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Herausgeber PD Dr. med. Sören Eichhorst Praxishandbuch Strategisches Management im Krankenhaus www.ku-gesundheitsmanagement.de Leseprobe!

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Herausgeber PD Dr. med. Sören Eichhorst

Praxishandbuch Strategisches Management im Krankenhaus

www.ku-gesundheitsmanagement.de

Leseprobe!

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Praxishandbuch Strategisches Management im Krankenhaus

Herausgeber: PD Dr. med. Sören Eichhorst

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1. Auflage 2015

© 2015 Mediengruppe Oberfranken – Fachverlage GmbH & Co. KG, Kulmbach

Druck: Generál Nyomda Kft., H-6727 Szeged

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Vervielfältigung, Übersetzung, Mikroverfilmung und Einspeicherung und Verarbeitung in elektronische Systeme ist unzulässig und strafbar.

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Titelbild: © Olivier Le Moal – Fotolia.com

ISBN: 978-3-945695-45-6

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Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Geleitwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

Sören Eichhorst

Regionale Bedarfe planen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

Stefan Moder, Elke Uhrmann-Klingen und Sören Eichhorst

Kooperationen und Netzwerke strategisch planen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

Christian Schmidt

Medizinstrategie I: Stationäre Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

Christoph Sandler und Sören Eichhorst

Medizinstrategie II: Ambulante Versorgung im Krankenhaus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81

Karl Miserok und Benedikt Simon

Strategisches Personalmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

Christian Schmidt

Strategie freigemeinnütziger Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

Christian Utler und Arne Greiner

Strategie für private Träger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

Axel Paeger

Krankenhäuser umfassend restrukturieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165

Karsten Lafrenz

Krankenhausbau und -organisation strategisch planen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181

Hermine Szegedi

Medizintechnik strategisch einsetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

Gerhard M. Sontheimer

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Strategische Finanzierung im Krankenhaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Peter Krause

IT-Strategie für Krankenhäuser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Stefan Herm und Manuel Möller

Strategische Planung rechtlich absichern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 Bernd Halbe

Strategien praktisch umsetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 Sören Eichhorst und Karl Miserok

Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301

Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303

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Einleitung

Einleitung

Strategisches Management im Krankenhaus

Sören Eichhorst

In einem immer komplexer werdenden wirtschaftlichen, politischen und sozialen Um-feld nehmen auch die Herausforderungen für das Krankenhausmanagement ständig zu. Beispiele sind die häufige Anpassung politischer Rahmenbedingungen, die steigenden Erwartungen der Patienten sowie der wachsende Kostendruck – bei gleichzeitig zuneh-mendem Personal- und insbesondere Fachkräftemangel (Abbildung 1).

0

5

10

70

105

75

100

95

90

85

80

-19%

Index

Gesamt-förderung

201310080604022000

Krankenhausbudget- und KostenentwicklungIndexiert; 2000 = 100%

Entwicklung der Gesamtförderung, 2000 – 2013 Indexiert; 2000 = 100%

90

100

110

120

130

140

150

160

170

180

190

200

2000

Index

GKV-Budget

Material-kosten

Personal-kosten

20131008060402

3,3

3,1

5,2

CAGR2000 – 2013in Prozent

Abbildung 1: Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Krankenhäuser verschlechtern sich stetig. (Quellen: Statistisches Bundesamt, DKG, DKI, RWI)

Damit steigen zugleich die Anforderungen an die Managementfähigkeiten der Füh-rungskräfte im Krankenhaus. Diese Anforderungen werden bislang offenbar häufig noch nicht erfüllt. Darauf deuten zumindest etwa die relativ geringe Umsatzrendite und die hohe Ausfallwahrscheinlichkeit, vor allem der öffentlichen Häuser hin (Abbildung 2).

