Rechtsanwendung/Auslegung Repetitorium · Rechtssatz / Subsumption Die Subsumption ist die...

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Rechtsanwendung/Auslegung Repetitorium

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Rechtsanwendung/Auslegung Repetitorium

Sachverhalt

Rechtssatz

Subsumption

Rechtsfolge (Conclusio)

Rechtssatz / Subsumption Die Subsumption ist die Feststellung, dass der Sachverhalt die Merkmale eines Tatbestandes erfüllt. Der Sachverhalt ist das, was sich in der Realität abspielt und ist einmalig. Der Rechtssatz sind die Normen. Der Jurist nimmt den Sachverhalt in der Realität wahr und vergleicht dies mit dem Rechtssatz.

Art. 1 Abs. 1 ZGB „Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.“

Gründe

o Sprache als unpräzises Medium o Beschränkung auf das Wesentliche o Unsorgfalt des Gesetzgebers o Bewusst nicht eindeutige

Formulierungen

Auslegungsmethoden Materielle Methoden

o teleologisch

o geltungszeitlich

o systematisch

o grammatikalisch

o historisch (insbes. BGE 83 I 173; Frauenstimmrecht im Waadtland)

Formelle Methoden

o Neues Gesetz vor altem

o Spezielles Gesetz vor allgemeinem

o Umkehrschluss

o Analogieschluss (nicht im Strafrecht)

o Verfassungskonforme Auslegung

Auslegung der Gesetze — Auslegungsmethoden

(Strafrecht und Abgaberecht: Strenges Legalitätsprinzip)

o Wortlaut (primäres Auslegungsmittel) o Teleologisch Zweck des Gesetzes o Zeitgemässe Sinn, Wertvorstellungen in heutiger Zeit o Systematisch Stellung innerhalb des Gesetzes o Grammatikalisch Sprachlehre, Sprachstruktur o Historisch Sinn des damaligen Gesetzgebers o AnalogieschlussExtensive Auslegung o Umkehrschluss Qualifiziertes Schweigen

o Spezielles Gesetz vor allgemeinem Gesetz o Späteres Gesetz vor früherem Gesetz

Beispiel: Art. 22 Abs. 1 RPG „Bauten und Anlagen dürfen nur mit behördlicher Bewilligung errichtet oder geändert werden.“ o Fahrnisbauten (Festzelt oder Scheinwerfer)? o Erdaufschüttungen?

Fragen

1. Entscheidung für den Wortlaut oder den Sinn des Gesetzes?

2. Massgeblichkeit des objektiven oder subjektiven Sinns?

3. Massgeblichkeit des historischen oder des aktuellen Sinns?

1. Wortlaut oder Sinn? Der Wortlaut ist stets nur der unvollkommene Ausdruck des wiederzugebenden gesetzgeberischen Gedankens. Auslegung bedeutet Ermittlung des Sinns einer Aussage.

Beispiel: Art. 22 Abs. 1 RPG „Bauten und Anlagen dürfen nur mit behördlicher Bewilligung errichtet oder geändert werden.“

2. Objektiver oder subjektiver Sinn? Entscheidend ist das Verständnis eines idealtypischen Gesetzesadressaten des vernünftigen und korrekten Bürgers, der eine Rechtsnorm und ihr Umfeld unvoreingenommen betrachtet.

„Bauten und Anlagen“ gemäss Art. 22 Abs. 1 RPG Die Bewilligungspflicht erstreckt sich auf „jede künstlich geschaffenen und auf Dauer angelegten Einrichtungen, die in bestimmter fester Beziehung zum Erdboden stehen und geeignet sind, die Vorstellung über die Nutzungsordnung zu beeinflussen, sei es, dass sei den Raum äusserlich erheblich verändern, die Erschliessung belasten oder die Umwelt beeinträchtigen“ (BGE 118 Ib 9; Baggerschlitze und Sondierbohrungen).

