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IMK Menschenrechtsinformationsdienst Nr. 242243 1 Internationales Zentrum für Menschenrechte der Kurden IMK Menschenrechtsinformationsdienst Datum: 28. Mai 2005 – 24. Juni 2005 Nummer: 242243 Justizminister Cicek zum Rücktritt aufgefordert In einer gemeinsamen Erklärung haben zivilge sellschaftliche Organisationen und Akademiker auf grund der in Istanbul geplatzten ArmenienKonfe renz Justizminister Cicek zum Rücktritt aufgefor dert. In dem Text heißt es: "Die Anschuldigung des Vaterlandsverrats von Justizminister Cemil Cicek gegen die Organisatoren einer Versammlung, die noch nicht einmal begonnen hat, ist politisch ver antwortungslos und gleichzeitig ein typisches Bei spiel für eine extralegale Urteilsvollstreckung. In einer Demokratie und in demokratischen Regie rungen ist kein Platz für einen Minister, der das Recht auf diese Weise verletzt, und schon gar nicht für einen Justizminister. Auch die Bezeichnung "Verräterprojekt" des CHPAbgeordneten Elekdag ist besorgniserregend. Wer auf diese Weise pro voziert, sollte auch die Verantwortung für mögliche gefährliche Entwicklungen übernehmen. Wir verur teilen das unrechtmäßige und provozierende Ver halten von Justizminister Cicek und fordern ihn zum Rücktritt auf." Unterzeichnet wurde die Erklärung von folgenden Organisationen, Einrichtungen und Einzelpersonen: AMARGI (Frauenakademie), Prof. Dr. Baskin Oran (Vorsitzender des Studiengangs Internationale Be ziehungen an der Fakultät für Politikwissenschaften der Universität Ankara), Yurdagül Erkoca (Koordi nator der Zeitung Beyoglu), Friedensinitiative, Ini tiative gegen Gedankenschuld, Internationale Kampfliga der Völker, Helsinki Bürgerverein, Na dire Mater (Vorsitzende der Kommunikations stiftung IPS), Menschenrechtsverein, Orhan Kemal Cengiz (Vorsitzender des Vereins für die Men schenrechtsagenda), Prof. Dr. Gençay Gürsoy (Vor sitzender der Ärztekammer Istanbul), Zafer Kaplan (Vorsitzender der Apothekerkammer Istanbul), Ri fat Yüzbasioglu (Vorsitzender der Zahnärztekam mer Istanbul), Menschenrechte für Frauen, Frauen Solidaritätsstiftung (KADAV), KAOSGL, Homo sexuelle Initiative Lambda Istanbul, Initiative für eine Türkei ohne Minen, Ayhan Bilgen (Vorsitzen der von MazlumDer), Friedensplattform der Sa banciUniversität, Geschichtsstiftung, Mensche nrechtsstiftung der Türkei, PENClub Türkei, Am nesty International Türkei, Fliegender Besen, Prof. Tahsin Yesildere (Vorsitzender des Vereins für Lehrkräfte an den Universitäten). Anklage gegen Justizminister Cicek Der Menschenrechtsverein IHD und der Zeitge nössische Anwaltsverein CHD in Izmir haben An zeige gegen Justizminister Cicek gestellt, weil er mit seinen Verlautbarungen die ArmenienKon ferenz verhindert und damit gegen die Verfassung verstoßen hat. Durchführung der Konferenz gefordert 51 Lehrkräfte der Fakultät für Literatur und Kom munikation an der EgeUniversität haben auf einer Kundgebung die Verhinderung der Konferenz als einen Eingriff in die Freiheit der Wissenschaft be wertet und die Durchführung der Konferenz ge fordert. (Quelle: Özgür Politika, 28.05.2005) Folter in Hakkari Haci Cetin, der am 26. Mai im Kreis Cukurca (Hakkari) festgenommen wurde, hat sich über Fol ter in Haft beschwert. Er berichtete: "Zuerst haben mich 4 Polizisten verhört. Sie haben mich dabei splitternackt ausgezogen. Später kam der Landrat Ünal Coskun hinzu. Er wollte alles von mir hören. Ich habe ihm gesagt, dass ich mit dem Vorfall nichts zu tun habe. Daraufhin haben der Landrat und ein Polizist mich geschlagen. Stundenlang wur de ich verprügelt. Der Landrat beschimpfte mich. Einer der Polizisten drohte, mich mit dem Knüppel zu vergewaltigen oder mich durch eine Kugel in den Kopf umzubringen. Ich habe immer wieder gesagt, dass ich mit der Sache nichts zu tun habe und mir dies nur passiere, weil ich der DEHAP an gehöre. Später wurde ich zum Staatsanwalt ge bracht, der meine Freilassung anordnete." Inzwi schen wurde bekannt, dass Ziro Koc sich ebenfalls über den Landrat beschwert hat, weil dieser ihm im Dienst eine Ohrfeige gab. Er habe ihn zum Ver lassen der Stadt aufgefordert, weil er den Leichnam eines PKKMilitanten, der in der Nähe von Cukurca getötet worden war, abholen wollte. (Quelle: Özgür Gündem vom 05.06.2005) Entscheidungen von RTÜK Der Hohe Rat für Radio und TV (RTÜK) hat dem Fernsehsender Cine5 ein Ausstrahlungsverbot auf erlegt, weil die Filme “Fantasy”, “Power Flower”, “Insatiable Wives” und “Passions Desire”, die am 12. 13. und 14. Dezember 2004 ausgestrahlt wur den, pornografischen Inhalt haben sollen. Dem Sen der Kanal D wurde ein Sendeverbot auferlegt, weil in einer Morgensendung die Teilnehmer sich ge genseitig beleidigten. Ähnliche Verbote betrafen Show TV und ATV. Hier sollen Sendungen Gewalt verherrlicht haben. (Quelle: Cumhuriyet vom 08.06.2005) Bombenexplosion Ilyas Kondu (14) wurde verletzt, als eine Bombe explodierte, die er am 8. Juni in Sivas gefunden hatte. Er soll dabei zwei Finger der linken Hand verloren haben. (Quelle: Radikal vom 10.06.2005) Mehmet Tarhan freigelassen und erneut einberufen Nach der Gerichtsverhandlung am 9. Juni wurde der türkische Kriegsdienstverweigerer Mehmet Tarhan zwar freigelassen, jedoch unmittelbar da nach erneut dem Rekrutierungsbüro überstellt und ein zweites Mal einberufen. Der Militärrichter hatte Mehmet Tarhan freigelassen, da er davon ausgehe, dass Tarhan mit den bisherigen zwei Monaten Haft die zu erwartende Haftstrafe bereits abgegolten ha be. Der Prozess wegen „Ungehorsam vor versam melter Mannschaft“, in dem Mehmet Tarhan eine

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IMK ­ Menschenrechtsinformationsdienst Nr. 242­243 1

Internationales Zentrum für Menschenrechte der Kurden IMK Menschenrechtsinformationsdienst Datum: 28. Mai 2005 – 24. Juni 2005 Nummer: 242­243

Justizminister Cicek zum Rücktritt aufgefordert

In einer gemeinsamen Erklärung haben zivilge­ sellschaftliche Organisationen und Akademiker auf­ grund der in Istanbul geplatzten Armenien­Konfe­ renz Justizminister Cicek zum Rücktritt aufgefor­ dert. In dem Text heißt es: "Die Anschuldigung des Vaterlandsverrats von Justizminister Cemil Cicek gegen die Organisatoren einer Versammlung, die noch nicht einmal begonnen hat, ist politisch ver­ antwortungslos und gleichzeitig ein typisches Bei­ spiel für eine extralegale Urteilsvollstreckung. In einer Demokratie und in demokratischen Regie­ rungen ist kein Platz für einen Minister, der das Recht auf diese Weise verletzt, und schon gar nicht für einen Justizminister. Auch die Bezeichnung "Verräterprojekt" des CHP­Abgeordneten Elekdag ist besorgniserregend. Wer auf diese Weise pro­ voziert, sollte auch die Verantwortung für mögliche gefährliche Entwicklungen übernehmen. Wir verur­ teilen das unrechtmäßige und provozierende Ver­ halten von Justizminister Cicek und fordern ihn zum Rücktritt auf." Unterzeichnet wurde die Erklärung von folgenden Organisationen, Einrichtungen und Einzelpersonen: AMARGI (Frauenakademie), Prof. Dr. Baskin Oran (Vorsitzender des Studiengangs Internationale Be­ ziehungen an der Fakultät für Politikwissenschaften der Universität Ankara), Yurdagül Erkoca (Koordi­ nator der Zeitung Beyoglu), Friedensinitiative, Ini­ tiative gegen Gedankenschuld, Internationale Kampfliga der Völker, Helsinki Bürgerverein, Na­ dire Mater (Vorsitzende der Kommunikations­ stiftung IPS), Menschenrechtsverein, Orhan Kemal Cengiz (Vorsitzender des Vereins für die Men­ schenrechtsagenda), Prof. Dr. Gençay Gürsoy (Vor­ sitzender der Ärztekammer Istanbul), Zafer Kaplan (Vorsitzender der Apothekerkammer Istanbul), Ri­ fat Yüzbasioglu (Vorsitzender der Zahnärztekam­ mer Istanbul), Menschenrechte für Frauen, Frauen­ Solidaritätsstiftung (KADAV), KAOS­GL, Homo­ sexuelle Initiative Lambda Istanbul, Initiative für eine Türkei ohne Minen, Ayhan Bilgen (Vorsitzen­ der von Mazlum­Der), Friedensplattform der Sa­ banci­Universität, Geschichtsstiftung, Mensche­ nrechtsstiftung der Türkei, PEN­Club Türkei, Am­ nesty International Türkei, Fliegender Besen, Prof. Tahsin Yesildere (Vorsitzender des Vereins für Lehrkräfte an den Universitäten).

Anklage gegen Justizminister Cicek Der Menschenrechtsverein IHD und der Zeitge­ nössische Anwaltsverein CHD in Izmir haben An­ zeige gegen Justizminister Cicek gestellt, weil er mit seinen Verlautbarungen die Armenien­Kon­ ferenz verhindert und damit gegen die Verfassung verstoßen hat.

Durchführung der Konferenz gefordert 51 Lehrkräfte der Fakultät für Literatur und Kom­ munikation an der Ege­Universität haben auf einer

Kundgebung die Verhinderung der Konferenz als einen Eingriff in die Freiheit der Wissenschaft be­ wertet und die Durchführung der Konferenz ge­ fordert. (Quelle: Özgür Politika, 28.05.2005)

Folter in Hakkari Haci Cetin, der am 26. Mai im Kreis Cukurca (Hakkari) festgenommen wurde, hat sich über Fol­ ter in Haft beschwert. Er berichtete: "Zuerst ha­ben mich 4 Polizisten verhört. Sie haben mich dabei splitternackt ausgezogen. Später kam der Landrat Ünal Coskun hinzu. Er wollte alles von mir hören. Ich habe ihm gesagt, dass ich mit dem Vorfall nichts zu tun habe. Daraufhin haben der Landrat und ein Polizist mich geschlagen. Stundenlang wur­ de ich verprügelt. Der Landrat beschimpfte mich. Einer der Polizisten drohte, mich mit dem Knüppel zu vergewaltigen oder mich durch eine Kugel in den Kopf umzubringen. Ich habe immer wieder gesagt, dass ich mit der Sache nichts zu tun habe und mir dies nur passiere, weil ich der DEHAP an­ gehöre. Später wurde ich zum Staatsanwalt ge­ bracht, der meine Freilassung anordnete." Inzwi­ schen wurde bekannt, dass Ziro Koc sich ebenfalls über den Landrat beschwert hat, weil dieser ihm im Dienst eine Ohrfeige gab. Er habe ihn zum Ver­ lassen der Stadt aufgefordert, weil er den Leichnam eines PKK­Militanten, der in der Nähe von Cukurca getötet worden war, abholen wollte. (Quelle: Özgür Gündem vom 05.06.2005)

Entscheidungen von RTÜK Der Hohe Rat für Radio und TV (RTÜK) hat dem Fernsehsender Cine­5 ein Ausstrahlungsverbot auf­ erlegt, weil die Filme “Fantasy”, “Power Flower”, “Insatiable Wives” und “Passions Desire”, die am 12. 13. und 14. Dezember 2004 ausgestrahlt wur­ den, pornografischen Inhalt haben sollen. Dem Sen­ der Kanal D wurde ein Sendeverbot auferlegt, weil in einer Morgensendung die Teilnehmer sich ge­ genseitig beleidigten. Ähnliche Verbote betrafen Show TV und ATV. Hier sollen Sendungen Gewalt verherrlicht haben. (Quelle: Cumhuriyet vom 08.06.2005)

Bombenexplosion Ilyas Kondu (14) wurde verletzt, als eine Bombe explodierte, die er am 8. Juni in Sivas gefunden hatte. Er soll dabei zwei Finger der linken Hand verloren haben. (Quelle: Radikal vom 10.06.2005)

Mehmet Tarhan freigelassen und erneut einberufen

Nach der Gerichtsverhandlung am 9. Juni wurde der türkische Kriegsdienstverweigerer Mehmet Tarhan zwar freigelassen, jedoch unmittelbar da­ nach erneut dem Rekrutierungsbüro überstellt und ein zweites Mal einberufen. Der Militärrichter hatte Mehmet Tarhan freigelassen, da er davon ausgehe, dass Tarhan mit den bisherigen zwei Monaten Haft die zu erwartende Haftstrafe bereits abgegolten ha­ be. Der Prozess wegen „Ungehorsam vor versam­ melter Mannschaft“, in dem Mehmet Tarhan eine

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Haftstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren an­ gedroht ist, wurde vertagt. Da Mehmet Tarhan jede Zusammenarbeit mit dem Militär verweigert, sind weitere Verfahren wegen "Befehlsverweigerung" praktisch unausweichlich. (Quelle: Connection e.V., 10.06.05)

