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Begleitunterlagen zum Universitätskurs „Prüfungstheorie“ Grundlagen der Jahresabschlussprüfung Sommersemester 2010 Prof. Dr. Dr. h. c. Jörg Baetge

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Begleitunterlagen zum Universitätskurs

„Prüfungstheorie“

Grundlagen der Jahresabschlussprüfung

Sommersemester 2010

Prof. Dr. Dr. h. c. Jörg Baetge

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Anmerkung von Prof. Baetge: Das Skriptum basiert auf deutschem Recht. An den entsprechenden Stellen wird aber auf die österreichischen Vorschriften des UGB verwiesen. Für die Referate sind aber die (evtl. über die im Skriptum genannten, hinausgehenden) österreichischen Vorschriften inhaltlich zu berücksichtigen.

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I

INHALTSÜBERSICHT

1 Prüfungsplanung 11 Prüfungsplanung als Bestandteil der Jahresabschlussprüfung 12 Ziele, Bedingungen und Gegenstand der Prüfungsplanung 13 Phasen der Prüfungsplanung 14 Planungsverfahren 2 Prüfungstechnik 21 Abgrenzung der Prüfungsfelder 22 Art der Prüfungshandlungen 23 Umfang der Prüfungshandlungen 24 Prüfungsinstrumente 25 Netzplantechnik 3 Risikoorientierte Prüfung 31 Verpflichtung zur risikoorientierten Abschlussprüfung 32 Die Risiken des Abschlussprüfers 33 Das Prüfungsrisikomodell 4 Überwachungstheorie 41 Einführung 42 Kriterien zur Beurteilung von Überwachungsmaßnahmen 43 Organisationsmöglichkeiten für eine Überwachung betrieblicher Prozesse 44 Bildung und Analyse von internen Überwachungssystemen 45 Überwachungssysteme und Überwachungshierarchien

Stand: SoSe 2010

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Prüfungstheorie

II

INHALTSVERZEICHNIS

1 Prüfungsplanung 1 11 Prüfungsplanung als Bestandteil der Jahresabschlussprüfung 1 12 Ziele, Bedingungen und Gegenstand der Prüfungsplanung 2 121. Grundbegriffe 2 121.1 Der Begriff Planung 2 121.2 Der Begriff Prüfungsplanung 3 122. Rahmenbedingungen der Prüfungsplanung 5 123. Ziele der Prüfungsplanung 6 123.1 Ziele aus der Sicht externer Adressaten 8 123.2 Ziele aus der Sicht des zu prüfenden Unternehmens 8 123.3 Ziele aus der Sicht der Prüfungsorgane 8 124. Anforderungen an die Prüfungsplanung 17 125. Art und Umfang der Prüfungsplanung 19 125.1 Entwicklung einer Prüfungsstrategie 19 125.2 Erstellung eines Prüfungsprogramms 19 125.21 Überblick 19 125.22 Sachliche Planung 20 125.23 Personalplanung 22 125.24 Zeitplanung 23 13 Phasen der Prüfungsplanung 24 131. Zielbildung 24 132. Informationssuche 26 133. Eventualplanung 30 134. Entscheidung(en) für bestimmte Pläne 33 135. Planvorgabe (Sollzahlen) 37 136. Realisation der Planung 38 137. Überwachung der Prüfungsplanung und -realisation 38 138. Interdependenzen der Prüfungsplanungsschritte 40 14 Planungsverfahren 41

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Prüfungstheorie

III

2 Prüfungstechnik 42 21 Abgrenzung der Prüfungsfelder 42 22 Art der Prüfungshandlungen 50 221. Prüfungsrichtung 50 221.1 Progressive Prüfung 50 221.2 Retrograde Prüfung 52 221.3 Bidirektionale Prüfung 54 222. Prüfungsinhalt 55 222.1 Anforderungen des IDW 55 222.2 Formelle Prüfungshandlungen 56 222.3 Materielle Prüfungshandlungen 58 223. Prüfungsgegenstand 59 223.1 Prüfung des Erfassungs-, Verarbeitungs- und Kontrollsystems 59

(Systemprüfung) 223.2 Prüfung der Jahresabschlusszahlen (Ergebnisprüfung) 69 223.21 Vorbemerkung 69 223.22 Analytische Prüfungshandlungen 69 223.23 Prüfung von Geschäftsvorfällen und Beständen 71 23 Umfang der Prüfungshandlungen 72 231. Determinanten des Prüfungsumfangs 72 232. Vollprüfung 75 233. Auswahlprüfung 76 233.1 Überblick zu den Verfahren 76 233.2 Bedeutung von Vorinformationen 78 233.3 Systematisch gesteuerte Auswahlverfahren 81 233.31 Auswahlkriterien und Prüfungsumfang 81 233.311. Konzentrationsauswahl 81 233.312. Auswahl typischer Elemente 85 233.313. Detektivische Auswahl 86 233.32 Beurteilung systematisch gesteuerter bewusster 88

Auswahlverfahren 233.4 Zufallsgesteuerte Auswahlverfahren 89 233.41 Grundlagen 89 233.411. Zufalls-(Urnen-) Modell 89 233.412. Voraussetzungen für eine Stichprobenprüfung 91 233.413. Verteilungsannahmen 93 233.42 Arten der Stichprobenauswahl 95 233.421. Einfache Stichprobenauswahl 95 233.422. Geschichtete Auswahl 97 233.423. Wertproportionale Auswahl 99 233.424. Mehrstufige Stichprobenauswahl 101 233.43 Fragestellungen bei Stichprobenprüfungen 104 233.431 Überblick 104 233.432 Die Schätzstichprobe bei heterograder Fragestellung 107 233.5 Vergleich der Auswahlverfahren 109 233.6 Die Bedeutung der Ergebnisse der Auswahlprüfung für die Bildung 111

des Gesamturteils

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Prüfungstheorie

IV

24 Prüfungsinstrumente 112 241. Prüfungshandbücher 112 241.1 Standardprüfprogramme 112 241.2 Arbeitspapiere 113 241.3 Fallsammlungen 116 242. Computerprüfprogramme 117 25 Netzplantechnik 118 251. Gegenstand der Netzplantechnik 118 252. Entwicklung der Netzplantechnik 119 253. Netzplanelemente und Netzplantypen 119 253.1 Netzplanelemente 119 253.2 Netzplantypen 121 253.3 Grundregeln für die Darstellung von Netzplänen 122 254. Ablaufplanung und Zeitplanung mit Hilfe der Netzplantechnik 124 254.1 Überblick 124 254.2 Ablaufplanung für einen Auftrag 125 254.3 Zeitplanung für einen Auftrag 127 255. Beurteilung der Netzplantechnik 132 3 Risikoorientierte Prüfung 133 31 Verpflichtung zur risikoorientierten Abschlussprüfung 133 32 Die Risiken des Abschlussprüfers 134 321. Das allgemeine Geschäftsrisiko des Abschlussprüfers 134 322. Das spezielle Auftragsrisiko des Abschlussprüfers 135 323. Prüfungsrisiko 136 323.1. Definition des Prüfungsrisikos 136 323.2 Bestandteile des Prüfungsrisikos 138 323.3 Fehlerrisiko 140 323.31 Inhärentes Risiko 140 323.32 Kontrollrisiko 142 323.4. Entdeckungsrisiko 143 323.41 Risiko analytischer Prüfungshandlungen 143 323.42 Risiko detaillierter Prüfungshandlungen 144 323.5 Risiko der künftigen Entwicklung 146 323.51 Definition 146 323.52 Instrumente zur Beurteilung der Bestandsfestigkeit 147 33 Das Prüfungsrisikomodell 151 331. Aufbau des Prüfungsrisikomodells 151 332. Kritische Würdigung des Prüfungsrisikomodells 154

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Prüfungstheorie

V

4 Überwachungstheorie 156 41 Einführung 156 411. Wirtschaftsprüfung als Überwachungstätigkeit 156 412. Misstrauen als Motiv der Überwachung? 157 413. Überwachungsadressaten 158 414. Überwachungswirkungen 162 415. Schritte der Überwachung 164 416. Zur Darstellung von Überwachungsprozessen 165 42 Kriterien zur Beurteilung von Überwachungsmaßnahmen 166 43 Organisationsmöglichkeiten für eine Überwachung betrieblicher Prozesse 171 431. Organisationsmaßnahmen zur unmittelbaren Effizienzsteigerung 171

der Überwachung 431.1 Überblick 171 431.2 Aufgabenbildung und -gliederung 173 431.3 Aufgabenzuordnung 173 431.31 Vertikale Aufgabentrennung 173 431.32 Horizontale Aufgabentrennung 176 431.33 Aufgabenvervielfachung 176 431.4 Funktionsbildung und -gliederung 178 431.5 Funktionszuordnung 178 431.51 Selbstüberwachung bzw. Funktionszusammenfassung 178 431.52 Fremdüberwachung bzw. Funktionstrennung 179 431.6 Kompetenzbildung, -gliederung und -zuordnung 181 431.7 Verantwortlichkeitsbildung, -gliederung und -zuordnung 181 432. Organisationsmöglichkeiten zur mittelbaren Effizienzsteigerung 181

der Überwachung 44 Bildung und Analyse von internen Überwachungssystemen 183 441. Die Isolierung von Überwachungsschritten aus dem Arbeitsablauf 183 442. Die Ermittlung von Zuverlässigkeiten für die verschiedenen Kopplungstypen 185 442.1 Überblick 185 442.2 Zusammenführung 186 442.3 Reihenkopplung 186 442.4 Parallelkopplung 187 442.5 Rückkopplung 188 443. Wirkung der Überwachung auf die Zuverlässigkeit von Routinetätigkeiten 191 443.1 Wirkung der Selbstüberwachung 191 443.2 Wirkung der Fremdüberwachung 192 45. Überwachungssysteme und Überwachungshierarchien 193

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Prüfungstheorie

1

1 Prüfungsplanung

11 Prüfungsplanung als Bestandteil der Jahresabschlussprüfung

Aufgaben der handelsrechtlichen Jahresabschlussprüfung:

Ermittlung und Mitteilung eines verlässlichen und sicheren Urteils über die Gesetz- und Satzungsmäßigkeit sowie die Ordnungsmäßigkeit der im Jahresabschluss und Lagebericht gegebenen Informationen.

⇒ Bedingung: Systematische Prüfungsplanung!

Prüfungsplanung ist Bestandteil der Grundsätze ordnungsmäßiger Abschlussprüfung (GoA); Kodifikation in IDW PS 240.

Ziele der Prüfungsplanung:

Sicherung der Urteilsqualität, Zeitgerechte Prüfungsdurchführung, Wirtschaftlichkeit der Prüfungsdurchführung.

Prüfungsplanung als komplexes Problem.

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Prüfungsplanung

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12 Ziele, Bedingungen und Gegenstand der Prüfungsplanung

121. Grundbegriffe

121.1 Der Begriff Planung

Definition von Planung nach Hax: "Gedankliche Vorwegnahme des künftigen Geschehens" versus Improvisation: Reaktion auf eine bereits eingetretene Situation.

Vorausüberlegungen für die Planung: Entwicklung eines kompatiblen Zielsystems, Diagnose der Vorperiode, Prognose der künftigen Umweltbedingungen, Informationsbeschaffung über mögliche Handlungsalternativen, Bestimmung der Handlungskonsequenzen abhängig von der jeweiligen

Umweltsituation, Bewertung der Handlungskonsequenzen im Hinblick auf die angestrebten Ziele, Entscheidung für die optimale Handlungsalternative.

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Prüfungstheorie

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121.2 Der Begriff Prüfungsplanung

Definition Überwachung: Vergleich der im Betrieb realisierten Istobjekte mit Vergleichsobjekten, und zwar entweder

mit den Sollobjekten der Planung oder mit anderen geeigneten Istobjekten, mit dem Ziel 1. festzustellen, ob zwischen den Objekten Übereinstimmungen oder Abweichungen

bestehen und 2. aus diesen Feststellungen Konsequenzen zu ziehen. ⇒ Überwachung umfasst sowohl Kontrolle als auch Prüfung.

Definition Kontrolle: Überwachungshandlungen sind fest in den betrieblichen Arbeitsablauf eingebaut, und/oder

der Überwacher ist für die Ergebnisse des (überwachten) Prozesses verantwortlich.

Definition Prüfung: Überwachungshandlungen sind nicht fest in den Arbeitsablauf eingebaut, und der

Überwacher ist nicht für die Ergebnisse des (überwachten) Prozesses verantwortlich. ⇒ Prozess zur Gewinnung eines vertrauenswürdigen Urteils über die richtige

Abbildung der Lage, d. h. ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Sachverhalte in Buchführung, Jahresabschluss und Lagebericht, durch Vergleich der vom Prüfer auszuwählenden Istobjekte mit Vergleichsobjekten mit dem Ziel, Abweichungen bzw. Übereinstimmungen zwischen diesen beiden Objektarten zu ermitteln und daraus ein Urteil zu bilden.

Prüfungs- und Kontrollhandlungen bilden zusammen das in Abbildung 1 dargestellte Betriebswirtschaftliche Überwachungssystem.

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Prüfungsplanung

BetriebswirtschaftlichesÜberwachungssystem

Unternehm erischeÜberwachung

H oheitlicheÜberwachung

Kontrolle Revision

M anuelleK ontrolle

Automat.Kontrolle

Datenaus-wertung

InterneRevision

ExterneRevision

+ Reaktionen+ Korrektur

Internes Kontrollsystem-Element= IKSE

Internes Kontroll System (= IKS)

Revisionssystem

Abb. 1: Betriebswirtschaftliches Überwachungssystem

Definition Prüfungsplanung: Zielgerichtete gedankliche Vorwegnahme der künftigen Beurteilungsprozesse von

Prüfungsobjekten anhand vorgegebener Normen.

Charakteristika der Prüfungsplanung: • Zukunftsbezogenheit, • Rationalität, • Gestaltungscharakter, • Prozessphänomen, • Informationeller Charakter.

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122. Rahmenbedingungen der Prüfungsplanung

Einschränkung der Prüfungsplanung durch endogene und exogene Restriktionen: • Endogene Restriktionen: - Langfristige Planung umfasst die kurzfristige Planung; - Einengung der Dispositionsfreiheit nachgeordneter Instanzen durch Vorgaben

übergeordneter Instanzen; - Zeitliche Vorgaben und Vorentscheidungen im Personalbereich begrenzen den

Dispositionsspielraum im Sachbereich; - Sachliche und personelle Vorentscheidungen reduzieren die Freiheitsgrade der

Planung in zeitlicher Hinsicht; - Sachliche und zeitliche Vorentscheidungen limitieren Planungsmöglichkeiten in

personeller Hinsicht. • Exogene Restriktionen: - Gesetzliche Vorschriften des dHGB bzw. UGB (§§ 316 – 324a dHGB bzw. §§

268 - 276 UGB), die WPO sowie vertragliche Regelungen zwischen Prüfer und geprüftem Unternehmen;

- Außergesetzliche Vorschriften der IDW Prüfungsstandards; - Sachliche Beschränkungen resultieren aus den Berufsgrundsätzen der

Unabhängigkeit und Unbefangenheit (§ 43 WPO); - Personelle Beschränkungen folgen aus dem Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit; - Zeitliche Beschränkungen ergeben sich aus den gesetzlichen und vertraglichen

Regelungen zwischen Prüfer und geprüftem Unternehmen.

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123. Ziele der Prüfungsplanung

Rationale Prüfungsplanung hat sich an den Zielen der Prüfung zu orientieren. ⇒ Notwendigkeit einer operationalen Zielvorschrift, d. h. • die Alternativen sind hinsichtlich Inhalt, Ausmaß und Zeitbezug eindeutig

festgelegt, • Kompatibilität der Einzelziele (i. S. einer lexikographischen Präferenzordnung oder

durch Substitutionsbeziehungen).

Entwicklung einer operationalen Zielvorschrift • Prämissen: - Erwerbswirtschaftlich orientiertes Prüfungsunternehmen, - Oberziel: Langfristige Erzielung von maximalen Unternehmensgewinnen, - Sachlicher Bezug: Eine einzelne handelsrechtliche Pflichtprüfung. • Zielbildung ist abhängig von den verschiedenen Prüfungsadressaten • Kontroverse Diskussion um die Zielvorschrift im Schrifttum: SCHMALENBACH: "Die Wirtschaftsprüfung darf kein Geschäft sein, sondern sie (im Orig.: es) muß ein

Amt im besten Sinne des Wortes werden." versus LOITLSBERGER: "Die Prüfung wird nicht um ihrer selbst willen durchgeführt; sie ist eine wirtschaftliche

Veranstaltung und hat nur dann Sinn, wenn der durch sie gestiftete (in Geldeinheiten bewertete) Nutzen die Kosten ihrer Durchführung übersteigt."

IDW fordert im IDW PS 240, Wirtschaftlichkeit und Termingerechtigkeit der Prüfung

zu erreichen.

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Prüfungstheorie

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Wirtschaftlichkeitsprinzip: a) Wähle bei gegebenem Mitteleinsatz diejenige Handlungsalternative, welche zum

höchsten Ergebnis führt (Maximierungspostulat) bzw. b) Wähle bei Vorgabe eines bestimmten zu erreichenden Ergebnisses diejenige

Handlungsalternative, die den geringsten Mitteleinsatz erfordert (Minimie-rungspostulat)!

c) Generelles Extremierungspostulat: Wähle das optimale Verhältnis oder die größte

Differenz zwischen bewertetem Ertrag und Aufwand, wenn weder Aufwand noch Ertrag von vornherein vorgegeben sind!

⇒ Problem: Definition des Wirtschaftlichkeitsprinzips vernachlässigt, dass das

Ergebnis bzw. der Mitteleinsatz des Handelns ex ante i. d. R. unsicher ist.

Erweiterung des Wirtschaftlichkeitsprinzips um die Risikokomponente: Wähle jene Handlungsalternative, die unter Einhaltung einer bestimmten Risiko-

grenze: a) ein vorgegebenes Ergebnis mit dem vermutlich geringsten Mitteleinsatz bzw. b) bei vorgegebenem Mitteleinsatz das vermutlich höchste Ergebnis verspricht bzw. c) ein optimales Verhältnis oder die größte Differenz zwischen bewertetem Ertrag

und Mitteleinsatz vermuten lässt! ⇒ Risikogrenze wird durch die Prüfungsadressaten (externe Adressaten,

Auftraggeber, Prüfungsorgan) bestimmt.

Eine sorgfältige Planung der Abschlussprüfung trägt dazu bei sicherzustellen, dass: • alle Bereiche des Prüfungsgegenstands eine angemessene Berücksichtigung finden, • mögliche Problemfelder erkannt werden, • der Prüfungsauftrag zeitgerecht bearbeitet werden kann, • der Mitarbeitereinsatz und die ggf. notwendige Zusammenarbeit mit anderen Prüfern

oder Sachverständigen koordiniert und • der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der AP beachtet wird.

Neben der Planung zur Durchführung der Abschlussprüfung wird durch eine sachgerechte Gesamtplanung aller Aufträge einer WP-Praxis die Voraussetzung dafür geschaffen, dass übernommene und erwartete Aufträge unter Beachtung der Berufsgrundsätze ordnungsgemäß durchgeführt und zeitgerecht abgeschlossen werden können (vgl. IDW PS 240).

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123.1 Ziele aus der Sicht externer Adressaten

Ergebnis der Abschlussprüfung ist der vom externen Adressaten in Geldeinheiten ver-anschlagte Wert der Prüfung, vor allem der Wert des Testats.

Um dieses Ergebnis zu erzielen, verzichtet er auf einen Teil seines ausschüttungsfähigen

Jahreserfolges, denn das Prüfungshonorar wird zum Aufwand der geprüften Gesellschaft. 123.2 Ziele aus der Sicht des zu prüfenden Unternehmens

Ergebnis der Abschlussprüfung ist der vom zu prüfenden Unternehmen in Geldeinheiten veranschlagte Wert der Prüfungsurteile.

Prüfungsurteile: - Testat, - Prüfungsbericht, - Informationen aus Prüfergesprächen, - Management Letter.

Für die Prüfungsurteile entstehen dem zu prüfenden Unternehmen Kosten in Höhe des Prüferhonorars und Kosten für die Beschaffung und Bereitstellung der für die Abschlussprüfung notwendigen Informationen.

123.3 Ziele aus der Sicht der Prüfungsorgane

Das Prüfungsorgan lehnt einen Prüfungsauftrag ab, wenn die Wahrscheinlichkeit zu groß ist,

- dass der Kostenbetrag für die Prüfungsdurchführung über den geplanten (Höchst-)

Betrag (Prüfungshonorar) steigt oder - dass das Honorar unter den geplanten (Mindest-) Betrag (Prüfungshonorar) fällt.

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Prüfungstheorie

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In welchem Rahmen beeinflussen die anderen beiden Interessentengruppen die Ausprägung des Wirtschaftlichkeitsprinzips des Prüfungsorgans?

Jede der drei Interessentengruppen kann grundsätzlich ihr eigenes gewünschtes

Ergebnis und ihren eigenen Mitteleinsatz unter Beachtung des gesetzlich festgeleg-ten Rahmens selbst bestimmen.

- Auftragsvergabepflicht für den Auftraggeber (§ 316 Abs. 1 dHGB bzw.

§ 268 Abs. 1 UGB), - Qualität der Endprodukte der Prüfung (Urteile) ist in § 317 Abs. 1 dHGB

bzw. § 269 Abs. 1 UGB nur unzureichend fixiert, - außenstehende Gesellschafter können ihre Wünsche und Ansprüche nicht in

die Auftragsverhandlungen einbringen, - keine endgültige Preisfestlegung für die Leistung vor Fertigstellung des

Endprodukts. • Außenstehende Gesellschafter können nur sehr begrenzt Einfluss auf ihr

gewünschtes "Ergebnis" und ihren "Mitteleinsatz" bei der Abschlussprüfung nehmen.

• Einflussmöglichkeiten der Auftraggeber nur in sehr begrenztem Rahmen des

§ 318 dHGB bzw. § 270 UGB möglich (aber Marktmacht!). • Prüfer hat wegen der Agency-Problematik den größten Spielraum, seine

Vorstellung von der Wirtschaftlichkeit der Prüfung durchzusetzen; aber: - Mitteleinsatz wird durch: -- gesetzlich vorgeschriebenen Prüfungsumfang,

-- berufsrechtlichen bzw. berufsethischen Verhaltenskodex begrenzt.

- Ergebnis (Honorar) wird durch: -- Treuepflicht gegenüber Auftraggeber,

-- Vorvereinbarung des Zeitbudgets und des Zeithonorarsatzes (unter Kautelen) begrenzt.

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Grundsätzliches Verbot von Pauschalhonoraren durch Schreiben der WPK Begründung: Gefahr eines nicht hinreichend sicheren und genauen Urteils, wenn der tatsächliche

Zeitbedarf größer ist als das vereinbarte Zeitbudget. Gegenargument: Für diesen Fall muss sich der Abschlussprüfer in den Prüfungsverträgen durch Kautelen

absichern. Zusätzliche vertragliche Vereinbarung ist dahingehend möglich, dass • bei Planungsfehlern und Ineffizienzen der Prüfungsunternehmung eine Aus-

weitung der Prüfung zu ihren eigenen Lasten geht, • bei unerwarteten Schwierigkeiten, die die zu prüfende Unternehmung zu ver-

antworten hat, eine zeitliche Ausweitung der Prüfung zu Lasten der zu prüfenden Unternehmung geht.

Ergebnis: • ”Feste” Honorarvereinbarungen vor Auftragsvergabe sind nur akzeptabel, sofern

eine zeitliche Ausdehnung der Prüfung, welche in den Verantwortungsbereich der zu prüfenden Unternehmung fällt, auch zu deren Lasten geht.

• Außerdem muss der Prüfer sein geplantes Zeitbudget zu seinen Lasten ausdehnen,

wenn Vertrauenswürdigkeit des Urteils bei Einhaltung des Zeitbudgets nicht erreicht werden kann und die Gründe nicht beim zu prüfenden Unternehmen liegen, z. B. mangelnde Prüfungsplanung oder fehlerhafte Prüfungsausführung. In diesem Fall muss länger geprüft werden, ohne dass der Prüfer für die Budgetüberschreitung mehr Zeithonorar erhält.

- Gründe für die Ausdehnung des Zeitbudgets zu Lasten der zu prüfenden

Gesellschaft: -- Mangelnde Qualität des IKS, -- Fehlende Prüfungsbereitschaft des zu prüfenden Unternehmens, -- Erhebliche Fehler im Rechnungswesen. - Gründe für die Ausdehnung des Zeitbudgets zu Lasten des Prüfungsunter-

nehmens: -- Mangelnde Effizienz der Prüfenden, -- Mangelnde Prüfungsplanung. • Bei Vereinbarung von Zeitbudget und Zeithonorarsatz ist eine Absicherung

des Prüfers im Prüfungsvertrag durch Kautelen erforderlich.

Das Honorar setzt sich aus einer Wertgebühr und einer Zeitgebühr zusammen:

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Prüfungstheorie

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• Wertgebühr richtet sich nach der Bilanzsumme des zu prüfenden Unternehmens.

Sie ist nicht beeinflussbar bzw. sollte es nicht sein. In der Praxis wird zunehmend auf eine Wertgebühr verzichtet.

• Zeitgebühr richtet sich nach der Zahl der eingesetzten Prüfer, der Prüfungszeit je

Prüfer, der Qualifikation der Prüfer und der Höhe der jeweiligen Gebührensätze.

Zwei Ansatzpunkte für Erlössteigerungen: 1. Steigerung der Gebührensätze • Kaum möglich, da Gebührensätze durch frühere Verlautbarungen des

IDW sowie Fortschreibung von Indexzuschlägen weitgehend standardisiert sind und da ein erheblicher Wettbewerb unter den Wirtschaftsprüfern bzw. Wirtschaftsprüfungsgesellschaften besteht.

2. Ausdehnung der Prüfungsdauer • zum Zwecke der Honorarmaximierung Verstoß gegen die Berufs-

grundsätze der Wirtschaftsprüfer (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 2 WPO) ⇒ STOVFE (Sorgfalt, Treue, Objektivität, Verschwiegenheit, Freibe-

ruflichkeit, Eigenverantwortlichkeit) und: langfristige Folge ist der Verlust des Prüfungsauftrages.

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Prüfungsplanung

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Entwicklung einer zweigeteilten, sequentiellen Zielvorschrift für den Prüfer (1) zur Akquisition (Erlangung) der Aufträge und (2) zur Erledigung der Aufträge. Zu (1): Eine Zielvorschrift zur Akquisition von Prüfungsaufträgen

Bedingung: Gewährleistung einer Mindestqualität des Urteils durch den Prüfer! • Problem: Normierung der Höhe (des Zielausmaßes) des zu fordernden Qualitätsstandards ⇒ Festlegung einer allgemeinen Norm für den Qualitätsstandard des Urteils: Jahresabschluss kann vom Prüfer als einwandfrei bezeichnet werden, wenn jede

Prüfung eines Prüfungsfeldes den GoA genügt, die die Urteilsqualität determinieren.

Relevante Einflussfaktoren für die Planung des Zeitbudgets: • Bekanntheitsgrad bzw. Kenntnis des Prüfungsobjekts (Erst- oder Folgeauftrag), • Prüfungsbereitschaft des zu prüfenden Unternehmens, • Umfang des Rechnungswesens, • Zahl/Größe der Prüfungsfelder, • Homogenität des Prüfungsstoffs, • Qualität des IKS, • Fehlererwartung, • Qualifikation, Zuverlässigkeit und Anzahl der Mitarbeiter des zu prüfenden

Unternehmens,

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Prüfungstheorie

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• Tätigkeit/Qualität der Internen Revision, • wirtschaftliche Lage des zu prüfenden Unternehmens. Einige der Einflussfaktoren sind bei den Vertragsverhandlungen noch nicht bekannt, daher

sind Annahmen bzw. Bedingungen bzgl. dieser Einflussfaktoren als anzupassende Prämissen in den Vertrag aufzunehmen.

Überlegungen bei der Akquisition • für einen potentiellen Prüfungsauftrag: Akquisiteur wird versuchen, ein möglichst hohes Honorar für den Auftrag zu erhal-

ten, ihn aber nach Möglichkeit nicht durch zu hohe Honorarforderungen zu ver-lieren.

Wichtig: Honorarvereinbarungen unter Kautelen. • für mehrere oder alle Prüfungsaufträge: Akquisiteur wird strategischen Überlegungen den Vorrang geben (Marktanteil,

kurz- und langfristige Kapazitätsauslastung, Wettbewerbsposition etc.).

Ergebnis: • Im Normalfall wird der Auftragsakquisiteur das Maximierungspostulat in Bezug

auf das Zeithonorar für jeden Auftrag verfolgen. • Entgegengesetztes Streben des Auftraggebers und die Wettbewerbs- und Ausla-

stungssituation des Akquisiteurs begrenzen das Maximierungsstreben. • Das Ergebnis der Auftragsverhandlungen sollte die Vereinbarung eines Zeit- und

Werthonorars unter Einschluss der besprochenen Kautelen sein, wobei der Auftragsakquisiteur bei der Ermittlung seiner gedanklichen Preisuntergrenze (Honoraruntergrenze) einen erforderlichen Prüfungsumfang unterstellen muss, der die GoA berücksichtigt.

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Prüfungsplanung

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Zu (2): Eine Zielvorschrift zur Erledigung von Prüfungsaufträgen

Liegt der Auftrag mit unter Kautelen vereinbartem Honorar vor, dann sind folgende Zielkomponenten für die (Detail-)Planung, die Realisation und die Überwachung des Prüfungsauftrages zu berücksichtigen:

a) die Kosten der Prüfungserledigung als Mitteleinsatz des Prüfungsunternehmens

und b) die Urteilsqualität.

Restriktion: Urteile des Prüfungsunternehmens müssen für Informationsadressaten vertrauenswürdig

sein. • Widerspruch zwischen Kostenminimierung und möglichst hoher Urteilsqualität,

wenn beide Ziele gleichzeitig verfolgt werden sollen. • Lösung: Formulierung des Ziels "Qualität des Urteils" als Nebenbedingung, durch die eine

bestimmte Mindestqualität erreicht werden soll ⇒ kompatibles Zielsystem. Hierzu notwendig: Festlegung des zu fordernden Qualitätsstandards, d. h. - Sicherheit und - Genauigkeit des Urteils sind festzulegen.

Zielfunktion: Ziel der Prüfung ist die Abgabe eines hinreichend vertrauenswürdigen Urteils für einen

gegebenen Prüfungsauftrag (bei vor Prüfungsbeginn unter bestimmten Kautelen vereinbartem Prüfungshonorar) mit minimalen Kosten für das Prüfungsunternehmen.

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Prüfungstheorie

Folgende Abbildung veranschaulicht die Metaebenen der Prüfung:

Jahresabschluß

Lagebericht

Bila

nz

GuV

Anh

ang

Tatsächlich vom Er-steller erreichter Grad

an Zuverlässigkeitund Genauigkeit derAussage des Jahres-

abschlusses und Lageberichtes

Vom Prüfer gefälltesUrteil über Zuverläs-sigkeit und Genauig-

keit des Jahresab-schlusses und des

Lageberichtes(uneingeschränkt, ein-geschränkt,verweigert)

Vertrauenswürdigkeit des Prüferurteils:Zuverlässigkeit und Genauigkeit des Prüferurteils

Abb. 2: Metaebenen im Rahmen der Jahresabschlussprüfung

Definitionen: • Genauigkeit ist ein Maß für die Exaktheit der Wert-, Mengen- und Fehler(an-

teils)angaben. Absolute Genauigkeit liegt bei Punktangaben vor. Geringere Genauigkeit liefern Intervallangaben. Die Genauigkeit nimmt mit zunehmender Intervallbreite ab.

• Sicherheit ist die Wahrscheinlichkeit im Sinne relativer Häufigkeiten:

Zahl der beobachteten fehlerfreien Bearbeitungselemente

Sicherheit = Zahl der insgesamt untersuchten

Bearbeitungselemente

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Prüfungsplanung

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Maximaler Qualitätsstandard: - 100 % Sicherheit, - absolute (punktuelle) Genauigkeit. • Aber § 317 dHGB ⇒ § 322 BV (bzw. § 321 PB) bzw. § 269 UGB ⇒ § 274 BV

(bzw. § 273 PB) verlangen bzw. erfordern: - verbale Formulierung des Urteils und - keine Angaben über Sicherheit und Genauigkeit. • Eine Quantifizierung der Sicherheit und Genauigkeit ist nur bei Stichprobenprü-

fungen möglich, nicht dagegen bei bewusst gesteuerten Auswahlverfahren. • Eine 100 %ige Sicherheit und Genauigkeit wäre auch nicht im Interesse der

beteiligten Gruppen. • Möglicher Kompromiss: - 95 % Sicherheit - 99 % Genauigkeit.

Nebenbedingung "Qualität des Urteils" bedeutet: Gewinnmaximierung durch Kostenminimierung nur bei Gewährleistung der Abgabe

hinreichend sicherer und genauer Urteile. • § 1 Abs. 2 WPO: - WP übt einen freien Beruf aus, kein Gewerbe; - Aufgaben: fachliche Leistung, nicht Erwerb; • Nebenbedingung unbedingt beachten! • Auch Gewinnstreben erfordert Urteilsqualität, sonst: - Schadensersatzansprüche oder - Verlust des Prüfungsauftrages.

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Prüfungstheorie

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Zielvorschrift bei mehreren Prüfungsaufträgen: Durch eine höhere Zahl von Prüfungsaufträgen pro Periode können die erzielbaren

Werthonorare gesteigert werden. • Interesse des Prüfungsunternehmens: - Senkung der Prüfungszeit bei einzelnen Prüfungen (Rationalisierungs-

potential erschließen und ausschöpfen), - Steigerung der Auftragszahl pro Periode. So würden Kosten für das geprüfte Unternehmen gesenkt und Wertge-

bühren für den Prüfer je Jahr gesteigert. • Restriktion: Abgabe hinreichend sicherer und genauer Urteile. 124. Anforderungen an die Prüfungsplanung

(1) Vollständigkeit im Sinne des dHGB bzw. UGB und im Sinne der Statistik • § 317 dHGB bzw. § 269 UGB. Gegenstand und Umfang der Prüfung: Aussagen über den Prüfungsgegenstand (Buchführung, Jahresabschluss und

Lagebericht). • § 320 dHGB bzw. § 272 UGB. Vorlagepflicht und Auskunftsrecht: "Sie (die gesetzlichen Vertreter) haben ihm (dem Prüfer) zu gestatten, die Bücher

und Schriften zu prüfen." (Das sind alle Bücher und Schriften!) Der Prüfer "kann alle Aufklärungen und Nachweise verlangen."

• Berücksichtigung aller für die Urteilsfindung wesentlichen Sachverhalte. • Verhinderung unsachgemäßer Prüfung von Teilgebieten aufgrund Zeitdrucks.

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Prüfungsplanung

(2) Flexibilität • Berücksichtigung der im Verlauf des Realisationsprozesses erhaltenen In-

formationen, • Möglichkeit der Anpassung an Datenänderungen. ⇒ Flexible Strategie! (3) Wirtschaftlichkeit • Berücksichtigung von Kosten-Nutzen-Kalkülen:

ErtragAufwand

oder LeistungKosten

> 1

oder: Ertrag - Aufwand > 0

⇒ Problem: Optimale Bestimmung des Detaillierungsgrades der Planung.

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Prüfungstheorie

125. Art und Umfang der Prüfungsplanung

125.1 Entwicklung einer Prüfungsstrategie

Die Prüfungsplanung umfasst die Entwicklung einer Prüfungsstrategie und einem darauf aufbauenden Prüfungsprogramm, in dem Art, Umfang und Zeitpunkt der Prüfungshand-lungen im Einzelnen festgelegt werden.

Die Entwicklung einer angemessenen risikoorientierten Prüfungsstrategie setzt voraus, dass der AP ausreichende Kenntnisse über das zu prüfende Unternehmen erwirbt (vgl. IDW PS 230) und vor allem folgende Aspekte berücksichtigt werden:

• Kenntnisse über das Unternehmen und seine Tätigkeit, • Verständnis für das rechnungslegungsbezogene interne Kontrollsystem, • Risiko- und Wesentlichkeitseinschätzungen.

Kenntnisse über Geschäftstätigkeit und wirtschaftl./rechtl. Umfeld des Unternehmens hat der AP durch analytische Prüfungshandlungen zu vertiefen. Er gewinnt so ebenfalls Hinweise auf Besonderheiten in zu prüfenden Prüfungsfeldern (vgl. IDW PS 312).

125.2 Erstellung eines Prüfungsprogramms

125.21 Überblick

Zur Umsetzung der Prüfungsstrategie hat der AP ein Prüfungsprogramm zu erstellen, das einen ordnungsgemäßen Prüfungsablauf in sachlicher, personeller und zeitlicher Hinsicht gewährleisten soll.