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49,5

29,4

50,5

70,6

87,412,6Privat

Freigemein-

nützig

Öffentlich 48,8

76,4

86,7

22,4

9,8 13,8

28,8

5,1

8,2

Ausfallwahrscheinlichkeit

Gering HochMittel≥0<0

Umsatzrendite

▪ Fehlender Zugang zum Eigenkapitalmarkt

▪ Geringere Kreditwürdigkeit auf Grund öffentlicher Verschuldung

▪ Lange Entscheidungswege auf Grund politischer Ein�ussnahme

Abbildung 2: Für öffentliche Häuser ist die Situation besonders schwierig. (Quellen: RWI Krankenhaus Rating Report, McKinsey)

Allerdings ist das deutsche System sehr anpassungsfähig. Wie Abbildung 3 veranschau-licht, hat die stationäre Fallzahl seit dem Jahr 2000 stark zugenommen, während gleich-zeitig die Verweildauer so sehr verkürzt wurde, dass sich die Zahl der Gesamtbelegungs-tage kaum verändert hat bzw. tendenziell sogar rückläufig ist. Dies belegt die grundsätzliche Fähigkeit, Kosten- und Erlöspotenziale auszuschöpfen.

Abbildung 3: Trotz stark steigender Fallzahlen sinkt die Bettenzahl aufgrund deutlich verkürzter Verweildau-er. (Quellen: Statistisches Bundesamt, McKinsey)

75

80

85

90

95

100

105

110

2000 2013

Auslastung

0604

Belegungstage

02

Fallzahl

Verweildauer

10

Betten

Krankenhäuser

1208

Kennzahlen der Krankenhäuser, 2000 – 13 indexiert, 2000 = 100%

CAGR,2000 – 13

-0,9

-1,3

-2,0

-0,9

2000

2.242

167.778.805

9,7

559.651

81,9 %

17.262.929

2013

1.996

141.339.992

7,5

500.671

77,3 %

18.787.168 0,7

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Einleitung

Auch im internationalen Vergleich sind deutsche Krankenhäuser gut aufgestellt. Sie ge-nießen im Ausland ein hohes Ansehen und ihre Expertise wird stark nachgefragt. Vor diesem Hintergrund erwägen einige deutsche Träger – private, öffentliche und freige-meinützige – eine internationale Expansion oder sind sogar schon im Ausland entweder im Kerngeschäft oder beratend tätig.

Als Folge der neuen Herausforderungen erleben wir zudem eine spürbare Professionali-sierung im Krankenhausmanagement, deren positive Auswirkungen allenthalben sicht-bar sind. Darüber hinaus bedarf es jedoch einer stärkeren strategischen Orientierung des Managements, um die Herausforderungen zu bewältigen. Im Kern geht es dabei um zwei Fragen:

• Wie werden sich Fallzahlen, Verweildauer und andere quantitative Kernparameter auf Grund medizinisch-technischer, demografischer und politisch-sozialer Veränderungen entwickeln – und was kann daraus für das heutige Handeln abgeleitet werden?

• Wie werden sich qualitative Faktoren künftig entwickeln – und welche Auswirkungen haben diese auf die operative Managementtätigkeit. Anders gefragt: Wie sieht das Krankenhaus der Zukunft aus, und was folgt daraus schon heute?

Beim strategischen Management geht es also nicht um abstrakte Zukunftsthemen, son-dern um konkrete Handlungsempfehlungen für das tägliche operative Management auf der Grundlage aller verfügbaren Daten und Fakten. Exemplarisch sei hier die regiona-le Bedarfsplanung und deren Umsetzung in konkretes Handeln genannt (siehe Beitrag „Regionale Bedarfe planen“).

Abbildung 4 illustriert diese Aufgabe an einem Beispiel: Eine Medizinstrategie reflek-tiert unter anderem die strategische Fallzahlplanung und berücksichtigt hierbei die de-mografische Prognose sowie die relevanten medizinisch-technischen Trends (die z. B. die Ambulantisierung beeinflussen). In der Gesamtsicht von Medizinstrategie, aktueller Leistungsfähigkeit und weiterer Inputfaktoren lassen sich dann operative Empfehlungen ableiten.