Heimkehrprojekt in die Türkei gefährdet Aramäer nach Bombenanschlag verunsichert ... Anfang Juli sollten rund 70 Aramäer aus Deutschland und anderen Ländern verabschiedet werden, die sich im Herbst in dem Dorf Kafro in ihrer alten Heimat Tur Abdin neu ansiedeln woll­ ten. Doch nach dem Bombenanschlag, der, wie berichtet, am 6. Juni auf den Dekan von St. Maria, Ibrahim Gök, und zwei Begleiter verübt worden ist, steht die Heimkehr in Frage. ... Laut Erklärung war Gök im Auftrag des Dach­ verbandes der Entwicklungsvereine Tur Abdin zur Wiederbesiedlung und Aufbau der Dörfer des ara­ mäisch­assyrischen Volkes (DETA) "auf Einladung des türkischen Katasteramtes" in den Südosten der Türkei gereist, um "Dörfer unseres Volkes" katas­ termäßig erfassen zu lassen. Auch die Restaurie­ rung von Kirchen und der Aufbau der Infrastruktur gehörten zu den Aufgaben der DETA. Im Rahmen der Heimkehraktion, ermutigt durch die türkische Regierung, die 2001 im Zuge der an­ gestrebten EU­Mitgliedschaft die geflüchteten Ara­ mäer zur Rückkehr aufgerufen habe, seien bereits 17 Häuser in dem Dorf Kafro errichtet worden. Dorthin wollten die 70 Aramäer im September übersiedeln. Und auf dem Weg in dieses Dorf war Göks Wagen am vergangenen Montag gestoppt worden, nach Informationen der Aramäer durch ei­ ne am Wegesrand versteckte, von Unbekannten ferngesteuerte Bombe. "Diese Rückkehrbestrebungen sind einigen Grup­ pierungen in der Türkei ein Dorn im Auge", heißt es in dem Papier weiter. "Sie befürchten den Ver­ lust der unrechtmäßig besetzten Ländereien und Besitztümer." Dagegen erwarten die Verfasser der Presseerklärung, neben Kirchenleuten Vertreter der deutschen und europäischen aramäisch­assyrischen Organisationen DETA, FASD, ADO, ZAVD, und ESU, vom türkischen Staat, "sich schützend vor die indigene Bevölkerung innerhalb ihres Staatsgebiets zu stellen." (Quelle: Neue Westfälische Zeitung, 13.06.05)

Presseerklärung: Wir protestieren das feige Attentat

gegen die assyrische Delegation im Tur Abdin

Am 06. Juni 2005 wurde auf eine dreiköpfige Dele­ gation, die sich im Tur Abdin befand, um dort das Projekt „freiwillige Rückkehr der assyrischen Volksgruppe“ umzusetzen, ein feiger Bombenan­ schlag verübt. Durch Zufall blieb die Delegation unverletzt. Auch eine Delegation von Yezidi­Kurden aus Deutschland, die sich z.Z. in der Provinz Sirnak befindet und die Absicht hat, vor Ort zu prüfen, ob die landwirtschaftlichen Flächen im Dorf, in das sie zurückkehren möchten, noch in ihrem Besitz sind oder nicht, wird vom Landrat der Kreisstadt Idil und von den Dorfschützern, die bis vor Kurzem ihr Dorf besetzt hatten, bedroht. Der Landrat weigert sich, Landvermesser in das Dorf zu schicken. Die Assyrer, genauso wie die Yezidi­Kurden wur­ den in den letzten 20 Jahren gezielt aus ihrem Sied­

lungsgebiet vertrieben. Nach den letzten politischen Entwicklungen in der Türkei möchten viele Ange­ hörigen dieser Volksgruppen in ihre historischen Abstammungsgebiete zurückkehren. Diese Rück­ kehr ist für die Region von einer großen Bedeutung. Denn dadurch werden nicht nur die Dörfer wieder­ aufgebaut, sondern auch durch die Rückkehr der Fachkräfte wird auch die Infrastruktur der Region in Takt gesetzt werden. Eine Wiederansiedlung der Dörfer und Städte in diesem Gebiet würde auch erheblich zum handwerklichen und wirtschaftlichen Aufschwung der kurdischen Region in der Türkei beitragen. Der türkische Staat hatte in der Vergangenheit nicht nur die Vertreibung Kurden sondern auch der Assy­ rer gezielt betrieben und forciert. Die Dorfschützer, hauptsächlich von kurdischen Stämmen gebildet, die staatstreu sind und als türkische Milizen in Nordkurdistan (Südosttürkei) ihr Unwesen treiben, haben nach der Vertreibung der Assyrer und Yezi­ den deren Dörfer und Siedlungen besetzt, und zwar mit Einverständnis und Einwilligung von Gouver­ neuren, Landräten und Militärkommandanten des türkischen Staates, die in der Region den Staat repräsentieren. Diese haben im Einklang mit den staatstreuen kurdischen Stammesfürsten kein Inte­ resse an einer Rückkehr von Assyrern und Yeziden und damit an einer Wiederinbesitznahme der land­ wirtschaftlichen Flächen durch die Rückkehrer. Die türkische Regierung, die die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen mit der EU zum 03. Oktober 2005 beabsichtigt, ist verpflichtet die Implementie­ rung der Kopenhagener Kriterien ohne Wenn und Aber zu verwirklichen. Dazu gehört u.a. sowohl die Gewährung der Minderheitenrechten als auch die Garantie für die Religionsfreiheit. Wir protestieren gegen dieses feige Attentat auf die assyrische Delegation und fordern den türkischen Staat auf, die Täter ausfindig zu machen und sie zu bestrafen. Da Tausende von Assyrern und Yezidi­Kurden den Wunsch haben freiwillig in ihr Siedlungsgebiet bzw. in ihre Dörfer zurückzukehren, hat in diesem Zusammenhang sowohl die Bundesregierung als auch die Europäische Kommission die Verpflich­ tung die türkische Seite zur Implementierung der Kopenhagener Kriterien zu drängen und für eine Rückkehr in Sicherheit und Würde zu sorgen. Bezüglich der freiwilligen Rückkehrerinnen und Rückkehrer ist es unbedingt notwendig, dass das Dürfschützersystem in Türkisch­Kurdistan aufge­ löst wird und der türkische Staat die Garantie gibt, dass nicht nur für die Sicherheit der Rückkehrer sondern auch deren Religionsfreiheit gesorgt wird. Erst wenn diese Sicherheiten gegeben sind, werden sowohl die Assyrer als auch die Yeziden bereit sein, in ihre Heimat zurückzukehren. (Abubekir Say­ dam, Geschäftsführer des IMK e.V., 10. Juni 2005)

Entschädigungen für Terroropfer Der stellvertretende Gouverneur von Diyarbakir, Erol Özer, gab bekannt, dass seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Entschädigung von Schäden, die durch den Terror oder den Kampf gegen den Terror entstanden sind (das Gesetz trat am 27.07.2004 in Kraft) 14.850 Anträge beim Gouverneur in Di­ yarbakir gestellt wurden. Davon sei in 311 Fällen entschieden worden, und insgesamt 80 der Geschä­ digten hätten eine Abfindung in Höhe von ins­ gesamt 278.000 YTL (ca. 160.000 Euro) erhalten. Nach einer Bestätigung durch das Innenministerium

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würden diese Gelder ausgezahlt. (Quelle: Radikal, 10.06.05)

Sule Cizmeci: Erziehung oder Drill? Professor Ali Baykal hat 190 Schulbücher in den Computer eingegeben und die knapp 830.000 Sätze und fast 7 Millionen Wörter untersucht. Das Ergeb­ nis hat der Professor der Pädagogischen Fakultät der Universität Bosporus nun als "Digitale Daten der Schulbücher auf Realschulen und Gymnasien" veröffentlicht. Wir sprachen mit Professor Baykal über die Ergebnisse. Er schickte voraus, dass jede Ideologie seine eigene Form von ordentlichem Bür­ ger habe. In Deutschland sei es der "Nazi" gewesen, in der Sowjetunion war es der "Genosse", in Nica­ ragua waren es die "Sandinisten" und in Afgha­ nistan die "Taliban". Das universale Ziel der Erzie­ hung in der Türkei sei es Individuen zu formen, die in und außerhalb des Landes in Frieden leben. Die Autoren des Bildungsministeriums (in Tür­ kisch: Ministerium für nationale Erziehung) arbei­ ten nach vorgegebenen Mustern. Im kleinen Wör­ terbuch von Professor Baykal tauchen Wörter wie Türke, unser Prophet, Padischah, Minister, Krieg, Eroberung, Bombe, Kugel, Heldentum, sterben und Märtyrer besonders häufig auf. Offiziell wird von Säkularismus gesprochen, aber in den Büchern ist ständig von unserem Propheten, unserer Religion die Rede; es wird von Frieden gesprochen aber Ausdrücke wie Kanone, Kugel, Gewehr und Pisto­ le, die zum Kampfesgeist und Krieg ausrufen, fin­ den sich überall. Die Pädagogen des Bildungsministerium sprechen viel von Hinterfragen, aber fragende Sätze gibt es kaum (5% der Sätze). Demgegenüber gibt es viele vorschreibende Sätze in der Form von "dies muss so und so gemacht werden". Professor Baykal fand in den Büchern eine Übertreibung des Heldentums. Bei gewonnenen Kriegen werden Worte der eige­ nen Überlegenheit gewählt, bei verloren Kriegen werden die Sieger als Unterdrücker dargestellt. Kriege werden vier Mal so häufig erwähnt wie Frieden. Der Tod ist doppelt so häufig vertreten wie das Leben. 29 Mal haben wir gewonnen und 10 Mal verloren. Sie haben Massaker verübt, wir nicht. (Quelle: Radikal, 11.06..05)

Innenministerium fürchtet Basisdemokratie

In einem Erlass an die Jandarma­Oberkomman­ dantur und die Gouverneure aller 81 Provinzen der Türkei hat das Innenministerium auf die Möglich­ keit aufmerksam gemacht, Verfahren gegen die „Bewegung für eine demokratische Gesellschaft“ (DTH) einzuleiten. Die DTH wurde von den ehemaligen DEP­Ab­ geordneten Leyla Zana, Orhan Doğan, Sırrı Sakık und Selim Sadak nach ihrer Entlassung aus zehn­ jähriger Haft gegründet und verfolgt basisde­ mokratische Ziele. In dem Erlass des Innenmini­ steriums wird darauf verwiesen, dass in mehreren Provinzen an der Gründung einer politischen Partei unter dem Namen DTH gearbeitet werde und diese Kontaktbüros eröffnet habe, zu deren Einweihungs­ feiern zivilgesellschaftliche Organisationen einge­ laden worden seien. Da die DTH noch keinen of­ fiziellen Status als Partei gewonnen habe, dürfe sie auch nicht nach dem Parteiengesetz behandelt wer­ den. Gegen Aktivitäten der Bewegung, die ein Ge­

setzesvergehen darstellten, könne bei der Staats­ anwaltschaft Strafanzeige gestellt werden. Orhan Dogan erklärte dazu, der Erlass diene nicht dem inneren Frieden. Seine Bewegung arbeite dar­ an, „die Jugendlichen aus den Bergen zu holen und sie in das gesellschaftliche und politische Leben zu integrieren“. Der Erlass sei dagegen darauf aus­ gerichtet, den Menschen erneut „den Weg in die Berge zu zeigen“. (Quelle: Özgür Politika, 15.06..05)

Kriegsdienstverweigererprotest gegen die Medien

Eine Unterstützungsgruppe des inhaftierten Kriegs­ dienstverweigerers Mehmet Tarhan hat in Istanbul gegen die Interessenlosigkeit der Medien pro­ testiert. Mitglieder der Initiative „Solidarität mit Mehmet Tarhan“ versammelten sich vor dem Gebäude des Fernsehsenders ATV mit Transparenten mit der Aufschrift „Wir gehen nicht zum Militär“, „Meh­ met Tarhan, Verweigerer aus Gewissensgründen, seit 14 Tagen im Hungerstreik im Militärgefängnis Sivas“ und „Stillgestanden! Schießen! Zerstören!“. Die AktivistInnen trugen Spielzeugkameras mit sich. Aus Kritik an der Berichterstattung der Me­ dien bissen sie in Stofftierhunde, da die Meldung, dass ein Mensch einen Hund gebissen habe, eher Beachtung in den Medien finde als der Fall Mehmet Tarhans. In Izmir fand eine weitere Aktion statt, auf der die Freilassung Tarhans gefordert wurde. Die Akti­ vistInnen erklärten: „Mehmet ist ein Totalver­ weigerer. Er lehnt es ab, etwas mit einer Orga­ nisation zu tun zu haben, die das Töten und Sterben befiehlt. Er lehnt es ab, sich der Kultur des Gehor­ sams zu beugen. Deshalb sitzt er wegen Befehls­ verweigerung im Gefängnis.“ (Quelle: 09.06..05, ISKU)

Mehmet Tarhan wird zwangsernährt Die Anwältin des Kriegsdienstverweigerers Meh­ met Tarhan, Suna Coskun, gab bekannt, dass ihr im Hungerstreik befindlicher Mandant gegen seinen Willen zwangsernährt wird. Das Militärgericht in Sivas habe in der Verhandlung am 9. Juni zwar die Freilassung in diesem Verfahren angeordnet, aber gleichzeitig seine Überstellung an seine Einheit an­ geordnet. Am 13. Juni habe das Militärgericht dann erneut einen Haftbefehl ausgestellt und dabei seine Einweisung in das Militärkrankenhaus von Sivas verfügt. Dort habe er zuerst eine Art Zucker mit dem Namen Dekstroz erhalten sollen und später sei ihm gegen seinen Willen ein Serum mit dem Na­ men Izotonic verabreicht worden. (Quelle: Özgür Politika vom 18.06..05)

Extremer Anstieg von Rechtsverletzungen

Die Zweigstelle des Menschenrechtsvereins IHD in Diyarbakir hat eine Bilanz der Rechtsverletzungen der vergangenen drei Monate in den kurdischen Provinzen veröffentlicht. Demnach ist ein extremer Anstieg an Menschenrechtsverletzungen zu ver­ zeichnen. Wie der Zweigstellenvorsitzende Sela­ hattin Demirtas im Rahmen einer Pressekonferenz erklärte, liegt der Hauptgrund dafür in den be­ waffneten Auseinandersetzungen in der Region. Seit Anfang des Jahres 2005 sind in bewaffneten Konflikten insgesamt 147 Menschen getötet wor­ den, davon 140 in den Monaten März bis Mai.