Prüfungs-programmplanung

SachlichePlanung Personalplanung Zeitplanung

Art

Umfang

Reihenfolge

der Prüfungshandlungen

Abb. 3: Teilbereiche der Prüfungsprogrammplanung

19

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Prüfungsplanung

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Zwischen den Teilbereichen der Prüfungsplanung bestehen enge Interdependenzen.

• Simultane Planung unter gegenseitiger Abstimmung aller Variablen eigentlich erforderlich.

Aber: Bisher wurde kein derartiges (notwendig komplexes) Planungsmodell in der Theorie konzipiert.

⇒ Reduzierung der Forderung: Verzicht auf Simultanansatz!

Aber: Planer muss versuchen, erkannte Interdependenzen zu berücksichtigen und die Planungsbereiche, soweit wie möglich, sukzessiv aufeinander abzustimmen.

125.22 Sachliche Planung

Kernstück der Prüfungsplanung

In einem Prüfungsprogramm werden folgende Aspekte festgelegt: (a) Art, (b) Umfang und (c) Reihenfolge

der vorzunehmenden Prüfungshandlungen. Zu (a): Art der Prüfungshandlungen

Die Festlegung der Art der Prüfungshandlungen geschieht in drei Schritten nach folgendem Ablauf:

• Bildung von Prüfungsfeldern:

Das gesamte Prüfungsobjekt (Prüfstoff) muss in abgegrenzte Teilobjekte strukturiert werden. Solche Teilobjekte sind Prüfungsfelder.

• Bestimmung der Prüfungsmethode bzw. -verfahren:

Eine Prüfungsmethode bzw. ein Prüfungsverfahren ist der Weg, auf dem Prüfungs-informationen durch Prüfungshandlungen gewonnen werden.

Prüfungsmethoden bzw. -verfahren sind:

Kriterien Prüfungsmethoden bzw. -verfahren

Unmittelbarkeit der Prüfung, zeitliche und logische Distanz zum Prüfungsobjekt

Systemprüfung ⇒ indirekte Prüfung

Ergebnisprüfung (= Jahresabschlusszahlen-prüfung) ⇒ direkte Prüfung

Richtung der Prüfung progressive, retrograde, bidirektionale Prüfung

Umfang der Prüfung*) Vollprüfung Auswahlprüfung

*) Vgl. dazu aber auch Punkt (b): Umfang der Prüfungshandlungen.

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Prüfungstheorie

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• Bestimmung der Prüfungshandlungen:

− Prüfungshandlungen sind so zu bestimmen, dass eine sichere und genaue, also eine vertrauenswürdige Beurteilung der Gesetz- und Ordnungsmäßigkeit der Rechnungs-legung möglich ist.

− Prüfungshandlungen sind alle im Prüfungsprozess auszuführenden Handlungen, die dazu geeignet sind, dem Prüfer Informationen über sein Prüfungsobjekt zu liefern.

− Kriterien für die Bestimmung der Prüfungshandlungen:

− Organisatorische Gegebenheiten, − Bedeutung des einzelnen Prüfungsgegenstandes, − Fehlerwahrscheinlichkeit.

− Prüfungshandlungen werden zur Ermittlung und zum anschließenden Vergleich der

Soll- bzw. Vergleichs- und Istobjekte vorgenommen. Sie können bestehen in:

- Beobachtungen, - Vergleichen, - Einholen von Auskünften, - Abstimmen, - Nachvollziehen von Arbeits-

abläufen, -

- Interpretieren von Gesetzen, Urteilselemente formulieren,

- Messen, - Istobjekte auswählen, - Zählen, - Addieren bzw. Nachrechnen, - Wiegen, - Dokumentieren. - Schätzen, Zu (b): Umfang der Prüfungshandlungen

Der notwendige Umfang der Prüfungshandlungen kann bei vorgegebenem Sicherheits- und Genauigkeitsgrad mittels der mathematischen Stichprobentheorie rechnerisch ermit-telt werden, sofern die Bedingungen für die Anwendung von Stichprobenverfahren vorliegen.

Zu (c): Reihenfolge der Prüfungshandlungen

Stufengesetz der Prüfung (nach Zimmermann): Prüfungsfelder sind so nacheinander bzw. nebeneinander zu prüfen, dass ein Prüfungsfeld,

dessen Bearbeitung die Kenntnis des Ergebnisses der Prüfung eines anderen Prüfungsfeldes zur Voraussetzung hat, auch erst dann geprüft wird, wenn diese Voraussetzungen gegeben sind.

⇒ Berücksichtigung bei der Planung.

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125.23 Personalplanung

Aufgabe der Personalplanung ist es, Prüferteams zu bilden und den Mitgliedern des Teams einzelne Aufgaben oder Aufgabengebiete zuzuordnen. Diese Zuordnung muss dergestalt vorgenommen werden, dass das Ziel der Prüfung, die Abgabe eines hinreichend sicheren und genauen Urteils bei minimalen Kosten, realisiert wird.

Folgende Nebenbedingungen sind zu beachten:

(1) Die Qualifikation der Prüfer muss dem Schwierigkeitsgrad der von ihnen zu

lösenden Aufgaben angepasst sein. (2) Die Ausbildungsfunktion der Prüfung muss gewährleistet bzw. möglich sein. (3) Die Verfügbarkeit der Prüfer muss berücksichtigt werden. (4) Kontinuität und/oder Wechsel in der personellen Besetzung sind zu beachten. (5) Die Kompetenzen der einzelnen Mitarbeiter, auch im Hinblick auf

Beaufsichtigung und Kontrollen innerhalb des Prüfungsteams, sind zu berücksichtigen.

(6) Mögliche Interessenkollisionen müssen vermieden werden. (7) Gesamtverantwortung für Prüfung und Urteil bleibt trotz der Aufgabendelegation

an die Mitglieder des Prüferteams beim Abschlussprüfer.

Instrumente der Personalplanung sind Methoden des Operation Research: • Flood'sche Zurechnungstechnik (SEICHT, WPg 1965, S. 90-92; WEIRICH, WPg 1965, S. 93-96),

• Vogel'sche Approximationsmethode (KRUG/KRANE, WPg 1968, S. 621-627),

• Binäre Optimierung (BOLENZ/FRANK, ZfbF 1977, S. 427-447).

Problem: • Teilweise mangelnde Realitätsnähe der Prämissen, • Quantifizierung der Einflussfaktoren.

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125.24 Zeitplanung

Aufgaben und Teilaspekte: • Zeitliche Abstimmung der durch den Prüfungsplaner während einer mehr oder

weniger langen Planungsperiode abzuwickelnden Aufträge; • Bestimmung der Zeiträume (Anfangs- und Endzeitpunkte), in denen die Mit-

arbeiter oder die einzelnen Teams für die Erledigung der Einzelaufträge zur Ver-fügung stehen sollen;

• Bestimmung der Zeiträume (Anfangs- und Endzeitpunkte), in denen die Be-

arbeitung von einzelnen Prüfungsfeldern bzw. Prüfungsfeldergruppen im Rahmen der einzelnen Aufträge vorgenommen werden soll;

• Berücksichtigung der Möglichkeit von Zwischenprüfungen (Vorprüfungen); • Berücksichtigung der Bildung von Prüfungsschwerpunkten bei mehrjähriger

Prüfungsplanung; • Ergebnis der Zeitplanung muss eine fristgerechte Abgabe des Prüfungsurteils

ermöglichen.

Zweck der Zeitplanung: • Einhalten der Maximalprüfzeiten je Prüffeld;

• Erkennen und Vermeiden von zeitlichen Unverträglichkeiten und damit • Einhalten des Abgabetermins für Prüfungsbericht und BV. • Netzplantechnik ist ein ausgezeichnetes Hilfsmittel zur Lösung der Probleme

der Zeitplanung.

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13. Phasen der Prüfungsplanung

131. Zielbildung

Erster Schritt der Prüfungsplanung:

Zielbildung ist Ausgangspunkt des betrieblichen Entscheidungsprozesses. • Phasen der Prüfungsplanung: - orientieren sich an sachlogischen Merkmalen eines Planungs- und Entschei-

dungsprozesses; - orientieren sich nicht an der zeitlichen Abfolge, bedingt durch parallel ver-

laufende Prozesse und Rückkopplungen.

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Prüfungstheorie

InformationssucheBeschaffung von Informa-tionen über:- die Art der Prüfung- die zu prüfende Unter- nehmung- die Prüfungsunternehmung- alle wesentlichen Einfluß- faktoren auf die genannten Punkte

ZielbildungAufstellen eines operationalenZielsystem s:Abgabe eines hinreichend sicherenund genauen Urteils für einen gege-benen Prüfungsauftrag (bei vor Prü-fungsbeginn unter Kautelen verein-bartem Honorar) mit minimalen Kosten für die Prüfungsunter-nehmung

Aufstellen von Arbeitshypothesenüber wirtschaftliche Prüfungen:

Beschaffung der erforderlichen Daten

Hypothesentest

Auftreten von Störgrößen

Eventualplanung

Aufstellen konkreter Alternativpläne für eine wirtschaftliche Prüfung

Entscheidung für einen bestim m ten Plan- Entscheidung für einen Plan- Entwicklung von Sollwerten bzw. -angaben

Planvorgabe(Anweisungen zur Durch-setzung des angestrebtenPlans)- Prüfungsart- Prüfungsfelder- Prüfungsrichtung- Prüfungsumfang- Systemprüfung- JA-Zahlenprüfung- Reihenfolge- Zeitbedarf- Erwartete Kosten- Prüferzuordnung- Flexibilität

Realisation- Durchführung des Prü- fungsprozesses- Dokumentation von Teiler- gebnissen und Zeitbedarfe

Überw achung der Prüfungsplanungund - realisation- Soll-Ist-V ergleich- Quality Control- Peer Review

Verbessernder Arbeits-hypothesen

Soll Soll

Ist

Ergebnisse der verfahrens- und ergebnisorientierten Überwachung

Erge

bnis

se d

er D

ispo

sitio

nsüb

erw

achu

ng

Abb. 4: Das Phasenschema der Prüfungsplanung

25

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Prüfungsplanung

132. Informationssuche

Zweiter Schritt der Prüfungsplanung: Beschaffung von Informationen • WITTMANN: Information = zweckorientiertes Wissen • Verkürzung der "Informationssuche" • daher Exkurs: Informationstheorie Problem: Vermittlung von Fakten und Meinungen nur möglich,

wenn Sender und Empfänger (weitgehend) dasselbe Sprach-repertoire (Zeichenvorrat und Grammatik) kennen und ver-wenden.

In der Informationstheorie unterscheidet man zur Analyse von Kommunikations-beziehungen drei Ebenen. Diese Ebenen lassen sich durch folgendes Bild veranschauli-chen:

Ebene Mittel Ergebnis

1 .

2 .

3 .

P ra gm atische(obe re) E bene

Sem an tische(m ittle re ) E bene

Syn tak tische(un tere) E ben e

Z w eckorien tie ru ng

B ed eu tung

M aterie S igna le

N achric h ten

In fo rm ationen

Abb. 5: Signal-Nachricht-Information (Semiotik)

26

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Prüfungstheorie

Ebene Beispiel

Syntaktik - - - - -

Ziffern und Buchstaben und Kombinationen daraus Kombinationsregeln Gliederungsschemata für Bilanz und GuV Kontenform/Staffelform Prinzip der Doppik

Semantik -

Bedeutung/Aussagekraft von Art und Höhe be-stimmter Bilanzpositionen für den tatsächlichen Er-folg des Unternehmens

Pragmatik - Nutzen der Jahresabschlussinformationen für Kauf- und Verkaufentscheidung von Unternehmensanteilen

Vermittlung von Fakten und Meinungen ist nur möglich, sofern Sender und Empfän-

ger (weitgehend) dasselbe Sprachrepertoire kennen und verwenden:

E m pfängerSignale(N achrichten, Inform ationen)Sender

Zeichenvorratdes Senders

Zeichenvorratdes Em pfängers

G em einsam erZeichenvorrat

Abb. 6: Prinzip der Übertragung von Nachrichten über Fakten und Meinungen

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Prüfungsplanung

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Informationsmittel Sender Empfänger

Jahresabschluss Unternehmensleitung − Eigentümer − Gläubiger − Arbeitnehmer − Kunden − Lieferanten − Fiskus

Bestätigungsvermerk Prüfer siehe bei Jahresabschluss

Prüfungsbericht Prüfer − Aufsichtsrat − Unternehmensleitung − Fiskus − Evt. Kreditgeber

Beschaffung von Informationen im Rahmen der Prüfungsplanung: • Planer benötigt Informationen über die Art der Prüfung: - zu prüfendes Unternehmen, - Prüfungsunternehmen, - alle wesentlichen Einflussgrößen. • Die Informationsbeschaffung geschieht laufend (während des gesamten Prüfungs-

prozesses). • Beginn: Vor Entscheidung über Annahme oder Ablehnung eines

Prüfungsauftrags. • Vor Auftragsannahme muss sich der Prüfer über - Umfang der Prüfung, - Schwierigkeitsgrad/Besonderheiten der Prüfung, - vorhandene (potentiell verfügbare) Ressourcen informieren. • Je höher der Auftragsbestand ist, desto genauer müssen die Informationen sein, da

der Spielraum bei unerwarteten Mehrbelastungen gering ist.

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Prüfungstheorie

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• Bei der Informationsbeschaffung ist zu unterscheiden zwischen: - Art und Umfang der notwendigen Informationen, - Quellen und Wegen der Informationsbeschaffung. • Informationen für den groben Überblick:

- Größe des Unternehmens (Umsatz, Bilanzsumme, Zahl der Beschäftigten), - Zahl und Größe von Zweigniederlassungen, - Branchenzugehörigkeit, - Verflechtungen mit anderen Unternehmen, - Produktions- und Absatzprogramm, - Marktstellung, - wirtschaftliche Lage des Unternehmens / bilanzielles Standing. • Quellen für diese Informationen können sein:

- in der WP-Praxis vorhandene Kenntnisse und Erfahrungen mit dem Unter-nehmen und der Branche,

- Gespräche mit Personen innerhalb des Unternehmens - Berichte der Internen Revision des Unternehmens, - Presseberichte,

- Hauptversammlungsprotokolle, - Geschäftsberichte, - Nachschlagewerke, - Handelsregisterauszüge, - Grundbuchauszüge,

- Bilanz Rating des Vorjahres bzw. der Vorjahre oder des vom zu prüfenden Un-ternehmen vorgelegten vorläufigen und zu prüfenden Jahresabschlusses.

⇒ vgl. auch IDW PS 230 „Kenntnisse über die Geschäftstätigkeit sowie das wirt-schaftliche und rechtliche Umfeld des zu prüfenden Unternehmens im Rah-men der Abschlußprüfung“

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Prüfungsplanung

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• Wichtige Informationen für die erste Strukturierung des Prüfungsplanes: - Zahl der Kunden und Lieferanten, - Auslandsaktivitäten, - Art der Datenerfassung und -verarbeitung, - Aufbau- und Ablauforganisation, vor allem des Rechnungswesens und des IÜS

(= Internes Kontrollsystem IKS + Interne Revision IR), - Zahl der Konten und Buchungen (Kontenplan). • Quellen für diese Informationen: - Auskünfte der Unternehmensleitung des zu prüfenden Unternehmens bzw. der

von ihr benannten Personen, - Auskünfte und Berichte der Innenrevision, - Betriebsbesichtigungen, - Vorprüfungen, - Organisationspläne, Arbeitsablaufpläne, Stellenbeschreibungen, - Verträge, Satzung(en), Gesellschaftsvertrag. • Zusätzliche Informationsquellen bei Wiederholungsprüfungen: - Prüfungsberichte der Vorjahre, - Arbeitspapiere aus früheren Prüfungen, - Dauerakte, - interne Unterlagen des Prüfungsunternehmens. 133. Eventualplanung

Aufgabe des Eventualplanungsprozesses: Bestimmung der - alternativen Ausführungsmöglichkeiten für bestimmte Aufgaben, - Kosten für diese Möglichkeiten.

Um alternative Handlungsmöglichkeiten aufstellen zu können, benötigt der Planer ein Modell der Prüfungsrealität, das Zusammenhänge möglichst realistisch abbildet.

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Prüfungstheorie

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• Vorgehen in zwei Schritten: a) Bildung von Arbeitshypothesen, b) Aufstellen konkreter Alternativpläne. Zu a) Bildung von Arbeitshypothesen Hypothesen sind versuchsweise Behauptungen über die wirtschaftliche Wirklich-

keit in "Wenn ..., dann ..." - Form. • Ein Modell besteht aus: - allgemeinen, - abstrahierenden, - widerspruchsfreien Aussagen über die Struktur der Realität. • Elemente eines Modells (Arbeitshypothesen): (1) Verhaltensrelationen, z. B. Preis-Absatz-Funktionen Wenn IKS-/IÜS-Prüfung ergibt: Starkes IKS ! ⇒ wenige Fehler bei JA-Zahlen-Prüfung zu erwarten (2) Technologische Relationen, z. B. Produktionsfunktionen; auch bei der Prüfung (als Produktionsprozess) (3) Institutionelle Relationen, z. B. Ursache-Wirkungs-Beziehung durch die Rechts- und Wirtschaftsordnung

und durch Verträge (4) Definitorische Relationen, d. h. Identitäten, die keine Aussagen über die Struktur von Modellen enthalten • Verhaltens- und technologische Relationen bezeichnen wir als Hypothesen.

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• Aufgabe der Prüfungstheorie: - Entwicklung von Hypothesen über wirtschaftliche Prüfungen, - Testen der Hypothesen, - Verbessern der Hypothesen. Zu b) Aufstellen konkreter Alternativpläne • Prozessschritte: - Bildung eines Modells der Prüfungsrealität, - Aufstellen der konkreten Alternativpläne. • Bisherige Modelle bilden nur Teilbereiche der Realität ab (Partialpläne) ⇒ Partialpläne müssen koordiniert werden • Partialpläne der Prüfungsplanung: - Zeitpläne, - Reihenfolgepläne, - Kostenpläne, - Zuordnungspläne, - Programmpläne. • Aus alternativen Teilplänen müssen alternative Gesamtpläne (Summe der Teilpläne)

entwickelt werden.

Methoden zur Koordination von Partialplänen: • Prinzip der Pretialen Lenkung (E. Schmalenbach): ⇒ innerbetriebliche Verrechnungspreise für die Zuteilung von Prüfungspersonal • Prinzip des "management by objectives": ⇒ Zuordnung eines eindeutig abgegrenzten und definierten Aufgabengebiets

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• Methode der Stufenplanung: ⇒ Sukzessive Planung einzelner Teilbereiche, beginnend mit dem Bereich, in dem

die meisten Restriktionen vorliegen (Bsp.: Ansatz von BOLENZ/FRANK; ZfbF 1977, S. 427-447) 134. Entscheidung(en) für bestimmte Pläne

Entscheidungsphase: Ermittlung der optimalen, aufeinander abgestimmten Partial-

pläne. • Bei der Bestimmung des Gesamtplanes sind neben - Optimierungskalkülen auch - subjektive Bewertungskriterien zu berücksichtigen. Grund: Verwendung von Schätzungen, Vereinfachungen und Annahmen

bei der Erstellung der alternativen Partialpläne.

Die Entscheidung für einen bestimmten Plan verursacht das eigentliche unter-nehmerische Risiko, da hierdurch Ziele und Verfahren festgelegt und später nur schwer oder gar nicht abstoppbare Kostenströme in Gang gesetzt werden.

⇒ Kapazitäts- und Personalplanung können besondere Risiken enthalten.

In der Theorie wird häufig von den individuellen Zielen und Bedürfnissen/Wünschen sowie den Kapazitätsgrenzen der Informationsverarbeitung des Entscheidungsträgers abstrahiert.

• Prämisse: Ein Entscheider hat alle notwendigen Informationen und ent-

scheidet ausschließlich anhand betrieblicher Zielsetzungen.

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• An der Planung sind indes zumindest in größeren Prüfungsunternehmen mehrere Personen

- unterschiedlicher Stellung, - mit verschiedenen Aufgabengebieten, - mit voneinander abweichenden Informationen und Interessen sowie - mit Entscheidungskompetenz für unterschiedliche Sachverhalte beteiligt. • An der Entscheidung über einen bestimmten Sachverhalt können mehrere Personen

beteiligt sein. • Eine Gruppenentscheidung wird anders ausfallen als eine Einzelentscheidung. Gründe: Entscheidungsträger haben (1) unterschiedliche Informationsaufnahme- und Informationsverarbeitungsfähig-

keiten, (2) unterschiedlichen Informationsstand, (3) neben den vorgegebenen Unternehmenszielen davon abweichende, unterschied-

liche persönliche Ziele. • Da in Modellen die Realität nicht vollständig und exakt abgebildet werden kann,

arbeiten wir mit folgenden Vereinfachungen: (1) die wichtigsten Informationen sind vorhanden, (2) es gibt nur einen Entscheidungsträger ("Prüfungsplaner") und (3) nur eine betriebliche Zielvorstellung.

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Prüfungstheorie

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• Verfahren zur Berücksichtigung der Unsicherheit in der Prüfungsplanung: (1) Reserveplanung, (2) sukzessive Entscheidungen, (3) überlappende Planung, (4) Schubladenplanung, (5) flexible Planung. Zu (1): Reserveplanung Im Prüfungsplan werden Reserven vorgesehen, die bei Eintritt einer uner-

warteten ungünstigen Umweltsituation, z. B. eines schwachen IKS, er-lauben, die entstandenen Planungslücken zu schließen.

Zu (2): Sukzessive Entscheidungen Ein Plan wird erst dann endgültig festgelegt, wenn die Entscheidung

nicht mehr weiter hinausgezögert werden kann. Nachteil: Verfahren kann zu verpassten Chancen führen. Vorteil: Planer kann während des Wartens Informationen erhalten,

die ihm aufgrund der verminderten Unsicherheit bessere Ent-scheidungen ermöglichen.

Zu (3): Überlappende Planung Der Planungshorizont ist zeitlich länger als der Zeitraum der Revision der

Pläne. Auf diese Weise überschneiden sich die Planungszeiträume. Die sich überlappenden Planungszeiträume werden so doppelt oder mehrfach geplant, wobei der zweite Plan für den gleichen Zeitabschnitt i. d. R. bes-ser ist als der erste, da

a) bessere Informationen vorliegen, b) Planungsfehler weitgehend reduziert werden.

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Prüfungsplanung

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Zu (4): Schubladenplanung Für die wichtigsten erwarteten Datensituationen wird ein vollständiger

Plan ausgearbeitet. Bei Eintritt einer bestimmten Situation oder nach dem Auftreten von Indizien für eine bestimmte Situation wird der zu-gehörige Schubladenplan zum Soll für die Planperiode.

Vorteil: Schutz gegen mangelnde Prognosegewissheit. Nachteil: Sehr aufwendiges Verfahren, da - für die wichtigsten Datensituationen vollständige

Pläne aufgestellt werden müssen, - durch die während der Prüfung gewonnenen Infor-

mationen eine kontinuierliche Plananpassung erfor-derlich ist,

- für jeden Entscheidungszeitpunkt alternative Schubla-

denpläne entwickelt werden müssen. Zu (5): Flexible Planung Besonders geeignetes Verfahren zur Berücksichtigung der Unsicherheit in

der Prüfungsplanung.

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Prüfungstheorie

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135. Planvorgabe (Sollzahlen)

Gesamtkostenbudget des kostenminimalen Plans reicht als Sollwertvorgabe nicht aus, weil die Realisation der Gesamtplanung des Prüfungsunternehmens u. U. nicht ge-währleistet ist.

• Mehr oder weniger detaillierte Vorgabe der einzelnen Sollzahlen, auf denen das

Kostenbudget basiert: a) Prüfungshandlungen (Art und Umfang), b) in der vorgegebenen Reihenfolge, c) mit dem erwarteten Zeitbedarf für jede Art von Prüfungshandlungen, d) den erwarteten Kosten und e) der Prüferzuordnung zu den Prüfungsaufgaben.

Detaillierte Planvorgabe erfordert sehr ausführliche Informationen: • Liegen bei Erstprüfungen meist nicht vor. • Bei Folgeprüfungen können Erfahrungen verwertet werden. • Detaillierungsgrad der Planvorgaben nimmt mit der zeitlichen Distanz vom Pla-

nungszeitpunkt zwangsläufig ab. • Detaillierungsgrad hängt von der Qualifikation der Prüfer ab: (1) Bei erfahrenem Prüfungsleiter: Verzicht auf starke Detaillierung. • Detaillierte Planvorgabe verleitet sonst zum Prüfen nach Plan ohne Mit-

denken. (2) Bei neuem Prüfungsassistenten: Ausarbeitung eines detaillierten Plans. • Detaillierte Planvorgabe gewährleistet systematisches und vollständiges

Prüfen. • Mögliche Lösung: - Vorgabe von Eckwerten der Planung für erfahrene Prüfer, - Prüfungsleiter kann Vorgaben für jüngere Mitarbeiter verfeinern,

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Prüfungsplanung

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aber: - detaillierte Planvorgabe ist gutes Mittel zur Realisation der Termin- und

Kostenplanung; dennoch: - Praxis scheut häufig hohen Informations- und Planungsaufwand. 136. Realisation der Planung

Darunter kann sowohl Planungsdurchführung als auch Prüfungsdurchführung ver-

standen werden. ⇒ hier: - Durchführung des Prüfungsprozesses, - gehört im engeren Sinne nicht mehr zur Planung; aber: Ergebnisse der Realisation liegen als Grundlage für weitere detaillierte Pla-

nungsüberlegungen zugrunde, deren Entscheidungen dann wiederum in der weiteren Realisation umzusetzen sind.

137. Überwachung der Prüfungsplanung und -realisation

Festgestellte Abweichungen der Istwerte der Prüfung von den Sollwerten des Prü-fungsplanes sind zu analysieren und zu berücksichtigen:

• bei der Planung der laufenden Prüfung und • bei der Prüfungsplanung der Folgejahre. Dies gilt vor allem für den Prüfungsumfang, die Prüfungszeit und den Fehleranteil (ho-

mograde Fragestellung). Soll-Ist-Abweichungen sind in den Arbeitspapieren zu dokumentieren!

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• Prüfungsumfang: Bei zu gering geplantem Umfang muss - im gleichen Jahr der Prüfungsumfang erhöht werden, - in Folgejahren diese Information berücksichtigt werden. • Prüfungszeit: Bei Gefährdung des Endtermins sind sofortige Plankorrekturen erforderlich. • Fehleranteil(-höhe): Falsche Hypothesen über Fehleranteil müssen in Folgejahren berücksichtigt wer-

den:

n!P*P̂ ⇒<=

>

P = Tatsächlicher Fehleranteil in der Grundgesamtheit

= Maximal tolerierbarer Fehleranteil in der Grundgesamtheit *P = Geschätzter Fehleranteil in der Grundgesamtheit ∃P n = Stichprobenumfang

Ursachen der Soll-Ist-Abweichungen: • Strukturwandel bei Prüfungsunternehmen oder zu prüfendem Unternehmen (im

Voraus i. d. R. nicht erkennbar), • mangelnde Planungsgenauigkeit (SollI-SollII-Vergleich), • mangelnde Prüfungsrealisation (SollI-Ist-Vergleich), • erhebliches Absinken des bilanziellen Standings.

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Prüfungsplanung

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138. Interdependenzen der Prüfungsplanungsschritte

Abhängigkeiten bestehen zwischen:

• den einzelnen Alternativplänen (Programm-, Personal-, Zeitplan) und • den einzelnen Prüfungsplanungsschritten.

Wir unterscheiden: • formale Interdependenzen und • inhaltliche Interdependenzen. • Formale Interdependenzen Prozessschema ist nach sachlogischen Kriterien gegliedert. Im zeitlichen Ablauf sind

die Phasen teils parallel, teils nacheinander, teils durch Rückkopplungsschleifen miteinander verknüpft.

Beispiel: Informations-, Eventualplanungs- und Entscheidungsprozess Beispiel für rückgekoppelte Abläufe im Phasenschema: Überwachungsphase Wird auch nach mehrfacher Rückkopplung keine befriedigende Zielerreichung rea-

lisiert, so müssen die evtl. unrealistischen Zielgrößen überdacht und ggf. umformu-liert werden.

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Prüfungstheorie

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• Inhaltliche Interdependenzen Zwischen den Programm-, Personal- und Zeitplänen bestehen zeitlich horizontale

und zeitlich vertikale Interdependenzen. - Zeitlich horizontale Interdependenzen Abhängigkeiten, die zu einem Zeitpunkt zwischen den abzustimmenden Vari-

ablen bestehen. Beispiel: Zeitplanung ist abhängig von Prüferzuordnung und umgekehrt. - Zeitlich vertikale Interdependenzen Abhängigkeiten, die im Zeitablauf vorhanden sind oder entstehen. Beispiel: Bilanzielles Standing (Rating) beeinflusst Schätzung des inhärenten

Risikos für den risikoorientierten Prüfungsansatz.

Aufgabe des Prüfungsplaners: Berücksichtigung der wichtigsten Interdependenzen. Ein geeignetes Verfahren hierzu ist

die flexible Planung. 14 Planungsverfahren

Literaturhinweise: ADAM, DIETRICH, Planung und Entscheidung: Modelle - Ziele - Methoden, 4., vollst.

überarb. und wesentlich erw. Aufl., Wiesbaden 1996. BAETGE, JÖRG, MEYER ZU LÖSEBECK, HEINER, ”Starre oder flexible Prüfungsplanung?”, in:

Management und Kontrolle, Festgabe für Erich Loitlsberger zum 60. Geburtstag, hrsg. von Gerhard Seicht, Berlin 1981, S. 121 - 171.

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Prüfungstechnik

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2 Prüfungstechnik

21 Abgrenzung der Prüfungsfelder

Definitionen: • Prüfungsfeld = nach bestimmten Kriterien abgegrenztes Teilobjekt des gesamten Prüfungsobjekts. • Prüfungsfeldergruppe = nach sachlogischen Kriterien zusammengefasste Prüfungsfelder. Über Prüfungsfelder werden Teilurteile gebildet, die in einem zweiten Schritt zu

einem Gesamturteil aggregiert werden. • Zielfunktion: Abgabe eines hinreichend sicheren und genauen Urteils für einen

gegebenen Prüfungsauftrag (bei vor Prüfungsbeginn unter be-stimmten Annahmen und Bedingungen (Kautelen) vereinbartem Prüfungshonorar) mit minimalen Kosten für die Prüfungsunter-nehmung.

⇒ Gesamten Prüfungsstoff in Prüfungsfelder gliedern und zu jedem Prüfungsfeld

Teilurteil abgeben.

Aus der Zielvorschrift deduzierte Gründe für eine Strukturierung des Prüfungsstoffes: (1) Zielerreichung erfordert sorgfältige Planung: • Planung = Gedankliche Vorwegnahme künftigen Geschehens, • nur möglich, wenn komplexer Prüfungsstoff strukturiert wird, • Simultanmodell ist nicht möglich ⇒ Partialmodelle.

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Prüfungstheorie

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(2) Hinreichend sicheres und genaues Urteil: • Problem: Absolute Vollständigkeit der Prüfung nicht möglich! • "Grundsatz des repräsentativen Urteils": - Prüfung aller wesentlichen Sachverhaltsgruppen; - Alle wesentlichen Einzelfeststellungen müssen in das Urteil Ein-

gang finden. (3) Ziel: Minimierung der Kosten für das Prüfungsunternehmen: • Prüfungsfelderbildung kann Kosten senken, da - Grundsatz der Spezialisierung anwendbar, - bessere Erfüllung der Ausbildungsfunktion möglich, - Doppelarbeit durch Verantwortungsübertragung vermieden wird

und - einfachere Terminplanung.

Empfehlung zur Prüfungsfelderbildung in IDW PS 240 Tz. 19: "Zur Erstellung des Prüfungsprogramms werden die Prüfungsgebiete in Teilbereiche

aufgeteilt, die einheitlich zu prüfen sind (Prüffelder). ... Für jedes Prüffeld sind Art und Umfang der zur Umsetzung der Prüfungsstrategie erforderlichen Prüfungshandlungen sowie ihr zeitlicher Ablauf festzusetzen.”

Kriterien für die Abgrenzung von Prüfungsfeldern:

1. Homogenität der zu prüfenden Sachverhalte, 2. Homogenität der gesuchten Fehler, 3. Homogenität in bezug auf die anzuwendenden Prüfungsmethoden, 4. Homogenität der Anforderungen an den Prüfer, 5. Berücksichtigung der individuellen Struktur des Prüfungsobjektes, 6. Berücksichtigung bestehender Interdependenzen zwischen Prüfungssachverhalten.

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Zu 1.: Homogenität der zu prüfenden Sachverhalte = Gleichartigkeit der Geschäftsvorfälle (Bsp.: Verkaufsgeschäfte, die zu Forderungen aus Lieferungen und Leistungen

FoLL führen) • Zusammenfassung kann erhebliche Rationalisierungseffekte mit sich bringen. • Ähnliche Sollobjektbildung. - Klumpeneffekt - Degressionseffekt - Erfahrungseffekt - Schichtungseffekt aber: Der Jahresabschluss selbst ist sehr inhomogen. - Bildung vieler kleiner homogener Prüfungsfelder und damit starke Zerschnei-

dung von Interdependenzen. - Zusammenfassung von vielen Teilurteilen notwendig!

Problem: Zwei gegenläufige Tendenzen: Hierbei besteht das Erfordernis der Optimierung.

Zu 2.: Homogenität der gesuchten Fehler • Prüfungsfelder können nach der Gleichartigkeit der gesuchten Fehler gebildet wer-

den: - Technische Buchungsfehler, - Über-/Unterbewertungen, - Ausweisfehler, etc. • Diese Art der Homogenität ist Voraussetzung für: - Stichprobenhochrechnung, - Schichtenbildung.

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Zu 3.: Homogenität in Bezug auf die anzuwendenden Prüfungsmethoden • Sachverhalte, die sich für die Anwendung bestimmter Prüfungsmethoden eignen,

können zu einem Prüfungsfeld zusammengefasst werden. Beispiele: - Stichprobenprüfung ist für Konten, auf denen eine große

Zahl von - jeweils für sich genommen unbedeutenden - Transaktionen abgewickelt werden, wie FoLL und VerbLL, sehr geeignet.

- Saldenbestätigungen/Transaktionsbestätigungen. Zu 4.: Homogenität der Anforderungen an den Prüfer • Sachverhalte können nach dem Schwierigkeitsgrad, den sie für den Prüfer besitzen,

zusammengefasst werden. Die Anforderungen an den Prüfer werden nach dem Schwierigkeitsgrad bestimmt.

aber: Ein Mangel an ausreichend qualifizierten Prüfern darf nicht dazu führen,

dass schwierige Sachverhalte gar nicht erst geprüft werden. • Drei Effekte sind zu beachten: - Rationalisierungseffekt, - Ausbildungseffekt, - u. U. Beschleunigungseffekt (bei Zeitrestriktionen). Zu 5.: Individuelle Struktur des Prüfobjektes • Vorhandene individuelle Strukturen des Prüfungsobjekts, z. B. Bilanz, GuV, Buch-

führung, Anhang und Lagebericht, aber auch Sparten, Profit Centers etc., können bei der Bildung von Prüfungsfeldern genutzt werden.

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Zu 6.: Berücksichtigung von Interdependenzen zwischen Prüfungssachverhalten • Zwischen Einzelsachverhalten bestehen häufig (a) zeitlich horizontale und (b) zeit-

lich vertikale Interdependenzen. Das Gesamturteil muss Interdependenzen berück-sichtigen.

(a) Zeitlich horizontale Interdependenzen: = Abhängigkeiten zwischen Variablen, die zu einem Zeitpunkt bestehen. Bsp.: - Abschreibungen auf AV und Bestand des AV, - Bewertung nach der Niederstwertvorschrift (§ 253 dHGB

bzw. §§ 204, 207 UGB), - Bewertung nach dem Imparitätsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4

dHGB bzw. § 201 Abs. 2 Nr. 4 UGB), - Rückstellungsbildung nach § 249 Abs. 1 Satz 1 dHGB bzw.

§ 198 Abs. 8 Nr. 1 1. HS UGB: "Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften".

(b) Zeitlich vertikale Interdependenzen: = Abhängigkeiten, die im Zeitablauf vorhanden sind oder entstehen. Bsp.: - Vorratsvermögen mit Inventur, - Bestandsfortführung mit Ermittlung des Endbestandes. • Systemprüfung ⇔ Jahresabschlusszahlenprüfung • Prüfungsfelder müssen so gebildet werden, dass alle Sachverhalte, zwischen denen

Abhängigkeiten bestehen, zu jeweils einem Prüfungsfeld zusammengefasst werden. • gesamter Prüfungsstoff = ein Prüfungsfeld daher: Zerschneidung von möglichst wenigen und unbedeutsamen Inter-

dependenzen!

