die teilweise für die Tensionsmessungen (Seite 30) benutzt worden war.
Der rechte Teil in Fig. 3 wurde dabei weggelassen und die beiden Por¬
zellanrohre durch ein einziges von größerem Durchmesser ersetzt. Der
elektrisch geheizte Rohrofen mit einer Ardorkerze als Heizspirale er¬
laubte es, die gewünschten Temperaturen sicher einzustellen.
Bei den folgenden Untersuchungen wurde je 1 gr Kaolin mit der
optimalen Aufschlußmischung erhitzt. Da das Kristallwasser des Tons
störend auf die Messung einwirkte, wurde dieser jeweils zuvor 1 Stunde
bei 700° geglüht. Die Aufschlüsse erfolgten bei verschiedenen konstan¬
ten Temperaturen in Kohlendioxydatmosphäre. Das durch die Zersetzungentwickelte Gas wurde wie bei den Tensionsmessungen in einem Eudio¬
meter über gesättigter Kochsalzlösung aufgefangen. Der Verlauf der
Gasabspaltung ist in Fig. 8 ersichtlich.
50
Auf der Ordinate ist das entwickelte Kohlendioxyd als Funktion der
Glühdauer aufgetragen. Zum Vergleich wurde ein Blindversuch mit der
Aufschlußmischung ohne Ton bei 800° aufgenommen. Auffallend ist die
rasche Zersetzung des Kaolins in den ersten 30 Minuten. Sie erreicht
bei 850° nach ca. 1 Stunde 75 % und schreitet von da an nur noch sehr
langsam weiter fort. Der große Unterschied der Kurven von 800° und
750° veranschaulicht die aktivierende Wirkung des Schmelzflusses;
anderseits ist aus der Kurve von 750° ersichtlich, daß auch bei dieser
Temperatur, d. h. im festen Zustand sämtlicher Reaktionskomponenteneine merkliche Zersetzung stattfindet.
In Fig. 8 ist neben dem Volumen des entwickelten C02 nach Glei¬
chung 8 auch die Ausbeute an löslichem Aluminat berechnet. Ein Ver¬
gleich mit Tabelle 3 zeigt, daß die gelöste Tonerde nach zweistündigemGlühen der Aufschlußmischung gut mit der nach Gleichung 8 ent¬
sprechenden Menge Kohlendioxyd übereinstimmt. Setzen wir nun das
Glühen weiter fort, so bemerken wir, daß die Gasentwicklung noch
4 bis 5 Stunden anhält, während die Aluminatausbeute nicht mehr zu¬
nimmt. In der nachstehenden Tabelle sind für 4 Versuche — nach Ab¬
schluß der Zersetzung — die Kohlendioxydabspaltung, sowie die analy¬tischen Ergebnisse der Aufschlüsse zusammengestellt.
51
Tabelle 6:
Aufschi.-
temp.Glühdauer Abgespalt.
co2
Zersetz.
in°/oIn der Aluminatlauge
A1203 Na20 Si02
880° i Stden.
850» ô 7* Stden.
800» 7 7* Stden.
750» 8 Stden.
(Zersetz, nicht beendet)
420 ccm
402 ccm
338 ccm
120 ccm
96,5
92,2
77,5
27,5
81,4%
79,5%67,0 %
8,7%
59,2 %65,0 %
71,2 %
77,6 %
1,1 %
1,4 »/o
1,8%
Die vorliegenden Versuche wurden mit genau gewogenen Proben
der Aufschlußmischung von je 4,040 gr, bestehend aus 1 Mol Kaolin
+ 3 Molen Soda + 5 Molen Calciumcarbonat bei konstanten Tempe¬raturen ausgeführt. Die vollständige Umsetzung dieser Mischung nach
Gleichung 8 würde 435 ccm Kohlendioxyd entwickeln. Die gemessenen
Gasvolumina sind auf 0° C. und 760 mm Hg reduziert, wobei der Null¬
effekt in Abzug gebracht wurde. Die Zahlen in der 4. Kolonne gebendie prozentuale Zersetzung an, bezogen auf die Menge des abgespal¬tenen Kohlendioxyds.Aus der Zusammenstellung geht hervor, daß nach mehrstündigem
Erhitzen der Aufschlußmischung die letztgenannten Werte nicht mehr
mit der Menge der löslichen Tonerde übereinstimmen. Es ist demnach
anzunehmen, daß die C02-Entwicklung in der zweiten Glühphase von
der Verschlackung der Soda herrührt. Diese Annahme wird weiter ge¬
stützt durch die Zersetzungskurve eines Aufschlusses, der mit der ex¬
tremen Mischung, also unter möglichster Vermeidung der Schlacken¬
bildung (vgl. S. 47) bei 800° ausgeführt wurde. Der Verlauf dieser Zer¬
setzung ist in Fig. 9, Kurve 1 dargestellt.
Zum Vergleich sind in Fig. 9 die Zersetzungskurven einer gewöhn¬lichen Mischung bei 800° (Kurve 2) und einer Kaolin-Carbonat-
mischung bei 850° aufgenommen. Der Nulleffekt wurde hier in Abzuggebracht. Kurve 1 zeigt, daß dank der innigen Durchmischung die Um¬
setzung zu Beginn bedeutend intensiver einsetzt und nach einer Stunde
praktisch beendet ist. Bei weiterem Glühen findet eine noch kaum
merkliche Kohlendioxydentwicklung statt. Die Analyse der Sintermasse
ergab nun, wie erwartet, eine Aluminatausbeute (81,1 %), die sehr gutmit der entsprechenden Menge des nach Gleichung 8 abgespaltenen
52
Cm' COi hi if
t. extreme tlixhuni] Sot'
300 -
Z. gemihnliehe. îlischuny dooa
200 •
100 -3. Jhoin + CaCO, dSO°
Zersetzung in
fi-ozentcn
Fig 9
Kohlendioxyds (362 ccm) übereinstimmte. Das blockierte Alkali betrug
nach dreistündigem Glühen nur 8 %.
Kurve 3 zeigt, daß bei 850° auch eine Zersetzung des Tons mit Cal¬
ciumcarbonat allein erfolgt. Nach Angaben von Weyer78 wird der
Kaolin dabei in Calciumaluminat und Calciumorthosilikat umgesetzt.
Uebereinstimmend mit den Feststellungen von Weyer geht aus der
Kohlendioxydabspaltung hervor, daß der Kaolin bei mäßiger Tempera¬
tur durch Calciumcarbonat ohne die Anwesenheit eines Flußmittels sehr
langsam zersetzt wird.
b) Das lösliche Aluminat und Alkali als Funktion der Glühdauer.
Einen weitern Einblick in den zeitlichen Verlauf des Aufschlusses
lieferten die nachfolgenden Untersuchungen über das lösliche Aluminat
und Alkali nach bestimmter Glühdauer: Es wurden wiederum Mischun¬
gen von 2 Molen Soda + 5 Molen Calciumcarbonat auf 1 Mol Kaolin
im Rohrofen unter genauer Temperaturkontrolle geglüht. Die einzelnen
Proben wurden in einem Porzellanschiffchen in den auf 900° vorge¬
heizten Ofen eingeschoben, einige Minuten erhitzt und das Glühprodukt
78 J. Weyer, 1. c. s. Seite 29.
53
auf wasserlösliches Aluminat und Alkali untersucht. Tabelle 7 enthält
die Zusammenstellung der Resultate? Fig. 10 zeigt ihre graphische Dar¬
stellung.T a b e 11 e 7.
Zeit des Aufschlusses in MinutenProzente gelöste Substanz
A1203 Na20
2 33,2 58,24 43,7 61,88 51,8 75,615 57,6 78,5
30 64,0 74,850 69,2 72,5
frozente in Fig 10
Losung.1C0|
10 20 30 «0 50 Hin.