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Für diese Entwicklung machte Demirtas die Re­ gierung verantwortlich, die nichts unternommen habe, um den Frieden zu sichern. Stattdessen suche sie in den USA nach einer Lösung, um den Krieg zu intensivieren. „Wenn die Regierung einen EU­ Beitritt der Türkei will, muss sie die Men­ schenrechtslage verbessern. Wenn sie die Men­ schenrechtslage verbessern will, muss sie die kur­ dische Frage lösen. Wenn sie die kurdische Frage lösen will, muss sie in einen Dialog mit den An­ sprechpartnern in dieser Frage treten. Kurz gesagt führt der Weg der Türkei in die EU über die ge­ meinsame Erarbeitung einer demokratischen Lö­ sung mit der kurdischen Opposition. Wir empfehlen der Regierung, anstatt vor der Tür der USA um eine Lösung zu betteln und nach Möglichkeiten der Aus­ weitung des Krieges zu suchen, sich etwas würde­ voller zu verhalten und die kurdische Frage im Dia­ log mit den eigenen Bürgern zu lösen.“ Der Fortschritt zum Thema Folter sei zufrie­ denstellend, so erklärte Demirtas weiter. „Die fal­ lende Tendenz in der Bilanz der Folterfälle wurde auch in den letzten drei Monaten fortgesetzt“, so drückte er aus. Allerdings seien die gesetzlichen Änderungen zum Thema Gedankenfreiheit in kei­ ner Form zur Umsetzung gekommen. In den ver­ gangenen fünf Monaten seien in der Region gegen 2811 Personen Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, weil sie ihre Gedanken geäußert hätten. „Das zeigt, solange nicht in allen Menschen­ rechtsfragen ein Fortschritt zu verzeichnen ist, kann auch keine Verbesserung in der allgemeinen Si­ tuation stattfinden.“ Weiterhin verwies Demirtas auf das Thema mut­ tersprachlicher Unterricht. Es sei ein wesentlicher Irrtum, zu glauben, diese Frage könne mit ein paar privaten Kursen gelöst werden. Insbesondere ko­ stenpflichtige Privatkurse hätten keinen Wert für eine Lösung des Problems. Die von Kurden er­ lebten Probleme zum Thema kulturelle Rechte liefen auf jeder Ebene weiter. Laut IHD­Bericht wurden in den letzten drei Mo­ naten 140 Personen in bewaffneten Auseinan­ dersetzungen getötet und weitere 21 Personen ver­ letzt. Durch sogenannte Morde unbekannter Täter, extralegale Hinrichtungen und Anschläge wurden fünf Personen getötet und sechs Personen verletzt. Aufgrund von Minen­ und anderen Explosionen wurden 13 Personen getötet und zwölf Personen verletzt. 491 Personen wurden in den vergangenen drei Monaten festgenommen. 48 Fälle von Folter und Misshandlung wurden registriert. Von den re­ gistrierten Folterfällen wurden neun von Jandarma und 37 von der Polizei verübt. Fünf Fälle von Ver­ schwundenen konnten festgestellt werden. 93 Per­ sonen wurden verhaftet. Die Gesamtzahl von Rechtsverletzungen lautet 2262. (Quelle: Özgür Politika, 10.06.2005, ISKU)

Polizei erneut in Straßburg verurteilt Beamte verprügelten mutmaßliches

Mitglied einer Linkspartei Zum zweiten Mal innerhalb von zwei Wochen hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg die Türkei wegen Folter verurteilt. Die Straßburger Richter gaben am Dienstag einer Frau Recht, die 1995 im Zuge einer Polizeiaktion gegen mutmaßliche Mitglieder einer Linkspartei festge­ nommen und schwer misshandelt wurde. Ankara wurde angewiesen, der Klägerin 8000 Euro Schmerzensgeld zu zahlen.

Die Türkin war nach eigenen Angaben im Polizei­ gewahrsam an den Handgelenken aufgehängt und von Polizisten geprügelt worden. Sie sollte ge­ stehen, ein Mitglied der verbotenen "Revo­ lutionären Front der Volksbefreiungspartei" (DHKP/C) zu sein ... Die Regierung in Ankara wies die Vorwürfe be­ züglich der Vorfälle 1995 zurück; sie machte gel­ tend, die Frau habe sich ihrer Festnahme wi­ dersetzt. Davon konnte sie das Straßburger Gericht nicht überzeugen. Am Körper der Klägerin seien noch zwölf Tage nach ihrer Festnahme große Blut­ ergüsse festgestellt worden, die auf Misshand­ lungen schließen ließen, heißt es in dem Urteil. Erst am 24. Mai war die Türkei vom Gerichtshof für Menschenrechte wegen des Todes eines Kurden verurteilt worden. Er wurde 1994 im Osten des Landes gemeinsam mit seiner Frau festgenommen. Einige Tage später wurde seine Leiche mit einer Schusswunde im Nacken und Spuren von Stock­ schlägen aufgefunden. Seine Frau versicherte, sie habe ihren Mann in der Nachbarzelle unter Folter schreien hören. (Quelle: APA/AFP, 07.06.05)

Türkei ante portas Scheinbare Normalität

Istanbul ­ Nach außen hin gibt sich die Türkei ge­ lassen, nach innen aber dämmert es der Regierung wie der Bevölkerung, daß sich die EU­Perspektive des Landes verändert hat. Denn allmählich begreift die Türkei, daß sie über dem politischen Erdbeben in Deutschland und dem Referendum über den europäischen Verfassungsvertrag in Frankreich zwei ihrer wichtigsten Förderer verlieren könnte oder vielleicht schon verloren hat:.. Noch hat die Regierung Erdogan, die sich in ihrer Europa­Politik nur von einem Termin zum nächsten orientiert, lediglich den 3. Oktober im Blick. Die Einsicht gewinnt aber an Boden, daß die Zeit da­ nach ungewiß geworden ist. Offenbar haben die Verfassungsreferenden, so die türkische Perspek­ tive, der gesamten EU­Erweiterung den Schwung genommen. Damit nimmt in der Union auch das Wohlwollen für die Türkei ab. Noch ist nicht zu erkennen, daß die Türkei sich dieser Entwicklung mit größerem Reformeifer entgegenstellte. Immer mehr deutet vielmehr darauf hin, daß mit dem Pau­ senzeichen innerhalb der EU in der Türkei der wichtigste Anreiz für eine Fortsetzung der Refor­ men wegfällt... Noch im vergangenen Herbst war die EU ein Faktor der Innenpolitik. Damals beschloß das Parlament, daß Ehebruch nicht unter das Strafrecht fiele. Heute würde auf europäisches Rechtsempfinden keine Rücksicht mehr genommen. Vielmehr leben – ins­ besondere mit Blick auf die Wahl eines neuen Staatspräsidenten in zwei Jahren ­ alte innenpo­ litische Reflexe wieder auf. Erdogan hatte nach dem Referendum in Frankreich noch verkündet, die Türkei werde in ihrem Reformeifer nicht nachlas­ sen. Doch je mehr sich der EU­Horizont der Türkei eintrübt und je mehr sich das Land einer EU ge­ genübersieht, die die Türkei offen ablehnt, um so mehr wachsen innerhalb der regierenden AKP die Vorbehalte gegenüber dem europafreundlichen Kurs des Ministerpräsidenten. Indes hat Erdogan seine Karriere mit dem EU­ Beitrittsprozeß verknüpft. Ins Stocken geraten sind aber die Reformen. Nach der Zusage von Beitritts­ verhandlungen hatte Erdogan aber das Reformtem­ po gedrosselt, um die Rücksicht auf die Bevöl­

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kerung zu nehmen. Jetzt mehren sich die Äuße­ rungen führender AKP­Politiker, die gegen die Annäherung an die EU sind. Ende Mai ließ die Regierung eine nichtöffentliche Konferenz tür­ kischer Historiker absagen, die die offizielle Leug­ nung des Genozids an den Armeniern nicht billigen. Justizminister und Regierungssprecher Cicek warf den Historikern „Verrat und einen Dolchstoß” in den Rücken der türkischen Nation vor... (Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.06.2005)

Sezer blockiert Gesetz über geringere Strafen für illegale Korankurse.

In Ankara scheint die Zeit der reibungslosen Ko­ existenz von Staatspräsident und gemäßigt isla­ mischer Regierung zu Ende zu gehen: Der streng kemalistisch denkende Präsident Ahmet Necdet Sezer hat mit seinem Veto eine Absenkung des Strafmaßes für illegale Korankurse verhindert. Seit Atatürk steht die Religion in der Türkei unter stren­ ger Aufsicht des Staates... Hält die Regierung mit ihrer Parlamentsmehrheit an der Veränderung fest, so kann Sezer entweder das Verfassungsgericht anrufen oder ein Referendum über das Thema ansetzen. Die erstere Lösung ist die wahrscheinlichere, denn Sezer kann sich auf die kemalistischen Falken unter den Verfassungsrich­ tern verlassen... Bezeichnend ist aber auch, was den Staatschef nicht stört: Entschieden wies Sezer die Kritik des tür­ kischen Presserates am neuen Strafgesetz zurück, das die Pressefreiheit einschränkt: Die neuen Be­ stimmungen erschweren das Aufdecken von Kor­ ruptionsskandalen und bedrohen Journalisten, die von der offiziellen Sicht der Türkei ­ etwa in der Armenier­Frage ­ abweichen. Noch vor fünf Jahren war Sezer, ehemaliger Prä­ sident des Verfassungsgerichtes, als eine Art juri­ stischer Revolutionär angetreten, der den türkischen Obrigkeitsstaat modernisieren wollte. Im Amt hat ihn offenbar der Mut verlassen: Er erweist sich als reiner Verteidiger des status quo. (Quelle: Die Presse, Wien, 08.06.2005)

Kurdistan darf nicht fliegen Erstmals seit ihrer Flucht aus Irak vor dreieinhalb Jahren wollte die 23­jährige Kurdistan Maho wie­ der ihre Eltern besuchen. Doch als sie mit ihrem Mann und den drei Kindern auf dem Stockholmer Flughafen Arlanda einchecken wollte, wurden sie von der türkischen Fluggesellschaft zurückge­ wiesen: Der Name Kurdistan sei für die Einreise in die Türkei nicht zugelassen, teilte ein Vertreter der Turkish Airlines der verblüfften Familie mit: "Kur­ distan gibt es bei uns nicht."... Schwedens Anti­Diskriminierungsbeauftragte Katri Linna ... will sich des Falles annehmen: "In Schwe­ den gelten schwedische Vorschriften, und die Ver­ weigerung von Dienstleistungen aus ethnischen Gründen ist verboten." Bei Turkish Airlines hält man sich bedeckt. "Wir sind eine staatliche Gesellschaft und können solche Fragen nicht beantworten", sagte der Bürochef, als die Zeitung Svenska Dagbladet um eine Begrün­ dung der Abweisung bat. Für Amnesty Inter­ national ist der Fall ein Beispiel dafür, dass das Wort Kurdistan in der Türkei weiterhin tabu ist. "Ähnliche Fälle gibt es immer wieder", sagt Aycan Bozarslan vom Kurdischen Reichsverband in Schweden. ... (Quelle: Frankfurter Rundschau, 08.06.2005)

Resolution des Ministerrates im Europarat zur Türkei

Zusammenfassende deutsche Wiedergabe des engli­ schen Textes Am 7. Juni verabschiedete der Ministerrat im Eu­ roparat in seiner 928. Sitzung eine Zwischen­ resolution zu den Entscheidungen des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes (EMRG) zur Türkei. Es wurde darin Bezug zu den Entscheidungen aus dem Jahre 1999 und 2002 (DH(99)434 und DH(2002)98 genommen und eine Liste mit 74 Ent­ scheidungen des EMRG aufgeführt. In den Urteilen des EMRG ging es um "Verschwundene", Morde, Folter, Zerstörung von Eigentum und auch um das Fehlen von adäquaten Rechtsmitteln im Lande. Es wurde festgestellt, dass die meisten Vorkom­ mnisse in den 90er Jahren im Rahmen des Kampfes gegen den Terrorismus geschehen seien, was die Türkei aber nicht von der Einhaltung der Konven­ tion der Menschenrechte (EMRK) entbinde. Die Aufhebung des Notstandes am 29. Januar 2002 in allen Provinzen der Türkei wurde begrüßt. Lobend wurden auch gesetzliche Regelungen zu Aktionen der Sicherheitskräfte und deren Schulung erwähnt. Ferner seien seit 2002 wesentliche Reformen in Angriff genommen worden, wobei erst am 1. Juni 2005 ein neues Strafgesetz und eine neue Straf­ prozessordnung in Kraft getreten seien. Positive Schritte seien auch für die Rechte von Gefangenen in Polizeihaft eingeleitet worden. Dennoch erwarte der Ministerrat, dass diese Si­ cherheiten umgesetzt werden. Insbesondere müsse die Möglichkeit von effektiven Rechtsmitteln gegen Überschreitungen gegeben sein. Die Ermittlungen in solchen Fälle müssten unverzüglich einsetzen, damit die Täter nicht straffrei ausgehen. Ein po­ sitiver Schritt in die Richtung war die Aufhebung des Gesetzes 4483 am 10. Januar 2003. Das Gesetz schrieb vor, dass die Verwaltung den Ermittlungen zustimmen muss. Bedauert wurde, dass anhand der Anklagen und Entscheidungen in solchen Fällen immer noch nicht gesagt werden könne, dass die Überschreitungen der Sicherheitskräfte verfolgt und sie zur Rechenschaft gezogen werden. Die Türkei habe überdies dafür zu sorgen, dass die Entscheidungen des EMRG entsprechend Artikel 90 der türkischen Verfassung auch in nationales Recht umgesetzt werde. Für eine unverzügliche und effiziente Umsetzung des "Gesetzes zur Kom­ pensation von Verlusten durch den Terror und den Kampf gegen den Terror" müsse gesorgt werden. Abschließend wird die Türkei aufgefordert, den Ministerrat über die eingeleiteten Maßnahmen zu informieren. Der Ministerrat werde die Sachlage in 9 Monaten bis 12 Jahren wieder aufgreifen. Es folgen als Anlage I: Informationen der tür­ kischen Regierung zu Maßnahmen, die seit der Zwischenresolution ResDH(2002)98 ergriffen wur­ den; Anlage II: Das Programm des Europarates unter dem Titel "Polizei und Menschenrechte – Jenseits 2000"; Anlage III: Entscheidungen des EMRG zur Türkei (nach den verletzten Artikeln der EMRK geordnet). Der komplette Text (in Englisch oder Französisch) kann unter

https://wcd.coe.int/ViewDoc.jsp?Ref=ResDH(2005)43&Sector= secCM&Language=lanEnglish&BackColorInternet=9999CC&B ackColorIntranet=FFBB55&BackColorLogged=FFAC75 gefunden werden. (Quelle: Demokratische Türkeiforum, 08.06.2005)

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Folter in Bingöl Bei einer Razzia auf den Weiler Burmatas des Dor­ fes Hasanova im Kreis Karliova, Bingöl, sollen Soldaten am 9. Juni wahllos in die Gegend geschos­ sen und die Bewohner geschlagen haben. Einer von ihnen, Aziz Biçer sagte: " Es waren ungefähr 200 Mann, darunter auch Dorfschützer aus dem Dorf Çirik. Sie suchten angeblich nach 7 Guerillas, die sich bei uns versteckt halten sollten. Als wir sagten, dass sich niemand bei uns aufhalte, schlugen sie uns mit Gewehrkolben und beleidigten uns. Einige der Frauen zogen sie an den Haaren über den Bo­ den." Unter den Geschlagenen waren Celalettin Mert (70), Nebahat Mert, Naima Sayek, Songül Mert, Belkise Biçer, Zübeyde Mert, Aziz Mert, Atik Mert, Yakup Mert, Özal Sayek und Ismet Sayek. Außerdem sollen die Soldaten viele Schafe erschossen haben. Auf eine Beschwerde hin soll der Landrat Erkan Çapar gesagt haben, dass den Dorf­ bewohnern ganz Recht geschehen sei, denn sie hätten die Zelte, die sie nach dem Erdbeben er­ hielten, an die Guerilla weiter gegeben. (Quelle: Özgür Gündem vom 11.06.2005)