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Konzepte zur Prüfungsfelderbildung: In der Prüfungspraxis existieren vor allem zwei Konzepte: 1. Gliederung nach handelsrechtlichem Gliederungsschema des JA bzw. der Bilanz 2. Gliederung nach Geschäftszyklen Zu 1.: Gliederung nach handelsrechtlichem Gliederungsschema des JA bzw. der Bilanz • Prüfungsfelderbildung in Anlehnung an die Positionen des handelsrechtlichen

Gliederungsschemas. Um horizontale Interdependenzen zu berücksichtigen, wer-den den Bilanzpositionen die jeweils korrespondierenden GuV-Positionen zuge-ordnet. Ermöglicht Schwerpunktbildung mit Hilfe der individuellen Sensitivitäts-analyse des Moody‘s RiskCalc™.

• Prüfungsfelder, die durch Bilanz- und GuV-Positionen nicht abgedeckt werden,

sind: - Prüfung des Anhangs/Lageberichts, - Kostenrechnung, - rechtliche Verhältnisse einschließlich Verträge und laufender oder drohender

Prozesse, - Systemprüfung, - Prüfung des Risikomanagementsystems. Zu 2.: Gliederung nach Geschäftszyklen • Abgrenzung des Unternehmensgeschehens in mehrere Arbeitsabläufe, die in sich

geschlossen sind und abgrenzbare Teilbereiche der Unternehmung beschreiben: = Geschäftszyklen, business cycles, transaction cycles - Systemprüfung - Gemeinschaftskontenrahmen der Industrie (GKR) - Prozessgliederungsprinzip

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• Aufteilung muss sich an individueller Struktur des Unternehmens orientieren und unterscheidet sich deshalb von Unternehmen zu Unternehmen. Folgende Ge-schäftszyklen sind jedoch typisch:

1. Beschaffungszyklus: Transaktionen, die bei der Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen im

Austausch zu Zahlungen auftreten. 2. Verkaufszyklus: Transaktionen, die im Zusammenhang mit der Erzielung von Einnahmen auf-

treten. 3. Produktionszyklus: Transaktionen, die bei der Produktion von Gütern für den Wiederverkauf auf-

treten. 4. Lohn- und Gehaltszyklus: Transaktionen, die bei der Erfassung und Zahlung von Löhnen und Gehältern

auftreten. Prinzipielles Vorgehen: • Inhaltlich zusammenhängende und aufeinanderfolgende Teilschritte werden zu

Prüfungsfeldern zusammengefasst. ⇒ Die wichtigsten Interdependenzen können berücksichtigt werden.

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Prüfungstheorie

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Praxis: Verbindung beider Gliederungskonzepte

Kriterien Konzepte

Gliederungs-schema

Geschäftszyklen

1. Homogenität der zu prüfenden Sachverhalte ++ +

2. Homogenität der gesuchten Fehler + -

3. Homogenität in Bezug auf anzuwendende Prüfungsmethoden

+ -

4. Homogenität der Anforderungen an den Prü-fer

+ -/+

5. Berücksichtigung der individuellen Struktur des Prüfobjekts

-- ++

6. Berücksichtigung bestehender Interdependenzen

- ++

Legende: ++ sehr gut - schlecht + befriedigend -- sehr schlecht Ergebnis: Beide Lösungsvorschläge können nicht alle Kriterien erfüllen. Wünschenswert

ist im konkreten Einzelfall zumindest eine befriedigende Erfüllung aller Krite-rien.

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22 Art der Prüfungshandlungen

221. Prüfungsrichtung

221.1 Progressive Prüfung

RealerSachverhalt U rbeleg G rundbuch H auptbuch Jahresab-

schluß

Geprüfte und fehlerfreie Geschäftsvorfälle

Entdeckte Fehler in Geschäftsvorfällen

Nicht entdeckte Fehler in Geschäftsvorfällen

Legende:

Progressive Prüfung

Fall

(f)

(e)

(d)

(c)

(b)

(a)

Abb. 7: Progressive Prüfung • Vorgehen:

Ausgehend vom realen Sachverhalt oder von ersten Dokumenten wird der Verar-beitungsablauf des Zahlenmaterials über Grundbuch (= Journal) und Hauptbuch bis zur Verarbeitung im Jahresabschluss verfolgt.

50

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Prüfungstheorie

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• Durch progressive Prüfung werden Geschäftsvorfälle entdeckt, die real vorhanden sind, sich aber nicht im Jahresabschluss niedergeschlagen haben (sog. Schwarzge-schäfte).

Ausnahme: "Schwarzgeschäfte" werden nicht entdeckt, wenn der Prüfer keine

Kenntnis von den realen Sachverhalten erlangt und die Sach-verhalte sich selbst nicht in den Urbelegen niederschlagen.

Nachteil: Nicht entdecken kann der Prüfer sogenannte "Luftbuchungen", d.

h. Buchungen, denen keine realen Sachverhalte zugrunde liegen, weil häufig auch bei progressiver Prüfung der reale Sachverhalt schon abgewickelt worden ist und der Prüfer bei seiner Prüfung nur auf den Belegen aufsetzen kann. Der reale Sachverhalt ist dann nicht (mehr) beobachtbar (prüfbar).

Erläuterungen der Fälle (a) - (f) bei progressiver Prüfung (Abb. 7): (a) Realer Sachverhalt hat sich im Urbeleg, Grundbuch, Hauptbuch und JA rich-

tig niedergeschlagen. (b) Für realen Sachverhalt gibt es keinen Beleg und auch keine Buchung irgendei-

ner Art. (c) Der Prüfer ist zum Zeitpunkt der Sachverhaltsabwicklung nicht anwesend und

findet nur den Urbeleg vor und von diesem ausgehend prüft er progressiv. Falls der im Urbeleg angegebene reale Sachverhalt tatsächlich vorliegt und der Beleg richtig bis in den JA weiterverarbeitet wurde, liegt kein Fehler vor; anderenfalls Fehler. Fraglich ist, ob der Prüfer die Chance hat, das Fehlen des Sachverhalts aufzudecken.

(d) Sachverhalt und Urbeleg vorhanden aber nicht weiterverarbeitet, also: Fehler. (e) Sachverhalt, Urbeleg, Buchung bis ins Hauptbuch liegen vor, aber im JA nicht

berücksichtigt: Fehler. (f) Kein realer Sachverhalt, kein Urbeleg, Falschbuchung ohne Beleg erst im

Hauptbuch. Bei rein progressiver Buchung (vom Urbeleg an) keine Entde-ckungschance.

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221.2 Retrograde Prüfung

RealerSachverhalt Urbeleg Grundbuch Hauptbuch Jahresab-

schluß

Geprüfte und fehlerfreie Geschäftsvorfälle

Entdeckte Fehler in Geschäftsvorfällen

Nicht entdeckte Fehler in Geschäftsvorfällen

Legende:

Retrograde Prüfung

Fall

(e)

(d)

(c)

(b)

(a)

Abb. 8: Retrograde Prüfung • Vorgehen:

Ausgehend von den Zahlen von Bilanz, GuV und Anhang, ggf. Lagebericht, wird rückwärtsschreitend die Verarbeitungskette bis zum realen Sachverhalt verfolgt.

• Durch retrograde Prüfung können Luftbuchungen, für die keine Belege bzw. keine

Geschäftsvorfälle vorhanden sind, entdeckt werden, die dann aus dem Jahresab-schluss eliminiert werden müssen.

Ausnahme: Luftbuchungen werden dann nicht entdeckt, wenn die Verarbei-

tungskette vom Jahresabschluss bis zum Urbeleg vollständig fin-giert ist und der reale Sachverhalt selbst nicht überprüft werden kann.

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• "Schwarzgeschäfte" können durch retrograde Prüfung nicht entdeckt werden. • Retrograde Prüfung ist zeitlich schneller auszuführen und in diesem Sinne günstiger

als progressive Prüfung. Erläuterungen der Fälle (a) bis (e) bei retrograder Prüfung (Abb. 8): (a) JA-Posten lässt sich bis zum realen Sachverhalt fehlerfrei zurückverfolgen. (b) JA-Posten lässt sich bis zum Urbeleg verfolgen. Frage: Entspricht Urbeleg rea-

lem Sachverhalt? (c) Nicht gebuchter Urbeleg lässt sich bei retrograder Prüfung nicht finden. (d) Gebuchter aber nicht in Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung abgeschlos-

sener Sachverhalt lässt sich bei retrograder Prüfung (aufsetzend beim JA) nicht finden.

(e) JA-Posten noch im Hauptbuch, dann aber nicht mehr zu finden: Fehler.

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221.3 Bidirektionale Prüfung

• Vorgehen: Der Prüfer muss hierbei bewusst mitten im Verarbeitungsprozess, also z. B. im Grund- und/oder Hauptbuch, ansetzen und dann von dort aus in beide Richtungen prüfen.

RealerSachverhalt U rbeleg G rundbuch H auptbuch Jahresab-

schluß

Geprüfte und fehlerfreie Geschäftsvorfälle

Entdeckte Fehler in Geschäftsvorfällen

Nicht entdeckte Fehler in Geschäftsvorfällen

Legende:

Bidirektionale Prüfung

Fall

(f)

(e)

(d)

(c)

(b)

(a)

Abb. 9: Bidirektionale Prüfung • Beurteilung: Hohe Präventivwirkung bzgl. Schwarzgeschäften bzw. Luftbu-

chungen • Sinnvolles Anwendung sowohl der progressiven als auch der re- Vorgehen: trograden Prüfung i. V. m. bidirektionaler Prüfung. aber: Progressive Prüfung ist in der Regel aufwendiger als die retrograde

Prüfung. Bidirektionale Prüfung ist evtl. noch aufwendiger als die retrograde Prüfung.

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Erläuterungen der Fälle (a) bis (f) bei bidirektionaler Prüfung (Abb. 9): (a) Grundbuch-Buchung lässt sich bis zum JA-Posten und realen Sachverhalt feh-

lerfrei verfolgen.

(b) Wie Fall (a), aber nur Urbeleg ist auszumachen, nicht dagegen realer Sachver-halt (der so nicht vorliegen möge). Prüfer kann aber realen Sachverhalt nicht (mehr) beobachten. Fehler ist nicht entdeckbar.

(c) Wie Fall (a), aber Ansatzpunkt: Hauptbuch.

(d) Wie Fall (b), aber (1) realer Sachverhalt ist durch Alternativprüfung, z. B. Transaktionsbestätigung, zu bestätigen: Kein Fehler oder (2) realer Sachverhalt wird als nicht vorhanden vom Prüfer identifiziert.

(e) Kein Niederschlag im JA: Fehler!

(f) Sachverhalt ohne Beleg auch durch bidirektionale Prüfung nicht feststellbar. 222 Prüfungsinhalt

222.1 Anforderungen des IDW

• Art und Umfang der Prüfungshandlungen „sind vom Abschlußprüfer mit dem erforderlichen Maß an Sorgfalt so zu bestimmen, daß unter Beachtung des Grund-satzes der Wesentlichkeit die geforderten Prüfungsaussagen möglich werden. In die-sem Rahmen ist auch der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Abschlußprüfung zu beachten” (IDW PS 200 Tz. 21).

• Im FG 1/1988 Abschn. D. II werden folgende Arten von Prüfungshandlungen un-

terschieden:

− "System- und Funktionsprüfungen des IKS" − "Einzelfallprüfungen", Jahresabschlusszahlenprüfung

-- Plausibilitätsbeurteilungen -- Prüfung von Geschäftsvorfällen und Beständen • Anforderungen an diese Prüfungshandlungen:

"Prüfungshandlungen werden i. d. R. festgelegt auf der Grundlage − der Kenntnisse über die Geschäftstätigkeit sowie das wirtschaftliche und recht-

liche Umfeld der Gesellschaft ..., − der Erwartungen über mögliche Fehler, − der Beurteilung der Wirksamkeit des rechnungslegungsbezogenen internen

Kontrollsystems.” (IDW PS 200 Tz. 20).

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222.2 Formelle Prüfungshandlungen

• Sachverhalte formeller Prüfungshandlungen: - Äußere Ordnungsmäßigkeit und - rechnerische Richtigkeit. • Merkmale äußerer Ordnungsmäßigkeit: 1. Ordnungsmäßige Erfassung sämtlicher Geschäftsvorfälle (Geschäftsvorfall ⇒ Beleg), 2. Richtige Verarbeitung des Zahlenmaterials (Beleg ⇒ Buchung ⇒ JA ⇒ LB), 3. Beachtung formaler Ordnungsprinzipien (⇒ Dokumentationsgrundsätze). • Formelle Prüfungshandlungen sind: (1) Abstimmungsprüfung, (2) Übertragungsprüfung, (3) Rechnerische Prüfung, (4) Belegprüfung. Zu (1): Abstimmungsprüfung (Ist-Ist-Vergleich) Vergleich von Zahlen, die in buchhaltungstechnischem Zusammenhang stehen und

nach dem System der Doppik notwendigerweise übereinstimmen müssen. Folgende Fehler können mit Abstimmungsprüfung nicht aufgedeckt werden: - Buchung falscher Beträge auf beiden Konten, - Buchung auf falschen Konten, - Fehler, die sich gegenseitig aufheben, - Buchung von Fiktivgeschäften, - Auslassungen (= "Schwarzgeschäfte").

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Zu (2): Übertragungsprüfung Aufdeckung von Fehlern, die durch Übertragung falscher Zahlen (Drehfehler) oder

richtiger Zahlen auf ein falsches Konto entstehen. Wichtigste Übertragungsprüfung: - Feststellung der formellen Bilanzkontinuität, § 252 Abs. 1 Nr. 1 dHGB bzw.

§ 201 Abs. 2 Nr. 6 UGB. Zu (3): Rechnerische Prüfung Nachvollziehen von Rechnungen, bei denen durch manuelle Tätigkeiten Fehler

auftreten können: - Berechnungen auf Belegen, - Aufbereiten von Inventurlisten, - Prüfung der fünf systematischen Summen (Belegsummen; Grundbuch-

Kontensummen: Soll und Haben; Hauptbuch-Kontensummen: Soll und Ha-ben).

Voraussetzung für eine rechnerische Prüfung von Teilbereichen ist die zeitliche und

sachliche Fehlerfeldteilung. Zu(4): Belegprüfung - Abstimmung der Belege mit den Eintragungen in den Büchern, - Prüfung des Beleginhalts (⇒ materielle Prüfung), - Belegtext muss klar sein und Geschäftsvorfall hinreichend klären: -- Interne Belege müssen abgezeichnet werden, -- Beleg-Nummern-System ist erforderlich, -- Beleg muss Ausstellungs- oder Eingabedatum enthalten, -- Verweis auf erkannte bzw. angesprochene Konten ist erforderlich (Soll-

und Habenkontierung!).

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222.3 Materielle Prüfungshandlungen

Ausgangspunkt: Bilanzielles Standing des Unternehmens (Moody‘s RiskCalc™); kon-krete Ansatzpunkte durch die individuelle Sensitivitätsanalyse (INSA).

Prüfung auf inhaltliche Richtigkeit und wirtschaftliche Berechtigung des vorhandenen

Zahlenmaterials, d. h. ob der reale Sachverhalt richtig im Zahlenwerk des Rechnungs-wesens abgebildet ist.

Arten von materiellen Prüfungshandlungen:

• Prüfung der Bilanzierungsfähigkeit und -pflicht, • Prüfung des Mengengerüsts einer Jahresabschlussposition, • Prüfung der Anschaffungs- und Herstellungskosten sowie • Prüfung der Bewertung, d. h. der Anwendung von: - Imparitäts- und Vorsichtsprinzip, - Niederstwertvorschriften für Anlagevermögen (gemildert) und Umlauf-

vermögen (streng), • Prüfung des Ausweises im Jahresabschluss, unter dem Bilanzstrich oder im Lagebe-

richt.

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223. Prüfungsgegenstand

223.1 Prüfung des Erfassungs-, Verarbeitungs- und Kontrollsystems (Systemprüfung)

Die Abgrenzung von Systemprüfung und Jahresabschlusszahlen- bzw. Ergebnisprü-fung:

• Aufgabe des Abschlussprüfers: Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung, des Jahresabschlusses und

des Lageberichts. Die Beurteilungsobjekte entstehen durch komplexe Erfassungs-, Verarbeitungs-

und Überwachungsprozesse. • Zwei grundsätzliche Möglichkeiten, ein Urteil zu bilden: 1. Prüfung des Systemoutputs, also der Verarbeitungsergebnisse: Prüfer prüft for-

melle Aspekte, außerdem konstruiert er für jeden zu prüfenden Geschäftsvorfall, Beleg, Kontierung und Erst-, Zwischen- und Abschlussbuchung ein Sollobjekt und vergleicht es mit vorgefundenem Istobjekt. − "Kontenprüfung", "Ergebnisprüfung" oder

"Jahresabschlusszahlenprüfung" ⇒ deshalb auch: "direkte Prüfung". 2. Prüfung der Regeln und Verfahren, nach denen die Geschäftsvorfälle erfasst

werden sollen. Da die Gesamtheit aller Regeln und Verfahren ein System bildet, spricht man von "Systemprüfung".

Bei Systemprüfung kann nur mittelbar auf die Richtigkeit des Systemoutputs

geschlossen werden, denn das System muss geeignet sein, − Geschäftsvorfälle richtig zu bearbeiten, − während des gesamten Beurteilungszeitraums anwendbar zu sein

⇒ deshalb auch: "indirekte Prüfung". • System- und Jahresabschlusszahlenprüfung sind keine Alternativen, sondern beide

sind für eine wirtschaftliche und zuverlässige Urteilsbildung notwendig.

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Begriff und Aufgaben des Erfassungs-, Verarbeitungs- und Internen Kontroll- (Über-wachungs-)systems:

Bei Jahresabschlussprüfung werden untersucht: (1) das Erfassungs- und Verarbeitungssystem und (2) das Interne Kontrollsystem (IKS). Zu (1): Erfassungs- und Verarbeitungssystem Alle Regelungen und Anweisungen, um Erfassungs- und Verarbeitungsprozesse

nicht zufällig, sondern nach einer bestimmten, möglichst zwangsläufigen Ord-nung ablaufen zu lassen, z. B. doppelte Buchführung, Kontenplan, Inventurver-fahren etc.

Zu (2): Internes Kontrollsystem Alle Regelungen und Verfahren, die die Richtigkeit der Erfassung und Verarbei-

tung der anfallenden Geschäftsvorfälle sichern sollen. • Internes Überwachungssystem (IÜS) = Internes Kontrollsystem und interne Prüfung durch Innenrevision - Für Prüfer ist nur der Teil des IÜS relevant, der im Rech-

nungswesen für Richtigkeit der Jahresabschlusszahlen sorgen soll. - Schwerpunkt der Systemprüfung liegt auf IKS, also den fest einge-

bauten Überwachungen. - Wirksames IKS erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass keine we-

sentlichen Fehler entstehen bzw. verbleiben.

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- Qualität des IKS beeinflusst Fehlerrisiko und Fehlererwartung. Schwächen oder Lücken im IKS führen zu erheblichen Fehler-möglichkeiten.

- Die Prüfung des IKS ist Element der GoA und als solches bei Ab-

schlussprüfungen zwingend vorgeschrieben: "Bei der Abschlußprüfung hat der Abschlußprüfer System- und

Funktionsprüfungen des internen Kontrollsystems und Einzel-prüfungen durchzuführen" (FG 1/1988 Abschn. D II).

”Der Abschlussprüfer muss ein Verständnis von dem internen

Kontrollsystem insoweit entwickeln, als es für die Feststellung und Beurteilung der Fehlerrisiken sowie der prüferischen Reaktionen auf die beurteilten Fehlerrisiken erforderlich ist.” (IDW PS 261 (35)).

• Trennung von Erfassungs-, Verarbeitungs- und Kontrollsystem in praxi nicht mög-

lich, weil: - Erfassungs-, Verarbeitungs- und Kontrollhandlungen wechseln im Bearbei-

tungsprozess einander ab. - Einzelne Erfassungs- und Verarbeitungsschritte besitzen gleichzeitig Kontroll-

aspekte (Bsp.: Bei anschließenden Ist-Ist-Vergleichen!). - IKS ohne Erfassungs- und Verarbeitungssystem undenkbar.

Risikomanagementsystem (RMS)

• Bei einer Aktiengesellschaft, die Aktien mit amtlicher Notierung ausgegeben hat,

ist vom Abschlussprüfer im Rahmen der Prüfung zu beurteilen, ob der Vorstand ein geeignetes Überwachungssystem i. S. d. § 91 AktG eingerichtet hat und ob das eingerichtete System seine Aufgaben erfüllen kann (§ 317 dHGB).

• Das Risikomanagementsystem (RMS) hat die Aufgabe, unternehmens-

relevante Risiken zu identifizieren, zu erfassen und spätestens dann, wenn sie für das Unternehmen wesentlich werden bzw. sie Unternehmen in seinem Fortbestand gefährden könnten, zu kanalisieren bzw. abzuwehren.

• Das RMS ist integraler Bestandteil des Internen Überwachungssystem.

• Hinsichtlich der Prüfung des RMS sind die Grundsätze der Systemprüfung zu

beachten (vgl. IDW PS 340).

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Ablauf der Systemprüfung: 1. Systemerfassung, 2. Systemdokumentation, 3. Systemtests, 4. Systembeurteilung. Zu 1.: Systemerfassung • Für Beurteilung ist notwendig: Die Kenntnis des Systems, d. h. die Systemerfassung

ist die Ermittlung der Art der einzelnen Bearbeitungsvorgänge, der zugehörigen Kontroll- und Korrekturhandlungen sowie der Anordnung der einzelnen Bearbei-tungs-, Kontroll- und Korrekturhandlungen sowie der personellen Zuordnung.

• Das IKS-gestützte Erfassungs-, Verarbeitungs- und Auswertungssystem wird vor

allem im Hinblick auf seine - Aufgabentrennungen, - Funktionstrennungen, - Kompetenzbündelungen, - Aufgabenvervielfachungen und - organisatorischen Rahmenbedingungen geprüft.

Aufgaben Funktionen

Bildung Gliederung TrennungZusammen-fassungBündelung

Maßnahmen der formalen Strukturierung

Maßnahmen der Zuweisung an

einen MitarbeitermehrereMitarbeitergemeinsam

Gestaltungselemente der Aufbau- und Ablauforganisation

KompetenzenVerantwort-lichkeiten

Abb. 10: Möglichkeiten zuverlässigkeitssteigernder Organisationsmaßnahmen

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Prüfungstheorie

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• Die tatsächlichen Kopplungsbeziehungen im Rechnungswesen des zu prüfenden Unternehmens sind auf ihre Zuverlässigkeitswirkungen zu analysieren.

Hierfür hat sich der Prüfer Soll-Vorstellungen zu bilden: a) über die erforderlichen organisatorischen Maßnahmen für ein funktionie-

rendes IKS und b) über den vom IKS insgesamt zu fordernden Zuverlässigkeitsgrad. • Vier Möglichkeiten der Systemerfassung: 1. Systemerfassung durch eigene Beobachtungen der zu erfassenden Abläufe. • Beurteilung: - Sehr zuverlässige und vollständige Informationen (allerdings Fehl-

beurteilungsgefahr durch "Hawthorne-Effekte"), - sehr aufwendig, vor allem wenn bereits vollzogene Abläufe bei An-

wesenheit des Prüfers wiederholt werden. 2. Auswertung vorhandener Unterlagen der zu prüfenden Unternehmung wie

Organisationspläne, Stellenbeschreibungen oder durch Innenrevision erstellte Systemdokumentationen.

• Beurteilung: - Abweichung des in den Unterlagen dokumentierten vom tatsäch-

lich realisierten IKS möglich, - Änderung des Systems im Laufe des Geschäftsjahres (vor Erschei-

nen des Prüfers) möglich ⇒ Folgende Informationen sind dann notwendig: -- Wann ist das System geändert worden? -- Sind alle Fälle vom "neuen" System erfasst worden?

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3. Fragebogentechnik • Mit Hilfe meist standardisierter Fragebögen wird erfragt, wie das System

arbeitet bzw. arbeiten soll. ⇒ Fixierung der Antworten ergibt ein Bild des geplanten Systems. • Arten von Fragebogen: - Fragen in geschlossener Form: -- Nur Ja-/Nein-Antworten möglich, wobei Ja-Antworten Sy-

stemstärken, Nein-Antworten Systemschwächen kennzeich-nen.

-- Beurteilung: Hoher Rationalisierungseffekt, aber sehr starr und befragte

Personen wissen schnell, was und wie sie antworten müssen, um eine ”gute” Beurteilung zu erhalten. Dadurch ist eine Fehlbeurteilung möglich.

- Fragen in offener Form: -- Antwort unter näherer Darstellung des Sachverhalts. -- Beurteilung: Geringerer Rationalisierungseffekt, aber flexible Antworten

möglich, dadurch geringere Gefahr der Fehlbeurteilung. ⇒ Kombination beider Fragebogentechniken! • Beispielfragen zur Prüfung des IKS für den Bereich der Verbindlichkeiten: - Liegt ein Organisationsplan und ein Verzeichnis aller Mitarbeiter

der Buchführung vor? - Sind die Aufgabenbereiche der Mitarbeiter beschrieben und klar

abgegrenzt? - Welche Bücher werden im einzelnen geführt? - Erfüllen Art und Anzahl der Bücher die gesetzlichen Vorschriften? - Sind auf den Konten Datum, Belegnummer, Buchungstext und

Gegenkonto angegeben? - In welchen Abständen werden Abstimmungen vorgenommen und

liegen über die Ergebnisse schriftliche Unterlagen vor?

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- Wie werden Falschbuchungen behandelt? - Ist die Prüfspur gesichert, auch wenn der Buchungsstoff grup-

penweise gebucht worden ist, im Journal und auf den Sachkonten? 4. Erfassung des Systems durch Ziehung von Wurzelstichproben (= bidirektio-

nale Systemprüfung) Zu 2.: Systemdokumentation • Systemdokumentation kann gleichzeitig mit Erfassung z. B. durch ausführliches

Aufschreiben der Antworten auf den Fragenkatalog erfolgen. • Darstellungstechniken: - Ablaufdiagramme, - Flow Charts. • Für die Technik der Systemdokumentation ist entscheidend, - ob das Prüfungsunternehmen einen Fragebogen besitzt, - ob sich das jeweilige IKS des zu prüfenden Unternehmens durch einen standar-

disierten und deshalb relativ starren Fragenkatalog adäquat erfassen lässt. Ziel: Abbildung eines vollständigen und genauen Bildes des konzipierten IKS. Zu 3.: Systemtests • Das realisierte IKS kann von dem geplanten bzw. konzipierten IKS aufgrund for-

meller und informeller Regelungen abweichen. Bsp.: Zwei Mitarbeiter, die sich gegenseitig kontrollieren sollen, sprechen sich

untereinander ab, diese Kontrollen zu unterlassen, aber sich gegenseitig die Belege abzuzeichnen:

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- Kontrollen sind faktisch außer Kraft gesetzt, - schlägt sich in Systemerfassung i. d. R. nicht nieder.

• Überprüfung anhand einiger Geschäftsvorfälle, ob vorgesehene Kontrollen auch durchgeführt wurden.

Wenn ein sichtbarer Kontrollpfad vorhanden ist (z. B. Namenszeichen), dann

ist dieses ein Indiz dafür, dass Kontrollhandlungen ausgeführt wurden. Ein In-diz ist aber kein Beweis!

• Feststellung der Existenz und Wirksamkeit von Kontrollen durch die Eingabe

falscher fiktiver Daten in das System durch den Prüfer und Ermittlung, ob und wie das IKS die Fehler aufdeckt.

• Beurteilung: - Sehr aufwendig, fiktive Geschäftsvorfälle nach Tests aus Datenmaterial zu

eliminieren. • Weicht geplantes vom realisierten System ab ⇒ Änderung der Systemdoku-

mentation. • Um zu beurteilen, ob ein System wie geplant funktioniert und mit welcher Zu-

verlässigkeit Fehler entdeckt und korrigiert werden, muss der Prüfer Stichpro-ben aus dem Datenstrom ziehen und aus dem Ergebnis auf die Wirksamkeit al-ler Kontrollen schließen.

• Unzuverlässige Kontrollen sind als Systemschwächen zu kennzeichnen. • Problem: Die Funktionsfähigkeit eines Systems ist nicht nur zu einem Zeit-

punkt, sondern während des relevanten Prüfungszeitraums, also des gesamten GJ zu beurteilen.

⇒ - Die Systemtests haben sich auf Geschäftsvorfälle zu erstrecken, die aus

dem gesamten zu beurteilenden Zeitraum ausgewählt werden.

- Wenn keine Systemtests für den gesamten Zeitraum möglich sind, dann ist eine umfangreichere Jahresabschlusszahlenprüfung erforderlich.

• Erfolgen Systemprüfungen während einer Zwischenprüfung im laufenden Ge-

schäftsjahr, muss bei der Hauptprüfung nach Abschluss des Geschäftsjahres festgestellt werden, ob das System auch in der Zwischenzeit einwandfrei ge-arbeitet hat.

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Zu 4.: Systembeurteilung • Vergleich des vom Prüfer festgestellten Ist-Systems mit einem von ihm gedanklich

gebildeten Soll-System (vgl. Block 5 in Abb. 11). • Fehlende oder mangelhafte Kontrollen müssen als Schwachstellen gekennzeichnet

werden, da dort erhöhte Gefahr besteht, dass Fehler entstehen und nicht entdeckt werden.

• Fehlererwartungen determinieren weitere Prüfungshandlungen. (Vgl. Anschluss-

stellen zwischen "Systemprüfung" und "Jahresabschlusszahlenprüfung": Abb. 11 und Abb. 12).

• Bei der Systembeurteilung muss der Prüfer nicht nur einzelne Kontrollen, sondern

auch die Systemabläufe im Zusammenhang beurteilen. • Aufbauend auf der Systemprüfung muss der Prüfer bei nachfolgender Ergebnis-

prüfung (d. h. Jahresabschlusszahlenprüfung) feststellen, ob tatsächlich wesentliche Fehler an Schwachstellen entstanden sind.

• Der Prüfer hat durch IKS-Analyse Informationen darüber, - welche Fehlerarten er an - welchen Stellen im Erfassungs-, Verarbeitungs- und Kontrollsystem - in welchen Zeiträumen - in welchem Ausmaß (Unzuverlässigkeit des Teilsystems) erwarten kann. • Gezielte Festlegung der weiteren Prüfungshandlungen nach Art, Umfang und Zeit-

punkt möglich.

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(b) Zuverlässigkeit

Relevante Normenfür Prüfungsobjekt

Ist-Organisation

S-I-Zuverlässigkeits-abweichung

Ist-Zuverlässigkeit

Geschäftsvor-fälle

Belegerstel-lung

Kontierung

Buchung

Kontenab-schluß

Hauptabschluß-übersicht

Jahresab-schluß

System- oderErgebnis-

Korrektur durchdas Unternehmen

Nor

men

für S

ollo

bjek

te

Erfa

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gs-,

Vera

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tung

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Rec

hnun

gsw

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s de

r zu

prüf

ende

n U

nter

nehm

ung

Rechtliche Grund-lagen und Informatio-nen über:

0

Prüfer wählt aus allenNormen die für seinPrüfungsobjekt rele-vanten Normen aus

1

(a) Funktions- undAufgabentrennungen

sowie Kompetenz-bündelungen, Aufga-benvervielfachungenund organisatorischeRahmenbedingungen

Prüfer bildet sichSollvorstellungen

nach Gesetz, SatzungGoB, GoA und anderen

Normen über die andas Prüfungsobjektzu stellenden Anfor-

derungen im Hin-blick auf :

3

Prüfer beurteilt S-I-Abweichung bezüglich

Zuverlässigkeit

8

Prüfer urteiltüber organisatorischeSystemstärken und

-schwächen undPrüfer ermittelt an-

hand der zufällig aus-gewählten Test-Ge-schäftsvorfälle die

tatsächlich erreichteZuverlässigkeit

6

Prüfer vergleichtIst-Zuverlässigkeit

mit Soll-Zuver-lässigkeit

7

Prüfer vergleichtIst-(I) Ablauforgani-sation und Soll-(S)Ablauforganisation

5

Prüfer ermittelt dieangewandten Aufgaben-

und Funktionstrennungen,die Kompetenzbündelungen,Aufgabenvervielfachungenund die organisatorischenRahmenbedingungen des

Systems anhand derflächendeckenden

Unterlagen

4

(1) Prüfer wähltaus dem Rechnungswe-sen bzw. dem Internen

Erf.-, Verarb.- undÜberwachungssystem

Unterlagen zur flä-chendeckenden Ermitt-lung der Ablauforgani-

sation des Systems(2)Test des erm. Sy-

stems anhand von ab-gewickelten Ge-schäftsvorfällen

2

Start

Information über aus-gewählte Bereiche

und Geschäftsvorfälleund (spätere) Rück-gabe der Unterlagen

Erhalt der Unter-lagen

Aufgrund des Ur-teils zur Korrek-

tur durch dasUnternehmen

Aufgrund desUrteils zur

Korrekturdurch das

Unternehmen

Istobjekte der Jahres-abschlußzahlenprüfung

zur Korrektur durchdas Unternehmen

Informa-tionen

über aus-gewählteund er-haltene

Istobjekte

Vorinformationenbzgl. Zuverlässigkeitetc. für die Jahresab-schlußzahlenprüfung

Interdependenzen

Soll-Or-

ganisa-tion

Soll-Zuver-

lässigkeit

Vorinformationenüber Stärken undSchwächen des

Systems(Urteil über das Er-

fassungs-/ Verarbei-tungs-/ Überwa-chungssystem)

1 3 2 4 5

S-I-Abweichung

Normen: GoB, Gesetz, Satzung, GoA, Auftrag

Abb. 11: Blockdiagramm über den Ablauf der Systemprüfung

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223.2 Prüfung der Jahresabschlusszahlen (Ergebnisprüfung)

223.21 Vorbemerkung

Jahresabschlusszahlenprüfung: Prüfung der realitätsgerechten Abbildung einzelner Geschäftsvorfälle; richtet sich auf

die in Konten dokumentierten Verarbeitungsergebnisse.

Notwendigkeit der Jahresabschlusszahlenprüfung: 1. Der Prüfer muss sich davon überzeugen, ob Schwächen im IÜS tatsächlich zu

Fehlern geführt haben. 2. Auch wenn ein wirksam konzipiertes und zuverlässig arbeitendes IÜS die Wahr-

scheinlichkeit von Fehlern mindert, kann die Existenz von Fehlern niemals ganz ausgeschlossen werden.

Ursachen von Fehlern bei einem guten IÜS: a) Ein IKS arbeitet nie mit 100%iger Zuverlässigkeit, sondern es verbleibt

stets ein bestimmter Unzuverlässigkeitsbereich. b) Die Umgehung von Kontrollmaßnahmen ist möglich. c) Fehler können oberhalb der Ebene des IÜS entstehen. Hierzu zählen vor

allem über Bilanzpolitik hinausgehende (= manipulierende) Maßnahmen der Unternehmensleitung.

⇒ Fehler, die trotz IÜS auftreten, können nur durch detaillierte Prüfung der

Jahresabschlusszahlen entdeckt werden. Eine Systemprüfung muss immer durch die Prüfung der Jahresabschlusszahlen ergänzt werden.

223.22 Analytische Prüfungshandlungen

Anwendungsbereich, Gegenstand und Umfang analytischer Prüfungshandlungen ist geregelt in IDW PS 312.

Analytische Prüfungshandlungen spielen für die Wirtschaftlichkeit, aber auch für die Effektivität einer Abschlussprüfung eine bedeutende Rolle, da durch sie die aussagebe-zogenen Einzelfallprüfungen und damit der Prüfungsumfang insgesamt zur Gewinnung eines hinreichend sicheren Prüfungsurteils reduziert werden.

Analytische Prüfungshandlungen sind Plausibilitätsbeurteilungen von Verhältniszahlen und Trends, mit deren Hilfe auffällige Abweichungen aufgezeigt werden sollen.

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Bei einer Plausibilitätsbeurteilung handelt es sich somit um eine indirekte Prüfungsme-thode, die im Rahmen des Soll-Ist-Vergleichs nicht eine exakte Gleichheit zwischen Soll-Objekt und Ist-Objekt, sondern eine sachlogische Übereinstimmung (Plausibilität) feststellt.

Es werden nur Gruppenergebnisse d.h. verdichtete Jahresabschlussinformationen und nicht einzelne Geschäftsvorfälle oder Bestände miteinander verglichen.

Analytische Prüfungshandlungen bestehen grundsätzlich aus drei Komponenten:

• Prognose (des Soll-Objektes), • Vergleich (des Ist-Objektes mit dem Soll-Objekt), • Beurteilung (der Soll-Ist-Differenz).

Analytische Prüfungshandlungen umfassen beispielsweise Vergleiche zu beurteilender Daten mit:

• Informationen aus Vorjahren (innerbetriebliche Vergleiche), • Vom Unternehmen erwarteten Ergebnissen (Budgetierung und Prognosen), • Erwartungen des AP über die Fortentwicklung im Unternehmen, • Branchenspezifischen Kennzahlen, wie das Verhältnis von Umsätzen zu den Forde-

rungen des Unternehmens verglichen mit Branchendurchschnittszahlen oder vergli-chen mit anderen Unternehmen vergleichbarer Größe in derselben Branche (zwi-schenbetriebliche Vergleiche).

