Postmoderne Taktiken in einer strategischen ... · Heike Hoppmann pro:Vision Postmoderne Taktiken...

36
Heike Hoppmann pro:Vision Postmoderne Taktiken in einer strategischen Gegenwartsgesellschaft - Eine soziologische Analyse - Wissenschaftlicher Verlag Berlin Berlin Olaf Gaudig & Peter Veit GbR

Transcript of Postmoderne Taktiken in einer strategischen ... · Heike Hoppmann pro:Vision Postmoderne Taktiken...

Page 1: Postmoderne Taktiken in einer strategischen ... · Heike Hoppmann pro:Vision Postmoderne Taktiken in einer strategischen Gegenwartsgesellschaft - Eine soziologische Analyse - Wissenschaftlicher

Heike Hoppmann

pro:Vision

Postmoderne Taktiken in einer strategischen Gegenwartsgesellschaft

- Eine soziologische Analyse -

Wissenschaftlicher Verlag Berlin Berlin

Olaf Gaudig & Peter Veit GbR

Page 2: Postmoderne Taktiken in einer strategischen ... · Heike Hoppmann pro:Vision Postmoderne Taktiken in einer strategischen Gegenwartsgesellschaft - Eine soziologische Analyse - Wissenschaftlicher

Die Deutsche Bibliothek – CIP Einheitsaufnahme

Hoppmann, Heike: Pro:Vision – postmoderne Taktiken in einer

strategischen Gegenwartsgesellschaft : eine soziologische Analyse / Heike Hoppmann. – Berlin : Wiss. Verl. Berlin, 2000

Zugl. Aachen, Techn. Hochsch., Diss., 1999 ISBN 3-932089-56-1

ISBN 3-932089-56-1

© 2000 Wissenschaftlicher Verlag Berlin

Olaf Gaudig & Peter Veit GbR www.wvberlin.de

D 82

Alle Rechte vorbehalten.

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, auch einzelner Teile, ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Dies gilt

insbesondere für fotomechanische Vervielfältigung sowie Übernahme und Verarbeitung in EDV-Systemen.

Druck: Eigendruck/Gerhard Weinert GmbH, Berlin Printed in Germany

DM 58,00

Page 3: Postmoderne Taktiken in einer strategischen ... · Heike Hoppmann pro:Vision Postmoderne Taktiken in einer strategischen Gegenwartsgesellschaft - Eine soziologische Analyse - Wissenschaftlicher

Inhaltsverzeichnis 1. EINLEITUNG...............................................................................................11

1.1 ANNAHMEN ................................................................................................12 1. 2 HAUPTTHESEN ............................................................................................13 1. 3 ÜBERBLICK.................................................................................................14

2 ZEITDIAGNOSEN: VERSCHIEDENE ANSÄTZE ZUR ERKLÄRUNG DER TRANSFORMATIONSPROZESSE.........................16

2. 1 VERTRETER DER MODERNE ........................................................................16 2. 1. 1 Der Ansatz von Beck..........................................................................16 2. 1. 2 Der Ansatz von Giddens.....................................................................18 2. 1. 3 Anmerkungen zu Beck und Giddens..................................................19

2. 2 VERTRETER DER POSTMODERNE.................................................................19 2. 2. 1 Der Ansatz von Jameson ....................................................................20 2. 2. 2 Der Ansatz von Lyotard .....................................................................21 2. 2. 3 Der Ansatz von Baudrillard................................................................22 2. 2. 4 Anmerkungen zu Jameson, Lyotard und Baudrillard ........................23

3 LEITMOTIVE, SCHLÜSSELBEGRIFFE UND METHODEN IN DER POSTMODERNE ...................................................25

3. 1 PLURALISIERUNG........................................................................................25 3. 2 KULTURALISIERUNG ...................................................................................27 3. 3 ENTDIFFERENZIERUNG................................................................................27 3. 4 PASTICHE....................................................................................................29 3. 5 POLYSEMIE .................................................................................................30

3. 5. 1 Mehrfachcodierung ............................................................................31 3. 6 FIGURALITÄT ..............................................................................................31 3. 7 ENTLEHNUNGEN AUS DER RHETORIK..........................................................32

3. 7. 1 Metapher.............................................................................................32 3. 7. 2 Allegorie .............................................................................................32 3. 7. 3 Zitat.....................................................................................................33 3. 7. 4 Ironie...................................................................................................33

3. 8 GEGENWARTSBEZUG ..................................................................................33 3. 9 DER RAUMBEGRIFF.....................................................................................33 3. 10 ANMERKUNGEN ZU METHODEN DER BESCHREIBUNG UND ANALYSE......34

3. 10. 1 Eklektizistischer Ansatz..................................................................34 3. 10. 2 Meso-Theorien ................................................................................35 3. 10. 3 Die Ethnographie als wiederentdeckte Methode in der Soziologie .35 3. 10. 4 Das Problem des Vokabulars ..........................................................38

4 RAHMENBEDINGUNGEN ........................................................................40

4. 1 GLOBALISIERUNG .......................................................................................40 4. 1. 1 Was ist Globalisierung .......................................................................41 4. 1. 2 Kulturelle Globalisierung...................................................................43

Page 4: Postmoderne Taktiken in einer strategischen ... · Heike Hoppmann pro:Vision Postmoderne Taktiken in einer strategischen Gegenwartsgesellschaft - Eine soziologische Analyse - Wissenschaftlicher

6

4. 1. 3 Neue Tendenzen .................................................................................46 4. 1. 3. 1 Die Zunahme von ‚Nicht-Orten‘ – Augé......................................48 4. 1. 3. 2 Transkulturalität durch Globalisierung ........................................49

4. 1. 4 Leben in der globalen Welt ................................................................52 4. 2 KULTUR – EIN NICHT GREIFBARES PHÄNOMEN? .........................................53

4. 2. 1 Kultur und Sprache.............................................................................56 4. 2. 1. 1 Sprache als Machtinstrument .......................................................56

4. 2. 2 Kultur, Zeichen und Symbole ............................................................58 4. 3. ÄSTHETISCHES DENKEN ALS POSTMODERNE HANDLUNGSORIENTIERUNG..59

4. 3. 1 ‚Ästhetisches Denken‘ (Welsch)........................................................61 4. 3. 1. 1 Welche Ästhetik?..........................................................................61 4. 3. 1. 2 Analyse der Wahrnehmung ..........................................................63

4. 3. 2 Ästhetisches Denken im postmodernen Zeitalter ..............................65 4. 3. 2. 1 Kritik am Ansatz des ‚ästhetischen Denkens‘..............................67

4. 4 DIE KUNST DES HANDELNS ........................................................................68 4. 4. 1 Strategien und Taktiken .....................................................................68 4. 4. 2 Fazit ....................................................................................................69

5 SICHTBARE POSTMODERNE: DIE ARCHITEKTUR............................71

5. 1 AUF DEM WEG ZUR ‚POSTMODERNEN ARCHITEKTUR‘? ..............................72 5. 1. 1 ‚Moderne‘ und ‚spätmoderne‘ Architektur.....................................72 5. 1. 2 Das ‚Postmoderne‘ in der Architektur ...............................................74

5. 1. 2. 1 Ein Beispiel postmoderner Architektur: Die Staatsgalerie in Stuttgart ........................................................76

5. 1. 3 Anmerkungen zu Jencks Erklärungen................................................78 5. 2 ZUSAMMENFASSUNG ..................................................................................79

6 DIE SOZIOKULTURELLE DIMENSION: JUGEND UND POSTMODERNE TENDENZEN.......................................................81

6. 1 DIE INDIVIDUALISIERUNGSTHESE NACH BECK............................................81 6. 2 IDENTITÄT ..................................................................................................83

6. 2. 1 Postmoderne Bedingungen der Identitätsherstellung ........................84 6. 2. 2 Das postmoderne Subjekt...................................................................87 6. 2. 3 Die Rolle der Institutionen bei der

Identitätsbildung von Jugendlichen ...................................................87 6. 2. 3. 1 Karriere in der Freizeit – nicht nur durch kognitve Merkmale ....88

6. 2. 4 Postmoderne Identität in der Kunst – Welsch....................................89 6. 2. 4. 1 Cindy Sherman: Multiple Identität...............................................90 6. 2. 4. 2 Kritik am Ansatz von Welsch.......................................................93 6. 2. 4. 3 Verwirklichung ‚multipler Identität‘: Madonna ..........................94

6. 2. 5 Postmoderne Identität in den Medien – Kellner ................................97 6. 2. 5. 1 Identität – Simulation und Realität...............................................99

6. 2. 5. 1. 1 Miami Vice – ein Bausatz für Identität.................................99 6. 2. 6 Postmoderne Identitätsfindung: vom Projekt zum Spiel – Bauman102

6. 2. 6. 1 Der Pilger....................................................................................103

Page 5: Postmoderne Taktiken in einer strategischen ... · Heike Hoppmann pro:Vision Postmoderne Taktiken in einer strategischen Gegenwartsgesellschaft - Eine soziologische Analyse - Wissenschaftlicher

7

6. 2. 6. 2 Das Spiel beginnt: postmoderne Identität ..................................104 6. 2. 6. 2. 1 Der Flaneur..........................................................................104 6. 2. 6. 2. 2 Der Vagabund .....................................................................104 6. 2. 6. 2. 3 Der Tourist ..........................................................................105

6. 2. 6. 3 Der Spieler ..................................................................................105 6. 2. 6. 4 Fazit zu Baumans Ansatz ...........................................................106

6. 2. 7 Zusammenfassung ............................................................................106 6. 3 THEORETISCHE ANNAHMEN ZU POSTMODERNEN GEMEINSCHAFTEN ........108

6. 3. 1 Drei Gemeinschaftstypen (Peters)....................................................109 6. 3. 2. ‚Proto-Gemeinschaften‘ (Willis) ......................................................112 6. 3. 3 Die posttraditionale Gemeinschaft (Hitzler/Pfadenhauer)...............113

6. 3. 3. 1 Merkmale der posttraditionalen Gemeinschaft ..........................114 6. 3. 3. 2 Kritik an der Begrifflichkeit ‚posttraditionale‘ Gemeinschaften 117

6. 3. 4 Die ‚Neo-Stämme‘ (Maffesoli) ........................................................118 6. 3. 4. 1 Rituale.........................................................................................120 6. 3. 4. 2 Das Spiel mit den Masken ..........................................................121 6. 3. 4 3 Die ästhetische Basis...................................................................122

6. 3. 5 Fazit ..................................................................................................123 6. 4 JUGENDKULTUREN....................................................................................125

6. 4. 1 Begriffsbestimmungen .....................................................................126 6. 4. 2. Voraussetzungen für die Aneignung von ‚Kultur‘ im Alltag ...........129

6. 4. 2. 1 Symbolische Kreativität .............................................................129 6. 4. 2. 2 Elementare Ästhetiken................................................................130

6. 5 BEISPIELE FÜR JUGENDKULTUREN: MEDIEN, STILE, SPRACHE .................131 6. 5. 1 Jugend und Medien ..........................................................................132

6. 5. 1. 1 Horrorfans...................................................................................132 6. 5. 2 Jugendstile ........................................................................................137

6. 5. 2. 1 Mode ...........................................................................................137 6. 5. 3 Jugend und Sprache..........................................................................141

6. 6 ZUSAMMENFASSUNG UND SCHLUßFOLGERUNGEN ZUR SOZIOKULTURELLEN DIMENSION DER POSTMODERNE.......................143

7 DER RAUM IN DER POSTMODERNE...................................................147

7. 1 GRUNDANNAHMEN ZUM RAUM ................................................................147 7. 1. 1 Der ‚Raum‘ bei Läpple .....................................................................149 7. 1. 2 Die Alltagspraktiken und der ‚Raum‘: Der Ansatz von de Certeau.150

7. 2 RAUMVERÄNDERUNGEN IN DER POSTMODERNE: VERSCHIEDENE ANSÄTZE..........................................................................152

7. 2. 1 Harvey: Raum und postmoderne Bedingungen ...............................152 7. 2. 1. 1 Anmerkungen zu Harveys Rauminterpretation..........................155