Journalist vor Gericht Die 2. Kammer des Amtsgerichts in Gaziantep verurteilte den Journalisten Halil Eyüpoglu zu 3 Monaten und 3 Tagen Gefängnis wegen eines Arti­ kels vom 14. April 2004 über den Premierminister Recep Tayyip Erdogan. Die Haftstrafe wurde in eine Geldstrafe von 1.431 YTL umgewandelt. Der Artikel war in der lokalen Zeitung "Zafer" erschie­ nen. Zuvor war der Journalist schon zu einer Ent­ schädigung an den Premierminister in Höhe von 3.000 YTL verurteilt worden. (Quelle: Cumhuriyet vom 11.06.2005)

Journalist vor Gericht Die 2. Kammer des Amtsgerichts in Bagcilar (Is­ tanbul) sprach am 9. Juni Urteile in verschiedenen Prozessen gegen Journalisten. Der Chef­redakteur von "Milliyet", Eren Güvener und der Journalist Tolga Sardan wurden vom Vorwurf der Beeinflus­ sung der Justiz freigesprochen. Die Anklage hatte einen Artikel über die Verbindung zwischen der Mafia und dem Geheimdienst beanstandet. Ähnli­ che Artikel in "Radikal" vom 20. August 2004 und "Posta" vom 12. Oktober 2004 führten ebenfalls zu Freisprüchen. (Quelle: Milliyet vom 11.06.2005)

Minenexplosion Der Dorfschützer Semsettin Kilic wurde schwer verletzt, als er im Kreis Beytüssebap (Sirnak) am 10. Juni auf eine Mine trat. Seine Kollegen ver­ prügelten den Journalisten Emin Bal, als dieser Fotos vom Verletzten machen wollte, und zer­ störten seine Kamera. (Quelle: Özgür Gündem, 12.06.05)

Journalist vor Gericht Die 14. Kammer des Landgerichts in Istanbul ver­ urteilte den Journalisten Selahattin Aydar von der Tageszeitung "Milli Gazete" zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten. In seinem Artikel "Wir sollten uns der Kinder annehmen", der am 11. September 2001 erschienen war, sah das Gericht einen Verstoß ge­ gen den alten § 312 TStG. Dieses Verfahren hatte zu einer Entscheidung der Kammerversammlung des Kassationshofes mit 14:13 Stimmen gegen eine Verurteilung geführt. Nun hat sich die Kammer­

versammlung erneut mit dem Urteil auseinander zu setzen. (Quelle: Cumhuriyet vom 14.06.2005)

Minenexplosion Am 14. Juni fuhr ein Fahrzeug des landwirt­ schaftlichen Dienstes in der Nähe des Dorfes Ke­ merli (Sirnak) auf eine Mine. Mehmet Güner (55) und M. Emin Ceylan (48) wurden durch die Explo­ sion getötet. (Quelle: Radikal vom 15.06.2005)

Grundschulerziehung wird in der Türkei abhängig von karitativen Zuschüssen

Die Regierung will mit den zusätzlichen Einnahmen durch steuerbegünstigte Spenden den Grundbedarf für 10.565.000 Grundschüler und 3.039.000 Mittel­ schüler. decken. Die Aktion wird von der Zeitung „Milliyet“ geleitet. Besondere Beachtung gilt der Teilnahme von 1 Million Kindern an Korankursen in diesem Sommer.

Nach Ende des Schuljahrs 2004­2005 stellten der Verein der Lehrerschaft (Egitim­Sen) und das Mi­ nisterium für Erziehung (MEB) fest, dass das ge­ plante Budget nicht ausreicht, um den Mangel an fehlenden Klassenräumen, Lehrkräften und anderen Personen im Erziehungsbereich zu decken. Die chronischen finanziellen Probleme werden jeweils durch die dreimonatigen Sommerferien unterbro­ chen und von einem in das nächste Schuljahr verschleppt. Der neue Unterrichtsplan für die Grundschule wird für das neue Schuljahr wirksam, die Oberschulzeit auf 4 Jahre erhöht. Die Türkische Akademie der Wissenschaften (Tu­ BA) und die Türkische Menschenrechtsstiftung (TIHV) machten in einem gemeinsamen Projekt „Menschenrechte in Schulbüchern“ dem Ministeri­ um für Erziehung 22 Vorschläge zum Inhalt der Schulbücher und dem Lehrplan. Der ebenso wie eine Absetzung des Unterrichts in „Nationaler Si­ cherheit“ und des obligatorischen Religionsunter­ richts, Vorschläge zur Änderung des negativen Frauenbildes in den Schulbüchern und die Aufnah­ me der Menschenrechte darin machte. Obwohl Erziehung die Hauptaufgabe des Staates ist, stellt die türkische Regierung nur 9,57 % ihres Haushalts dafür zur Verfügung und deckt damit nicht einmal die nötigsten Kosten. In den meisten Schulen wird bereits bei der Immatrikulation von den Eltern Geld verlangt. In einer landesweiten Kampagne werben UNICEF und das Ministerium für Erziehung in den 53 Pro­ vinzen für die Teilnahme von Mädchen am Schul­ unterricht. Diese Kampagne hatte bei ihrem Start im Jahr 2003 in damals erst 10 und 2004 in 33 Provinzen in 2 Jahren zu fast 6 % Prozent mehr Einschulungen von Mädchen geführt. Man hofft damit die Zahl von 73.211 Schülerinnen dieser achtjährigen Grundschule im nächsten Jahr auf 250.000 zu erhöhen. Laut UNICEF ist die Türkei mit 566.789 Mädchen im Grundschulalter ohne Schulbesuch, eines der 12 Länder, die Erziehung betreffend, Jungen und Mäd­ chen nicht gleich behandelt. Selbst bis 2015 wird es kaum möglich sein, einen Gleichstand zu erzielen. 1,4 Millionen Kinder im schulpflichtigen Alter, davon 874.000 Mädchen, besuchen keine Schule. In 8325 Schulen werden die Schüler gemeinsam mit einem weiteren Jahrgang unterricht

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In der Türkei gibt es davon 17.636 Schulen, die von 7 Millionen Schülern besucht werden. Die Klassenstärke liegt in den großen Städten bei 50­60 Schülern. Für einen Standardunterricht mit 30 Schülern in einem Raum, werden dringend weitere 3.200 Schu­ len, 96.000 Klassenzimmer und 120.000 Lehrkräfte benötigt. Nur für 435.000 von 4 Millionen Kindern im Kin­ dergartenalter gibt einen solchen Platz. 2.500.000 Schüler werden in diesem Jahr Prüfun­ gen für die Universitäten oder Gymnasien ablegen – 64.000 waren 2004 erfolgreich! (Quelle: BIA News Center, 16.06.05)

Anwälte erhalten Berufsverbot Die 9. Kammer des Landgerichts Istanbul hat die Anwälte und Anwältinnen von Abdullah Öcalan, Aysel Tugluk, Irfan Dündar, Ahmet Avsar, Dogan Erbas, Hatice Korkut, Aydin Oruç, Mahmut Sakar und Türkan Aslan ein vorläufiges Berufsverbot auf­ erlegt. Die Entscheidung soll nach Artikel 151/3 des neuen Strafgesetzes ergangen sein. Ursprüng­ lich waren die Anwälte nach Artikel 7/2 des Anti­ Terror Gesetzes angeklagt worden. (Quelle: Özgür Gündem, 17.06.05)

Demonstranten freigesprochen Die 14. Kammer des Amtsgerichts Istanbul hat 56 TeilnehmerInnen an der Demonstration vom 6. März in Sarachane (Istanbul) freigesprochen. Das Verfahren gegen die Polizeibeamten, die unver­ hältnismäßige Gewalt angewendet haben sollen, ist noch nicht eröffnet worden. (Quelle: Radikal, 17.06.05)

Verfahren gegen PKK'ler Die 5. Kammer des Landgerichts in Diyarbakir führte am 15. Juni das Verfahren gegen die PKK Mitglieder Gülistan Tekin, Ismail Akyol, Songül Oguz und Nusret Bayindir fort. Sie waren der Tür­ kei von der Demokratischen Partei von Irakisch­ Kurdistan übergeben worden. Das Gericht ordnete die Freilassung von Songül Oguz und Nusret Bay­ indir aufgrund der Bestimmungen zur Reue im neuen Strafgesetz an. (Quelle: Milliyet vom 17.06.2005)

In der Türkei gibt es 6.215 Flüchtlinge Die Rechtsberaterin des UNHCR in der Türkei, Isil Tokcan, sprach auf einer gemeinsamen Veran­ staltung der Anwaltskammer Ankara, dem UNHCR und der türkischen Sektion von amnesty inter­ national. Sie gab an, dass sich in der Türkei 6.215 Asylbewerber und Flüchtlinge aufhalten und dass jedes Jahr an die 100.000 Flüchtlinge durch die Türkei reisen. Von denjenigen, die einen Antrag auf Anerkennung als Flüchtling beim UNHCR stellen, seien 60% aus dem Iran und 20% aus dem Irak. Im letzten Jahr habe der UNHCR insgesamt 2.292 in dritten Ländern unterbringen können. (Quelle: Özgür Politika, 15.06..05)

Interne Flüchtlinge Ahmet Kalpak, der Vorsitzende der Zweigstelle Diyarbakir von Flüchtlingshilfsverein Göc­Der und der Anwalt Ruhsen Dogan von TOHAV haben sich zum Problem der "Vertriebenen" geäußert. Sie be­ fürchteten, dass die erneuten Kampfhandlungen wieder zu einer Migration im Lande führen könne. Ahmet Kalpak sagte, dass unter den Anträgen der

letzten Zeit viele seien, die unter Druck gesetzt wurden, das Amt eines Dorfschützers anzunehmen. In einer Untersuchung der Universität Hacettepe wird ausgeführt, dass in den Jahren 1995­2000 ins­ gesamt 6,7 Millionen Menschen in der Türkei ihre angestammte Heimat verlassen haben. Die Mehr­ heit (57%) habe sich in größeren Städten nieder­ gelassen. Göc­Der bezifferte die Zahl der Anträge, die der Verein für Geschädigte "durch Terror und den Kampf gegen Terror" stellte, auf 282. Ahmet Kalpak wies auch auf die psychologischen Folgen der "Vertriebenen" hin, die nicht so leicht zu kom­ pensieren sind. Ruhsen Dogan bemängelte, dass die Kommissionen zur Feststellung der Schäden an den Gouverneur gebunden seien und daher keine freien Entscheidungen fällen könnten. (Quelle: Bia,16.06.05)

Neue Verordnung für Gefängnisse Das Justizministerium hat auf der Grundlage der Strafprozessordnung und dem Gesetz zum Straf­ vollzug Verordnungen zu a) Besuch von Gefan­ genen; b) Erlaubte Gegenstände in der Haft und c) Zentren zur Beobachtung und Klassifizierung her­ ausgegeben. Einige der Neuerungen sind: Gefangene, die zu erschwerten lebenslanger Haft verurteilt wurden, dürfen nur von unmittelbar Ver­ wandten (keine Onkel und Tanten) besucht werden. Die Gespräche müssen in Türkisch geführt werden. Wenn Gefangener oder Besucher kein Türkisch können, werden Gespräche zugelassen, aber auf­ gezeichnet. Delikte werden nach international, auf Personen gerichtet, auf sexuelle Unantastbarkeit ge­ richtet, gegen die Gesellschaft und gegen Nation und Staat unterschieden. Personen mit anderer sexueller Orientierung werden gesondert bewertet. Unter den Gefangenen wird nach Leiter einer Or­ ganisation, aktiven Mitgliedern, aus der Organi­ sation ausgetreten und neutral unterschieden. Ge­ fangene werden 2 Monate in Einzelzellen unter Beobachtung gehalten, um eine Klassifizierung vor­ zunehmen. In dieser Zeit ist Kontakt zu Mithäft­ lingen untersagt. Frauen dürfen ein Schminkset ha­ ben und einen Vogel besitzen. Die Gefangenen zah­ len den Strom, nicht nur für Licht. (Quelle: Radikal, 18.06..05)

Schlag gegen die MKP: 17 Tote Die Sicherheitskräfte haben in der Provinz Tunceli eine große Operation gegen die Maoistische Kom­ munistische Partei­Volksbefreiungsarmee (MKP­ HKO) geführt und bislang 17 Angehörige getötet. Sie hatten einen Hinweis auf den 2. Kongress der Partei im Tal Mercan erhalten. Bei einem ersten Überfall wurden 9 Personen getötet. Im Verlauf der Operation, an der auch Hubschrauber beteiligt wa­ ren, wurden weitere 8 Militante getötet. Drei Per­ sonen sollen lebend festgenommen worden sein. Wie verlautete, waren insgesamt 30 Personen ver­ sammelt. Die Überlebenden sollen immer noch in Gefechte mit den Sicherheitskräften verwickelt sein. Zu den beschlagnahmten Waffen gehören 17 Gewehre (10 Kalaschnikow und 4 Gewehre G­3) und 4 Kilogramm an Explosiva. (Quelle: Radikal, 19.06..05)

Wo sind die drei verletzten MKPler? Mehrere demokratische Organisationen haben auf einer Kundgebung am Galatasaray­Gymnasium in Istanbul nach dem Verbleib von drei verletzten MKP­Mitgliedern gefragt, die bei einer Militär­

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operation der türkischen Armee in Dersim­Ovacik lebend gefasst worden sind. Bei der Operation wa­ ren 17 MKPler getötet worden. Auf der Kundgebung, an der Vertreter von Orga­ nisationen wie Alinteri, Partizan, DEHAP und ESP teilnahmen, wurde das Massaker an den MKP­Mit­ gliedern verurteilt und eine sofortige Aufklärung über den Verbleib von drei Gefangenen gefordert. In einem Redebeitrag wurde darauf aufmerksam ge­ macht, dass die Leichname Folterspuren aufwiesen und bei der Operation chemische Waffen eingesetzt worden seien. Im Stadtteil Gazi in Istanbul fand eine Protestaktion von MKP und weiteren linken und kurdischen Gruppen statt, auf der mit Molotowcocktails eine Straße für den Verkehr gesperrt wurde. (Quelle: Özgür Politika, 23.06.2005)

Gericht verbietet Diskriminierung ISTANBUL afp Das Oberste Verwaltungsgericht der Türkei hat eine Diskriminierung von Christen durch die Kommunalbehörden der Hauptstadt An­ kara verboten. Wie die türkische Presse gestern meldete, wandte sich das Gericht in einem Urteil gegen eine Entscheidung der Stadtverwaltung, lediglich den Moscheen und Korankursen in Anka­ ra kostenloses Wasser zukommen zu lassen, nicht aber einer protestantischen Kirche. Die Initiative der Stadtverwaltung verstoße gegen den Gleich­ heitsgrundsatz, entschied das Gericht. Die von dem amerikanischen Geistlichen Daniel Wickwire gelei­ tete Kirche begrüßte das Urteil.

