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Berlin, den 16. November 2016
Dr. Joachim Gerd Ulrich Bundesinstitut für Berufsbildung, Bonn
Forum IV: Übergänge und Strukturen: Brücken bauen leicht gemacht?!“
Übergänge erfolgreich gestalten – gar nicht so einfach
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Ausbildungsmarktentwicklung 2009 – 2016 Ungeachtet steigender Anteile unbesetzter Ausbildungsplätze bleibt die Quote erfolgloser Ausbildungsplatznachfrage hoch
13,6 12,6
11,3 12,1
13,6 13,4 13,4 13,4
3,2 3,6 5,2
6,0 6,2 6,9 7,5 7,9
0,0
4,0
8,0
12,0
16,0
2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016
Erfolglose Ausbildungsplatznachfrage
Quote erfolgloser betr. Ausbildungsplatzangebote (in %)
Werte für 2016 geschätzt. Quellen: BIBB-Erhebung zum 30.09; Ausbildungsmarkstatistik der BA zum 30. September
43,8 45,9
59,0
72,1
84,7 92,2
100,9 106,0
0,0
25,0
50,0
75,0
100,0
125,0
2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016
Index fehlender Passung von Angebot und Nachfrage
65.000
70.000
75.000
80.000
85.000
90.000
95.000
2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 201615.000
20.000
25.000
30.000
35.000
40.000
45.000
2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016
Quote erfolgloser Ausbildungsplatznachfrage (in %)
Erfolglose betriebliche Ausbildungsplatzangebote
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Ein ressourcentheoretisches Modell zum Übergang in Berufsausbildung Der institutionelle Rahmen definiert die für den Übergang nutzbaren Ressourcen
Quellen: Eigene Darstellung in Anlehnung an Eberhard (2016); Ulrich (2016)
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Ein ressourcentheoretisches Modell zum Übergang in Berufsausbildung Der institutionelle Rahmen definiert die für den Übergang nutzbaren Ressourcen
❶
❷
❸
❹
Quellen: Eigene Darstellung in Anlehnung an Eberhard (2016); Ulrich (2016)
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Warum es „gar nicht so leicht“ ist …
1.
Die Ansprüche von Staat
und Öffentlichkeit
2.
Der Betrieb und seine Ansprüche an die Jugendlichen
3. Das soziale Umfeld und sein Einfluss auf die Jugendlichen
4. Die Jugendlichen
und ihre Hoffnungen
Übergänge erfolgreich gestalten – gar nicht so leicht
❶ ❷
❸ ❹
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Die „Bedarfslogik“ wird von den Betrieben und
ihrer Nachfrage bestimmt
Über den Übergang in duale Ausbildung wird auf einem Markt entschieden
(„Marktinklusion“)
§ 12 BBIG: Verbot, dass Jugendliche für die Ausbildungsleistung ihres Betriebes zahlen. „Zahlende“ und damit auch „Nachfrager“
sind allein die Betriebe
Am „Versorgungsgrad“ der Jugendlichen sei auch die
Leistung der bildungspolitischen Akteure zu bemessen!
BM Rohde (1977): Gleichwohl darf nicht der Bedarf der Wirtschaft maßgeblich sein. Es zählt die Versorgung der Jugendlichen!
Aber: Marktinklusion verbunden mit einem regelförmig
vorgegebenen Inklusionsziel? Wie passt das zusammen?
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an: Granato, M.; Ulrich, J.G. (2013): Die Reformierbarkeit des Zugangs in duale
Berufsausbildung im Spannungsfeld institutioneller Widersprüche. Schweizerische Zeitschrift für Soziologie, 39 (2). S. 315-339.
