Praktikum f ur Fortgeschrittene ... · Ein weiteres Verfahren zur Herstellung von TEM-Proben ist...

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Praktikum f¨ ur Fortgeschrittene Transmissionselektronenmikroskopie (TEM) org Schmauch 28. M¨ arz 2017 1 Einf¨ uhrung ochte man eine niedrigere Aufl¨ osungsgrenze d min als in einem Lichtmikroskop erreichen, so muss man die Wellenl¨ ange λ der verwendeten Strahlung verkleinern. Nach Helmholtz gilt f¨ ur den kleinsten trennbaren Abstand d min zweier selbstleuch- tender Objektpunkte die Beziehung [Bergmann-Sch¨ afer]: d min =0, 6 λ n · sin α (1) mit der numerischen Apertur n·sinα. Bei einem Lichtmikroskop liegt mit n·sin α = 1, 4 der kleinste Abstand d min bei λ/2, d.h. f¨ ur sichtbares Licht gilt d min = 200 nm. Verwendet man statt Lichtstrahlen Elektronenstrahlen zur Abbildung, so kann man eine sehr viel bessere Aufl¨ osung erreichen. Die Wellenl¨ ange von Elektronen einer bestimmten Energie kann nach de Broglie berechnet werden. λ = h p (2) h: Plancksches Wirkungsquantum p: Impuls der Elektronen Mit p = m · v und dem relativistischen Energiesatz erh¨ alt man f¨ ur ein Elektron, das die Beschleunigungsspannung U A durchlaufen hat: λ = h r 2 m 0 · eU A 1+ eU A 2 m 0 c 2 (3) m 0 : Ruhemasse eines Elektrons c: Lichtgeschwindigkeit e: Elementarladung eines Elektrons 1

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Praktikum fur FortgeschritteneTransmissionselektronenmikroskopie

(TEM)

Jorg Schmauch

28. Marz 2017

1 Einfuhrung

Mochte man eine niedrigere Auflosungsgrenze dmin als in einem Lichtmikroskoperreichen, so muss man die Wellenlange λ der verwendeten Strahlung verkleinern.Nach Helmholtz gilt fur den kleinsten trennbaren Abstand dmin zweier selbstleuch-tender Objektpunkte die Beziehung [Bergmann-Schafer]:

dmin = 0, 6λ

n · sinα(1)

mit der numerischen Apertur n·sinα. Bei einem Lichtmikroskop liegt mit n·sin α =1, 4 der kleinste Abstand dmin bei λ/2, d.h. fur sichtbares Licht gilt dmin = 200 nm.Verwendet man statt Lichtstrahlen Elektronenstrahlen zur Abbildung, so kannman eine sehr viel bessere Auflosung erreichen. Die Wellenlange von Elektroneneiner bestimmten Energie kann nach de Broglie berechnet werden.

λ =h

p(2)

h: Plancksches Wirkungsquantum p: Impuls der Elektronen

Mit p = m · v und dem relativistischen Energiesatz erhalt man fur ein Elektron,das die Beschleunigungsspannung UA durchlaufen hat:

λ =h√

2m0 · eUA

(1 + eUA

2m0 c2

) (3)

m0: Ruhemasse eines Elektrons c: Lichtgeschwindigkeit e: Elementarladung einesElektrons

1

Fur eine heute ubliche Beschleunigungsspannung von 200kV erhalt man

λ200kV = 2, 51pm. (4)

Da die Auflosungsgrenze in der Großenordnung der Wellenlange der verwendetenStrahlung liegt, sollte mit einem Elektronenmikroskop subatomare Auflosung - dietypischen atomaren Abstande in Festkorpern liegen in der Großenordnung von ei-nigen A(= 0, 1nm) - moglich sein. Ruska (Nobelpreis 1986) begann in den dreißigerJahren mit der Entwicklung eines Elektronenmikroskops, bei dem das Objekt mitElektronenstrahlen durchstrahlt wird, einem so genannten Transmissionselektro-nenmikroskop (TEM).