Des Weiteren beinhalten analytische Prüfungshandlungen auch die Beurteilung von Zusammenhängen:

• zwischen einzelnen finanziellen Informationen, die nach den Erfahrungen des Unter-nehmens erwartungsgemäß einem vorhersehbaren Muster entsprechen, wie die Brut-togewinnspannen,

• zwischen finanziellen und wichtigen nicht-finanziellen Informationen, wie das Ver-hältnis von Lohn- und Gehaltskosten zu der Anzahl der Arbeitnehmer.

Voraussetzung aussagefähiger analytischer Prüfungshandlungen ist grundsätzlich die Zuverlässigkeit des zur Verfügung gestellten Datenmaterials sowie eine stetige Bilanzie-rung.

Bei wesentlichen Posten darf der AP das Prüfungsurteil nicht ausschließlich auf die Ergebnisse analytischer Prüfungshandlungen stützen. Hier ist eine detaillierte Prüfung von Geschäftsvorfällen und/oder Beständen erforderlich.

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223.23 Prüfung von Geschäftsvorfällen und Beständen

1 3 2 4 5

Prüfer vergleichtSoll- und Istobjekte

in der Jahresab-schlußzahlenprüfung

11

Prüfer beurteiltS-I-Abweichungen

12

Prüfer vergleichtZuverlässigkeit ausSystemprüfung mitder aus Jahresab-

schlußzahlenprüfung

15

Prüfer wählt Ist-Objekte aus dem Rech-

nungswesen der zuprüfenden Unterneh-

mung für die ver-schiedenen Auswahl-

prüfungen aus

10

Urteil wird den Adres-saten mitgeteilt

16

Prüfer erstellt Sollob-jekte zu den ausge-wählten Istobjekten

9

13

Prüfer bildet sich einUrteil aus der

Jahresabschluß-zahlenprüfung

Prüfer faßt Ergeb-nisse aus System-

und Jahresabschluß-zahlenprüfung

zusammen

14

Zuver-lässigkeit aus

Systemprüfunggrößer?

Vorinformationenbzgl. Zuverlässig-

keit etc. für dieJahresabschluß-zahlenprüfung

Vorinformationen über Stärkenund Schwächen des Systems

Rückgabevon Istob-jekten zurKorrektur

Rückgabevon Istob-

jekten ohneKorrektur

AllgemeineNormen

Interdependenzen Informationenüber ausgewählteund erhaltene Ist-

objekte

Sollobjekte

Istobjekte

S-I-Abweichungen

Schwere der bei der Jahresab-schlußzahlenprüfung entdeckten

Fehler

Ja

Nein

Istobjekte zur Korrektur durch dasUnternehmen, Information an Vorstand

Rückgabe der Istobjekte an das Un-ternehmen (u. U. Vorstand)

Prüfungsergebnis

Adressateninformationen(Bestätigungsvermerk nach § 322 HGBund Prüfungsbericht nach § 321 HGB)

Abb. 12: Blockdiagramm über den Ablauf der Jahresabschlusszahlenprüfung

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23 Umfang der Prüfungshandlungen

231. Determinanten des Prüfungsumfangs

§ 317 dHGB bzw. § 269 UGB regelt Gegenstand und Umfang der Prüfung für Einzel- und Konzernabschluss.

• Der Prüfungsumfang ist im Gesetz nicht eindeutig festgelegt. • Das Gesetz nennt aber die Determinanten des Prüfungsumfangs:

1. Den Prüfungsgegenstand, denn Zahl und Komplexität der vom Abschluss-prüfer zu beurteilenden Elemente des Prüfungsgegenstands bestimmen wesent-lich den Umfang der Prüfung.

2. Die vom Prüfer geforderten Aussagen über den Prüfungsgegenstand:

- Der Prüfer muss so prüfen, dass er beurteilen kann, ob: -- der Jahresabschluss den "gesetzlichen Vorschriften und sie ergän-

zenden Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages oder der Satzung" (§ 317 Abs. 1 Satz 2 dHGB bzw. § 269 Abs. 1 Satz 2 UGB) ent-spricht und

-- "der Lagebericht mit dem Jahresabschluß ... mit den bei der Prü-fung gewonnenen Erkenntnissen des Abschlußprüfers in Einklang“ steht und, „ob der Lagebericht insgesamt eine zutreffende Vorstel-lung von der Lage des Unternehmens ... vermittelt.“ (§ 317 Abs. 2 Satz 1 dHGB) bzw. „der Lagebericht mit dem Jahresabschluß ... in Einklang“ steht und, „ob die sonstigen Angaben im Lagebericht nicht eine falsche Vorstellung von der Lage des Unternehmens ... erwecken“ (§ 269 Abs. 1 Satz 3 UGB)

-- ”die Chancen und Risiken der künftigen Entwicklung zutreffend dargestellt sind“ (§ 317 Abs. 2 Satz 2 dHGB).

-- ”der Vorstand die ihm nach § 91 Abs. 2 des Aktiengesetzes oblie-genden Maßnahmen in einer geeigneten Form getroffen hat und ob das danach einzurichtende Überwachungssystem seine Aufga-ben erfüllen kann.” (§ 317 Abs. 4 dHGB) Diese Regelung ist indes nur zwingend auf Aktiengesellschaften anzuwenden, die Aktien mit amtlicher Notierung ausgegeben haben.

• Die gesetzlichen Vorschriften setzten lediglich Rahmenbedingungen, innerhalb

derer es dem Abschlussprüfer obliegt ”Art und Umfang der im Einzelfall erforderli-chen Prüfungshandlungen im Rahmen der Eigenverantwortlichkeit nach pflicht-gemäßem Ermessen zu bestimmen.” (IDW PS 200 Tz. 18)

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Die GoA konkretisieren den Prüfungsumfang: • Ein vertrauenswürdiges Urteil muss ein hohes Maß an Genauigkeit und Sicher-

heit aufweisen. • Sicherheit kennzeichnet die Wahrscheinlichkeit/Zuverlässigkeit, mit der ein Urteil

zutrifft. Genauigkeit ist ein Maß für die Exaktheit eines Urteils. • Aufgabe der GoA ist es, diejenigen Sicherheits- und Genauigkeitsgrade festzulegen,

die für eine konkrete Prüfungsaufgabe angemessen sind. • Bei Schätzungen stehen Sicherheit und Genauigkeit in einem Spannungsverhältnis.

Bei gegebenem Stichprobenumfang steigt die Sicherheit, wenn die Genauigkeit ab-nimmt, wenn also das Intervall vergrößert wird:

W

UUngenauigkeit,Breite desSchätzintervalls

1 2

0,5

1

absolute (100 %)Genauigkeit

00

100% Sicherheit

0% Sicherheit

Abb. 13: Spannungsverhältnis zwischen Sicherheit und Genauigkeit des Prüfungsur-teils

73

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• Der HFA des IdW legt die Vorgabe des erforderlichen Sicherheits- und Genauig-keitsgrades weitgehend in das Ermessen des verantwortlichen Abschlussprüfers.

• Zum erforderlichen Sicherheitsgrad sagt der HFA: "Bei der Festlegung des erforderlichen Sicherheitsgrades für eine statistische Aussage muß

der Prüfer gewissenhaft abwägen, ob das bei jeder Stichprobenprüfung in Kauf zu neh-mende Risiko eines unzutreffenden Urteils über das untersuchte Prüfgebiet im Rahmen des Gesamturteils seiner Prüfung noch vertretbar ist." (HFA, Stellungnahme 1/1988, Abschn. D III 2 b)).

• Im Zweifel sollten die Teilurteile mit mindestens 95%iger Sicherheit abgegeben

werden, um die Vertrauenswürdigkeit des Urteils jederzeit zu gewährleisten. • Den Genauigkeitsgrad, d. h. die Breite des Toleranzbereichs muss der Prüfer: "Nach der Art der im Prüfgebiet festgestellten Fehler und nach ihren möglichen Auswir-

kungen auf die Rechnungslegung ... von Fall zu Fall festlegen." (HFA, Stellungnahme 1/1988, Abschn. D III 2 c)).

• Als Kriterien für den Genauigkeitsgrad nennt der HFA: - Die Bedeutung im Prüfgebiet festgestellter Fehler für das Gesamturteil, - der erwartete Fehleranteil sporadisch im Prüfgebiet auftretender Fehler, - der Anfall systematischer oder bewusster Fehler im Prüfgebiet und - die Bedeutung des einzelnen Teilgebietes im Rahmen der Gesamtprüfung. • Im Zweifel ist ein Genauigkeitsgrad von 99 % grundsätzlich ausreichend. • Bei bewusst gesteuerten Auswahlverfahren lassen sich keine objektiv feststellbaren

Sicherheits- und Genauigkeitsgrade angeben.

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232. Vollprüfung

Bei einer Vollprüfung wird das Urteil erst dann gefällt, wenn sämtliche Elemente eines Prüffeldes auf ihre urteilsrelevanten Merkmale untersucht worden sind.

Das Urteil kann mit einer sehr hohen Sicherheit und Genauigkeit abgegeben werden

(theoretisch sogar mit je 100%iger Sicherheit und Genauigkeit). Aber: - Eine Vollprüfung verbraucht viel Zeit und verursacht hohe Kosten. - Die Realisierung maximaler Urteilsqualität ohne Rücksicht auf die Kosten wi-

derspricht den Zielen der Urteilsadressaten. - Auch bei einer Vollprüfung sind Fehler des Prüfers durch Ermüdung und Irr-

tümer möglich (und damit auch keine 100%ige Sicherheit und Genauigkeit). - Auch Auswahlverfahren bieten hohes Maß an Sicherheit und Genauigkeit. - Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit ist als GoA allgemein anerkannt. Der

Prüfer muss die erforderliche Qualität seines Urteils deshalb mit möglichst ge-ringem Aufwand erzielen.

Deshalb: Vollprüfung nur bei Prüfungsfeldern mit hoher Bedeutung, z. B. Prozessrückstel-

lungen. Vollprüfung kommt vor allem dann und bei Prüfungsfeldern in Betracht, wenn die

Risiken aus der individuellen Sensitivitätsanalyse (INSA) bei Moody‘s RiskCalc™ ei-nen sehr hohen Einfluss auf eine deutliche Risikoerhöhung für den Fortbestand des Unternehmens signalisieren.

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233. Auswahlprüfung

233.1 Überblick zu den Verfahren

Anwendung der Auswahlprüfung, wenn eine vollkommene Sicherheit bei verlangter Mindestgenauigkeit des Gesamturteils über einen Prüfungskomplex nicht verlangt wird (und das ist der Regelfall).

• Auswahlprüfung = Prüfung einer möglichst repräsentativen Auswahl von Ist-

Objekten (= Stichprobenelemente, n) aus der Menge des Prüfungskomplexes (= Grundgesamtheit, N). Vom Er-gebnis der Auswahlprüfung wird dann auf alle, auch auf die nicht geprüften Sachverhalte geschlossen und ein Prü-fungsurteil gebildet.

• Zweck der Auswahlprüfung: Reduzierung des Prüfungsumfangs und der Prüfungs-

zeit, d. h. kostengünstigere Durchführung von Prüfungen. Aber: Unentdeckte Fehler müssen in Kauf genommen werden. • Stellungnahme HFA 1/1988, Abschn. A: "Der Abschlußprüfer (hat) Art und Umfang seiner Prüfungshandlungen gewissenhaft

und mit berufsüblicher Sorgfalt ... zu bestimmen, so daß ihm unter Beachtung der We-sentlichkeit die geforderte sichere (und genaue) [Ergänzungen in runden Klammern durch den Verfasser] Beurteilung der Gesetz- und Ordnungsmäßigkeit der Rechnungs-legung möglich ist. Um diese Zielsetzung der Abschlußprüfung im Rahmen der gebote-nen Wirtschaftlichkeit und Termingerechtigkeit der Prüfung zu erreichen, ist im allge-meinen der Einsatz stichprobengestützter Prüfungsmethoden (zufallsgesteuerter Aus-wahlverfahren) erforderlich, aber auch ausreichend."

Die folgende Abbildung gibt einen Überblick über die möglichen Verfahren der Aus-

wahlprüfung:

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Prüfungstheorie

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Abb. 14: Verfahren der Auswahlprüfung

77

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Prüfungstechnik

78

233.2 Bedeutung von Vorinformationen

Die Verlässlichkeit des Prüferurteils, d. h. der Grad an Sicherheit und Genauigkeit des Ur-teils, ist abhängig von:

• der Zahl der untersuchten Elemente (n) im Verhältnis zur Zahl aller Elemente (N), • der sachgerechten Anwendung der Verfahren und • dem Grad der Zuverlässigkeit der bei der Anwendung der Verfahren benutzten Informa-

tionen über das Prüfungsgebiet (Vorinformationen) zur Auswahl der Elemente.

Nützliche Informationen sind bspw. Angaben über • den absoluten und relativen Wert einzelner Geschäftsvorfälle, • die Bedeutung eines Prüffeldes für das Gesamturteil, • die wirtschaftliche Lage des zu prüfenden Unternehmens, • den Schwierigkeitsgrad der Buchungsvorgänge, • die Qualifikation des Buchhaltungs- bzw. Rechnungswesenpersonals, • die Kenntnis von Vorjahresfehlern.

Das IDW (FG 1/1977 und 1/1988 sowie HFA 1/1988) verpflichtet den Prüfer, vor An-wendung eines Auswahlverfahrens solche Informationen zu beschaffen und auszuwerten:

• "Unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Wesentlichkeit und des Fehlerrisikos wird der

Abschlußprüfer seine Prüfungshandlungen auf der Grundlage von Stichproben (gemeint sind Auswahlverfahren) vornehmen". (FG 1/1988, Abschn. D II 1. Anm. 1).

• Prüffelder sind im Hinblick auf die Bedeutung (Wesentlichkeit) der im Prüffeld

enthaltenen Elemente, gemessen an ihrem absoluten oder relativen Wert für das Prüfungsurteil, zu analysieren.

• Prüfer benötigt Vorinformationen, die ihm gestatten, das Fehlerrisiko, d. h. die

Wahrscheinlichkeit von Fehlern oder von Verstößen gegen die Rechnungslegungs-vorschriften, abzuschätzen.

- FG 1/1977: "Das Fehlerrisiko im Rahmen der Rechnungslegung hängt

u. a. ab von Art, Größe und wirtschaftlicher Lage des zu prü-fenden Unternehmens sowie von Verwertbarkeit und Art der Vermögensgegenstände bzw. Schulden. Bei der Abschätzung des Fehlerrisikos ist der Stand des internen Kontrollsystems von Bedeutung."

- Bei der Beurteilung der aus der wirtschaftlichen Lage resultierenden Fehlerrisi-

ken sind grundsätzlich zwei Gruppen von Risikofaktoren zu unterscheiden: (1) Risiken aus dem Gesundheitszustand/Bestandsfestigkeit des Unterneh-

mens und

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Wirtschaftsprüfung I

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(2) Risiken aus dem Lebenswandel des Unternehmens (=künftige Ge-

schäftsrisiken als kumulierte Gewinne/ Verluste). Beide Risikogruppen ergeben gemeinsam das Risiko des Unternehmens. Beispiel (1): Ein Unternehmen mit hoher Bestandsfestigkeit (Wider-

standskraft) kann auch riskante Geschäfte eingehen. Es wird durch Verluste nicht gleich im Bestand gefährdet, sondern fe-dert diese ab.

Beispiel (2): Ein Unternehmen mit sehr geringer Bestandsfestigkeit wird

u. U. schon bei einer Geschäftstätigkeit in einem Zweig mit geringem Sonderrisiko scheitern, wenn durch schwache Kon-junktur eine kurzfristige Kaufzurückhaltung der Kunden aus-gelöst wird.

Quellen für Vorinformationen:

• Stand des internen Kontrollsystems/IÜS bzw. des RMS, • Betriebsbegehungen, • Analyse der Aufbau- und Ablauforganisation mit Urlaubsvertretungsregelungen, • Studium von Fehlerprotokollen, • Reklamationen von Kunden und Lieferanten, • Abstimmungsprüfungen, • Vorstichproben oder die Analyse der wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse des

Unternehmens, • Ermittlung der wirtschaftlichen Lage mit Hilfe der Bilanzbonitätsprüfung der letzten

fünf Jahre sowie des vorläufigen und später des endgültigen JA sowie der dem Bilanz-stichtag folgenden zwei Jahre,

• ”Qualitative Bonität” mit KNNA auf der Basis von Auskünften.

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Prüfungstechnik

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Beispiele für bei der Jahresabschlusszahlenprüfung benötigte Vorinformationen bei alternati-ven Auswahlverfahren (Übersicht aus: Baetge, J., Auswahlprüfungen auf der Basis der Sys-temprüfung):

Angewendetes Auswahlverfahren ? Bewusste Auswahlverfahren Zufallsgesteuerte Auswahlverfahren

Auswahl nach abso-luter oder

relativer Be-deutung des Geschäfts-

vorfalls

Detektivi-sche Aus-

wahl

Typische Auswahl

Einstufige Auswahlverfahren

Mehrstufige Zufalllsaus-wahl, z.B.

Sequential-testverfahren

Einfache

Zufallsaus-wahl

Komplexe Zufallsauswahl

Benötigte Vorinformationen über

Geschich-tete Zufalls-

auswahl

Klumpenaus-

wahl

Höhe des Wertes (EUR-Betrags) absolut Höhe des Wertes (EUR-Betrags) relativ Ergebnis der ABC-Analyse Fehleranfälligkeit wegen Bearbeiter (mangelnde Kenntnisse) wegen fehlender Kontrolle wegen Komplexität des Falles wegen Komplexität der Bearbeitung (oder Mängel des Prozessablaufs) wegen Indizien für Fehler (Radierung/Rasur/Verheimlichung) wegen fehlender Funktions- bzw. Aufgabentrennung wegen Sonderfall (keine generelle Regelung) Routinefall Gleichartige Fehlerursachen bzw. -möglichkeiten "Lage" der Geschäftsvorfälle Aus der Auswertung der ausgewählten Fälle genutzte Informationen über Weiterauswahl Ende der Auswahl Ausreißerfreiheit (Mindest)größe der Grundgesamtheit Zufallszahlen-Tabelle oder -generator oder Ersatz Gewünschter Sicherheits- und Genauigkeitsgrad Zulässiger Fehler 1. und/oder 2. Art Maximal tolerabler Fehleranteil bzw. -wert Prognostizierter Fehleranteil bzw. -wert

x x x

x x x x x x x x x

(x)

(x) x

x x

(x)

x x x x x x

(x)

(x)

(x)

(x)

(x)

(x)

(x) x x x x x x x

x x x x x x x

x x

(x) x x x x x x

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233.3 Systematisch gesteuerte Auswahlverfahren

233.31 Auswahlkriterien und Prüfungsumfang

Die Stellungnahme 1/1988 des HFA des IDW nennt in Übereinstimmung mit der Prü-fungspraxis als Kriterien für die bewusstgesteuerte (=systematische) Auswahl:

• Die relative und absolute Bedeutung des einzelnen Prüfungsgegenstands innerhalb

der Gesamtprüfung, • die Auswahl nach "typischen Fällen" und • das "Fehlerrisiko". 233.311. Konzentrationsauswahl

Definition: Bei diesem Auswahlverfahren werden diejenigen Elemente ausgesucht und geprüft, die we-

gen ihres relativen oder absoluten Gewichts im Prüfungsfeld das Urteil über das Prüfgebiet entscheidend beeinflussen können.

Synonyme Begriffe: Konzentrationsauswahl, Auswahl nach dem Konzen-

trationsprinzip (cut-off-Verfahren). Konzentrationsprinzip: Bei bestimmten Elementen beeinträchtigen Fehler wesent-

lich die Aussagefähigkeit des Jahresabschlusses und damit das Gesamturteil des Abschlussprüfers.

• Je bedeutender ein Prüffeld vom Umfang/Wert (relativ zu allen anderen) ist, desto

höher ist unter sonst gleichen Bedingungen der Prüfungsumfang anzusetzen, denn mit jedem zusätzlich untersuchten Prüfungselement sinkt das Risiko des Prüfers, ein falsches Urteil über das Prüffeld abzugeben.

• Von dem Ergebnis der untersuchten Geschäftsvorfälle kann der Prüfer nicht auf die

Fehlerhaftigkeit oder Fehlerfreiheit im nicht geprüften Teil der Grundgesamtheit schließen, aber er kann sicher sein, dass die nicht entdeckten Fehler nur bei Prü-fungsobjekten auftreten können, die von geringerer Bedeutung sind (subjektive Re-präsentativität).

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Beispiel für die Auswahl nach der Bedeutung der Prüfungsgegenstände mittels ABC-Analyse:

• Ausgangsdaten für ein Beispiel - Prüfungsfeld: Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, - Gesamtwert der Forderungen: 60 Mio. EUR, - 10.000 verschiedene Einzelforderungen. • Vorgehen in zwei Schritten: 1. Einteilung der Forderungen in Klassen:

A-Forderungen: Relativ wenige große Geschäftsvorfälle, die einen relativ

großen Anteil des Wertes des gesamten Forderungsbestandes ausmachen.

B-Forderungen: Mittelwertige Forderungen, die i. d. R. in größerer Zahl

vorkommen. C-Forderungen: Forderungen, die einen relativ geringen Wert im Verhältnis

zum Wert des gesamten Forderungsbestandes aufweisen, in-des in sehr großer Zahl im Bestand enthalten sind.

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Wirtschaftsprüfung I

83

2. Verteilung der einzelnen Forderungen in die definierten Klassen: a) Computergestützt werden die Forderungen nach ihrer Höhe (nach Wert) ab-

/aufsteigend sortiert. Folgende Tabelle zeigt eine mögliche Verteilung:

(1) (2) (3) (4) (5) (6)

Forderungs-Nr.

nach Wert-höhe fallend

Buchungs-Nr.

Kumulierter Mengenan-

teil (%)

Betrag der Einzelfor-

derung (EUR)

Wertanteil der

Einzelfor-derung (%)

Kumulierter Wertanteil

(%)

1 . .

2.000 . .

3.000 . .

10.000

06.754 . .

02.678 . .

09.234 . .

05.899

0,01 . .

20 . .

30 . .

100

1,5 Mio . .

50.000 . .

5.000 . .

100

2,5 . .

0,083 . .

0,0083 . .

0,00017

2,5 . .

80 . .

95 . .

100

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Prüfungstechnik

b) Abbildung des kumulativen Mengen- und Wertanteils der Forderungen in einer Verteilungskurve (Lorenzkurve):

10010 20 30 40 50 60 70 80 90

100

10

20

30

40

50

60

70

80

90

5

95

A

B

C

Mengenanteil in Prozent

Wer

tant

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n P

roze

nt

Abb. 15: ABC-Analyse • Beurteilung der ABC-Analyse: - Anwendung der ABC-Analyse trägt erheblich zur Rationalisierung der Prü-

fung von Forderungen (und Verbindlichkeiten) bei. - Muss im Verbund mit weiteren Kriterien betrachtet werden: Vor-

informationen, z. B. Informationen über notleidende Debitoren, liefern An-haltspunkte für eine detektivische Auswahl, welche Forderungen bzw. zugehö-rige Geschäftsvorfälle betreffen können, die jenseits des mittels einer ABC-Analyse bewusst ausgewählten Forderungsbestandes liegen können.

- Die ABC-Analyse als Auswahlkriterium findet ihre Grenze dort, wo die Kon-

zentrationskurve nahe der 45°-Linie verläuft und deshalb die Prüfung eines ge-ringen Mengenanteils nicht zur Prüfung eines hohen Wertanteils führen kann.

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233.312. Auswahl typischer Elemente

Definition: Die Prüfungshandlungen konzentrieren sich auf solche Geschäftsvorfälle, die im Prüfgebiet

jeweils in gleicher Weise oder von den gleichen Personen verarbeitet werden und bei denen Fehler deshalb als typisch für den jeweiligen Verarbeitungsgang angesehen werden können.

Ziel des Verfahrens:

Aufgrund der Prüfung von wenigen, ausgewählten Geschäftsvorfällen ein möglichst für das

gesamte Prüffeld subjektiv repräsentatives Urteil zu gewinnen.

Anwendungsbereiche: • Systemprüfungen • Entdecken systematischer Fehler, die u. U. wiederum auf Fehlerquellen (i. S. v. Feh-

lerursachen) hinweisen können. • Gewinnung wertvoller Aufschlüsse über mögliche Fehler, wenn keine anderen Vor-

informationen vorliegen. • Grundlage von Wurzelstichproben (retrograde Prüfung).

Anwendungsgrenzen: • Die zu prüfenden Objekte müssen auf ähnliche Weise erstellt worden sein. Ansonsten

werden systematisch auftretende Fehler nicht als solche erkannt.

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233.313. Detektivische Auswahl

Definition: Der Prüfer wählt aufgrund seines Spürsinns und seiner Erfahrung solche Sachverhalte aus,

bei denen er am ehesten Fehler vermutet. • Prüffelder, in denen ein hoher Fehleranteil erwartet wird, werden intensiver geprüft

als Prüffelder, bei denen ein geringer Fehleranteil vermutet wird, d. h. je höher das Fehlerrisiko ist, desto größer muss der Stichprobenumfang sein.

Beim risikoorientierten Ansatz kann der Prüfer aber auch versuchen, jene Prüfungsfelder zu identifizieren, bei denen ein hohes inhärentes Risiko (IR) besteht. Hierbei kann ihm z. B. die Bilanzbonitätsprüfung mit einem Bilanzrating helfen. Dabei ist der Pyramideneffekt zu beachten.

Ziel des risikoorientierten Verfahrens:

Minimierung des Prüfungsrisikos für einen α-Fehler.

Zweckgerichtete Auswahl von Vorinformationen als Auswahlkriterium für die Stichprobe: • Will der Abschlussprüfer unbeabsichtigte Fehler aufspüren, dann sind: - Grad der Komplexität der Organisation des Rechnungswesens, - Schwierigkeitsgrad der Verarbeitung von Geschäftsvorfällen und - Qualifikation der jeweiligen Mitarbeiter im Rechnungswesen zu berücksichtigen. • Will der Abschlussprüfer beabsichtigte Fehler aufspüren: - Vorläufige Einschätzung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens anhand der

noch ungeprüften Jahresabschlusszahlen mit einem Bilanzrating. ⇒ Bei Unterschlagungsprüfungen sind Spürsinn und Erfahrung des Prüfers besonders

wichtig!

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Mögliche Fehlerquellen lassen sich generell nach den folgenden Kriterien aufspüren: • Sachliche Auswahlkriterien ⇒ Z. B. außergewöhnliche Schadenfälle (hohe Beträge) im Versicherungswesen,

Schwierigkeitsgrad der Bearbeitung, sichtbare Korrekturen • Personelle Auswahlkriterien ⇒ Z. B. Ausbildungsstand, Erfahrung der Mitarbeiter des Rechnungswesens • Zeitliche Auswahlkriterien ⇒ Z. B. Zeiträume mit hoher Arbeitsbelastung, Vertretungszeiten • Räumliche Auswahlkriterien ⇒ Z. B. erhöhte Gefahr von Diebstahl aufgrund des wenig gesicherten Lagerortes

Beurteilung: • Erfahrungen und Vorinformationen des Prüfers können explizit berücksichtigt werden

(Erfahrungseffekt). • Bei Wiederholungsprüfungen besteht die Gefahr, dass die Auswahlkriterien des Prüfers

durchschaut werden bzw. einige Teile des Prüfungsstoffes nie geprüft werden und damit ein Bereich für beabsichtigte Unregelmäßigkeiten entsteht. Dabei werden für den Prüfer sogenannte Soll-Bruchstellen vorbereitet.

• Präventionsstrategie: Kombination von Auswahlkriterien. Stellungsnahme HFA 1/1988, Abschn. C II 2.: "Es kann zweckmäßig sein, die Auswahl nach dem Fehlerrisiko mit der Auswahl nach

der Bedeutung des Prüfungsgegenstandes zu verbinden und z. B. zunächst nach dem Feh-lerrisiko auszuwählen und daran anschließend auf die Bedeutung der verbleibenden Elemente des Prüfgebiets abzustellen."

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Prüfungstechnik

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233.32 Beurteilung systematisch gesteuerter (bewusster) Auswahlverfahren

Vorteil: • Die bewusste Auswahl bietet dem Prüfer vor allem den Vorteil, aufgrund seines Sachver-

standes gezielt nach fehlerhaften Prüfungselementen suchen zu können. Die Methoden der bewussten Auswahl führen dann zum Erfolg, wenn vom Prüfer bei der Auswahl der Stichprobenelemente möglichst sämtliche verfügbaren Vorinformationen über die mut-maßliche Qualität des in Auswahl zu prüfenden Prüfungskomplexes berücksichtigt wer-den.

Nachteile:

• Eine generelle Gefahr der bewussten Auswahlprüfung ist, dass das zu prüfende Unter-

nehmen die Auswahlkriterien aufgrund von Erfahrungen aus vorangegangenen Prüfun-gen voraussieht und daher bewusste Fehler einfacher verdecken kann oder sogenannte Soll-Bruchstellen vorbereitet.

• Gefahren birgt die bewusste Auswahlprüfung insoweit, als der Prüfer: 1. z. B. nicht genügend Vorinformationen über die mutmaßliche Qualität des zu prü-

fenden Komplexes erlangt, oder 2. ein unpassendes Auswahlkriterium heranzieht und dadurch zu verzerrten Ergebnis-

sen kommt, oder 3. zu viele oder zu wenige Elemente in die Prüfung einbezieht.

Fazit: Der Einsatz eines bewussten Auswahlverfahrens ist fallweise zu entscheiden. Anhaltspunkte

geben die Grundsätze ordnungsmäßiger Durchführung von Abschlussprüfungen (GoA).

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Prüfungstheorie

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233.4 Zufallsgesteuerte Auswahlverfahren

233.41 Grundlagen

233.411. Zufalls-(Urnen-) Modell

Ausschließlich der Zufall entscheidet darüber, welche Untersuchungseinheiten in die Auswahl gelangen.

Definitionen:

• Zufallsauswahl: Jede Einheit der Grundgesamtheit hat die gleiche oder eine

bestimmte berechenbare Chance, in die Stichprobe zu gelangen. • Stichprobe: Menge der zufällig aus der Grundgesamtheit entnommenen

Elemente. • Stichprobenfehler: Differenz zwischen dem Kennwert einer Stichprobe und dem

"tatsächlichen Wert" der Grundgesamtheit, aus der die Stichprobe gezogen wurde.

Urnenmodell

• Versuchsanordnung: - Eine Urne ist mit N gleich großen, gleich schweren idealen Kugeln gefüllt. - Die Kugeln unterscheiden sich lediglich durch äußerliche Merkmalsausprägungen: -- Unterschiedliche Farbaufdrucke (schwarz bzw. rot) ⇒ qualitative Merkmalsausprägungen (Fehleranteilsstatistik/homograde Fragestellung) -- Aufgebrachte Zahlen ⇒ quantitative Merkmalsunterschiede (Fehlerwertstatistik/heterograde Fragestellung)

• Übertragung auf ein Beispiel der Buchführung (entnommen aus: BUCHNER, R., Stichprobenprüfung, Zufallsauswahl, in: HwRev 1992, Sp. 1897 f.):

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Prüfungstechnik

Die Urne enthält die prüfungspflichtigen Geschäftsvorfälle (Belege) eines bestimmten Prüffeldes (z. B. Forderungen) mit N Belegen, von denen M Belege mit 0<M<N falsch (Merkmalsausprägung rot) und N-M Belege richtig (Merkmalsausprägung schwarz) sind bzw. bei denen die angebrachten Zahlen die Höhe der Buchforderungen symbolisieren. Nun werden n Belege zufällig gezogen ("ohne Zurücklegen").

⇒ Jede Forderung besitzt die gleiche, von Null verschiedene Wahrscheinlichkeit, in die

Stichprobe zu gelangen.

Mit Hilfe folgender Verfahren lässt sich feststellen, ob das Stichprobenergebnis für das gesamte Prüffeld objektiv repräsentativ ist:

• Test auf Zufälligkeit (run test), • Anpassungstest, d. h. Test auf Normalverteilung der Messwerte einer Grundgesamtheit,

oder • Ausreißertest.

Vorgehen bei der Jahresabschlusszahlenprüfung mittels zufallsgesteuerter Auswahlverfahren unter Zuhilfenahme der Stichprobentheorie:

Interessierender SachverhaltGrundgesamtheit

Entnahme einerZufallsstichprobe

Aufbereitung- tabellarisch- zeichnerisch- rechnerisch

Erfassung

Schluß von der bekanntenStichprobe auf dieunbekannte Grundgesamt-heit mittelsStichprobentheorie

Abb. 16: Repräsentationsschluss der Stichprobentheorie

90

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Prüfungstheorie

91

233.412. Voraussetzungen für eine Stichprobenprüfung

Für die Anwendung stichprobengestützter Prüfungsmethoden nennt der HFA in

Übereinstimmung mit der Prüfungsliteratur folgende Bedingungen: (Stellungnahme HFA 1/1988, Abschn. D II/III 1.b)/IV 3.) (1) Bestimmte Anforderungen an die Prüfbereitschaft des zu prüfenden Unternehmens, (2) hinreichend große Prüffelder, (3) homogene Prüffelder in Bezug auf die Fehler sowie (4) vorliegen von Informationen über das Prüfgebiet (in Bezug auf die Struktur und einzelne

Parameter). Zu (1) Anforderungen an die Prüfbereitschaft

Sachgerechte strukturelle Aufbereitung des Prüfgebiets und Abgrenzung der Grundgesamtheit:

• Merkmale, die entweder als Auswahlkriterien in Betracht kommen oder die selbst

Prüfungsgegenstand sein können, müssen lückenlos und vollständig erfasst werden, • Zweckmäßig gestaltetes und wirksames IKS erforderlich.

Zugriffsbereitschaft der Daten Zu (2) Hinreichend große Prüffelder

Ein nicht entdeckter Fehler verliert für das Prüferurteil umso mehr an Gewicht, je umfangreicher das Prüffeld ist.

⇒ Degressionseffekt!

Der Prüfer kann den Umfang der Prüffelder nur teilweise beeinflussen: ⇒ Unternehmensspezifische Faktoren (z. B. Größe, Branchenzugehörigkeit etc.)

bestimmen die Prüffeldabgrenzung.

Konten mit Massenverkehr (z. B. Konten des Zahlungs- und Warenverkehrs) eignen sich besonders für Stichprobenprüfungen.

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Zu (3) Homogene Prüffelder

Prüffeld muss in sachlicher, zeitlicher, personeller und örtlicher Hinsicht eindeutig abgegrenzt sein, damit ein objektiv repräsentatives Urteil über das gesamte Prüffeld aufgrund der Stichprobenergebnisse gefällt werden kann.

Die Homogenitätsbedingung bezieht sich auf die gesuchten Fehler. Die Fehler in einem

Prüffeld müssen von gleicher Art sein (gleiche Bedeutung für das Urteil des Prüfers).

Forderung nach "Ausreißerfreiheit": "Vor Beginn der Stichprobenziehung sollte die Grundgesamtheit auf ihre Homogenität (in bezug

auf die Fehler) [Ergänzung in runden Klammern durch den Verfasser] und auf Ausreißer hin untersucht werden." (Stellungnahme HFA, 1/1988, Abschn. D III 1. b))

Zu (4) Informationen über das Prüfgebiet

Der Einsatz statistischer Methoden setzt stets Vorkenntnisse über das Prüfgebiet voraus: • Informationen über einzelne Parameter (z. B. erwarteter Fehleranteil) oder die Struktur

des Prüfgebiets ⇒ Voraussetzung für Wahl eines zweckmäßigen und wirtschaftlichen stich-

probengestützten Prüfverfahrens • Ohne konkrete Informationen kein Testverfahren anwendbar • Quantifizierbare Vorinformationen erforderlich

Das Prüffeld kann Fehler enthalten: • Häufigkeitsfehler: - Erfahrungsgemäß häufig auftretende Fehler mit relativ geringem Gewicht für das

Prüferurteil, - Treten mit erwarteter Sicherheit auf und führen erst von einem bestimmten Umfang

an zur Ablehnung der Ordnungsmäßigkeit des Prüffeldes. • Stichprobenprüfungen sind anwendbar!

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Prüfungstheorie

• Möglichkeitsfehler: - Selten auftretende, gravierende Fehler, - Vorhandensein kann nicht mit quantifizierbarer Sicherheit angegeben werden, - Ermittlungspflicht (wegen großer Bedeutung). ⇒ Bei Erwartung von Möglichkeitsfehlern: Vollprüfung erforderlich! 233.413. Verteilungsannahmen

Annahme des Entnahmemodells "Ziehen ohne Zurücklegen" bei betriebswirtschaftlichen Prüfungen sinnvoll.

