Prospektive 2-Jahresstudie zum Malnutritions ... · ierte Malnutrition ein entscheidender...

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© 2014 Dustri-Verlag Dr. Karl Feistle ISSN 0300-5224 DOI 10.5414/NHX01581 Original paper Originalarbeit Schlüsselwörter Hämodialyse – Malnutri- tion – Inflammation – Ar- teriosklerose – Mortalität Key words hemodialysis – malnu- trition – inflammation – atherosclerosis – mor- tality Prospektive 2-Jahresstudie zum Malnutritions- Inflammations-Arteriosklerose (MIA)-Syndrom bei Hämodialysepatienten: Inflammationsassoziierte Malnutrition ist ein signifikanter Mortalitätsprädiktor P.M. Jehle 1 , M. Jentzsch 1 , T. Langer 2 , P. Fröhling 3 und R. Fiedler 4 1 KfH Nierenzentrum Wittenberg und Klinik für Innere Medizin I, Evangelisches Krankenhaus Paul Gerhardt Stift, Lutherstadt Wittenberg, 2 Dialysepraxis Lutherstadt Eisleben, 3 Dialysepraxis Potsdam, 4 Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum Halle Prospektive 2-Jahresstudie zum Mal- nutritions-Inflammations-Arteriosklerose (MIA)-Syndrom bei Hämodialysepatien- ten: Inflammationsassoziierte Malnutriti- on ist ein signifikanter Mortalitätsprädik- tor Bei mangelernährten Dialysepatien- ten wird das gleichzeitige Auftreten von Inflammation und kardiovaskulären Er- eignissen häufig beobachtet und als Mal- nutritions-Inflammations-Atherosklero - se (MIA)-Syndrom bezeichnet. Um dessen Mortalitätsrisiko abzuschätzen, wurde in ei- ner prospektiven, multizentrischen und ran- domisierten Studie der Zusammenhang zwischen den einzelnen Komponenten des MIA-Syndroms und dem klinischen End- punkt „Tod“ bei 123 Hämodialysepatienten über 24 Monate untersucht. Sekundär sollte die Frage geklärt werden, wie sich in Abhän- gigkeit vom Ernährungsstatus die Dosierung und das Erreichen des Hämoglobinzielwertes unter dem länger wirkenden, die Erythropo- ese stimulierenden Agens Darbepoetin alfa (DPA) im Vergleich zu rekombinatem hu- manen Erythropoietin (EPO) in der Anämie- behandlung verändern. Im Vorfeld erfolgte deshalb eine Randomisierung der Patienten auf DPA bzw. EPO und während des gesam- ten Studienzeitraums ein optimierter Azi- doseausgleich. Der Ernährungsstatus wur- de mit dem „Subjective Global Assessment (SGA)-Score“ bestimmt: 73 Patienten waren normal ernährt (SGA Score A), 50 Patienten mangelernährt (SGA Score B oder C). Von den 26 verstorbenen Patienten waren zum Todeszeitpunkt 5 als normal ernährt und 21 als mangelernährt (19% vs. 81%; p < 0,001) eingruppiert. DPA bzw. EPO hatten kei- nen Einfluss auf das Überleben der Patien- ten. Jedoch hatten die verstorbenen Patien- ten häufig ein höheres Inflammationsniveau. Bezüglich des Ernährungsstatus unterschie- den sich weder die Dosierung von DPA bzw. EPO noch die Hämoglobinwerte signifikant voneinander. Diese prospektive Studie zum klinischen Verlauf des MIA-Syndroms über 2 Jahre zeigt, dass die inflammationsassozi- ierte Malnutrition ein entscheidender Prog- nosefaktor für das Überleben von Dialysepa- tienten ist. Prospective 2-years study to evaluate malnutrition-inflammation-atherosclero- sis (MIA) syndrome in hemodialysis pa- tients: inflammation-associated malnutri- tion is a significant predictor of mortality In dialysis patients malnutrition is often associated with inflammation and cardio- vascular events, and so it is called malnu- trition-inflammation-atherosclerosis (MIA) syndrome. We performed a prospective, multicentric and randomized trial for 24 months, primarily to investigate the role of MIA syndrome on the mortality of hemo- dialysis patients. Secondary, depending on nutritional status, dosages and achievement of hemoglobin target were evaluated under different anemia therapies, longer activated erythropoesis stimulating agent darbepoetin alfa (DPA) versus recombinant human eryth- ropoietin (EPO), respectively. Before study starts, patients were randomized on DPA or EPO. Metabolic acidosis was fully correct- ed in all patients during the complete study period. As determined by subjective gobal assessment (SGA) score, 73 patients were wellnourished (SGA score A) and 50 patients were malnourished (SGA score B or C). 26 patients died during the study period. Among them 5 patients were wellnourished and 21 malnourished (19% vs. 81%; p < 0.001) at Manuskript-Eingang: 11. November 2013 Manuskript-Annahme: 11. Februar 2014 Nieren- und Hochdruckkrankheiten, Jahrgang 43, Nr. 4/2014, S. 167–176