2 Aufbau

Der Aufbau eines TEM ist dem eines Lichtmikroskops ahnlich (Abb. 1): Neben

B e l e u c h t u n g s q u e l l e

W e l l e n l ä n g e

L i n s e n s y s t e m L S

P R O B E

L SL i n s e n s y s t e m

B I L DB i l d a u s w e r t u n g

L I M I T E M

L a m p e

G l a s m a g n . L i n s e n

4 0 0 - 8 0 0 n m

e l e k t r o n e n -

t r a n s p a r e n t

d u r c h s t r a h l b a r

( D u r c h l i c h t )

n i c h t d u r c h s t r a h l b a r

( A u f l i c h t )

A u f l ö s u n g : A u f l ö s u n g :

E l e k t r o n e n s t r a h l -

k a n o n e

l l ( U )=

lL i c h t

l1 0 0

P u n k t 0 , 3 n m

S t r i c h 0 , 2 n m

Abbildung 1: Vergleich LIMI - TEM

der hoheren erreichbaren Auflosung ist der großte Unterschied des TEM zumLIMI, dass die Probe elektronentransparent sein muss, d.h. es werden hochsteAnforderungen an die Probenpraparation gestellt (Probendicke < 100nm). Denschematischen Strahlengang in einem TEM zeigt Abb. 2.

2

2 . Z w i s c h e n b i l d

P r o j e k t i v l i n s e

Z w i s c h e n l i n s e

O b j e k t i v l i n s e

1 . Z w i s c h e n b i l d

B e u g u n g s b i l d

O b j e k t

2 . K o n d e n s o r l i n s e

1 . K o n d e n s o r l i n s e

B i l d

E l e k t r o n e n q u e l l e

K o n t r a s t b l e n d e

Abbildung 2: Strahlengang in einem TEM

3 Elektronenoptische Bauelemente

3.1 Elektronenquellen

Man verwendet in der TEM zwei nach unterschiedlichen Mechanismen funktionie-rende Elektronenquellen: die thermische Elektronenquelle und die Feldemissions-quelle. Das Triodensystem der thermischen Elektronenquelle (Abb. 3) besteht ausKathode, Wehneltzylinder und Anode. Die aus der Kathode (Wolfram-Haarnadel-Kathode, LaB6-Kathode) austretenden Elektronen werden durch den gegenuberder Kathode auf einem negativen Potential liegenden Wehneltzylinder zur opti-schen Achse hin umgelenkt. Es entsteht der so genannte Cross-over, welcher alsreale Quelle des Elektronenstrahls betrachtet werden muss. Die Elektronen werdendann durch das von der Anode erzeugte elektrische Feld abgesaugt und beschleu-nigt.

Bei der Feldemissionsquelle (Abb. 4) werden durch eine Extrakterelektrode(gegenuber der Kathode auf positivem Potential) aus der Oberflache einer Spit-zenkathode Elektronen herausgelost und durch die Anode weiter beschleunigt.

3.2 Magnetische Rundlinsen

Heute werden in der Elektronenmikroskopie ausschließlich magnetische Linsenverwendet. Magnetische Linsen sind Spulen, die mit einem geeignet geform-

3

Abbildung 3: Thermische Elektronenquelle [1]

ten Polschuh versehen sind. Ihr prinzipieller Aufbau ist in Abb. 5 dargestellt.Elektronen, die durch die Spulenoffnung schießen, werden mit der Lorentzkraft

~k = −e[~v × ~B] (5)

v=Elektronengeschwindigkeit B=magn. Kraftflussdichte

abgelenkt, d.h. senkrecht zur momentanen Bahngeschwindigkeit und senkrecht zuB. Durch die Kraft k wird das Elektron aus der achsenparallelen Richtung auf eineSchraubenbahn gezwungen, wobei die Schraubenachse die optische Achse ist, unddurch die starke Inhomogenitat des Magnetfeldes zur optischen Achse hin abge-lenkt. Die Spule ubt also eine Wirkung auf die Elektronenstrahlen aus, die mit derbrechenden Kraft einer Glaslinse vergleichbar ist (Abb. 6)

3.3 Bilderfassung

Wahrend fruher die Bilderfassung mittels Photoplatten erfolgte, werden heute zudiesem Zweck so genannte Slow-scan CCD-Kameras verwendet. Zur Anwendungvon Slow-scan CCD-Kameras am Elektronenmikroskop muss das Elektronenbildmittels eines Szintillators in eine Photonenverteilung umgewandelt werden (Abb.7). Diese wird durch eine geeignete Optik auf den lichtempfindlichen CCD-Chipubertragen.