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Demogra�e und Prävalenz

Eigene Ausgangs-position

Markt und Wettbewerb

Medizinstrategie

Entwicklungen im Kranken-hausmarkt

Leistungsportfolio im Vergleich zum Markt/Wettbewerb

Wettbewerbsumfeld

Wettbewerberpro�le

Bevölkerungs- und Altersprognosen für die Region

Fallzahlentwicklung in der Region

Trends (stationär und ambulant)

Eingehende Betrachtung des Leistungsportfolios

Analyse des Einzugsgebiets nach Einweisern und Patienten

Marktausschöpfung auf Standort-, Fachabteilungs-und DRG-Ebene

Leistungsfähigkeit nach CM, CMI, FZ, VWD, Auslastung, Produktivität je Haus und Fachabteilung

#1

Abbildung 4: Eine Medizinstrategie muss den Markt und die Demografie, aber auch eigene Stärken und Schwächen berücksichtigen. (Quelle: McKinsey)

Ein zentraler Erfolgsfaktor der strategischen Krankenhausführung besteht darin, früh-zeitig neue Entwicklungen zu erkennen und zu berücksichtigen. Heute sind es vor allem sechs Entwicklungen oder Trends, die für die Zukunft der Krankenhäuser bestimmend sein dürften:

1. Krankenhäuser erschließen Kosten-, Erlös- und Qualitätspotenziale konsequenter als bisher – vor allem im primär-medizinischen Bereich.

2. Das „Patientenerlebnis“ wird zu einem zentralen Faktor.3. Die Ergebnisqualität beeinflusst entscheidend die Krankenhausauswahl und wird auch

die Vergütung verändern.4. Die Gesundheitswirtschaft konvergiert – Krankenhäuser und andere Leistungserbrin-

ger, Kostenträger, Medizintechnik- und Pharmaindustrie rücken enger zusammen.5. Neue Technologien wie digitale Lösungen und Big Data steigern den Mehrwert im

Krankenhaus stärker als bisher.6. Strukturell neue Lösungen werden die Krankenhäuser verändern und formen.

Diese sechs Trends gilt es, unter einem internationalen Blickwinkel zu betrachten, denn sie sind im deutschen Krankenhaussystem teils (noch) nicht voll ausgeprägt.

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Einleitung

Trend 1: Krankenhäuser erschließen Kosten-, Erlös- und Qualitäts- potenziale konsequenter als bisher – vor allem im primärmedizinischen Bereich

Der Krankenhausmarkt ist mit rund 90 Milliarden Euro Umsatz ein bedeutender Sektor der Gesundheitswirtschaft in Deutschland. Er ist unter anderem geprägt von einer sich stetig weiter öffnenden Kosten-Erlös-Schere, von unzureichender Investitionsfinanzie-rung, Personalmangel hinsichtlich der Zahl der Beschäftigten und deren relevante Qua-lifikation, Fehlallokationen beim Einsatz des Personals, Defizite in der Kommunikation zwischen den verschiedenen Berufsgruppen im Krankenhaus und – daraus folgend – der unzureichenden Gestaltung wichtiger Schnittstellen sowohl innerhalb des primären me-dizinischen Bereichs als auch zwischen stationärem und ambulantem Sektor.

Viele dieser Probleme haben mit mangelnder Umsetzung zu tun und betreffen den bis-her nicht ausreichend untersuchten primär-medizinischen Bereich in den Krankenhäu-sern sowie die Schnittstelle zwischen ambulantem und stationärem Sektor. Hier können erfolgsorientierte Krankenhäuser erhebliche Potenziale erschließen, und zwar mit Blick sowohl auf die Qualität als auch auf die Kosten (geschätztes Einsparpotenzial von 10 bis 20 Prozent).

