richtig - akademie-muenchen.de · Von Bobath bis Vojta ... The effects of physical therapy on...
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Mein Kind bewegt sich nicht richtigMotorische Auffälligkeiten und TherapiePeter Borusiak
1Borusiak Wuppertal
Fragen
Mein KindWem gehört das Kind Perspektiven: Mutter – Arzt – Therapeutin
Nicht richtigWas ist richtig und was ist falsch – und wer bestimmt das – Eltern, Ärzte, Therapeuten, Kindergärtnerinnen, Lehrer, Omas
Auffälligkeiten und Therapies.o. …und brauchen Auffälligkeiten Therapie?
2Borusiak Wuppertal
Diagnostik- Auffälligkeiten vs. Störung- Diagnostische Möglichkeiten- Funktionell vs. Erkrankung: Warnsymptome- Diagnostische Strategie
Therapie- Effektivität- Nebenwirkungen- Vorgehen im Alltag
Säuglinge – Schulkinder - CP
3Borusiak Wuppertal
Auffälligkeiten
• „Soft-Signs“- Assoziierte Mitbewegungen- Spiegelbewegungen- Unsicherheiten in der Balance
• Umschriebene Entwicklungsstörungen der Motorik haben keine negativen Auswirkungen auf den Schulerfolg*
- Im Alter von 8 und 13 Jahren keine signifikanten Schulprobleme- Mit 18 Jahren hatten 75% Gymnasial-/Realschulniveau
*Esser (1991)
4Borusiak Wuppertal
Korrelation Motorik - Kognition
• Motorische Skalen bei Entwicklungstests bei Säuglingen und Kleinkindern
• Bei Kindern mit geistiger Behinderung korrelieren die motorischen Skalen mit denjenigen, die die kognitive Entwicklung beurteilen
• Bei altersgerecht entwickelten Kindern keine Korrelation zwischen Motorik und Kognition
5Borusiak Wuppertal
Schwäche - Störung
• Anamnese• Entwicklungstests• Entwicklungsscreening
• Grenzsteinkonzept
6Borusiak Wuppertal
Grenzsteine
• Repräsentative Stichprobe bayerischer Kinder• 1 – 5 Jahre – 14 bis 24 Fragen
- Erreichen mindestens 90% der Kinder den Grenzstein- Wieviele Grenzsteine werden von mind. 90% der Kinder erreicht
• Auswertung von 1390 Datensätzen• Mit 12 und 24 Monaten wurden alle der untersuchten
Grenzsteine von > 90% der Kinder erreicht• Altersgruppen 36, 48 und 60 Monate
- Mind. 1 bis 5 Grenzsteine werden von weniger als 90% der Kinder erreicht
7Borusiak Wuppertal
Zunahme?
• Eher gefühlt als real*- Vorschulkinder 1987 und 2000- MOT 4-6- Vergleichbare Leistungen zu beiden Zeitpunkten
• Aber: widersprüchliche Daten, je nach Kriterien
* Reethorst 2003
8Borusiak Wuppertal
Transitorisch neurologische Symptome
• Erhöhter Muskeltonus in den ersten sechs Lebensmonaten bei 15-30%
• Haltungsasymmetrien bei 30%• Feinschlägiger Tremor bei 40%
bei sich ansonsten unauffällig entwickelnden Säuglingen1
Bei ca. 90% bildet sich die Symptomatik bis zum Ende des ersten Lebensjahres zurück²
1 Largo 2004 ² Michaelis & Niemann 1999
9Borusiak Wuppertal
Beurteilung komplexer Spontanbewegungen
• Treffsicherheit in der Beurteilung von General Movementsdeutlich höher als in einer neurologischen Untersuchung
• Sensitivität und Spezifität bei Erkennung einer CP bei Hochrisikokindern bei 90-100%
• Notwendig: Training
10Borusiak Wuppertal
Warnsymptome bei Säuglingen
• Seitendifferenzen in Bewegung und Haltung• Mangelhafte Rumpf- und Kopfkontrolle• Geringe oder fehlende motorische Aktivität• Stereotype Bewegungsmuster• Mangelhafter / fehlender Blickkontakt• Keine Reaktion auf Geräusche • Konnatale oder sich im 1- Lebensjahr entwickelnde
Mikrozephalie
11Borusiak Wuppertal
Motorische Schwäche - Lokalisation