❶ Die Ansprüche von Staat und Öffentlichkeit …
550.000
600.000
650.000
700.000
750.000
800.000
850.000
900.000
950.000
1.000.000
1.050.000
100.000
150.000
200.000
250.000
300.000
350.000
400.000
450.000
Abiturienten
neue Studienplätze
Ausbildungsangebote
Ausbildungsinteressierte
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❶ Die Ansprüche von Staat und Öffentlichkeit …
R² = 0,8893
40%
50%
60%
70%
80%
90%
45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95Ein
mü
nd
un
gsq
uo
te
in B
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fsau
sbild
un
g
Ausbildungsangebote je 100 Ausbildungsinteressierte
Einmündungsquote in
Berufsausbildung (2015) Ausbildungsangebote je 100
Ausbildungsinteressierte (2015)
65%-70%
70%-75%
75% plus
60%-65%
55%-60%
unter 55%
70-75
75-80
80 plus
65-70
60-65
unter 60
Entwicklung innerhalb der 16 Länder (2009-2016)
Ø Einmündungsquote innerhalb der Länder in dieser Zeit:
67,96 %
bei einem zusätzlichen betrieblichen Angebot (je 100 Ausbildungsinteressierte)
+ 0,712 %-Punkte
bei einem zusätzlichen außerbetrieblichen Angebot (je 100 Ausbildungsinteressierte)
+ 0,973 %-Punkte
Rechnerischer Zuwachs dieser Quote:
Ergebnisse einer regressionsanalytischen Auswertung (Within-Modell)
Quellen: BA, BIBB, eigene Berechnungen
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Eigene Darstellung in Anlehnung an: Imdorf (2015)
❷ Der Betrieb und seine Ansprüche an die Jugendlichen … Auszubildendenauswahl in den multiplen Welten eines Betriebes (Imdorf, 2015)
„Industrielle Welt“
(Effizienz)
Konventionen der Effizienz ► Personen entsprechen dieser Welt, wenn sie effizient, produktiv und funktional handeln. ► Tugenden: Geschick, Sorgfalt, Leistungsbereitschaft, Durchhaltevermögen Typische Bewährungsprobe bei der Personalauswahl: Schulabschlüsse, Schulnoten, Hobbys, Leistungstests, Praktika, Probetage
„Häusliche Welt“
(Gemein-schaft)
Konventionen der Gemeinschaft
► Personen entsprechen dieser Welt, wenn sie in den „Geist des Hauses“ passen, bei Vorgesetzten und Kollegen als Mitglieder der Betriebsgemeinschaft wahrgenommen werden.
► Tugenden: Teamfähigkeit, Zuverlässigkeit, Kritikfähigkeit, Verantwortungsbewusst- sein Typische Bewährungsproben bei der Personalauswahl: Hobbies, Praktika, „Bauchgefühl“, Probetage
„Marktliche Welt“
(An- und Verkauf)
Konventionen des Austauschs von Waren und Dienstleistungen (An- und Verkauf):
► Personen entsprechen ihr, wenn sie bei den Kunden und Geschäftspartnern auf Akzeptanz und Gefallen stoßen.
► Tugenden: Umgangsformen, äußeres Erscheinungsbild, Kommunikationsfähigkeit
Typische Bewährungsprobe bei der Personalauswahl: Bewerbungsfoto, Auftreten, Praktika
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Im Gegensatz zu den Selektionslogiken in andere Bildungssysteme reichen die Selektionslogiken im Bereich der dualen Berufsausbildung weit über Schulzertifikate und -noten hinaus
• Qualifikation der Eltern (als Signal für Durchhaltevermögen und Leistungsbereitschaft)
• Fürsprache Dritter (u.a. Leistungsbereitschaft, Zuverlässigkeit, Teamfähigkeit)
• Mitgliedschaft bei der Feuerwehr oder THW (Sozialkompetenz, Verantwortungsbewusstsein)
• Geschlecht (Akzeptanz bei Kunden und in der Belegschaft)
• Migrationshintergrund (Akzeptanz bei Kunden und in der Belegschaft)
• Alter (Durchhaltevermögen, Anpassungsbereitschaft)
• Kopfnoten, Fehlzeiten in der Schule (Selbstdisziplin und Leistungsbereitschaft)
• Verhalten während der Praktikumszeit (alle Welten)
Was bisweilen als Signale für die Passung in die multiplen Welten des Betriebes fungiert:
❷ Der Betrieb und seine Ansprüche an die Jugendlichen … Auszubildendenauswahl in den multiplen Welten eines Betriebes (Imdorf, 2015)
Quellen: Imdorf (2015); Eberhard (2016)
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❸ Das soziale Umfeld und sein Einfluss auf die Jugendlichen …
„Wenn man hingegen sieht, wie fast alles, wonach Menschen (…) streben, zum letzten Zwecke hat, sich dadurch in der Meinung anderer zu erhöhen, indem nämlich nicht nur Ämter, Titel und Orden, sondern auch Reichtum, und selbst Wissenschaft und Kunst (…) hauptsächlich deshalb angestrebt werden, und der größere Respekt anderer das letzte Ziel ist, darauf man hinarbeitet; so beweist dies leider nur die Größe der menschlichen Torheit“ (Arthur Schopenhauer, 1851)
Bildquelle: Wikipedia
In Anlehnung an: Eberhard, V.; Matthes, S.; Ulrich, J. G. (2015): The need for social approval and the choice of gender-typed occupations. In: Comparitive Social Research, Volume 31 (S. 205-235).