• Hypergeometrische Verteilung der Stichprobenfehleranteile • Formel für die Wahrscheinlichkeit, eine bestimmte Zahl fehlerhafter Elemente zu

entdecken:

0,1,...n)=(m ,

n

N

m-n

M-N

m

M

= W(m/P)

⎟⎟

⎜⎜

⎟⎟

⎜⎜

⎛•

⎟⎟

⎜⎜

mit W = Wahrscheinlichkeit N = Umfang der Grundgesamtheit n = Umfang der Stichprobe M = Anzahl der fehlerhaften Elemente in der Grundgesamtheit m = Anzahl der fehlerhaften Elemente in der Stichprobe P = M/N = Fehleranteil in der Grundgesamtheit

• Nachteil: großer Rechenaufwand

• Ohne EDV: Approximation der hypergeometrischen Verteilung durch andere, einfacher zu handhabende Verteilungen

⇒ Aber: Approximationsfehler!

93

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Prüfungstechnik

94

• Bestimmung der oberen Schätz- oder Vertrauensgrenze dominiert bei prüferischen Fragestellungen.

Es wird der (obere) Fehleranteil im Prüffeld angegeben, der mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit (z. B. 95%iger Sicherheit) nicht überschritten wird. Der Prüfer betrachtet also primär die ungünstigen Fälle.

• Die folgende Übersicht aus v. Wysocki, Grundlagen des betriebswirtschaftlichen

Prüfungswesens, 3. Aufl., 1988, S. 191 zeigt die in Kauf zu nehmenden Fehlschätzungen bei Verwendung unterschiedlicher Verteilungen.

• "Als Maßstab für die Bestimmung der jeweiligen Fehlschätzungen dienen dabei die auf

der Grundlage des Modells der hypergeometrischen Verteilung gewonnenen Schätzergebnisse für die obere Schätzgrenze."

Fall I Fall II Fall III Fall IV Fall V Fall VI Fall VII

(1) Grundgesamtheit (N) 800 800 800 800 10.000 10.000 10.000

(2) Stichprobenumfang (n) 200 100 100 100 200 100 100

(3) Fehlerzahl in der Stichprobe (m) 1 1 5 10 1 1 5

(4) Fehleranteil in der Stichprobe (p = m/n) 0,005 0,01 0,05 0,10 0,005 0,01 0,05

(5) Auswahlsatz (n/N) 0,25 0,125 0,125 0,125 0,02 0,01 0,01

(6) Obere Schätzgrenze (%) hypergeometrische Verteilung

2,1100

4,4266

9,8972

15,9733

2,3314

4,6379

10,1997

(7) Obere Schätzgrenze (%) Normalverteilung (t = 1,645)

1,211

2,532

8,356

14,619

1,312

2,629

8,567

(8) Relative Fehlschätzung -42,61% -42,80% -15,57% -8,48% -43,72% -43,31% -16,01%

(9) Obere Schätzgrenze (%) Millot'sches Verfahren

1,863

4,027

9,519

15,585

2,183

4,332

9,885

(10) Relative Fehlschätzung -10,76% -9,03% -3,82% -2,43% -6,37% -6,60% -3,09%

(11) Obere Schätzgrenze (%) Poisson-Verteilung

2,372

4,744

10,513

16,962

2,372

4,744

10,513

(12) Relative Fehlschätzung +12,42 +7,17% +6,22% +6,19% +1,74% +2,2% +3,07%

(13) Obere Schätzgrenze Binominalverteilung o. Endlichkeitskorr.

2,350

4,656

10,225

16,372

2,350

4,656

10,225

(14) Relative Fehlschätzung +11,37 +5,18% +3,31% +2,50% +0,80% +0,39% +0,25%

(15) Obere Schätzgrenze Binominalverteilung m. Endlichkeitskorr.

2,103

4,422

9,891

15,964

2,331

4,637

10,199

(16) Relative Fehlschätzung -0,33% -0,10% -0,06% -0,06% -0,02% -0,02% -0,01%

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Prüfungstheorie

95

• Besonderheit im Bereich des betriebswirtschaftlichen Prüfungswesens: Nur sehr geringe noch tolerable Fehleranteile!

⇒ Konsequenzen für die anwendbaren Wahrscheinlichkeitsverteilungen: • Binomialverteilung: ⇒ rechnerisch aufwendig • Normalverteilung: ⇒ Scheidet i. d. R. aus, da nicht oder nur bei einem unverhältnismäßig

großen Stichprobenumfang vertretbar (da in praxi mit verhältnismäßig geringen Fehleranteilswerten gerechnet werden muss)

⇒ Approximationsbedingungen: n P (1-P) > 9; N > 2n • Poisson-Verteilung: ⇒ Entspricht den tatsächlichen Gegebenheiten bei Buchprüfungen am

besten. ⇒ Approximationsbedingungen: n > 10; P < 0,05 und n/N < 0,05 • In der Praxis i. d. R. erfüllt • große Bedeutung 233.42 Arten der Stichprobenauswahl

233.421. Einfache Stichprobenauswahl

Jedes Element hat die gleiche Chance, in die Stichprobe zu gelangen ⇒ "Zufallsauswahl mit gleichen Auswahlwahrscheinlichkeiten"

Techniken der einfachen Stichprobenauswahl:

Es wird zwischen der „echten“ und der „unechten“ Zufallsauswahl unterschieden:

• "Echte Zufallsauswahl": Sämtliche Stichprobenelemente werden durch Los aus der Grundgesamtheit gezogen (vgl. Urnenmodell).

⇒ da Losverfahren sehr aufwendig, Auswahl mittels Zufallszahlentabellen/-

Zufallszahlengenerator.

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Prüfungstechnik

96

• Beispiel für die Auswahl mit Hilfe einer Zufallszahlentabelle: Aus einer Grundgesamtheit von 9.000 fortlaufend (bei 1 beginnend) numerierten

Belegen sollen 75 Belege zufällig ausgewählt werden. Auszug aus einer Zufallszahlentabelle: ........

Spalte → (1)

(2)

(3)

(4)

(5)

(6)

(7)

Zeile ↓

(20) 75480 41978 6739 89183 47745 44222 59689

(21) 53196 50587 16244 67041 48115 95420 896

(22) 15210 67526 96801 59503 95869 75112 52992

(23) 99051 89444 10550 36940 35347 65787 66015

(24) 47594 88275 92401 34942 46830 16831 57209

(25) 13012 99382 40172 66854 415 24965 98700

(26) 75675 40253 30372 48467 94443 50351 67878

(27) 13347 26623 1555 76820 31467 64988 91442

(28) 51144 60320 52156 81094 13480 72198 20980

(29) 27743 17266 34551 5765 54542 86301 45472

(30) 85760 28078 31699 62333 54691 58938 58996

(31) 78144 56872 47198 19352 5752 93543 48753

(32) 99127 3092 36116 20140 24253 83450 34831

(33) 38312 71241 34490 31423 31944 98899 46290

(34) 41883 36422 88713 22431 61871 87530 55611

(35) 63794 27511 97056 30662 4360 62053 84777

1. Schritt: Die zu prüfenden Belege sind fortlaufend zu numerieren. 2. Schritt: An einer beliebigen Stelle in der Tabelle mit Zufallsauswahl beginnen (z. B.

Zeile 22, Spalte 1: 15210). 3. Schritt: In horizontaler Richtung nach rechts oder in vertikaler Richtung nach unten

z. B. jeweils die vier rechtsstehenden Ziffern notieren: - bei horizontalem Vorgehen: 5210, 7526, 6801, X, 5869, 5112, 2992, ... - bei vertikalem Vorgehen: 5210, X, 7594, 3012, 5675, 3347, ...

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Prüfungstheorie

97

- Ziffern, die nicht in den Auswahlbereich 1 bis 9.000 fallen, bleiben unberücksichtigt (=X).

4. Schritt: Ausgewählte Ziffern in aufsteigender Reihenfolge sortieren. • "Unechte Zufallsauswahl": Nur das erste Element der Stichprobe wird streng

zufällig ausgewählt, die weiteren n-1 Stichprobenelemente werden systematisch abhängig von der ersten Auswahleinheit gezogen.

• Mögliche Verfahren: - Einbeziehung jedes x-ten Elements mit x = N/n, - Schlussziffernverfahren, - Auswahl nach Anfangsbuchstaben und - Auswahl nach Geburtstagen. • Nur anwendbar, wenn mit Sicherheit kein Zusammenhang zwischen Auswahlkriterium

und zu prüfenden Untersuchungsmerkmalen besteht. 233.422. Geschichtete Auswahl

Bei nicht erfüllter Homogenitätsbedingung bezüglich der Fehleranfälligkeit der Prüfelemente in einem Prüffeld:

• Zerlegung des Prüffelds in homogenere Teilmengen (sog. Schichten), Anwendung der

Stichprobenverfahren jeweils auf diese Schichten. • Urnenmodell: mehrere Urnen

Elemente werden nicht mehr mit den gleichen, aber immer noch mit berechenbaren Wahrscheinlichkeiten geprüft.

• "Zufallsauswahl mit ungleichen Auswahlwahrscheinlichkeiten"

Schichtungseffekt der Prüfung:

• Positiver Schichtungseffekt: Erforderlicher (Gesamt-) Stichprobenumfang wird bei gleicher Urteilsqualität kleiner.

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Prüfungstechnik

98

• Negativer Schichtungseffekt: Mehrarbeit durch die Schichtenbildung • Probleme, die einen erhöhten Planungsaufwand verursachen: 1. Wahl geeigneter Schichtungsmerkmale, 2. Bestimmung der Zahl zu bildender Schichten und 3. Zuteilung der Elemente zu den gebildeten Schichten. Zu 1. Wahl geeigneter Schichtungsmerkmale - (Gesamt-) Stichprobenumfang wird bei gleicher Urteilsqualität umso kleiner, -- je homogener die Untersuchungselemente innerhalb einer Schicht und -- je heterogener die Schichten zueinander sind. ⇒ Auswahl von Untersuchungsmerkmalen, die gleiche Fehlerhäufigkeiten

erwarten lassen. - Beispiele für geeignete Untersuchungsmerkmale: -- Zeitraum der Belegerstellung, -- Höhe der Belegsumme oder -- möglicher Manipulationsspielraum. Zu 2. Zahl zu bildender Schichten Aufteilung in möglichst wenige (i. d. R. drei oder vier) Schichten, denn

- überproportionaler Anstieg der Mehrarbeit für den Prüfer mit jeder zusätzlichen

Schicht, - nur unwesentliche Abnahme des erforderlichen Stichprobenumfangs mit

steigender Schichtenzahl. Zu 3. Zuteilung der Elemente zu den gebildeten Schichten - Jedes Element ist nach seiner betreffenden Merkmalsausprägung einer der

Schichten zuzuordnen.

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Prüfungstheorie

99

Alternative zur geschichteten Auswahl: Klumpenauswahl • Die Grundgesamtheit wird so in Teilmengen (Klumpen) zerlegt, dass der Prüfungsstoff

innerhalb jedes Klumpens hinsichtlich des erwarteten Fehleranteils möglichst repräsenta-tiv für die Grundgesamtheit ist.

• "Benachbarte" Geschäftsvorfälle, z. B. alle Vorgänge eines Tages oder alle Rechnungen eines Verkaufsbezirks, werden zu Klumpen zusammengefasst.

• Klumpen müssen in sich möglichst heterogen, untereinander dagegen möglichst homogen sein.

• Klumpeneffekt der Prüfung: - Positiver Klumpeneffekt: Nur geringe Auswahlkosten, da Auswahl der einzelnen Prüfungselemente sehr ein-

fach und bequem. - Negativer Klumpeneffekt: I. d. R. größere Zahl zu prüfender Untersuchungseinheiten, d. h. höhere Kosten der

Prüfung. Die Abgrenzung homogener Klumpen bereitet große Schwierigkeiten. • Klumpenauswahl erfordert sorgfältige Planung! 233.423. Wertproportionale Auswahl

Verfeinerung der einfachen Stichprobenauswahl, bei der Auswahleinheit und Untersuchungseinheit nicht übereinstimmen.

Annahme: Positionen mit hohem Buchwert enthalten tendenziell auch höhere Fehler.

⇒ Betrags- bzw. wertproportionale Auswahlwahrscheinlichkeit der Stichprobenelemente trägt

der großen Bedeutung hoher Beträge für das Prüferurteil Rechnung.

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Prüfungstechnik

100

"Sampling with Probability Proportional to Size" = "PPS"

Verfahren innerhalb des PPS-Sampling: "Dollar-Unit Sampling" (DUS) oder "Monetary-Unit Sampling" (MUS): • Als Elemente der Grundgesamtheit werden die einzelnen Dollar-(oder EUR-) Einheiten

des kumulierten Gesamtbetrages einer Forderung betrachtet. ⇒ Beispiel: Eine 1.000 EUR-Forderung ist in 1.000 Ein-EUR-Beträge als Auswahlein-

heiten aufzuteilen. Eine Forderung von 10.000 EUR ist in 10.000 Ein-EUR-Beträge aufzuteilen und besitzt im Vergleich zu einer Forderung über 1.000 EUR die 10-fache Wahrscheinlichkeit, in die Stichprobe zu gelangen.

⇒ "Große" Beträge: • Vollerhebung aller „A-Fälle“ (Konzentrationsauswahl nach ABC-Analyse) ⇒ "Normale" Beträge: • Teilerhebung mittels DUS

Problem bei der betragsproportionalen Auswahl: • Betragsproportionalität zum Buchwert - Bei überbewerteten Positionen: Die zu hoch bewerteten Werte haben fälschlich eine

höhere Auswahlwahrscheinlichkeit als die richtig bewerteten. Das Stichprobenurteil überschätzt den tatsächlichen Fehler.

- Bei unterbewerteten Positionen: Die zu niedrig bewerteten Werte haben fälschlich eine geringere Chance als die richtig bewerteten Posten, ausgewertet zu werden. Das Stichprobenurteil unterschätzt den tatsächlichen Fehler.

• Anwendung des DUS, wenn der Prüfer eher überbewertete Buchwerte erwarten

muss. • Gefahr: Wesentliche Unterbewertungen von Beständen bleiben im Rahmen der

Prüfung unentdeckt. Daher evtl. vorher Prüfung/Beurteilung der wirtschaftlichen Lage und Vorstichprobe bzgl. Über-/Unterbewertung.

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Prüfungstheorie

233.424. Mehrstufige Stichprobenauswahl

Stichprobenumfang ergibt sich erst aufgrund der Prüfungsergebnisse.

Oft reicht die Ziehung weniger Elemente bereits für ein Urteil über die Einhaltung der zulässigen Fehlerrisiken aus, z. B. wenn die ersten gezogenen Stichprobenelemente bereits überwiegend fehlerhaft sind.

Vorteil: I. d. R. geringerer Stichprobenumfang erforderlich als bei den Verfahren mit

vorgegebenem Stichprobenumfang (ASN-Curve).

Hierbei Unterscheidung in: • Offene Verfahren ⇒ Maximaler Prüfungsumfang ist nicht bekannt. • Geschlossene Verfahren ⇒ Es ist bekannt, nach wie vielen Prüfelementen spätestens ein Urteil vorliegen

wird.

Das offene Sequentialtestverfahren geht auf Abraham Wald zurück und wird hier kurz erläutert. Die folgende Abbildung ist entnommen aus LEFFSON/LIPPMANN/BAETGE, S. 63:

x

n10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 150

1

2

3

4

5

6

0

-1

-2

-3

+ 3,3759

- 4,0856

I Rückweisungs- oderAblehnungsbereich

Fehler-hafteStich-proben-elemente

II Weiterprüfungsbereich

III Annahmebereich

Zahl der gezogenenStichprobenelemente

xr = 3,3759 + 0,0328 n

xc = - 4,0856 + 0,0328 n

Abb. 17: Graphik eines sequentiellen offenen Stichprobenplans

101

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Prüfungstechnik

Parameter zur Berechnung der Annahme- und Ablehnungsgeraden: P0 = Fehleranteil, bei dem das Prüffeld uneingeschränkt als ordnungsmäßig

angesehen werden kann, P1 = Fehleranteil, von dem ab die Ordnungsmäßigkeit des Prüffeldes zu verneinen

ist, β = Zulässiges Auftraggeberrisiko, α = Zulässiges Prüferrisiko.

Annahme- und Ablehnungsgeraden werden durch folgende Gleichungen definiert:

r 1

c 0

x = h + snx = - h + sn

mit: xr = Ablehnungskennzahl xc = Annahmekennzahl Bei genügend großer Grundgesamtheit lässt sich der Bestimmung der Werte für s, h0

und h1 die Binomialverteilung zugrunde legen, so dass sich folgende Ausdrücke ergeben:

s =

1 - P1 - P

PP

- 1 - P1 - P

h = 1 -PP

- 1 - P1 - P

h =

1 -

PP

- 1 - P1 - P

0

1

1

0

1

0

01

0

1

0

11

0

1

0

log

log log

log

log log

log

log log

αβ

αβ

102

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Prüfungstheorie

103

Vorgehensweise: • Berechnung der Annahme- und der Ablehnungsgeraden aus den vier genannten

Parametern • Ziehen und Auswerten kleiner Gruppen von Stichprobenelementen • Überprüfung nach jeder Ziehung, ob das insoweit erreichte Ergebnis schon ein

Prüfurteil zulässt: - Stichprobenpunkt liegt mit dem bisherigen Stichprobenumfang innerhalb des

Bereichs der beiden Geraden (Weiterprüfungsbereich) • Ziehen eines weiteren Stichprobenloses - Stichprobenpunkt liegt außerhalb des Weiterprüfungsbereichs • Prüffeld wird als ordnungsmäßig oder materiell fehlerhaft betrachtet

Praxis: Formeln zu kompliziert • Tabellen mit Annahme- und Ablehnungszahlen

Zahl der für eine Annahme oder Ablehnung des Prüfungsfeldes notwendigen fehlerhaften Elemente

mit den Testhypothesen: mit den vorgegebenen Risiken:

p0 = 0,02; p1 = 0,05 p0 = 0,02; p1 = 0,04

Stichprobenumfang n

Annahmekennzahl xc

Ablehnungskennzahl xr

25 50 75 100 125 150 175

.

.

. 475 500

• • • •

0,01 0,83 1,65

.

.

. 11,50 12,32

4,19 5,01 5,83 6,65 7,47 8,29 9,11

.

.

. 18,96 19,78

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Prüfungstechnik

104

Je mehr der Fehleranteil eines Prüffeldes von dem für ein ordnungsmäßiges bzw. nicht ordnungsmäßiges Prüffeld relevanten Fehleranteil abweicht, desto leichter ist die Einordnung möglich.

Beim offenen Sequentialtest: Eventuell sehr großer Prüfungsumfang, wenn Stich-

probenpunkte Weiterprüfungsbereich nicht verlassen. ⇒ Einführung eines zusätzlichen Abbruchkriteriums, z. B. maximal so viele Elemente

wie beim nicht-sequentiellen Verfahren. 233.43 Fragestellungen bei Stichprobenprüfungen

233.431. Überblick

Homograde Fragestellung: • Schätzung von Fehleranteilen steht bei der IKS/IÜS-Prüfung im Mittelpunkt

(Fehleranteils-Statistik). • Elemente der gesamten Untersuchungsmasse werden nur danach beurteilt, ob sie

eine bestimmte Eigenschaft (Fehler) besitzen oder nicht. ⇒ Basis zur Schätzung des Fehleranteils: Zahl der gefundenen fehlerhaften im

Verhältnis zur Zahl aller Elemente. • Beurteilung durch den Prüfer i. d. R. unproblematisch.

Heterograde Fragestellung: • Schätzung von Durchschnittswerten der Elemente der Grundgesamtheit

(Fehlerwert-Statistik). • Anwendungsfälle z. B.: - Nachprüfen von Beständen, - Ermittlung des Grades von Soll-Ist-Abweichungen.

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Prüfungstheorie

105

Bedeutung homograder/heterograder Fragestellungen für den Prüfer: • Beide Fragestellungen sind gleich wichtig. • Systemprüfung:

⇒ Homograde Fragestellung! • Prüfung der Jahresabschlusszahlen (Ergebnisprüfung):

⇒ Heterograde Fragestellung!

Unterscheidung der Stichproben nach den aus den Stichprobenergebnissen zu ziehenden Schlüssen:

• Schätzstichprobe: - Schätzung der Ausprägungen einzelner urteilsrelevanter Merkmale des

Prüffeldes.

- Liefert keine Entscheidungsregel, sondern Informationen als Grundlage für komplexere Urteilsbildung.

- Typische Fälle:

-- Rückschluss von dem in einer Stichprobe vorgefundenen Anteil fehlerhafter Elemente auf den Anteil fehlerhafter Elemente in der Grundgesamtheit (homograde Frage = Fehleranteil?).

-- Rückschluss von der Zahl und der Höhe der in einer Stichprobe gefundenen Abweichungen (Fehler) auf die entsprechenden Fehler-Durchschnittswerte (heterograde Frage = Fehlerwert?).

• Annahmestichprobe (Hypothesentest): - Unmittelbare Entscheidung über Annahme oder Ablehnung des Prüffeldes

anhand der Stichprobe. - Vorgabe bestimmter Hypothesen über die Fehlerbehaftung des Prüfungsfeldes,

Stichprobenergebnis dient der Ermittlung einer diesbzgl. Entscheidungsregel!

⇒ Prüfungsbericht und Bestätigungsvermerk.

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Prüfungstechnik

106

• Entdeckungsstichprobe: - Berechnung der Entdeckungswahrscheinlichkeiten von fehlerhaften Elementen

in der Grundgesamtheit. ⇒ Unterschlagungsprüfung.

Die folgende Tabelle zeigt mögliche Kombinationen von Fragestellungen:

Nach Fehler-anteil oder Fehlerwert

Nach der Aus-wertung des

Stichprobener-gebnisses

Schätzstichprobe Annahmestich- probe

Entdeckungsstich-probe

Homograde

Wie groß ist der Fehleranteil in der Grundgesamtheit, wenn in der Stichpro-be ein bestimmter Anteil gefunden wird?

Nach welchen Kriterien kann der Prüfer auf-grund der Auswertung der Fehleranteile einer Stichprobe das Prüffeld a) akzeptieren, b) ablehnen?

Mit welcher Wahr-scheinlichkeit wird der Prüfer ein (kein) fehlerhaftes Element in der Stichprobe finden?

Heterograde

Welche Höhe hat der durchschnittliche Wertansatz des Prüf-feldes, wenn ein be-stimmter Mittelwert in der Stichprobe ge-funden wurde?

Nach welchen Kriterien kann der Prüfer auf-grund der Auswertung der Wertansätze einer Stichprobe das Prüffeld a) akzeptieren, b) ablehnen?

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Prüfungstheorie

233.432. Die Schätzstichprobe bei heterograder Fragestellung

Typische Anwendungsfälle heterograder Schätzstichproben sind z. B. - Schätzung des Ausfallrisikos von Forderungen, - Schätzung der Risikovorsorge für Kredite im Massenkreditgeschäft, - Stichprobeninventur nach § 241 Abs. 1 dHGB bzw. § 192 Abs. 4 UGB.

Der Gesamtwert kann mit einer Mittelwertschätzung geschätzt werden.

Darstellung der einfachen Mittelwertschätzung: Das arithmetische Mittel der Stichprobe (x) dient als Schätzwert für den Mittelwert der

Grundgesamtheit (μ). Der Schätzfehler (e) kann unter bestimmten Voraussetzungen berechnet werden. Der Vertrauensbereich (Konfidenzintervall) der Schätzung ergibt sich zu:

μ = x e±

• Bei normalverteilter Grundgesamtheit bzw. genügend großem Stichprobenumfang

n (Faustregel: n > 30) können wir den Stichprobenfehler (e) wie folgt berechnen:

e t s N nnx x

= ⋅−−∃ ∃σ σ; mit =

n

1

Legende: t Vielfaches der Standardabweichung (abhängig von der gewünschten Sicherheit der Aussage) s Standardabweichung der Stichprobe N Umfang der Grundgesamtheit σ Standardabweichung der Grundgesamtheit n Umfang der Stichprobe e Schätzfehler

^

σ -x Geschätzte Standardabweichung der Grundgesamtheit auf Basis der Standardabweichung der Stichprobe

107

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Prüfungstechnik

• Die Wahrscheinlichkeit für das Konfidenzintervall für das arithmetische Mittel der Grundgesamtheit ergibt sich als:

W x t tx x( ∃ ∃ ) ( )− ≤ ≤ + = −σ μ σ α1

Legende: W Wahrscheinlichkeit bzw. Aussagesicherheit (1-α) Sicherheitsgrad • Da die Standardabweichung der Grundgesamtheit (σ) unbekannt ist, muss σ

geschätzt werden. Als Schätzwert für σ verwenden wir die Standardabweichung der Stichprobe (s).

• Der Korrekturfaktor für endliche Gesamtheiten kann weggelassen werden, wenn

n/N < 0,05. • Einer Wahrscheinlichkeit bzw. einem Sicherheitsgrad von 95 % entspricht das

folgende Konfidenzintervall:

Beispiel (entnommen aus V. WYSOCKI, Grundlagen des betriebswirtschaftlichen Prüfungswesens, 3. Aufl., 1988, S. 227):

W (x - 1, 96 sn

x + 1,96 sn

) = 95 %≤ ≤μ

Aus einer Grundgesamtheit von N = 4.000 Elementen wird eine Stichprobe mit einem

Umfang von n = 100 Elementen zufällig ausgewählt. In der Stichprobe werden die folgenden Merkmalswerte festgestellt:

Merkmalswerte 40 50 55 60 65 70 75

Häufigkeiten 5 10 20 30 15 15 5

Für das arithmetische Mittel und die Varianz dieser Stichprobe erhalten wir:

x = 60 und s = 65.2

108

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Prüfungstheorie

Da n/N = 0,025 < 0,05 und n > 30, können wir die Normalverteilung anwenden und den Korrekturfaktor vernachlässigen.

Wir erhalten für eine Aussagesicherheit von 95 % einen Stichprobenfehler von e = 1,58.

109

e = 1,96 s

n = 1,96 65

100 = 1,96 0,806 = 1,58.

2

×

Für den Gesamtwert der Grundgesamtheit erhalten wir:

W [(60 - 1, 58) 4.000 N (60 + 1, 58) 4.000] = 95 %W [ 233.680 N 246.320 ] = 95 %.

≤ ≤≤ ≤μμ

Interpretation: Mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % liegt der Wert der Elemen-

te in der Grundgesamtheit zwischen 233.680 und 246.320. 233.5 Vergleich der Auswahlverfahren

Vorzüge und Nachteile der systematisch gesteuerten und der zufallsgesteuerten Auswahlverfahren liegen auf so unterschiedlichen Ebenen, dass eine Beurteilung ihrer Zweckmäßigkeit nur nach Maßgabe der jeweiligen Prüfungssituation erfolgen kann.

Beurteilung der Verfahren:

• Vorliegen von Vorinformationen: - Systematisch gesteuerte Auswahlverfahren können explizit die Vor-

informationen nutzen, - zufallsgesteuerte Auswahlverfahren können die Vorinformationen nur begrenzt

einbinden (Schichtenbildung). • Repräsentanz der Stichprobe: - Bei systematisch gesteuerten Auswahlverfahren ist die Auswahl der Elemente

nach Art und Umfang bewusst so anzulegen, dass möglichst sämtliche in dem Prüfgebiet vorhandenen wesentlichen Fehler bzw. sämtliche für das Prüfungs-urteil wesentlichen Elemente in die Auswahl gelangen.

⇒ Subjektive Repräsentanz, d. h. keine Quantifizierung der erreichten

Sicherheit und Genauigkeit des Urteils möglich.

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Prüfungstechnik

110

- Bei Anwendung der Verfahren der zufallsgesteuerten Auswahl werden die

Elemente nach Art und Umfang unbewusst (zufällig) ausgewählt. • Objektive Repräsentanz, d. h. eine Quantifizierung der erreichten

Sicherheit und Genauigkeit des Urteils ist möglich. Problem: Nicht in die Zufallsstichprobe gelangte fehlerhafte Elemente

müssen zunächst unkorrigiert bleiben, da sie mit Hilfe des Zufallsauswahlverfahrens nicht gezielt lokalisiert werden können. Falls Vorwissen über einzelne fehlerhafte Elemente vorliegt, darf es nicht für die Zufallsauswahl verwandt werden. Vorwissen über das Prüffeld ist für die Berechnung des erforderlichen Stichprobenumfanges heranzuziehen.

Für alle Verfahren gilt als Voraussetzung der Anwendung: Dokumentation der

Argumentation für jeweilige Verfahren.

Zusammenfassung • Die systematische Auswahl typischer Fälle hat sich bei Systemprüfungen bewährt;

bei Verdacht auf systematische Fehler ist gezielt nach weiteren Fehlern zu suchen. Die systematische Auswahl kommt vor allem auch für Prüfgebiete in Betracht, die überschaubar sind und bei denen deshalb mögliche Quellen wesentlicher Fehler oder die für das Prüfungsurteil bedeutsamen Prüffälle gezielt untersucht werden können.

• Die Zufallsauswahl erweist dann ihre Vorzüge, wenn es an geeigneten Vor-

informationen für eine subjektive Auswahl fehlt und wenn es sich bei dem Prüfgebiet um relativ homogene Massenvorgänge handelt; sie führt zu einer Objek-tivierung des Stichprobenergebnisses.

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Prüfungstheorie

111

233.6 Die Bedeutung der Ergebnisse der Auswahlprüfung für die Bildung des Gesamt-

urteils

Planung und Durchführung der Abschlussprüfung einschließlich der Auswahlprüfung ist ein kontinuierlicher und interdependenter Prozess.

Ziele des planmäßigen Prüfungsvorgehens sind:

• Die Ermöglichung einer sicheren Beurteilung der Gesetz- und Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung und

• die Aufdeckung und damit das Ausschließen von Fehlern von wesentlicher Bedeutung für das Gesamturteil.

Determinanten des Fehlerrisikos:

• Inhärentes Risiko,

• Internes Kontrollsystem des geprüften Unternehmens zur Begrenzung des Fehlerri-sikos (Kontrollrisiko),

• IKS-Prüfung und -Beurteilung bestimmen die Zielrichtung und den Umfang wei-terer Prüfungshandlungen,

Globale analytische Untersuchungen können Hinweise auf wesentliche Fehler-

möglichkeiten ergeben.

⇒ Ergebnis: Vorkenntnisse für die Einzelfallprüfung.

Mit Einzelfallprüfungen kann das Risiko, dass durch Kontrollmaßnahmen nicht verhinderte Fehler von wesentlicher Bedeutung unentdeckt bleiben, mit einer hohen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.

Aber: Absolute Sicherheit ist bei den im Rahmen der Jahresabschlussprüfung erfor-derlichen Auswahlprüfungen nicht zu erreichen.

Zur Bildung des Gesamturteils über den Jahresabschluss (Bestätigungsvermerk) hat der

Abschlussprüfer die Einzelergebnisse seiner Prüfungshandlungen in ihrer absoluten und relativen Bedeutung sachgerecht zu würdigen (subjektive Urteilsbildung).

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112

24 Prüfungsinstrumente

241. Prüfungshandbücher

Prüfungshandbücher sind alle Aufzeichnungen, die dazu dienen, den Prüfungsprozess zu planen, zu realisieren und zu dokumentieren bzw. Hilfestellung bei fachlichen Fragestellungen zu geben.

Inhalt der Prüfungshandbücher:

• Standardprüfprogramme, • Arbeitspapier-Formulare und • Verweise auf Fallsammlungen. 241.1 Standardprüfprogramme

Standardisierte Prüfprogramme sind für einen typischen Prüfungsauftrag entwickelte Prüfungsanweisungen, die eine genaue Beschreibung der jeweiligen

(1) Prüfungsziele, (2) Prüfungsaufgaben und (3) Prüfungshandlungen enthalten.

Ein standardisiertes Prüfprogramm muss von dem jeweiligen Prüfungsleiter auf die speziellen Bedingungen und Erfordernisse des jeweiligen konkreten Prüfungsauftrages zugeschnitten werden.

Beurteilung von Standardprüfprogrammen:

Vorteil: Kostendegression bei häufiger Verwendung des standardisierten Prüf-

programms (SPP). Nachteil: Besonderheiten des Auftrages und des Prüfungsteams könnten vom Planer

evtl. nicht genügend berücksichtigt werden. ⇒ Erfordernis von Kontrollen.

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113

241.2 Arbeitspapiere

”Arbeitspapiere sind alle Aufzeichnungen und Unterlagen, die der Abschlußprüfer im Zusammenhang mit der Abschlußprüfung selbst erstellt, sowie alle Schriftstücke und Unterlagen, die er von dem geprüften Unternehmen oder von Dritten als Ergänzung seiner eigenen Unterlagen zum Verbleib erhält. Da sie internen Zwecken des Abschlußprüfers dienen, sind sie nicht zur Weitergabe bestimmt.” (IDW PS 460 Tz. 1).

Zweck der Arbeitspapiere:

• Dokumentation der Prüfungsplanung, der Prüfungsdurchführung und der

Prüfungsfeststellungen,

• laufende Überwachung des Prüfungsprozesses,

• Herleitung der Prüfungsergebnisse,

• Nachweis der Prüfungsqualität (⇒ Peer Review und Quality Control),

• Vorbereitung und Unterstützung von Folgeprüfungen.

Notwendigkeit der Dokumentation und Rechenschaft: 1. Komplexität des Prüfungsstoffes und des Prüfungsurteils,

2. Nachprüfbarkeitspostulat (und Nachweis der Befolgung der GoA),

3. Flexibilität bei Prüfungsausführung ist Voraussetzung für flexible Planung.

⇒ Kommunikation und Koordination von Prüfungsmitarbeitern.

Arbeitspapiere sind ein wichtiges Instrument zur Realisation der Prüfungsplanung: (a) Rationalisierungseffekte durch Arbeitspapiere, (b) Auswertbarkeit der Arbeitspapiere bei der Planung von Folgeprüfungen.

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114

Zu (a): Rationalisierungseffekte durch Arbeitspapiere (AP) • Rationalisierungseffekte durch generelle Regelungen für die Erstellung von Arbeits-

papieren: - AP-Formulare, - Art der Kennzeichnung der AP, - Technik der Dokumentation von Prüfungshandlungen, - Verweissystematik in AP, - Verwendung von Formularen für bestimmte Prüfungsfelder usw. Zu (b): Auswertbarkeit der Arbeitspapiere bei der Planung von Folgeprüfungen Auswertung der Arbeitspapiere der Vorjahresprüfung liefert wichtige Informationen

für die Planung der laufenden Prüfung.

Anforderungen an Arbeitspapiere (= Dokumentations- und Rahmengrundsätze): AP müssen • systematisch zusammengestellt und aufbewahrt werden. Beispiel für System bei AP: -- eine chronologische Dokumentation, -- eine sachlich geordnete Dokumentation und -- entsprechende Verweissystematik. (⇒ Analogie zur Buchhaltungssystematik mit Grundbuch und Hauptbuch) • vollständig sein, • klar und verständlich angelegt werden, • richtig (zweckentsprechend) und • wirtschaftlich sein.

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Gliederung und Inhalt der AP 1. Dauerakte 2. Einzelakte(n) Zu 1.: Dokumente der Dauerakte: In der Dauerakte werden diejenigen Unterlagen systematisch abgelegt, die für den

Abschlussprüfer über einen Zeitraum von mehreren Jahren von Bedeutung sind. Die Dauerakte ermöglicht dem Abschlussprüfer, einen schnellen Überblick über das zu prüfende Unternehmen.

a) Unternehmensspezifische, nur selten veränderliche Sachverhalte: - Rechtsverhältnisse, Unternehmensform, Verflechtungen, Satzung/Statut, Vorstands-

und Aufsichtsratmitglieder, - Handelsregisterauszüge, - Organisationsstrukturplan, - Buchführungssystem, - Bewertungsrichtlinien, - "Geschäftsberichte" der Vorjahre i. w. S., - langjährig wirksame Verträge (wichtige Anstellungsverträge, Miet- und Pachtver-

träge, langfristige Kaufverträge), - Bilanzbonitätsrating aller Vorjahre. b) Prüferische Maßnahmen in Vorjahren: - Änderungsvorschläge für die Organisation (insbes. IKS), - Prüfungsprogramme der Vorjahre mit Zeitprotokollen, - Prüfungsschwerpunkte (z. B. aufgrund der INSA des Moody’s RiscCalc™), - Kopien der Prüfungsberichte der Vorjahre, - Hinweise und Vormerkungen der Vorjahresprüfungen.

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Zu 2.: Einzelakte(n) Die Einzelakte enthält die für das Prüfungsergebnis einer Prüfung relevanten Unterlagen.

