Reimer 2013 Vertrauen durch Transparenz im Journalismus
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Transcript of Reimer 2013 Vertrauen durch Transparenz im Journalismus
Vertrauen durch Transparenz? Zu Poten)al und Problemen journalis)scher Selbstoffenbarung
Julius Reimer
„Wandel und Messbarkeit des öffentlichen Vertrauens im Zeitalter des Web 2.0“
IPJ, Leipzig, 25. Januar 2013
Lei3ragen
• Was ist journalis)sche Transparenz? • Instrumente • Defini)on • Dimensionen
• Wie wirkt journalis)sche Transparenz? • zugeschriebene Poten)ale • mögliche Probleme • empirische Erkenntnisse
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Was ist journalis9sche Transparenz?
• Aufgabe des Journalismus aus Sicht norma)ver Theorien: Transparenz in gesellschaVliche Verhältnisse bringen, etwa in die Poli)k, die WirtschaV usw. (vgl. etwa Langenbucher 2003; PöZker 2010)
• Immer öVer sprechen Journalismusforscher und -‐prak)ker aber davon, dass Journalismus selbst transparent wird oder sein soll.
• Redak)onen experimen)eren mit den unterschiedlichsten Instrumenten:
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Was ist journalis9sche Transparenz?
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Was ist journalis9sche Transparenz?
• Allen Instrumenten gemeinsam und somit Defini&on von Transparenz ist:
Journalis)sche Transparenz bezeichnet solche Kommunika)onen, die (auch) an Rezipienten gerichtet sind und diese über die journalis)sche Aussagenproduk)on sowie ihre Rahmenbedingungen informieren, also etwa über: • ihren strukturellen Auaau (z.B. durch Vorstellung der Redak)onsorganisa)on), • ihre Ressourcen (z.B. Manpower, Quellenlage) • und die vollzogenen journalis)schen Selek)ons-‐ und Darstellungsprogramme
(vgl. Meier/Reimer 2011: 137f. sowie Reimer/Meier 2011).
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Was ist journalis9sche Transparenz?
• Dimensionen von Transparenz (vgl. Meier/Reimer 2011):
• Fremdtransparenz vs. SelbsZransparenz
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Was ist journalis9sche Transparenz?
• Dimensionen von Transparenz (vgl. Meier/Reimer 2011):
• Fremdtransparenz vs. SelbsZransparenz • ProdukZransparenz (u.a. Quellen) vs. Prozesstransparenz (u.a. Akteure)
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Was ist journalis9sche Transparenz?
• Dimensionen von Transparenz (vgl. Meier/Reimer 2011):
• Fremdtransparenz vs. SelbsZransparenz • ProdukZransparenz (u.a. Quellen) vs. Prozesstransparenz (u.a. Akteure) • monologisch vs. dialogisch
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Was ist journalis9sche Transparenz?
• Dimensionen von Transparenz (vgl. Meier/Reimer 2011):
• Fremdtransparenz vs. SelbsZransparenz • ProdukZransparenz (u.a. Quellen) vs. Prozesstransparenz (u.a. Akteure) • monologisch vs. dialogisch • Internet notwendig vs. tradi)onelle Medien ausreichend
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Wie wirkt journalis9sche Transparenz?
• Mögliche Probleme (u.a.):
• Verschwendung von Zeit, Personal, Platz/Sendezeit und anderen Ressourcen (vgl. CraV/Heim 2009: 223 ff.; Smolkin 2006)?
• Ablenkung von Kernleistung des Journalismus? – Und zwar sowohl Journalisten als auch Publikum
• Vertrauensverlust durch Hinweis auf • Ressourcenknappheit (Zeit, Budget, Personal)? • „Entscheidungskon)ngenzen“ (Theis-‐Berglmair 2009)? • fehlende Informa)onen? • redak)onelles Eigeninteresse? • Interessenkonflikte und persönliche Meinung des Journalisten?
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Wie wirkt journalis9sche Transparenz?
• Zugeschriebene Poten&ale (u.a.):
• Transparenz ermöglicht Crowdsourcing. • Transparenz bedeutet auch, Kompetenzen und die Qualität der eigenen
Arbeit präsen)eren zu können (vgl. van der Wurff/Schoenbach 2011: 418).