4

Abbildung 4: Aufbau einer Feldemissionskathode [1]

Abbildung 5: Magnetische Linsen [1]

5

Abbildung 6: Linsen in Licht- und Elektronenoptik [2]

S t r e u b i r n eR e f l e x i o n s s c h i c h t

E l e k t r o n

S z i n t i l l a t o r

S z i n t i l l a t o r -

f a s e r o p t i k

E i n g a n g s f a s e r o p t i k

C C D - C h i p

Abbildung 7: Slow-scan CCD Kamera

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4 Linsenfehler, optimale Auflosung im TEM

Wie in der Lichtoptik werden Bildqualitat und Auflosungsvermogen von Linsen-fehlern beeinflusst und wie in der Lichtoptik treten insbesondere die folgendenLinsenfehler auf:

1. spharische Aberration

2. chromatische Aberration

3. Astigmatismus

4. Beugungsfehler

4.1 Die spharische Aberration

Randstrahlen werden mit geringerer Brennweite fokussiert als achsennahe Strahlen(Abb. 8). Fur Strahlen in verschiedenen Abstanden von der optischen Achse erhalt

Abbildung 8: Spharische Aberration

man verschiedene Brennpunkte und somit keine scharfe Abbildung. Es entsteht einBrennkreis mit einem Durchmesser ds.

ds = cs · α3 (6)

α: Aperturwinkel cs: Konstante der spharischen Aberration

4.2 Die chromatische Aberration

Abb. 9 zeigt die Auswirkung der chromatischen Aberration. Ein chromatischerFehler kann verursacht werden durch Fluktuationen der Beschleunigungsspannung

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Abbildung 9: Chromatische Aberration

(λ = λ(U)), durch unterschiedliche Anfangsenergien beim Herausheizen der Elek-tronen aus der Kathode, durch unterschiedliche Energieverluste beim Durchgangdurch die Linsen infolge von Schwankungen der Linsenstrome und durch den Ener-gieverlust bei Wechselwirkungen der Elektronen mit der Probe. Um Auflosungs-vermogen von ca. 0, 5 nm zu erreichen, mussen die Energieschwankungen δE/Ekleiner sein als 10−5. Diese Forderung kann heute von der Elektrotechnik erfulltwerden. Energieverluste der Elektronen beim Durchgang durch die Proben wer-den durch die Verwendung sehr dunner Proben minimiert, so dass insgesamt derchromatische Fehler bei TEM-Untersuchungen von dunnen Proben nur bei Hoch-auflosungsexperimenten zum Tragen kommt.

4.3 Der Astigmatismus

Achsenparallele Strahlen werden bei vorhandenem Astigmatismus nicht in einemPunkt, sondern in einem Strich fokussiert. Wie Abb. 10 zeigt, werden alle in dervertikalen Ebene einfallenden achsenparallelen Strahlen in Fm (meridional), al-le horizontalen achsenparallelen Strahlen in Fs (sagittal) vereinigt. Ursachen desAstigmatismus sind u.a. unrunde Bohrungen, Bohrungsverunreinigungen u.a., sodass sich das Linsenfeld nicht ideal rotationssymmetrisch verhalt. Der Astigma-tismus ist durch geeignete Polschuhzusatze (Stigmatoren) und elektronisch aufhinreichend kleine Werte zu korrigieren.

4.4 Der Beugungsfehler

Der Beugungsfehler wird durch die Wellenlange der verwendeten Strahlung unddurch die numerische Apertur (Offnungswinkel) definiert.

db = 0, 61λ

α(7)

8

Abbildung 10: Astigmatismus

Abbildung 11: Beugungsfehler

Der Beugungsfehler kommt durch die Beugung der Elektronenstrahlen an Begren-zungen zustande. Er bewirkt, dass ein Punkt als ausgedehnte Scheibe abgebildetwird.