Die Einzelakte wird für jede Abschlussprüfung neu angelegt. a) Nachweis: - Mitglieder des Prüfungsteams, - einzelne ausgeführte Tätigkeiten, - angewandte Prüfungsmethoden, - Prüfungsumfang, - Prüfungszeit, - der Einzelfeststellungen. b) Unterlagen für die Urteilsbildung (Hinweise auf die Urteilskriterien), c) Teilurteile über Prüfungsfelder, d) Hinweise auf Tatbestände, die in den Prüfungsbericht oder den Management-Letter

aufgenommen werden sollen. 241.3 Fallsammlungen

Große Prüfungsgesellschaften prüfen weltweit nach einheitlichen Grundsätzen: ⇒ Gleiche Sachverhalte werden gleich geprüft und beurteilt.

Instrument: Umfangreiche Fallsammlungen mit typischen Bilanzierungsfragen und Entscheidungen. ⇒ Durch Orientierung an einmal getroffenen Entscheidungen entsteht ein hohes Maß an

Einheitlichkeit und Kontinuität der Entscheidungen. Fallsammlungen (Firm-and-Sec-Accounting Series Releases) können als - Loseblattsammlungen oder - CD-ROM organisiert sein.

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242. Computerprüfprogramme

Da ein großer Teil der zu prüfenden Daten in DV-Anlagen gespeichert ist, wird der Computer häufig auch zur Prüfung eingesetzt. Die Programme, die zur Prüfung verwendet werden, sind sog. Computerprüfprogramme.

Arten von Computerprüfprogrammen:

• Spezielle Prüfprogramme - Für einen konkreten Anwender entwickelt, - können besondere Fragestellungen des Prüfungsunternehmens berücksichtigen, - aufwendige Entwicklung, - rentieren sich nur bei sehr großen Prüfungsunternehmen. • Generelle Prüfprogramme - Bei ähnlichen Fragestellungen wiederverwendbar; - Programme müssen an vorhandene Datenorganisation jeweils angepasst werden; - sehr anwenderfreundlich programmiert; - automatischer Prüfungsberichtsgenerator (z. B. Audit Agent); - Entwicklung rentiert sich wegen der generellen Verwendbarkeit eher als bei spe-

ziellen Prüfprogrammen, die nur für einen bestimmten Anwender entwickelt werden;

- Programme bestehen aus Subroutines, d. h. Unterprogrammen, die bestimmte Prü-fungshandlungen ausführen bzw. vorbereiten;

- Prüfer wählt Subroutines aus.

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25 Netzplantechnik

251. Gegenstand der Netzplantechnik

Die Verfahren der Netzplantechnik sind ein ausgezeichnetes Hilfsmittel zur Lösung der Probleme der Zeitplanung.

Einsatz der Netzplantechnik bei der Zeitplanung:

(1) Zeitliche Abstimmung der durch den Prüfungsplaner während einer Planungsperiode abzuwickelnden Aufträge;

(2) Bestimmung der Zeiten (Anfangs- und Endzeitpunkte), während derer die Mitarbeiter oder die einzelnen Teams für die Erledigung der Einzelaufträge zur Verfügung stehen sollen;

(3) Bestimmung der Zeiten (Anfangs- und Endzeitpunkte), während derer die Bearbeitung von ein-zelnen Prüffeldern bzw. Prüffeldergruppen im Rahmen der einzelnen Aufträge vorgenommen werden soll;

Zwecke der Netzplantechnik: • Einhalten der Maximalzeiten je Prüffeld; der Abgabe des Urteils im Prüfungsbericht und

Bestätigungsvermerks;

• Erkennen und Vermeiden von zeitlichen Unverträglichkeiten.

Definition Netzpläne

In Netzplänen werden Abläufe und ihre Abhängigkeiten graphisch dargestellt. Die Netzplantechnik dient auch der Projektsteuerung, indem Termine ermittelt werden und die Projektdurchführung daraufhin veranlasst werden kann. Ferner dient sie zur Projektüberwachung sowie zur Sicherung der Projektdurchführung hinsichtlich Terminen, Qualitäten, Quantitäten und Kosten.

Abb. 18: Beispiel zur graphischen Darstellung von abhängigen Abläufen

Prüfung derUmbuchungen

Prüfung derAnlagenab-

gänge

Prüfung der a. o. Erträge aus An-lagenabgängen

Prüfung derVerluste aus An-lagenabgängen

Prüfung derZuschreibungen

Prüfung derAnlagenend-

bestände

Abstimmungvon Bilanz- undGuV-Ausweis

118

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119

252. Entwicklung der Netzplantechnik

Grundlage der Netzplantechnik ist die Graphentheorie, die sich auf den ungarischen Mathematiker KÖNIG zurückführen lässt (1935).

Vorgangspfeilnetzplan-Methode ("Critical Path Method" CPM):

1957 entwickelte duPont de Nemours & Company gemeinsam mit der Remington Rand Univac eine Methode, um kostspielige Wartungs- und Umstellungsarbeiten bei Groß-anlagen in der Chemie zu rationalisieren.

Ereignisknotennetzplan-Methode ("Program Evaluation and Review Technique" PERT):

1958 entwickelte die US-Marine mit einer Beratungsfirma und Lockheed PERT zur Koordination beim Aufbau des Polaris-Raketen-Systems. Wird heute noch angewandt (Voraussetzung zur Erlangung von US-Regierungsaufträgen).

Vorgangsknotennetzplan-Methode ("Metra-Potential Method" MPM):

1958 im Auftrag der Electricité de France zur Terminplanung beim Atomkraftwerkbau entwickelt.

253. Netzplanelemente und Netzplantypen

253.1 Netzplanelemente

(1) Funktionale Elemente:

Begriff Definition

Vorgang

Zeitbeanspruchende Ablaufschritte (Teilarbeiten, Handlungen, Tätig-keiten) mit definiertem Anfang und Ende, z. B. "Endfassung des Jahresabschlussberichts herstellen", "Schaden feststellen", "Genehmi-gung einholen".

Ereignis

Eintretensmomente definierter Zustände im Projektablauf. Jeder Vor-gang beginnt mit einem Anfangsereignis und endet mit einem End-ereignis. Der Vorgang "Endfassung des Jahresabschlussberichts her-stellen" beginnt z. B. mit dem Anfangsereignis "Manuskript an Se-kretärin übergeben" und endet mit dem Endereignis "Jahresabschluss-bericht an Wirtschaftsprüfer übergeben".

Anordnungs- beziehung AOB

Abhängigkeit (Aufeinanderfolge) zwischen den Vorgängen bzw. Er-eignissen.

Die funktionalen Elemente stehen in folgender Beziehung zueinander:

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Auftrag ange-nommen

Prüfungsplan erstelltund für das Prüfungs-team kopiert

Prüfungs-beginn

ArbeitspapierKassenprüfung ist erstellt

Ereignis

Kasseprüfen

Vorgang 2

Prüfungsplanerstellen

Vorgang 1

AOB

Abb. 19: Beziehungen zwischen funktionalen Netzplanelementen (2) Formale Elemente: Die beiden formalen Elemente sind:

Knoten

Pfeil(gerichtete Kanten)

Abb. 20: Formale Elemente eines Netzplans

120

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253.2 Netzplantypen

Vor

gang

pfei

lnet

zpla

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wer

den

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le, E

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Vor

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AO

B

Vor

gang

Erei

gnis

Erei

gnis

AO

B

Erei

gnis

Erei

gnis

AO

B

Vor

gang

Vor

gang

Abb. 21: Übersicht über die drei Netzplantypen

121

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253.3 Grundregeln für die Darstellung von Netzplänen

(1) Der Vorgang wird durch einen Knoten dargestellt und durch Pfeile zu anderen Vorgängen in Beziehung gesetzt, d. h. mit diesen verbunden. Jeder Vorgang beginnt und endet mit einem Ereignis. Das Endereignis eines Vorganges ist gleichzeitig das Anfangsereignis seines Nachfolgers. Daraus folgt, dass ein Vorgang beendet sein muss, wenn der Nachfolger (nachfolgender Vorgang) beginnt.

A B C

(2) Wenn mehrere Vorgänge beendet sein müssen, bevor ein neuer Vorgang beginnt, wird

jeder von ihnen mit dem Nachfolger durch einen Pfeil verbunden.

A

B

C

D

122

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(3) Ebenso gilt die Umkehrung, dass mehrere Vorgänge mit einem Vorgänger durch Pfeile verbunden werden, wenn sie erst nach dessen Ende beginnen können.

B

C

D

A

(4) Laufen zwei Vorgänge parallel (gemeinsamer Vorgänger und Nachfolger), werden beide durch Pfeile mit ihren Vorgängern und Nachfolgern verbunden.

B

A D

C

(5) Es dürfen keine Schleifen entstehen, denn der zeitliche Ablauf kann nur fortschreiten. Falsche Darstellung:

A B

Richtige Darstellung:

A1 B1 A2 B2

123

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124

254. Ablaufplanung und Zeitplanung mit Hilfe der Netzplantechnik

254.1 Überblick

Ablaufplanung

1 Vorbereitende Maßnahmen durchfüh-ren

(Strukturanalyse) 2 Projektstrukturplan erstellen

Projektplanung

3 Vorgänge erfassen und Vorgangsliste erstellen

4 Netzplan zeichnen

Zeitplanung (Zeitanalyse)

5 Vorgangsdauern ermitteln

6 Zeitpunkte, Pufferzeiten und kriti-schen Weg ermitteln

7 Vorgangstermine und Projekttermin ermitteln

Projektsteuerung

8 Überwachung der Ergebnisse

Abb. 22: Ablaufschritte der Netzplantechnik

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125

254.2 Ablaufplanung für einen Auftrag

Schritt 1: Vorbereitende Maßnahmen durchführen

Festlegung des Projektziels,

Projektgruppe und deren Leiter bestimmen,

Entscheiden, ob neben der Terminplanung und -steuerung auch eine Kosten- bzw. Ausgaben- sowie Kapazitätsplanung und -steuerung durchzuführen ist,

Datenrückmeldung sichern, um später eine Projektsteuerung gewährleisten zu können,

Entscheiden, ob der Netzplan manuell oder mit Hilfe eines rechnergestützten Programms

ermittelt und aktualisiert werden soll. Schritt 2: Projektstrukturplan erstellen

Hierarchisch über verschiedene Organisationsebenen aufgebaute Projektdarstellung

Aufgabe: Komplexes Projekt in mehreren Ebenen soweit zu gliedern, bis es übersichtlich dargestellt ist.

⇒ Schützt davor, bei der Zeichnung des Netzplans etwas zu vergessen.

Bei kleinen Projekten kann auf Projektstrukturplan verzichtet werden. Schritt 3: Vorgänge erfassen und Vorgangsliste erstellen

Die Vorgänge sollen so gewählt werden, dass die Zeiteinheit zwischen 0,2 % und 2 % der Projektdauer beträgt. Somit wird man im Allgemeinen folgende Zeiteinheiten/Projekt-dauerrelationen wählen:

Projektdauer Zeiteinheit

> 5 Jahre 1/2 bis 5 Jahre

bis 1/2 Jahr Woche

Tag

Monat Woche

Tag Stunde Minute

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Daten der Vorgangsliste: (1) Vorgangs-Nr., (2) Vorgangs-Bezeichnung, (3) Vorgangs-Dauer, (4) Vorgänge, die unmittelbar vorher beendet sein müssen (Vorgänger), damit der

entsprechende Vorgang beginnen kann. Beispiel: Vorgangsliste zur Prüfung des Anlagevermögens

Vorgang Nr.

Vorgangs-Bezeichnung Dauer in Tagen

Vorgän-ger-Nr.

1 Besichtigung der Anlagen 4 ?

2 Stichprobenweise Abstimmung der Anlagenkartei 5 1

3 Prüfung der Anlagenzugänge 20 2

4 Prüfung der Anlagenabgänge 14 2

5 Prüfung der außerordentlichen Erträge aus Anla-genabgängen

3 4

6 Prüfung der Verluste aus Anlagenabgängen 3 4

7 Prüfung der Abschreibungen 15 3; 8

8 Prüfung der Zuschreibungen 5 4

9 Prüfung der Umbuchungen 4 5; 6; 7

10 Abstimmung von Bilanz- und GuV-Ausweis 4 9

Schritt 4: Netzplan zeichnen

Das Zeichnen des Netzplans besteht im Aneinandersetzen von Knoten und Pfeilen. Der erste Knoten in einem Netzplan heißt Startknoten (DIN 69 900: Knoten, in den kein Pfeil einmündet); der letzte Knoten heißt Zielknoten (DIN 69 900: Knoten, von dem kein Pfeil ausgeht).

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Prüfungstheorie

Start

1 2

3

4 5

6

7

8

9

Ziel

10

Abb. 23: Netzplanentwurf 254.3 Zeitplanung für einen Auftrag

Inhalt der Zeitplanung: Bei der Zeitplanung werden nun die Vorgangsdauern bestimmt und die Vorgangs- und Pro-

jekttermine sowie die kritischen Vorgänge und Pufferzeiten ermittelt. Schritt 5: Vorgangsdauern ermitteln Die Vorgangsdauern werden mit Hilfe vorhandener Planzeiten oder durch Befragen bzw.

Vergleichen und Schätzen bestimmt.

127

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128

Schritt 6: Zeitpunkte, Pufferzeiten und kritischen Weg ermitteln Aus der Vorgangsliste werden die Vorgangsdauern in den Netzplan übertragen:

Prinzip

Vorgang Nr. i

Vorgangs-Bezeichnung

D(i)

D(i) = Dauer des Vorgangs i

Dann werden die Anfangs- und Endzeitpunkte in den Knoten eingetragen:

Prinzip

Vorgang Nr. i

Vorgangs-Bezeichnung

FAZ(i) D(i) FEZ(i)

SAZ(i) GP(i) SEZ(i)

FAZ(i) = Frühestmöglicher Anfangszeitpunkt des

Vorgangs i SAZ(i) = Spätesterlaubter Anfangszeitpunkt des

Vorgangs i FEZ(i) = Frühestmöglicher Endzeitpunkt des

Vorgangs i SEZ(i) = Spätesterlaubter Endzeitpunkt des

Vorgangs i GP(i) = Gesamtpufferzeit des Vorgangs i

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Prüfungstheorie

129

Berechnung der Zeitpunkte: (1) Vorwärtsrechnung Der Startknoten erhält den FAZ = 0, und der früheste Endzeitpunkt FEZ wird aus

0 + Vorgangsdauer D(1) ermittelt:

FAZ(j) = FEZ(i) FEZ(j) = FAZ(j) + D(j)

Bei Nachfolgern mit mehreren parallelen Vorgängern (z. B. Vorgang 9) werden,

ausgehend von allen Vorgängern (i), alle möglichen FEZ(i) errechnet und das Maximum der so errechneten Zeitpunkte verwendet, so dass die vorstehende Formel dann wie folgt zu modifizieren ist:

FAZ(j) = Max {FEZ(i)} i FEZ(j) = FAZ(j) + D(j)

Beispiel: FAZ(9) = Max {FEZ(5); FEZ(6); FEZ(7)} = Max {26; 26; 44} = 44 (Vgl. nachstehenden Netzplan mit kritischem Pfad) (2) Rückwärtsrechnung Die spätesten Anfangszeitpunkte SAZ(i) und die spätesten Endzeitpunkte SEZ(i)

werden wie folgt eingetragen: Im rechten unteren Feld des Endknotens 10 wird der SEZ (10) = 52 eingetragen.

SAZ(10) wird aus SEZ(10) - D(10), also 52 - 4 = 48, errechnet und in das linke untere Feld eingetragen. Die SEZ(i) und SAZ(i) aller weiteren Vorgänge i werden wie folgt ermittelt:

SEZ(i) = SAZ(j) SAZ(i) = SEZ(i) - D(i)

Bei Vorgängen i mit mehreren parallelen Nachfolgern j gilt:

SEZ(i) = Min {SAZ(j)} j SAZ(i) = SEZ(i) ? D(i)

Beispiel: SEZ(4) = Min {SAZ(8); SAZ(5); SAZ(6)} = Min {24; 41; 41} = 24 (Vgl. nachstehenden Netzplan mit kritischem Pfad)

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130

(3) Pufferzeiten und kritischer Weg

Gesamte Pufferzeit GP

Zeitspanne zwischen frühestmöglicher und spätesterlaubter Lage eines Vorgangs.

Freie Pufferzeit

Freie Vorwärtspufferzeit:

Zeitspanne, um die ein Vorgang gegenüber seiner frü-hestmöglichen Lage verschoben werden kann, ohne die frühestmögliche Lage anderer Vorgänge zu verändern.

Freie Rückwärtspufferzeit:

Zeitspanne, um die ein Vorgang gegenüber seiner spä-testmöglichen Lage verschoben werden kann, ohne die spätestmögliche Lage anderer Vorgänge zu verändern.

Unabhängige Pufferzeit

Zeitspanne, um die ein Vorgang verschoben werden kann, wenn seine Vorgänger spätesterlaubt und seine

Nachfolger frühestmöglich fertig sein sollen.

• Bei Kenntnis der Pufferzeiten aller Ereignisse kann der kritische Weg bestimmt

werden, der aus den (kritischen) Vorgängen besteht, deren gesamte Pufferzeiten GP Null ist.

Schritt 7: Vorgangstermine und Projekttermin ermitteln

Die Projektplanung ist beendet, wenn die kritischen Vorgänge und die Pufferzeiten der nichtkritischen Vorgänge ermittelt sind. Deshalb folgt als letzter Schritt die Terminer-mittlung, also der Übergang von der fristenbezogenen Projektplanung zur terminbezo-genen Projektsteuerung.

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Prüfungstheorie

Start

1 2

3

4 5

6

7

8

948

Ziel

0452480052

10

000000000000

000404000004

040509040009

092029090029

091423100124

230528240129

230326411844

230326411844

1544290044

440448440048

520052520052

29

Abb. 24: Netzplan mit kritischem Pfad Zusammenfassung:

FEZ(i) = FAZ(i) + D(i) FAZ(i) = Maximum der FEZ aller direkten Vorgänger j KW = Kritischer Weg: alle Vorgänge mit GP(i) = 0 GP(i) = SAZ(i) - FAZ(i) bzw. = SEZ(i) - FEZ(i) SAZ(i) = SEZ(i) - D(i) SEZ(i) = Minimum der SAZ aller direkten Nachfolger j

131

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Prüfungstechnik

132

255. Beurteilung der Netzplantechnik

(1) Die genaue Analyse eines Projekts sowie das daraus resultierende Termingerüst lassen drohende Engpässe und Verzögerungen bereits im Ansatz erkennen und ermöglichen rechtzeitige Gegenmaßnahmen.

(2) Die übersichtliche, für jedes Verfahren der Netzplantechnik bis ins Detail einheitlich

festgelegte Darstellungsweise ermöglicht eine zweifelsfreie Verständigung zwischen allen Beteiligten.

(3) Der Netzplan liefert in jeder Phase des Projekts einen raschen, allgemein verständlichen

Überblick über den Projektstand und lässt Engpässe und mögliche Störungsquellen frühzeitig erkennen.

(4) Ein weiterer Nutzen der Netzplantechnik wird schließlich darin gesehen, dass in der

Planungsphase eines Projekts der Zwang besteht, Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung aller Projektbeteiligten klären zu müssen.

(5) Die Nutzung von Netzplan-Software ermöglicht eine schnelle und effiziente zeitliche

Überwachung auch von großen Projekten/Prüfungen.

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Prüfungstheorie

133

3 Risikoorientierte Prüfung

31 Verpflichtung zur risikoorientierten Abschlussprüfung

Ziel der risikoorientierten Abschlussprüfung ist die Optimierung des Prüfungsprozesses durch eine möglichst frühzeitige Erfassung der wesentlichen Prüfungsrisiken (Fehlerrisiko (= Inhärentes Risiko mal Kontrollrisiko), Entdeckungsrisiko und Risiko der künftigen Ent-wicklung).

Neue Prüfungsstandards und berufsständische Verlautbarungen schreiben eine Risikobeur-

teilung im Rahmen der Prüfungsplanung verbindlich vor. Der IDW PS 240 und die VO 1/1995 der WPK und des IDW enthalten die aus SAS No. 471 sowie die aus den ISA 300 - 4002 übernommene Verpflichtung zur risikoorientierten Abschlussprüfung.

Im Rahmen einer Untersuchung von 500 Abschlussprüfungen in den USA, Großbritannien

und Südafrika hat die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte Haskins & Sells Internatio-nal festgestellt, dass 75 % der wesentlichen Risiken der Prüfungsaufträge bereits in der Pla-nungsphase hätten erkannt werden können. Die wesentlichen Risiken wurden nach dieser Untersuchung folgendermaßen unterschieden:

• Ähnliche Fehler sind in den Vorjahren aufgetreten (38 %), • Branche ist risikobehaftet (12 %), • zu prüfendes Unternehmen ist risikobehaftet (9 %), • sonstige vorab erkennbare Risiken (16 %) sowie • Risiken, die in der Planungsphase nicht zu erkennen waren (25 %).

1 Statement on Auditing Standard (SAS). Die SAS sind vom Auditing Standards Board (ASB) des American

Institute of Certified Public Accountants (AICPA) herausgegebene Interpretationen allgemein anerkannter Prü-fungsrichtlinien. Das AICPA ist die Berufsorganisation der amerikanischen Wirtschaftsprüfer. Eine Aufgabe des AICPA ist die Herausgabe von Prüfungsrichtlinien. Diese Prüfungsrichtlinien sind für amerikanische Wirt-schaftsprüfer verbindlich.

2 International Standard on Auditing (ISA). Bei den International Standards on Auditing handelt es sich um internationale Prüfungsstandards, die vom IAPC der IFAC entwickelt werden. Die nationalen Mitgliedsorgani-sationen des IFAC, zu denen für Deutschland das IDW und die WPK gehören, haben sich zur Umsetzung der internationalen Prüfungsstandards in Deutschland verpflichtet.

International Federation of Accountants (IFAC): Hauptaufgabe der IFAC ist, den Berufsstand der ”Accountants” auf internationaler Ebene fortzuentwickeln, vor allem im Hinblick auf die Qualitätssicherung der Berufsausübung.

International Auditing Practices Committee (IAPC): Das IAPC ist ein Unterausschuss der IFAC, der sich mit Fragen der internationalen Harmonisierung von Regeln der ordnungsmäßigen Durchführung von Abschluss-prüfungen sowie mit Form und Inhalt der Prüfung beschäftigt.

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Risikoorientierte Abschlußprüfung

Die Studie zeigt, dass sowohl eine sorgfältige risikoorientierte Prüfungsplanung als auch die Kenntnis des Geschäfts und der Branche des zu prüfenden Unternehmens notwendige Vor-aussetzungen für eine ordnungsmäßige Abschlussprüfung sind.

Die Risikosituation des Abschlussprüfers kann folgendermaßen strukturiert werden:

Das allgemeineGeschäftsrisiko

des AbschlußprüfersPrüfungsrisiko

Das spezielleAuftragsrisiko

des Abschlußprüfers

Abb. 25: Risiken des Abschlussprüfers 32 Die Risiken des Abschlussprüfers

321. Das allgemeine Geschäftsrisiko des Abschlussprüfers

Das allgemeine Geschäftsrisiko des Abschlussprüfers umfasst neben dem allgemeinen Un-ternehmerrisiko, dem jedes Unternehmen ausgesetzt ist, Konsequenzen, die vor allem aus Fehlurteilen oder aus der Mißachtung von Berufspflichten resultieren:

- Haftung für entstandene Schäden (z. B. gegenüber Aktionären, Banken); - berufsgerichtliche Maßnahmen bei Verstößen gegen die Berufssatzung; - strafrechtliche Sanktionen (z. B. Beihilfe zur Steuerhinterziehung) sowie - Beeinträchtigung oder Verlust der beruflichen Reputation.

Das allgemeine Geschäftsrisiko des Abschlussprüfers kann auch aus einer verfehlten Unter-nehmenspolitik des Abschlussprüfers resultieren, wenn er seine Absatzmärkte und/oder Wettbewerber falsch einschätzt.

134

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Prüfungstheorie

135

322. Das spezielle Auftragsrisiko des Abschlussprüfers

Das spezielle Auftragsrisiko des Abschlussprüfers betrifft den einzelnen Prüfungsauftrag. Es resultiert aus den speziellen Gegebenheiten des zu prüfenden Unternehmens, wie dessen Sitz, Branchenzugehörigkeit, Wettbewerbslage, Management und auch aus dem Fortbe-standsrisiko des zu prüfenden Unternehmens.

Das spezielle Auftragsrisiko korrespondiert in starkem Maße mit der Bestandsfestigkeit des

zu prüfenden Unternehmens. So kann eine schlechte wirtschaftliche Lage des zu prüfenden Unternehmens dazu führen, dass das Unternehmen das vereinbarte Honorar nicht beglei-chen oder dass die Abschlussprüfung nicht GoA-konform durchgeführt werden kann. Schlimmer ist, wenn das Bestandsrisiko des zu prüfenden Unternehmens wegen Ängsten vor der sich selbst erfüllenden Prophezeiung oder vor Auftragsverlust vom Prüfer verschwiegen wird und es zu einem Scheitern des zu prüfenden Unternehmens kommt, ohne dass der Ab-schlussprüfer ein Signal gegeben hat.

Das Auftragsrisiko umfasst wie das Geschäftsrisiko Konsequenzen, die eine Existenzgefähr-

dung des Abschlussprüfers zur Folge haben können. Die Kontrolle des speziellen Auftragsri-sikos kann durch eine risikoorientierte Auswahl der Prüfungsaufträge erfolgen. Hilfsmittel hierfür sind Checklisten zur Identifikation von Unternehmen mit außergewöhnlichen Risi-ken und die Beurteilung der Bestandsfestigkeit des zu prüfenden Unternehmens vor Auf-tragsannahme oder Auftragsfortführung.

Das spezielle Auftragsrisikos ist von zentraler Bedeutung für die Entscheidung über die An-

nahme oder Ablehnung eines Prüfungsauftrages. Die Beurteilung durch den Abschlussprü-fer erfolgt stets unter der Abwägung möglicher Auftragschancen.

Der Grundsatz der Gewissenhaftigkeit (§ 43 Abs. 1 WPO) verlangt, dass der Abschlussprü-

fer mögliche Ausschließungsgründe für einen speziellen Prüfungsauftrag im Vorfeld der Auf-tragsannahme analysiert. Eine nachträgliche Kündigung ist nach § 318 Abs. 6 dHGB bzw. § 270 Abs. 6 UGB nur aus wichtigem Grund zulässig.

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Risikoorientierte Abschlußprüfung

323. Prüfungsrisiko

323.1 Definition des Prüfungsrisikos

Prüfungsrisiko: Gefahr, einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk für einen Jahresab-schluss zu erteilen, der wesentliche Fehler aufweist, bzw. einen Bestätigungsvermerk nur ein-geschränkt zu erteilen oder zu verweigern, obwohl der Jahresabschluss keine wesentlichen Fehler enthält. Durch das KonTraG hat sich das Prüfungsrisiko darüber hinaus um die Ge-fahr erweitert, wesentliche Fortbestandsrisiken nicht zu erkennen bzw. nicht anzugeben, obwohl sie im Prüfungsbericht und eventuell im Bestätigungsvermerk angegeben werden müssen.

Laut Leffson ist der gesetzliche Prüfungsauftrag ausdrücklich ein Mißtrauensauftrag: ”Der

Abschlußprüfer darf niemals darauf vertrauen, daß die Buchführung in Ordnung ist oder daß die Unternehmensleitung den Jahresabschluß normengerecht aufgestellt hat.”

Aus dem Mißtrauensauftrag folgt nach Leffson, dass der Abschlussprüfer das unbekannte

Prüfungsobjekt solange als nicht ordnungsmäßig vermutet, bis er sich vom Gegenteil über-zeugen konnte.

Je nachdem, welche konkreten Ergebnisse die Prüfung liefert, muss der Abschlussprüfer

seine Ausgangshypothese beibehalten oder er muss sie revidieren. Da dem Abschlussprüfer bei der Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit des Prüfungsobjektes und der Fortbestandsrisi-ken Fehler unterlaufen können, kann die Ablehnung der Ausgangshypothese entweder die richtige oder die falsche Entscheidung sein.

Ausgangshypothese: Der Jahresabschluss ist nicht i.O. bzw. das Unternehmen ist insolvenz-gefährdet.

Hypothese trifftnicht zu

Entscheidungdes Prüfers

aufgrund vonUrteilsbildungs-

beiträgenHypothese

wirdrevidiert

Hypothese wird

beibehalten

korrekteEntscheidung

korrekteEntscheidungα-Fehler

β-Fehler

Hypothesetrifft zu

Wahrer Zustand

Abb. 26: Qualität der Entscheidung des Abschlussprüfers

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Prüfungstheorie

137

Die ungerechtfertigte Ablehnung eines Jahresabschlusses, der keine wesentlichen Fehler ent-

hält, wird als β-Fehler bezeichnet. Vom α-Fehler wird gesprochen, wenn der Abschlussprü-fer den Bestätigungsvermerk erteilt, obwohl der Jahresabschluss wesentliche Fehler enthält.3

α-Fehler und β-Fehler unterscheiden sich durch die Konsequenzen, die mit den Fehlent-

scheidungen verbunden sind:

Bei einem β-Fehler wird das geprüfte Unternehmen seinerseits das Urteil des Abschlussprü-fers prüfen. Da keine wesentlichen Fehler vorhanden sind, wird es den Abschlussprüfer zu einer Überprüfung und Korrektur seines Urteils drängen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein β-Fehler unentdeckt bleibt, kann daher als gering eingestuft werden. Die erneute Prüfung verursacht zusätzliche Kosten und führt neben dem Reputationsverlust für den Prüfer mög-licherweise zum Verlust des Prüfungsauftrags im folgenden Jahr.

Unterläuft dem Abschlussprüfer ein α-Fehler, so führt dies in aller Regel zu einem endgülti-

gen Fehlurteil, da das ”geprüfte” Unternehmen mit dem positiven Urteil zufrieden sein wird: Das Unternehmen wird den erteilten Bestätigungsvermerk nicht in Frage stellen. Al-lerdings ist im Fall von vom Abschlussprüfer im Prüfungsbericht bzw. im Bestätigungsver-merk nicht vermerkten bestandsgefährdenden Tatsachen, die im Folgejahr offenbar werden, ein noch stärkerer Reputationsverlust für den Abschlussprüfer zu erwarten als im Falle des β-Fehlers.

Allerdings ist nicht jedes Fehlurteil mit Konsequenzen für den Abschlussprüfer verbunden.

Fehlurteile werden oft erst aufgedeckt, wenn Dritten daraus ein (finanzieller) Schaden ent-

steht. Die Qualität eines uneingeschränkten Bestätigungsvermerks ist nachträglich stark an-zuzweifeln, wenn das geprüfte Unternehmen im Folgejahr erhebliche Verluste verkraften muss, bestandsgefährdet oder insolvent wird.

3 Beachte: Die Definitionen von α-Fehler und β-Fehler sind in der Literatur nicht einheitlich.

Sie hängen von der Formulierung der sogenannten Nullhypothese ab.

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Risikoorientierte Abschlußprüfung

138

Der Abschlussprüfer kann aber nicht für jedes Fehlurteil zur Verantwortung gezogen wer-

den. Der Abschlussprüfer muss nur eine Mindestqualität des Prüfungsurteils garantieren, nämlich von ca. 95 % Sicherheit bei 2 % Ungenauigkeit. Qualitativ lässt sich das Ziel der Prüfung wie folgt formulieren:

”Das Ziel der Prüfung ist die Abgabe eines hinreichend sicheren und genauen Urteils mit minimalen Kosten für das Prüfungsunternehmen.”

Dies bedeutet, dass ein bestimmtes verbleibendes Prüfungsrisiko (≤ 5 %), also eine geringe Unsicherheit, zulässig und unausweichlich ist, denn die Prüfung darf (und kann) nicht zur Vollprüfung ausgeweitet werden. Das wäre den zu prüfenden Unternehmen in der Regel zu teuer und widerspräche den GoA.

Der α-Fehler wird hier mit dem eigentlichen Prüfungsrisiko gleichgesetzt, da die Wahr-

scheinlichkeit des Auftretens eines β-Fehlers aus den oben genannten Gründen als gering einzustufen ist.

Die verwendete Definition des Prüfungsrisikos unterstellt, dass der Abschlussprüfer hinsicht-

lich der Beurteilung des Jahresabschlusses vor einer ”Entweder-oder-Entscheidung” steht. Dabei handelt sich aber um eine Vereinfachung der viel komplexeren Entscheidungssituati-

on des Abschlussprüfers. Der Abschlussprüfer kann den Bestätigungsvermerk nicht nur ver-weigern, sondern nach dem KonTraG gemäß § 322 Abs. 4 dHGB (§ 274 Abs. 3 UGB) ein-schränken und um ergänzende Beurteilungen erweitern (Bestätigungsbericht). Aus Vereinfa-chungsgründen wird im folgenden nur die ”Entweder-oder-Entscheidungssituation” be-trachtet.

Bestätigungsvermerk WP IV 323.2 Bestandteile des Prüfungsrisikos

Die Möglichkeit des Auftretens eines Prüfungsfehlers setzt entweder voraus, dass wesentli-che Inkorrektheiten im Jahresabschluss enthalten sind (Fehlerrisiko) und dass diese im Rahmen der Prüfung nicht erkannt werden (Entdeckungsrisiko) oder der Abschlussprüfer erkennt aus den ihm vorliegenden Prüfungsunterlagen nicht, dass eine potentielle Bestands-gefährdung (Risiko der künftigen Entwicklung) vorliegt, die er im Prüfungsbericht und eventuell auch im Bestätigungsvermerk angeben müsste.

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Prüfungstheorie

Prüfungsrisiko

Fehlerrisiko Entdeckungsrisiko

InhärentesRisiko

Kontroll-risiko

RisikodetaillierterPrüfungs-

handlungen

RisikoanalytischerPrüfungs-

handlungen

Risiko der künftigen Entwicklung

Abb. 27: Bestandteile des Prüfungsrisikos

Das Fehlerrisiko gibt die Wahrscheinlichkeit an, dass in einem Prüfungsobjekt wesentliche Fehler enthalten sind. Dem Fehlerrisiko ist der Abschlussprüfer mit Beginn der Prüfung ausgesetzt. Die Ursachen liegen zum einen in den dem Prüffeld innewohnenden Risiken (Inhärente Risiken) und zum anderen in der Fähigkeit des Unternehmens durch ein wirk-sames Internes Kontrollsystem (IKS) den Inhärenten Risiken zu begegnen (Kontrollrisiko).

Das Fehlerrisiko ist vom Abschlussprüfer kurzfristig nicht beeinflussbar. Seine Aufgabe ist,

das Fehlerrisiko zu analysieren, zu beurteilen und bei der Prüfungsplanung und -durchführung durch die Wahl eines entsprechend großen Prüfungsumfangs zu berücksich-tigen. Mittelfristig wird der Abschlussprüfer versuchen, Fehlerrisiken zu verringern, indem er sie dem zu prüfenden Unternehmen bewusst macht (Management Letter).

Das Entdeckungsrisiko kennzeichnet die Wahrscheinlichkeit, dass trotz der angewandten

Prüfungshandlungen wesentliche Fehler unentdeckt bleiben. Das Entdeckungsrisiko wird durch Art, Umfang und Effektivität der formellen und mate-

riellen Prüfungshandlungen bestimmt. Bei konstantem Prüfungsrisiko und erhöhtem Feh-lerrisiko muss der Abschlussprüfer seine Prüfungshandlungen so gestalten, dass das Risiko sinkt, wesentliche Fehler nicht zu entdecken.

Die Differenzierung des Prüfungsrisikos in Fehler- und Entdeckungsrisiko betrifft nicht

nur den Jahresabschluss insgesamt, sondern jedes Prüffeld. Die Notwendigkeit, das Prü-fungsrisiko auf Prüffeldebene zu untersuchen, resultiert zum einen aus der Gefahr, dass auf-grund der Komplexität des gesamten Prüfungsobjektes wesentliche Sachverhalte übersehen werden könnten und zum anderen aus dem Ziel, das geforderte hinreichend sichere und ge-naue Prüfungsurteil mit minimalen Kosten zu erreichen.

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Risikoorientierte Abschlußprüfung

140

Ziel der risikoorientierten Abschlussprüfung ist es, die Kosten der Prüfung bei gegebenem

Prüfungsrisiko durch eine umfassende Risikoeinschätzung über die Reduktion des Fehlerri-sikos und dadurch bedingte Erhöhung des akzeptablen Entdeckungsrisikos zu minimieren.

Der Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit (§ 43 Abs. 1 WPO) verlangt, dass der Ab-

schlussprüfer seine Entscheidungen selbst trifft. Der Abschlussprüfer ist daher stets - ungeachtet der Reduktion des Fehlerrisikos - verpflichtet, ein Minimum an detaillierten Prüfungshandlungen durchzuführen, um sich ein eigenes Urteil bilden zu können. Er darf sich also auch nicht allein auf das BBR stützen!