7. 2. 2 Giddens: Raum-Zeit-Entleerung ......................................................156 7. 2. 2. 1 Anmerkungen zu Giddens Raumbetrachtung ............................158

7. 2. 3 Die Raumbetrachtung bei Lash /Urry ..............................................158 7. 2. 3. 1 Anmerkungen zum Raumkonzept von Lash/Urry......................160

Page 6: Postmoderne Taktiken in einer strategischen ... · Heike Hoppmann pro:Vision Postmoderne Taktiken in einer strategischen Gegenwartsgesellschaft - Eine soziologische Analyse - Wissenschaftlicher

8

7. 2. 4 Jamesons Raumkonzept ...................................................................161 7. 2. 4. 1 Anmerkungen zu Jamesons Raumkonzept.................................162

7. 2. 5. Erste Zusammenfassung zu den (post)modernen Raumtheorien .163 7. 3 DIE STADT IN DER POSTMODERNE ............................................................165

7. 3. 1 Stadt als Raum symbolischen Kapitals ............................................166 7. 3. 1. 1 Stadt als Spiegel der gesellschaftlichen Machtverhältnisse.......167 7. 3. 1. 3 Die Stadt als konsumtiver Raum ................................................168

7. 3. 2 Die Stadt als Erlebnis .......................................................................169 7. 3. 2. 1 ‚Städte und die Ökonomie der Symbole‘ ...................................170 7. 3. 2. 2 Festivalisierung von Städten .....................................................173 7. 3. 2. 3 Das Prinzip Mall .........................................................................175

7. 3. 2. 3. 1 Die Mall als Performance....................................................177 7. 3. 2. 3. 2 Die Nutzung der Malls ........................................................178

7. 3. 3 Zusammenfassung ............................................................................180 7. 4 KONKRETE BEISPIELE ZUM POSTMODERNEN RAUM..................................180

7. 4. 1 Los Angeles: Sechs postmoderne Geographien...............................181 7. 4. 1. 1 Erste Geographie: Ökonomische Auswirkungen .......................182 7. 4. 1. 2 Zweite Geographie: Internationalisierung..................................182 7. 4. 1. 3 Dritte Geographie: ‚Die neue Stadt‘...........................................183 7. 4. 1. 4 Vierte Geographie: Soziale Veränderungen...............................184 7. 4. 1. 5 Fünfte Geographie: Unkontrollierbarkeit...................................185 7. 4. 1. 6 Sechste Geographie: Vorstellung vom Städtischen ...................186 7. 4. 1. 7 Zusammenfassung zu Los Angeles ............................................187

7. 4. 2 Im ‚Cyberspace‘, der ‚dritte Raum‘..................................................188 7. 4. 2. 1 Exkurs ..........................................................................................192

7. 5 ZUSAMMENFASSUNG UND SCHLUßFOLGERUNGEN ZUR RÄUMLICHEN DIMENSION DER POSTMODERNE...................................192

8 ERWARTUNGEN AN DIE POSTMODERNE: BAUMANS HOFFNUNGEN ....................................................................194

8. 1 ZIELE UND WEGE DER MODERNE .............................................................194 8. 2 HOFFNUNGEN UND WEGE DER POSTMODERNE .........................................194 8. 2.1 PLURALITÄT..........................................................................................196 8. 2. 2 DIE NEUE EXPERTENROLLE......................................................................198 8. 3 ZUSAMMENFASSUNG UND SCHLUßFOLGERUNG

ZU DEN HOFFNUNGEN IN DER POSTMODERNE ...........................................199

9 HIPHOP: POSTMODERNE PRAKTIKEN IN DER STADT ..................201

9. 1 GENESE UND HINTERGRUND VON HIPHOP................................................202 9. 1. 1 HipHop als Mittel der Verortung .....................................................204 9. 1. 2 Glokalisierung von HipHop .............................................................205 9. 1. 3 HipHop und Postmoderne ................................................................206 9. 1. 4 Die Rückeroberung der Stadt ...........................................................208

9. 2 HIPHOP – EINE FRAGMENTIERTE PRAXIS ..................................................210 9. 2. 1 Wettbewerb: Von Gangs zu HipHop ...............................................210

Page 7: Postmoderne Taktiken in einer strategischen ... · Heike Hoppmann pro:Vision Postmoderne Taktiken in einer strategischen Gegenwartsgesellschaft - Eine soziologische Analyse - Wissenschaftlicher

9

9. 2. 2 Musik: Techniken – die Taktiken des DJ ........................................211 9. 2. 2. 1 Das Sampling..............................................................................212 9. 2. 2. 2 Das ‚Scratching‘ und das ‚Punch-phrasing‘...............................214

9. 2. 3 Der Rap-Gesang ...............................................................................214 9. 2. 3. 1 Rap: die Sprache als Waffe ........................................................215 9. 2. 3. 2 Die Technik des Toasts und Scat-Gesangs ................................216 9. 2. 3. 3 Die Technik des ‚The Dozens‘ oder ‚Signifying‘ und des ‚Dissing‘ ...................................................217

9. 2. 4 Die Frage nach der ästhetischen Legitimation von Rap ..................218 9. 2. 4. 1 Einordnung der HipHop-Musik..................................................219

9. 2. 5 Der Tanz: Break-Dance....................................................................220 9. 2. 6 Der Stil: XXL-Ghetto-Mode für den Dschungle der Großstadt ......221 9. 2. 7 Graffiti – Zeichen setzen in der Stadt ..............................................221

9. 2. 7. 1 Bekämpfung von Graffiti............................................................223 9. 2. 7. 2 Die Stadt als öffentlichen Raum sehen – durch Graffiti; mit Graffiti..........................................................224

9. 3 ...NICHT NUR IN AMERIKA – HIPHOP UND DIE KULTURELLE GLOBALISIERUNG.....................................226

9. 3. 1 Beispiel: Frankreich .........................................................................227 9. 3. 2 Beispiel: Schweiz .............................................................................229 9. 3. 3 Beispiel: Deutschland.......................................................................230 9. 3. 4 HipHop – Ausdruck der Marginalisierten?......................................233

9. 4 SCHLUßBETRACHTUNG UND EINORDNUNG VON HIPHOP ..........................235

10 SCHLUßBETRACHTUNG ....................................................................238

10. 1 ZUSAMMENFASSUNG DER EINZELNEN ERGEBNISSE ...............................238 10. 2 FORDERUNGEN......................................................................................243

11 LITERATURVERZEICHNIS.................................................................244

Page 8: Postmoderne Taktiken in einer strategischen ... · Heike Hoppmann pro:Vision Postmoderne Taktiken in einer strategischen Gegenwartsgesellschaft - Eine soziologische Analyse - Wissenschaftlicher

„Es ist nicht leicht, die Postmoderne zu erzählen. Wenn es der Zweck oder der Effekt einer Erzählung ist, Ordnung in einen semantisch geladenen, aber unübersichtlichen Raum zu bringen, eine logische Konsistenz hervorzuzaubern, wo sonst das Chaos herrschen würde – dann riskiert jede Erzählung, die ihrem Daseinszweck dienen will, mehr Kohärenz zu enthalten, als der postmoderne Zustand ertragen kann“ (Bauman, 1995: 25).

1. Einleitung

Die Theorielage am Ende des 20. Jahrhunderts – sowohl in den Natur – als auch in den Geisteswissenschaften – ist dadurch gekennzeichnet, daß umfassende Lö-sungsvorschläge und Eindeutigkeiten schwinden. Großangelegte Theorien über die Gesellschaft, gesellschaftlichen Entwicklungen und sozialen Prozesse können ihrem Anspruch auf objektive Erkenntnis nicht mehr gerecht werden (vgl. Fi-scher, 1992: 9). Neue Phänomene treten auf, die mit den Theorien der Moderne nicht umfassend erklärt ‚werden können. War die Moderne noch durch einen uni-versalistischen und heute nicht mehr zutreffenden Geltungsanspruch des rationa-len und wissenschaftlichen Diskurses gekennzeichnet, so entfernt man sich in der Postmoderne von allen Formen des ‚Monismus‘, der Totalisierung, des linearen Fortschritts und der Unifizierung: „von der einen verbindlichen Utopie und den vielen versteckten Despotismen und geht statt dessen zu einem Dispositiv der Multiplizität und Diversität, der Vielfalt und Konkurrenz der Paradigmen und der Koexistenz des Heterogenen über“ (Welsch, 1988c: 33). Während in der Moderne eine Diskussion über Heterogenität und Diskontinuität möglichst zu überwinden war, „feiert der postmoderne Geist diesen Tatbestand als den einzig möglichen und einzig lebenswerten, auch wenn sich in der Theorie und Praxis damit die Pro-bleme häufen“ (Türk, 1990: 13). Dies spiegelt sich auch in den Erklärungsansät-zen wider, die die Transformationsprozesse der modernen Gesellschaft erhellen wollen. Die immer weitergehende Fragmentierung und das Nebeneinander, ‚die vielfältigen kleinen Entwürfe mit einem bescheidenerem Geltungsanspruch‘ (vgl. Fischer, 1992: 9), sind die Reaktionen darauf.

In der vorliegenden Arbeit wird die These vertreten, daß die aufgetretenen gesell-schaftlichen Veränderungen mit postmodernen Theorien umschrieben werden können. Ausgangspunkt und Rahmenbedingungen sowohl der soziologischen als auch der philosophisch-ästhetischen Interpretationen der Postmoderne sind die Transformationsprozesse in der Gegenwartsgesellschaft, die unter den Begriffen Globalisierung, Kulturalisierung und Mediatisierung zusammengefaßt werden können. Die postmodernen Theorien machen damit die Komplexität, Kontingenz, Ambivalenz und kulturelle Transformation zum Thema.

Page 9: Postmoderne Taktiken in einer strategischen ... · Heike Hoppmann pro:Vision Postmoderne Taktiken in einer strategischen Gegenwartsgesellschaft - Eine soziologische Analyse - Wissenschaftlicher

12

Die Ambition dieser Arbeit liegt darin, eine Reihe von unterschiedlichen Gegen-wartsanalysen mit beobachtbaren Phänomenen zu verbinden. Auf diese Weise soll ein Einblick in die gegenwärtige – postmoderne – Szenerie gewonnen werden, jedoch in dem Bewußtsein, daß jeweils nur ein Teil erfaßt und nur von einigen wenigen Beobachtungspunkten aus wahrgenommen wird (vgl. Friesen, 1995: 9-10). Der Grund liegt, wie Alexander richtig feststellt, darin, daß: „Postmodern theory is still, of course, very much in the making“ (Alexander, 1995: 84).

Anhand postmoderner Interpretationen lassen sich produktive und kreative Dimensionen des Handelns im Alltag erkennen und erklären. Moderne Theorien können die auftretenden postmodernen Praktiken in der Gegenwart nur unzurei-chend erklären, da sie von anderen Vorannahmen ausgehen. Um einen Blick auf die ‚Listen‘ und ‚Finten‘, auf die ‚Kunst des Handelns‘ (de Certeau, 1988) zu wer-fen, müssen andere Ansätze herangezogen werden.

Postmoderne Theorien liefern Ansatzpunkte, die die kulturellen Praktiken der ‚Schwachen‘ – der Konsumenten – in den Vordergrund rücken. In den Praktiken der Konsumenten und Nutzern von Produktionen der spätindustriellen Gesell-schaft verkörpert sich ein ‚Netz von Antidisziplinen‘, das insbesondere in Jugend-kulturen zu beobachten ist. Mit ihren kulturell-ästhetischen Praktiken unterlaufen sie u.a. die ‚Strategien‘ der Kulturindustrie. Diese verborgenen Aktivitäten wer-den als Möglichkeiten des Handelns angesehen, wie sie bei de Certeau beschrei-ben werden. Durch diese Praktiken werden Orientierungsmöglichkeiten aufge-zeigt, die Hoffnung geben – ‚pro:Vision‘.