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© 2014 Dustri-Verlag Dr. Karl Feistle ISSN 0300-5224DOI 10.5414/NHX01581

Original paperOriginalarbeit

Schlüsselwörter Hämodialyse – Malnutri-tion – Inflammation – Ar-teriosklerose – Mortalität

Key words hemodialysis – malnu-trition – inflammation – atherosclerosis – mor-tality

Prospektive 2-Jahresstudie zum Malnutritions-Inflammations-Arteriosklerose (MIA)-Syndrom bei Hämodialysepatienten: Inflammationsassoziierte Malnutrition ist ein signifikanter Mortalitätsprädiktor

P.M. Jehle1, M. Jentzsch1, T. Langer2, P. Fröhling3 und R. Fiedler4

1KfH Nierenzentrum Wittenberg und Klinik für Innere Medizin I, Evangelisches Krankenhaus Paul Gerhardt Stift, Lutherstadt Wittenberg, 2Dialysepraxis Lutherstadt Eisleben, 3Dialysepraxis Potsdam, 4Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum Halle

Prospektive 2-Jahresstudie zum Mal-nutritions-Inflammations-Arteriosklerose (MIA)-Syndrom bei Hämodialysepatien-ten: Inflammationsassoziierte Malnutriti-on ist ein signifikanter Mortalitätsprädik-tor

Bei mangelernährten Dialysepatien-ten wird das gleichzeitige Auftreten von Inflammation und kardiovaskulären Er-eignissen häufig beobachtet und als Mal-nutritions-Inflammations-Atherosklero-se (MIA)-Syndrom bezeichnet. Um dessen Mortalitätsrisiko abzuschätzen, wurde in ei-ner prospektiven, multizentrischen und ran-domisierten Studie der Zusammenhang zwischen den einzelnen Komponenten des MIA-Syndroms und dem klinischen End-punkt „Tod“ bei 123 Hämodialysepatienten über 24 Monate untersucht. Sekundär sollte die Frage geklärt werden, wie sich in Abhän-gigkeit vom Ernährungsstatus die Dosierung und das Erreichen des Hämoglobinzielwertes unter dem länger wirkenden, die Erythropo-ese stimulierenden Agens Darbepoetin alfa (DPA) im Vergleich zu rekombinatem hu-manen Erythropoietin (EPO) in der Anämie-behandlung verändern. Im Vorfeld erfolgte deshalb eine Randomisierung der Patienten auf DPA bzw. EPO und während des gesam-ten Studienzeitraums ein optimierter Azi-doseausgleich. Der Ernährungsstatus wur-de mit dem „Subjective Global Assessment (SGA)-Score“ bestimmt: 73 Patienten waren normal ernährt (SGA Score A), 50 Patienten mangelernährt (SGA Score B oder C). Von den 26 verstorbenen Patienten waren zum Todeszeitpunkt 5 als normal ernährt und 21 als mangelernährt (19% vs. 81%; p < 0,001) eingruppiert. DPA bzw. EPO hatten kei-nen Einfluss auf das Überleben der Patien-ten. Jedoch hatten die verstorbenen Patien-ten häufig ein höheres Inflammationsniveau.

Bezüglich des Ernährungsstatus unterschie-den sich weder die Dosierung von DPA bzw. EPO noch die Hämoglobinwerte signifikant voneinander. Diese prospektive Studie zum klinischen Verlauf des MIA-Syndroms über 2 Jahre zeigt, dass die inflammationsassozi-ierte Malnutrition ein entscheidender Prog-nosefaktor für das Überleben von Dialysepa-tienten ist.

Prospective 2-years study to evaluate malnutrition-inflammation-atherosclero-sis (MIA) syndrome in hemodialysis pa-tients: inflammation-associated malnutri-tion is a significant predictor of mortality

In dialysis patients malnutrition is often associated with inflammation and cardio-vascular events, and so it is called malnu-trition-inflammation-atherosclerosis (MIA) syndrome. We performed a prospective, multicentric and randomized trial for 24 months, primarily to investigate the role of MIA syndrome on the mortality of hemo-dialysis patients. Secondary, depending on nutritional status, dosages and achievement of hemoglobin target were evaluated under different anemia therapies, longer activated erythropoesis stimulating agent darbepoetin alfa (DPA) versus recombinant human eryth-ropoietin (EPO), respectively. Before study starts, patients were randomized on DPA or EPO. Metabolic acidosis was fully correct-ed in all patients during the complete study period. As determined by subjective gobal assessment (SGA) score, 73 patients were wellnourished (SGA score A) and 50 patients were malnourished (SGA score B or C). 26 patients died during the study period. Among them 5 patients were wellnourished and 21 malnourished (19% vs. 81%; p < 0.001) at

Manuskript-Eingang: 11. November 2013

Manuskript-Annahme: 11. Februar 2014

Nieren- und Hochdruckkrankheiten, Jahrgang 43, Nr. 4/2014, S. 167–176

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time of death. There was not an impact on mortality neither by DPA nor by EPO. How-ever the malnourished patients showed fre-quently higher levels of inflammatory mark-ers such as CRP. Dosages of DPA and EPO as well as hemoglobin target levels were not significant different, regarding to nutritional status. In conclusion, our data demonstrate that the inflammation associated malnutri-tion is an important predictor of mortality in hemodialysis patients.