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❸ Das soziale Umfeld und sein Einfluss auf die Jugendlichen …
0.3% 1.1% 1.8%
7.1%
19.0%
0,0
5,0
10,0
15,0
20,0
"gar nichtpositiv"
"eher nichtpositiv"
"weißnicht"
"eherpositiv"
"sehrpositiv"
… bei der jeweiligen Reaktion des sozialen Umfeldes …
Die Ergebnisse beruhen auf 61.451 Urteilen von Ausbildungsstellen-bewerbern, denen jeweils 16 Berufe zur Beurteilung vorgegeben wurden.
Quelle: Eberhard, V.; Matthes, S.; Ulrich, J. G. (2015): The need for social approval and the choice of gender-typed occupations. In: Hegna, K.; Imdorf, C.; Reisel, L.(Hrsg.): Comparative studies of gender segregation in vocational education and training - Institutional and individual perspectives (Comparitive Social Research, Volume 31). (S. 205-235).
Anteil der Fälle mit Bewerbungsaktivitäten:
69
42
29
65
25
30
35
40
45
50
55
60
65
70
Industriemechaniker/-in Medizinische/rFachangestellte/r
… bei Wahl des Ausbildungsberufs …
Anteil der vermuteten positiven Reaktionen des sozialen Umfeldes (in %) …
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W (SK-BK, IDENTITÄT) x E (BEFÄHIGUNG, BEWERBUNG)
Wert – Erwartungs – Theorie:
Wir bevorzugen jene Handlungsziele, denen wir einen Wert beimessen
und von denen wir zugleich erwarten, dass wir sie erreichen können.
Dies bedeutet z.B. bezogen auf die Berufswahl:
Deckt sich mein
Bild vom Beruf mit
meinem eigenen
Selbstkonzept? (= wie und unter welchen
Umständen ich arbeiten
möchte)
Stärkt der Beruf
meine eigene
soziale Identität?
Traue ich mir zu, den
Ausbildungsanforderungen
gerecht zu werden?
Sind meine
Bewerbungschancen
gut?
❹ Die Jugendlichen und ihre Hoffnungen …
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Angebots-Nachfrage-Relation (ANR)
Fachverkäufer/in im Lebensmittelhandwerk
Kaufmann/-frau im Einzelhandel
Ø Anteil unbesetzter Plätze
26,0% 7,6%
Ø 134,3 Ø 87,1
Ø Anteil erfolglos Suchender
5,7% 19,6%
Marktlagen 2014 Einflussgrößen auf die vermuteten Bewerbungschancen:
• Zutrauen, den Beruf erlernen zu können
• höherer Schulabschluss
• bessere Schulnoten
• kein Altbewerber
Keine (!) Rolle spielen:
• bundesweite Marktlage in den beiden Berufen
• allgemeine Ausbildungsmarktlage vor Ort (es sei denn, es gab eine gute Vorbereitung auf die Lehrstellensuche)
• berufsspezifische Marktlage vor Ort
❹ Die Jugendlichen und ihre Hoffnungen …
Quelle: Eberhard, Verena; Ulrich, Joachim Gerd (2016): Ausbildungsplatzchancen aus der Sicht von Lehrstellenbewerbern und ihre Korrespondenz zur tatsächlichen Ausbildungsmarktlage (Veröffentlichung in Vorbereitung). Bonn: BIBB.