3. Historischer oder aktueller Sinn? Bsp. Art. 694 Abs. 1 ZGB: „Hat der Grundeigentümer keinen genügenden Weg von seinem Grundstück auf eine öffentliche Strasse, so kann er beanspruchen, dass ihm die Nachbarn gegen volle Entschädigung einen Notweg einräumen.“

Objektiv-zeitgemässe Auslegung „Einer Gesetzesnorm darf ein Sinn gegeben werden, der für den historischen Gesetzgeber infolge eines Wandels der tatsächlichen Verhältnisse nicht voraussetzbar war und noch mit dem Wortlaut des Gesetzes vereinbar ist...“(BGE 107 Ia 137)

3. Historischer oder aktueller Sinn? Es ist „nach der heutigen Anschauungen die Verbindung von einem bebauten Grundstück zur öffentlichen Strasse ungenügend..., wenn nicht ein Weg zur Verfügung steht, der mit Fahrzeugen befahren werden kann, sei es auch nur für den Zubringerdienst“... (BGE 93 II 167)

Antworten

1. Wortlaut oder Sinn? Zuerst Wortlaut, dann Sinn. 2. Objektiver oder subjektiver Sinn? Immer objektiver Sinn. 3. Historischer oder aktueller Sinn?

Aktueller Sinn unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte eines Gesetzes.

Beispiel: BGE 131 II 13 ff. (Swisscom Fixnet AG vs. TDC Switzerland AG)

Die vollständige Entbündelung der Telenfonanschlüsse („letzte Meile“) wird verlangt. Frage: Enthält das Fernmeldegesetz (zum damaligen Zeitpunkt 1997) eine genügende Grundlage für die Festlegung einer Interkonnektionspflicht beim Teilnehmeranschluss durch bundesrätliches Verordnungsrecht?

Begriff der Entbündelung

Der Begriff der Entbündelung findet sich im Fernmeldegesetz nicht. Im Zusammenhang mit der Deregulierung staatlicher Monopole wird das Unbundling als Möglichkeit des (selektiven) Zugangs neuer Marktteilnehmer zur Infrastruktur des bisherigen Monopolisten bzw. zur Infrastruktur anderer (allenfalls nur der marktberrschenden) Anbieter verstanden, um zu den eigenen Kunden zu gelangen, ohne vom verpflichteten Unternehmen über die Infrastrukturnutzung hinaus gehende Leistungen

Begriff der Entbündelung

Mit der Entbündelung wird die über die Leitung verfügende Telekommunikationsgesellschaft verpflichtet, einem konkurrierenden Fernmeldediensteanbieter den technisch sachgerechten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung sowie zu Breitbandübertragungstechniken bzw. zu den Räumlichkeiten und technischen Einrichtungen, die für die Installierung und den Anschluss erforderlich sind, zu gewähren. Dadurch erhält der Konkurrent die Möglichkeit, Telefondienste oder Datenübertragungsdienste bis hin zum Teilnehmer zu erbringen und allenfalls diesem gegenüber als einziger Vertragspartner aufzutreten.

Begriff der Entbündelung Die drei Formen des entbündelten Zugangs zu Teilnehmeranschlussleitungen Unter dem Begriff "Teilnehmeranschlussleitung" wird die physische Leitung verstanden, die den Anschluss der Teilnehmerin oder des Teilnehmers mit der Ortszentrale, einem Konzentrator oder einer ähnlichen Fernmeldeanlage der Fernmeldedienstanbieterin verbindet. a) Bitstream Access / Bitstrom-Zugang Beim schnellen Bitstrom-Zugang stellt der etablierte Betreiber selber eine Breitbandverbindung zum Kunden her. Diese Verbindung stellt er anderen Fernmeldediensteanbieterinnen zu einem Wholesalepreis zur Verfügung, welche ihrerseits die vom etablierten Betreiber ermöglichten Dienste an ihre Endkunden weiterverkaufen können. b) Shared Line Access / gemeinsamer Zugang Beim "gemeinsamen Zugang zum Teilnehmeranschluss" bietet die zur Entbündelung verpflichtete Betreiberin weiterhin den Telefondienst an, während die neue Marktteilnehmerin mit Hilfe eigener Breitband-xDSL-Modems schnelle Datendienste über denselben Teilnehmeranschluss bereitstellt. Telefon- und Datenverkehr werden durch einen Signalverteiler (Splitter) getrennt. Der Teilnehmeranschluss bleibt jedoch Teil des öffentlichen Telefonnetzes.

c) Full Access / vollständig entbündelter Zugang Bei der "vollständigen Entbündelung des Teilnehmeranschlusses" ("Full Access" oder auch "Full Unbundling") wird das Kupferkabel an einen Dritten zur ausschliesslichen Nutzung vermietet. Der Mieter bietet dem Endnutzer eine vollständige Palette von Sprach- und Datendiensten an. Der Kunde steht einzig mit dem Mieter in geschäftlichem Kontakt. Der Mieter hat auch die freie Wahl, welche Übertragungstechnik er einsetzen will, solange keine technischen Gründe (z.B. Interferenzen) entgegenstehen.