Einleitung

Die Faktoren, die das Überleben von Dialysepatienten beeinflussen, sind in den letzten Jahren zunehmend in das Interesse des klinisch tätigen Nephrologen gerückt. So zeigten eine Reihe von Studien, dass das Überleben von Dialysepatienten nicht nur von den traditionellen kardiovaskulären Risikofaktoren wie z.B. Diabetes mellitus oder LDL-Cholesterin, sondern auch einer Vielzahl weiterer Indikatoren abhängig ist [1, 2, 3, 4]. Neben den Veränderungen des Kalzium-Phosphat-Stoffwechsels [5] sind der Ernährungszustand [6] und das Ausmaß der Mikroinflammation [4] entscheidende Faktoren. Die Mikroinflammation stellt eine wichtige Ursache für die Malnutrition bei Dialysepatienten dar. Die Albuminsynthese korreliert negativ mit Markern der Inflam-mation wie CRP und Interleukin-6 (IL-6) sowie anderen Akut-Phase-Proteinen [3, 6, 7]. Daraus resultierend, korrelieren ernied-rigte Albuminspiegel und dementsprechend erhöhte CRP-Konzentrationen mit der Zu-nahme des Mortalitätsrisikos [3, 8]. Wenn es zum komplexen Auftreten einer gesteigerten Entzündungsreaktion und von kardiovasku-lären Ereignissen bei mangelernährten Dia-lysepatienten kommt, spricht man von einem Malnutritions-Inflammations-Atherosklero-se (MIA)-Syndrom [1, 3, 8, 9, 10]. Erhöh-te CRP-Werte finden sich in den genannten Studien bei bis zu 50% der Dialysepatienten.

Das Ziel unserer Untersuchung war es daher, den Einfluss des MIA-Syndroms auf das Überleben von Hämodialysepatienten und auf deren Anämietherapie zu eruieren.

Methodik

Studiendesign

In die MIA-Studie wurden 123 Patienten im Oktober 2003 aus den Dialysezentren in Wittenberg, Halle (2 Zentren) und Potsdam re-krutiert. Dabei galten folgende Einschlusskri-terien: – Hämodialysepatienten > 18 bis 80 Jahre, – Hämodialyse seit mindestens 6 Monaten, – renale Anämie, die seit mindestens 8

Wochen vor Aufnahme in die Studie sta-bil mit Erythropoietin in einer Dosis bis 20.000 IE pro Woche eingestellt war,

– ausreichender Eisenstatus, Serum-Ferri-tin > 100 – 600 µg/l und Transferrinsätti-gung ≥ 20%,

– keine Teilnahme an anderen klinischen Studien,

– unterschriebene und rechtsgültige Ein-verständniserklärung.

Als Ausschlusskriterien der Studie gal-ten: – Bluttransfusion zur Anämiebehandlung

in den letzten 8 Wochen vor Randomisie-rung,

– andere nicht renale Anämieformen, – schlecht eingestellte arterielle Hyper-

tonie (unter antihypertensiver Therapie Blutdruck über 180 mmHg systolisch oder über 105 mmHg diastolisch, Mes-sung an 2 verschiedenen Tagen jeweils vor Dialyse),

– große Proteinurie bzw. nephrotisches Syndrom bei erhaltener Restdiurese,

– floride und chronische oder virale Infek-tionen (z.B. HIV),

– chronische und akute Lebererkrankungen (z. B. Hepatitis, Zirrhose),

– erhöhte Transaminasen (ALT und AST) oder Gamma-GT größer 2-fach des obe-ren Normwertes ohne fassbare chroni-sche und akute Lebererkrankung,

– gastrointestinale Blutungen in den letzten 8 Wochen vor Aufnahme in die Studie,

– Zustand nach Magen- und Darmresekti-on,

– Epilepsie (mit einem Krampfanfall inner-halb der letzten 6 Monate),

– nicht kurativ behandelte Tumorerkran-kung (Ausnahme Basaliom),

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– andere Begleiterkrankungen mit konse-kutiv reduzierter Lebenserwartung von weniger als 1 – 2 Jahren,