Schon nach einer Erhitzungsdauer von 2 Minuten ist ein beträcht¬
licher Aufschluß festzustellen. Zu Beginn wird mehr als 40 % des Al¬
kalis im Sintergut immobilisiert. Der Kaolin ist also gemäß der bis¬
herigen Formulierung (Seite 35) zunächst in einen Natriumton überge¬führt worden. Dieser wird durch die Einwirkung des Calciumcarbonates
rasch in Ca-Silikat und Na-Aluminat umgesetzt, was das Ansteigen so¬
wohl der Aluminat- wie der Alkalikurve zur Folge hat. Beachtenswert
54
ist ferner, daß nach einer Erhitzungsdauer von 10 Minuten das lösliche
Alkali bereits wieder merklich abnimmt. Diese Erscheinung stimmt
mit den bisherigen Erfahrungen überein, nach denen die Verschlackung
des Alkalis bei einer Glühtemperatur von 900° sehr intensiv einsetzt.
Aus Tabelle 7 und Fig. 10 geht deutlich hervor, daß das Alkali gemäß
unsern bisherigen Annahmen in zwei verschiedenen unlöslichen Formen
vorliegen kann. Die eine Form ist der im Aufschlußprozeß intermediär
gebildete Natriumton, der sich in Gegenwart der Na2C03-CaC03>-
Schmelze rasch zu Ca-Silikat und dem auf Seite 35 formulierten Natrium-
Aluminium-Carbonatosalz umsetzt. Die zweite unlösliche Alkaliver¬
bindung entspricht mit großer Wahrscheinlichkeit einem Natrium-Cal-
cium-Silikat, das sich bei zunehmender Glühtemperatur in steigenden
Mengen bildet.
Es bleibt noch abzuklären, in welcher Form die unlösliche Tonerde
nach dem Aufschluß vorliegt. Die Versuche haben gezeigt, daß unter
den besten Bedingungen immer noch 15 % des im Kaolin vorhandenen
Aluminiums nicht auslaugbar sind. Sie müssen in einem Alumosilikat
blockiert sein, das durch den Kalk bei den eingehaltenen Temperaturennur wenig angegriffen wird. Es liegt nahe anzunehmen, daß es sich hier
um den Nephelin handelt, der sich mit Kalk bei höheren Temperaturen
nur noch sehr langsam umsetzt. Auf die Möglichkeit einer Nephelin»
bildung ist schon auf Seite 45 hingewiesen worden. Tammann und
Grevemeyer79 haben festgestellt, daß der Nephelin im Gegensatz
zu Leucit und Orthoklas mit steigenden Temperaturen von Kalk weni¬
ger zersetzt wird. Die beiden Autoren beobachteten in der gleichen Zeit
bei 500° eine Umsetzung von 13 %, bei 900° eine solche von nur noch
4 %. Sie erklären dieses Ergebnis damit, daß Nephelin und Kalk bei
höheren Temperaturen ein unlösliches Ca-Al-Silikat bilden.
Die Umsetzung des Kaolins mit Soda zu einem unlöslichen Natrium¬
ton wurde abschließend mit zwei weiteren Versuchen kontrolliert. Eine
Mischung von 1 Mol Kaolin + 1 Mol Soda + 1 Mol Calciumcarbonat
erhitzte ich 30 Minuten auf 900° und laugte die schwach gesinterte
Masse mit wenig Wasser aus. In Lösung gingen 1,3 % Tonerde und
nur 6,8 % der zugesetzten Soda. Eine gleich behandelte Mischung mit
der Zusammensetzung: 2 Mole Kaolin : 1 Mol Soda : 1 Mol Calcium¬
carbonat ergab keine lösliche Tonerde und kein lösliches Alkali mehr.
79 Z. anal. Chemie 136, 114 (1934).
55
Diese Resultate lassen erkennen, daß sich der Kaolin auch in Gegen¬wart von Kalk mit Soda zu einem Natriumkaolin umsetzt. Bei ge¬
ringem Sodazusatz — wie im vorliegenden Fall — kann die Umsetzungmit dem Calciumcarbonat zu Na-Aluminat und Ca-Silikat nicht mehr
erfolgen. Es ist daraus die wichtige Rolle der Soda als Flußmittel ersicht¬
lich, das die Reaktionen des Calciums bei den eingehaltenen Tempera¬turen entscheidend beeinflußt.
4. Der alkalische Aufschluß in wässeriger Phase.
Die bisherigen Untersuchungen beschäftigten sich ausschließlich mit
dem alkalischen Aufschluß im Schmelzfluß. Bei einer praktischen An¬
wendung dieses Verfahrens würden sich einige Nachteile ergeben, auf
welche früher schon hingewiesen wurde: großer Materialaufwand, Al¬
kaliverluste und Eindampfen der Aluminatlauge zur Rückgewinnungder Soda.
Wir wissen nun, daß sich der Bauxit nicht nur mit einer Soda¬
schmelze, sondern auch mit Natronlauge unter Druck aufschließen läßt,und wir fragen uns, ob wir in Analogie zum Bayer- Verfahren den
Kaolin auch mit Lauge spalten können. Das Problem des Aufschlusses
in wässeriger Phase ist demnach vom theoretischen wie vom praktischenGesichtspunkt aus von Interesse.
Um die Verhältnisse des wässerigen Aufschlusses zu studieren, wur¬
den einige Versuchsreihen ausgeführt. Es zeigte sich dabei, daß die Be¬
handlung des Kaolins mit einer alkalischen Lösung prinzipiell zwei Re¬
sultate ergeben kann: Es kann eine Neutralisation des Tons (Ersatz der
H-Atome durch Na) und eine Spaltung in lösliche Kieselsäure und Ton¬
erde eintreten. Der Abbau, der sich in der wässerigen Lösung verfolgenläßt, entspricht folglich demjenigen, welchen wir im Soda-Schmelzfluß
beobachtet haben: Zuerst Uebergang in Alkaliton und anschließende
Spaltung in die Komponenten.Der Grad der Neutralisation, der bei der alkalischen Behandlung ein¬
trat, wurde indirekt durch Titration der überstehenden Lösung bestimmt.
Das in Lösung gefundene Alkali, subtrahiert von der angewandtenMenge, ergab den in den Ton eingegangenen Anteil. Diesen drückte
ich jeweils in Molen NaOH pro Mol Kaolin aus, wobei 4 NaOH dem
vollständigen Ersatz des Wasserstoffs durch Natrium entspricht, also
einer 100% igen Neutralisation gleichkommt.
56
Die erste Versuchsreihe führte ich mit der für den Trockenaufschluß
optimalen Mischung aus, d. h. mit 2 Molen Soda + 5 Molen Calcium¬
carbonat auf 1 Mol Kaolin. 14,420 gr dieser Mischung wurden mit
80 ccm Wasser einige Stunden am Rückflußkühler gekocht, dann fil¬
triert und der Rückstand mit 100 ccm Wasser gewaschen. Im Filtrat
konnten weder Tonerde noch Kieselsäure nachgewiesen werden; dafür
ergab die Alkalibestimmung, daß bis 0,85 Mole NaOH pro Mol Kaolin
immobilisiert worden waren. Eine Meßreihe, bei der die Neutralisation
in Abhängigkeit von der Erhitzungsdauer aufgenommen wurde, ist in
Tabelle 8 zusammengestellt:
Tabelle 8.
szei t in StdL Gebundenes Alkali pro Mol Kaolin Neutralisation in %
% 0,43 Mole NaOH 10,8
1 0,48 » » 12,1
2 0,74 » > 18,6
3 0,80 » » 20,0
5 0,82 » » 20,6
6 0,84 » > 21,0
8 0,85 » » 21,2
Pf II
Muh Mi OH gebunden Mischung, r Xio&n : Z AhtC0, : sdCO,
pro Mol JCëo/in
i I l I l
12 3 4 5 Stunden
57
Kurve 1 in Fig. II gibt die graphische Darstellung von Tabelle 8
wieder.