1.1 Annahmen Da ‚Postmoderne‘ ein schillernder Begriff ist, der genauso gerne von Kritikern wie von Vertretern eben dieser Theorierichtung benutzt wird, sind einige Annah-men und Differenzierungen zur Abgrenzung notwendig. ‚Postmoderne‘ wird in dieser Arbeit nicht als Epochenbegriff verstanden, der einen genau zu beziffern-den Zeitraum umfaßt und dessen Gehalte jenseits der Moderne liegen. Unter ‚Postmoderne‘ werden hier Prozesse summiert, die die Moderne genauso betref-fen wie die Postmoderne. Allerdings muß die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, daß die beobachtbaren Phänomene sich zu einer Gesamtsumme von Aspekten eines neuen Gesellschaftstyps zusammenfügen, der sich ausreichend vom modernen Modell unterscheidet, um ein eigenes – postmodernes – Modell zu benötigen. Ein neuer Terminus – Postmoderne – stellt dies heraus. Ebenso wird an dieser Stelle auf die teilweise verwirrende Benutzung unter-schiedlicher Begriffe aufmerksam gemacht. Der Ausdruck ‚Postmodernisierung‘ scheint grundsätzlich der geeignetere Begriff für den zu beobachtenden Prozeß der Transformation zu sein. Ob aus pragmatischen Gründen oder aus Unachtsam-keit, der Terminus ‚Postmoderne‘ wird häufiger benutzt, obwohl er einen abge-schlossenen Prozeß beschreibt. Viele Autoren benutzen ‚Postmoderne‘, ‚Postmo-dernisierung‘ und ‚Postmodernität‘ auch analog. Denzin liefert in seinen Vorbe-

Page 10: Postmoderne Taktiken in einer strategischen ... · Heike Hoppmann pro:Vision Postmoderne Taktiken in einer strategischen Gegenwartsgesellschaft - Eine soziologische Analyse - Wissenschaftlicher

13

merkungen eine Abgrenzung der Begriffe ‚Postmodern‘ und ‚Postmodernism‘, die den Unterschied verdeutlicht:

„Postmodern That which follows the modern; after World War II; a phase of ca-pitalism; a movement in the arts; a form of social theory; that cannot be avoided; undefinable.“

„Postmodernism Living the postmodern into experience; a set of emotional ex-periences defined by ressentiment, anger, alienation, anxiety, poverty, racism, and sexism; the cultural logics of late capitalism“ (Denzin, 1994: vii).

Schwierigkeiten ergeben sich dort, wo die Grenze zwischen Moderne und Post-moderne gezogen werden soll. Genaue Datierungen, wie die z.B. von Jencks in der Architektur vorgeschlagene Orientierung an der Sprengung eines modernen Wohnkomplexes sind hier nicht möglich. Dazu gibt es zu viele einzelne Gesell-schaftsbereiche, die Einfluß auf die Transformation der Gesellschaft haben. In dieser Arbeit wird in Anlehnung an die Literaturvorlagen der Begriff ‚Postmo-derne‘ benutzt, auch wenn damit der Prozeßcharakter beschrieben werden soll. An exponierten Stellen steht der Begriff ‚Postmodernisierung‘, wenn eindringlich auf den bestehenden Verlauf eingegangen wird. Weiterhin wird gegen einen inflationären Gebrauch des Begriffs ‚Postmoderne‘ eingetreten, der sich auf jede Beliebigkeit beziehen darf. Unter dem Begriff ‚Postmoderne‘ werden Prozesse dargestellt, die durch ihre Schlüsselbegriffe und Leitmotive beschrieben werden können (vgl. Kap. 3).

1. 2 Hauptthesen - In dieser Arbeit wird als erste Hauptthese die Meinung vertreten, daß die Post-moderne keinen Bruch mit der Moderne, sondern vielmehr ihre Fortsetzung und teilweise die logische Konsequenz aus ihren Ansätzen darstellt. “Ihr Grundinhalt – Pluralität – ist von der Moderne des 20. Jahrhunderts selbst schon propagiert worden...“ (Welsch, 1988a: 6). Sie ist demnach auch keine Trans- oder Anti-Mo-derne. Neu an der Postmoderne ist die zentrale Gewichtung von kulturellen Phä-nomenen, die sich in allen Gesellschaftsbereichen finden lassen. - Als weitere und zweite Hauptthese wird die bereits genannte Durchsetzung von Pluralität in der Postmoderne gesehen, die akzeptiert und bejaht wird. Diese Plu-ralität kann als radikal angesehen werden, weil sie alle Bereiche der Gegenwarts-gesellschaft tangiert und Einfluß auf die Lebenswirklichkeit nimmt (vgl. Welsch, 1988a: 5). - Damit verbunden ist die dritte Hauptthese, daß es nicht nur eine Möglichkeit der Auslegung von Sachverhalten gibt, sondern eine Vielzahl an Interpretationen, was beispielsweise auch von Lyotard herausgestellt wird (vgl. dazu Kap. 2. 2. 2). Diese drei Hauptthesen sollen den hier benutzten Begriff von Postmoderne umschreiben und von anderen Annahmen abgrenzen. - Ein weiterer Schwerpunkt dieser Arbeit wird mit der vierten Hauptthese abge-deckt: Um postmodernes Handeln verständlich zu machen, muß ein Blick auf die

Page 11: Postmoderne Taktiken in einer strategischen ... · Heike Hoppmann pro:Vision Postmoderne Taktiken in einer strategischen Gegenwartsgesellschaft - Eine soziologische Analyse - Wissenschaftlicher

14

kreative Auseinandersetzung mit den Produkten der Kulturindustrie (Filme, Musik, Stars usw.) geworfen werden. Dadurch wird deutlich, daß es ein ‚Netz von Antidisziplinen‘ gibt. In dieser Arbeit wird dies als die ‚Kunst des Handelns‘ angesehen, die Hoffnung gibt: ‚pro:Vision‘ in einer ‚strategischen Gesellschaft‘.

1. 3 Überblick Die Hauptthesen der Postmoderne bilden die Grundlage in den folgenden Kapi-teln. Um den ‚postmodernen‘ Taktiken in einer ‚strategischen‘ Gesellschaft näher zu kommen, müssen verschiedene Erklärungsansätze, Instrumentarien und unter-schiedliche Bereiche der Gesellschaft beleuchtet werden. Zum Einstieg werden im zweiten Kapitel verschiedene Perspektiven zur Zeitdia-gnose der Gegenwart vorgestellt. Die reflexive Moderne oder Zweiten Moderne nach Beck und die radikalisierte oder Spät-Moderne nach Giddens sollen Auf-schluß über die Perspektive von modernen Theoretikern geben. Als exponierte postmoderne Theoretiker werden Jameson, Lyotard und Baudrillard vorgestellt, die zugleich auf die Bandbreite von postmodernen Ansätzen aufmerksam machen. Das Kapitel über die unterschiedlichen Zeitdiagnosen ist weiterhin zum Einstieg gewählt worden, um zu zeigen, daß im laufenden Prozeß nur Diagnosen und keine Autopsie möglich sind. Meier stellt richtig heraus, daß unterschiedliche Diagno-sen ihren Gegenstand, nämlich die Diagnose der Gegenwart, auch in ihrer Ver-schiedenheit und Widersprüchlichkeit erhellen können (vgl. Meier, 1990: 14). Das dritte Kapitel gibt Aufschluß über die Schlüsselbegriffe und Leitmotive der Postmoderne und stellt damit ein Instrumentarium zur Verfügung, mit dem die Phänomene der Gegenwart analysiert werden können. Außerdem wird auf die Schwierigkeit aufmerksam gemacht, einen fragmentierten und ambivalenten Bereich, wie postmodernes Handeln, methodisch zu analysieren. Unterschiedliche Schwerpunkte der Theoriebildung werden hier kurz angerissen. Das vierte Kapitel faßt Rahmenbedingungen zusammen. Als Rahmenbedingungen für die Gegenwartsgesellschaft werden die neue Gewichtung von Kultur und die Globalisierungstendenzen als bedeutende Veränderungen zu modernen Gesell-schaften herausgestellt. Unter diesen Bedingungen finden die ‚Antidisziplinen‘ statt. Des weiteren wird hier der Ansatz von de Certeau (1988) vorgestellt, der dieser Arbeit durch das darin vorgestellte Vokabular den Titel gab. Die Begriffe ‚Taktiken‘ und ‚Strategien‘ werden verdeutlicht und die ‚Kunst des Handelns‘ erläutert, die sich als theoretischer Faden durch diese Arbeit zieht. Das fünfte Kapitel ist der sichtbaren Dimension der Postmoderne, der Architek-tur, gewidmet. Anhand des prominentesten und populärsten Artikulationssektors der Postmoderne werden Schlüsselbegriffe und Konzepte von Postmodernität sichtbar gemacht, wobei Architektur von jeher als visueller Ausdruck gesell-schaftlicher Ideen1 galt.

1 Als erschreckendes Beispiel der jüngsten Geschichte sei hier an die ‚Machtarchitek-

tur‘ von Speer für das Naziregime erinnert, aber auch an ‚die Agora‘ in der klassi-schen Antike als Platz der ‚Demokratie‘ .

Page 12: Postmoderne Taktiken in einer strategischen ... · Heike Hoppmann pro:Vision Postmoderne Taktiken in einer strategischen Gegenwartsgesellschaft - Eine soziologische Analyse - Wissenschaftlicher

15

Mit dem sechsten Kapitel wird die soziokulturelle Dimension der Postmoderne am Beispiel der Jugend beschrieben. Die Jugend stellt in den Gegenwartsgesell-schaften den Bereich der größten und schnellsten Veränderungen dar. Neue Ideen werden bei Jugendlichen unbekümmerter und schneller ausprobiert als in anderen Bevölkerungsgruppen. Mittels der Bereiche Medien, Stile und Sprache wird auf die neuen postmodernen Entgegnungen der drohenden Atomisierung durch die Individualisierung aufmerksam gemacht. Durch eine neue ästhetische Sensibili-sierung in der Postmoderne und durch die Wahl neuer kultureller Ressourcen kommt es zu postmodernen Identitätskonstruktionen und zur Konstitution von sozialen Gemeinschaften (vgl. Winter, 1995: 2), die in dieser ausgeprägten Form in der Moderne nicht beobachtet wurden. Weiterhin werden auch bei den Jugend-kulturen einige Schlüsselbegriffe der Postmoderne und die ‚Kunst des Handelns‘ deutlich. Das siebte Kapitel diskutiert dann die räumliche Dimension der Postmoderne. Einzelne Theorien zur Darlegung der postmodernen Phänomene im Raumbezug werden anhand von zwei konkreten Beispielen, nämlich anhand von Los Angeles und den Cyberpunks, auf ihren Realitätsbezug und Erklärungsgehalt untersucht. Außerdem wird explizit auf die Veränderungen im städtischen Raum eingegan-gen. Wichtig ist auch hier die Frage, welche Veränderungen im Vergleich zur Moderne festgestellt werden können und ob diese Veränderungen als postmodern konstatiert werden können. Mit der Betrachtung von Los Angeles soll der verän-derte Umgang mit dem Raum am Beispiel einer Stadt dargelegt werden. Mittels der Cyberpunks soll die Eroberung neuer Räume und deren Bedeutung für die Konstitution von Gemeinschaften analysiert werden. Anzumerken ist, daß dieses Kapitel über die Cyberpunks Parallelen zum Kapitel über die soziokulturelle Dimension aufweist. Die Zuordnung zum Raumkapitel erfolgte jedoch bewußt, um auch die Eroberung von neuen Räumen deutlich zu machen. Das achte Kapitel behandelt keine konkret zu beobachtenden Phänomene, son-dern legt die Hoffnungen von Bauman auf die Postmoderne dar. Zugleich zeigt dieses Kapitel, daß auch in den Theorien der Postmoderne eine Perspektive auf eine bessere Zukunft enthalten ist und daß die These „Ästhetik statt Ethik“ (vgl. Ferchhoff, 1988: 1016) keine Gültigkeit hat. Das neunte Kapitel stellt eine Art Zusammenfassung der bereits erarbeiteten Phä-nomene und Begriffe dar. Anhand von HipHop wird das postmodern-ästhetische Handeln verdeutlicht. ‚Finten‘ und ‚Schliche‘ werden durch die postmodernen Taktiken offenbart, die Grund zur Hoffnung – pro:Vision – geben. Das Schlußkapitel faßt nochmals die wichtigsten Ergebnisse dieser Arbeit zusammen und weist auf neue Anknüpfungspunkte und Forderungen an die soziologischen Theorien der Gegenwart hin.