Durch das KonTraG erweitert sich das Prüfungsrisiko des Abschlussprüfers um das Risiko

der künftigen Entwicklung. Gemäß § 317 Abs. 2 Satz 2 dHGB muss der Abschlussprüfer prüfen, ob die Chancen und Risiken der künftigen Entwicklung und evtl. Bestandsgefähr-dungen im Lagebericht zutreffend dargestellt sind. Darüber hinaus ist der Abschlussprüfer verpflichtet, sowohl im Prüfungsbericht nach § 321 Abs. 1 dHGB (§ 273 Abs. 2 UGB) als auch im Bestätigungsvermerk gemäß § 322 Abs. 2 Satz 2 dHGB mögliche Fortbestandsrisi-ken gesondert anzugeben. Hier besteht das Prüfungsrisiko des Abschlussprüfers darin, dass er Hinweise auf wesentliche Risiken der künftigen Entwicklung nicht erkennt und/oder die wirtschaftliche Lage (Bestandsfestigkeit) des zu prüfenden Unternehmens falsch einschätzt. Hier könnte ein Instrument wie das BBR unterstützen.

323.3 Fehlerrisiko

323.31 Inhärentes Risiko

Inhärentes Risiko: Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Fehlern in einem Prüffeld, die alleine oder zusammen mit Fehlern in anderen Prüffeldern wesentlich sind.

Das Inhärente Risiko umfasst die eigentlichen Ursachen für Fehler. Sie liegen zum einem im

Prüfungsobjekt/-feld selbst (Charakteristik des Prüffeldes) und zum anderen in den äußeren Bedingungen des Prüfungsobjektes. Die äußeren Bedingungen beeinflussen die Fehleranfäl-ligkeit des gesamten Rechenwerks des zu prüfenden Unternehmens.

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Prüfungstheorie

141

Die beiden Komponenten des Inhärenten Risikos sind:

(a) Die Bedingungen des Inhärenten Risikos:

• makroökonomische Bedingungen (konjunkturelle Entwicklung, konjunkturpolitische Maßnahmen, gesellschaftspoliti-sche Ereignisse),

• Branchenbedingungen (Branchenkonjunktur, Branchenstruktur, Position des Unternehmens innerhalb der Branche),

• Unternehmensbedingungen (wirtschaftliche Lage, Insolvenzwahrscheinlichkeit, Lebensalter des Unternehmens, Rechtsform, Größe, Qualifikation des Managements).

(b) Die Charakteristika des Inhärenten Risikos:

• Manipulationsanfälligkeit eines Prüffeldes, • Umfang, Häufigkeit und Komplexität der Verarbeitungsprozesse, • Ausmaß von Nicht-Routinetransaktionen und Schätzungen beim Ansatz und bei der

Bewertung von Vermögensgegenständen und Schulden, • Abhängig von Fortbestandsrisiken, • Umfang der Teilschritte der Bewertung.

Die Charakteristika des Inhärenten Risikos unterliegen in der Regel keinen Verände-rungen, da sie mit dem Geschäft des zu prüfenden Unternehmens und/oder den speziellen Eigenschaften eines Prüffeldes eng verbunden sind.

Die Beurteilung des Inhärenten Risikos durch den Abschlussprüfer erfolgt durch eine um-

fassende Risikoanalyse im Rahmen der Prüfungsplanung und zu Beginn der Prüfung.

Bei der Beurteilung des Inhärenten Risikos kann sich der Abschlussprüfer • auf Erkenntnisse aus Vorjahresprüfungen und der Vorprüfung, • seiner Kenntnis der gesamtwirtschaftlichen Situation und der Branche sowie • auf Urteile über die Bestandsfestigkeit des zu prüfenden Unternehmens, vor allem in

Form von Branchen- und Zeitvergleichen, stützen.

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Risikoorientierte Abschlußprüfung

142

323.32 Kontrollrisiko

Kontrollrisiko: Wahrscheinlichkeit, dass Fehler in einem Prüffeld durch das IKS des Unter-nehmens nicht verhindert oder nicht entdeckt und korrigiert werden. Darüber hinaus ist nach KonTraG unter dem Kontrollrisiko auch die Gefahr zu subsumieren, dass das von der Unternehmensleitung installierte Risikomanagementsystem nicht angemessen ist. Das heißt, die Unternehmensleitung wird nicht rechtzeitig auf Risiken der künftigen Entwicklung oder Fortbestandsrisiken hingewiesen.

Das Kontrollrisiko ist ein Maß der Qualität bzw. der Effektivität des im Unternehmen in-

stallierten Internen Kontrollsystems (IKS)4 und des Risikomanagementsystems.

Das IKS ist vornehmlich darauf gerichtet, Fehler zu vermeiden, aufzudecken und zu behe-ben, die aus der Charakteristik des Inhärenten Risikos resultieren. Vom IKS ist das Risiko-managementsystem (nach § 91 Abs. 2 AktG) abzugrenzen. Das Risikomanagementsystem eines Unternehmens übernimmt die Funktionen der Erfassung, Messung und Steuerung der relevanten Risiken und Risikopotentiale sowie die Überwachung der einzelnen Risiken und des kumulativen Unternehmensrisikos.

Die Beurteilung des IKS erfolgt im Rahmen der Systemprüfung, die Teil der Vorprüfung

ist. Ergebnis der Systemprüfung muss eine Aussage über die Wahrscheinlichkeit sein, mit der das IKS potentielle wesentliche Fehler nicht verhindert oder nicht entdeckt und korri-giert.

Bei Erstprüfungen erfordert die Einschätzung des Kontrollrisikos eine vollständige Erfassung

und Analyse des IKS. Bei Folgeprüfungen kann der Abschlussprüfer auf Erkenntnisse aus vorangegangenen Prüfungen zurückgreifen. Während der Prüfungsdurchführung muss der Abschlussprüfer sich stets davon überzeugen, dass das IKS in der dokumentierten Form noch vorhanden ist und über den gesamten Beurteilungszeitraum angewandt wurde.

Jedes Unternehmen benötigt ein Risikomanagementsystem damit die Unternehmensleitung

frühzeitig auf Risiken der künftigen Entwicklung oder im schlimmsten Fall Fortbestandsri-siken reagieren kann. Bei Aktiengesellschaften, die Aktien mit amtlicher Notierung ausgege-ben haben, ist der Abschlussprüfer nach § 317 Abs. 4 dHGB verpflichtet zu prüfen, ob der Vorstand die ihm nach § 91 Abs. 2 dAktG obliegenden Maßnahmen zur Errichtung eines Risikomanagementsystems getroffen hat und ob das System seine Aufgabe erfüllt.

Ist ein Risikomanagementsystem fest implementiert, sollte dessen Ausgestaltung in der Vor-

prüfung aufgenommen und beurteilt werden, soweit dies möglich ist. Der Abschlussprüfer wird dabei mit dem Problem konfrontiert, dass das Kontrollrisiko eines Risikomanagement-systems statistisch nicht gemessen werden kann. Zum einen liefert ein Risikomanagement-system prognostische Aussagen und zum anderen kann aufgrund der Ungewissheit der künftigen Entwicklung kein Sollobjekt bestimmt werden.

4 Das IKS ist die Summe der Regeln und Verfahren, die die Richtigkeit der Erfassung und Verarbeitung der in

einem Unternehmen anfallenden Geschäftsvorfälle sichern sollen.

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Prüfungstheorie

143

Das Kontrollrisiko kann entweder aus fehlenden oder mangelhaften Kontrollelementen des

IKS resultieren, oder vorgesehene Kontrollen werden nicht ausgeführt oder funktionieren nicht wie geplant. Das Kontrollrisiko kann nie gleich Null sein. Interne Kontrollen können z. B. durch mangelnde Sorgfalt zeitweise unwirksam werden. Des Weiteren besteht stets die Möglichkeit, dass sich das Management über bestehende und funktionierende Kontrollen hinwegsetzt (Management Override).

Das Kontrollrisiko wie das Inhärente Risiko sind für den aktuellen Prüfungsauftrag ein Da-

tum. Beide Größen liegen in der Verantwortung des zu prüfenden Unternehmens. 323.4 Entdeckungsrisiko

323.41 Risiko analytischer Prüfungshandlungen

Risiko analytischer Prüfungshandlungen: Wahrscheinlichkeit, dass der Abschlussprüfer auf-

getretene und durch das IKS nicht beseitigte wesentliche Fehler durch analytische Prüfungs-handlungen ebenfalls nicht entdeckt.

Exkurs: Analytische Prüfungshandlungen (vgl. IDW PS 312).

Analytische Prüfungshandlungen werden unterteilt in

a) Vergleichszahlen- und Kennzahlenanalyse und b) Analyse mit Hilfe wirtschaftlich orientierter Kontrollrechnungen.

ad a) Vergleichszahlen und Kennzahlenanalyse

Bei der Vergleichszahlenanalyse werden Jahresabschlusszahlen durch Zeit- und Be-triebsvergleiche auf absolute Änderungen untersucht. Sind die festgestellten Verän-derungen nicht erklärbar, können sie Hinweise auf Fehler im Prüfungsfeld geben.

Bei der Prüfung mit Kennzahlen greift der Abschlussprüfer auf Verhältniszahlen zu-rück (z. B.: Eigenkapitalquote, Fremdkapitalquote, statischer Verschuldungsgrad). Die ermittelten Kennzahlen können Vorjahres- oder Branchenwerten gegenüberge-stellt werden. Auch hier können nicht erklärbare Abweichungen Hinweise auf Fehler geben.

Will der Abschlussprüfer zu einem umfassenden Bild der wirtschaftlichen Lage des zu prüfenden Unternehmens gelangen, wird er Kennzahlenkataloge heranziehen, die alle Informationsbereiche des Jahresabschlusses und damit die wirtschaftliche Lage des Unternehmens widerspiegeln.

ad b) Analyse mit Hilfe wirtschaftlich orientierter Kontrollrechnungen:

Mit Hilfe wirtschaftlicher Kontrollrechnungen versucht der Abschlussprüfer, die Daten der Finanzbuchhaltung durch unabhängige Aufzeichnungen auf ihre Richtig-

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Risikoorientierte Abschlußprüfung

144

keit zu überprüfen. Diese Kontrollrechnungen werden vor allem bei der Prüfung von GuV-Posten angewandt.

Bei einem Fertigungsbetrieb kann von den zugekauften und verbrauchten Rohstof-fen und Waren auf die Menge der hergestellten Erzeugnisse geschlossen werden, so-fern diese in einem festen Verhältnis zueinander stehen. Die Personalkosten können anhand von Personalstatistiken unter der Berücksichtigung von Tarifänderungen plausibilisiert werden.

Beurteilung analytischer Prüfungshandlungen:

Die Qualität analytischer Prüfungshandlungen hängt von der Zuverlässigkeit des zur Verfügung stehenden Datenmaterials ab. Es besteht stets die Gefahr, dass das zu Vergleichszwecken herangezogene Datenmaterial fehlerhaft ist.

Vor der Anwendung analytischer Prüfungshandlungen ist zu klären, ob die Bildung bestimmter Verhältniszahlen betriebswirtschaftlich sinnvoll ist. Darüber hinaus kön-nen Kennzahlen durch bilanzielle Ansatz- und Bewertungswahlrechte, Ermessens-spielräume sowie Sachverhaltsgestaltungen verzerrt werden. Der Abschlussprüfer sollte solche Zusammenhänge erkennen und bei seinen Schlussfolgerungen berück-sichtigen.

Bei stark aggregierten Daten besteht die Möglichkeit, dass wesentliche Fehler saldiert und verdeckt werden.

Analytische Prüfungshandlungen sind zur abschließenden Beurteilung eines kriti-schen Prüfungsfeldes nicht ausreichend. In der Praxis werden analytische Prüfungs-handlungen daher stets mit detaillierten Prüfungshandlungen kombiniert.

323.42 Risiko detaillierter Prüfungshandlungen

Risiko detaillierter Prüfungshandlungen: Wahrscheinlichkeit, dass der Abschlussprüfer auf-getretene und weder durch das IKS noch aufgrund analytischer Prüfungshandlungen ent-deckte wesentliche Fehler mit Hilfe detaillierter ergebnisorientierter Prüfungshandlungen ebenfalls nicht entdeckt.

Das Risiko detaillierter Prüfungshandlungen wird in das Auswahlrisiko und das Prüferrisiko

unterteilt: (a) Auswahlrisiko (Sampling Risk) • Nur in Ausnahmefällen wird der Abschlussprüfer eine Vollprüfung vornehmen, da

eine lückenlose Prüfung i.d.R. nicht wirtschaftlich ist und gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Abschlussprüfung verstoßen würde.

• Bei den Verfahren der Auswahlprüfung müssen indes unentdeckte Fehler in Kauf genommen werden. Auswahlrisiko

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Prüfungstheorie

145

(b) Prüferrisiko (Non Sampling Risk) Das Prüferrisiko kann in das:

1. Wirksamkeitsrisiko, 2. Anwendungsrisiko und 3. Interpretationsrisiko unterteilt werden. Zu 1.: Das Wirksamkeitsrisiko kennzeichnet die Gefahr, dass der Abschlussprüfer eine Prü-

fungshandlung auswählt, die nicht auf die Erfordernisse des zu prüfenden Sachver-halts abgestimmt ist. So kann bspw. die Vollständigkeit des ausgewiesenen Bestandes an Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen nicht durch eine retrograde Prüfung überprüft werden.

Zu 2.: Das Anwendungsrisiko tritt im Prüfungsprozess auf, wenn Prüfungshandlungen nicht

adäquat angewandt werden. Für die Anwendung mathematisch-statistischer Metho-den müssen bestimmte Anwendungsvoraussetzungen erfüllt sein.

(Vgl.: Kap. 233.412.) Zu 3.: Das Risiko, eine Prüfungsfeststellung falsch zu interpretieren, kann z. B. aus mangeln-

den Rechnungslegungskenntnissen, mangelnder Sorgfalt des Abschlussprüfers resul-tieren.

Die Ursachen des Prüferrisikos liegen in einer unzureichenden Planung und Überwachung der Prüfung, mangelnder Qualifikation und im schlimmsten Fall in mangelnder Integrität des Abschlussprüfers.

Wird ein Fehlurteil aufgedeckt, ist der Abschlussprüfer zur Verantwortung zu ziehen. Der

Abschlussprüfer kann sich indes exkulpieren, wenn er die Mindesturteilssicherheit eingehal-ten und dies in seinen Arbeitspapieren dokumentiert hat.

Im Falle einer Vollerhebung eines Prüffeldes strebt das Auswahlrisiko gegen Null und es

verbleibt nur das Prüferrisiko.

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Risikoorientierte Abschlußprüfung

146

323.5 Risiko der künftigen Entwicklung

323.51 Definition

Gefahr, dass der Abschlussprüfer in den ihm vorliegenden Unterlagen und im Prüfungspro-zess Hinweise auf wesentliche Risiken der künftigen Entwicklung nicht erkennt und/oder die wirtschaftliche Lage (Bestandsfestigkeit) des zu prüfenden Unternehmens falsch, d. h. zu positiv, einschätzt.

Das Risiko der künftigen Entwicklung ist nach KonTraG die Gefahr einer möglichen künf-

tigen Nettovermögensminderung für das zu prüfende Unternehmen. Diese mögliche Netto-vermögensminderung resultiert aus einer eventuellen negativen Abweichung der künftig tat-sächlich realisierten Vermögens-, Finanz- und Ertragslage von den zum Bilanzstichtag ge-planten Werten der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage.

Für den Abschlussprüfer sind nicht sämtliche negativen Planabweichungen und damit alle

Risiken der künftigen Entwicklung relevant, sondern nur die wesentlichen: • Risiken, die die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage spürbar nachteilig beeinflussen

könnten und • bestandsgefährdende Risiken (Insolvenzgefahr) bzw. die Gefahr eines künftigen Schei-

terns des Unternehmens (Non Going Concern). Neben gewichtigen Einzelrisiken können auch immer eine große Zahl an einzeln betrachtet

unbedeutenden Risiken gemeinsam zu wesentlichen negativen Abweichungen von der er-warteten wirtschaftlichen Lage oder zu einer Bestandsgefährdung führen.

Die Ursachen für Risiken der künftigen Entwicklung sind vielfältig und finden sich auf allen

Unternehmensebenen. Sie resultieren aus: • Änderungen von politischen oder ökonomischen Faktoren (Wechselkurse, Inflations-

raten, Zölle etc.), • Änderungen der Branchenstruktur durch neue Wettbewerber und/oder neue Techno-

logien, • Grad der Akzeptanz der Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens sowie • Rechtsstreitigkeiten, Reklamationen oder Klagen.

Nach dem KonTraG ist es nicht die Aufgabe des Abschlussprüfers, eine eigene Prognose

bezüglich der Risiken der künftigen Entwicklung zu erstellen. Der Abschlussprüfer ist auf die Risikoprognose des Unternehmens angewiesen und soll überprüfen, ob die vorgenom-mene Inventur der Risiken sachgerecht durchgeführt wurde und mit den Erkenntnissen sei-ner Prüfung übereinstimmt.

Der Abschlussprüfer muss aber aus den ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen, die wirt-

schaftliche Lage, die Risiken der künftigen Entwicklung und Fortbestandsgefährdungen er-mitteln, soweit das möglich ist und diese sowohl im Prüfungsbericht als auch gegebenenfalls im Bestätigungsvermerk berichten.

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Prüfungstheorie

147

Die Inventur der Risiken durch das zu prüfende Unternehmen muss gewährleisten, dass sämtliche drohenden und möglichen Nettovermögensminderungen erfasst werden. Die In-ventur der Risiken erstreckt sich daher auf: • Geschäfte, die mit der Beschaffung von Beständen eingeleitet worden sind, • Geschäfte, die mit Abschluss von (Beschaffungs- bzw.) Absatzverträgen eingeleitet

worden sind und auf • Geschäfte, die am Abschlussstichtag noch nicht abgeschlossen sind, deren Abschluss

aber mit einer erheblichen, nicht unbedingt überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.

Unabdingbare Voraussetzung für eine dem Grundsatz der Vollständigkeit genügende Inven-

tur der Risiken ist ein funktionsfähiges Risikomanagementsystem des zu prüfenden Unter-nehmens.

Die vom zu prüfenden Unternehmen ermittelten Risiken der künftigen Entwicklung sind

vom Abschlussprüfer dahingehend zu beurteilen, ob die Risiken einzeln oder kumulativ we-sentlich und berichtspflichtig sind.

Diese Aufgabe kann der Abschlussprüfer nur dann sachgerecht erfüllen und das Risiko einer

Fehleinschätzung minimieren, wenn er über eine genaue Kenntnis der Bestandsfestigkeit des zu prüfenden Unternehmens zum Bilanzstichtag verfügt. Das heißt letztendlich, der Ab-schlussprüfer muss sich ein eigenes Urteil bzgl. der Bestandsfestigkeit bzw. Bestandsgefähr-dung des zu prüfenden Unternehmens bilden.

323.52 Instrumente zur Beurteilung der Bestandsfestigkeit

Ausgehend von den Jahresabschlüssen des zu prüfenden Unternehmens lässt sich mit Hilfe moderner Verfahren der Jahresabschlussanalyse die Bestandsfestigkeit objektiv beurteilen.

Bei modernen empirischen Verfahren der Jahresabschlussanalyse werden auf der Basis einer

hinreichend großen Zahl von solventen und insolventen Unternehmen mit Hilfe mathema-tisch-statischer Verfahren die relevanten Kennzahlen zur Beurteilung der Bestandsfestigkeit eines Unternehmens objektiv ausgewählt und zu einem Gesamtrisikoindex verdichtet.

Am Institut für Revisionswesen wurde in Zusammenarbeit mit Baetge & Partner mittels der

Künstlichen Neuronalen Netz-Analyse (KNNA) ein Klassifikator entwickelt, mit dem der Abschlussprüfer die Bestandsfestigkeit des zu prüfenden Unternehmens in Form einer A-posteriori-Insolvenzwahrscheinlichkeit beurteilen kann. Der zur Zeit leistungsfähigste Klassi-fikator ist das Bilanzbonitätsrating BP-14 (Backpropagation-Netz mit 14 Kennzahlen), das sog. BBR-Baetge-Bilanzbonitäts-Rating Die Kennzahlen des BBR erfassen alle relevanten Kennzahlen der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage so, dass ein umfassendes Urteil über die Bestandsfestigkeit des zu prüfenden Unternehmens gewährleistet ist. Zudem handelt es sich um ”intelligente” Kennzahlen, die die vom zu prüfenden Unternehmen eventuell vor-genommenen bilanzpolitischen und sachverhaltsgestaltenden Maßnahmen konterkarieren.

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Risikoorientierte Abschlußprüfung

148

Ein Bilanz-Rating des zu prüfenden Unternehmens ermöglicht dem Abschlussprüfer, die Bestandsfestigkeit des zu prüfenden Unternehmens zur Abwehr der Risiken der künftigen Entwicklung am Bilanzstichtag zu messen. Mit diesem Wissen ist der Abschlussprüfer in der Lage, die Risiken aus den eingeleiteten Geschäften und den geplanten wirtschaftlichen Akti-vitäten angemessen zu werten: Ein Unternehmen mit hoher Bestandsfestigkeit ist in der La-ge, Risiken der künftigen Entwicklung abzufedern, ohne dass die wirtschaftliche Lage oder der Fortbestand des Unternehmens gefährdet wird. Demgegenüber kann für ein Unterneh-men mit geringer Bestandskraft unter Umständen bereits aus einer künftigen Geschäftstä-tigkeit mit geringem Risiko die Gefahr des Scheiterns resultieren.

Durch die Anforderung eines Bilanzbonitätsratings seines zu prüfenden Unternehmens

kann der Abschlussprüfer Unternehmensschieflagen frühzeitig erkennen und darüber be-richten. Das zu prüfende Unternehmen kann rechtzeitig Maßnahmen zur Abwendung der drohenden Gefahren treffen.

Darüber hinaus erlaubt das Bilanzbonitätsrating dem Abschlussprüfer, Prüfungsschwer-

punkte festzulegen. Kennzahlen des BBR, die im Vergleich zu anderen Unternehmen oder im Zeitvergleich eine negative Entwicklung zeigen, sind für den Abschlussprüfer ein wichti-ges Indiz für kritische Prüfungsfelder. Der Abschlussprüfer kann diese Information nutzen, um seine Prüfungsintensität entsprechend anzupassen und damit die Wirtschaftlichkeit der Prüfung verbessern.

Zusätzlich zum Einsatz des BBR muss der Abschlussprüfer qualitative Unternehmensmerk-

male analysieren, die Hinweise auf mögliche Fortbestandsrisiken liefern könnten. Damit keine Negativmerkmale übersehen werden, sollte der Abschlussprüfer eine auf das zu prü-fende Unternehmen abgestimmte Checkliste einsetzen.

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Prüfungstheorie

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Abb. 28: Entscheidungsprozess bzgl. der Bestandsfestigkeit eines Unternehmens bei Einsatz des BBR

149

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Risikoorientierte Abschlußprüfung

150

Eine solche Checkliste sollte u. a. folgende Aspekte berücksichtigen: Wirtschaftliche Negativmerkmale − im globalen Umfeld, d. h. im gesamtwirtschaftlichen, rechtlich-politischen, wissen-

schaftlich-technischen sowie ökologischen Umfeld als Rahmenbedingungen der Un-ternehmenstätigkeit.

− im Unternehmensumfeld, d. h. in der Branchenentwicklung, den Marktbedingungen auf Absatz- und Beschaffungsmärkten sowie den Wettbewerbsverhältnissen.

− im Unternehmen, d. h. in der Leistungs- und Produktpalette, der Beschaffungs- und Absatzpolitik, der strategischen Ausrichtung des Unternehmens, in den Finanzierungs-strategien, in der Innovationspolitik etc.

Negativmerkmale im Management z. B.: − Verwicklung in strafbare Handlungen/schwerwiegende Rechtsverstöße. − Große persönliche Probleme der Unternehmensleitung. − Unzuverlässigkeit des Managements.

Negativmerkmale in Unternehmensbereichen: − Information, Planung, Organisation und Kontrolle. − Beschaffung, Lagerhaltung. − Branchenabhängigkeit.

Negativmerkmale in der Kontoführung: − Dauerhaftes Überschreiten von Kreditlinien. − Keine Skonto-Inanspruchnahme. − Steigende Gesamtverschuldung. − Kurzfristige Fremdfinanzierung.

Spezielle Negativmerkmale: − Einschränkung/Verweigerung des Bestätigungsvermerks im Vorjahr. − Risiken aus laufenden Gerichtsprozessen. − Übernahme von hohen Eventualrisiken. − Mängel im Risikomanagementsystem. − Abhängigkeit des Unternehmens von wenigen oder nur einem einzigen Lieferanten,

Abnehmer(n), Produkt(en), Geldgeber(n) oder Rohstoff(en). − Besondere (wertbegründende) Vorfälle nach dem Bilanzstichtag.

Die Bestandsfestigkeit des zu prüfenden Unternehmens hat eine große Bedeutung für das

Inhärente Risiko. Unternehmen in einer schlechten wirtschaftlichen Verfassung werden häufig versuchen, sich durch z. B. Überbewertungen des Vorratsvermögens oder unzulässige Aktivierung von Aufwendungen besser darzustellen, als es den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht.

Das BBR liefert hinsichtlich der Bestandsfestigkeit des zu prüfenden Unternehmens statis-

tisch abgesicherte und zu einem Gesamtrisikoindex (N-Wert) verdichtete Informationen. Dieser N-Wert ermöglicht dem Abschlussprüfer, das Risiko einer Fehleinschätzung des Ri-sikos der künftigen Entwicklung zu minimieren. Dieses Risiko der Fehleinschätzung wird weiter reduziert, wenn der Abschlussprüfer die qualitativen Negativmerkmale des zu prüfen-

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Prüfungstheorie

151

den Unternehmens umfassend analysiert und vor dem Hintergrund der ermittelten Be-standsfestigkeit bewerten kann.

33 Das Prüfungsrisikomodell

331. Aufbau des Prüfungsrisikomodells

Eine Möglichkeit, die Risikosituation des Abschlussprüfers darzustellen, besteht in der Ab-bildung des Prüfungsrisikos und dessen Bestandteilen in einem Risikomodell:

Prüfungsrisiko = Fehlerrisiko x Entdeckungsrisiko PR = (IR x KR) x (RaP x RdP) mit PR = Prüfungsrisiko IR = Inhärentes Risiko KR = Kontrollrisiko RaP = Risiko analytischer Prüfungshandlungen RdP = Risiko detaillierter Prüfungshandlungen

Das Prüfungsrisikomodell ist ein vereinfachtes Abbild der Risikosituation des Abschlussprü-fers. Sein Zweck ist das Offenlegen der Beziehungen zwischen Fehlerrisiko und Entde-ckungsrisiko, um die Prüfungsplanung nachhaltig zu verbessern und Hinweise auf die Be-stimmung der Art und des Umfangs der Prüfungshandlungen zu gewinnen.

Im Prüfungsrisikomodell werden allerdings nur Prüfungsrisiken erfasst, die in der vergan-

genheitsorientierten Rechnungslegung des zu prüfenden Unternehmens enthalten sind. Das Risiko der künftigen Entwicklung, die Gefahr wesentliche Risiken der künftigen Entwick-lung nicht zu erkennen und/oder die Bestandsfestigkeit falsch einzuschätzen, wird im Prü-fungsrisikomodell nicht abgebildet. Dieses Prüfungsrisiko wird maßgeblich durch die künf-tigen Geschäfte des zu prüfenden Unternehmens beeinflusst, die allerdings zum großen Teil erst nach Abschluss der Prüfung realisiert werden.

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Risikoorientierte Abschlußprüfung

Das Prüfungsmodell lässt sich durch die Regenwolkenanalogie veranschaulichen:

IKS/IÜS/RMS

Internes KontrollsystemJahresabschlußprüfung

Prüfungsrisiko

Abb. 29: Regenwolkenanalogie

Die Möglichkeit, dass in einem Prüffeld wesentliche Fehler auftreten (Inhärentes Risiko), wird durch den Regen dargestellt. Die aufgespannten (löchrigen?) Schirme sind Maßnah-men des zu prüfenden Unternehmens und des Abschlussprüfers, wesentliche Fehler zu ver-hindern.

152

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Prüfungstheorie

Zunächst kann das zu prüfende Unternehmen ein IKS installieren, durch das Fehler verhin-dert oder entdeckt und korrigiert werden kann. Es besteht indes die Gefahr, dass wesentliche Fehler durch das IKS weder verhindert noch aufgedeckt und korrigiert werden oder dass we-sentliche Fehler das IKS umgehen (Kontrollrisiko).

Durch seine analytischen und detaillierten Prüfungshandlungen spannt der Abschlussprüfer im Rahmen der Jahresabschlussprüfung einen weiteren Schirm auf. Einige Regentropfen in-des passieren (Prüferrisiko) oder umgehen (Auswahlrisiko) auch diesen Schirm. Die verblei-benden Regentropfen, die den Boden (Jahresabschluss) erreichen, stellen das Prüfungsrisiko des Abschlussprüfers dar.

Ziel des Abschlussprüfers ist, seinen Schirm unter Berücksichtigung der Qualität des IKS des

zu prüfenden Unternehmens durch eine effektive Kombination von analytischen und detail-lierten Prüfungshandlungen so weit aufzuspannen, dass er trotz der verbleibenden Regen-tropfen ein hinreichend sicheres und genaues Urteil abgeben kann (Mindestqualität des Ur-teils).

Je löchriger und kleiner der Schirm (IKS) des zu prüfenden Unternehmens ist, desto weiter

muss der Abschlussprüfer seinen Schirm durch die Auswahl effektiver Prüfungshandlungen und die Bestimmung des Prüfungsumfangs aufspannen.

Aus der Mindestqualität des Prüfungsurteils resultiert für den Abschlussprüfer ein maximal

zulässiges Prüfungsrisiko von 5 %.5 Der Abschlussprüfer muss das Inhärente Risiko und das Kontrollrisiko analysieren und beurteilen. Durch Umformen der Gleichung des Prüfungsri-sikomodells kann das Entdeckungsrisiko ermittelt werden:

Entdeckungsrisiko (RaP x RdP) = Prüfungsrisiko (PR)Inhärentes Risiko (IR) x Kontrollrisiko (KR)

Das Entdeckungsrisiko kann durch die Gestaltung des Prüfungsprogramms beeinflusst wer-

den. Ein niedriges Entdeckungsrisiko erfordert zuverlässigere Prüfungshandlungen und er-höhte Stichprobenumfänge.

5 ”Ziel der Prüfung ist die Abgabe eines hinreichend vertrauenswürdigen Urteils ... mit minimalen Kosten für die

Prüfungsunternehmung.” Die Abgabe eines hinreichend vertrauenswürdigen Urteils erfordert eine Prüfungssicherheit von 95% und eine

Prüfungsgenauigkeit von 99%. Die Mindestqualität des Urteils kann somit nur bei einem Prüfungsfehler von ≤ 5% erreicht werden.

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Risikoorientierte Abschlußprüfung

332. Kritische Würdigung des Prüfungsrisikomodells

(a) Nutzen des Prüfungsrisikomodells • Im Prüfungsprozess gewonnene Informationen können mit dem Prüfungsrisikomo-

dell systematisiert und hinsichtlich ihrer Wirkung auf das Prüfungsrisiko beurteilt werden.

• Das Prüfungsrisikomodell fördert die isolierte Betrachtung einzelner unternehmens-

spezifischer Risikokomponenten. • Die Zerlegung des Prüfungsrisikos zwingt den Abschlussprüfer, sich umfassend mit

dem Prüfungsobjekt zu beschäftigen und explizit Informationen zu analysieren, die er bei einem lediglich globalen Ansatz übersehen könnte.

• Bei Prüffeldern, die auf Basis mathematisch-statistischer Verfahren geprüft werden,

besteht die Möglichkeit, das berechnete Risiko detaillierter Prüfungen direkt in die Bestimmungsgleichung des Stichprobenumfangs zu integrieren.

• Der Abschlussprüfer muss die Höhe des Inhärenten Risikos, des Kontrollrisikos und

des Risikos analytischer Prüfungshandlungen subjektiv schätzen. Dies ist nur mög-lich, wenn er sich mit dem Prüfungsfeld intensiv auseinandersetzt. Seine Entschei-dung hat er zu begründen und in den Arbeitspapieren zu dokumentieren.

(b) Kritik am Prüfungsrisikomodell • Mangelnde Unabhängigkeit: Die Anwendung des Multiplikationssatzes für die Wahrscheinlichkeitsrechnung, der

z.B. für drei unabhängige Ereignisse

P (A A A ) P(A ) x P(A ) x P(A )1 2 3 1 2 3∩ ∩ =

lautet, verlangt, dass die einzelnen Teilrisiken unabhängig voneinander sind, was nicht der Realität entspricht.

Das Inhärente Risiko wird durch das Kontrollrisiko beeinflusst. Ein schwaches IKS kann zu einer sorgloseren Einstellung bei der Aufgabenerfüllung führen; Konse-quenz: Das Inhärente Risiko nimmt zu.

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Prüfungstheorie

• Mangelnde Objektivität Die meisten Komponenten des Risikomodells müssen vom Prüfer subjektiv ge-

schätzt werden. Für das Inhärente Risiko und das Kontrollrisiko liegen keine objek-tiven Wahrscheinlichkeiten vor.

• Mangelnde Gewichtung Die Teilrisiken sind gleichgewichtet. Das zulässige Niveau des Prüfungsrisikos lässt sich durch verschiedene Kombinatio-

nen aus Inhärentem Risiko, Kontrollrisiko und Entdeckungsrisiko einhalten, d. h., eine wechselseitige Kompensation der Risikokomponenten ist zulässig. Daraus folgt, dass das Risikomodell in bestimmten Situationen einen vollständigen Verzicht auf ergebnisorientierte Prüfungshandlungen signalisiert:

Prüfungsrisiko 5%, Inhärentes Risiko 50% Kontrollrisiko 10%

Entdeckungsrisiko = 0,050,5 x 0,1

= 1

Das Entdeckungsrisiko kennzeichnet die Wahrscheinlichkeit, dass trotz der ange-wandten Prüfungshandlungen zur Fehleraufdeckung wesentliche Fehler unentdeckt bleiben.

Für die Abgabe eines hinreichend sicheren und genauen Urteils ist nach den Berufs-grundsätzen ein Prüfungsrisiko i.H.v. 5% akzeptabel. Ist nun ein Prüffeld durch ein Inhärentes Risiko i.H.v. 50% und ein Kontrollrisiko i.H.v. 10% gekennzeichnet, könnte der Abschlussprüfer theoretisch auf eigene Prüfungshandlungen verzichten, da bei dieser Datenkonstellation ein Entdeckungsrisiko von 100% zulässig wäre.

Solch ein Ergebnis widerspricht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Abschlussprüfung. Der Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit verlangt, dass sich der Abschlussprüfer sein Urteil selbst bildet und seine Entscheidungen in eigener Verantwortung bestimmt. Der Abschlussprüfer hat daher stets ein Minimum an detaillierten Prüfungshandlungen vor-zunehmen.

(c) Fazit Der Zweck des Prüfungsrisikomodells ist, die Beziehungen zwischen den vorgestell-

ten Risikoarten offenzulegen und ihre Wirkungen auf die Qualität des Prüfungsur-teils darzustellen. Der Abschlussprüfer kann daraus Konsequenzen für die Bestim-mung von Art und Umfang der Prüfungshandlungen ableiten und auf diese Weise die Prüfungsplanung nachhaltig verbessern.

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Überwachungstheorie

4 Überwachungstheorie

41 Einführung

411. Wirtschaftsprüfung als Überwachungstätigkeit

Überwachung: • ist - zumindest gedanklich - nach Planung und Realisation die dritte Phase des

betrieblichen Geschehens; • ist der Vergleich von Objekten mit dem Ziel, Abweichungen bzw. Übereinstim-

mungen festzustellen und die aus dem Vergleich gewonnenen Informationen für entsprechende Konsequenzen zu nutzen.

Kontrolle:

Überwachungshandlung ist fest in den betrieblichen Arbeitsablauf eingebaut und/ oder Überwacher ist für die Ergebnisse des überwachten Prozesses verantwortlich.

Prüfung:

Überwachungshandlung ist nicht fest in den betrieblichen Ablauf eingebaut und der Überwacher ist nicht für die Ergebnisse des überwachten Prozesses verantwortlich.

Aber:

Überwacher (Kontrolleur und Prüfer) ist immer für die eigenen Überwachungs-handlungen verantwortlich.

Überwachung

Generelle Regelung:Überwachung ist fest in denbetrieblichen Arbeitsablaufeingebaut"Kontrolle"

Fallweise Regelung:Überwachung ist nicht fest inden betrieblichen Arbeitsablaufeingebaut"Prüfung" (Revision)

interne Prüfung= interne Revision

externe Prüfung= Wirtschaftsprüfung

Abb. 30: Überwachung, Kontrolle, Prüfung

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Prüfungstheorie

157

IV. "Quality Control" oder "Peer Review"

III. Prüfung durch externen JA-Prüfer (= Wirtschaftsprüfung i.e.S.)

II. Prüfung durch Innenrevision

I. Kontrollierte Finanzbuchführung

(Abteilungsleiter als Supervisor)

Abb. 31: Einordnung der Wirtschaftsprüfung in die Überwachungstheorie 412. Misstrauen als Motiv der Überwachung?