– zu erwartende operative Eingriffe mit größerem Blutverlust,

– Schwangerschaft, Stillzeit, keine adäqua-te Kontrazeption bei Frauen in gebärfä-higem Alter.Die Patienten wurden anhand des „Sub-

jective Global Assessment (SGA)-Score“, der durch erfahrene Kliniker ermittelt wurde, in Normal- (NE) und Mangelernährte (ME) eingeteilt. Der SGA-Score wird seit über 10 Jahren in den Leitlinien der US-amerikani-schen National Kidney Foundation [11] emp-fohlen, ist leicht durchführbar und sehr vali-de [12]. Unsere Patienten wurden anhand des Scores in normal ernährt (A), leicht mangel-ernährt (B) und schwer mangelernährt (C) klassifiziert. Patienten der Gruppen B und C wurden in der Auswertung der mangel-ernährten Patienten zusammengefasst. Der Ernährungsstatus aller Patienten wurde im Verlauf der Studie auch durch regelmäßige Bioimpedanzanalysen durch ein und diesel-be erfahrene Untersucherin (Lijana Krause, Ernährungswissenschaftlerin) erfasst. Hier wurde der Phasenwinkel [13, 14] als Para-meter des Ernährungsstatus ermittelt und ergänzend zur Beurteilung des Ernährungs-zustands herangezogen. Die Richtigkeit der anfänglichen Gruppeneinteilung anhand der

SGA-Scores wurde mit der Bioimpedanz-analyse bestätigt (Phasenwinkel der normal [A], leicht unterernährten [B] und deutlich unterernährten [C] Patienten: A: 6,0 ± 1,0°, B: 5,1 ± 0,9°, C: 3,4 ± 0,5°; p < 0,001). Zum Studienende wurde die Sterblichkeit (primä-rer Endpunkt) in beiden Ernährungsgruppen erfasst und statistisch miteinander vergli-chen.

In der MIA-Studie wurde ebenfalls un-tersucht, wie sich die Dosierung und das Erreichen der Hämoglobinzielwerte durch das länger wirkende Erythropoese stimu-lierende Präparat Darbepoetin alfa (DPA) im Vergleich zu rekombinatem humanen Erythropoietin alfa oder beta (EPO) verän-derten, wobei auch der Ernährungsstatus berücksichtigt wurde. Vor Beginn der Studie erfolgte eine Randomisierung der Patienten auf DPA (n = 62) bzw. EPO (n = 61). Die Behandlung der renalen Anämie erfolgte in der Gruppe der normal ernährten Patienten in 37 Fällen (20 Männer/17 Frauen) mit DPA und in 36 Fällen (20 Männer/16 Frauen) mit EPO. In der Gruppe der mangelernährten Patienten erhielten jeweils 25 Patienten DPA (14 Männer/11 Frauen) bzw. EPO (13 Män-ner/12 Frauen).

Bei allen Patienten wurde über den Stu-dienzeitraum auf eine möglichst optimale Pufferung der metabolischen Azidose durch Optimierung des Dialysatbikarbonats sowie durch orale Gabe von Natriumhydrogen-karbonat zwischen den Dialysen geachtet. In allen Fällen wurde ein Serumbikarbonat von 22 – 26 mmol angestrebt, der Base Ex-zess sollte –3 mmol/l nicht unterschreiten. Es fanden regelmäßige Blutgasanalysen im Abstand von 4 Wochen nach dialysefreiem Wochenende statt. Alle 3 Monate wurden Blutbild (Hämatokrit, Hämoglobin, Lympho-zyten), Transferrin, Ferritin, CRP, Albumin, Kreatinin, Harnstoff, Harnsäure, Kalzium, Phosphat, Kt/V und der Lipidstatus bestimmt [15]. Zum Monitoring des Ernährungsstatus wurden alle 6 Monate Bioimpedanzanalysen durchgeführt.

Demografische Daten

In Abbildung 1 ist die Altersverteilung aller Patienten sowie der Ernährungssub-gruppen dargestellt. Bei den Patienten unter

Abb. 1. Demografische und klinische Daten der Patienten der MIA-Studie.

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60 Jahren überwog die Gruppe der Normal-ernährten, bei Patienten zwischen 61 und 80 Jahren war die Anzahl der Patienten in der normal- und mangelernährten Gruppe nicht verschieden.

Die Grunderkrankungen der eingeschlos-senen Hämodialysepatienten umfassten Glo-merulonephritiden (22%), Diabetes mellitus (19%), hereditäre Nephropathien (20%), arterielle Hypertonie (16%), interstitielle Nephritis/chronische Pyelonephritis (7%), Vaskulitiden/Kollagenosen (5%) sowie sons-tige seltenere Erkrankungen (11%).

Statistik

Die statistische Auswertung der ermittel-ten Daten wurde mit dem computergestütz-ten Statistikprogramm SPSS durchgeführt. Für die erhobenen Messwerte wurden der Mittelwert und die Standardabweichung (MW ± SD) bestimmt. Der Vergleich der Unterschiede auf Signifikanz erfolgte durch den Mann-Whitney-U- bzw. Kruskal-Wal-lis-Test. Die Mortalität wurde deskriptiv berechnet und mit dem Chi-Quadrat-Test nach Pearson überprüft. Eine Signifikanz der Unterschiede wurde bei einer Irrtumswahr-scheinlichkeit von p < 0,05 angenommen. Die statistischen Analysen wurden vom In-stitut für Biometrie und Medizinische Infor-matik der Universität Greifswald (Prof. Dr. Karl-Ernst Biebler) unterstützt.