Page 13: Postmoderne Taktiken in einer strategischen ... · Heike Hoppmann pro:Vision Postmoderne Taktiken in einer strategischen Gegenwartsgesellschaft - Eine soziologische Analyse - Wissenschaftlicher

2 Zeitdiagnosen: Verschiedene Ansätze zur Erklärung der Transformationsprozesse

Reflexive Moderne – oder Zweite Moderne, Spätmoderne oder radikalisierte Moderne und Postmoderne sind die konkurrierenden soziologischen Diagnosen der Gegenwart. Eine Übersicht, die die verschiedenen Ansätze in Kürze darstellt, soll einen Einblick ermöglichen. Zuerst werden Vertreter der Moderne zu Wort kommen, die entweder die refle-xive Moderne (Beck) oder die radikalisierte Moderne (Giddens) für eine ange-messene Beschreibung der heutigen Verhältnisse unserer Gesellschaft halten. Danach werden verschiedene Vertreter der Postmoderne vorgestellt, die teilweise radikale Ansichten vertreten. Dies gibt einen Einblick in die diversen Ansatz-möglichkeiten zur Darlegung der heutigen Phänomene. Als exponierte Vertreter der Postmoderne werden Jameson, Lyotard und Baudrillard mit ihren Hauptthesen vorgestellt. Ziel dieses Kapitels ist es, die unterschiedlichen Perspektiven zu ver-deutlichen.

2. 1 Vertreter der Moderne Zur Erklärung der Transformationsprozesse der modernen Gesellschaft werden zuerst die Positionen der Vertreter der Moderne vorgestellt2. Beck gilt als Vertre-ter der ‚reflexiven Moderne‘ , Giddens als einer der ‚Spät-‘ oder ‚radikalisierten Moderne‘ . Bei der Darstellung der Theorien liegt das Hauptaugenmerk auf deren Relationen zur Postmoderne und der jeweiligen Begründung, warum die Bezeich-nung Postmoderne abgelehnt wird. Als Gemeinsamkeiten stellen Lash/Urry bei beiden Vertretern der modifizierten Moderne zunächst folgendes heraus:

„Both break from accepted notions of modernism and postmodernism; (...); they see modernity in terms of a central and increasing place for reflexivity; (...); they identify a central place for the role of risk in contemporary society; and, crucially for us, they leave very little space for the aesthetic, for the body, for difference and heterogeneity in their idea of reflexivity and modernity“ (Lash/Urry, 1994: 37).

2. 1. 1 Der Ansatz von Beck „Auf dem Weg in eine andere Moderne“ lautet der Untertitel von Becks Buch über die Risikogesellschaft. Damit grenzt er die ‚einfache‘ (vgl. Beck, 1992: 14) Moderne von der reflexiven Moderne ab. Für Beck ist die einfache Moderne durch den Nationalstaat und die industrielle Gesellschaft gekennzeichnet, wobei

2 Dabei wird die Vereinfachung und Verkürzung der unterschiedlichen Ansätze be-

wußt in Kauf genommen, um das Ziel, einen Überblick zu verschaffen, zu ermögli-chen.

Page 14: Postmoderne Taktiken in einer strategischen ... · Heike Hoppmann pro:Vision Postmoderne Taktiken in einer strategischen Gegenwartsgesellschaft - Eine soziologische Analyse - Wissenschaftlicher

17

die Produktion von Waren und die Verteilung von Gütern im Vordergrund stand. In der Risikogesellschaft, dem zweiten Stadium der Moderne, wird das nationale durch das globale Handeln abgelöst. Zudem werden anstelle von Gütern Risiken verteilt. Damit tauchen zugleich Gefährdungen auf, die nicht mehr vorhersehbar und damit zu versichern sind. So überschreiten Gefahren, wie sie durch Tscher-nobyl oder durch den Treibhauseffekt entstanden sind, raum-zeitliche Begrenzun-gen und werden unüberschaubar. Um dem begegnen zu können, fordert Beck die Entwicklung von Reflexivität. Diese, systemisch als auch individuell, soll den Bedrohungen, wie globalen Gefährdungen durch Umweltzerstörung (vgl. Beck, 1992: 29ff) oder auch individuellen Gefährdungen durch die Verantwortung für die eigene Biographie (vgl. Beck, 1992: 205ff), entgegen getreten werden. Die Risikogesellschaft bezieht sich bei Beck vor allem auf die Dimension von Technikfolgen aus der Moderne. Durch die Selbstkontrolle sowohl beim Indivi-duum als auch beim System soll mit der herrschenden Unsicherheit umgegangen werden. Beck geht dabei von kognitiven Lösungen aus. Damit soll auch das unbe-rechenbare Risiko berechenbar gemacht werden. In neuen Arbeiten nennt Beck seine Gegenwartsanalyse ‚Zweite Moderne‘: Die Akzentverschiebung begründet er mit den Globalisierungstendenzen (vgl. Beck, 1997a: 142), die stärkeren Ein-fluß auf die Gesellschaft nehmen, als er sie in der ‚reflexiven Moderne‘ beschrie-ben habe. Die ‚Zweite Moderne‘ zeichnet sich durch besondere Reflexivität aus – wie die ‚reflexive Moderne‘. Als einen weiteren Hauptpunkt der ‚Zweiten Moder-ne‘ bezeichnet Beck die politische Einmischung in der globalen Welt (vgl. Beck, 1998) – eine Forderung, die bereits für die ‚reflexive Moderne‘ aufgestellt wurde3.

Für das Individuum bedeutet die Reflexivität, daß es auf sich selbst bezogen han-deln muß. Als eine Möglichkeit spricht Beck die Mikropolitik mit den sozialen Bewegungen an. Auch dieser reflexive Ansatz wird kognitiv gelöst, da Beck davon ausgeht, daß die Bürger einer Gesellschaft ihr Recht an Partizipation ein-fordern werden, wenn sie sich der Risiken und Probleme der heutigen Zeit bewußt sind (vgl. Beyme,von 1991: 326). ‚Greenpeace‘ ist eine von Beck beschriebene moderne soziale Bewegung, die eine Partizipation in allen ökologischen Berei-chen der Gesellschaft anstrebt. Soweit sollen die Ausführungen zu Becks Ansatz der reflexiven Moderne genü-gen, um einen Einblick zu vermitteln. Gegen die Postmoderne spricht er sich be-reits im Vorwort aus, wenn er unter ‚post‘ „das Codewort für Ratlosigkeit, die sich im Modischen verfängt“ (Beck, 1992: 12) versteht. Da auch Giddens sich gegen den Begriff Postmoderne wehrt, wird zuerst sein Ansatz vorgestellt, um danach einige Anmerkungen zu den Vertretern der modifi-zierten Moderne anzuschließen.

3 Weiss (1998) macht auf Schwachpunkte der Theorie der ‚Zweiten Moderne‘, die u.

a. auch von Giddens vertreten wird, aufmerksam. Sein Resultat der kritischen Ana-lyse ist, daß die Theorie der ‚Zweiten Moderne‘ keine zusätzlichen Perspektiven er-öffnet (vgl. 416-424).

Page 15: Postmoderne Taktiken in einer strategischen ... · Heike Hoppmann pro:Vision Postmoderne Taktiken in einer strategischen Gegenwartsgesellschaft - Eine soziologische Analyse - Wissenschaftlicher

18

2. 1. 2 Der Ansatz von Giddens Giddens tritt für eine ‚totalisierende Theorie‘ der Spätmoderne ein und wider-spricht damit den postmodernen Bedenken gegen einen ganzheitlichen Ansatz (vgl. Giddens, 1992: 18). Sein Hauptargument liegt in der institutionellen Dimen-sion der Spätmoderne, die nicht nur mit fragmentierten und lokalen Gegebenhei-ten und Einzelereignissen erklärt werden kann. Begreift man ‚Institutionalisie-rung‘ als den Prozeß der Verfestigung von regelmäßig wiederkehrenden Mustern, die in einer Gesellschaft getragen und gelebt werden (vgl. Hartfiel/Hillmann, 1972: 341-342), so folgt daraus die Forderung eines übergreifenden Ansatzes. Giddens sieht die institutionelle Dimension in den entflechtenden Mechanismen (z.B. Geld und abstrakte Systeme, wie das Expertentum) und der damit einherge-henden Globalisierung. Diese Phänomene sind nicht nur lokal, sondern weltweit zu beobachten. Da die genannten Mechanismen nicht allein extensional wirken, schaffen sie auch eine neue Unmittelbarkeit, die sich u.a. in den globalen Risiken widerspiegelt (vgl. Giddens, 1992: 27). Als weiteres Merkmal der Spätmoderne sieht er die institutionelle Reflexivität (vgl. Giddens, 1992: 28). Damit bezieht er sich auf das Überdenken von bereits verfestigten Mustern in der Gesellschaft. Von den Sozialwissenschaftlern als Ex-perten fordert er daher auch „ ein reflexives Bewußtsein über die institutionelle Reflexivität“ (Giddens, 1992: 23). Durch die genannten Charakteristika sieht Gid-dens die heutige Zeit als ‚radikalisierte Moderne‘ an. Giddens Argumente gegen die Bezeichnung ‚Postmoderne‘ liegen vor allem darin, daß er für universalistische Prinzipien und Phänomene, wie z.B. in der Wertedebatte und Ethik, oder Globalisierung eintritt, die er in der Postmoderne als einen fragmentierten und kontextuellen Ansatz nicht verwirklicht sehen kann (vgl. Giddens, 1992: 10, 17). Postmoderne Begriffe erfassen

„nur einen Aspekt gegenwärtiger gesellschaftlicher Erfahrung. Fragmentierung von Erfahrung, ein Akzeptieren von Pluralismus sowohl auf der Ebene des intel-lektuellen Diskurses als auch auf der des Alltagslebens, ist tatsächlich ein für die Gegenwart charakteristisches Phänomen. Das gilt allerdings auch für die Verein-heitlichung des gesellschaftlichen Lebens“ (Giddens, 1992: 16).

Seine Nähe zu postmodernen Ansätzen spiegelt sich aber in der Forderung wider, eine Beziehung zwischen Theorie und Praxis in der spätmodernen Theorie zu bestimmen (vgl. Giddens, 1992: 18) oder bei der Betonung auf den Beobachtun-gen im Alltagsleben (vgl. Giddens, 1992: 14). Dies sind ebenso postmoderne For-derungen. Betrachtet man die Forderung nach einer universalen Ethik, so wird die Nähe zu Baumans Ansatz (vgl. Kap. 8) sichtbar, der als Vertreter der postmoder-nen Theorie gilt. Der Unterschied zwischen beiden liegt in der Verwirklichung: Giddens sieht eine Möglichkeit im ‚utopischen Realismus‘, der sich durch die institutionelle Reflexivität in Bezug auf die institutionellen Dimensionen der Mo-derne (Kapitalismus, Industrialismus, militärische Macht und Überwachung, vgl. Giddens, 1992: 36) ergibt. Baumans Hoffnungen liegen dagegen in den Handlun-gen der einzelnen Akteure. Beachtet man aber Giddens Vorschlag der ‚Dualität‘ ,

Page 16: Postmoderne Taktiken in einer strategischen ... · Heike Hoppmann pro:Vision Postmoderne Taktiken in einer strategischen Gegenwartsgesellschaft - Eine soziologische Analyse - Wissenschaftlicher

19

d.h. dem Zusammenspiel von Struktur und Handlung (vgl. Giddens, 1988: 77), so kann auch hier eine Verbindung zu postmodernen Theorien aufgebaut werden.

2. 1. 3 Anmerkungen zu Beck und Giddens Die beiden modernen Ansätze gehen davon aus, die heutige Zeit im Kontext vor-moderner Traditionen zu begreifen, und nicht aus einer postmodernen Perspek-tive. Gleichzeitig brechen sie mit einem linearen Zeitverständnis einer sich ent-faltenden Moderne als dem noch ‚unvollendeten Projekt‘ .

“Beck und Giddens geht es darum, daß die Moderne sich in der Tat transformiert hat, allerdings nicht zur Postmoderne, sondern in die neue Gestalt einer reflexiv gewordenen Moderne“ (Lash, 1992: 262).