Eine zweite Versuchsreihe wurde mit der gleichen Mischung im Auto¬
klaven bei 275° und 50 Atm. Druck ausgeführt. Auch diesmal trat keine
feststellbare Spaltung der Si-O-Al-Bindungen ein; dagegen nahm die
Einlagerung von Natrium in das Kristallgitter einen bedeutend großemUmfang an. In folgender Tabelle ist eine Meßreihe in Abhängigkeit vonder Erhitzungsdauer bei konstanter Temperatur und Konzentration auf¬
genommen:
Tabelle 9.
nszeit in Min. Gebundenes Alkali pro Mol Kaolin Neutralisation in °/o
15 0,15 Mole NaOH 3,5
30 0,42 » » 14,5
45 1,58 » » 39,5
75 1,98 » » 49,6
105 2,18 » > 54,4
120 2,32 » » 58,0
150 2,40 » » 60,1
240 2,63 » > 65,6
Kurve 2 in Fig. 11 zeigt die graphische Darstellung von Tab. 9. Man
erkennt, daß durch die energischeren Bedingungen schon mehr als die
Hälfte der Wasserstoffatome im Kaolingitter durch Natrium ersetzt
worden sind. Die Neutralisation ist demnach bereits über die Stufe des
zweibasischen Natriumtones eingetreten.Aus den vorliegenden Ergebnissen ist ersichtlich, daß die bisherigen
Bedingungen zu gelinde waren, um die gewünschte Aufspaltung des
Kaolinitgitters zu erreichen. Im Folgenden soll daher untersucht werden,welchen Einfluß auf den Gitterabbau höhere Laugenkonzentration,höhere Temperatur und ein Vorglühen des Kaolins ausüben.
Als erstes wurden Proben von gewöhnlichem Kaolin mit Natron¬
lauge zunehmender Konzentration am Rückflußkühler erhitzt. Nach -
der Behandlung wurde die Suspension nicht filtriert, sondern in einem
Meßkolben auf ein bestimmtes Volumen aufgefüllt. Das jeweilige Vo¬
lumen wählte ich so, daß alle Proben auf die gleiche Alkali-Konzentra¬
tion von 1 Mol NaOH/Liter verdünnt wurden. Das Einhalten einer kon¬
stanten Konzentration ist aus dem Grunde wichtig, weil der Alkaliton
58
merklich der Hydrolyse unterworfen ist. Nach eintägigem Stehen¬
lassen war die überstehende Flüssigkeit klar und konnte titriert werden.
Eine Reihe von Suspensionen mit—L Mol Kaolin (= 12,8 er) und20
—Molen NaOH (= 10 gr) wurden 1 Stunde am Rückfluß erhitzt.
20
Variiert wurde die zugesetzte Wassermenge, sodaß die Umsetzung in
Abhängigkeit von der Laugenkonzentration bei konstantem Verhältnis
1 Mol Kaolin : 5 Molen NaOH verfolgt werden konnte. Die erhaltenen
Resultate sind in Tabelle 10 zusammengestellt.
Tab eile 1 0.
Molverhältnis Laugenkonzentration Gebundenes Alkali
Kaolin : NaOH pro Mol Kaolin
1 : 5 14% 0,67 Mole NaOH
1 : 5 17% 0,72 » »
1 : 5 20 % 0,77 » *
1 : 5 25 % 0,87 » >
Die eingetretene Neutralisation läßt sich gut mit den Werten von Ta¬
belle 8 vergleichen. Eine Spaltung in Tonerde und Kieselsäure konnte
auch hier nicht beobachtet werden.
Um festzustellen, wie weit ein Vorglühen des Kaolins bei 700° den
Abbau des Gitters erleichtert, wurde die obige Versuchsreihe unter ähn¬
lichen Bedingungen mit entwässertem Kaolin wiederholt. Die erhal¬
tenen Resultate in Tabelle 11 zeigen, daß die Einlagerung von Natrium
in das entwässerte Kaolingitter in der Tat bedeutend leichter erfolgt.
Tabelle 1 1.
Molverhältnis Laugenkonzentration Gebundenes Alkali
Kaolin : NaOH 7» pro Mol Kaolin
1 : 5 14 0,90 Mole NaOH
1 : 10 25 1,65 > >
1 : 15 33 2,15 » >
1 : 20 40 2,96 » »
59
"Versuche am ttüekfluss F/j 12
Erhitivngsdauer 1 Stunde
Hole As OH gebunden
pro /loi Jfaolin
10 20 50 10%
alfahkonientrat.
In Fig. 12 sind die beiden Tabellen 10 und 11 graphisch dargestellt. Bei
den Versuchen mit geglühtem Kaolin konnte erstmals eine deutliche
Spaltung festgestellt werden. Die Probe mit der stärksten Laugenkon¬zentration ergab 7,6 % Tonerde in Lösung.Zu interessanten Ergebnissen führten die nachfolgenden Unter¬
suchungen im Autoklaven80: Gewöhnlicher und entwässerter
Kaolin wurden in einem Eisengefäß mit Natronlauge von steigenderKonzentration 1 Stunde bei 325° und 125 Atm. Druck behandelt. Der
Ansatz betrug jeweils— Mol Kaolin + 200 ccm Wasser. Die Wasser¬
menge war dem Autoklavenvolumen so angepaßt, daß bei der Reaktions¬
temperatur noch ca. 100 ccm Wasser in flüssiger Phase vorlagen. Nachdem Aufschluß wurde die Suspension wie oben beschrieben verdünnt,
80 Bei der Ausführung der Autoklavenaufschlüsse haben die Herren E. Peter-
h a n s und K. Koppel mitgewirkt.
60
und in der überstehenden klaren Lösung der Alkaligehalt, sowie die ge¬
löste Tonerde und Kieselsaure bestimmt. Die Resultate sind in Tabelle 12
zusammengestellt. Fig. 13 zeigt ihre graphische Darstellung.
Hole Mi OH gebunden
pro Mol Xiolm.
Bruckversuche bei
325° fea 1200m.)
Z. entwässerterJfaoltn.
1 ungeglühter Jfiolin
RgrJS
tO 30%
Laugenkonz entrât.
Tabelle 12.
Molverhältnis Laugenkonz. Gebundenes Alkali pro Mol Kaolin
Kaolin : NaOH °/° a> ungeglühter b) geglühter Kaolin
1:5 9 1,1 Mol NaOH 1,5 Mol NaOH
1 : 10 17 1,7 > > 1,95 > »
1 : 15 23 2,3 » » 2,5 > >
1 : 20 29 3,2 » » 3,5 > >
Am Verlauf der Neutralisation fällt auf, daß im Gegensatz zu den
Versuchen am Rückfluß, gewöhnlicher und geglühter Kaolin sich hier
61
nur wenig unterscheiden. Die beiden Neutralisationskurven laufen an¬
nähernd parallel. Man kann daraus den Schluß ziehen, daß unter den
Bedingungen im Autoklaven der entwässerte Kaolin zum großen Teil
rehydriert wird. Auf die Untersuchungen von P. Schachtschna¬
bel81 über die Möglichkeit einer Rehydrierung des geglühten Kaolins
ist Seite 14 hingewiesen worden. Schachtschnabel hat die Was¬
seraufnahme ins entwässerte Gitter bei 100° festgestellt; es ist anzu¬
nehmen, daß in einer Atmosphäre von hochgespanntem Wasserdampfdie Rückbildung des Kaolins viel rascher erfolgt.
Die beiden Kurven in Fig. 13, sowie Kurve 2 in Fig. 12 zeigen in
gleicher Weise ein stärkeres Ansteigen, nachdem der Ton durch 2 Mole
NaOH neutralisiert ist. Es scheint demnach, daß die weitere Einlage¬rung von Alkali in das Gitter leichter eintritt, wenn die Stufe des zwei¬
basischen Natriumtones erreicht ist. Anderseits gibt der vierbasische
Natriumkaolin in schwächer alkalischen Lösungen besonders leicht
2 Mole NaOH ab und geht in den zweibasischen über.
Der Abbau in die Komponenten tritt beim geglühten Kaolin erwar¬
tungsgemäß in größerem Umfang ein als beim ungeglühten. Die Unter¬
schiede sind jedoch nicht groß, was mit der angenommenen Rehydrie¬rung des entwässerten Tons im Einklang- steht. Aus Tabelle 13 sind die
Mengen gelöster Tonerde und Kieselsäure ersichtlich.
Tabelle 13.
In Lösung gelöstes A1203
Si02 A1203 in°/o
239 mgr 81 mgr 1,6
141 » 149 « 3,0
412 » 122 « 2,3
394 » 390 « 7,6
635 » 252 -K 4,9
688 » 647 -« 12,8
1,210 gr 1,250 gr 24,4
(8 Std. behandelt.)