4.5 Optimale Auflosung

Ausschlaggebend fur das theoretische Auflosungsvermogen eines TEM sind alsodie spharische Aberration und der Beugungsfehler. Naherungsweise gilt dann furdie theoretische Auflosungsgrenze:

dtheo = ds + dB = cs · α3 + 0, 61λ

α(8)

Aus (8) folgt dann

αopt =4

√0, 6

λ

3· cs (9)

9

unddmin = A · 4

√cs · λ3 , A = 1, 2 (10)

Fur ein 200 kV TEM ergibt sich bei einem Offnungsfehlerkoeffizienten von cs =1 mm eine optionale Apertur von αopt = 10−2 rad und ein theoretisches Auflosungs-vermogen von dtheo = 0, 2 nm.

5 Die Probe

Die im TEM zu untersuchenden Proben mussen elektronentransparent sein, sodass fast in jedem Falle eine spezielle Probenpraparation erforderlich ist. DiePraparation sollte zumindest Objektdetails, die untersucht werden sollen, nichtbeeinflussen. Wenn z. B. Versetzungsdichten bestimmt werden sollen, ist daraufzu achten, dass durch die Probenpraparation keine zusatzlichen Versetzungen indas Objekt gelangen. Es gibt sehr viele praparative Methoden, die fur spezielleUntersuchungen spezieller Materialien geeignet sind.

Falls die Proben nicht von vornherein elektronentransparent vorliegen, z.B. weilsie als dunne Filme nach der Evaporationsmethode oder durch Sputtermethodenauf Substrate aufgebracht wurden, mussen sie

”gedunnt“werden. Das

”Dunnen“der

Probe richtet sich nach dem Probenmaterial und unterscheidet sich fur Metalle (alselektrisch leitende Materialen) von Keramiken (z.B. Al2O3, nicht leitend). Fast alleMetallproben kann man heute mit kommerziell erhaltlichen Apparaturen dunnen.Das geschieht in der Regel nach elektrolytischen Methoden. Die Probe wird in einerKorrosionszelle (Batteriezelle) als Anode installiert und bei Stromfluss abgetragen.

Mit geeigneten Kombinationen von Probenmaterial und Elektrolyt sowieStromdichte, Temperatur und Stromungsgeschwindigkeit des Elektrolyten konnennach einiger Erfahrung die meisten Metalle und einphasigen Legierungen gedunntwerden. Nichtleitende Materialien konnen in Ionenatzgeraten (Ion Mills)gedunntwerden. Dabei werden in der Regel mit 5 kV beschleunigte Argonionen auf dierotierende Probe geschossen. Der standige Beschuss erodiert die Probe. Beschleu-nigungsspannung fur die Ionen, Winkelstellung und Kuhlung der Probe sind Ar-beitsparameter fur diese

”Ionendunnung“.

Ein weiteres Verfahren zur Herstellung von TEM-Proben ist das Mikrotom-verfahren. Fur dieses Verfahren wird die Probe in Kunststoff eingebettet. Miteiner speziellen Apparatur werden dann mit einem Diamantmesser Dunnschnit-te (d < 100 nm) hergestellt. Aufgebracht auf ein Cu-Netz konnen diese dann imTEM untersucht werden.

Pulverformige Proben werden zuerst in eine geeignete Flussigkeit suspendiertund dann auf ein mit einem Kohlenstofffilm beschichtetes Cu-Netz aufgebracht.

Die Dunnungsapparaturen werden im Praktikum gezeigt.

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6 Bildentstehung im TEM

Mit einem TEM lassen sich sowohl Abbildungen der Probe als auch deren Beu-gungsbild erzeugen (Abb. 12). Um das Beugungsbild zu erhalten wird die Zwi-schenlinse so erregt, dass die Beugungspunkte, die sich in der hinteren Brennebeneder Objektivlinse befinden, auf dem Schirm sichtbar werden.