Die Theorien haben den Vorzug, daß sie das Verhältnis von Handlung und Struk-tur beleuchten. War Handeln unter traditionellen Bedingungen größtenteils durch die Struktur erklärbar, so nimmt der Anteil des nicht-strukturdeterminierten Han-delns in der reflexiven Moderne zu (vgl. Lash, 1992: 273). Allerdings reicht es nicht aus, die Reflexivität nur unter kognitiven Gesichtspunkten zu fordern, wie dies von Beck und Giddens getan wird. Eine Erweiterung um eine ästhetische Reflexivität wird daher nötig. Im Ansatz von Lash/Urry (Kap. 7.2.3) wird dies demonstriert. Lash kritisiert, daß die „kulturellen und speziell die ästhetischen Aspekte der Moderne“ (ebd. : 262) weitgehend ausgeklammert werden, dafür nur die Reflexivität aufgenommen wird. Wie im Verlauf dieser Arbeit noch gezeigt wird, erfährt aber gerade der von Beck und Giddens ausgeklammerte Teil eine größere Bedeutung in der heutigen Gesellschaft. Der kulturelle Bereich im Alltagsleben, welches mit Symbolen und Zeichen ange-häuft ist, wird dagegen in den postmodernen Ansätzen in den Vordergrund gestellt. In dem folgenden Abschnitt werden einige Positionen vorgestellt, zum Teil auch von radikalen Vertretern der Postmoderne, die für einen Bruch mit der Moderne eintreten.

2. 2 Vertreter der Postmoderne Die folgenden Ausführungen zu ausgewählten Vertretern der Postmoderne sollen die Bandbreite der Ansätze wiedergeben. Auch hier muß eine Verkürzung und Vereinfachung genügen, um einen Überblick zu erreichen. Es folgen die Theorie-ansätze von Jameson, Lyotard und Baudrillard, die zum engeren Umkreis der postmodernen Kulturtheorie gehören. Die Ansätze sind durch die Annahme ver-bunden, daß sich der Prozeß der Postmodernisierung durch eine radikal neue Kul-tur auszeichnet. „Auf den historischen Wandel versuchen diese Autoren, die zum Teil aus der Tradition des westlichen Marxismus kommen, mit neuen Theorien und Konzeptionen zu antworten“ (Winter, 1995: 38; vgl. Zima, 1997).

Page 17: Postmoderne Taktiken in einer strategischen ... · Heike Hoppmann pro:Vision Postmoderne Taktiken in einer strategischen Gegenwartsgesellschaft - Eine soziologische Analyse - Wissenschaftlicher

20

2. 2. 1 Der Ansatz von Jameson Fredric Jameson stellt die Veränderungen der heutigen westlichen Gesellschaft im Zusammenhang mit der Weiterentwicklung des Kapitalismus dar. Angelehnt an das Stufenmodell von Mandel kennzeichnet er die gegenwärtige Situation als eine spätkapitalistische, multinationale Zeit (vgl. Denzin, 1994: 43). Davor sieht Jame-son die Stufe der Ausdehnungen des Kapitalismus bezogen auf den Markt, d.h. die Vergrößerung des Industriekapitals über nationale Märkte, und die Stufe des Monopolkapitalismus. Hier wurden nationale Märkte zu internationalen Märkten, die von den imperialen Kräften beherrscht wurden (vgl. Connor, 1990: 45). Der heutige multinationale oder konsumartige Kapitalismus ist nach Jameson die rein-ste Form von Kapital, welches nun in alle Bereiche eindringen kann (vgl. Jame-son, 1984: 78). Dabei spielt die Werbung, die auf ästhetische Weise Produkte zu verkaufen sucht, eine große Rolle. Durch sie und durch die Massenmedien ist es möglich, daß der Kapitalismus alle Bereiche der Gesellschaft durchdringen kann.

„The postmodern machine, organized by the logic of the simulacrum, reproduces, rather than produces. The aesthetic embodiment of this process, especially in ad-vertising, film, and television does more than merely replicate the logic of late capitalism; it reinforces and intensifies it4 ‘ “ (Denzin, 1994: 42-43).

Der Marxismus kann nach Jameson den theoretischen Rahmen stellen, um das Verhältnis von Kultur und Ökonomie in der heutigen Gesellschaft zu erklären. Gleichzeitig bemüht er sich durch den Rückgriff auf den Marxismus, und den damit verbundenen Entwurf einer sozialen Theorie der Postmoderne um einen ganzheitlichen Ansatz. Diese Totalisierung setzt Jameson von Baudrillard und Lyotard ab, macht ihn aber für die soziologische Analyse interessant (vgl. Winter, 1995: 38). Weiter zeigt sich in seiner Vorgehensweise, daß er im Postmodernis-mus keinen Bruch mit der Moderne sieht, sondern eine Entwicklungsstufe des Kapitalismus. In seinen Analysen sieht Jameson das Konzept der Postmoderne als die kulturelle Dominante der letzten Phase des Kapitalismus (vgl. Jameson, 1984: 55). Radikal neue soziale und kulturelle Formen entstehen unter den postmodernen Bedingun-gen, die Jameson mit den folgenden Merkmalen beschreibt: neue Oberflächlich-keit, Verlust von Historizität und eine neue Intensität (vgl. Jameson, 1984: 58). Nach Jameson läßt sich die neue Oberflächlichkeit daran ablesen, daß das Pasti-che in den Vordergrund rückt. Das Original existiert dabei nicht mehr, sondern nur noch das Imitat. Unterschiedliche Stile und Muster werden z.B. in den Me-dien oder in der postmodernen Architektur zitiert und lassen keinen absoluten Beobachtungspunkt mehr zu (vgl. Jameson, 1984: 64ff und Winter, 1995: 41). Der Verlust von Historizität wird darin deutlich, daß ein wahlloses ‚Wildern‘ (de Certeau) in verschiedenen Epochen zu beobachten ist. Die Vergangenheit und die Erinnerung wird ausgelöscht (vgl. Jameson, 1984: 66). Mit den neuen Intensitäten beschreibt Jameson den Verlust der emotionalen Reaktion des Subjekts auf die

4 Denzin zitiert hier: Jameson, 1984: 85

Page 18: Postmoderne Taktiken in einer strategischen ... · Heike Hoppmann pro:Vision Postmoderne Taktiken in einer strategischen Gegenwartsgesellschaft - Eine soziologische Analyse - Wissenschaftlicher

21

Umwelt. Weder Angst noch andere Gemütszustände werden in der postmodernen Kultur ausgedrückt. Stattdessen treten hohe und niedrige Energiezustände von Intensitäten an deren Stelle (vgl. Winter, 1995: 41).

Einen anderen Punkt spricht Jameson bei seiner Raumbetrachtung an, in der er das Subjekt als desorientiert herausstellt. Dies wird eingehend im Kapitel über den Raum (vgl. Kap. 7.2.4) dargelegt und soll hier als Hinweis genügen. Jameson sieht in den genannten Merkmalen einen Beleg für das Aufkommen einer post-modernen Erlebniskultur, mit der der entstandenen Kontingenz im Spätkapitalis-mus begegnet werden kann (vgl. Winter, 1995: 40).

2. 2. 2 Der Ansatz von Lyotard Der Begriff der ‚Postmoderne‘ wurde bislang in der Philosophie am bestimmte-sten artikuliert, vor allem in der französischen. Dabei hat sich der Philosoph Jean-Franςois Lyotard als einer der ersten in seinem Buch ‚La Condition postmoderne‘ mit dem Begriff befaßt. In dieser Auftragsarbeit für den Universitätsrat der kana-dischen Provinzregion Québec untersuchte er die möglichen Veränderungen „für das Wissen in den am höchsten entwickelten Industriegesellschaften unter dem Einfluß der neuen Informations-Technologien“ (Welsch, 1988a, 31). Einerseits hängt eine Besonderheit des nachmodernen Wissens von der neuen Kommunika-tionstechnologie ab, andererseits muß es diese auch als Herausforderung sehen, die kritisch zu hinterfragen ist. Lyotard stellte dabei als eine fundamentale Er-kenntnis heraus, daß die Meta-Erzählungen der Moderne, welche ebenso vom Fortschrittsglauben wie von Hoffnungen getragen werden, hinfällig geworden sind (vgl. Türk, 1990: 64, Connor, 1990: 28). Er gewinnt den Begriff ‚Postmo-derne‘ also aus einer Reflexion auf die Eigenart modernen Wissens.

„Bei extremer Vereinfachung hält man die Skepsis gegenüber den Metaerzählun-gen für ‚postmodern‘. Diese ist ohne Zweifel ein Resultat des Fortschritts der Wissenschaften; aber dieser Fortschritt setzt seinerseits diese Skepsis voraus. Dem Veralten des metanarrativen Dispositivs der Legitimation entspricht na-mentlich die Krise der metaphysischen Philosophie und der von ihr abhängigen universitären Institution. Die narrative Funktion verliert ihre Funktoren, den gro-ßen Heroen, die großen Gefahren, die großen Irrfahrten und das große Ziel“ (Lyotard, 1986a: 14).

Durch die neuen Technologien werden Informationen in ihre kleinsten Einheiten zerlegt, so daß das Ganze zerstört wird. Auch stellte Lyotard das Fehlen von letz-ten Sicherheiten im Zusammenhang mit dem Vormarsch der Informationstechno-logie fest. Wahrheit oder Falschheit wird demnach immer unwichtiger, da „in-folge von Veränderungen beim Erwerb, bei der Speicherung, Verteilung und Manipulation von Information (...) diese sich zunehmend zur Ware entwickelt (hat)“ (Loo/Reijen, 1992: 260). Ein weiterer wichtiger Punkt bei Lyotard bezieht sich auf die mögliche Vielfalt . Durch die Zersetzung eines Ganzen in kleinste Einheiten ist deren beliebige Zu-ordnung wiederum möglich. Es herrscht dabei eine Gleichberechtigung unter die-

Page 19: Postmoderne Taktiken in einer strategischen ... · Heike Hoppmann pro:Vision Postmoderne Taktiken in einer strategischen Gegenwartsgesellschaft - Eine soziologische Analyse - Wissenschaftlicher

22

sen Fragmenten. „Neu ist vor allem daran, daß dieser Befund des Pluralismus nicht nur erhoben und festgestellt, vielleicht sogar bedauert wird, sondern als Chance und Zugewinn begriffen wird“ (Türk, 1990: 65). Welsch faßt dieses Hauptmerkmal der postmodernen Theorie von Lyotard zusammen, wenn er sagt, daß der negative Minimalbegriff der Postmoderne sich auf die Verabschiedung der Einheitswünsche bezieht, daß aber erst die Zustimmung zur Multiplizität, ihr Erkennen als Gewinn und Chance, das Postmoderne am postmodernen Bewußt-sein ausmacht (vgl. Welsch, 1988a: 33).

Lyotard sieht die Postmoderne als eine Art Geisteshaltung, die die Hypotheken der Moderne in sich trägt, also weder einen Bruch beinhaltet, noch als eine datier-bare Epoche anzusehen ist. In seinem Ansatz ist die Forderung des Redigierens, des Durcharbeitens der Moderne enthalten. Allerdings sieht Lyotard den Plura-lismus als unüberbrückbar an, so daß sich ein Ganzes aus einzelnen Teilen erge-ben könnte. Für ihn gibt es keine oberste Instanz, die das Recht zum Zusammen-fassen hätte; er nennt die Kluft zwischen den Fragmenten ‚Widerstreit ‘ (vgl. Loo/Reijen, 1992: 261). Eine Forderung, die sich für Lyotard daraus in bezug auf das Wissen ergibt, ist die pragmatische Forderung ‚des freien Zugangs zu den Speichern und Datenbanken für die Öffentlichkeit‘ (vgl. Lyotard, 1986a: 192), wo es ebenfalls keine oberste, wachende Instanz geben darf.