Art. 11 Abs. 1 FMG "Marktbeherrschende Anbieterinnen von Fernmeldediensten müssen andern Anbieterinnen von Fernmeldediensten nach den Grundsätzen einer transparenten und kostenorientierten Preisgestaltung auf nichtdiskriminierende Weise Interkonnektion gewähren. Sie müssen die Bedingungen und Preise für ihre einzelnen Interkonnektionsdienstleistungen gesondert ausweisen. Der Bundesrat legt die Grundsätze der Interkonnektion fest." Art. 3 lit. e FMG "Interkonnektion: die Verbindung von Fernmeldeanlagen und Fernmeldediensten, die ein fernmeldetechnisches und logisches Zusammenwirken der verbundenen Teile und Dienste sowie den Zugang zu Diensten Dritter ermöglicht;"

Elemente o Grammatikalisches Element o Systematisches Element o Teleologisches Element o Realistisches Element o Historisches Element

Zunächst wird Gesetz im formellen Sinn verlangt, da ein schwerwiegender Eingriff in Grundrechte vorliegt (E. 6.4). Auslegung des bestehenden Gesetzes (E. 7): „Ziel der Auslegung ist die Ermittlung des Sinngehalts der Bestimmung. Ausgangspunkt jeder Auslegung ist der Wortlaut, doch kann dieser nicht allein massgebend sein. Vom Wortlaut kann abgewichen werden, wenn triftige Gründe für die Annahme bestehen, dass er nicht den wahren Sinn der Vorschrift wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte, aus Sinn und Zweck der Norm oder aus dem Zusammenhang mit anderen Gesetzesbestimmungen ergeben. Das Bundesgericht hat sich bei der Auslegung von Erlassen stets von einem Methodenpluralismus leiten lassen.“

Wortlaut (E. 7.2) Der Wortlaut erweist sich nämlich so oder so als zu vage für die vollständige Entbündelung. Das Gesetz verwendet weder die Begriffe des "Zugangs" bzw. der "Zugangsformen" noch der "Entbündelung". Der Gesetzestext ist insofern zu undeutlich, als dass sich daraus für die betroffenen Telekommunikationsunternehmunge mit genügender Verbindlichkeit eine Pflicht zur Öffnung der "letzten Meile" ableiten liesse.

Teleologische Auslegung (E. 7.3) Die Interkonnektionspflicht steht in engem Zusammenhang mit dem Liberalisierungszweck des Fernmeldegesetzes. Ziel der Interkonnektion ist, dass alle Anwender von Fernmeldediensten über die Netze und Dienste aller Anbieter hinweg miteinander kommunizieren können. Die gesetzlichen Ziele sind die Zusammenschaltung der Anlagen und die Interoperabilität der Dienste. Wie eine allfällige Entbündelung zu erfolgen hat, lässt sich nicht aus dem Zweck des Fernmeldegesetzes herleiten.

Systematische Auslegung (E. 7.4) Aus systematischen Überlegungen lässt sich nichts Konkretes für die Frage der Öffnung der "letzten Meile" herleiten.

Historische Auslegung (E. 7.5; Voten der Räte und Kommissionen)

In den Materialien zum geltenden Fernmeldegesetzes findet sich nirgends ein Hinweis darauf, dass mit der Interkonnektion die Entbündelung des Teilnehmeranschlusses bezweckt war.

Ergebnis (E. 7.6) Insgesamt ergeben damit die klassischen Auslegungselemente, dass die im geltenden Fernmeldegesetz enthaltene Regelung die Entbündelung des Teilnehmeranschlusses nicht vorsieht bzw. jedenfalls zu unbestimmt ist, um als gesetzliche Grundlage für eine entsprechende Öffnung auf dem Verordnungsweg (d.h. durch den Bundesrat) zu genügen.

N.B.: Am 1. April 2007 trat ein revidiertes FMG in Kraft.

Methodenpluralismus „Der Wortlaut lässt die Frage offen...Zu fragen ist deshalb nach der ratio des Gesetzes. Dabei können sich aus der Entstehungsgeschichte Hinweise ergeben. Zu berücksichtigen ist die Interessenlage.. Ferner das Postulat der Praktikabilität einer Lösung...“ (BGE 110 II 295 f.)