• SelbsZransparenz zwingt Redak)onen, ihr Verhalten zu reflek)eren, und erinnert sie an ihre öffentliche Verantwortung (vgl. Meier/Reimer 2011: 135).
• Transparenz gilt als „key to credibility“ (Kovach/Rosens)el 2007: 92) in Zeiten sinkenden Vertrauens in Journalisten und ihre Medienangebote (vgl. z.B. Donsbach et al. 2009; Evers/Eberwein 2011: 4-‐6; Gronke/Cook 2007; Kovach/Rosens)el 2007: 96).
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Wie wirkt journalis9sche Transparenz?
• Empirische Erkenntnisse: Roberts 2007
• Zwei Experimente (n=157 & n=99) • S)muli: unterschiedlich transparente Versionen zweier Ar)kel auf Website
einer US-‐Zeitung
• Ergebnis: • Quellen-‐ und Prozesstransparenz haben keinen Effekt auf die
Glaubwürdigkeit von Online-‐Ar)kel bzw. Website insg.
• Einschränkungen: • Testpersonen waren Leser von Zeitung und Website • Ar)kel behandelten nicht-‐kontroverses Thema à kein Grund, nicht zu vertrauen
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Wie wirkt journalis9sche Transparenz?
• Empirische Erkenntnisse: Meier/Reimer 2011 (1)
• Experiment (n=786)
• S)muli: unterschiedlich transparente Versionen eines Ar)kels jew. als Print-‐ und Online-‐Version ohne erkennbare Medienmarke zu kontroversem, relevantem, aber Befragten vermutlich unbekanntem Thema
• Instrument: Skala zur Messung von Vertrauen in Journalismus von Kohring/MaZhes (2004)
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Wie wirkt journalis9sche Transparenz?
• Empirische Erkenntnisse: Meier/Reimer 2011 (2)
• Ergebnisse Print: • Akteurstransparenz hat keinen Vertrauen fördernden Effekt. • Quellentransparenz führt zu mehr Vertrauen, dass die relevanten Fakten und Meinungen
zum Thema ausgewählt und korrekt dargestellt wurden.
• Ergebnisse Online: • Quellentransparenz allein hat keinen Vertrauen fördernden Effekt. • Akteurstransparenz führt zu mehr Vertrauen, dass die relevanten Fakten und Meinungen
zum Thema ausgewählt und korrekt gewichtet wurden. • Verbindung von Quellen-‐ und Akteurstransparenz steigert Vertrauen nochmals.
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Wie wirkt journalis9sche Transparenz?
• Empirische Erkenntnisse: Meier/Reimer 2011 (3)
• Einschränkungen:
• nur schwache Effekte • nur einmaliger Einsatz à langfris)ge Wirkung von Transparenz?
• nur Akteurs-‐ und Quellentransparenz berücksich)gt • Medienmarke könnte Effekt beeinflussen • unbekanntes Thema, zu dem keine Vormeinung bestand • nur Effekt bzgl. eines Beitrags/Themas gemessen, nicht Effekt auf Vertrauen in
Themenselek)on
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Wie wirkt journalis9sche Transparenz?
• Empirische Erkenntnisse: Rosas 2012
• E-‐Mail-‐, Chat-‐ und face-‐to-‐face-‐Interviews mit Usern unterschiedlicher belgischer und französischer Online-‐Medien (Mainstream/alterna)v; n=37)
• Ergebnisse: • Nicht-‐Transparenz der Kriterien für Themenauswahl und -‐darstellung als
Grund für Misstrauen: Annahme verborgener Interessen à Umkehrschluss?
• Nicht-‐offener Umgang mit Fehlern mindert Vertrauen, offener Umgang stärkt es – und fördert Verständnis der Rezipienten.
• Einschränkungen: • Testpersonen regelmäßige Nutzer der besprochenen Websites • nur SelbstauskünVe bzw. Vermutungen • nur Online-‐Medien
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Wie wirkt journalis9sche Transparenz?