Ergebnisse

Primärer Endpunkt

Aus den Dialysezentren in Wittenberg, Potsdam und Halle (2 Zentren) wurden 123 Hämodialysepatienten rekrutiert, welche die Studienkriterien erfüllten. Von den 123 Pa-tienten waren nach Studienende im Oktober 2005 noch 85 Patienten in der Studie. Der Hauptgrund für das Ausscheiden aus der Studie war der Tod von 22 Dialysepatien-ten. 14 Patienten wurden transplantiert, al-lerdings verstarben davon 4 Patienten noch im Beobachtungszeitraum, und 2 Patienten verließen das Studienzentrum (Lost-to-fol-low-up). Insgesamt waren somit 26 Patien-ten verstorben, die in der Mortalitätsanalyse berücksichtigt wurden. Als führende Todes-ursachen wurden kardiovaskuläre (37%) und cerebrale (25%) Ereignisse festgestellt. In Tabelle 1 sind die Patientenverläufe für die einzelnen Studienzentren differenziert dar-gestellt. Bei den verstorbenen Patienten wa-ren 18 ursprünglich in der mangelernährten Patientengruppe. Unter Zugrundelegung des Ernährungsstatus zum Zeitpunkt des Todes waren jedoch 21 der 26 innerhalb der Stu-diendauer verstorbenen Patienten mangeler-nährt. Somit ergibt sich eine 4-fach erhöhte Mortalität der mangelernährten Patienten (Abb. 2) (p < 0,001). Die Anwendung von Darbepoetin alfa (DPA) erbrachte gegenüber

Tab. 1. Übersicht der innerhalb von 24 Monaten verstorbenen Patienten der MIA-Studie (n = 26; 22 Patienten an der Hämodialyse, 4 Patienten nach Nierentransplantation).

Abb. 2. Verstorbene Patienten der MIA-Studie in Abhängigkeit vom Ernährungsstatus zum Zeit-punkt des Todes.

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MIA-Syndrom und Überleben bei Hämodialysepatienten 171

dem rekombinanten humanen Erythropoieti-nen (EPO) keinen Überlebensvorteil, weder in der Gesamtpopulation (p = 0,62), noch in der mangelernährten (p = 0,2) und in der normal ernährten (p = 0,45) Studiengruppe. Auch die Verteilung der Anämietherapeutika EPO bzw. DPA war zwischen der mangeler-nährten und der normal ernährten Studien-gruppe nicht signifikant verschieden.

Der Body-Mass-Index (BMI) war bei den mangelernährten Patienten an den meisten Zeitpunkten signifikant niedriger (Abb. 3) als bei den normal ernährten Patienten. Hinwei-se auf ein Unterernährungsrisiko (BMI < 20 kg/m2) ergaben sich zu keinem Zeitpunkt.

Die Dialyseeffektivität (Kt/V) war an-fänglich in beiden Gruppen signifikant verschieden (ME: 1,20 ± 0,28 vs. NE: 1,39 ± 0,26; p < 0,05). Diese konnte im Stu-

dienverlauf noch verbessert werden (ME: 1,37 ± 0,42 (T12), 1,61 ± 0,51 (T24) vs. NE: 1,43 ± 0,35 (T12), 1,42 ± 0,41 (T24); p = 0,26). Eine unterschiedliche Dialyse-qualität kann damit als Ursache der Mal-nutrition bzw. des MIA-Syndroms und als bekannter Mortalitätsprädiktor im unter-suchten Studienkollektiv ausgeschlossen werden. Die typischen Retentionswerte Kreatinin, Harnstoff und Harnsäure waren bei den NE stets höher und sprechen für eine valide Gruppeneinteilung der Patien-ten. Als traditioneller kardiovaskulärer Ri-sikofaktor und Marker der Ernährung wur-de LDL-Cholesterin bestimmt. Signifikante Unterschiede zeigten sich nicht (bei T0, T12 und T24: ME: 2,24 ± 0,94, 2,62 ± 1,06 und 1,86 ± 0,95; NE: 2,46 ± 1,07, 2,60 ± 1,19 und 2,29 ± 0,67 mmol/l; p = 0,42).

Auch die Bikarbonatwerte vor und nach der Hämodialyse waren in beiden Gruppen nicht signifikant verschieden (Abb. 4). Dem-nach kann davon ausgegangen werden, dass die Unterschiede im Ernährungsstatus zwi-schen den einzelnen Patienten nicht durch eine ungenügende Kontrolle der metaboli-schen Azidose bedingt sind oder dass diese selbst zu einer Beeinflussung der Sterblich-keit geführt haben.