Abbildung 12: Bildentstehung im TEM [2]

7 Kontrastentstehung

7.1 Streuabsorptionskontrast

Die in die Proben eindringenden Elektronen werden sowohl von den Elektronen(unelastische Streuung) als auch von den Atomkernen der Probe (elastische Streu-ung) gestreut. Durch Verwendung einer Kontrastblende (Aperturblende) in der

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hinteren Brennebene der Objektivlinse werden die in große Winkel gestreute Elek-tronen

”absorbiert“. Damit erscheinen beispielweise starker streuende oder dickere

Objektstellen im Bild dunkler (Dickenkontrast). Besteht eine Probe aus zwei Be-reichen, in denen Elemente unterschiedlicher Kernladungszahl Z enthalten sind,dann sind die Objektstellen im Bild dunkler, bei denen Z großer ist (Material-kontrast). Der Dicken- und der Materialkontrast sind fur die Bildentstehung beiamorphen Proben verantwortlich. Bei kristallinen Proben kommt noch die Elek-tronenbeugung zur Kontrastentstehung dazu (Beugungskontrast). Elektronenbeu-gung bedeutet, dass der einfallende Strahl an den Atomebenen (Netzebenen) derProbe gebeugt wird, wenn die Bragg-Bedingung erfullt ist:

λ = 2d sin Θ (11)

d: Netzebenenabstand Θ: Winkel zwischen einfallendem Strahl und Netzebene

Dickenkontrast, Materialkontrast und Beugungskontrast werden unter dem Be-griff Streuabsorptionskontrast zusammengefasst.

Man unterscheidet zwei Abbildungsverfahren (Abb. 13). Bei der Hellfeldabbil-dung (Abb. 14 a) werden die gestreuten Strahlen durch die Aperturblende absor-biert und die entsprechenden Probenbereiche erscheinen im Bild dunkler. Bei derDunkelfeldaufnahme (Abb. 14 b) werden die gestreuten Strahlen zur Abbildungverwendet und es erfolgt Kontrastumkehr.

Abbildung 13: Hellfeld- und Dunkelfeldabbildung [2]

7.2 Beugungskontrast

Der Elektronenstrahl, der die Probe nach der Durchstrahlung in eine bestimmteRichtung k verlasst (s. Abb. 15), hat eine Intensitat, die aus den Intensitaten von

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Abbildung 14: a) Hellfeldaufnahme und b) Dunkelfeldaufnahme einer Au-Probe

Einzelwellen resultiert, die als gestreute Wellen von allen Atomen in diese Richtungausgehen. Die resultierende Intensitat ist nach den Regeln fur die Superposition

P r o b e

I 0 , k 0

I d , k 0 I r , k

Abbildung 15: Elektronenstrahl beim Durchgang durch eine Probe

sich uberlagernder Wellen aus dem Amplitudenquadrat Φ20,res zu errechnen. Bei

der Superposition sind naturlich die Phasendifferenzen zwischen den Einzelwellenzu berucksichtigen, die auf Wegunterschiede zuruckzufuhren sind (kinematischeTheorie). Die am unteren Probenrand austretende Strahlintensitat variiert peri-odisch mit der Probendicke t und dem Abweichparameter s (Abweichung von der

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Bragg-Bedingung).

Ir = Φ20,res ≈

sin2 (π s · t)(π · s)2

(12)

Mit dieser Grundformel der kinematischen Theorie lassen sich die wichtigen Beu-gungskontraste, namlich Biegekonturen (Variation von s) und Dickekonturen (Va-riation von t) verstehen. Die kinematische Theorie gilt fur den Fall, dass Ir � I0ist. Fur den Fall, dass Ir ungefahr gleich I0 ist, wurde die dynamische Theorieentwickelt. Eine Gegenuberstellung von kinematischer und dynamischer Theoriezeigt Tab. 1

Tabelle 1: Gegenuberstellung [2]Kinematische Theorie Dynamische Theorie

Ir � I0 Ir nicht sehr klein gegen I0

Verwirklicht indunnen Probenstellen, bzw.großer Abweichung von exakterBragg-Lage (s 6= 0)

dicken Probenstellen, bzw. naheexakter Bragg-Lage (s ≈ 0)