2. 2. 3 Der Ansatz von Baudrillard Jean Baudrillard ist ein Autor, der innerhalb eines neomarxistischen Rahmens ein facettenreiches Werk über die kulturellen Phänomene in der Gesellschaft entwic??kelt hat. Damit ist seine Nähe zur Postmoderne impliziert. Seit den Analysen von Marx sieht er eine Veränderung im Kapitalismus, die nicht mehr durch die materiellen Produktionsverhältnisse erklärt werden kann. Wichtiger für die Reproduktion der Gesellschaft als die Arbeitskraft sind die Bedürfnisse und die Mobilisierung der Konsumenten. Damit geht eine neue Konsumethik einher, die die Arbeitsethik abgelöst hat (vgl. Zima, 1997: 91ff. ).

„Seine Analyse zeigt, daß in der spätkapitalistischen Gesellschaft eine neue Lo-gik des Zeichenwerts die Herrschaft übernommen hat, die von Marx in seiner Analyse der Ware, die sich auf die Beziehung zwischen Gebrauchs- und Tausch-wert konzentrierte, noch nicht behandelt wurde. Baudrillard arbeitet heraus, daß die Objekte durch ihre Integration in Zeichensysteme primär eine symbolische Bedeutung gewinnen“ (Winter, 1995: 29).

Dabei sind die Begriffe ‚Simulation‘ und ‚Verführung‘ zentral für Baudrillards Analyse der Gesellschaft. Er sieht die Konsumenten in einer passiven Rolle, die von der Herrschaft über die Produktion der Zeichen bestimmt wird. Nach Bau-drillard befinden wir uns in einem Stadium, in dem das Reale nicht mehr von der Fiktion zu unterscheiden ist (vgl. Baudrillard, 1978: 7). Schuld daran ist die Simulation, die „sich verschiedener Modelle zur Generierung eines Realen ohne Ursprung oder Realität, d.h. eines Hyperrealen“ (Baudrillard, 1978: 7) bedient.

Page 20: Postmoderne Taktiken in einer strategischen ... · Heike Hoppmann pro:Vision Postmoderne Taktiken in einer strategischen Gegenwartsgesellschaft - Eine soziologische Analyse - Wissenschaftlicher

23

Durch die Medien werden nach seiner Meinung ‚Pseudo-Welten‘ errichtet, die realer als die Realität erscheinen (vgl. Winter, 1995: 32; Zima, 1997: 97).

Mit seinen Konsum- und Medienanalysen liefert Baudrillard auch eine Theorie über die ‚Risikogesellschaft‘; allerdings sieht er andere Risiken als die Theoreti-ker der Moderne. Durch die zunehmende Kulturalisierung des Alltags und der stattfindenden Entdifferenzierung zwischen Kultur und Ökonomie, sieht er das Risiko der Überwältigung der Gesellschaft durch die von ihm diagnostizierte Hyperrealität (vgl. Winter, 1995: 36f). Seine Analyse prophezeit eine Verselbständigung der Zeichen gegenüber dem Realen. In den Theorien der Moderne wurde dieses Thema ausgespart, obgleich es sich im Alltagsleben als Phänomen erkennen läßt. Wenn man den Standpunkt ver-tritt, „that postmodernism does reflect important changes, not so much in the structure of industrial capitalism, but in the place and nature of culture“ (Turner, 1993: 73), dann läßt sich konstatieren, daß Baudrillard postmoderne Phänomene analysiert hat. Noch ein weiterer Schluß läßt sich aus Baudrillards Analyse zie-hen:

„Baudrillard’s celebration of the simulcra of modern society is an index of the loss of authority of high culture and its associated élites. The social scienes as a core feature of the academy, even at their most radical, are necessarily part of the national high culture, and thus an object of attack. Postmodernism thus brings into question the traditional status and historical role of the intellectual“ (Turner, 1993: 73f).

Damit wird gegen die moderne Haltung angegangen, zum einen zwischen Hoch-kultur und Populärkultur zu unterscheiden. Zum anderen aber auch dagegen, Pro-bleme kognitiv und durch Experten zu lösen, wie dies von Beck und Giddens noch vertreten wird.

2. 2. 4 Anmerkungen zu Jameson, Lyotard und Baudrillard Wie die Ausführungen zu den verschiedenen Vertretern der postmodernen Theo-rie gezeigt haben, gibt es keine einheitliche Theorielinie. Vielfach wird die Plura-lität als positive Erscheinung der heutigen Zeit herausgestellt. Weiterhin scheint eine allgemeine Ablehnung von Meta-Erzählungen in den vorgestellten Theorien deutlich zu werden. Allerdings entsteht eine Paradoxie, wenn zugleich auf den Marxismus als theoretischen Rahmen zurückgegriffen wird. Der Hauptunter-schied zu den dargelegten modernen Theorien scheint in der Prämisse für die neuen kulturellen Phänomene zu liegen. Ob es sich bei Lyotard um die Frage des Umgangs mit dem Wissen im Zeitalter der neuen Technologien handelt, bei Jame-son um die Frage der neuen Merkmale im Zeitalter des Spätkapitalismus oder bei Baudrillard um den Einfluß von Medien. Alle drei Autoren werden als Kultur-theoretiker eingestuft, die ihr Augenmerk auf die daraus entstehenden sozialen Veränderungen und Formen richten. Damit ist ein neuer Trend gesetzt, der die zu beobachtenden Transformationsprozesse der modernen Gesellschaft erklären hel-fen kann (vgl. Zima, 1997: 79f). Allerdings ist zu bemerken, daß die verschiede-

Page 21: Postmoderne Taktiken in einer strategischen ... · Heike Hoppmann pro:Vision Postmoderne Taktiken in einer strategischen Gegenwartsgesellschaft - Eine soziologische Analyse - Wissenschaftlicher

24

nen Ansätze einen Mangel haben. Häufig vernachlässigen sie die Analyse der am Transformationsprozeß beteiligten Individuen und deren Umgang mit den neuen Anforderungen und postmodernen Bedingungen. Denzin stellt daher an eine Theorie der Postmoderne eine wesentliche Anforderung:

„More importantly, unexplained in each theory5 is the way in which human be-ings, in and through interaction and communication with one another, make sense of and connect themselves to the dominant, residual, and emergent features of postmodern life. ... If a major defining characteristic of postmodernism is the loss of ‚aura‘ that is attached to lived experience, then the cultural logics which structure how such experiences are represented (CNN, TV, MTV, film) require serious attention“ (Denzin, 1994: 50).

Hier wird auf eine bedeutende Veränderung, die in der Postmoderne aufkommt, hingewiesen. Die Theorien stellen keinen Selbstzweck dar, sondern sollen Hin-weise geben, wie zu beobachtende Phänomene zu deuten sind. Wichtig ist der Bezug zum alltäglichen Leben. Dabei stellt der Alltag „erst einmal ein analyti-sches Konstrukt dar, das den Soziologen anweist, von den sozialen Problemstel-lungen, Deutungen und Handlungsweisen der einzelnen Gesellschaftsmitglieder auszugehen“ (Hörning, 1988: 53).

Im weiteren Verlauf werden wichtige Begriffe als Grundlage vorgestellt, die so-wohl Rahmenbedingungen als auch als Leitmotive in der Diskussion um die Postmoderne zu verstehen sind. Daraufhin folgt die Untersuchung von Phänome-nen, die, in einen Theorierahmen eingebunden, als ‚postmodern‘ betitelt werden können. Zur Erleichterung der sonst nicht sichtbaren postmodernen Manifestatio-nen wird die Architektur vorangestellt.

5 Denzin bezieht dies auf die Theorien von Lyotard, Baudrillard und Jameson.

Page 22: Postmoderne Taktiken in einer strategischen ... · Heike Hoppmann pro:Vision Postmoderne Taktiken in einer strategischen Gegenwartsgesellschaft - Eine soziologische Analyse - Wissenschaftlicher

25

3 Leitmotive, Schlüsselbegriffe und Methoden in der Postmoderne

In diesem Kapitel werden die Leitmotive und Schlüsselbegriffe der Postmoderne im Überblick dargestellt. Dies soll zu einer differenzierten Betrachung der Ge-genwart beitragen. Mit Hilfe dieser Begriffe sind die Phänomene der Postmoderne besser zu begreifen. Zusätzlich wird auf die Probleme der Methodik hingewiesen, eine fragmentierte Gesellschaft zu beschreiben. Als Schlüsselbegriffe werden hier die Begriffe bezeichnet, die in der Diskussion um die Postmoderne häufig zu finden sind, wobei sie nicht immer gleichzeitig, sondern auch einzeln auftreten können. Da mit der ‚Postmoderne‘ keine totalitäre und abgeschlossene Theorie beschrieben wird, ist auch kein vollendeter Begriffs-katalog zu erwarten, der alle Phänomene ausreichend beschreiben kann. Aller-dings haben sich in den letzten Jahren in der Diskussion einige wiederkehrende Motive herauskristallisiert, die man als Leitmotive und Schlüsselbegriffe identifi-zieren kann. Als Grundlage für wissenschaftliche Untersuchungen der Gegen-wartsgesellschaft wird zudem auf den Bereich der Untersuchungsmethoden und Theoriereichweiten hingewiesen. Die Verwendung von ‚übernommenem moder-nen‘ Vokabular wird als Problem erkannt.

3. 1 Pluralisierung Pluralisierung ist kein neuer Blickwinkel der Postmoderne, aber kann als der zen-trale Begriff angesehen werden. Pluralisierung wurde bereits in der Moderne beobachtet. Allerdings hat sich die Bewertung dieser Entwicklung geändert. In der Moderne sah man in der Pluralisierung eine Chance, aber vor allem eine Gefahr für die Individuen der modernen Gesellschaft (vgl. u.a. Beck, 1992). In der Postmoderne erfolgt eine positive Zuschreibung. Welsch nennt es eine „emotive Umstellung: Bejahung der Vielheit“ (Welsch, 1992: 37).

„Die Postmoderne beginnt, wo das Ganze aufhört. Sie bejaht den Übergang in die Pluralität und bewertet ihn positiv. Sie erprobt den Gedanken, daß Vielheit eine Glücksgestalt sein könnte. Der Wechsel von der Einheitssehnsucht zum Viel-heitsplädoyer ist die entscheidendste der Veränderungen im Übergang von Mo-derne zu Postmoderne“ (Welsch, 1992: 38).

Welsch unterscheidet verschiedene Bereiche, in der Pluralität hervortritt. So stellt er für den Bereich der Gesellschaft fest, daß dort die Pluralität durch das Bewußt-sein des gleichberechtigten Miteinanders und Durcheinanders von diversen Le-bensformen und Kulturen gegeben ist. In der Postmoderne wird die Aufmerksam-keit auf Differenzen und Eigenständigkeit zur bedeutsamen Tugend, wie im Ver-lauf dieser Arbeit anhand der Sicht von Bauman noch dargelegt wird. Häufig wird der Vorwurf erhoben, daß die Postmoderne eine Affinität zum Neokonservatismus habe. Welsch sieht die in ihr vertretende Pluralität dagegen als demokratisches

Page 23: Postmoderne Taktiken in einer strategischen ... · Heike Hoppmann pro:Vision Postmoderne Taktiken in einer strategischen Gegenwartsgesellschaft - Eine soziologische Analyse - Wissenschaftlicher

26

Zeichen an. „Die Postmoderne ist so radikal plural, daß sie nur demokratisch gelingen kann“ (Welsch, 1992: 41). Die externe, gesellschaftliche Pluralisierung hat nach Welsch eine interne Plurali-sierung des Individuums zur Folge. Dies äußert sich in den verschiedenen Le-benskonzepten, die den Subjekten gleichermaßen vertraut und daher bei Bedarf austauschbar sind. „Es gibt viele gute Gründe, so zu sein, aber es gäbe ebenso gute Gründe, auch anders zu werden“ (Welsch, 1992: 44). Das Resultat ist eine ‚Wechselwirtschaft‘ von Identitäten, wie im Bereich der Jugendkulturen noch deutlich wird. Für die heutige Zeit konstatiert Welsch solch eine Pluralität als notwendig:

„Solch interne Pluralität und Übergangsfähigkeit scheint mir für heutige Subjekte nicht nur charakteristisch, sondern auch erforderlich zu sein. In einer Situation faktischer Pluralität hat Handlungskompetenz nur derjenige, der auf die Vielheit einzugehen und mit dieser zu handeln vermag. Zur postmodernen Identität gehört die Fähigkeit, unterschiedliche Sinnsysteme und Realitätskonstellationen wahr-nehmen und zwischen ihnen übergehen zu können. Pluralität und Transversalität werden zentral“ (Welsch, 1992: 46).