81 I.e.
Kaolin Molverhältnis
Kaolin : NaOH
ungeglüht 1 : 5
geglüht 1 : 5
ungeglüht 1 : 10
geglüht 1 : 10
ungeglüht 1 : 20
geglüht 1 : 20
geglüht 1 : 20
62
An den Zahlen in Tabelle 13 fällt auf, daß beim Aufschluß mit unge-
glühtem Kaolin mehr Kieselsäure in Lösung ging als dem Verhältnis
Al : Si im Kaolin entspricht. Die gelösten Mengen verhalten sich wie
3 Si : 1 AI; wogegen der geglühte Ton im gegebenen Verhältnis 1 Si :
1 AI in die löslichen Komponenten abgebaut worden ist. Zum letzten
Versuch mit achtstündiger Erhitzungsdauer ist zu bemerken, daß hier
die gelösten Tonerde- und Kieselsäuremengen annähernd die Löslich¬
keitsgrenze erreichen (vgl. Abschnitt Analytik S. 70).
Um die Einwirkung von Kalk auf die oben ausgeführten Aufschlüsse
zu prüfen, wiederholte ich einige Versuche mit einem Zusatz von 5 Mo¬
len CaO pro Mol Kaolin. Bei einstündigem Erhitzen war die Menge
gelöster Tonerde nur wenig höher, während die Kieselsäure zur Haupt¬
sache an den Kalk gebunden wurde. Ein Ansatz mit einer Laugenkonzen¬
tration von 20 Molen NaOH pro Mol Kaolin und dem gleichen Kalk¬
zusatz 8 Stunden erhitzt, ergab eine Spaltung von 50 % in lösliches
Aluminat; gleichzeitig gingen 6 % der Kieselsäure in Lösung.
Der letzte Versuch beweist, daß unter Aufwand genügender Energie
eine Spaltung des Kaolins mit wässeriger Natronlauge gelingt. Die Spal¬
tung wird durch einen Zusatz von Kalk begünstigt, der die abgebaute
Kieselsäure fällt und damit verhindert, daß die gelösten Komponenten
wieder als Alumosilikat ausfallen. Im Vergleich zum Bauxit müssen je¬
doch viel energischere Bedingungen angewandt werden, um einen voll¬
ständigen Abbau des Kaolinitgitters zu erreichen.
Bei den Versuchen im Autoklaven wurde abgesehen von der Spaltungeine praktisch vollständige Neutralisation des Kaolins erreicht. Dieser
Natriumton enthält folglich die Menge Alkali, die wir beim Trocken¬
aufschluß in Form von Soda der Aufschlußmischung zugesetzt haben.
Man könnte vermuten, daß dieser Alkali-Kaolin mit der entsprechenden
Menge Calciumcarbonat gemischt, und bei 830° geglüht, ungefähr zu
dem Ergebnis führe, das die Trockenaufschlüsse zeigten. Das war je¬
doch nicht der Fall. Eine Probe auf die besagte Art mit CaC03 ge¬
mischt und geglüht, ergab eine schwach gesinterte Masse, aus der mit
Wasser nur 5 %, mit Sodalösung nur 7 % Tonerde herausgelöst wer¬
den konnten. Man sieht daraus wiederum, daß es von entscheidender
Wichtigkeit ist, beim pyrogenen Aufschluß das Alkali in Form von Soda
zuzusetzen, da diese als Flußmittel wirkt und das Calciumcarbonat zu
lösen vermag.
In einem letzten Druckversuch prüfte ich ein Verfahren von J. C.
63
Séailles82 nach (siehe S. 25). Séailles empfiehlt, das gerösteteAluminiumerz in wässeriger Lösung mit CaO zu mischen und unter
Druck aufzuschließen. Dabei soll eine Spaltung in Ca-Silikat und Ca«
Aluminat stattfinden. Séailles führte seine Aufschlüsse mit Bauxit
aus und gibt an, daß sich auch Tone auf diese Art abbauen lassen. Ich
erhitzte einen Ansatz von 5 Molen CaO auf 1 Mol Kaolin zwei Stunden
auf 275°, entsprechend einem Wasserdampfdruck von 50 Atm. Nach
dem Auslaugen mit Sodalösung konnten 8 % gelöste Tonerde festge¬stellt werden. Das Ergebnis läßt erkennen, daß die Spaltung des Kaolins
mit Kalk allein in wässeriger Phase wohl möglich ist, aber unter den ein¬
gehaltenen Bedingungen nur zum kleinen Teil eintritt.
Die abgeschlossenen Untersuchungen über den Aufschluß in wässe¬
riger Phase vervollständigen das Bild, welches uns die experimentellenErgebnisse des Trockenaufschlusses zu geben vermochten. Wir ge¬
winnen damit einen Ueberblick über die Möglichkeiten, den Kaolin
alkalisch abzubauen. Die verschiedenen Wege, auf denen dieser Abbau
erreicht werden kann, sind abschließend in der folgenden Zusammen¬
fassung dargestellt:
ZusätzeErforderliche
TemperaturPhase Umsetzung
zu löslichem Aluminat
CaO
CaC03 + Na2C03
NaOH+H2C"
NaOH+CaO+H20
CaO+ HaO
ca. 1400°
820»
325»
325»
275»
Schmelze
Sinterung
wäß. Suspens.
wäß. Suspens.
wäß. Suspens.
70%
85»/o innert Vß Stden.
24°/o innert 8 Stden.
50°/o innert 8 Stden.
8% innert 4 Stden.
5. Analytik.
a) Bestimmung von Tonerde und Alkali in der Aluminatlauge.
Die wichtigste analytische Aufgabe, die sich bei der Untersuchungmeiner Sinteraufschlüsse stellte, war eine rasche und sichere Bestim¬
mung der Tonerde und des Alkalis in der Aluminatlauge. Die Alu¬
miniumbestimmung führte ich zu Beginn meiner Arbeiten nach der
82 1. c.
64
üblichen gravimetrischen Methode aus: Fällen des Hydroxyds aus der
sauren Lösung mit Ammoniak in Gegenwart von Ammonchlorid; Fil¬
trieren durch ein aschenfreies Filter und Ueberführen ins Oxyd durch
scharfes Glühen vor dem Gebläse. Diese Methode wird mühsam, wenn
viele Bestimmungen auszuführen sind. Es war daher wünschenswert,
nach einer geeigneten maßanalytischen Methode zu arbeiten.
Es ist vorgeschlagen worden, Aluminium azidimetrisch mit Indi¬
katoren zu titrieren. Ich prüfte diese Methode nach, unter Verwendung
von Methylorange und Phenolphthalein. Wenn man eine saure Alu¬
miniumchloridlösung mit Natronlauge neutralisiert, so beginnt bei
pH 3,5 das Hydroxyd auszufallen. Bis zum Ende der Fällung sinkt die
Azidität der Lösung nur wenig. Im Moment, da eine weitere Zugabe
von Lauge das Hydroxyd unter Bildung von Aluminat wieder löst,
nimmt die H-Ionenkonzentration sprunghaft einen Wert unter 10~9
an; die Lösung wird phenolphthaleinalkalisch. Da Methylorange bei
pH 3,5—4,5 umschlägt, so läßt sich der pH-Bereich der Hydroxyd¬
fällung von diesen beiden Indikatoren begrenzen.
Zur Analyse benützte ich AlCl3-Lösungen, die 100—200 mgr Ton¬
erde in 100 ccm enthielten und titrierte mit 0,5n kohlensäurefreier
NaOH. Ich machte die Beobachtung, daß die Umschlagspunkte beider
Indikatoren nicht mit der gewünschten Schärfe eintreten. Vor allem ist
der Beginn der Hydroxydfällung schwer festzustellen, da der Ueber-
gang des Methylorange von rot nach gelb ziemlich schleppend erfolgt.
Der Phenolphthaleinumschlag ist deutlicher; er stellt sich erst nach
einigem Stehenlassen der Lösung (mindestens 10 Min.) endgültig ein.