Sekundäre Endpunkte

Über den gesamten Studienverlauf gab es keine signifikanten Gruppenunterschiede im Hinblick auf den Hämoglobinwert und die Erythropoietin-Wochendosen zwischen normal- und mangelernährten Patienten, auch nicht in Abhängigkeit vom eingesetz-ten Anämietherapeutikum (Abb. 5a – d). Bei der Darstellung der Ferritin- und Transfer-rinkonzentrationen (Abb. 6) fällt auf, dass Mangelernährte höhere Werte für Ferritin und niedrigere Werte für Transferrin als nor-malernährte Patienten aufwiesen. Hier waren die Unterschiede an einigen Zeitpunkten si-gnifikant.

Bezüglich der Albuminwerte gab es im gesamten Studienverlauf überraschen-derweise keine signifikanten Unterschiede zwischen normal- und mangelernährten Pa-tienten. Die durchschnittlichen Albumin-konzentrationen lagen zu den Zeitpunkten T0, T12 und T24 bei den normalernährten

Abb. 3. Darstellung des BMI bei den Patienten der MIA-Studie in Abhängigkeit vom Ernährungs-status (***p < 0.001, **p < 0.01, *p < 0.05).

Abb. 4. Bikarbonatwerte vor und nach Hämodia-lyse bei den Patienten der MIA-Studie.

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Patienten bei 40,6 ± 4,7, 40,3 ± 4,7 und 41,1 ± 3,4 und bei den mangelernährten Patienten bei 41,1 ± 3,5, 40,6 ± 4,5 und 40,2 ± 4,2 g/l (p = 0,54).

Die CRP-Spiegel der Studienpatienten bestätigten oft ein erhöhtes Inflammations-niveau bei den mangelernährten Patienten, wobei eine Signifikanz nur bei T3 statistisch nachweisbar war (Abb. 7).

Die Lymphozyten der normal ernährten Patienten waren im Vergleich zu den mangel-ernährten Patienten zu fast jedem Zeitpunkt signifikant höher. Die durchschnittliche

Lymphozytenzahl sank sogar an 6 Untersu-chungszeitpunkten < 20% bei den mangeler-nährten Patienten (Abb. 8).

Bezüglich des Knochenstoffwechsels wiesen beide Patientengruppen vergleich-bare Werte für Parathormon, Kalzium und Phosphat auf. Aufgrund des fehlenden Signi-fikanzniveaus wird auf die bildliche Darstel-lung verzichtet.

Diskussion

Immer mehr Studien zeigen, dass das Überleben von Dialysepatienten im Vergleich zu Nierengesunden nicht nur von den traditi-onellen kardiovaskulären Risikofaktoren wie z.B. Diabetes mellitus oder LDL-Cholesterin abhängt, sondern gerade nicht traditionelle Indikatoren berücksichtigt werden müssen. Innerhalb dieser nicht traditionellen Indika-toren stellt das MIA-Syndrom bei Dialyse-patienten ein nur in Anfängen verstandenes klinisches Krankheitsbild dar [3, 10]. Das Vorliegen von Protein-Malnutrition und Mi-kroinflammation sind entscheidende Deter-minanten für die Morbidität und Mortalität von Dialysepatienten [3, 4]. In der prospekti-ven und multizentrischen MIA-Studie wurde der Zusammenhang zwischen den Kompo-nenten Anämie, Malnutrition und Inflamma-tion sowie den klinischen und paraklinischen Parametern über 24 Monate untersucht. Das Patientenkollektiv umfasste 123 Hämodialy-sepatienten, 73 normal ernährte (SGA Score A) und 50 mangelernährte (SGA Score B und C) Patienten. Die Endpunktauswertung zeigte bei den mangelernährten Patienten eine 4-fach erhöhte Mortalität im Vergleich zu den normalernährten Patienten.

Anämie

Über den gesamten Studienverlauf gab es keine signifikanten Gruppenunterschiede im Hinblick auf die Hämoglobinwerte zwischen Normal- im Vergleich zu Mangelernährten. Dies war dadurch bedingt, dass die ange-strebten Hämoglobin-Zielwerte für beide Gruppen gleich waren und durch die Thera-pie auch erreicht wurden. Bezüglich der Do-sierung und der angewendeten Anämiethe-rapeutika DPA vs. EPO konnten ebenfalls

Abb. 5a. Darstellung der Hämoglobinwerte in der Gruppe der normalernährten Patienten der MIA-Studie.

Abb. 5b. Darstellung der Dosierungen von Eryth-ropoietin und Darbepoetin in der Gruppe der nor-malernährten Patienten der MIA-Studie.

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MIA-Syndrom und Überleben bei Hämodialysepatienten 173

keine Unterschiede zwischen ME und NE festgestellt werden, auch wenn bei einzelnen Patienten mit Mangelernährung eine höhe-re Dosierung von DPA bzw. EPO benötigt wurde. Unsere Daten bestätigten somit nicht den höheren Bedarf an Erythropoietin bzw. die Erythropoietinresistenz in der Malnutri-tion [16, 17], was womöglich mit den sehr gut eingestellten niereninsuffizienz-beding-ten Störungen des Säuren-Basen-Haushalts, des Kalzium-Phosphat-Stoffwechsels und des Eisenstoffwechsels zu tun haben könnte. Deren negative Effekte, insbesondere die der

metabolischen Azidose, wurden in unserer MIA-Studie sehr gering gehalten. Die höhe-ren Ferritin- und niedrigeren Transferrinkon-zentrationen bei den mangelernährten Pati-enten sind wahrscheinlich durch das erhöhte Inflammationsniveau verursacht. Die Ver-knüpfung zwischen dem Eisenstoffwechsel, der renalen Anämie mit dem MIA-Syndrom sind komplex und bedürfen weiterer Unter-suchungen.