Mathematische BehandlungAddition der Streuamplitudender Gitteratome (Es werden nurdie Phasen- differenzen infolgevon Wegunterschieden beruck-sichtigt, wie bei Ableitung derBraggschen Gleichung

Quantenmechanik, d.h. Losungder Schrodinger-Gleichung ein-schließlich Randbedingungen(Berucksichtigung von Extink-tion, Wechselwirkung mehrfachgebeugter Strahlen usw.)

8 Phasenkontrast

Verwendet man fur die Abbildung sowohl den ungebeugten als auch den gebeug-ten Strahl, so erhalt man bei niedrigen Vergroßerungen zwar ein kontrastarmeresBild, bei hoheren Vergroßerungen kann man aber durch den Phasenkontrast dieNetzebenen der kristallinen Probe abbilden. Mochte man die inneren Struktureneinzelner Probenbereiche (z.B.einzelner Kristallite) oder einer einkristallinen Pro-be abbilden, so muss die Vergroßerung stark erhoht werden und es entsteht dasProblem, dass die Probe immer mehr vom Amplituden- zum Phasenobjekt wird,d.h. das Bild der Probe entsteht nicht durch unterschiedliche Intensitaten aus denverschiedenen Probenbereichen und bei einer idealen Abbildung wurden keine Ob-jektstrukturen erkennbar sein.

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Zugleich mussen die abgebeugten Strahlen mit zur Abbildung herangezogenwerden, denn sie liefern die Informationen fur große Raumfrequenzen (Objekt-strukturen im A-Bereich) und der Fehler der spharischen Aberration wird erheblichgroßer (großerer Aperturwinkel). Um nun den Phasenkontrast in einen Amplitu-denkontrast uberzufuhren - denn nur mit einem Amplitudenkontrast kann eineAbbildung erfolgen - muss die Phase der abgebeugten Strahlen um π/2, bezogenauf den Primarstrahl, verschoben werden. Nur dann entsteht ein Bild durch Inter-ferenz der beiden Strahlen. Dies gelingt nach einem Vorschlag von Scherzer durchDefokussieren. Der so gefundene Fokus wird Scherzer-Fokus genannt und ergibtsich aus der Wellenlange und der Offnungsfehlerkonstante des Mikroskops:

∆f =

√4

3· cs · λ (13)

Abb. 16 zeigt die Phasenverschiebung eines abgebeugten Strahls als Funktion derRaumwellenlange d und der Defokussierung. Die Kurve S zeigt den Scherzer-Fokus mit der Phasenverschiebung π/2. Abb. 17 zeigt die Netzebenen eines Gold-

Abbildung 16: Phasenverschiebung des gebeugten Strahls als Funktion der Raum-wellenlange d

Kristalls.

15

Abbildung 17: Netzebenen von Au-Kristallen

16

9 Elektronenbeugung

Die an den Netzebenen einer kristallinen Probe gebeugten Elektronen (Bragg-Gesetz) bilden in der hinteren Brennebene der Objektivlinse das Beugungsbildder Probe. Durch entsprechende Erregung der Zwischenlinse kann dieses auf demSchirm sichtbar gemacht werden. Bei einkristallinen Proben erhalt man ein Punkt-muster, das so genannte Laue-Diagramm, welches im idealen Fall aus zwei Punk-ten, dem Zentralstrahl und einem abgebeugten Strahl besteht(exakte Erfullungder Bragg-Bedingung). Bei polykristallinen Proben zeigt sich auf dem Schirm einRing-Diagramm, das Debeye-Scherrer-Diagramm (Abb. 18– 19). Um zu verste-