Befürworter und Kritiker einer strengen Überwachung konstruieren das Gegensatz-Paar: Vertrauen oder Überwachung.

Befürworter: "Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!"

Kritiker: "Vertrauen ist grundsätzlich besser als Kontrolle."

"Die Nachbarskinder" Wer andern gar zuwenig traut, Hat Angst an allen Ecken; Wer gar zuviel auf andre baut, Erwacht mit Schrecken. Es trennt sie nur ein leichter Zaun, Die beiden Sorgengründer; Zuwenig und zuviel Vertrauen sind Nachbarskinder. Wilhelm Busch

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Überwachungstheorie

Vertrauen

KeineÜberwachung

Mißtrauen

StarkeÜberwachung

Abb. 32: Misstrauen als Motiv der Überwachung

Vernachlässigt wird: ⇒ Sicherheitsstreben beider Beteiligten, ⇒ Sinnvolle und sachbezogene Überwachung kann Vertrauensverhältnis begründen

oder festigen. (aber: schlechte Ergebnisse können auch Misstrauensverhältnisse begründen!)

413. Überwachungsadressaten

Ziel-

vorgabePlanung Realisation

Überwachung(Soll-Ist-

oder Ist-Ist-Vergleich

Rückgabe bei nicht akzeptierten Abweichungen

Sollwerte Istwerte

Sollwerte

Evtl. andereVergleichswerte

Evtl. Aussonderungnicht akzeptierterIstobjekte

Weitergabebei Akzeptanz

Abb. 33: Die Überwachung im betrieblichen Prozess

158

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Prüfungstheorie

Wichtigstes Kennzeichen jeder Überwachung:

(1) Vergleich von Objekten;

(2) Rückgabemöglichkeit zur Korrektur.

Durch Überwachung soll:

Grad der Übereinstimmung zwischen Planung und Realisation

festgestellt und ggf. verbessert werden, um eine hohe Bearbeitungsqualität bei der Rea-lisation und der Planung zu erreichen.

Überwachung dient

der Planung und der Realisation

Dispositionsüberwachung Objektüberwachung

Adressat: dispositiver Faktor Adressat: Faktor objekt- bezogene Arbeit

keine Überschneidungsfreiheit

Unterscheidungskriterien:

• Adressaten der Überwachungsinformation bzgl. der Abweichung und ihrer eventuellen Ursachen;

• Überwachungsfrequenz.

159

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Abb. 34: Überwachung im betrieblichen Prozess

160

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Prüfungstheorie

Dispositionsüberwachung:

• Unsicherheit der Zukunft lässt nur sehr große Bandbreiten als Sollwerte zu; • Fehlermeldung seltener als bei Objektüberwachung; • weniger Impulse für eine präventive und/oder korrektive Wirkung als bei der Ob-

jektüberwachung; • Abweichungsinformation wird in größeren Abständen zurückgemeldet (zumindest

diskret: wöchentlich, monatlich, evtl. nur jährlich oder je Projekt); • Adressat: dispositiver Faktor; • kann evtl. auch an objektbezogenen Faktor zurückgekoppelt werden; • liefert Informationen über Qualität der Planung und Realisation; • erfolgt häufig mit Hilfe von Kennzahlen.

Objektüberwachung: • geschieht i. d. R. laufend (tendenziell kontinuierlich); • Adressat: Mitarbeiter, die objektbezogene Arbeit ausführen; • Ziel: Gewährleistung möglichst richtiger Arbeitsergebnisse.

Objektüberwachungen

ergebnisorientierte verfahrensorientierte

dienen der Ergebnis-berichtigung

dienen der Verhaltensbeein-flussung der Mitarbeiter odereiner Methodenänderung beiAnlagen bzw. Verfahren

161

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414. Überwachungswirkungen

Überwachungswirkungen

Präventiv-wirkung

Korrektur-wirkung

Sicherheits-wirkung

Informations-wirkung

Lernwirkung

dysfunktionale Wirkung

Die Präventivwirkung tritt ein, wenn sich die Mitarbeiter bewusst sind, dass sie über-

wacht werden und sie daher ihre Aufgaben mit größerer Sorgfalt erledigen, als wenn sie sich nicht überwacht fühlen.

Durch die Überwachung können sie veranlasst werden, • bewusste Fehler zu unterlassen und • unbewusste Fehler zu vermeiden.

Dysfunktionale Wirkung der Überwachung:

Zu strenge Überwachung kann demotivierend wirken:

⇒ Rückdelegation der Verantwortung für die Arbeit; ⇒ Anstieg der Fehlerhäufigkeit; ⇒ Zum Abbau der dysfunktionalen Wirkungen sollte die Überwachung - ein neutraler - nicht personenbezogener Vorgang sein.

162

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Fehlervermeidung bei derursprünglichen Bearbeitung

Überwachungsintensität,Stärke der Sanktionenbei Abweichungen

Abb. 35: Präventivwirkung der Überwachung

Die Korrekturwirkung der Überwachung bezieht sich auf die trotz der Präventivwir-kung verbliebenen Fehler.

Entdeckte Fehler führen:

a) zu einer Korrektur oder Aussonderung der fehlerhaften Elemente und b) zu einer Abstellung der Fehlerursachen.

Nicht akzeptable Abweichungen führen zur "Rückgabe“ zum Bearbeitungsschritt

⇒ Rückkopplung (unabhängig davon, an welche Person zu welcher Zeit der Fehler gemeldet wird und

welche ihn zu welcher Zeit korrigiert).

Lassen sich systematische Fehlerursachen durch eine Überwachung erkennen und ab-stellen, so liegt über die Korrekturwirkung hinaus eine Lernwirkung vor.

Überwachung sollte eine zweifache Sicherheitswirkung besitzen:

• Überwacher kennt die Bearbeitungsqualität; • Überwachter hat Sicherheit, dass seine Bearbeitungsqualität bekannt ist und die

Überwachenden damit zufrieden sind.

Überwachung hat auch bei eher fehlerhafter Bearbeitung eine Informationswirkung für Überwacher und Überwachten.

163

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164

415. Schritte der Überwachung

Schrifttum: Soll - Ist - Vergleich hier: Soll - Ist - Vergleich Ist - Ist - Vergleich

Kernstück der Überwachung: Vergleich eines Istobjektes mit einem Vergleichsobjekt.

Wenn: Vergleichsobjekt = Sollobjekt dann besitzt Vergleichender Norm, nach der er entscheidet, ob das Istobjekt "richtig"

oder "falsch" ist.

Festlegung des Soll-Vergleichsobjekts durch: • Planungsüberlegungen (müssen sich auf wirtschaftliche Ziele sowie auf technische

und rechtliche Nebenbedingungen stützen), • rechtliche Regelungen (Gesetze, Satzungen, Verträge).

Wenn:

Vergleichsobjekt = Istobjekt dann erlaubt Abweichung keine Entscheidung darüber, welches Ist-Objekt "richtig" und

welches "falsch" ist. ⇒ Weitere Überwachungsmaßnahmen sind notwendig. ⇒ Bei Übereinstimmung: Beide Objekte werden als "richtig" angesehen (Vereinfa-

chung!).

Die Überwachung (Kontrolle, Prüfung) in allgemeiner Form umfasst folgende sechs Schritte:

(1) Auswahl oder Feststellung oder Ermittlung der zu überwachenden Istobjekte, (2) Auswahl oder Feststellung oder Ermittlung der zugehörigen Vergleichsobjekte, (3) Vergleich der Objekt-Paare, (4) Beurteilung der Abweichungen, d. h. Entscheidung über Istobjekte (a) ob Freigabe bzw. Akzeptanz des Istobjektes oder (b) ob Abweichungsfeststellung. Hier sind zwei Fälle zu unterscheiden: 1. Bei einem Ist-Ist-Vergleich ist keine Fehlerzuordnung möglich. Daher ist

entweder die Neubearbeitung beider Objekte erforderlich oder es ist ein Sollobjekt zu ermitteln mit anschließendem Soll-Ist-Vergleich gem. (4) (b) 2.

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165

2. Bei einem Soll-Ist-Vergleich wird ein Fehler beim Istobjekt festgestellt. Auch hier sind zwei Fälle zu unterscheiden:

- Die fehlerhaften Istobjekte werden -- korrigiert oder -- ausgesondert oder -- vernichtet und/oder - Die Fehlerursachen werden beseitigt. (5) Zusammenfassung aller Teilurteile zu einem Gesamturteil, (6) Urteilsmitteilung an die Adressaten. 416. Zur Darstellung von Überwachungsprozessen

Literaturhinweise: BAETGE, JÖRG, ”Überwachungstheorie, Kybernetische”, in: Handwörterbuch der Revision, hrsg.

von Adolf G. Coenenberg und Klaus von Wysocki, Stuttgart 1983, Sp. 1556 - 1569. BAETGE, JÖRG, Überwachung, in: Vahlens Kompendium der BWL, Bd. 2, hrg. von Bitz, M., 3.

Aufl. München 1993, S. 175-218.

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166

42. Kriterien zur Beurteilung von Überwachungsmaßnahmen

Überwachung ist als "wirtschaftliche Veranstaltung" nur sinnvoll, wenn der durch sie gestiftete (bewertete; J.B.) Nutzen die Kosten ihrer Durchführung übersteigt".

(LOITLSBERGER, E., S. 84)

Bei Wirtschaftlichkeit müssen die zu erwartenden Leistungen von Überwachungs-systemen höher als deren Kosten sein.

Überwachung soll:

• Präventivwirkung, • Korrekturwirkung (Lernwirkung), • Vertrauenswirkung (Sicherheits- resp. Informationswirkung)

haben.

Das heißt, es soll die • Zuverlässigkeit und • Wirtschaftlichkeit

der betrieblichen Prozesse gesteigert werden.

Überwachungen müssen mit diesen beiden Kriterien beurteilt werden.

Zur Ermittlung der Wirtschaftlichkeit sind zu bestimmen: • die durch die Überwachung verursachten Kosten: -- Kosten der Überwachung i.e.S., -- Kosten der Korrektur, • Überwachungsleistung (L) = Einsparungen aufgrund von vermiedenen und korrigierten Fehlern, = Reduzierung der Kosten für verbliebene Fehler (KVF).

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Steigerung der Wirtschaftlichkeit von Überwachung bedeutet: Reduzierung der Gesamtkosten der Überwachung.

Abb. 36: Optimale Überwachungsintensität

167

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GK(x) = K (x)+ K = 100x +1

+(20+ 5x) = 100(x +1) +(20+ 5x)

d[K (x)+ K (x)]dx

= - 100(x +1) + 5 = 0

5(x +1) = 100

x = + 20 - 1

x = 3, 472

VF Ü-1

VF Ü -2

2

opt

opt

⇒ Bei xopt = 3,472 liegt das Minimum der gesamten Überwachungskosten.

Ziel: Maximierung der Wirtschaftlichkeit (WI)

WI = (L - K ) !

K = 20+ 5x

K = 100x +1

L = 100 - 100x +1

ö

Ü

VF

→ max

Problem:

Überwachungsleistung ist schwer zu ermitteln, da zu den Einsparungen aufgrund der korrigierten Fehler auch die Präventivwirkung der Überwachung einfließen müsste.

⇒ Ansatz ist nur für Korrekturwirkung geeignet, da Kosten verbliebener Fehler

(KVF) schwierig zu messen sind; ⇒ Reduktion der Messung auf (die noch zu definierende) Zuverlässigkeit!

168

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Ermittlungsprobleme:

• Kosten verbleibender Fehler • Präventivwirkung der Überwachung.

Ersatzkriterien für die Wirtschaftlichkeit:

(1) Ergebnis-Zuverlässigkeit Ermittlung der Ergebnis-Zuverlässigkeit setzt voraus: - Kenntnis der Teilzuverlässigkeiten; - Beachtung der besonderen Rechenregeln; - Kenntnis der organisatorischen Verknüpfungen von Ablaufschritten. (2) Überwachungskosten Bestimmtes Budget für die Überwachungs- (i.e.S.) und Korrekturkosten mit

max. Zuverlässigkeit oder vorgegebene Zuverlässigkeit mit min. Kosten.

Lösungsversuch:

Effizienz der Überwachung wird hilfsweise mit der erreichten Zuverlässigkeit (Z) ermit-telt. Zahl der fehlerfreien untersuchten Bearbeitungsvorgänge Z = ------------------------------------------------------------------------------------ Zahl der insgesamt an einer Systemstelle untersuchten Vorgänge n ⇒ unendlich Zuverlässigkeit = Wahrscheinlichkeit für die Fehlerfreiheit des untersuchten

Arbeitsmaterials

Abschätzen der Zuverlässigkeit eines Gesamtsystems oder von Systemteilen:

• Fehlerarten festlegen (oder Katalog erweitern); • Untersuchung der bearbeiteten Vorgänge auf die Fehlerarten; • Berechnung von Z (bei gleichgewichteten Fehlerarten); • Die Verwendung der Elementarsysteme ermöglicht eine Berechnung der Ge-

samtzuverlässigkeit, wenn die Teilzuverlässigkeiten bekannt sind; • Darstellung der Organisationsalternativen der Überwachung mit Hilfe der Ele-

mentarsysteme; • Beurteilung der Organisationsalternativen anhand der Zuverlässigkeit und Er-

mittlung der verursachten Kosten.

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170

Bedeutung der Zuverlässigkeitsanalyse:

1. Maß für Bearbeitungsqualität; 2. Beschreibung des Mengengerüstes der Fehlerkosten für die Wirtschaftlichkeits-

analyse.

Mögliche Kriterien für die Auswahl der "optimalen" Überwachungssystem-Alternative:

• Zuverlässigkeit; • Determinanten der Wirtschaftlichkeit; • nicht quantifizierbare Kriterien.

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171

43 Organisationsmöglichkeiten für eine Überwachung betrieblicher Prozesse

431. Organisationsmaßnahmen zur unmittelbaren Effizienzsteigerung der Über-wachung

431.1 Überblick

Maßnahmen, die unmittelbar der Effizienzsteigerung der Überwachung dienen: • Aufgabenbildung, • Aufgabengliederung, • Aufgabentrennung, • Aufgabenvervielfachung, • Aufgabenwiederholung, • vollständige Funktionsausübung, • Funktionstrennung, • Kompetenzbündelung.

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Aufgaben Funktionen

Bildung Gliederung TrennungZusammen-fassungBündelung

Maßnahmen der formalen Strukturierung

Maßnahmen der Zuweisung an

einen MitarbeitermehrereMitarbeitergemeinsam

Gestaltungselemente der Aufbau- und Ablauforganisation

KompetenzenVerantwort-lichkeiten

Abb. 37: Festlegung und Zuweisung von Aufgaben, Funktionen, Kompetenzen

und Verantwortlichkeiten

Aufgaben sind die auf das Ziel der Unternehmung gerichteten Gesamt- und Teiltätig-keiten der Mitarbeiter, wie Buchführen, Belegerstellen, Kontieren.

Als Funktionen sind die dispositiven, ausführenden, im eigentlichen Sinne über-

wachenden und korrigierenden Teiltätigkeiten zur Erfüllung einer Aufgabe oder Teilaufgabe definiert.

Die Wirkung der Überwachung (Präventiv-, Korrektur- und Sicherheitswirkung) sind

nur erzielbar, wenn die Funktionen • Bearbeitung, • Überwachung i. e. S. und • Korrektur

erfüllt sind.

172

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431.2 Aufgabenbildung und -gliederung

Aufgabenbildung: Aufgaben werden nach den Kriterien

• Objekt und • Verrichtung

formuliert. ⇒ Beispiel: Beleg kontieren. Durch eine Aufgabengliederung entsteht eine logische und systematische Aufein-

anderfolge von Tätigkeiten.

Mitarbeiter (MA) erledigt

Buchführung mit

Kontieren BuchenKonten

ab-schließen

Hauptab-schluß-

übersicht(=HAÜ)erstellen

Jahresabschluß

(=JA)erstellen

Informationenüber

Geschäts-vorfälle

Informationen

aus demJahresabschluß

Abb. 38: Aufgabengliederung in der Buchführung 431.3 Aufgabenzuordnung

431.31 Vertikale Aufgabentrennung

Aufgabentrennung: Teilaufgaben werden auf mehrere Mitarbeiter verteilt.

Vertikale Aufgabentrennung: Aufgaben werden zwischen Arbeitsablaufschritten getrennt.

173

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⇒ Beispiel: Trennung von Kontierung und Buchung.

Informati-onen aus

dem Jah-resab-schluß

Informa-tionen

über Ge-schäfts-vorfälle

Kon-tieren

1. MA 2. MA

Buchen

3. MAKontenabschlie-ßen

4. MA

HAÜerstellen

5. MA

JAerstellen

Abb. 39: Vertikale Aufgabentrennung innerhalb der Buchführung

Rückkopplungen

Belegeerstel-len

Kon-tieren

Kon-ten ab-schlie-ßen

HAÜerstel-len

JA er-stellen Buchen

Informa-tionen aus

dem Jah-resab-schluß

Informa-tionen

über Ge-schäfts-vorfälle

Normen für Sollobjekte

Gesetze und Grundsäze ordnungsmäßiger Buchführung

Abb. 40: Vertikale Aufgabentrennung in der Finanzbuchhaltung als Kombination von Reihen-

kopplung und Rückkopplung(smöglichkeiten)

174

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175

Wirkungen der vertikalen Aufgabentrennung (Arbeitsteilung) ohne Rückkopp-lungsmöglichkeit: • Primär: Produktivitätssteigerung bei Teilaufgaben; • Aber auch: Präventivwirkung und fallweise Korrekturwirkung,

da die Bearbeitung vertikal getrennter Teilaufgaben einen impliziten Soll-Ist-Vergleich voraussetzt.

Vertikale Aufgabentrennung (= Arbeitsteilung) vor allem wirksam, wenn

• Abwicklung von Geschäftsvorfällen, • Verwaltung von Geld, • Verwaltung sonstiger Vermögensgegenstände, • manuelle, mechanische oder elektronische Erstellung von Aufzeichnungen,

voneinander personell getrennt sind.

Bei manueller Erstellung von Aufzeichnungen: • Belegerstellung, • Kontierung, • Buchung, • Abschluss der Konten, • Erstellung des Jahresabschlusses.

Bei mechanischer und elektronischer Erstellung von Aufzeichnungen: • Erstellung von Eingabe-Belegen, • Dateneingabe, -umwandlung, • Programmerstellung, • Erstellung von Test- und Prüfprogrammen, • Maschinenbedienung, • Verwahrung von Datenträgern und Programmen, • Erstellung von Auswertungen.

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431.32 Horizontale Aufgabentrennung

Horizontale Aufgabentrennung: Eine Aufgabe wird innerhalb eines Arbeitsablaufschrittes derart getrennt, dass eine Er-

gebnisabstimmung zwischen den getrennten Aufgaben möglich ist. ⇒ Beispiel: Trennung der Debitorenbuchführung von der Führung des Sachkontos "Forderungen".

Abb. 41: Beispiel einer horizontalen Aufgabentrennung 431.33 Aufgabenvervielfachung

Aufgabenvervielfachung: Eine Aufgabe wird in gleicher oder ähnlicher Weise mehrfach erfüllt, um für die

Überwachung des Ergebnisses der ersten Aufgabenerfüllung ein Vergleichsobjekt zu haben. Häufigste Form der Aufgabenvervielfachung ist die Aufgabendopplung. ⇒ Beispiel: doppelte Buchführung

176

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Abb. 42: Ist-Ist-Vergleich als Parallelkopplung mit anschließendem Soll-Ist-Vergleich für Ist-Ist-Abweichungen und anschließender Rückkopplung für alle Soll-Ist-Abweichungen

Ist-Vergleichsobjekte lassen sich heranziehen, wenn

(1) bereits mindestens ein Ist-Vergleichsobjekt vorliegt, weil (a) eine identische Aufgabe mehrfach ausgeführt worden ist, (b) eine komplementäre Aufgabe mehrfach ausgeführt worden ist;

(2) ein identisches oder komplementäres Ist-Vergleichsobjekt zum Zwecke des Ver-gleichs erstellt werden muss oder kann und dieses Vergleichsobjekt billiger als ein entsprechendes Sollobjekt erstellt werden kann.

Aufgabenvervielfachung:

Identische oder komplementäre Aufgaben werden einmal oder mehrere Male wie-derholt.

177

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431.4 Funktionsbildung und -gliederung

Funktionsbildung: Einzelne Funktionen werden für jede Teilaufgabe konkretisiert.

Erst eine explizite Funktionsbildung schafft ein ausgeprägtes Überwachungs- (bzw. Kontroll-) Bewusstsein bei den Mitarbeitern, das die gewünschten Wirkungen hervor-ruft.

Implizite Funktionsbildung bei der Aufgabengliederung und -trennung:

Objektüber wachung

Bearbeitung der Aufgabe

Überwachung i. e.S(Vergleich mit anschließender Beurteilung)

Korrektur

⎪⎪⎪

⎪⎪⎪

431.5 Funktionszuordnung

431.51 Selbstüberwachung bzw. Funktionszusammenfassung

Selbstüberwachung: Vergleich wird von derselben Person ausgeführt, die auch die Aufgabe ausgeführt hat

und die auch eventuell vorzunehmende Korrekturen und andere Teilfunktionen aus-führt.

⇒ Selbstüberwachung ist eine gute Voraussetzung für fehlerarme Leistungen und

Lernverhalten! ⇒ Selbst- und Fremdüberwachung sind keine Alternativen sondern Komplemente!

Form und Intensität der Fremdüberwachung ist abhängig von Intensität und Ef-

fektivität der Selbstüberwachung (vgl. Jahresabschlussprüfung).

Selbstüberwachung: Ausweitung der Verantwortungs- und Kompetenzbereiche

⇒ führt zur Erhöhung des Selbstwertgefühls und der Identifikation mit der Aufga-be (besonders bei intrinsisch motivierten Mitarbeitern)

⇒ unter der Grundvoraussetzung, dass der Mitarbeiter die Fähigkeit und den Wil-len besitzt, die Aufgabe zu erfüllen.

178

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Vorteile der Selbstüberwachung: • Vermeidung langer Wartezeiten, • keine Transportkosten, • Kenntnis der Materie, • Motivationsförderung (Erhöhung der Zuverlässigkeit vor der Fremdüberwa-

chung).

Nachteile der Selbstüberwachung: • Aufdeckung bewusster Fehler nicht möglich, • kein Ausgleich für mangelnde Fähigkeiten und Fertigkeiten möglich, • Ausführung und Effizienz kaum feststellbar, sofern Selbstüberwachung nicht do-

kumentiert wird (bei Dokumentation ließe sich andererseits die positive Motiva-tionswirkung nicht realisieren),

• u. U. keine Entdeckung von Flüchtigkeitsfehlern, die sowohl bei der Erstellung des Istobjekts als auch bei der Bildung des Vergleichsobjekts begangen werden.

431.52 Fremdüberwachung bzw. Funktionstrennung

Funktionstrennung: Zuordnung verschiedener Funktionen zu verschiedenen Mitarbeitern.

Fremdüberwachung: Funktionen "Bearbeitung" und "Überwachung i.e.S." sind voneinander getrennt

(Funktionstrennung).

Fremdüberwachung ist nur notwendig, wenn (externe) Überwachungsadressaten ein vertrauenswürdiges Urteil über den Sachverhalt benötigen (z. B. Jahresabschluss-prüfung).

Fremdüberwachung ist angebracht: • für überwiegend extrinsisch Motivierte, • bei unzureichend befähigten Mitarbeitern (bzgl. der Bearbeitung), • zur Aufdeckung bewusster Fehler, • bei Routinearbeiten (Vier- oder Sechs-Augen-Prinzip), • wenn eine Dokumentation der erreichten Zuverlässigkeit notwendig ist.

Bei Fremdüberwachung kann die Korrektur:

(1) vom Bearbeiter, (2) von einem Dritten oder (3) vom Überwacher i.e.S. ausgeführt werden.

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zu (1) Korrektur durch Bearbeiter Vorteile: - Beseitigung systematischer Fehlerursachen durch den Bearbeiter selbst (-> Lern-

wirkung). - Gegenkontrolle (Kontrolle des Überwachers i.e.S. durch den Bearbeiter/Korrek-

tor).

Nachteil: - Schwierige Fälle, die der Korrektor nicht beherrscht, können auch bei Korrektur

nicht richtig gestellt werden.

zu (2) Korrektur durch den Dritten Vorteil: - richtige Bearbeitung schwieriger Fälle, sofern Dritter guter Fachmann ist. Nachteil: - Vorteile der Korrektur durch den Bearbeiter entfallen. zu (3) Korrektur durch Überwacher (i.e.S.) Vorteil: - nur wenn Überwacher zuverlässiger arbeitet als Bearbeiter. Nachteil: - demotivierend für Bearbeiter.

Fremdüberwachung:

Korrektur durch den ursprünglichen Bearbeiter am sinnvollsten. ⇒"Harzburger Modell":

• Bearbeitung und Korrektur in einer Hand, • Rückdelegation unmöglich.

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181

431.6 Kompetenzbildung, -gliederung und -zuordnung

Kompetenzbildung: Schaffung von Kompetenzbereichen.

Kompetenzgliederung: Zerlegung der Kompetenzbereiche in Teilbereiche.

Kompetenzzusammenfassung (-bündelung): • Notwendiges Komplement zur Aufgaben- und Funktionstrennung: mehrere

Mitarbeiter erhalten nur gemeinsam die Kompetenz, eine bestimmte Aufgabe oder eine Funktion innerhalb einer Aufgabe wahrzunehmen.

• Durch Kompetenzzusammenfassung werden partielle Arbeitsergebnisse verschie-dener Mitarbeiter wieder zusammengefasst und miteinander abgestimmt.

• Ist-Ist-Vergleich. 431.7 Verantwortlichkeitsbildung, -gliederung und -zuordnung

Verantwortlichkeit als Kriterium für die Bereichsbildung.

Bereichsbildung erfolgt analog zu 431.6 Kompetenzbildung, -gliederung und -zu-ordnung, denn es gilt der Grundsatz:

Kongruenz von Kompetenz und Verantwortung! 432. Organisationsmöglichkeiten zur mittelbaren Effizienzsteigerung der Überwa-

chung

Wirksamkeit der Überwachung hängt auch von • personellen, • sachlichen und • finanziellen

Voraussetzungen ab. ⇒ Flankierende Organisationsmaßnahmen sind notwendig!

Flankierende Maßnahmen: Organisatorische Maßnahmen, die den Arbeitsablauf und die Aufbauorganisation fest-

legen.

Wirkungen der flankierenden Maßnahmen: • Wahrscheinlichkeit für richtige Ist-Objekte wird erhöht, • Ist-Objekt wird leichter überwachbar (durch größere Einheitlichkeit).

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Beispiele für generelle Regelungen im Bereich Rechnungswesen: • Bilanzierungshandbücher, • Kontenpläne, • Belegorganisation und Formular- und Belegnummern-System, • Arbeitsplatzbeschreibungen, • Arbeitsablaufdiagramme, • Organigramme, • Aufgaben- und Kompetenzverteilung, • Stellvertreterregelungen, • Zugangsbeschränkungen, • Zugriffs- und Entnahmesicherungen, • separate Verwaltung und Verwahrung von Geld, • motivationale Maßnahmen.

Datensicherungund BelegorganisationSicherungen undZugangsbeschränkungen

Separate Verwaltung und Aufbewahrung von Geld und anderen Vermö-gensteilen

Arbeitsplatzbeschreibungen,Arbeitsablaufdia- undOrganigramme

Generelle Regelungen, Ge- währung von Anreizen, Stellvertreterregelungen

Kompetenzbündelung

VertikaleAufgabentrennung

Funk

tions

trenn

ung

Hor

izon

tale

Auf

gabe

ntre

nnun

g u

nd A

ufga

benv

ervi

elfa

chun

g

Parallelkopplung

Reihenkopplung

Rei

henk

oppl

ung

Para

llelk

oppl

ung

Sachliche Voraussetzungen

Pers

onel

le V

orau

sset

zung

en

Fina

nzie

lle V

orau

sset

zung

en

mit Rück-kopplungs-möglichkeit

Abb. 43: Die Effizienz der Überwachung beeinflussende Faktoren und zugrundeliegende Kopp-

lungsbeziehungen

182

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44. Bildung und Analyse von internen Überwachungssystemen

441. Die Isolierung von Überwachungsschritten aus dem Arbeitsablauf

Abb. 44: Die Analyse der Kopplungen in einem Arbeitsablauf durch Disaggregation

183

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Abb. 45: Aufgaben- und Funktionstrennung am Beispiel eines Ausschnitts der Finanz-

buchführung

184

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442. Die Ermittlung von Zuverlässigkeiten für die verschiedenen Kopplungstypen

442.1 Überblick

Abb. 46: Empirische Ermittlung von Teilzuverlässigkeiten einzelner Systemelemente

Abb. 47: Die Ermittlung der Zuverlässigkeit des Ausgangsmaterials bei einstufiger Bearbeitung ohne Überwachung

185

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442.2 Zusammenführung

W[R1] = 0,9375

Kanal 1 mitm Elementen W[R2] = 0,75

Kanal 2 mitn Elementen

W [RA]+ +

[ ] [ ] [ ]

[ ]

mm n

Anteil derVorgänge aus Kanal

nm n

Anteil der Vorgänge aus Kanal 2

m = 800n = 200

W RW R m W R n

m n

W

A1 2

+=

+=

=⋅ + ⋅

+

=⋅ + ⋅

+= =

1

0 9375 800 0 75 200800 200

9001000

0 9AR, , ,

Abb. 48: Zuverlässigkeit bei einer Zusammenführung 442.3 Reihenkopplung

W[RE] = 1,0W[R1] = 0,949 W[R2] = 0,949

W[RA] = 0,900601

W[RA] = 0,9 Abb. 49: Teilzuverlässigkeiten bei einer Reihenkopplung = Steuerung vom Typ A

Für die Reihenkopplung gilt die Multiplikationsregel:

[ ] [ ] [ ] [ ][ ]

W R W R W R W RW R 1,0 0,949 0,949 0,9

A E 1

A

= ⋅ 2⋅

= ⋅ ⋅ ≅

186

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Prüfungstheorie

442.4 Parallelkopplung

W [RE] = 1,0

W [R1] = 0,75

W[R2] = 0,75

+

-

Ab-weichung

= 0?

JA! Freigabe

W [RA] = 0,9

Aussonderung(37,5% des

Eingangsmaterials)

Ist-Ist-Vergleich und Beurteilung

Abb. 50: Teilzuverlässigkeiten bei einer Parallelkopplung mit Aussonderung von ungleichen

Bearbeitungselementen

freigegebenund

richtigausge-sondert

ausgesondert

freige-gebenund

falsch

0,75 1,0 W[R2]

0,75

W [R1]

Abb. 51: Darstellung der Zuverlässigkeit bei einer Parallelkopplung mit Aussonderung vonein-

ander abweichender Bearbeitungsergebnisse

[ ] [ ] [ ][ ] [ ] [ ]( ) [ ]( )

W RW R W R

W R W R W R W RA =

⋅⋅ + − ⋅ −

=⋅

⋅ + ⋅≅1 2

1 2 1 21 10 75 0 75

0 75 0 75 0 25 0 250 9, ,

, , , ,,

187

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Überwachungstheorie

Abb. 52: Parallelkopplung im Stellvertreter-Fall (BAETGE, 1980, Sp. 1097 f.) 442.5 Rückkopplung

Abb. 53: Bedingte Wahrscheinlichkeiten für Bearbeitung, Sollobjekterstellung, Überwachung

i.e.S. und Korrektur

188

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Prüfungstheorie

Abb. 54: Ein Überwachungssystem-Element am Beispiel des Kontierens bei einmaliger Rück-

kopplung

Abb. 55: Übergangsgraph für ein Überwachungssystem-Element (=ÜSE)

189

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Überwachungstheorie

Zustand der Istobjektenach den Tätigkeiten

R F

Ergebniszuverläs-sigkeit

WErg (R)

Ergebnis-unzuver-lässigkeit1-WErg (R)

Anfangszu-verlässigkeit

(hier 100 %)

W(R

)

1-W(R)

W(R/F R)1-W(R/R)

1-W(R/F R)

W(R/R)

1-W(R/F F)W(F/F)

1-W(F/F)

Bearbeitung Kontrolle Korrektur

W(R/F F)

WErg (R) = W(R) (1-W(R/R))W(R/R) W(R/F R)+ W(R)

W(F/F) 1-W(R/F F)+ (1-W(R))

1-WErg (R) = (1-W(R))(1-W(R/F R)) +W(R) (1-W(R/R)) W(F/F) (1-W(R/F F))

(1-W(F/F))+ (1-W(R))

Abb. 56: Wahrscheinlichkeitsbaum zur Berechnung der Ergebniszuverlässigkeit eines IKSE

[ ] [ ][ ]

[ ][ ]

[ ][ ]

[ ][ ] [ ]

UMP =

1 0 0 0

W R / RW F / R

W R / F R

W F / R

W F / F R0

0W F / F

W R / F F

W F / F

W F / F FW R / F

0 0 0 1

~~

~

~

~

~

~

~

~~

⋅ ∩ ⋅ ∩

⋅ ∩ ⋅ ∩

⎢⎢⎢⎢⎢⎢⎢⎢

⎥⎥⎥⎥⎥⎥⎥⎥

Abb. 57: Das ÜSE als Markov-Prozeß in Matrizenschreibweise

190

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Prüfungstheorie

443. Wirkung der Überwachung auf die Zuverlässigkeit von Routinetätigkeiten

443.1 Wirkung der Selbstüberwachung

Abb. 58: Ergebniszuverlässigkeit mit und ohne Selbstüberwachung

191

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Überwachungstheorie

442.2 Wirkung der Fremdüberwachung

Abb. 59: Ergebnisse der Computersimulation

192

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Wirtschaftsprüfung I

45. Überwachungssysteme und Überwachungshierarchien

korrigier-tesIst

iV. Interne und externe Überwachungender Abschlußprüfung, z. B.:

"Quality Control" oder"Peer Review"

III. Die kontrollierte und geprüfte Finanzbuchführungals Prüfungsgegenstand der

externen Jahresabschlußprüfung

II. Die kontrollierte Finanzbuchführungder Unternehmung als

Prüfungsobjekt derInnenrevision bzw.

des Vorstandes

I. Kontrollierte Finanz-buchführung

Sollobjektbildung undSoll-Ist-Vergleich

durch eigene oder fremdeWirtschaftprüfer

Sollobjektbildungund Soll-Ist-Vergleichdurch Abschlußprüfer

Sollobjektbildungund Soll-Ist-Vergleich

durch die Innenrevisionbwz. den Vorstand

Sollobjektbildungund Kontrolle

durch Abteilungsleiter(Supervisor)

Ist

Ist

Korrektur

Finanzbuchführung

Eingabe: Geschäftsvorfälle

START

Informationenzu Sollobjekt-bildungen(Normen)

"falsch"Rückgabe

"richtig"Freigabe

I

Aus

gew

ählte

Ist-O

bjek

te

Info

rmat

ione

n üb

er S

oll-I

st-A

bwei

chun

gen

Normen

II

Info

rmat

ione

n üb

er S

oll-I

st-A

bwei

chun

gen

Aus

gew

ählte

Ist-O

bjek

te

Normen

III

Normen

Ausge-wählteIst-Objekte

Ausge-wählteIst-Objekte

Istobjekte mitInformationen über Soll-Ist-Abweichungen

IV

Normendes Ge-setzge-bersoder an-dererNormge-ber,z. B.:Gesetz,Satzung,GoB,Auftrag.

Bericht-erstat-tungundggfs.Freiga-be zurweiterenBear-beitung

Abb. 60: Hierarchie von Überwachungs-Regelkreisen

193

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Überwachungstheorie

194

Die oberste Kontrollinstanz entzieht sich im zweifachen Sinne der Kontrolle:

(1) Für die Zeit einer unveränderten Kontrollhierarchie: Treten folgenschwere Feh-ler auf, so wird häufig eine zusätzliche, höhere Kontrollebene gefordert.

(2) Die Effizienz einer zusätzlichen (oberen) Kontrollinstanz kann nicht beurteilt

werden.

Die Schaffung neuer Kontrollhierarchien ist letztlich ein unendlicher Prozess. Einem ständigen Anwachsen der Kontrollhierarchie kann durch das Prinzip der Gegen-kontrolle begegnet werden. D. h. die oberste Kontrollinstanz meldet alle festgestellten Fehler der darunter liegenden Ebene, so dass diese erneut eine Kontrolle (Vergleich und Beurteilung) durchführen kann. Bei einer Rückgabe zur Korrektur sollte die Ge-genkontrolle zumindest immer stattfinden. ⇒ Offene Fragen:

• Was geschieht bei abweichender Beurteilung durch die Gegenkontrolle? • Was geschieht bei vorhandenen, aber nicht festgestellten Fehlern?