In der Pluralisierungsentwicklung in der Postmoderne konstatiert Welsch eine Verschärfung gegenüber der Moderne, wofür er drei Gründe nennt: zum einen nennt er die faktische Steigerung der Pluralisierung, die sich im unterschiedlichen Kulturverständnis ausdrückt. So kann keine eindeutige Leitkultur in der Vielfalt von Sub- und Gegenkulten ausgemacht werden. Auch ist die Verschmelzung von Hoch- und Populärkultur zu nennen, die immer weiter fortschreitet. Es herrscht bereits multikulturelle Kultur. „Zweitens verdankt sich die Verschärfung der Plu-ralitätsthematik einer verstärkten Wahrnehmung derselben“ (Welsch, 1991: 204). Durch die gleichzeitige Bedrohung der Pluralität, z.B. durch massenmediale Uni-formierungsprozesse, wird eine verstärkte Wahrnehmung der Pluralität auf den Plan gerufen. Als letzten Grund nennt Welsch noch die Absage an ein ‚alleinse-ligmachendes Generalmodell‘, wodurch die Prüfung unterschiedlicher Einzelmo-delle möglich geworden ist. Da in diesen Modellen die Leitwerte sehr unter-schiedlich ausfallen, spricht Welsch von einer ‚radikalen Pluralität‘ (vgl. Welsch, 1991: 205, Welsch, 1992: 41). Bezieht man diese Aussage auf Theorien, so ent-spricht sie der These von Lyotard, welcher Meta-Theorien ablehnt, da es kein ein-zelnes Ziel mehr gibt: „Die narrative Funktion verliert ihre Funktoren, den großen Heroen, die großen Gefahren, die großen Irrfahrten und das Ziel“ (Lyotard, 1986a: 14). Aber die Pluralisierung birgt auch Gefahren, auf die Craig Owens aufmerksam macht.

„Der Pluralismus ist es, der uns darauf reduziert, ein anderer unter den anderen zu sein; es gilt nicht die auszeichnende Anerkennung, sondern die Reduktion von Differenz auf absolute Indifferenz, Äquivalenz und Austauschbarkeit...“ (Owens, 1993: 173)

An diesem Leitmotiv wird sichtbar, welche Änderungen in der postmodernen

Page 24: Postmoderne Taktiken in einer strategischen ... · Heike Hoppmann pro:Vision Postmoderne Taktiken in einer strategischen Gegenwartsgesellschaft - Eine soziologische Analyse - Wissenschaftlicher

27

Gesellschaft eingetreten sind. Zugleich wird aber auch der enge Zusammenhang zur Moderne durch die Pluralisierung verdeutlicht.

3. 2 Kulturalisierung Da die heutige Zeit durch die Produktion und Übermittlung von symbolischen Formen gekennzeichnet ist, die sich u.a. in den Massenkommunikationsmedien widerspiegeln, ist gerade der Bereich der kulturellen Transformation ein Merkmal der Postmoderne. Während bei Parsons noch Grenzziehungen zwischen den einzelnen Systemen zu finden sind, wobei die Kultur als Wertesystem für den Zusammenhalt der Gesell-schaft gesehen wurde, wird in der Postmoderne „das Soziale kulturalisiert“ (Vester, 1993: 33). Bereits Bourdieu zeigte am Beispiel der französischen Gesellschaft, daß es um die ‚feinen Unterschiede‘ geht, will man sich seinen Platz in der Gesellschaft si-chern6. Diese Unterschiede lassen sich in dem kulturellen Bereich am besten, weil sehr subtil, herstellen. Kulturalisierung findet nicht nur in einem begrenzten Rahmen, sondern in vielen Bereichen der Gesellschaft statt, vor allem auch im ökonomischen Zweig. Hier gewinnen die Zeichen und Symbole immer mehr Einfluß, wie es Beispiele aus der Werbung belegen7. Es findet eine Überlagerung (oder, postmodern: ein Pastiche) von Bereichen statt, die in der Moderne gerade ausdifferenziert wurden.

„In der Postmoderne ist Kultur nicht mehr der reine, heilige Gral, über den eine Kulturelite wacht. Die Postmodernisierung hat die Grenzen zwischen Kultur, Kommerz, Konsum und Produktion eingerissen“ (Vester, 1993: 34).

Das bedeutet, daß die Kultur nicht mehr elitär, sondern populär geworden ist. Sie wird kommerzialisiert und kommodifiziert, sie wird im sozialen Austausch benutzt, um soziale Identitäten herzustellen, wie es im Verlauf der Arbeit im Bereich der Jugendkulturen (Kap. 6) noch dargestellt wird. Kulturalisierung8 ist somit ein Leitmotiv der Postmoderne, welches die Transformationsprozesse der modernen Gesellschaft eindringlich beschreibt. Zudem gibt es, wie oben darge-legt, kaum einen Bereich, der nicht kulturalisiert ist.

3. 3 Entdifferenzierung Während die Differenzierung ein Leitmotiv der Moderne war (vgl. Loo, van der/Reijen, van, 1992 S. 81-118), ist die Ent-Differenzierung als ein Haupt-merkmal in der Postmoderne zu konstatieren.

6 Vgl. Bourdieu, 1987 7 Dies zeigt Andrew Wernick (1991) eindringlich in seinem Buch ‚Promotional cul-

ture‘ . 8 Über die Neugewichtung von Kultur wird auch im Bezug auf die neuen Rahmenbe-

dingungen (Kap.4) eingegangen

Page 25: Postmoderne Taktiken in einer strategischen ... · Heike Hoppmann pro:Vision Postmoderne Taktiken in einer strategischen Gegenwartsgesellschaft - Eine soziologische Analyse - Wissenschaftlicher

28

„Further differentation and autonomization brings us to a fully fledged cultural modernity. In the ‚modern ‘, each of the cultural spheres attains the fullest possi-ble autonomy. Each sphere attains what Weber called Eigengesetzlichkeit“ (Lash, 1990: 8).„If cultural modernization was a process of differentiation, then post-modernization is one of de-differentation“ (Lash, 1990: 11).

Gemeint ist damit die Veränderung von der Differenzierung im Sinne von Weber zu einer Entdifferenzierung, in der eine klare Trennung zwischen ehemals ge-trennten Bereichen nicht mehr möglich ist. Der Grund ist eine zunehmende Kultu-ralisierung (vgl. Vester, 1993: 33ff) aller gesellschaftlichen Bereiche, wie Ökono-mie, Architektur oder Konsum, wie dies bereits dargelegt wurde. Erzeugt werden in der Postmoderne ‚Mischgüter‘ (vgl. Winter, 1995: 58). Lash stellt fest: „Post-modernism is then, for me, strictly cultural“ (Lash, 1990: 4), so daß sich jeder gesellschaftliche Bereich zugleich auf den ‚kulturellen‘ Bereich bezieht.

„The cultural realm is no longer ‚auratic‘ in Benjamin’s sense; that is, it is no longer systematically separated from the social. This has to do with the partial breakdown of the boundaries between high and popular culture and the con-comitant development of a mass audience for high culture“ (Lash, 1990: 11).

Die Entdifferenzierung ist nach Lash eine Weiterentwicklung der Differenzie-rung, die gerade durch die zunehmende Kulturalisierung in der Postmoderne an Bedeutung gewinnt. Als Beispiele für die Entdifferenzierung in der Postmoderne erwähnt Winter u.a. soziologische oder philosophische Texte, die die Grenzen zur Literatur überschreiten, wie einige Arbeiten von Derrida und Baudrillard. Im Bereich der darstellenden Kunst kommt es u.a. zu einer Entdifferenzierung von Produktion und Konsumtion dadurch, daß das Publikum bei Theaterstücken ein-bezogen wird (vgl. Winter, 1995: 58-59). In dem Verhältnis von Repräsentation und Wirklichkeit kommt es zu einer Entdif-ferenzierung, die Lash für den spezifischen Unterschied von Moderne und Post-moderne hält: „It is that modernism conceives of representations as being proble-matic whereas postmodernism problematizes reality“ (Lash, 1990: 13). Als Ursa-che für diese Verlagerung sind die Medien zu nennen, die in die Alltagswelt ein-gedrungen sind. Die Folge davon ist, daß die Übermittlung von Bedeutung immer mehr durch Bilder, wie z.B. durch Kino erfolgt (vgl. Winter, 1992: 100).

„Cinema, taken generically, signifies in a de-differentiated manner. No other form of cultural representation – not painting, nor literature nor music nor even television – can signify quite as figurally as can cinema. That is, cinematic signi-fication, especially in the age of high technology and 30-million-dollar film, comes closer than other forms of signification to resemblance of reality“ (Lash, 1990: 186).

Einen anderen Standpunkt vertritt dagegen Vester, der nicht die Entdifferenzie-rung als Leitmotiv der Postmoderne sieht, sondern noch einen Schritt weitergeht; für ihn ist das Auftreten von Pastiche wesentliches Moment der Postmoderne.

Page 26: Postmoderne Taktiken in einer strategischen ... · Heike Hoppmann pro:Vision Postmoderne Taktiken in einer strategischen Gegenwartsgesellschaft - Eine soziologische Analyse - Wissenschaftlicher

29

3. 4 Pastiche Mit dem Begriff ‚Pastiche‘ wird in der Postmoderne die Weiterentwicklung von Differenzierung und Entdifferenzierung in Formen von Hybridkreuzungen, Rein-tegrationen und Rekombinationen bezeichnet. „Die postmoderne Pastichebildung ist eine Attacke auf das modernistische Reinheitsgebot“ (Vester, 1993: 29-30). Dagegen läßt die Postmoderne das Durcheinander und Nebeneinander des Dispe-raten zu, wobei sie dies gerade durch die Anerkennung von Differenzen ohne Hierarchie ermöglicht. In der Postmoderne ist ein Spiel mit Unterschieden zu fin-den, das Differenzen nicht absolut setzt.

„Anders als der Modernismus mit seiner Differenzierungsideologie, deren Aus-wüchse Schubladendenken, Berührungsängste und Vernichtung des Fremd- und Andersartigen sind, sieht der Postmodernismus in der Überschreitung und Über-lappung etwas Positives, Begrüßenswertes. Der Modernismus hat einen Horror vor dem Eklektizismus, der Postmodernismus erhebt die Durchmischung von Unterschiedlichen zum kreativen Prinzip“ (Vester, 1993: 31).

Damit geht der Schlüsselbegriff des Pastiche noch über die Beschreibung der Ent-differenzierung, wie sie von Lash (1990) gesehen wird, hinaus. In der Postmo-derne gibt es alle drei Möglichkeiten: Differenzierung, Entdifferenzierung und Pastichebildung. „Postmodernisierung stellt Gleichzeitigkeit und Durchlässigkeit des in der Moderne Ausdifferenzierten dar“ (Vester, 1993: 32). Als Resultat dar-aus ist die Infragestellung von ‚spezifischen Grenzziehungen ‘(Vester, 1993: 32) zu konstatieren. Jameson eruiert eine andere Bedeutung von Pastiche in der Postmoderne. Er defi-niert Pastiche in Abgrenzung zur Parodie, als „eine Kunst der Imitate, denen ihr Original entschwunden ist“ (Jameson, 1993: 61). Das Pastiche ist die Weiterent-wicklung der Parodie in der spätkapitalistischen Welt, unter Verlust der tieferen Beweggründe und des satirischen Impuls (vgl. Jameson).