Um diese Verbindung von Medizin und Wirtschaftlichkeit zu optimieren, gilt es zunächst medizinische Prozesse in wirtschaftliche Kennzahlen zu übersetzen. Beispiele dafür sind:

1. Die Überführung einer neuen Medizinstrategie in konkrete wirtschaftliche Parameter, wie beispielsweise benötigte Betten- und Personalkapazität, Kosten oder Erlöse

2. Die wirtschaftliche Bewertung (z. B. anhand von Return on Investment, Deckungsbei-trag oder Kostenpotenzialen) von Qualitäts- und Prozessoptimierungsmaßnahmen, also etwa die Erhöhung der Prozesssicherheit durch Einführung von Verfahrensanwei-sungen (Standard Operating Procedures) und klinischen Behandlungspfaden, Verbes-serung der medizinischen Ergebnisqualität, Erhöhung der Medikamentensicherheit, Sicherstellung der Aktualität des Wissens von Ärzten und des Pflegepersonal durch Trainings

3. Die Entwicklung eines belastbaren Konzepts einschließlich eines Businessplans für die Optimierung der Schnittstelle zwischen Krankenhaus und ambulantem Sektor

Die Kostenseite wird entscheidend durch demografische Entwicklungen sowie Verän-derungen im Krankheitsspektrum beeinflusst. So werden auf Grund des weltweiten An-stiegs der Lebenserwartung und der entsprechenden Alterung der Populationen mehr

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Krankenhausleistungen in Anspruch genommen. Schätzungen gehen davon aus, dass z. B. in den USA schon 2030 ein etwa um die Hälfte höherer Bedarf an Krankenhaus-betten bestehen wird als heute. Allerdings sind derartige Prognosen nicht unumstritten: Durch effektivere Behandlungen kommt es zu einer Verkürzung der Behandlungsdauer, was den Bedarf an Krankenhausbetten wiederum reduzieren könnte. Sicher ist allerdings, dass sich in alternden Populationen die Krankheitsspektren verändern. Insbesondere ist mit einer steigenden Zahl von Tumoren, Hüftfrakturen, Schlaganfällen und Demenz zu rechnen. Auch die Multimorbidität und chronische Erkrankungen werden zunehmen, was wiederum die Fallzahlen erhöht.

Trend 2: Das Patientenerlebnis wird zu einem zentralen Faktor

„Der Patient steht im Mittelpunkt“ – diese Aussage findet sich so oder in abgewan-delter Form wohl in den meisten Krankenhausleitbildern. Für Qualität und Kosten der Leistungserbringung sind, wie jeder erfahrene Krankenhausmanager weiß, drei Faktoren ausschlaggebend: die Motivation aller Mitarbeiter, die Organisation des klinischen Kern-prozesses und die im Klinikalltag umgesetzten Innovationen. Tatsächlich aber kreisen Veränderungen im Krankenhaus in aller Regel um Vergütungsmodalitäten bei stationä-ren Leistungen, um Organisationsstrukturen, um den Einkauf oder auch die Optimie-rung des Informationsflusses an Mitarbeiter und Patienten.

Im Kontext eines wachsenden Gesundheitsbewusstseins der Menschen gewinnen auch die Themen Prävention und Prophylaxe sowie Selbstmedikation zunehmend an Bedeu-tung. Eine immer bessere Verfügbarkeit von Informationen, nicht zuletzt durch das In-ternet, erweitert das allgemeine medizinische Wissen und stärkt den mündigen Patien-ten. Mitunter wissen Patienten und insbesondere chronisch Kranke heute mehr über ihre Krankheiten und Behandlungsmöglichkeiten als die zuständigen Ärzte. Die Folge sind gestiegene Ansprüche, die es im Behandlungsprozess zu berücksichtigen gilt.