• Empirische Erkenntnisse: Groenhart 2012
• Gruppendiskussionen mit Lesern/Nutzern (n=33) von vier besonders transparenten niederländischen Nachrichtenmedien (TV & Print; jew. regional & überregional)
• Ergebnisse: • Prozesstransparenz durch Redak)onsstatute und -‐blogs erhöht das Vertrauen. • Manchen Rezipienten reicht die bloße Existenz dieser Instrumente als Qualitätszeichen. • Wissen um Prozesse erhöht Verständnis für schwierige Aspekte journalis)scher Arbeit. • Erwarteter Umfang an Transparenz hängt von individuellen Vorlieben ab und von Art der
Transparenz: o Fehler immer offen korrigieren; Erklärung nur bei schweren Fällen o Journalis)schen Prozess nur unter bes)mmten Umständen kompleZ enthüllen o Transparenz darf Journalisten und Rezipienten nicht von Kernaufgabe und -‐informa)on ablenken.
• Wert dialogischer Instrumente ist wegen des Aufwands für Rezipienten fraglich. • Einige Rezipienten empfinden Transparenz als unterhaltsam, als eigenes journalis)sches
Genre. 17
Wie wirkt journalis9sche Transparenz?
• Fazit:
• Transparenz fördert tatsächlich das Vertrauen in Journalismus – allerdings nicht per se:
• Sowohl vermutete posi)ve Effekte als auch Probleme treten auf in Abhängigkeit von • Art und Umfang der Transparenz, • dem genutzten Instrument, • dem Verbreitungsmedium, • der Medienmarke, • dem jeweiligen Rezipienten • usw.
• Studien über einen längeren Zeitraum und unter realen Bedingungen sind notwendig, um die Wirkungen von SelbsZransparenz auf das Vertrauen in Journalismus besser einschätzen zu können.
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Vielen Dank!
Julius Reimer Hans-‐Bredow-‐Ins)tut für Medienforschung
-‐ Dependance -‐ Warburgstraße 8-‐10 20354 Hamburg
j.reimer@hans-‐bredow-‐ins)tut.de @julius_reimer
DFG-‐Projekt
„Die (Wieder-‐)Entdeckung des Publikums. Journalismus unter den Bedingungen von Web 2.0“
Projekt-‐Blog: jpub20.hans-‐bredow-‐ins)tut.de
Projekt-‐TwiIer-‐Account: @jpub20team
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Quellen
Literatur (1)
• CraV, S./Heim, K. (2009): Transparency in journalism: Meanings, merits, and risks. In: Wilkins, L./Chris)ans, C. G. (Hg.): The handbook of mass media ethics. New York: Routledge, S. 217-‐228.
• Donsbach, W./Rentsch, M./Schielicke, A.-‐M./Degen, S. (2009): Entzauberung eines Berufs. Was die Deutschen vom Journalismus erwarten und wie sie enZäuscht werden. Konstanz: UVK.
• Evers, H./Eberwein, T. (2011): Can a million toothless )gers make a difference? Poten)als and piyalls of web-‐based accountability processes in German journalism. MediaAct Working Paper 4/2011. Tampere: o.V.
• Groenhart, H. (2012): Users‘ percep)on of media accountability. In: Central European Journal of Communica)on, Jg. 5, H. 2, S. 190-‐203.
• Gronke, P./Cook, T. E. (2007): Disdaining the media: The American public’s changing a|tudes toward the news. In: Poli)cal Communica)on, Jg. 24, S. 259-‐281.
• Kohring, M./MaZhes, J. (2004): Revision und Validierung einer Skala zur Erfassung von Vertrauen in Journalismus. In: Medien & Kommunika)onswissenschaV, Jg. 52, H. 4, S. 377-‐385.
• Kovach, B./Rosens)el, T. (2007): The elements of journalism. What newspeople should know and the public should expect. 2. Aufl. New York: Three Rivers.
• Langenbucher, W. (Hg.) (2003): Die Kommunika)onsfreiheit der GesellschaV. Die demokra)schen Funk)onen eines Grundrechts. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.
• Meier, K./Reimer, J. (2011): Transparenz im Journalismus. Instrumente, Konfliktpoten)ale, Wirkung. In: Publizis)k. VierteljahresheVe für Kommunika)onsforschung, Jg. 56, H. 2, S. 133–155.