Abbildung 18: Schematische Darstellung der Beugungsbilder

hen, warum man bei der Elektronenbeugung im Gegensatz zur Rontgenbeugungjeweils mehrere Reflexe erhalt, mussen das reziproke Gitter und die Ewald-Kugelbetrachtet werden. Das reziproke Gitter reprasentiert die Netzebenenscharen desrealen Gitters. Die Gittervektoren des reziproken Gitters stehen senkrecht auf denNetzebenenscharen und ihr Betrag ist dem Netzebenenabstand reziprok (Abb. 20).Die Konstruktion der Ewald-Kugel erfolgt mit Hilfe der Laue-Bedingung:

~k − ~k0 = ~g (14)

Mit |k| = 1/λ kann die Ewald-Kugel als graphische Darstellung der Bragg-Bedingung aufgefasst werden (Abb. 21). Es kommt dann zur Beugung des ein-fallenden Strahls, wenn ein Punkt des reziproken Gitters auf der Ewald-Kugelliegt.

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Abbildung 19: a) Einkristallbeugungsbild von Al b) Vielkristallbeugungsbild vonAu c) Beugungsbild eines metallischen Glases

Je kleiner die Wellenlange der verwendeten Strahlung, umso großer ist derRadius der Ewald-Kugel. Daher kann unter den speziellen Beugungsbedingungenim TEM, die Ewald-Kugel durch eine Ebene angenahert werden und es tragenalle die Netzebenen zum Beugungsbild bei, deren reziproker Gitterpunkt in dieserEbene liegt.

Auch Netzebenen, deren reziproker Gittervektor nicht direkt auf der Ewald-Kugel endet, sondern mit einer geringen Abweichung (Abweichungsvektor s imreziproken Raum), reflektieren den einfallenden Strahl. Die entsprechenden Beu-gungspunkte haben aber eine geringere Intensitat. Man kann zeigen, dass die Punk-te des reziproken Gitters bei einer dunnen Folie zu Staben in z-Richtung entarten(Abb. 22) und Reflexion tritt fur alle diejenigen Netzebenen auf, deren reziproker

”Gitterstab“die Ewald-Kugel schneidet (Abb. 23). Wichtig ist, dass alle reflek-

tierenden Netzebenenscharen wegen des kleinen Aperturwinkels fast parallel zumPrimarstrahl liegen und damit den Primarstrahl als Zonenachse enthalten (Abb.24).

Gelingt es nun solche Beugungsbilder zu indizieren, so kann man Orientie-rungen festlegen (z.B. einer Einkristallfolie zum einfallenden Strahl, zweier Kri-stallite eines Polykristalls zueinander). Wie die Indizierung von Beugungsbilderndurchgefuhrt werden kann, wird im Praktikum gezeigt. Um aus den gemessenenAbstanden Primarstrahl abgebeugter Strahl, d-Werte, bestimmen zu konnen, mussdie so genannte Kamerakonstante des Mikroskops bekannt sein (siehe Abb. 25).Aus der Braggbedingung, der Geometrie der Beugung und mit sin Φ = Φ folgt dieGrundformel der Elektronenbeugung.

λL = R · d (15)

mit λ ·L =Kamerakonstante. Wurde die Kameralange aus dem Beugungsbild einer

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Abbildung 20: Das kfz. Gitter: a) Realgitter b) Ausschnitt des zugehorigen rezi-proken Gitters

bekannten Probe ermittelt, konnen die d-Werte durch Ausmessen der AbstandePrimarstrahl- abgebeugter Strahl ermittelt werden:

d = λ · L · 1

R(16)

19

Abbildung 21: Graphische Darstellung der Braggschen Beugungsbedingungendurch die Ewaldsche Kugel. Die Netzebene (hkl) mit reziprokem Gittervektor gerfullt die Bedingung genau, d.h. sie liegt auf der Kugel von Radius |k| = 1/λ. DieAbweichung von der idealen Bragg-Bedingung in Richtung des einfallenden Strah-les k0 wird durch einen weiteren Vektor im reziproken Raum s gekennzeichnet.