Das Patientenerlebnis – abgeleitet vom Englischen „patient experience“ – umfasst die gesamte Wahrnehmung des Krankenhausaufenthalts, die Meinungen und Wünsche sowie die Rechte der Patienten. Das Patientenerlebnis rückt immer stärker in den Mit-telpunkt der Gesundheitswirtschaft, weil es, neben der Ergebnisqualität, das zentrale Element ist, das einen Krankenhausaufenthalt prägt (Abbildung 5).

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Einleitung

Versorgung

▪ Gute klinische Ergebnissen und effektive Versorgung

▪ Hohe Patientensicherheit

▪ Integrierte Organisationsstrategie (einschließlich Leistungsmessung und -steigerung)

Klinische Versorgungs-qualität

▪ Positive Wahrnehmung der Versorgungdurch den Patienten

▪ Ganzheitliche Philosophie patienten-orientierter Versorgung

Patienten-erlebnis

Ziele

Abbildung 5: Hauptelemente der Versorgung sind klinische Qualität und Patientenerlebnis. (Quelle: McKinsey)

Das Konzept des Patientenerlebnisses signalisiert eine verstärkte Orientierung an den Wünschen und Bedürfnissen der Patienten, einen zunehmenden gesetzlichen oder an-derweitigen Schutz der Patientenrechte, aber auch eine immer bessere Patienteninfor-mation und -anleitung. Nun gilt es, das klinische Angebot an diese neue Situation anzu-passen – auch vor dem Hintergrund des schärfer werdenden Wettbewerbs um Patienten. Denn das Patientenerlebnis trägt wesentlich zur Auswahl des Krankenhauses bei, wie eine McKinsey-Befragung ergab (Abbildung 6).

Abbildung 6: Das Patientenerlebnis hat starken Einfluss auf die Wahl des Krankenhauses. (Quelle: McKin-sey)

Würden Sie sich für ein Krankenhaus entscheiden, das ein besonders gutes Patientenerlebnis bietet, aber bei allen anderen Faktoren sich nicht vonanderen Krankenhäusern unterscheidet?

Reputation des Krankenhauses

Entscheidungdes Arztes

Standort 18

21

20

41Patienten-erlebnis

Faktoren, die die Wahl des Krankenhauses beein�ussen

Weiß nicht 44

56 Ja

Ergebnisse einer McKinsey-Umfrage unter >2.000 Patienten mit freier Krankenhauswahl und >100 Ärtzen in den USA im Jahr 2013, in Prozent

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Ziel eines strategischen Krankenhausmanagements muss es sein, neue Patientengrup-pen zu erschließen und auch langfristig an die Klinik zu binden, also die Loyalität der Patienten zu stärken. Dabei geht das Patientenerlebnis deutlich über die Patientenzu-friedenheit hinaus. Während Letztere vor allem darauf abzielt, den Patienten innerhalb des bestehenden Systems so weit wie möglich zufriedenzustellen und z. B. Qualitätsma-nagementinstrumente auf das gegenwärtige operative Geschehen anzuwenden, geht das Konzept des Patientenerlebnisses deutlich darüber hinaus: Hierbei handelt es sich um eine umfassende operative Philosophie, die auf das gesamte Erleben des Patienten im Behandlungsprozess abstellt (Abbildung 7).

Patientenzufriedenheit

▪ Nutzt zusätzliche Tools, Richtlinien oder Kenn-zahlen

▪ Knüpft an bestehende operative Praxis an

▪ Ermittelt Zufriedenheit des Patienten mit einer bestimmten Interaktion mit dem System

▪ Basiert auf einer ganzheitlichen operativen Philosophie

▪ Zielt auf ein positives Erlebnis während der gesamten „Beziehung“ des Patienten mit dem System ab

▪ Wägt alle Anforderungen an das System sorgfältig ab (z.B. �nanzielle Einschränkungen Interessengruppen auf regulatorischer und auf Kostenträgerseite, Einstellungen des P�egepersonals)

▪ Setzt sich zusammen aus den physischen, verhaltensrelevanten und operativen Elementender Versorgung

Patientenerlebnis

Abbildung 7: Das Patientenerlebnis umfasst weit mehr als die Patientenzufriedenheit. (Quelle: McKinsey)

Das Patientenerleben wird durch drei Faktoren beeinflusst:

• Den „Rahmen“, also die klinische Ergebnisqualität, die Prozesse und Abläufe, die Gebäudeinfrastruktur etc.