• Zentral- Cortical- Motorische Bahnen
� Intrakraniell� Rückenmark
• Schaltstelle RM – peripherer Nerv• Peripherer Nerv• Neuromuskuläre Endplatte• Muskel
12Borusiak Wuppertal
Hinweise
• Zentral- Cortical- Motorische Bahnen
� Intrakraniell
• Zusätzliche kognitive Störungen• Zusätzliche Störungen auf Verhaltensebene (nicht sekundär)• Epileptische Anfälle• Zusätzliche extrapyramidal-motorische Zeichen• Pyramidenbahnzeichen• Zusätzliche supranukleäre Hirnnervenausfälle (zentrale Fazialisparese)
13Borusiak Wuppertal
Hinweise - spinal
• Genaue Höhenbegrenzung• Dermale Auffälligkeiten (spina, tethered cord)• Blasen-/Mastdarmstörungen (fehlender Analreflex)
• Sensibilitätsstörungen
14Borusiak Wuppertal
Peripherer Nerv
• Typisches Verteilungsmuster (Zuordnung zu Nerv, Plexus etc.)
• Distal betont
• Atrophien im Vergleich zur Parese zumeist deutlicher ausgeprägt
• MER frühzeitig abgeschwächt / erloschen
• Häufig auch sensible Ausfälle
• Faszikulationen
15Borusiak Wuppertal
Myopathie
• Rein motorisches Problem• Zumeist eher proximale Schwäche• Miktion und Defäkation unbeeinträchtigt• Schwäche > Hypotonie• Pseudohypertrophie
16Borusiak Wuppertal
Motorische Schwäche - Verlauf
• Akut- Infektiös (GBS, transverse Myelitis)- Toxisch- Traumatisch- Vaskulär (spinalis anterior syndrom)
• Progredient- Metabolisch-degenerativ- Raumforderung
• Episodisch- Metabolisch- vaskulär
17Borusiak Wuppertal
Was ist denn „nicht richtig“?
• Muskelgrundtonus
- hypoton
- normoton
- hyperton
• Bewegungsausmaß/-umfang/-steuerung
- hyperkinetisch
- normokinetisch
- hypokinetisch
18Borusiak Wuppertal
Was ist denn „nicht richtig“?
Bewegungsstörung
Parese Dyskinesie Koordinations-störung Apraxie
Zu wenigwillkürliche Kraft
Zu vielunwillkürliche Kraft
Gestörter Ablaufder willkürlichenBewegungen
nicht Wissen„wie“
nach Michaelis & Niemann
19Borusiak Wuppertal
Was ist denn „nicht richtig“?
Muskeln können• Sich nicht ausreichend kräftig kontrahieren � schlaffe Parese• Sich kontrahieren, wenn sie es nicht sollen,
bzw. machen unwillkürliche Pausen � Dyskinesie• Sich im Zusammenspiel mit anderen (bezogen auf ein Ziel) nicht
adäquat kontrahieren � Ataxie
20Borusiak Wuppertal
Diagnostisch-therapeutische Strategie
Auffällige Befunde
Phänomenologische ZuordnungDifferentialdiagnostische Überlegungen
Versuch nosologische Zuordnung
Kontrolle
NormalisierungTherapeutische Betreuung
Genetische Beratung
Diagnose
Gezielte DiagnostikKGJa
Nein
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• Bobath-Konzept
• Bahnungssystem nach Brunkow
• Castillo-Morales Konzept
• Craniosakrale Therapie
• Ferrari-Konzept
• Konduktive Förderung nach Petö
• Kraft- und Ausdauertraining
• Laufbandtraining
• Constraint induced movement therapy
• Propriozeptive NeuromuskuläreFazilitation (PNF)
Von Bobath bis Vojta
• Manuelle Therapie
• Osteopathie
• McMillan-Wassertherapie
• Hippotherapie
• Vojta-Therapie
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Hellbrügge (1980)„Einzigartige Chance, durch Frühtherapie geschädigte Kinder vor Behinderung zu bewahren“
Physiotherapeutin (2010)„…wenn Sie da nur sechs mal täglich richtig üben, läuft der mit 12 Monaten…..“
Qualitätspapier DGSPJ (2010)Eine besondere Aufgabe besteht bei sich manifestierender Behinderung auch darin, die Akzeptanz für diesen Umstand bei Kind, Familie und sozialem Umfeld zu fördern.