Quelle: Granato, Mona; Matthes, Stephanie; Schnitzler, Annalisa; Ulrich, Joachim Gerd; Weiß, Ursula (2016): Warum nicht „Fachverkäufer/-in im Lebensmittelhandwerk“ anstelle von „Kaufmann/-frau im Einzelhandel“? BIBB REPORT, 1/2016
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Fazit
Übergänge erfolgreich zu gestalten, ist gar nicht so einfach, denn ….
❶ letztlich hängt alles davon ab, dass Betriebe Ausbildungsbedarf anmelden
und genügend Ausbildungsplätze da sind
❷ die Ansprüche des Lernorts Betrieb an seine Auszubildenden sind im Vergleich zu den
Ansprüchen einer Hochschule notgedrungen deutlich facettenreicher
❸ Berufe sind Transmissionsriemen sozialer Identität und werden auf sublime Weise
vom sozialen Umfeld mitbestimmt
❹ die Jugendlichen haben Probleme, die Marktverhältnisse in den verschiedenen Berufen
und die daraus resultierenden Bewerbungschancen richtig einzuschätzen
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Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
Literaturhinweise
Dummert, Sandra; Frei, Marek; Leber, Ute (2014): Berufsausbildung in Deutschland. Betriebe und Bewerber finden schwer zusammen, dafür sind Übernahmen häufiger
denn je. IAB-Kurzbericht, 20/2014
Eberhard, Verena (2016): Der Übergang im Überblick - Von den Herausforderungen eines marktgesteuerten Zugangs. Sozialer Fortschritt, 65 (9-10). S. 211-217.
Eberhard, Verena; Matthes, Stephanie; Ulrich, Joachim Gerd (2015): The need for social approval and the choice of gender-typed occupations. In: Hegna, Kristinn; Imdorf,
Christian; Reisel, Liza (Hrsg.): Comparative studies of gender segregation in vocational education and training (Comparitive Social Research, Volume 31). (S. 205-235).
Eberhard, Verena; Ulrich, Joachim Gerd (2016): Ausbildungsplatzchancen aus der Sicht von Lehrstellenbewerbern und ihre Korrespondenz zur tatsächlichen
Ausbildungsmarktlage (Veröffentlichung in Vorbereitung). Bonn: BIBB.
Granato, Mona; Ulrich, Joachim Gerd (2013): Die Reformierbarkeit des Zugangs in duale Berufsausbildung im Spannungsfeld insti tutioneller Widersprüche.
Schweizerische Zeitschrift für Soziologie, 39 (2). S. 315-339.
Imdorf, Christian (2015): Ausländerdiskriminierung bei der betrieblichen Ausbildungsplatzvergabe. Ein konventionensoziologisches Erklärungsmodell. In: Scherr, Albert
(Hrsg.): Diskriminierung migrantischer Jugendlicher in der beruflichen Bildung. (S. 34-53). Weinheim und Basel: Beltz Juventa.
Matthes, Stephanie; Ulrich, Joachim Gerd; Krekel, Elisabeth M.; Walden, Günter (2014): Wenn Angebot und Nachfrage immer seltener zusammenfinden. Wachsende
Passungsprobleme auf dem Ausbildungsmarkt: Analysen und Lösungsansätze. Bonn: BIBB.
Matthes, Stephanie; Ulrich, Joachim Gerd (2015): Warum gibt es wieder mehr erfolglose Ausbildungsplatznachfrager? WSI-Mitteilungen, 65 (2). S. 108-115.
Schier, Friedel; Ulrich, Joachim Gerd (2014): Übergänge wohin? Auswirkungen sinkender Schulabgängerzahlen auf die Berufswahl und Akzeptanz von
Ausbildungsangeboten. Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik, 110 (3). S. 358-373.
Ulrich, Joachim Gerd (2016): Übergänge Schule – Berufsbildung – Arbeitsmarkt. In: Rauner, Felix; Grollmann, Philipp (Hrsg.): Handbuch Berufsbildungsforschung. 3.,
erweiterte Auflage. Bielefeld: W. Bertelsmann (im Druck).
Dr. Joachim Gerd Ulrich Tel.: 0228/107-1122 Fax: 0228/107-2955 [email protected]
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