• Die Wahrnehmung der Situation, also die Kommunikation im Krankenhaus, Wartezei-ten, der Mehrwert der Serviceprozesse etc.

• Die Patientenpräferenzen, also persönliche Anforderungen, private Umgebung, Ent-scheidungsprozesse etc.

Die zunehmende Patientenorientierung der Krankenhäuser kann bereits heute operative Konsequenzen haben. So bevorzugen die meisten Patienten inzwischen Ein- und Zwei-Bett-Zimmer. Die Vorteile liegen auf der Hand: Man ist individueller untergebracht, die

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Einleitung

Infektionsraten sinken potenziell, es ist mehr Platz für Familienangehörige und auch das Pflegepersonal hat mehr Raum zur Verrichtung seiner Arbeit. Doch dieser Wunsch kann in den bestehenden Kapazitäten nicht immer erfüllt werden. In den USA, den nordischen Ländern oder auch in Spanien hingegen sind Ein-Bett-Zimmer bei neuen Akutkranken-häusern bereits Standard.

Neben medizinischer und pflegerischer Qualität kommt es ebenso auf Faktoren wie hohe Mitarbeitermotivation, ökologische Reputation und auch ästhetische Aspekte an. Wei-tere Kriterien für die Krankenhauswahl sind Barrierefreiheit und Zugangsmöglichkeiten zum Krankenhaus, Ausschilderung und Patientenführung im Haus, Außenflächen zur Erholung sowie Freizeitmöglichkeiten, Medien- und Internetnutzung. Zum „Wohlfühler-lebnis“ im Krankenhaus tragen ferner niedrige Schallpegel, ein warmes, zweckmäßiges Lichtdesign und auch angenehme Gerüche bei.

Generell reicht aber ein Fokus auf wenige Felder aus, um das Patientenerlebnis spürbar zu verbessern. So konnten etwa amerikanische Kliniken eine nahezu optimale Empfeh-lungsquote erzielen, indem sie ganz vorrangig bei der pflegerischen Kommunikation, der Nachsorge und im Schmerzmanagement ansetzten (Abbildung 8).

Abbildung 8: Einige Faktoren beeinflussen die Weiterempfehlungsrate besonders stark. (Quelle: McKinsey)

Daten aller Krankenhäuser in den USA, Weiterempfehlungswerte indexiert auf niedrigsten Wert (Einrichtungen)

FaktorenEin�uss auf die Weiterempfehlung

Indem man nur die Faktoren mit dem höchsten Ein�uss verbessert (vom Durchschnitt hin zu Best Practice), kann fast das Best-Practice-Niveau erreicht werden

Weiterempfehlung

VerbesserteEmpfehlungs-rate

81%

Effekt einer Verbesserungder wichtigsten Faktoren

13%

NationalerDurchschnitt

68%

Best-Practice-Empfehlungs-rate

85%

0

0

1

2

10

15

15Kommunikation mitP�egepersonal

Einrichtung

Erläuterung der Medikation

Geräuschpegel

Schmerzmanagement

Kommunikation mit Ärzten

Nachsorge

15-mal höhererEffekt als „Einrichtung“

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Grundsätzlich sollte die Optimierung des Patientenerlebnisses in das strategische Ge-samtkonzept und die bereits formulierten strategischen Ziele eingebettet werden. Wie dies aussehen könnte, zeigt beispielhaft Abbildung 9.