20

Abbildung 22: Gestalt der reziproken Gitterpunkte in Abhangigkeit von der Pro-benform: a) dicke Probe b) und c) dunne Probe

Abbildung 23: Reziproke Gitterstabe (streaks) als reaktionsfahige Bereiche einerdunnen Kristallfolie

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P r i m ä r s t r a h l

( Z o n e n a c h s e )

R e l e x i o n s f ä h i g e N e t z e b e n e n

= E b e n e n e i n e r Z o n e

Abbildung 24: Primarstrahl als Zonenachse

Abbildung 25: Zur Bestimmung der Kameralange

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Literatur

[1] David B. Williams, C. Barry Carter; Transmission Electron Microscopy; Ple-num Press, New York London; 1996

[2] M. v. Heimendahl; Einfuhrung in die Elektronenmikroskopie; Vieweg-Verlag; Braunschweig; 1970

[3] E. Hornbogen, B. Skrotzki; Werkstoffmikroskopie; Springer-Verlag; Ber-lin; 1993

[4] Sie finden 3 Auszuge aus dem Buch ’Transmission Electron Microscopy andDiffractometry of Materials’ von B.Fultz und J.Howe im Semesterapparat:

’Diffraction from Crystalls’

’Electron Diffraction and Crystallography’

’Diffraction Contrast in TEM Images’.

Zum Semesterapparat gelangen Sie uber die Homepage der Uni-Bibliothek.Sie konnen die Dokumente mit ihrem Uds-Zugang herunterladen.

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10 Aufgabenstellung

1. Ubung

Bitte die unten aufgefuhrten Fragen bis zum 1. Praktikumstermin schriftlichbeantworten.

1. (a) Berechnen Sie die Wellenlange der im Elektronenmikroskop beschleu-nigten Elektronen (U = 200 kV), nicht relativistisch und relativistisch.

(b) Geben Sie die Geschwindigkeit der Elektronen (etwa beim Durchlaufender Anodenoffnung) an.

2. Was bewirkt der Wehneltzylinder speziell im Hinblick auf die Beleuchtungs-intensitat?

3. Schatzen Sie das Auflosungsvermogen des TEM ab, das durch die Linsenfeh-ler eingeschrankt wird (nur Offnungs- und Beugungsfehler, Herleitung)

4. Beschreiben Sie kurz den Strahlengang in einem TEM!

5. Listen Sie Probenpraparationen fur die Elektronentransparenz auf und er-klaren Sie kurz die Funktionsweise.

6. Im Versuch sollen die Proben auch mittels EDX-Analyse untersucht werden.Erkllaren sie bitte kurz die Funktionsweise dieser Analysemethode.

7. Was bedeutet ”Hellfeld”- und ”Dunkelfeldabbildungen”in der Mikroskopie

8. Das Bragg-Gesetz ~k−~k0 = ~g beschreibt den Sachverhalt, dass der Endpunktvon ~k auf einem reziproken Gitterpunkt und gleichzeitig auf der Reflexions-kugel (Ewald-Kugel) liegt. Skizzieren Sie diesen Sachverhalt und zeichnen Siedie Ewald-Kugel fur den Fall der Elektronenstrahlung (λ200 kV = 0, 00251 A)und der Rontgenstrahlung (λm = 1, 51 A) zweidimensional. Was bedeutetdies fur die Messung mit Rontgenstrahlen? (s. Literatur [4] ’Diffraction fromCrystalls’)

9. Skizzieren Sie den Intensitatsverlauf fur Biege- und Keilkonturen (Kinema-tische Theorie, s.Literatur [4] ’Diffraction Contrast in TEM Images’)

10. Machen sie sich mit der Methode der Quotienten zur Bestimmung von Beu-gungsdiagrammen vertraut (s. Literatur [4] ’Electron Diffraction and Cry-stallography’).

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2. Ubung

• Praparationsmethoden

• Bauelemente des TEM

• Bedienung des TEM

• Hell– und Dunkelfeldabbildung (Bestimmung der Teilchengroße)

3. Ubung

Beugungsaufnahmen:

• amorph

• polykristallin

• einkristallin

• Bestimmung der Kamerakonstanten (Au-Polykristall)

• Bestimmung der Zonenachse eines Au-Einkristalls (Kamerakonstante?)

4. Ubung

Phasenkontrast:

• Ermittlung von Netzebenenabstanden

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