Effektivität der Therapie
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• Klar positive Effekte - Bei jungen und psychosozial deprivierten Kindern- Durch psychologische und pädagogische Ansätze
(Lernprogramme)- Auf die Interaktion- Auf die gesamte Familie
• Eher geringe Effekte- Bei organischen Ursachen, v.a. bei schwerer Behinderung- Durch medizinisch orientierte Therapieformen
Andere entwicklungsfördernde Interventionen*
*Dunst CJ, Snyder SW, Mankinen M: Efficacy of early intervention (1989)Metananalyse von 105 Studien zur Frühbehandlung und Frühförderung
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Zwei Gruppen von Kindern mit spastischer Diplegie im 2.LJ
Gruppe 1: 12 Monate Physiotherapie (Bobath)Gruppe 2: 6 Monate HP, dann 6 Monate Physio
Gruppe 2 nach 6 und nach 12 Monaten- Höherer durchschnittlicher EQ- Auch bessere Fortschritte in der Motorik
Die Anregung der motorischen Eigenaktivität des Kindes ist vermutlich das wichtigste Element früher Interventionen bei Zerebralparesen
Entwicklungsfördernde Interventionen
Palmer FB et al. The effects of physical therapy on cerebral palsy. A controlled trial in infants with spastic diplegia. New England Journal of Medicine (1988)
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Jenseits des Säuglingsalters
Morbus primus dies ad scholam imminens
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Daten der AOK 2009
Im Alter von 6 Jahren erhalten 132 von 1.000 Jungen Ergotherapie
Jungen im Grundschul-alter erhalten 45% aller ergotherapeutischen Leistungen männlicher Versicherter
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Nebenwirkungen
• Interaktionsstörungen, Rückzugsverhalten bzw. Verweigerung
• zeitliche Überlastung des Kindes
• Vernachlässigung weiterer differenzialdiagnostischer Schritte
• Mangelnde Akzeptanz für die Behinderung / Begabung des Kindes
• Verschwendung von emotionalen, interaktiven, sozialen, zeitlichen und finanziellen Ressourcen der Familie
• Einschränkung der eigenen Beziehungs- und Handlungskompetenz des Patienten bei Übertherapie
• Psychische Abhängigkeit des Patienten / Angehörigen von den Therapeuten
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• Ziele von Therapien sind grundsätzlich an den Bedürfnissen des Kindes zu orientieren
• Zielsetzungen müssen folgende Eigenschaften erfüllen:
- abgesprochen mit Eltern und wenn möglich mit Kind,- konkret,- realistisch,- alltagspraktisch und- erreichbar
• Die Zielsetzungen müssen überprüfbar sein
Therapie im pädiatrischen Alltag
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• Was soll das Kind nach 20 Therapieeinheiten können, was es momentan nicht kann und ohne Therapie nicht erreichen wird?
• Wie viele Therapieeinheiten sind wohl notwendig?
• Woran würde man merken, dass die Therapie erfolgreich war und beendet werden kann?
www.dgspj.de (unter Sozialpädiatrische Zentren � Qualitätssicherung)
Therapie im pädiatrischen Alltag