Mögliche ErgebnisseMögliche Ziele Implikationen für den Ansatz

Bessere Erfüllung des sozialen Auftrags

▪ Gesündere und zufriedenere Patienten und Angehörige

▪ Verbesserung jener Elemente des Systems mit den größten De�ziten/dem größten Bedarf, um eine gleich-wertige Versorgung zu sichern

Steigerung der Versorgungsqualität

▪ Verbesserung der klinischen Ergebnisse ▪ Fokus auf die Elemente des Patienten-erlebnisses mit dem höchsten Ein�uss auf die Wahrnehmung der Versorgungsqualität durch den Patienten

Steigerung der Bekanntheit und Verbesserung der Wahrnehmung

▪ Auszeichnungen und Anerkennung für hervorragende Versorgung

▪ Konzentration auf die Angebote, die am leichtesten zu „vermarkten“ sind (z.B. Exzellenzzentrum)

Steigerung des Marktanteils/höheres Wachstum

▪ Patienten wechseln von Wettbewerbern ▪ Höhere Zusatzleistungen

▪ Konzentration auf die Akteure mit dem höchsten Ein�uss auf das Gesamt-volumen (z.B. Hausärzte)

Steigerung des durchschnittlichen Umsatzes pro Inter-aktion mit Patienten

▪ Höherer Anteil versicherter Patienten▪ Mehr Patienten in klinischen Bereichen mit

hohen Margen

▪ Gezielte Ausrichtung auf besonders hochwertige klinische Bereiche/Patien-tensegmente, um ein herausragendes Patientenerlebnis bieten zu können

Abbildung 9: Die mit dem Patientenerlebnis verbundenen Ziele orientieren sich an der Gesamtstrategie des Krankenhauses (Quelle: McKinsey)

Trend 3: Die Ergebnisqualität beeinflusst entscheidend die Krankenhausauswahl und wird auch die Vergütung verändern

In Deutschland wird zwar seit Jahren über die medizinische Ergebnisqualität diskutiert, doch bewegt hat sich wenig. Das dürfte sich in den kommenden Jahren ändern. Dann werden sicher auch hierzulande Modelle wie „Pay for Performance (P4P)“ umgesetzt.

Bisher jedoch klaffen Qualitätsansprüche und klinische Realität in Deutschland noch deutlich auseinander:

Es besteht allgemein Einigkeit, dass ein Patienten-orientierter Ansatz wünschenswert wäre – in der Realität ist jedoch das Krankenhaus mit den Prozessen für Ärzte und Pfle-gekräfte optimiert.

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Einleitung

In einem so personalintensiven Bereich wie im Krankenhaus sollte ein intensiver Aus-tausch aller Mitarbeiter stattfinden – tatsächlich zeigen quantitative Netzwerkanalysen in mehreren Krankenhäusern aber eine deutlich schlechtere Kommunikation als in Indus-trieunternehmen. Das gilt besonders für die Kommunikation zwischen den verschiede-nen Berufsgruppen.

Eine flächendeckende integrierte Versorgung könnte die Ergebnisqualität deutlich ver-bessern – doch das deutsche System ist immer noch nicht auf eine Optimierung der Schnittstellen zwischen ambulantem und stationärem Sektor ausgerichtet.

Eigentlich sollten in einem hochentwickelten Industrieland wie Deutschland überall ähn-liche Qualitätsstandards z. B. hinsichtlich der postoperativen Wundinfektion nach Tota-lendoprothesen gelten – tatsächlich zeigen sich noch große Unterschiede, die nicht durch unterschiedliche Fallschwere zu erklären sind. Eine Ursache dafür ist möglicherweise das Fehlen flächendeckend etablierter und ergebnisorientierter Qualitätsinitiativen.