Im allgemeinen lieferten die titrimetrischen Bestimmungen zu tiefe
Resultate. Beim Ermitteln der Umschlagspunkte ergeben sich Fehler
von 2—3 %; arbeitet man mit verdünnteren Lösungen, so werden die
Differenzen noch wesentlich größer.Eine genaue maßanalytische Bestimmung des Aluminiums läßt sich
mit der elektrometrischen Titration ausführen. Für die Theorie» der
potentiometrischen Maßanalyse verweise ich auf das Werk von E. M ü 1 -
1er83. Der Titrationsverlauf einer Aluminiumchloridlösung mit Na¬
tronlauge ist in Fig. 14, Kurve 1 gezeichnet.Der Beginn der Hydroxydfällung ist am sogenannten Säuresprung
erkenntlich, der bei pH 3 bis 3,5 liegt. Anschließend folgt bei pH 7
83 E. Müller, Elektrometrische. Maßanalyse (1931).
65
PH ri) h
Tifrations/curre »on /l/uminium
C28? m9r fil als fila,
2 -
Titrationskurve einer flluminattauge.
Z».j mjrfi! ah /fa fflOi
12 cm3 %HCt
bis 8 der hohe Hydroxydsprung, der den Endpunkt der Fällung und die
beginnende Aluminatbildung kennzeichnet. Im alkalischen Gebiet tritt
etwas weniger ausgeprägt der Aluminatsprung auf, der mit der abge¬schlossenen Auflösung des Hydroxydniederschlages zusammenfällt.
Wie aus den Studien von W. D. Treadwell und M. Zür¬
cher84 hervorgeht, ist das Auftreten des Aluminatsprunges typischfür das Aluminiumtrichlorid. Die Titrationskurve des basischen Chlorids
zeigt diesen Sprung nicht und weicht auch im übrigen Verlauf von der
Kurve des normalen Chlorids ab. Meine Aluminiumtitrationen ergaben,daß immer Lösungen des normalen Chlorids vorlagen.
1. c. s. Seite 13.
66
Die zweite Kurve in Fig. 14 zeigt den Titrationsverlauf einer Alu-
minatlösung, die gleich viel Aluminium enthält wie die Chloridlösung.
Die Anwesenheit der Soda neben dem Aluminat ist hier deutlich er¬
kennbar. Aluminium- und Carbonatkurve überlagern sich derartig, daß
der Hydroxydsprung nur noch verwischt erscheint. Vom Aluminat- bis
zum Säuresprung ist die Soda mitneutralisiert worden.
Aus der Titrationskurve 1 läßt sich der Tonerdegehalt der Lösung
leicht berechnen. Die Neutralisation des Aluminiumchlorids erfolgt
nach der Gleichung:
A1C1, + 3 NaOH > Al(OH), + 3 NaCl
Für 1 Mol AlCl3 werden zwischen Säure- und Hydroxydsprung folglich
3 Mole NaOH verbraucht. Demnach zeigen 6 NaOH 2 AI oder
1 AI2O3 an und 1 ccm 0,5 n NaOH entspricht = 8,5 mgr Tonerde.0.2
Die potentiometrische Titration wird zweckmäßig mit einer Wasser¬
stoff-Elektrode gegen eine Kalomel-Vergleichselektrode ausgeführt. Die
benützte Apparatur ist in Fig. 15 skizziert. Als Indikator-Elektrode dient
ein platiniertes Platinblech, das mit Wasserstoff gesättigt wird. Das Ti¬
trationsgefäß besteht aus einem Präparatenglas von ca. 100 ccm Inhalt,
F'?t5
Diaphragma
67
das oben mit einem dreifach durchbohrten Gummistopfen verschlossen
ist. Durch die drei Stopfenöffnungen werden die Wasserstoffelektrode,das Verbindungsstück zur Vergleichselektrode und das Bürettenende
eingeführt. Der Wasserstoff wurde einer Bombe entnommen und
strömte mit einer Geschwindigkeit von 4 bis 5 Blasen in der Sekunde;er diente gleichzeitig zur Durchrührung der Lösung.
Als Vergleichselektrode wurde eine normale Kalomel-Elektrode in der
gezeichneten Ausführung benützt: In das Quecksilber taucht ein Platin¬
draht, der in einem Glasrohr eingeschmolzen und mit einem Kupfer¬draht als Zuleitung verbunden ist. Das Verbindungsstück des Elek-
trodengefässes führt in ein konisches Glasrohr, in welchem ein Stopfenaus Filterpapier als Diaphragma sitzt.
Die Potentiale wurden nach der Kompensationsmethode mit einem
Zeigergalvanometer als Nullinstrument gemessen. Als Gefällsdrahtdiente ein metrisch graduierter Konstantandraht von 1 m Länge. An die¬
sen ist ein Akkumulator über einen passenden Vorschaltwiderstand ge¬
schaltet, sodaß je 10 cm des Drahtes 58 Millivolt Spannungsabfall oder
einer pH-Einheit entsprechen. Der ganze Draht reicht dann vonpnObis pH 10, oder durch Aenderung des Vorschaltwiderstandes von pH 10
bis pH 20.
Die Tonerdeanalysen nach der elektrometrischen Titration erwiesen
sich als zuverlässig. Eine Bestimmung nimmt jedoch ca. 2 Stunden in
Anspruch, da das Einstellen der Potentiale immer einige Zeit erfordert.
Häufiges Platinieren der Wasserstoff-Elektrode erleichtert das Ar¬
beiten wesentlich.
Im Zusammenhang mit der Tonerde wurde jeweils der Alkaligehaltder Aluminatlauge bestimmt. Zu diesem Zwecke wurden 20 ccm der
alkalischen Lösung mit 0,5 n HCl in der Hitze auf Methylorange titriert.
Beim Umschlagspunkt ist das Alkali neutralisiert und alles Aluminiumin A1C13 übergeführt. Ist die Tonerdemenge bekannt, so ergibt sich der
Alkaligehalt aus den verbrauchten ccm HCl als Differenz.
b) Die Bestimmung der Kieselsäure.
Die Bestimmung von Silizium neben Aluminium ist das wichtigsteanalytische Problem der Tonerdegewinnung auf alkalischem Wege. Ist
der Kieselsäuregehalt nicht zu gering, so wird er zweckmäßig gravi-
68
metrisch ermittelt. Ich wandte diese Methode bei der Mehrzahl meiner
Analysen an.
Ausführung der Kieselsäurebestimmung:
50 ccm Aluminatlösung werden mit einigen Tropfen konzentrierter
HCl angesäuert und auf einem Luftbad zur Trockene eingedampft. Der
Rückstand wird mit konz. HCl angefeuchtet und 10 Minuten stehen ge¬
lassen, um das entstandene Aluminiumoxychlorid wieder in das nor¬
male Chlorid zurückzuführen. Dann versetzt man mit ca. 50 ccm Was¬
ser, erwärmt nochmals kurz und filtriert durch ein aschenfreies Filter.
Die Kieselsäure wird vor dem Gebläse geglüht und als Si02 gewogen;
die Tonerde befindet sich im sauren Filtrat und wird potentiometrischtitriert. Die Abscheidung kleiner Mengen Si02 erfolgt auf diese Art
quantitativ; ein nochmaliges Eindampfen der Lösung hat sich nicht als
notwendig erwiesen.
Eine zuverlässige maßanalytische Bestimmung der Kieselsäure ist
noch nicht ausgearbeitet worden; dagegen wurden eine Reihe colori-
metrischer Methoden vorgeschlagen85. Bekanntlich bildet die Kiesel¬
säure mit Molybdat in schwach saurer Lösung den gelben Silicomolyb-
dänsäurekomplex. Die Reaktion ist sehr empfindlich und kann zur colo-
rimetrischen Bestimmung kleiner Mengen Si02 benützt werden. Da die
Lösungen des gelben Komplexes nicht beständig sind, eignen sie sich
nicht als Vergleichslösungen; als solche sind Chromat- und Pikrinsäure¬
lösungen empfohlen worden. Die Schwierigkeit der Messung liegt dann
darin, daß Versuchs- und Testlösungen in der Regel nicht den gleichenFarbton aufweisen. In diesem Fall ist die absolut-colorimetrische Me¬
thode vorzuziehen, bei der die Absorption mit einem Photometer ge¬
messen wird.
Meine colorimetrischen Kieselsäurebestimmungen führte ich im
wesentlichen nach den Angaben von H. W. Swank und M. G.