Vatikan wirft Türkei Missachtung der Glaubensfreiheit vor

Die Türkei hindert Christen nach Ansicht des Vati­ kans an der freien Ausübung ihres Glaubens. Glau­ bensfreiheit gebe es in dem laizistischen, musli­ misch geprägten Staat nur auf dem Papier, sagte der Botschafter des Heiligen Stuhls in Ankara, Edmond Farhat. Die Glaubensfreiheit sei zwar durch die Verfassung zugesichert, aber in der Praxis nicht umgesetzt, sagte Farhat gegenüber der italienischen Nachrich­ tenagentur Ansa ... (Quelle: Basler Zeitung,, 24.06.05)

Türkische Zweifel ... Ganze vier Verhandlungstage brauchte das Ge­ richt, um den Staatsfeind abzuurteilen. Und ausge­ rechnet der Hauptvorwurf gegen Kaplan, der des Terrorismus, stützte sich auf Aussagen mutmaßli­ cher Mitplaner des Flugzeugattentates. Diese indes behaupten, die Polizei habe ihre Geständnisse durch Folter erpresst – was in der Türkei schon wegen geringfügigerer Delikte vorgekommen ist. Noch einmal auftreten durften diese Zeugen im Prozess nicht. Das Bundesverwaltungsgericht hat Ende 2004 in seinem Abschiebeurteil erklärt, welche Instanz Kaplan noch offen stehe, sollten Zweifel an einem fairen Prozess entstehen: der Europäische Gerichts­ hof für Menschenrechte. Dort nun könnte sich das Urteil gegen Kaplan dereinst in ein Urteil über die türkische Europareife verwandeln. (Quelle: DIE ZEIT , 23.06..05)

Journalisten vor Gericht Die 2. Kammer des Amtsgerichts in Istanbul führte das Verfahren wegen Artikels in der Zeitschrift "Schreibt in Europa und in der Türkei" vom April 2002 weiter. Emin Karaca und Dogan Özgüden

wird die Beleidigung der Armee zur Last gelegt. Der Staatsanwalt forderte eine Bestrafung von E­ min Karaca nach dem Artikel 301/2 des neuen TSG, Freispruch für den Chefredakteur Mehmet Emin Sert und beantragte die Abtrennung des Ver­ fahrens gegen Dogan Özgüden, der in Belgien lebt. (Quelle: Bia, 23.06.2005)

Minenexplosionen Ein Militärfahrzeug fuhr am 22. Juni im Kreis Tas­ licay (Agri) auf eine Mine. Die Soldaten Idris Can­ dan und Mehmet Ali Arslan wurden getötet. Ein Unteroffizier und 5 Soldaten wurden verletzt. Bei einem ähnlichen Vorfall in der Nähe von Sirnak wurde der Soldat Nevzat Arçil getötet und zwei Soldaten verletzt. Im Kreis Pervari (Siirt) wurden zwei Unteroffiziere und ein Soldat bei einer Minen­ explosion verletzt. Anm.: Zum Vorfall bei Sirnak meldet Bia (Unab­ hängiges Kommunikationsnetzwerk), dass der Sol­ dat selber aus Batman stammt; mithin Kurde war. (Quelle: Radikal, 23.06.2005)

Menschenrechtler angegriffen Der Protestmarsch von Angehörigen des Men­ schenrechtsvereins IHD in Elazig als Teil der lan­ desweiten Kampagne "Die Mütter sollen nicht mehr weinen – wir wollen Frieden" wurde von "Idealis­ ten" gestört. Die Menschenrechtler waren vom Busbahnhof bis zur Post marschiert und hatten dabei Parolen gerufen. Vor der Post hielt die stell­ vertretende Vorsitzende des IHD, Reyhan Yalcin­ dag eine Rede, in der sie von dem Trauma sprach, das durch den 15­jährigen Krieg hervorgerufen wurde. Da erschien eine Person mit einer türkischen Flagge und schrie, dass die Demonstranten nichts zu getöteten Soldaten sagten und die Terroristen verteidigten. Die Polizei entfernte die Person und die Menschenrechtler wollten erneut auf der Straße Gazi marschieren, als eine Gruppe sich ihnen ent­ gegen stellte, die das Zeichen des Grauen Wolfes machte. Sie schrien "Märtyrer sterben nicht, das Land wird nicht geteilt" und bewarfen die De­ monstranten mit Steinen. Die Polizei holte einen Bus der Stadtverwaltung, mit dem sie die Men­ schenrechtler aus der Stadt brachte. (Quelle: Radikal, 21.06.2005)

Menschenrechtler als Zielscheibe Die Anwaltskammer in Tunceli hat Strafanzeige gegen unbekannt gestellt, weil an der Stelle, wo ein Auto durch eine Mine zerstört wurde, Zettel ange­ bracht wurden, auf denen stand "Zu fliegenden Vögeln gebt ihr Erklärungen raus, wo seid ihr Men­ schenrechtler?" Der Anwalt Hüseyin Aygün sagte, dass gegen 6.30 Uhr das Taxi von Ali Akbayir auf eine Mine fuhr und er durch die Explosion ein Au­ ge verloren habe. Er und andere seien um 11.30 Uhr zum Ort des Vorfalls gegangen und hätten danach den Staatsanwalt von den Zetteln in Kennt­ nis setzten. Der Staatsanwalt habe sodann die Zettel entfernen lassen. (Quelle: Bia, 24.06.2005)

Orhan Pamuk ist Friedenspreis­Träger 2005

Der Stiftungsrat des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels hat den türkischen Schriftsteller Or­ han Pamuk zum diesjährigen Träger des Frie­ denspreises gewählt. Die Verleihung findet wäh­ rend der Frankfurter Buchmesse am Sonntag, 23. Oktober 2005, in der Paulskirche statt und wird live

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im Zweiten Deutschen Fernsehen übertragen. Der Friedenspreis ist mit 25.000 Euro dotiert. In der Begründung des Stiftungsrats heißt es: „Mit Orhan Pamuk wird ein Schriftsteller geehrt, der wie kein anderer Dichter unserer Zeit den historischen Spuren des Westens im Osten und des Ostens im Westen nachgeht, einem Begriff von Kultur ver­ pflichtet, der ganz auf Wissen und Respekt vor dem anderen gründet. Orhan Pamuk hat ein Werk ge­ schaffen, in dem Europa und die muslimische Tür­ kei zusammenfinden. In seinen Romanen ‚Die weiße Festung', ‚Rot ist mein Name' oder ‚Schnee' verbindet er orientalische Erzähltraditionen mit den Stilelementen der westlichen Moderne und ent­ wickelt Bilder und Begriffe, die unsere Gesellschaft in einem nicht eng verstandenen Europa gebrau­ chen wird. So eigenwillig das einzigartige Ge­ dächtnis des Autors in die große osmanische Ver­ gangenheit zurückreicht, so unerschrocken greift er die brennende Gegenwart auf, tritt für Menschen­ und Minderheitenrechte ein und bezieht immer wieder Stellung zu den politischen Problemen sei­ nes Landes.“ Orhan Pamuk, geboren am 7. Juni 1952 in Istanbul, wuchs in einer gutbürgerlichen Familie auf. Er studierte Architektur und Journalismus, bevor er sich dem Schreiben zuwandte. Er gilt als einer der bedeutendsten Prosaschriftsteller der jüngeren tür­ kischen Generation. Seine Werke wurden bislang in 34 Sprachen übersetzt und in über 100 Ländern veröffentlicht. Bereits für seine beiden ersten Romane „Cevdet Bey ve Ogullari“ (1982) und „Sessiz Ev“ (1983), die bislang nicht auf Deutsch erschienen sind, wur­ de Pamuk mit Literaturpreisen ausgezeichnet. In­ ternationale Anerkennung errang er mit den Wer­ ken „Beyaz Kale“ (1985, dt. „Die weiße Festung“ 1990), „Kara Kitap“ (1990, dt. „Das schwarze Buch“ 1995) und „Yeni Hayat“ (1994, dt. „Das neue Leben“ 1998). Für „Benim Adim Kirmizi“ (1998, dt. „Rot ist mein Name“ 2001), einem Künstler­ und Kriminalroman, der im 16. Jahrhun­ dert angesiedelt ist, erhielt Pamuk neben dem hoch dotierten IMPAC­Literaturpreis weitere internatio­ nale Auszeichnungen. „Kar“ (2002, dt. „Schnee“ 2005), Pamuks Roman über den Dichter Ka, der in eine verschneite südostanatolische Provinzstadt reist, den Putsch eines Schauspielers miterlebt, die Liebe entdeckt und einen Gedicht­zyklus in Form eines Schneekristalls schreibt, wurde von der Kritik hoch gelobt und in der New York Times als das beste ausländische Buch 2004 gefeiert. Orhan Pamuk hat eine Tochter und lebt in Istanbul.

Bibliografie deutschsprachiger Werke: »Schnee« Roman. Carl Hanser Verlag, München 2005 Gebunden, 520 S., 25,90 €, ISBN 3­446­20574­8 »Rot ist mein Name« Roman. S.Fischer Verlag, Fischer Tb. 15660, Frankfurt 2004 Paperback, 560 S., 9,90 €, ISBN 3­596­15660­2 »Rot ist mein Name« Roman. Carl Hanser Verlag, München 2001 Gebunden, 560 S., 27,90 €, ISBN 3­446­20057­6 »Erniedr igung geniessen« Kapitalismus und Depression 3 Hrsg. v. Carl Hegemann, mit Beiträgen von Jens Roselt, Guillaume Paoli, Franz Liebl, Jutta Koether,

Jackson Pollock Bar, Jürgen Kuttner und Orhan Pamuk Alexander Verlag, Berlin 2001 Paperback, 180 S., 8,80 €, ISBN 3­89581­065­7 »Das neue Leben« Roman. S.Fischer Verlag, Fischer Tb. 14561, Frankfurt 2000 Paperback, ca. 352 Seiten, 9,90 €, ISBN 3­596­14561­9 »Das schwarze Buch« Roman. S. Fischer Verlag, Fischer Tb. 12992, Frank­ furt 1997 Kartoniert, 512 S., 10,90 €, ISBN 3­596­12992­3 »Die weisse Festung« Roman. Suhrkamp, st 2499, Frankfurt 1995 Kartoniert, 220 S., 7,50 €, ISBN 3­518­38999­8 23,50 €, ISBN 3­446­19289­1 © 2004 Börsenverein des Deutschen Buchhandels, 22.06.05

264 kurdische Intellektuelle fordern Frieden

In einer gemeinsamen Erklärung haben 264 kur­ dische Intellektuelle die zuvor von 140 Intellek­ tuellen in Istanbul veröffentlichte Friedensdekla­ ration unterstützt. Neben der Beendigung der Kampfhandlungen fordern sie eine Generalam­ nestie, die auch Abdullah Öcalan mit einschließt. Des Weiteren kündigten sie die Gründung eines „Ständigen Friedenskomitees“ an. Unter den Unterzeichnern befinden sich ehemalige Minister und Abgeordnete, Künstler, Vertreter von zivilgesellschaftlichen Einrichtungen und Berufs­ gruppen. (Quelle: Özgür Politika, 23.06.2005)

Spannungen in Van halten an Nachdem vorgestern ein junger Mann in Van durch willkürliche Schüsse der Sicherheitskräfte in eine Menschenmenge getötet worden ist, dauern die Spannungen weiter an. Der Vorfall ereignete sich, als eine Menschenmenge gegen die von staatlichen Kräften heimlich durchgeführte Beerdigung zweier bei einem Gefecht getöteten Guerillakämpfer pro­ testierte. Mindestens zehn Personen wurden ver­ letzt. Gestern setzten sich die Spannungen fort, als eine Menschenmenge den Leichnam des vorgestern durch Polizeischüsse getöteten Vahdettin Inanc aus der Leichenhalle abholen wollte. Dabei wurde eine weitere Person schwer verletzt. Bei Wohnungs­ razzien wurden zwei Personen festgenommen. Der Leichnam von Vahdettin Inanc wurde gestern in Anwesenheit von ca. 10 000 Personen in Van beigesetzt. Zivilgesellschaftliche Organisationen machen die Jandarma für die Vorfälle verant­ wortlich und forderten das Verteidigungs­ und Innenministerium dazu auf, gegen die Verantwort­ lichen zu ermitteln. (Quelle: Özgür Politika, 23.06.2005)

Wachsende Spannungen im türkischen Kurdengebiet

Istanbul (AFP) ­ Im Südosten der Türkei wachsen die Spannungen zwischen kurdischen Demonstran­ ten und den Sicherheitskräften. In der südost­ anatolischen Stadt Van setzten Soldaten zum zwei­ ten Mal innerhalb von 24 Stunden Schusswaffen ein, um gegen Protestkundgebungen vorzugehen, wie der türkische Fernsehsender NTV berichtete. Die neuen gewaltsamen Auseinandersetzungen bra­

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chen am Rande der Bestattung eines 19­jährigen kurdischen Demonstranten aus, der am Dienstag bei Straßenschlachten erschossen worden war. Kurdenpolitiker und Menschenrechtler riefen nach einem Treffen mit den Behörden die Bevölkerung auf, Ruhe zu bewahren. Auslöser der Auseinan­ dersetzungen vom Dienstag war ein Streit über die Beisetzung von zwei Kämpfern der kurdischen Rebellengruppe PKK, die wenige Tage zuvor in der Gegend getötet worden waren. Die Behörden hatten die beiden PKK­Mitglieder beigesetzt, ohne die Familien zu informieren. Etwa 3000 Demonstranten verlangten bei einem Protestmarsch die Herausgabe der Leichen. Dabei gab es gewaltsame Auseinandersetzungen mit Ein­ heiten der zur Armee gehörenden Gendarmerie. Auf Fernsehbildern war zu sehen, wie türkische Soldaten über die Köpfe der Demonstranten hinweg schossen, um die etwa 3000 Menschen starke Men­ ge zu zerstreuen; dabei wurde der 19­jährige De­ monstrant Nurettin Inanc tödlich getroffen. Die Zeitung "Milliyet" berichtete von Szenen "wie im Krieg". Am Rande der Beisetzung von Inanc formierte sich laut NTV ein neuer Protestzug. Demonstranten warfen Steine auf die Sicherheitskräfte, die erneut in die Luft schossen. Vertreter der Kurdenpartei DEHAP und des Menschenrechtsvereins IHD tra­ fen sich mit Gouverneur Niyazi Tanilir, um über die Lage zu sprechen. Laut NTV sagte Tanilir, die Situation werde von der PKK ausgenutzt. Im türkischen Südosten gibt es seit Monaten wieder Gefechte zwischen PKK­Trupps und der türkischen Armee. Die Region war zwischen 1984 und 1999 Schauplatz eines Krieges zwischen Armee und PKK, in dem rund 37.000 Menschen starben. (Quelle: AFP, 23.06.2005)