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Quellen
Literatur (2) • PöZker, H. (2010): Der Beruf zur Öffentlichkeit. Über Aufgabe, Grundsätze und Perspek)ven des
Journalismus in der MediengesellschaV aus Sicht prak)scher VernunV. In: Publizis)k. VierteljahresheVe für Kommunika)onsforschung, Jg. 55, H. 2, S. 107-‐128.
• Reimer, J./Meier, K. (2011): Transparenz als neue Medienlogik des Journalismus? Theore)sche Verortung und erste empirische Wirkungsprüfung. Vortrag auf der gemeinsamen Fachtagung „Medienlogik und Medienrealität“ der DGPuK-‐Fachgruppen Journalis)k/Journalismusforschung und Mediensprache/Mediendiskurse, Tübingen, Februar 2011. (Tagungsdokumenta)on inkl. extended abstract online unter: hZp://www.dgpuk.de/wp-‐content/uploads/2012/01/tdok_tue_2011.pdf; Stand: 21.1.2013)
• Roberts, M.C. (2007a). Measuring the rela)onship between journalis)c transparency and credibility. Vortrag auf der Tagung der Associa)on for Journalism and Mass Communica)on, Washington, August 2007.
• Rosas, O.V. (2012): Trust in online news. Inves)ga)ng French-‐speaking Belgian public’s engagement with and trust in online news media. Final research report within the framework of the ARC project: “The transforma)on of the rela)onship with informa)on in mul)media communica)ons”. Namur: o.V.
• Smolkin, R. (2006): Too transparent? In: American Journalism Review, Jg. 28, H. 2, S. 16–23. • Theis-‐Berglmair, A.M. (2009): Nachrichtenselek)on und Leserfeedback. Ein kon)ngenzorien)erter Ansatz
zur Analyse von redak)onellen Entscheidungen. In: Medien & Kommunika)onswissenschaV, Jg. 57, H. 3, S. 316-‐335.
• van der Wurff, R./Schoenbach, K. (2011): Between profession and audience. Codes of conduct and transparency as quality instruments for off-‐ and online journalism. In: Journalism Studies, Jg. 12, H. 4, S. 407-‐422.
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Quellen
Bildnachweise • Correc)ons-‐Seite der New York Times. URL: hZp://www.ny)mes.com/pages/correc)ons/index.html
(Stand: 22.1.2013; Screenshot: JR) • Open Newslist des Guardian.URL: hZp://www.guardian.co.uk/news/series/open-‐newslist (Stand:
23.1.2013; Screenshot: JR) • Livestream Redak)onskonferenz aktuellt. URL: hZp://www.svt.se/aktuellt/ (Stand: 8.2.2009; Screenshot:
JR) • Tagesschau-‐Blog. URL: hZp://blog.tagesschau.de/ (Stand: 26.6.2009; Screenshot: • BILDblog. URL: hZp://www.bildblog.de/date/2013/01/16/ (Stand: 24.1.2013; Screenshot: JR) • Sonia Nazario: Notes on Enrique‘s Journey. URL: hZp://www.pulitzer.org/archives/6703 (Stand: 24.1.2013;
Screenshot: JR) • Impressum Süddeutsche.de. URL: hZp://www.sueddeutsche.de/app/service/impressum/ (Stand:
23.1.2013; Screenshot: JR) • Chat auf Norran.se. URL: hZp://norran.se/wp-‐content/plugins/norran-‐ered-‐widget/norran-‐ered-‐
frame.php?chat_url=hZp%3A%2F%2Fnorran.netdialog.se%2FChatPublic%2FS6NMacj0%2Fdefault.htm (Stand: 23.1.2013; Screenshot: JR)
• Tweet von Andy Carvin. URL: hZp://stevebuZry.wordpress.com/2013/01/21/how-‐to-‐verify-‐informa)on-‐from-‐tweets-‐check-‐it-‐out/ (Stand: 21.1.2013; Screenshot: JR)
• DK-‐Lesertelefon. (Scan: Klaus Meier) • Tweet von @ReporterZDF (in diesem Fall: Claus Kleber). URL: hZp://www.welt.de/news)cker/news3/
ar)cle110691459/Claus-‐Kleber-‐sieht-‐Obama-‐vorn.html (Stand: 9.11.2012; Screenshot: JR)
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