Mellon86 aus. Die beiden Autoren empfehlen mit Borax gepufferte
Chromatlösungen als Testlösungen. Ich prüfte das vorgeschriebene
Chromatäquivalent nach mit Silikatlösungen von bekanntem Gehalt und
fand eine befriedigende Uebereinstimmung. Die Anwesenheit von Alu-
85 H. J. Tartakowski, C 1937 II, 443.
H. W. Swank u. M. G. Mellon, Ind. and Engin. Chemistry 6, 348 (1934).
P. Urech, Helv. 22, 1023 (1939).
86 1. c.
69
minium beeinflußt die Färbung unmerklich; dagegen ist das Einhalten
einer konstanten Azidität von größter Wichtigkeit.Bei meinen Bestimmungen verdünnte ich die Aluminatlaugen jeweils
soweit, daß der Si02-Gehalt in den Bereich von 5 bis 30 mgr/Liter fiel.
Bei diesen Konzentrationen treten deutlich gefärbte Lösungen auf, deren
Farbintensität mit der Kieselsäuremenge streng proportional zunimmt.
Um die richtige Azidität zu erhalten, titrierte ich 20 ccm der alkalischen
Lösung mit 0,5 n HCl auf Methylorange; die verbrauchte Säuremengesetzte ich der Versuchslösung vor Zugabe des Molybdatreagens zu.
Die Messungen wurden z. T. mit einem Zeiß-Pulfrich-
Colorimeter, z. T. mit einem elektrischen Photometer von Langeausgeführt. Für die absolut-colorimetrischen Bestimmungen mußte zu¬
erst an Hand der Chromat-Testlösungen eine Eichkurve aufgenommenwerden. Es erwies sich dabei als notwendig, mit einem Blaufilter zu
arbeiten.
Einige colorimetrische Analysen wurden nach den Angaben von
P. U r e c h87
ausgeführt. U r e c h arbeitet mit sehr kleinen Si02-Konzentrationen (0,2 bis 3,2 mgr Si02/Liter). Seine Lösungen sind dem¬
zufolge so schwach gefärbt, daß die Möglichkeit des Unterscheidens an
der Grenze liegt. Die Methode wird damit schon stark subjektiv. Die
erhaltenen Analysenresultate fielen wesentlich tiefer aus als die ent¬
sprechenden nach der Vorschrift von Swank und Mellon. Meine
abweichenden Ergebnisse kann ich mir so erklären, daß bei U r e c h
die Azidität der Versuchs- und Testlösungen nicht vollständig überein¬
gestimmt hat.
c) Studien an Alumosilihatniederschlägen aus alkalischen
Lösungen.
Es ist an anderer Stelle (S. 22) darauf hingewiesen worden, daß beim
Aufschluß von Bauxit nach dem Bayer- Verfahren die Kieselsäure
zur Hauptsache als schwerlösliches Alumosilikat ausfällt, dem meistens
die Formel.. ~ A<~. c.^>
Na20 . Al203. 2 Si02
zugeschrieben wird. Beim alkalischen Aufschluß von Tonen liegen die
Verhältnisse nicht ganz gleich, da man hier mit einem Ueberschuß von
87 1. c.
70
gebranntem Kalk arbeitet; dieser dürfte die Bildung von Alumosilikaten
weitgehend verhindern. In diesem Zusammenhang schien es von Inter¬
esse, die Bildungs- und Löslichkeitsverhältnisse von Tonerde-Silikat¬
niederschlägen in alkalischem Milieu zu studieren.
Bei den nachfolgenden Untersuchungen ging ich von einer 0,2
molaren Na2Si03-Lösung und einer 0,2 m NaA102-Lösung aus, die ich
mir durch Auflösen von reinem Si02-Hydrat, bzw. Al(OH)3 in konz.
NaOH hergestellt hatte. Gibt man diese beiden Lösungen zusammen,
so entstehen weiße, gallertige Fällungen eines Alumosilikats. Zunächst
interessierte mich die Frage nach der Zusammensetzung der Nieder¬
schläge. Es war anzunehmen, daß diese je nach dem MengenverhältnisAl : Si verschieden ausfallen würden.
In einer ersten Versuchsreihe untersuchte ich die Fällungen bei Alu-
minatüberschuß, d. h. die Verhältnisse, wie sie bei einer Aluminatlauge
vorliegen. Zu diesem Zwecke mischte ich Proben der Aluminat- und der
Silikatlösung in verschiedenen Mengenverhältnissen bei Siedehitze, wo¬
bei das Gesamtvolumen immer 200 ccm betrug. Anschließend wurde
die Probe noch eine Stunde auf dem Wasserbad erhitzt, um den End¬
punkt der Fällung sicher zu erreichen. Der Niederschlag wurde sodann
filtriert, bei 100° getrocknet und einer quantitativen Analyse unter¬
zogen. Das trockene Alumosilikat war in verdünnter HCl leicht löslich,
sodaß die drei Komponenten A1203, Si02 und Na20 wie früher be¬
stimmt werden konnten. Bei einigen Proben führte ich ergänzend noch
eine Analyse des Filtrates aus.
Aus den gefundenen Resultaten konnte sowohl die Zusammensetzung
des Niederschlages wie seine Löslichkeit ermittelt werden. Es stellte sich
dabei heraus, daß in allen Fällungen das Verhältnis
lAl203:2Si02 vorlag. Der Alkaligehalt hing davon ab, wie
weit die gefällten Tonerde-Silikate gewaschen wurden. Ohne Behand¬
lung mit Waschwasser wiesen sie mit guter Uebereinstimmung
die Formel 2 Na20 . Al2Oa . 2 Si02 auf.
In dieser Form ist die Verbindung sehr leicht hydrolisierbar; bei ge¬
lindem Waschen wird die Hälfte des Alkalis weggelöst. Das ver¬
bleibende Alumosilikat von der Zusammensetzung Na20 . Al203. 2 Si02
läßt sich nur noch schwer durch Hydrolyse spalten.Die Löslichkeitsverhältnisse der Niederschläge gehen aus Tabelle 14-
hervor:
71
Tabelle 14.
Mischungsverhältnis in Mol Gelöstes Si02 in 100 ccm Lösung
1 AI : 1 Si 58,2 mgr
2 AI : 1 Si 36,3 mgr
4 AI : 1 Si 25,9 mgr
9 AI : 1 Si 18,6 mgr
100 AI : 1 Si 14,0 mgr
Beim Mischungsverhältnis 1 AI : 1 Si, welches der Zusammensetzungdes Niederschlages entspricht, tritt ein Löslichkeitsmaximum auf. Mit
zunehmendem Aluminatüberschuß nimmt die Menge der gelösten Kiesel¬
säure ab. Aus Tabelle 15 ist ersichtlich, daß die Löslichkeit der Ton¬
erde bei Silikatüberschuß ein analoges Verhalten zeigt.
T a b e 11 e 1 5.
Mischungsverhältnis in Mol Gelöste Tonerde in 100 ccm Lösung
1 Si : 1 AI 49,6 mgr
2 Si : 1 AI 32,5 mgr
4 Si : 1 AI 18,1 mgr
100 Si : 1 AI 3,5 mgr
In Fig. 16 sind die Tabellen 14 und 15 graphisch dargestellt. Kurve 1
zeigt die Menge gelöster Kieselsäure in Abhängigkeit von der Aluminat-
konzentration. Diese ist in Volumprozenten ausgedrückt, wobei das
Gesamtvolumen Aluminat- + Silikatlösung gleich 100 % gesetzt wor¬
den ist.
Auf Grund der Analysenresultate über die Zusammensetzung der
Niederschläge läßt sich die Alumosilikatbildung bei Aluminatüberschuß
durch folgende Gleichung darstellen:
2 NaA102 + 2 Na2SiO„ >- (Na20)2.Al203 2Si02 + 2NaOH 10
Es ist demnach
CAl . Csi = k. CAlsIl. • CNaOH 11
Die Konzentration des Bodenkörpers ist für eine bestimmte Laugenkon¬zentration konstant; damit vereinfacht sich die Gleichung zu:
72
CAl . CSi == k. CNaOH oder CaI . Csî = y k
. CNaOH
Daraus folgt r- =V k
c3i CNaOH
CAl
12
13
gr Si02imlihrgeUst
0,2 molare Lösungen
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I Abszisse : — - gew. Zahlen | Zahlen im Kreis | Wahlen im Quadrat )
In Kurve 1 a ist die Kieselsäurekonzentration als Funktion von auf-CAI
getragen. Die lineare Beziehung führt zum Schluß, daß wir in Glei¬
chung 13 CNaOH gleich konstant einsetzen müssen.