Malnutrition

Entsprechend der Literatur sind etwa 20 – 30% der niereninsuffizienten Patienten be-reits vor Dialysebeginn mangelernährt, bei Dialysepatienten sind es je nach Untersu-chung bis zu 70% [8, 18]. Bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz kommt es zu komplexen Veränderungen des Stoffwech-sels [19]. Ursachen sind sowohl die Grunder-krankung mit ihren Begleit- und Folgeschä-den, als auch therapeutische Maßnahmen. Typische Besonderheiten sind dabei ein er-höhter Energieverbrauch, Aminosäuren- und Proteinverluste, metabolische Azidose, en-dokrine Störungen, Inflammation und Mal-nutrition. Häufig wird vergessen, dass die Niereninsuffizienz den Energieverbrauch um 8 – 16% erhöht [18]. Aminosäuren- und Pro-teinverluste entstehen vor allem durch die Nierenersatztherapie. Bei einer Hämodialyse gehen 5 – 18 g Aminosäuren verloren, bei ei-ner Peritonealdialyse 2 – 4 g [8]. Katabole Prozesse an Muskulatur und Knochen wer-den durch veränderte insulinähnliche Wachs-tumsfaktoren begünstigt [20, 21]. Auch eine ungenügend ausgeglichene metabolische Azidose führt langfristig zu einem katabolen Stoffwechsel mit einer deutlich reduzierten hepatischen Proteinsynthese (auch reduzier-te Synthese von anabolen insulinähnlichen Wachstumsfaktoren) und einem Verlust von Muskelmasse und Knochendichte [22]. Die metabolische Azidose wurde in unserer MIA-Studie exzellent therapiert, so dass kei-ne Unterschiede beim Serumalbumin verifi-zierbar wurden.

In der klinischen Routine gibt es bisher keinen idealen Frühindikator für eine Mal-nutrition. Das Serumalbumin ist ein starker Prädiktor für die Mortalität, fällt aber erst bei ausgeprägter Mangelernährung ab und ist

Abb. 5c. Darstellung der Hämoglobinwerte in der Gruppe der mangelernährten Patienten der MIA-Studie.

Abb. 5d. Darstellung der Dosierungen von Eryth-ropoietin und Darbepoetin in der Gruppe der man-gelernährten Patienten der MIA-Studie.

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außerdem ein sehr starker negativer Entzün-dungsmarker [23, 24]. Präalbumin und Insu-lin-like-growth-factor-1 (IGF-1) reagieren etwas früher [21, 25], werden aufgrund ihrer Bestimmungskosten aber nur selten berück-sichtigt. Aus klinischer und ökonomischer Sicht sind weiterhin die klinischen Ernäh-rungsscores zu präferieren [26].

Im Hinblick auf die Detektion von Pati-enten mit Malnutrition und erhöhtem kardio-vaskulärem Risiko erbrachte die Auswertung der in der Dialysepraxis üblichen Laborrou-tineparameter eine Reihe interessanter und klinisch verwertbarer Ergebnisse. Aus dem klinischen Routinelabor sind anhand unserer Daten das Transferrin und die Lymphozyten für die Diagnostik der Malnutrition als kos-tengünstige Marker zu empfehlen. Ähnlich wie auch in anderen Arbeiten [26, 27] publi-

ziert, ist der BMI nicht geeignet, eine Malnu-trition frühzeitig zu detektieren. Hier sollte die Berücksichtigung der Gewichtsabnahme im klinischen Verlauf ein wichtiger Hinweis auf eine Mangelernährung sein [11].