Weltweite Kampagne unter den Kurden: „ Ich bin ein Kurde, parteilich

und fordere auf“ ! Wir, die Erstunterzeichnerinnen und Unterzeichner, möchten vor allem das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, die Regierungen und Parlamente der EU­Mitgliedsstaaten und die Große Nationale Versammlung der Türkei sowie die europäischen Völker und Weltöffentlichkeit auf 20 Millionen Kurden aufmerksam machen, die zu einem Leben ohne Menschenwürde und ohne Gerechtigkeit ge­ zwungen worden sind. Ein Leben in der Türkei ohne Repressalien und Ängste, in Sicherheit und Freiheit, menschenwürdig und gleichberechtigt mit dem türkischen Volk ist das selbstverständlichste, humanste und legitimste Recht des kurdischen Volkes. Dafür soll die Verwaltungs­ und politische Struktur auf der Gleichberechtigung der beiden Völker, auf dem gegenseitigen Respekt und Vertrauen pluralis­ tisch und föderal neu definiert bzw. aufgebaut wer­ den. Das entspricht auch den völkerrechtlichen Normen. In diesem Rahmen; ­ soll Meinungs­ und Organisationsfreiheit geschaf­ fen; ­ sollen in einem unter freien Bedingungen mit beiderseitiger Beteiligung verfassten Grundgesetz die Existenz und die national­demokratischen Rechte des kurdischen Volkes gesichert werden, damit es in ihrer angestammten Heimat in Gebor­ genheit leben kann;

­ sollen den Kurden gesetzlich gesichert werden, sich nach ihrer Identität zu organisieren, Parteien, Vereine, Stiftungen, Gewerkschaften, Clubs, Be­ rufsverbände, etc. mit kurdischen Namen zu grün­ den, und der Gebrauch der kurdischen Sprache in diesen Institutionen weder gesetzlich noch willkür­ lich verhindert wird; ­ soll Kurdisch in der Türkei neben Türkisch als offizielle Sprache anerkannt, alle Einschränkungen im Bereich Fernseh­ und Radiosendungen in kurdi­ scher Sprache abgeschafft, von der Grundschule bis zum Abschluß der Universität hin in den Regionen, in denen überwiegend Kurden leben, in Kurdisch unterrichtet werden, und in anderen Regionen als Wahlfach; ­ sollen die Bezeichnungen von kurdischen Ort­ schaften, Flur und Flora, die ohne Willen der kurdi­ schen Bevölkerung ins Türkische geändert wurden, ihre ursprünglichen kurdischen Namen zurückerhal­ ten; ­ soll eine Generalamnestie erlassen werden, damit in der Gesellschaft ein Basis für ein gegenseitiges Vertrauen, Gerechtigkeitsgefühl und friedliches Zusammenleben geschaffen werden kann; ­ sollen die Ortschaften, die niedergebrannt, zerstört und evakuiert wurden, wieder aufgebaut, die Pro­ duktivität in der Region gefördert, die Rückkehr der vertriebenen Menschen ermöglicht und diese ent­ schädigt werden. Dafür soll baldmöglichst ein Plan erarbeitet und ins Leben gerufen werden, damit die Lebensbedingungen in der Region sich normalisie­ ren sowie die Leistungen in den Bereichen wie Bildung, Gesundheit und Infrastruktur stabilisieren. Es darf nicht vergessen werden, dass die Europäi­ sche Union, die bald mit der Türkei in Beitrittsver­ handlungen aufnehmen wird, bei der Anerkennung der national­demokratischen Rechte des kurdischen Volkes sowie bei anderen Themen eine der Parteien ist. Daher steht die EU unter einer Gewissens­, politischen und moralischen Verantwortung. Die Lösung der Kurdenfrage auf der Grundlage von Gerechtigkeit­ und Gleichberechtigung darf nicht mehr verschoben werden. 24. März 2005 (Initiatorinnen und Initiatoren dieser Kampagne sind 81 kurdische Intellektuelle in der Türkei)

Syrien: Syrer bitten um Internationalen Schutz Washington DC ­ Die steigende Zahl von Entfüh­ rungen und Verhaftungen von Dissidenten und zivilen Vertretern durch die syrische Regierung hat unter anderen Dissidenten und Reformern zu so großer Besorgnis geführt, dass sie wegen der wahl­ losen Unterdrückungsmaßnahmen des Assad Re­ gimes um internationalen Schutz baten. Vor weniger als einem Monat hatten sich die meis­ ten Dissidenten über eine Einmischung von außen besorgt gezeigt, nachdem sie aber jetzt zu dem Schluss gekommen sind, der Staat sei irreperabel, begrüßen sie diese Unterstützung. Das amerikanische Außenministerium müsste eine Warnung aussprechen oder Besorgnis gegenüber den syrischen Dissidenten gegenüber zeigen, wie es das Weiße Haus kürzlich für die „Kefaya“ Bewe­ gung in Ägypten tat, und den syrischen Botschafter zu einer Stellungsnahme ins Außenministerium rufen. Syrischer Terrorismus ist Dank des Regimes in

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Damaskus auf dem Vormarsch, ein Beispiel könnte für Zarkawi im Irak, ein Syrer mit Namen Abou Al­ Ghadieh sein. (Quelle: RPS, 27. Mai 2005 )

Ereignisse in Qamislu weiten sich aus Nach der Entführung und Ermordung des kur­ dischen Glaubensgelehrten Scheich Mashuq el Khaznawi durch den syrischen Geheimdienst dau­ ern die Unruhen in Südwest­Kurdistan an. Dabei kam es vor allem zu bewaffneten Übergriffen auf die Kurden in de Stadt Qamischlo. Meldungen zu folge wurde dabei eine Frau getötet. 30 weitere Frauen, davon 11 wurden schwer verletzt. Mehr als 100 Menschen wurden verhaftet. Zu den Unruhen kam es als 1500 Araber aus dem umliegenden Gebieten, die mit Unterstützung der syrischen Polizei in die Stadt eingedrungen waren, Häuser und Geschäfte der ansässigen Bevölkerung überfielen. Telefonleitungen sowie die Strom­ Versorgung wurden Unterbrochen. Es wurde eine Ausgangssperre verhängt. Am Samstag hatten Kurden mit der Forderung nach Aufklärung der Ermordung des Glaubensgelehrten Scheich Mashuq el­Khaznawi demonstriert. Als die Araber anschließend eine Gegendemonstration or­ ganisierten, kam es zu Anti­kurdischen Ausschrei­ tungen. Hacer Zozan, eine Zeugin der Ausschrei­ tungen betonte, dass es zu den Ausschreitungen mit Unterstützung der syrischen Sicherheitskräfte ge­ kommen wäre. Sie wies darauf hin, dass die Partei der Demokratischen Einheit schon in den frühen Morgenstunden die Bevölkerung vor möglichen Übergriffen gewarnt hatte und fügte hinzu, dass im Vorhofe des Kongresses der herrschenden Baas Partei die Ausschreitungen nur als Komplott zu bewerten seien. Des Weiteren wurde gemeldet, dass auch in der Hauptstadt Damaskus, in einem Stadtteil in dem vermehrt Kurden leben, Verhaftungen durchgeführt worden wären. (Quelle: MHA, 05.06.2005)

Zur Ermordung von Scheich Maschuk Wir haben mit Bestürzung vom Tod des kurdischen geistlichen Oberhaupthaupts in Syrien, Scheich Maschuk Al Khznawi, am 30. Mai 2005 erfahren. Das geistliche Oberhaupt der Kurden in Syrien wurde am 10. Mai von Unbekannten entführt. Ver­ treter der kurdisch­syrischen Organisationen ver­ muten, dass der Geistliche vom syrischen Geheim­ dienst ermordet worden ist. Wir verurteilen die Ermordung von Scheich Ma­ schuk Al Khznawi aufs Schärfste und fordern den syrischen Staat auf ihre menschenverachtende Un­ terdrückungspolitik gegenüber dem kurdischen Volk zu beenden sowie die legitimen Rechte des kurdischen Volkes anzuerkennen. Mit Mord und brutaler Unterdrückung wird das Kurden­Problem weder in der Türkei, noch im Iran und in Syrien gelöst werden können. Wir bekunden den Angehörigen und Freunden von Scheich Maschuk Al Khznawi unser tiefstes Mit­ gefühl. Mit freundlichen Grüßen (PD Dr. Hüseyin Bektas, Vorsitzender des IMK e.V., 03.06.05)

DROHENDE FOLTER ­ Syrien 'Ali al­'Abdullah, Journalist, Frau Dr . Suhayr , Jamal al­Atassi, Hussein al­‘Awadat, Frau Na­ hed Badawiyah, Dr. Hazem al­Nahar, J ihad

Massouti, Muhammad Mahfoudh, ‘Abdel Nasr Kalhous, Yusef al­J ihmani Die neun oben genannten Menschenrechtsvertei­ diger befinden sich in Damaskus ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft und sind somit in Gefahr miss­ handelt oder gefoltert zu werden. Alle neun sind Mitglieder der nicht zugelassenen Bürgerrechts­ vereinigung „Jamal al­Attasi Forum“. amnesty international betrachtet sie als gewaltlose politische Gefangene, die allein wegen der friedlichen Wahr­ nehmung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung inhaftiert worden sind. ‘Ali al­‘Abdullah wurde in der Nacht vom 15. auf den 16. Mai 2005 in seiner Wohnung in Qatana, un­ weit der Hauptstadt Damaskus, festgenommen. Zu­ nächst brachte man ihn Berichten zufolge zur Haft­ einrichtung „al­Jebeh“ des Politischen Sicher­ heitsdienstes in Damaskus und später in das nahe­ gelegene ‘Adra­Gefängnis. Der Journalist ‘Ali al­‘Abdullah ist aktives Mitglied des „Jamal al­Atassi Forum“ sowie zweier weiterer nicht zugelassener Gruppierungen, des „Komitees für die Wiederherstellung der Zivilgesellschaft“ und der „Menschenrechtsvereinigung von Syrien“ (HRAS). Am 7. Mai 2005 verlas er bei einer Ver­ anstaltung des „Jamal al­Atassi Forum“ eine Erklä­ rung im Namen von Sadr al­din Bayanouni, dem im Exil lebenden Führer der „Moslem­bruderschaft“. Darin bekräftigte die Moslem­bruderschaft ihre ablehnende Haltung gegenüber Gewalt, wider­ sprach der Darstellung, sie fordere die Errichtung eines Gottesstaates, und forderte politische Refor­ men in Syrien, darunter die Re­spektierung der persönlichen Freiheitsrechte. Am 24. Mai 2005 wurden die acht oben genannten Direktoren des „Jamal al­Atassi Forum“, darunter auch die Vorstandsvorsitzende, Frau Dr. Suhayr Jamal al­Atassi, am frühen Morgen von Sicher­ heitskräften in ihren Wohnungen festgenommen und zu einer Einrichtung des Politischen Sicher­ heitsdienstes in Damaskus gebracht. Sie wurden bislang weder angeklagt noch haben sie Kontakt zur Außenwelt. Berichten zufolge sollen sie und ‘Ali al­‘Abdullah wegen der „Werbung für eine illegale Organisation” (die Moslembruderschaft) vor Gericht gestellt werden. (Nähere Informationen unter: www.ai.de)

Syrische Kurden fordern ihre Rechte Angespornt durch den politischen Fortschritt der Kurden im Irak, hoffen die syrischen Kurden auf eine Lösung ihrer Probleme auf dem Baath­ Parteitag Die kurdische Minderheit in Syrien hofft, dass auf dem Parteitag in Damaskus auf die Lösung von Problemen, die sich durch einen ihrer kürzlich er­ mordeten Führer, verschlimmert hatten. Im Irak wurde der kurdische Vertreter, Jalal Tala­ bani, zum Präsidenten gewählt, kurdische Parteien bilden den zweitgrößten Block im neuen Parlament und Kurden haben ihre eigene Versammlung. Im Gegensatz dazu, fühlen sich viele der 1,5Millionen Kurden im benachbarten Syrien sogar aus dem normalen täglichen Leben ausgeschlossen. Etwa 200.000 von ihnen wurde die syrische Staats­ bürgerschaft verweigert, was es ihnen schwierig macht, in einer staatlich kontrollierten Wirtschaft Arbeit zu finden. „Die Kurden haben legitime Forderungen, aufgrund der Entwicklungen im Irak, stellen sie fest, dass die

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internationalen Umstände für ihre Lage günstiger geworden sind“, stellte der syrische Islamist MP Mohammed Habash fest. Die Entführung und der Mord an dem muslimischen Geistlichen Maashuq Khaznawi erhöhte die Spannungen und führte zu erneuten Zusammenstössen zwischen den Sicher­ heitskräften und Demonstranten am Wochenende in Qamishli, 680 Km (420 Meilen ) von Damaskus entfernt. Unter den Demonstranten gab es Verletzte und mehr als 50 Kurden wurden in der Heimatstadt von Khaznawi, dessen Tod letzten Mittwoch von einem kurdischen Parteiangehörigen gemeldet wurde verhaftet. Am Montag trafen sich Repräsentanten der verbotenen kurdischen Parteien im Nordosten von Syrien mit arabischen Stammesführern und versuchten wieder Ruhe in die ihrer Meinung nach, sektiererischen Kämpfe zwischen Arabern und Kurden zu bringen. Kheireddin Mrad, Generalsekretär von Azadi, eine der verbotenen kurdischen Parteien in Syrien, be­ tonte, nicht die Araber seien das Problem, sondern das Regime, das die Araber als Spielball gegen sie, die Kurden, benutze. Yakitis Parteichef Hassan Saleh äußerte den Wunsch, gerade jetzt während des Baath­partei­ tages in Gesprächen das kurdische Problem zu lösen. Kurden stellen 9% der Bevölkerung und ihre Ver­ treter weisen energisch jedes Streben nach einer Ablösung von Syrien von sich. „Natürlich hat das Geschehen im Irak Einfluss auf uns, aber wir möch­ ten die nationale syrische Einheit erhalten,“ erklärte der Vorsitzende der KDP, Aziz Daud und fügte hinzu, „wir fordern eine Lösung unserer Probleme, wie die syrische Staatsangehörigkeit, die Anerken­ nung unserer kulturellen Rechte wie die Erlaubnis in kurdisch zu unterrichten. Am Montag eröffnete der syrische Präsident Bashar al­Assad den Parteitag der Baath Partei und sagte vor 1200 Abgeordneten, dass man verstärkt für die Anhebung des Lebensstandards der Bevölkerung und gegen die Korruption arbeiten wolle. Massud Barzani riet den syrischen Autoritäten, die Forderungen der Kurden zu beachten und mit ihnen Gespräche zu führen „bevor sich die Dinge ver­ schlechtern“ .Kurden, wo auch immer in der Welt, seien Brüder der Kurden im Irak und würden von ihnen unterstützt“. Gegenüber der Saudi Zeitung, der in London herausgegebenen Al­Hayat, hoffte Barzani, dass man auf seinen Rat auf Grund „freundlicher Beziehungen“ zwischen irakisch­ kurdischen und syrischen Verantwortlichen hören und dieForderungen im Dialog verhandeln würde. MP Habash warnte im Interesse des Landes vor der Verzögerung einer Lösung. Wenn die Regierung nicht schnell die Spannungen entschärfte, könnten andere Parteien, namentlich die USA, versuchen die Situation für sich zu nutzen „um Druck auf Syrien auszuüben“. Die Lösung sei, eine schnelle Antwort der Regierung auf die kurdischen Fordrungen, um so die Einmischung von außen zu verhindern. MP Habash ist Präsident des Zentrums für Islam Studien in Damaskus, dessen Vizepräsident der ermordete Kurde Khaznawi war. Er ist der Mei­ nung, dass trotz der Zweifel auf kurdischer Seite, die syrischen Autoritäten an dem Mord an Khaz­ nawi nicht beteiligt waren. Die syrische Regierung sprach von einer „kriminel­ len Gang“ und der Festnahme zwei ihrer Mitglie­ der. Während von offizieller kurdischer und von