Im Gegensatz zu den Niederschlägen von konstanter Zusammen¬
setzung bei Aluminatüberschuß setzen sich die gefällten Alumosilikate
beim umgekehrten Konzentrationsverhältnis verschieden zusammen. Es
treten hier keine stöchiometrisch definierten Verbindungen mehr auf.
73
Der Si02-Gehalt des Niederschlages steigt kontinuierlich, wenn man
das Verhältnis der gemischten Lösungen zugunsten des Silikats ver¬
schiebt. Gleichzeitig nimmt auch das gebundene Alkali zu, sodaß auf
1 A1203 bis 6 Si02 und bis 4 Na20 entfallen. Die Kieselsäure scheint
sich demnach in polymerisierter Form an die Tonerde anzulagern, wäh¬
rend vom Alkali schwer zu sagen ist, ob es chemisch gebunden oder
adsorbiert vorliegt.Kurve 2 stellt die Löslichkeit der Tonerde in Abhängigkeit von der
Silikatkonzentration dar. Die Aufzeichnung als Funktion von — führtCSi
hier nicht zu einer Geraden. Dieses Verhalten steht in Uebereinstim-
mung mit der Zusammensetzung der ausfallenden Niederschläge. Wennz. B. eine Verbindung (Na20)3 . A1203 . 4 Si02 ausfällt, so entsteht sie
nach der Gleichung
2 NaAl02 + 4 Na2SiOs >- (Na20)3 A1203 4 Si02 + 4 NaOH 14
Analog zu Gleichung 12 können wir dann schreiben
eil • csi = k oder cai =*— 15
2
CSi
Kurve 2b stellt die annähernd lineare Funktion dar, wenn die Aluminat-
konzentration in Abhängigkeit von —= aufgetragen wird.
Die Löslichkeit der Alumosilikat-Niederschläge hängt im weitern stark
von der Alkalikonzentration der Lösung ab. In einer Meßreihe wurde
dieser Zusammenhang für das Mischungsverhältnis 4 AI : 1 Si funk¬
tionell ermittelt. Die gefundenen Werte sind in Tabelle 16 zusammen¬
gestellt; Fig. 17 zeigt ihre graphische Darstellung.
Tabelle 16.
NaOH- Molares Verhältnis Gelöstes Si02Konzentration Na20:Al203 in 100 ccm Lösung
0,4 n 2:1 28,2 mgr
0,6 n 3:1 61,6 mgr
0,8 n 4:1 83,8 mgr
1,2 n 6:1 114,5 mgr
74
im lifergelostF,71?
/Iluminât Si/ikif= 1 1
5 Male /lfat 0
pro/lolMitJi
Trägt man die quadrierten Werte der gelösten Kieselsäure als Funktion
der Alkalikonzentration auf (Fig. la), so ergibt sich ein linearer Zusam¬
menhang. Diese empirische Beziehung konnte mit Hilfe des Massen¬
wirkungsgesetzes noch nicht befriedigend erklärt werden.
Aus den ermittelten Löslichkeitsverhältnissen läßt sich für ein Ton¬
erde-Silikat von bekannter Zusammensetzung, das mit NaOH aufge¬schlossen wird, bestimmen, wie viel Si02 bei einer gegebenen Laugen¬
konzentration in Lösung geht. Bei meinen Aufschlüssen mit Kalk und
Soda fand ich in der Aluminatlösung 2 bis 6 mgr SiO2/l00 ccm, wenn
vor dem Auslaugen der Sintermasse nochmals etwas CaO zugesetzt
wurde. Diese Kieselsäuremenge liegt unter dem niedrigsten Wert der
reinen Aluminat-Silikat-Lösungen (Tabelle 14). Man darf daraus wohl
schließen, daß der Kalk die Kieselsäure weitgehend ausfällt, so daß nun
keine Tonerdeverluste durch Alumosilikatbildung eintreten können.
à) Das Verhalten von Fe, Ca und Ti im alkalischen
Trochenaufschluß.
Die analytischen Untersuchungen der vorliegenden Arbeit bestanden
zur Hauptsache darin, die Verteilung von A1203, Si02 und Na20 bei
den verschiedenen Aufschlüssen zu verfolgen. Dabei wurde die An-
75
Wesenheit von Ca, Fe und event. Ti nicht weiter berücksichtigt. Es soll
nun noch die Frage beantwortet werden, ob diese drei Metalle nicht als
Verunreinigung der Tonerde auftreten können.
Die Sintermasse, die nach dem Aufschluß mit Wasser ausgelaugtwird, besteht überwiegend aus Calciumverbindungen; das anwesende
Alkali bewirkt jedoch, daß sehr wenig Calcium in Lösung geht. Mehrere
Analysen ergaben übereinstimmend, daß die Aluminatlaugen ca.
0,002 % Calcium enthielten. Laugt man die geglühte Aufschlu߬
mischung mit verdünnter Sodalösung aus, so läßt sich im Filtrat kein Ca
mehr nachweisen.
Der Kaolin, mit dem die Untersuchungen ausgeführt wurden, wies
einen Fe203-Gehalt von 1,3 % auf. In der Aluminatlösung konnte da¬
von keine Spur festgestellt werden.
Um das Verhalten des Titans zu ermitteln, setzte ich einer Auf¬
schlußprobe Titanoxyd, einer andern Metatitansäure zu. Der wässerigeAuszug der beiden Sinterprodukte wurde angesäuert und mit H202 auf
Titan geprüft. Bei beiden Proben verlief die Prüfung negativ. Es ist an¬
zunehmen, daß sich beim Glühprozeß ein Ca-Titanat bildet, das durch
die alkalische Lösung praktisch nicht angegriffen wird.
Gestützt auf diese Analysen darf man den Schluß ziehen, daß beim
Aufschluß des Kaolins mit Calciumcarbonat und Soda die Elemente Cal¬
cium, Eisen und Titan die gewonnene Tonerde in keiner Weise ver¬
unreinigen. Mit dieser Feststellung weist das ausgearbeitete Verfahren
vor andern einen weitern wesentlichen Vorteil auf.
e) Die Aufschlußergebnisse als Beitrag zur Kenntnis des
Systems Al2Os.2SiO2.xNa2O.yH2O.
Nach den Untersuchungen von W. Noll88 läßt sich Kaolin aus
Tonerde- und Kieselsäurehydrat in neutraler oder schwach saurer Lö¬
sung unter 350° synthetisch herstellen. Oberhalb 400° bilden sich andere
Tonerdesilikate wie z. B. Pyrophyllit A1203 . 4 Si02 . 4 H20. Die Ge¬
nese der Verbindung A1203 . 2 Si02 . 2 H20 ist demnach auf Tempe¬raturen bis 300° beschränkt. Diese Tatsache geht schon daraus hervor,daß der Kaolin die vorwiegende Ve^witterungsneubildung der Alumo-
silikate darstellt und nur in Sedimentgesteinen vorkommt.
88 I.e. s. Seite 10.
76
Die Analyse der Alumosilikatniederschläge aus alkalischen Lösungen
hat ergeben, daß auch hier das Verhältnis 1 AI : 1 Si auftritt, solange die
Kieselsäure nicht im Ueberschuß vorhanden ist. Man kann daraus
schließen, daß die wechselweise Anordnung von Silikat- und Aluminat-
schichten eine bevorzugte Gitterstruktur der Tonerdesilikate darstellt.