Hierbei spielen neben der Ergebnisqualität im engeren Sinn auch die Struktur- und Pro-zessqualität eine wichtige Rolle. Denn ohne bessere Strukturen und Prozesse gibt es auch keine besseren medizinischen Ergebnisse. Doch während die Messung der Struktur- und Prozessqualität schon ganz gut gelingt, ist dies für die medizinischen Ergebnisse oft noch nicht der Fall, da die Qualitätserfassung nicht umfassend genug und die Datentrans-parenz oft ungenügend ist. Außerdem sind allgemein verfügbare Qualitätsberichte bei Patienten zu wenig bekannt. Immerhin gibt es beispielhafte Vorhaben wie die Initiative Qualitätsmedizin, die auf Transparenz durch Routinedaten und Qualitätsverbesserung auf Basis von Best-Practice-Ansätzen und Peer Reviews basiert – die in Deutschland obligatorisch zu veröffentlichenden Qualitätsberichte geben darüber allenfalls in Teilbe-reichen Aufschluss. Das neu gegründete Qualitätsinstitut IQTiG wird sich diesem Thema annehmen, hat aber seine Arbeit gerade erst aufgenommen.

Nähert man sich dem Thema Ergebnisqualität dagegen mit internationaler Perspektive, sieht man verschiedene Versuche, qualitätsorientierte Versorgung durch monetäre An-reizsysteme zu stärken und spezifisch zu inzentivieren. So werden unter dem Stichwort „Pay for Performance (P4P)“ Methoden zusammengefasst, die finanzielle Anreize für Qualität setzen und sich hierbei am Qualitätsergebnis des Krankenhauses orientieren. Mehrere europäische Länder testen diese Lösungen intensiv, allein im britischen NHS laufen mehrere Projekte.

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Voraussetzungen für die Einführung von P4P sind:

• Die verbindliche und allgemein akzeptierte Definition von Qualitätsindikatoren • Die einheitliche Erfassung von benötigten Daten • Die Schaffung der benötigten IT-Infrastruktur • Die Abbildung von Qualitätsdaten in einer Vergütungslogik, um medizinische Leis-

tung in Abhängigkeit von der dokumentierten medizinischen Qualität zu vergüten • Die Transparenz der Daten, um den Patienten eine qualitätsorientierte Auswahl der

Leistungen zu ermöglichen

Darüber hinaus ist qualitätsabhängige Vergütung insbesondere in den USA bereits ein Mittel, um finanzielle Risiken zu teilen. Es gibt hier unterschiedlich Beispiele, von P4P mit einem Bonus (z. B. Blue Cross Blue Shield of Minnesota), P4P mit Bonus und Malus (z. B. Blue Cross Blue Shield of Illinois) oder P4P über globale Budgets abgebildet (z. B. Blue Cross Blue Shield of Massachusetts). Parallel werden P4P-Ansätze auch im Medizintech-nik- und Pharmabereich verwendet – als „Pay for Cure“. Hierbei wird die Vergütung direkt an die Wirksamkeit geknüpft. Beispielsweise hat Roche in Großbritannien eine hundertprozentige Kostenerstattung bei Nichterreichung definierter Zielwerte etabliert.

In Deutschland dürfte die Entwicklung ebenfalls in diese Richtung gehen, auch wenn sicher weiterhin Kritik geübt wird – im Hinblick auf die eingeschränkte Messbarkeit der Qualität, die begrenzte Zurechenbarkeit und auch verschiedene Koordinationsprobleme. Die konkrete Ausgestaltung ist noch nicht im Detail absehbar und es sind noch verschie-dene Themen zu klären: u.a. die Vertragsform (kollektiv vs. selektiv), die Datenerhebung (Routinedaten vs. Zusatzerhebungen) und die konkrete operative Ausgestaltung (Fokus auf Bonussystem, konkret wirksamer Vergütungsanteil etc.). In jedem Fall aber sollten strategische Krankenhausmanager alle diesbezüglichen Entwicklungen genau im Auge behalten, denn steigende Qualität kann durch ein höheres Reputationsniveau und best-mögliche Prozesse auch die Kosten-Erlös-Spirale im deutschen System durchbrechen.