Inflammation

Dialysepatienten haben häufig eine aus-geprägte (Mikro-)Inflammation [3, 10, 24]. Diagnostisch wegweisend sind erhöhte CRP-Konzentrationen bei fehlender Infek-tion [4]. Erhöhte Spiegel von inflammato-rischen Zytokinen, wie z.B. Interleukin 6, korrelieren mit Muskelabbau und Gewichts-verlust bei Hämodialysepatienten und zeigen eine Inflammation früher als CRP an [28]. Die Verbindung zwischen Inflammation und Malnutrition bzw. Kachexie ist nicht nur bei Dialysepatienten bekannt, sondern kommt auch bei anderen chronischen Erkrankungen wie Herzinsuffizienz [29] und COPD [30] vor. In der terminalen Niereninsuffizienz sind die Zusammenhänge sicherlich analog kom-plex wie in anderen chronischen Erkrankun-gen [31], bedürfen aber noch weiterer Studi-en. Es ist bis heute nicht eindeutig geklärt, welche „Dosis-Wirkung-Beziehung“ zwi-schen Mikroinflammation und Malnutrition bei Dialysepatienten besteht. Des Weiteren sind die Einflüsse der zur Dialyse führenden Grunderkrankung (Diabetes, rheumatische Erkrankungen, etc.) sowie der notwendigen Medikation (z.B. Prednisolon) auf die Mik-roinflammation und den Ernährungsstatus zu bedenken. Obwohl in unserer Studie sämtli-che Grunderkrankungen und Medikamente erfasst wurden, waren die Gruppen zu klein, um hier z.B. Unterschiede zwischen Diabe-tikern und Nichtdiabetikern zu erkennen. Eine chronische Inflammation, nachweisbar durch dauerhaft erhöhte CRP-Konzentra-tionen, erhöht das kardiovaskuläre Risiko und die Mortalität bereits in der Prädialyse [32]. Es ist anzunehmen, dass das signifikant schlechtere Überleben der mangelernährten Patienten in unserer Studie auch durch die ausgeprägtere Mikroinflammation in dieser Gruppe bedingt ist. Insbesondere wäre es interessant zu wissen, ob eine antiinflammat-orische Behandlung, z.B. durch die Eliminie-rung von proinflammatorischen Zytokinen mittels spezieller Dialysemembranen, durch

Abb. 6. Ferritin- und Transferrinwerte in Abhän-gigkeit vom Ernährungsstatus bei den Patienten der MIA-Studie (*p < 0.05).

Abb. 7. CRP-Konzentrationen in Abhängigkeit vom Ernährungsstatus bei den Patienten der MIA-Studie (*p < 0.05).

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MIA-Syndrom und Überleben bei Hämodialysepatienten 175

pharmakologische Strategien oder durch eine Ernährungstherapie selbst möglich ist. Daher sollten unbedingt weitere prospekti-ve klinische Interventionsstudien folgen, um den Einfluss der Komponenten Malnutrition und Inflammation sowie deren therapeuti-sche Beeinflussung auf das Überleben von Dialysepatienten genauer zu differenzieren.

Fazit für die Praxis

Malnutrition und Inflammation sind im Hinblick auf die kardiovaskuläre Mortalität von Hämodialysepatienten bedeutsam und sollten in der Behandlung der Patienten be-achtet und dokumentiert werden. Für die Be-urteilung des Ernährungsstatus sind klinische Ernährungsscores, wie z.B. der SGA-Score, gut geeignet. Genauer, wenn auch zeitinten-siver, sind die regelmäßige Evaluation des Ernährungsstatus und die Bioimpedanzana-lyse. Routinelaborparameter wie Albumin, Transferrin und vor allem die Lymphozyten-zahl können auf eine Malnutrition hinwei-sen, sollten aber immer durch eine klinische Untersuchung ergänzt werden. Einmal mehr weisen unsere Daten auch auf die Bedeu-tung der möglichst optimalen Einstellung des Säuren-Basen-Haushalts für den Er-nährungsstatus hin. Die Inflammation kann durch Messung der CRP-Konzentrationen akzeptabel erfasst werden. Zusammenfas-send ist zu konstatieren, dass Patienten mit einem MIA-Syndrom als Risikopatienten einzustufen sind und einer intensiven klini-schen Überwachung und Behandlung bedür-fen.

Danksagung

Die Autoren danken der Firma AMGEN GmbH und explizit deren Mitarbeitern Frau Dr. Elke Schneider, Herrn Dr. Uwe Fraass und Herrn Dr. Andreas Henf für die tatkräf-tige Unterstützung bei der Durchführung der MIA-Studie. Für die Durchführung der Bioimpedanzmessungen und der statisti-schen Analysen sei an dieser Stelle der Fir-ma Fresenius Kabi und Frau Lijana Krause gedankt. Herrn Prof. Dr. Karl-Ernst Biebler sei für die statistische Auswertung gedankt. Für die Mithilfe beim Erfassen der Daten in den 4 Studienzentren bedanken wir uns bei Frau Nicole Röver, den Pflegeteams der teilnehmenden Zentren, Herrn Dr. Karlheinz Queck, Herrn Dr. Klaus Gräfner, Herrn Dr. Michael Alexander Rösch und Frau cand. med. Christina Blunk.

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Abb. 8. Lymphozytenverlauf im Differentialblut-bild bei den Patienten der MIA-Studie (**p < 0.01, *p < 0.05).

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Prof. Dr. med. P. JehleApl. Professor der Martin-Luther-Universität Halle-WittenbergEvangelisches Krankenhaus Paul Gerhardt StiftAkademisches Lehrkrankenhaus der Martin-Luther-Universität Halle-WittenbergKlinik für Innere Medizin IKfH Nierenzentrum WittenbergPaul-Gerhardt-Straße 42 – 45D-06886 Lutherstadt Wittenberge-mail: [email protected]