Seite der Familie nach einer unparteiischen Unter­ suchung verlangt wird. (Middle East Online,8.J uni 2005)

Irak: Iraqi Airways startet Linienflüge Am­ man­Erbil Amman(AFP) ­ Ein Sprecher von Iraqi Airlines gab bekannt, dass es ab Samstag dreimal die Woche Flüge zwischen Amman via Bagdad nach Erbil in Nordkurdistan gibt. Ebenso starteten diese Woche planmäßige Flüge zwischen Amman, ebenfalls über Bagdad, in die südirakische Hafenstadt Basra. Auf beiden Routen setzt die Fluggesellschaft Boeings vom Typ 727 und737 ein. Seit Anfang dieses Monats gibt es regelmäßigen Flugverkehr zwischen Bagdad­Amman und im Februar bereits den ersten kommerziellen Flug von Erbil nach Amman. Nach 14jähriger Unterbrechung startete die Flugli­ nie im September internationale Flüge zwischen Bagdad und Amman. Iraqi Airlines und Royal Jordanian sind die einzi­ gen Gesellschaften mit regelmäßigen Passagierflü­ gen in den und aus dem vom Krieg zerstörten Irak. Auf dem „Baghdad International Airport“, der gleichzeitig Militärflughafen ist, benötigen die Maschinen aber für Start und Landung die Erlaub­ nis von der US geführten Koalition. (Quelle:AFP, 12.06.2005)

Barzani zum Präsidenten von Irakisch Kurdistan gewählt

Arbil ­ Unter einem gigantischen Bild Mullah Moustafa Barzanis, der als Vater des kurdischen Nationalismus gilt und flankiert von der kurdischen Fahne wurde sein Sohn, Massoud Barzani im Beisein In­ und ausländischer Ehrengäste zum Präsidenten von IrakischKurdistan gewählt. Die 111 Mitglieder des kurdischen Parlaments trafen sich in Arbil, 350 km (220Meilen) nördlich von Bagdad, dessen Straßen über und über mit Fahnen in den Farben grün, weiß, rot und der gel­ ben Sonne in der Mitte geschmückt waren. In seiner Ansprache nach der Wahl, sagte Parla­ mentssprecher Adnan al­Mufti, die Wahl Barzanis zum regionalen Präsidenten, sei die Krönung von Jahrhunderten des Kämpfens und der Weg dorthin übersät von Märtyrern. Der Sprecher der Abgeord­ neten gratulierte besonders den Kurden und den Familien der Peshmergas, dass einer der ihren Prä­ sident von Kurdistan geworden sei und so ihre Rechte und Interessen verteidigen könnte. Barzani ist Vorsitzender der KDP, die zusammen mit der PUC die stärksten Parteien in der Region sind. Vorsitzender der PUK ist der jetzige irakische Präsident Jalal Talabani Im April 2003 nach dem Sturz von Saddam Hussein hatten beide Parteien nach jahrelangen Machtkämp­ fen eine Allianz geschlossen, um gemeinsam ihr Recht auf Autonomie in einem föderalen Irak zu verteidigen. Aus den nationalen Wahlen im Irak am 30. Januar gingen die Kurden, nach den Schiiten, als zweit­ stärkste Partei hervor. Aber es dauerte noch vier Monate bis sich die beiden Parteien auf Massoud Barzani als regionalen Präsidenten einigen konnten. (Quelle: AFP, 12.Juni 2005)

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„ Ohne Bedeutung“ nennt die Türkei die Wahl Barzanis zum Präsidenten

IrakischKurdistans Ankara ­ Als „bedeutungslos“ bezeichnete Namik Tan, Sprecher des türkischen Außenministeriums, Reportern gegenüber die Wahl Barzanis, bevor nicht die endgültige Verfassung durch eine Volks­ abstimmung in Kraft träte. Barzanis wurde letzen Sonntag zum Präsidenten der drei Provinzen Sulaimaniyah, Arbil und Dohouk im Nord Irak gewählt. Die Türkei befürchtet, dass die Kurden im benach­ barten Nordirak Saddams Sturz folgend, Grundla­ gen für die zukünftige Unabhängigkeit schaffen könnten. Dies würde destabilisierend auf ihre eigenen Kur­ den an den Grenzen und zu Spannungen in der Region, in der wie im Iran und Syrien ebenfalls kurdische Minderheiten leben, führen. Tan betonte, „die Türkei hat sicher bisher und wird sich auch weiter für die politische Einheit und terri­ toriale Integrität des Irak einsetzen, was für beide Teile wichtig ist, aus eigenem nationalen Interesse und dem der Region.“ Die jetzigen Gesetze beruh­ ten auf geographischen und wirtschaftlichen Krite­ rien, nicht auf Konfessionen und ethnischer Zuge­ hörigkeit. In Bagdad arbeitet ein Ausschuss der Übergangsre­ gierung an einer Verfassung, die alle ethnischen und religiösen Gruppen zufrieden stellen soll. Die Volksabstimmung über die Verfassung ist für den 15.Oktober geplant, vor den Wahlen des end­ gültigen Parlaments am 15. Dezember. (Quelle: AFP, 15.Juni 2005)

Iran: Gab Rafsandschani Mord in Auftrag?

Wien ­ Der 13. Juli 1989 läßt den österreichischen Grünen­Abgeordneten Peter Pilz bis heute nicht los. An diesem Tag geschahen die "Wiener Kur­ denmorde" am Führer der "demokratischen Partei Kurdistan", Abdulrahman Ghasemlou und seinem Stellvertreter Abdollah Ghaderi ­ an diesem Tag starb auch Pilz' Freund, der aus dem Iran stammen­ de Politologiedozent Fadzel Rassul, der die beiden begleitet hatte. Seit dem 13. Juli 1989 versucht Pilz, die Mörder seines Freundes vor Gericht zu bringen. Jetzt hat er neue Hoffnung. "Ich habe eine Zeugen­ aussage, die besagt, daß der Mord von Haschemi Rafsandschani angeordnet wurde. Er und mindes­ tens noch zwei andere iranische Präsidentschafts­ kandidaten standen an der Spitze jenes Terrorkom­ mandos", sagte Pilz der WELT. Konkret beschuldigt Pilz den Ex­Oberkommandie­ renden der Revolutionären Garde (Pasderan), Moh­ sen Resaie, sowie Mahmud Ahmedinedschad, heute Bürgermeister von Teheran, des Mordes. Die bei­ den kandidieren derzeit neben Rafsandschani und noch fünf weiteren Bewerbern für das Amt des iranischen Präsidenten, der am 17. Juni gewählt wird. Der Zeuge ist ein Journalist, der erst vor kur­ zem aus Teheran geflüchtet ist. Den Kontakt zwi­ schen Pilz und diesem "Zeugen D" stellte der ehe­ malige iranische Staatspräsident Bani Sadr in sei­ nem Haus im französischen Versailles her. Zeuge D ist eine Art "Rückversicherung" des Pas­ deran­Offiziers Nasser Taghipoor, der mit dem Mord an den beiden Kurdenführern in Wien beauf­ tragt worden war. Taghipoor nannte gegenüber dem Journalisten Rafsandschani als Auftraggeber und berichtete Details vom Tatort, die ihn, nach Mei­

nung österreichischer Geheimdienstler, eindeutig als Beteiligten ausweisen. Taghipoor hatte sich 2001 dem Journalisten anvertraut ­ und ihn gebeten, "die Sache" international bekannt zu machen, sollte ihm etwas zustoßen. Wenig später ertrank der Ge­ neral ­ bei einer Tauchübung im Südiran. Die schriftlichen Aussagen des Zeugen liegen der WELT vor. Taghipoor erzählte dem Journalisten: "Im Jahr 1367 (1988 n. Chr.) wurde seitens des Staatspräsidentenbüros, dessen Chef zu diesem Zeitpunkt Haschemi Rafsandschani war, ein dienst­ licher Befehl an die ,Ghods­Pasderan" erteilt. In diesem Befehl ging es um die Vernichtung des Kurdenführers der demokratischen Partei Kurdistan vom Iran, Abdulrahman Ghasemlou. Diese Op­ positionspartei wurde von der iranischen Regierung als gefährlich eingestuft." Den Plan für diese Aktion habe ein hoher Offizier der Ghods­Pasderan namens Hadschi Ghafoor Dar­ jazi erarbeitet. Der Kurdenführer und sein Stell­ vertreter sollten glauben, die iranische Regierung sei an einem Abkommen zur Lösung der Kur­ denfrage im Iran interessiert. Der Kontakt wurde aufgenommen, zur Unterzeichnung des Abkom­ mens wurden die beiden in eine Wohnung im drit­ ten Bezirk von Wien gelockt. Taghipoor, Darjazi und ein dritter, der inzwischen unter mysteriösen Umständen zu Tode kam, drangen in die Wohnung ein, erschossen die Kurden und flüchteten. Es sollte so aussehen, als hätten Kurden, die gegen das Ab­ kommen waren, die eigenen Leute erschossen. Die Polizei konnte jedoch Darjazi und einen weite­ ren Mann verhaften, doch beide kamen, trotz vieler Indizien für ihre Beteiligung, wieder frei und konn­ ten in den Iran zurückkehren. ­ nach massiver In­ tervention des Iran bei der österreichischen Regie­ rung. Darjazi ist heute Chef einer Geheimpolizei­ Einheit, die direkt im Gebäude des staatlichen irani­ schen Fernsehens untergebracht ist und es kontrol­ liert. Mohsen Resaie war damals für die Übermittlung der Mordbefehle und die "Erfolgskontrolle" zu­ ständig. Bürgermeister Mahmud Ahmedinedschad war damals, laut Taghipoors Aussagen, im "Reser­ vekommando" für die Wiener Kurdenmorde. Von der österreichischen Regierung verlangt Pilz nun eine Sonderkommission, vor der Zeuge D seine Aussagen wiederholen wolle: "Wenn uns das ge­ lingt, kommt es wenigstens in Abwesenheit zu einem Verfahren gegen die Kurdenmörder von damals." (Quelle: 2. Juni 2005, WELT.de 1995 – 2005)

Flüchtlinge: Zu krank für Sozialhilfe

Sozialressort verweigert einem schwerkranken Fol­ teropfer Geld und medizinische Hilfe. Der Mann müsse Sozialhilfe im Saarland beantragen ­ wo er nicht hinfahren kann Vor einer Abschiebung nach Syrien haben den gefolterten Jalal A. die deutschen Gerichte ge­ schützt. Nun werden sie dem 35­Jährigen auch noch Essen und Medikamente beschaffen müssen, für­ chtet die Bremer Anwältin des schwer angstkranken Epileptikers. Denn das hiesige Sozialamt will dem Mann nicht helfen ­ obwohl der seit seiner Ankunft in Deutschland vor zwei Jahren per Ausnahme­ regelung bei einem Bruder in Findorff lebt. ... Weil Jalal A. als Folteropfer Abschiebeschutz und deswegen eine Aufenthaltsbefugnis im Saar­ land bekommen hat, müsste er nun dorthin ziehen.

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So steht es in der Aufenthaltsbefugnis. Doch im Saarland hat er noch nie gelebt und das wird er auch nie. Ohne Wohnsitz aber bekommt er dort kein Geld. Bremen unterdessen fühlt sich nicht zuständig. ... Für ein neues Attest, das vielleicht auch die Ran­ geleien um die Zuständigkeiten zwischen Bremen und Saarland klären könnte, fehlt das Geld. Denn der Mann hat ja keine Krankenversicherung ­ und auch keinen Arzt. (Quelle: taz, 13.06.2005)

Kirche gewährt 110 Menschen Asyl In Deutschland befinden sich derzeit rund 110 Per­ sonen in so genannten Kirchenasylen. Die kurdi­ sche Familie Aslan gehört nicht mehr dazu: Nach monatelangem Asyl in der evangelischen Kirche in Sulzfeld bei Karlsruhe wartet sie nun auf ihre Dul­ dung in einem Nachbardorf. Bundesweit gewähren momentan 42 Kirchengemeinden Asyl, teilte die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft "Asyl in der Kirche" zum Weltflüchtlingstag gestern in Ber­ lin mit. In der Regel handele es sich bei den Perso­ nen um Flüchtlinge aus anderen Staaten, die kein gesichertes Aufenthaltsrecht besitzen. Allerdings müsse von weiteren Kirchenasylen ausgegangen werden, da nicht alle der Arbeitsgemeinschaft ge­ meldet werden. Damit ist die Zahl der offiziell bekannten Kirchenasyle seit dem Jahr 2000 relativ konstant geblieben: Insgesamt gewährten 70 Kir­ chengemeinden von Abschiebung bedrohten Men­ schen eine Zuflucht ... (Quelle: taz, 21.06.2005)

Arabische Zeitung über "Ehrenmorde" in Deutschland

Die sogenannten "Ehrenmorde" in Deutschland greift ein Kommentar in der arabischen Tages­ zeitung Al­Hayat auf. Der Autor, der in Berlin le­ bende Iraker Najim Wali, beschreibt das Schicksal von Hatin Sürücü, die im Februar in Berlin er­ mordet wurde. Für die Morde macht er vor allem aus Anatolien nach Deutschland transferierte pa­ triarchale Familienstrukturen verantwortlich.[1] Sein im Folgenden dokumentierter Kommentar erschien am 25.5.2005:

"Die Ehre Anatoliens in Ber lin" "Die Geschichte von Hatin Sürücü geister t wie ein Alptr aum durch die deutsche Hauptstadt"