Die Einlagerung von Alkali in das Gitter haben wir auf verschiedenen
Wegen erreichen können. M. Dominikiewicz89 unterscheidet
drei Stufen: das Mono-Natriumkaolinat Na2O.Al203.2 Si02, das Na-
trium-Hydrokaolinat Na2O.Al2O3.2SiO2.H2O und das Dinatriumkaoli-
nat 2Na2O.Al203.2Si02. Diese 3 Verbindungen unterscheiden sich
nach Dominikiewicz vor allem darin, daß sie ihr Alkali ver¬
schieden leicht abgeben.Der Reaktionsverlauf unserer Aufschlüsse hat zur Erkenntnis geführt,
daß sich der Kaolin mit der zugesetzten Aufschlußmischung im Sinne
von Gleichung 5 intermediär zum vierbasischen Natriumkaolin um¬
setzt. Verbindungen mit gleichem Alkaligehalt haben die Druckver¬
suche mit konz. NaOH sowie die Niederschläge aus den Aluminat- +
Silikatlösungen ergeben.Man darf füglich annehmen, daß der Aufschluß des Kaolins mit
wässeriger NaOH zunächst zu einem Natrium-Hydrokaolin führt. Die¬
ser nimmt bei starker Alkalikonzentration leicht 2 weitere Mole NaOH
auf, welche jedoch nur schwach gebunden sind. Die Hydrolyse der
vierbasischen Verbindung konnte sowohl am Natriumton der Druck¬
versuche wie an den gefällten Tonerdesilikatniederschlägen festgestellt
werden.
Der zweibasische wasserfreie Natriumkaolin entspricht nach der
chemischen Zusammensetzung dem Nephelin. Er stellt eine Metastufe
dar und entsteht beim Erhitzen von Na2O.H20.Al203.2Si02. Sehr
wahrscheinlich wird auch beim alkalischen Aufschluß von Kaolin etwas
Nephelin gebildet, der sich mit dem Kalk nicht umsetzt und dazu führt,
daß nur 85 % der Tonerde als wasserlösliches Aluminat gewonnen wer¬
den können.
Bei der Diskussion der thermischen Zersetzung von Kaolinit (S. 13)
wurde darauf hingewiesen, daß der gewöhnliche Ton von verdünnten
Säuren praktisch nicht angegriffen wird, während die entwässerte Ver¬
bindung leicht säurelöslich ist. Diese Säurelöslichkeit gilt als Haupt-
89 C 1935 I, 1842.
77
argument für die Ansicht, daß der Kaolin beim Glühen in ein dispersesGemisch von A1203 und Si02 zerfällt. Nun sind aber auch die gefälltenNiederschläge von der Zusammensetzung 2Na2O.Al2O3.2Si02 in ver¬
dünnter HCl vollständig löslich, während der im wässerigen Aufschluß
gebildete Natriumton teilweise Löslichkeit (30—40 %) in 2 n HCl
zeigte. Wir dürfen daraus schließen, daß die Löslichkeit des entwässer¬
ten Kaolins in verdünnten Säuren keineswegs dafür sprechen muß, daß
es sich hier nicht mehr um die Verbindung eines Alumosilikats handelt.
Die Angreifbarkeit der wasserhaltigen Tonerdesilikate scheint mir
durch den Grad der Hydratation bedingt zu sein. Dabei geben die 4 OH
pro Al203, wie sie der Kaolin aufweist, dem Kristallgitter eine besondere
Stabilität. Keine oder mehr Hydroxylgruppen eingelagert, vermindern
die Widerstandsfähigkeit des Gitters. Der erste Fall liegt beim geglüh¬ten Ton vor, der zweite bei den untersuchten Niederschlägen, die bei
80° getrocknet ca. 8 OH pro Al203 aufwiesen. Eine deutliche Hydra¬tation konnnte auch beim Natriumton der Druckversuche festgestelltwerden.
Gegen einen Zerfall des Kaolinitgitters durch Entwässern spricht im
weitern der zeitliche Verlauf der Aufschlußreaktion, wie er sich aus den
abgeschlossenen Untersuchungen ergeben hat. Die rasche Umsetzungdes Kaolins mit der Aufschlußmischung zum wasserunlöslichen Na¬
triumkaolin bei 850—900° weist eindeutig darauf hin, daß bei diesen
Temperaturen ebenfalls ein Alumosilikatgitter vorliegen, muß. Zum glei¬chen Schluß führen die Hydratationserscheinungen, welche bei den
Druckversuchen mit geglühtem Kaolin beobachtet werden konnten.
ZUSAMMENFASSUNG.
1. Es werden die Reaktionsgleichungen entwickelt, nach denen die
Zersetzung von Kaolinit mit einem Gemisch von Soda und Calcium¬
carbonat in der Hitze erfolgt.Auf Grund des experimentell gefundenen optimalen Mischungsver¬
hältnisses von 1 Mol Kaolin : 2 Molen Soda : 5 Molen Calciumcarbonat
und der Entstehung von löslichem Aluminat unter Einwirkung von Was¬
ser auf das Sintergut wird die Bildung eines Aluminiumcarbonatosalzes
von der Formel [(Na20)2A102C0]2Ca angenommen. Seine Existenz
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konnte durch den Betrag des entwickelten Kohlendioxyds bei der Zer¬
setzung verschiedener Carbonatgemische gestützt werden.
2. Tensionsmessungen am Na2C03-CaC03-Doppelsalz führten zum
Schluß, daß in der Schmelze ein Carbonatkomplex vorliegen muß, dem
wahrscheinlich die Formel [Ca(C03)2]" zukommt.
3. Der Aufschluß von Kaolin mit Soda und Calciumcarbonat wird
in seiner Abhängigkeit von Temperatur und Zeit untersucht und ge¬
zeigt, wie weit der Aufschluß aus der Menge des entwickelten C02 be¬
rechnet werden kann. Dabei ergibt sich eindeutig, daß die Zersetzung
des Kaolinits über den vierbasischen Natriumkaolin verläuft.
4. Die lösliche Tonerde und Kieselsäure der Sintermasse, sowie die
Menge des immobilisierten Alkalis werden in Abhängigkeit von der
Glühtemperatur bestimmt. Aus den Messungen ist ersichtlich, daß bei
ca. 900° eine maximale Umsetzung zu löslicher Tonerde mit 84- % statt¬
findet, gleichzeitig aber 30 % der Soda verloren gehen.
5. Es werden die optimalen Bedingungen für den praktischen Auf¬
schluß ermittelt, wobei der Alkaliverlust durch inniges Mischen der
Ausgangsmaterialien und Glühen bei 820° auf 5 % erniedrigt werden
kann.
6. Es wird gezeigt, wie das in der Sintermasse immobilisierte Alkali
durch hydrothermale Zersetzung zu ca. % wieder gewonnen werden
kann. Der verbleibende unlösliche Rückstand hatte eine dem Portland¬
zement ähnliche Zusammensetzung.
7. Es wird die Zersetzung des Kaolins in wässeriger Phase mit
Natronlauge am Rückfluß und im Autoklaven unter Druck untersucht.
Dabei konnte eine Neutralisation des Kaolins bis zur vierbasischen
Natriumverbindung und ein teilweiser Abbau in lösliches Aluminat und
Silikat festgestellt werden.
8. Untersuchungen von Tonerdesilikat-Niederschlägen aus alkali¬
schen Lösungen ergaben, daß auf der Aluminat-Ueberschußseite die
einheitliche Verbindung (Na20)2.Al203.2Si02 ausfällt, während bei
Silikatüberschuß die Zusammensetzung der Niederschläge von lAl :
lSi bis lAl : 3Si variiert. Die Löslichkeit der Fällungen zeigten eine
charakteristische Abhängigkeit von der Aluminat- bezw. Silikat- und
von der Alkalikonzentration.
Zürich, den 1. Dezember 1940.
Hans Schneeberger.
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CURRICULUM VITAE.
Ich, Hans Schneeberger, gebürtig von Seeberg (Kt. Bern), wurde am
21. Februar 1914 in Balsthal (Kt. Solothurn) geboren. Im schulpflich¬tigen Alter wohnte ich in Niedergösgen. Hier besuchte ich die Primar¬
schule und anschließend in Schönenwerd die Bezirksschule. In den Jah¬
ren 1930 bis 1934 absolvierte ich das kantonale Gymnasium in Aarau.
Nach einem Semesteraufenthalt an der Universität Grenoble trat ich
im Herbst 1934 in die Abteilung für Naturwissenschaften an der Eidg.Techn. Hochschule ein, wo ich mir nach einem Studium von 8 Se¬
mestern das Diplom in der chemisch-physikalischen Richtung erwarb.
Seitdem arbeitete ich an der vorliegenden Dissertation und war daneben
als Unterrichtsassistent, für kürzere Zeit auch im Lehramt, tätig.
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