"Die 23jährige deutsch­türkische Frau wurde vor allen Augen auf offener Straße erschossen. Ihre drei Brüder wollten mit den Kugeln, die sie auf sie ab­ feuerten, dem Gesetz Genüge tun, an das sie glau­ ben. Sie wollten auslöschen, was sie als Schand­ fleck in der Familie betrachten. Vielleicht hätte die­ ses Verbrechen gar nicht für so viel Diskus­ sionsstoff in den offiziellen und nichtoffiziellen Kreisen in Deutschland gesorgt, wenn es nicht schon der fünfte Mord in weniger als einem Jahr gewesen wäre, bei dem Männer ‚rebellische’ Frau­ en bestrafen wollten. Am 18. Oktober vergangenen Jahres starb eine junge deutsche Frau in einem kleinen Restaurant, die allem Anschein nach von ihrem früheren Ehe­ mann türkischer Herkunft erstochen wurde. Am 25. November starb die Türkin Semra wegen ­ wie ihr früherer türkischer Ehemann aussagte – Strei­ tigkeiten über die Erziehung ihres gemeinsamen Kindes. Vier Tage später wurde Malak von ihrem Mann erstochen, weil sie ihn verlassen hatte. Im

Februar dieses Jahres wurde dann Mariam ebenfalls von ihrem Ehemann erdrosselt, der daraufhin in die Türkei flüchtete. Und zuletzt musste Hatin Sürücü sterben, weil sie beschlossen hatte, unabhängig zu leben! Hatin Sürücü ist in Berlin geboren, sprach fließend deutsch und wurde gegen ihren Willen mit ihrem Cousin in der Türkei verheiratet. Sie sollte in Ana­ tolien als folgsame Ehefrau leben und durfte ihren Ehemann nicht abweisen, verlassen und zurück­ kehren. Als sie trotzdem nach Hause zurückkam, wurde sie von ihrer Familie verstoßen. Seitdem musste sie allein zurecht kommen. Vor fünf Jahren tauchte sie so im Berliner Jugendamt auf, weil sie ihr Leben alleine führen und ihr Kind großziehen wollte. Seitdem lebte sie dann im ,Frauenhaus' [wörtl.: Haus für Frauen auf der Flucht vor Gewalt]. In Fernsehberichten und Presseinterviews erinner­ ten sich die Sozialarbeiterinnen aus dem Frauen­ haus mit Schmerzen an die Frau, die zum Zeitpunkt ihrer Flucht gerade mal 17 Jahre alt war. Hatin war sehr ernsthaft, zurückhaltend und trug immer ein Kopftuch. Ihr Sohn war damals knapp ein Jahr alt. Sie berichtete, dass sie nirgendwohin könne, nach­ dem ihre Familie sie verstoßen hatte ­ damals kann­ te sie niemanden außer ihrer Familie. Darunter hat sie lange gelitten und lebte zerrissen zwischen der Sehnsucht nach der Familie und der Tatsache, dass diese sie abwies ­ gleich wie sehr sie auch versuch­ te, sich ihr wieder anzunähern. Nie wieder konnte sie das Haus ihrer Familie betreten, nicht einmal an der Hochzeit ihres Bruders durfte sie teilnehmen. Ihr Vater sprach bis zum Schluss nicht mehr mir ihr und ihre Mutter nur insgeheim. Nachdem Hatin Sürücü auf verschiedenste Weise versucht hatte, sich ihrer Familie wieder anzu­ nähern und alle ihre Bemühungen gescheitert wa­ ren, wurde ihr irgendwann klar, dass sie alleine war und ihr Leben selbst gestalten musste. Sie war un­ abhängig und beschloss, ein freies Leben zu füh­ ren. Hatin beendete ihre Schule und lernte Elektro­ installateurin. Ihr Sohn, den sie alleine erzogen hatte, wuchs heran und wurde für sie zu einem klei­ nen Freund. Sie selbst wurde zum Musterbeispiel für eine moderne, unabhängige und kämpferische Frau. Aber sie kannte das anatolische Familienge­ setz: Gerade wegen ihrer Unabhängigkeit, war sie eine Frau, ,die den Tod verdient'. Weil sie, so po­ saunten es ein paar türkische Schüler vor den Ka­ meras heraus, wie eine Deutsche lebte. Wenigstens waren einige ihrer Ausbildungskolle­ gen bei der Beerdigung. Als aber der Sarg getragen wurde, waren nur alte Männer um ihn herum. Die Patriarchen schaufelten das Grab und die Frauen warfen verzweifelte Blicke in die Gruft. Aber nie­ mand legte eine Blume auf ihr Grab." [1] Siehe dazu u.a. auch: Jörg Lau in: Die Zeit, 3.3.2005 und 9/2005; sowie Sonia Phalnikar und (über die Reaktion türkischer Verbände) Cem Sey auf www.qantara.de vom 28.2. bzw. 8.3. 2005. Außerdem hat die deutsche Ausgabe der türkisch­ nationalistischen Zeitung Hürriyet, die bis vor kur­ zem noch einige kritische Autorinnen wegen ihrer Aussagen zu Ehrenmorden und Zwangsheirat ange­ griffen hat, gerade eine Kampagne gegen häusliche Gewalt gestartet. Ein Faltblatt der Hürriyet zu der Kampagne ist bei der Zeitung selbst oder bei vielen türkischen Verbänden und Insti­tutionen in Deutschland zu bekommen. (Quelle: 27.05.2005,| MEMRI Special Dispatch )

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Neuerscheinung: Johannes Düchting, Die Kinder des Engel Pfau – Religion und Geschichte der kurdischen Yezidi

KOMKAR Publikation, ISBN: 3­927213­23­3, Preis: 20,00 Euro In Kurdistan ist eine der ältesten Religionen der Menschheit beheimatet: die Religion der Yezidi. Auf Grund von Migration und Vertreibung leben inzwischen aber auch in der Bundesrepublik Deutschland zehntausende An­ hänger dieser Religion. Hier dürfte sie inzwischen nach Christen, Moslems und Juden die viertgrößte Religions­ gruppe sein. Bekannt ist einer breiten Öffentlichkeit aber so gut wie nichts über sie. Lediglich von „Teufelsanbe­ tern“ oder einer „Geheimreligion“ wird gemunkelt und alle paar Wochen verbreitet ein deutsches Montagsmaga­ zin Schauergeschichten über die Religionsgruppe. Allenfalls weiß man noch aus der Lektüre Karls Mays, daß die Yezidi irgendwo im „wilden Kurdistan“ beheimatet sind. Johannes Düchting, Vorstandsmitglied des Internationalen Zentrums für Menschenrechte der Kurden, berichtet in seinem im November 2004 erschienenen Werk kenntnisreich über die Inhalte der yezidischen Religion und die Geschichte des yezidischen Volkes. Der Autor zählt zahlreiche Angehörige der Religion zu seinem Bekann­ tenkreis und hat mehrfach die Heimatregion der Yezidi (zuletzt im September 2004 das im Nord­Irak gelegene religiöse Zentrum von Sheikh Adi) besucht. Schwerpunkt des ersten Teils des auf zwei Bände konzipierten Wer­ kes sind die Inhalte und die Praxis der yezidischen Religion, die der Autor im Vergleich mit zahlreichen anderen kurdischen und nah­östlichen Religionen darstellt, die Einfluß auf die Yezidi­Religion genommen haben, aber auch von dieser beeinflußt worden sind. Bestellung: beim IMK e.V.

Neue Dokumentation: Trauma und Therapie Erfahrungen in der psychosozialen Arbeit mit Überlebenden von Krieg und Gewalt

Mit Beiträgen von: Knut Rauchfuss, Imihan Zorlu, Hamidiye Ünal, Jutta Bierwirth, Cinur Ghaderi, Karin Grie­ se, Dr. med. Hubertus Adam, Dr. med. Joachim Walter, Salah Ahmad, Joachim Sobotta und Johannes Düchting Das Internationale Zentrum für Menschenrechte der Kurden und die Medizinische Flüchtlingshilfe haben in den Jahren 2002 und 2003 eine Reihe von Fortbildungsveranstaltungen für MitarbeiterInnen und KollegInnen in der Arbeit mit Kriegs­ und Gewaltopfern sowie für andere beruflich motivierte InteressentInnen durchgeführt. Im Rahmen der Fortbildungsreihe stellten ExpertInnen aus unterschiedlichen Feldern der psychosozialen Arbeit ihre Erfahrungen im Umgang mit Opfern von Krieg und staatlicher Gewalt vor und referierten über Entste­ hungsbedingungen von Traumata, Therapiemethoden sowie über die vielschichtigen gesellschaftlichen Hinder­ nisse in der Arbeit mit Betroffenen. Ein Teil der Vorträge dieser Fortbildungsreihe, ergänzt um eigene Beiträge der HerausgeberInnen, haben zu diesem Buch geführt. Es soll dazu beitragen, die Diskussion um Methoden und Ziele psychosozialer Arbeit mit Überlebenden von Krieg und Folter fortzuführen. ISBN 3 – 933881 – 19 – 6, Zu beziehen über IMK e.V., Preis: 21,­­ Euro (incl. Ver sandkosten)

"Mord im Namen der Ehre" Entwicklung und Hintergründe von "Ehrenmorden" – eine in Kurdistan verbreitete Form der

Gewalt gegen Frauen Eine besonders verabscheuenswürdige Form der Gewalt gegen Frauen sind die "Morde im Namen der Ehre," die bis heute im Nahen Osten und vor allem auch in Kurdistan üblich sind, ja sogar in den letzten Jahren häufiger geworden zu sein scheinen. Immer wieder werden dort Frauen ermordet, nur weil sie in Konflikt mit den rigiden herrschenden Moralvorstellungen geraten sind.

IMK ­ Menschenrechtsinformationsdienst Nr. 242­243 16

Was sind die Gründe dafür, dass zahlreiche Frauen umgebracht werden, nur um die angeblich durch sie befleck­ te Familienehre zu reinigen? Stehen die "Ehrenmorde" mit dem Erstarken des Islam und seinen Moralvorstellun­ gen im Zusammenhang? Warum sind diese Morde vor allem in Kurdistan zu beobachten, handelt es sich bei ihnen etwa um eine "kurdische Tradition"? Diesen Fragen gehen in diesem Buch zwei kurdische Wissenschaftle­ rinnen nach. Die Rechtsanwältin Hamiyet Izol untersucht das Phänomen in den türkischen Teilen Kurdistans, Dr. Mukaddes Sahin in den irakischen Teilen des Landes, vor allem in den sog. kurdischen Selbstverwaltungs­ Gebieten, die schon vor dem Sturz des Saddam­Regimes dem Zugriff des Tyrannen entzogen waren. Johannes Düchting informiert darüber, wie das deutsche Flüchtlingsrecht mit Frauen umgeht, die Gefahr laufen, in ihrer Heimat Opfer von "Ehrenmorden" zu werden. Zu beziehen über IMK e.V. Preis: 12,­­ Euro (incl. Versandkosten)

Neue Studie: AUSLÄNDER IM EIGENEN LAND ­ Die Situation staatenloser Kurden in Syrien

In der Provinz Hasaka wurde 1962 ca. 120.000 Kurden die syrische Staatsangehörigkeit entzogen, sie wurden so zu Staatenlosen, zu Ausländern im eigenen Land. Die vorliegende Dokumentation beschäftigt sich mit der Situation dieser Bevölkerungsgruppe. Unser Ziel ist es, in einem ersten Schritt sowohl die Hintergründe ihrer Ausbürgerung als auch deren bis in die Gegenwart rei­ chende Folgen darzustellen. Gezeigt wird, dass die Ausbürgerungskampagne von 1962 integraler Bestandteil der allgemeinen Arabisierungsbestrebungen der syrischen Regierung gewesen ist und dass die syrische Politik ge­ genüber den (staatenlosen) Kurden bis in die Gegenwart durch diese Arabisierungslogik geprägt wird. In einem zweiten Schritt wird aufgezeigt, gegen welche nationalen Gesetze und internationale Abkommen die syrische Praxis gegenüber Staatenlosen verstößt. Dieser Teil der Studie schließt mit einer Reihe von Empfehlungen zur Verbesserung der Situation der Staatenlo­ sen, die insbesondere an die syrische Regierung, aber auch an andere internationale Akteure gerichtet sind. Die Situation der aus Syrien stammenden „staatenlosen“ Kurden hat inzwischen auch die deutschen Behörden und Gerichte beschäftigt. Immer mehr dieser Kurden gelingt die Flucht nach Europa und in die Bundesrepublik Deutschland, wo sie, um ihren Aufenthalt hier zu sichern, zumeist Asyl beantragen. Lange Zeit spielte es in den Asylverfahren keine Rolle, ob es sich bei den Asylbewerbern um Kurden mit oder ohne syrische Staatsangehörigkeit handelte. Etwa Anfang 2001 änderte sich jedoch die Rechtsprechung hinsichtlich dieses Personenkreises. Inzwischen werden in Deutschland Asylanträge, die sich darauf stützen, dass man staatenloser Kurde aus Syrien sei, regel­ mäßig abgelehnt. Da zur Situation staatenloser Kurden kaum Veröffentlichungen in deutscher Sprache vorliegen, hoffen wir mit unserer Dokumentation einen wichtigen Beitrag zu diesem Thema geleistet zu haben. Mit Beiträ­ gen von Eva Savelsberg, Siamend Hajo und Celal Abbas Kömür sowie Johannes Düchting Zu beziehen über IMK e.V. Preis: 10,­ Euro (incl. Ver sandkosten)

Neuer scheinung! Neues Buch über Kurden und Menschenrechte in Syr ien! Out now! New book on the Kurds and the human r ights issue in Syr ia!

Harriet Montgomery: The Kurds of Syr ia. An existence denied Berlin 2005, 160 pp. (ISBN 3­938712­01­5) + 24­page executive summary (ISBN 3­938712­02­3) EUR 12.— (+ Porto und Verpackung: 1,50 EUR innerhalb Deutschlands, 3,50 EUR ins Ausland/+ shipping and handling: EUR 1.50 within Germany, EUR 3.50 abroad) The main focus of the book is the human rights issues pertaining to the Kurds of Syria. But rather than starkly setting out the bare bones of human rights violations in Syria, the book contextualises the Kurdish question in Syria and provides some explanation for its development. It documents and explains the Syrian state's treatment of its Kurdish population by setting the Kurdish predicament within its historical and regional context and the framework of international human rights law. Zu beziehen über/Available from:Europäisches Zentrum für Kurdische Studien Berliner Gesellschaft zur Förderung der Kurdologie e. V. (BGFK), Emser Straße 26, 12051 Berlin, Germany phone: ++49 ­ [0]30 ­ 62 60 70 32, fax: ++49 ­ [0]721 ­ 151 ­ 30 34 61, [email protected] Bankverbindung/Bank account: Kontonummer/Account no.: 3308000, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ / BIC: 100 205 00 / BFSWDE31BER IBAN: DE19 1002 0500 0003 3080 00 Bestellungen innerhalb Deutschlands per Einzugsermächtigung, internationale Bestellungen nur per Vorkasse. Orders within Germany with direct­debit mandate, international orders only with payment in advance.