„Pastiche is thus blank parody, a statue with blind eyeballs: it is to parody what that interesting and historically original modern thing, the practice of a kind of blank irony, is to what Wayne Booth („A Rhetoric of Ironie“, Chicago/London 1974, Anm. H.H.) calls the ‚stable ironies‘ of the 18th century“ (Jameson, 1984: 65)

Diese Auffassung des Pasticheleitmotives läßt sich aus dem neomarxistischen Ansatz und der Theorie des Bruchs mit der Moderne erklären. Jameson sieht die avancierten kapitalistischen Länder als Spielfeld einer diskursiven und stilisti-schen Heterogenität ohne Norm, in denen die Mächtigen ihre ökonomischen Stra-tegien durchsetzen. Aber sie sind nicht mehr gezwungen, zugleich ihre Sprache aufzuzwingen. „In dieser Situation findet die Parodie, verstanden als parodisti-scher Umgang mit einem Original, kein Betätigungsfeld mehr“ (Jameson, 1993: 62). An ihre Stelle ist nun das Pastiche getreten, als neutrale Imitation (vgl. Jame-son, 1993: 62). Als Beispiel hierfür nennt Winter den Unterschied zwischen der Avantgardekunst und der postmodernen Kunst. Stellte die Avantgardekunst eine echte Gegenkultur dar, so ist dies bei der postmodernen Kunst nicht mehr zu kon-

Page 27: Postmoderne Taktiken in einer strategischen ... · Heike Hoppmann pro:Vision Postmoderne Taktiken in einer strategischen Gegenwartsgesellschaft - Eine soziologische Analyse - Wissenschaftlicher

30

statieren. Durch die Vermischung von unterschiedlichen künstlerischen Praktiken ist eine klare Distanzierung mehr ersichtlich.

„Ursprüngliche Avantgardetechniken wie die Montage, die Selbstreflexivität oder die Diskontinuität werden vom Mainstreamkino bzw. vom Fernsehen, von Musikvideos oder der Werbung übernommen, ohne daß damit die ursprüngliche Absicht der Distanzierung und Aufklärung erhalten bliebe“ (Winter, 1995: 64).

Hier wird deutlich, daß z.B. die heutigen Filme mit ihrem Pluralismus an Stilen und Techniken nicht mehr durch Innovation, sondern durch Pastiche, wie Jame-son es beschreibt, gekennzeichnet sind. Der Schlüsselbegriff des Pastiche zeigt deutlich, welche verschiedenen Ansätze zur Erklärung der Transformationsprozesse in der modernen Gesellschaft gegen-einandertreffen, die dieselben Merkmale und Veränderungen diagnostizieren, wobei die Deutungen hingegen sehr unterschiedlich ausfallen können. Damit kann festgehalten werden, daß der Begriff ‚Pastiche‘ im doppelten Sinn ein Schlüsselbegriff und Leitmotiv der Postmoderne ist: zum einen können damit Veränderungen der modernen Gesellschaft beschrieben werden, zum anderen ist der Begriff ‚Pastiche‘ selbst polysemisch, was nun als weiteres Merkmal der Postmoderne herausgestellt wird.

3. 5 Polysemie Mit Polysemie wird auf die Vielsinnigkeit von Aussagen in Texten9 hingewiesen. Innerhalb eines Textes werden zudem Bezüge zu anderen Texten hergestellt. Man spricht dann von Intertextualität. Dies ist in der Werbung zu beobachten, in Fil-men oder an Bauwerken. Vielfach kann eine einfache Form, ein Satz oder eine Einstellung zum einen nur Form, Text oder Darstellung sein, zum anderen aber auch eine Persiflage, ein Erinnern oder eine Imitation von anderen Inhalten (vgl. Vester, 1993: 37). Dabei kann die Ausprägung der Polysemie sehr unterschiedlich sein. Einige post-moderne Bauwerke sind ohne ein gewisses Hintergrundwissen nicht vollständig lesbar. Allerdings, darauf gründet sich die These der Polysemie in der Postmo-derne, ist selbst die vordergründigste Lesart möglich und gewollt. Winter weist in diesem Zusammenhang auf die Polysemie medialer Texte hin, die nicht nur in der ästhetischen Komplexität der Texte verankert ist, „sondern auch in der Vielfalt, Undeutlichkeit, Lückenhaftigkeit und Widersprüchlichkeit eines Textes“ (Winter, 1995: 99).10 Somit ist die Polysemie oder Polyvalenz (Vester) ein wesentliches Merkmal von postmodernen Ausdrucksformen. Dabei ist zu beachten, daß Vielsinnigkeit durch die Rezeption der Leser oder Betrachter aktiv hergestellt wird. Nicht das Werk zeigt seine Polysemie, sondern durch die Kreativität des ‚Benutzers‘ wird diese 9 Der Begriff ‚Text‘ bezeichnet kulturelle Phänomene, die interpretierfähig und daher

auch für verschiedene Auslegungen offen sind. Als Beispiele sind Filme, TV-Sen-dungen, Literatur oder auch Architektur zu nennen.

10 (vgl.Kapitel 9: HipHop)

Page 28: Postmoderne Taktiken in einer strategischen ... · Heike Hoppmann pro:Vision Postmoderne Taktiken in einer strategischen Gegenwartsgesellschaft - Eine soziologische Analyse - Wissenschaftlicher

31

geweckt oder sogar erzeugt. „Texte gewinnen ihren Sinn immer im gesellschaftli-chen Kontext und tragen zur Zirkulation von Bedeutungen bei“ (Winter, 1995: 2).

3. 5. 1 Mehrfachcodierung Im Zusammenhang mit Polysemie ist die Mehrfachcodierung zu erwähnen. Durch die Benutzung von doppelten (Jencks) oder mehrfachen Codes wird bei der Her-stellung eines kulturellen Objekts, z.B. eines Bauwerks, Polysemie erreicht.

„Das bedeutet kein Plädoyer für eklektizistische Zitate oder Versatzstücke. Ge-fordert ist vielmehr gerade, daß nicht einzelne Vokabeln und Wortfetzen an einem Gebäude herumschwirren, sondern daß die Logik und die spezifischen Möglichkeit (sic!) der jeweiligen Sprache herausgearbeitet und vor Augen ge-stellt werden“ (Welsch, 1988b, S. 40).

So ist es möglich, dem ‚Benutzer‘ durch die Konstruktion Möglichkeiten der Interpretation zu öffnen. Wieweit diese Möglichkeiten genutzt werden, ist dem Rezeptor überlassen. Ein Beispiel dafür ist die Staatsgalerie in Stuttgart, das im Kapitel über die postmoderne Architektur näher ausgeführt wird. Der Architekt Stirling hat sich dort der Mehrfachcodierung bedient, was ersichtlich wird, wenn man die Zitate lesen kann. Ein Betrachter ohne Vorkenntnisse wird das Bauwerk weniger polysem sehen, aber auch eine eigene Lesart finden.

3. 6 Figuralität Als weiteres Merkmal der Postmoderne stellt Lash die Figuralität heraus. Im Ge-gensatz zur Moderne, in der der Diskurs Vorrang hatte, gibt es in der Postmo-derne eine figurale Sensibilität. In der Moderne wurde das Wort der Bildlichkeit vorgezogen, außerdem genossen formale Qualitäten eine hohe Wertschätzung. Es wurde eine rationalistische Auffassung von Kunst vertreten und die Bedeutung von Texten war wesentlich, wobei dies eine gewisse Distanz zum kulturellen Objekt voraussetzte (vgl. Lash, 1988: 313; Winter, 1995: 56-57). Dagegen ist die figurale Sensibilität durch eine visuelle Prägung und Aufnahme von Material aus der Alltagswelt gekennzeichnet (z.B. in der Pop-Art). Sie stellt didaktische und rationalistische Auffassungen der Kultur in Frage. „It asks not what a cultural text ‚means ‘, but what it ‚does ‘(Lash, 1988: 314). Somit entfällt auch die Forderung nach einer gewissen Distanz zum kulturellen Objekt (vgl. Winter, 1995: 57). Für Lash sind die ‚figuralen Regime der Bezeichnung ‘ („regimes of signification“ ; Lash, 1988: 311), „eine Art Paradigma, das den kulturellen Gegenständen in der räumlichen und zeitlichen Dimension eine spezifische Gestalt verleiht“ (Winter, 1992: 96), für die postmoderne Ästhetisierung des Alltags verantwortlich (vgl. Winter, 1995: 56). Dabei setzt sich ein Regime der Bezeichnung zusammen aus der spezifischen Art, Bedeutung zu übermitteln, aus dem Signifikationsmodus und aus der kulturellen Ökonomie. Diese besteht aus: 1. den spezifischen Produktionsverhältnissen von kulturellen Gütern, 2. den bestimmten Bedingungen der Rezeption, 3. einem bestimmten institutionellen Rahmen, der vermittelnd zwischen Produktion und

Page 29: Postmoderne Taktiken in einer strategischen ... · Heike Hoppmann pro:Vision Postmoderne Taktiken in einer strategischen Gegenwartsgesellschaft - Eine soziologische Analyse - Wissenschaftlicher

32

Rezeption angelegt ist und 4. aus der Art und Weise der Zirkulation von kulturel-len Gütern (vgl. Winter, 1992: 96). Im Verlauf der Arbeit wird dieser Bereich der verstärkten ‚figuralen Sensibilität‘ (Lash) in mehreren Bereichen, wie z.B. in der Architektur, bei den jugendlichen Horrorfans oder dem veränderten, postmoder-nen Raumbezug deutlich.

3. 7 Entlehnungen aus der Rhetorik Rhetorik ist eine Ebene der Kommunikation, in der es nicht mehr um die richtige Erfassung und Wiedergabe eines Sachverhalts geht. In der Rhetorik steht die Wir-kung, nicht die Wahrhaftigkeit im Zentrum oder, in Anlehnung an Lash, nicht die Bedeutung, sondern die Form (vgl. Lash, 1988: 314). Im Vergleich zur Moderne ist in der Postmoderne ‚eine Gewichtsverschiebung vom Inhalt einer Äußerung zu deren Verpackung‘ gemeint (vgl. Vester, 1993: 36). Einige Mittel aus dem Be-reich der Rhetorik werden vorgestellt, da sie bei postmodernen Phänomenen (vgl. z.B. Kap. 6) zu beobachten sind.

3. 7. 1 Metapher Mit ‚Metapher‘ bezeichnet man die Übertragung eines konkreten Begriffs auf einen abstrakten. Dabei kann dieses Stilmittel explizit beabsichtigt, implizit ange-deutet oder auch gemischt auftreten. Dadurch entsteht der für die Postmoderne so kennzeichnende Pluralismus oder auch die Polysemie, da verschiedene Interpreta-tionen möglich werden. Zusammen mit dem Stilmittel der Allegorie kann der Effekt der Selbstironisierung erreicht werden, indem es zu Ungereimtheiten oder Übercodierungen kommt.

3. 7. 2 Allegorie Das Mittel der Allegorie ist eher ein ‚visuelles Rhetorikmittel‘ , d.h. es ist weniger in Wortformen als in Darstellungen zu finden. Van Reijen sieht in der Allegorie-benutzung in der Postmoderne eine Verbindung zur barocken Geisteshaltung. Unter Allegorie versteht er:

„According to its general definition an allegory (literally: saying something dif-ferent) is the plastic representation of an abstract concept (Reijen, van, 1992: 3).

Nach van Reijen hat die barocke Allegorie gezeigt, daß Verweise auf eine höhere Wirklichkeit, die außerhalb des Menschen steht, nicht möglich sind. Allegorien haben immer nur auf wiederum andere verwiesen, da die Wirklichkeit selbst alle-gorisch ist. Mit der postmodernen Allegorie wird diese Selbstreferentialität durch die Relativierung des Unterschieds von Wirklichkeit und Fiktion sichtbar. Ein neues Moment in der postmodernen Allegorie ist das Zitieren von Vergangenheit (vgl. Reijen, van, 1989: 172).

Page 30: Postmoderne Taktiken in einer strategischen ... · Heike Hoppmann pro:Vision Postmoderne Taktiken in einer strategischen Gegenwartsgesellschaft - Eine soziologische Analyse - Wissenschaftlicher

33

3. 7. 3 Zitat Ein häufig benutztes Ausdrucksmittel der Postmoderne ist das Zitat. Es werden somit Bezüge zu anderen Werken hergestellt, wodurch zum einen Polysemie für den ‚Benutzer‘ , der sich auskennt, möglich ist. Zum anderen wird ein Bezug zu Vergangenem möglich, der auch ironisch ausfallen kann. Zitate werden in fast al-len postmodernen Kulturobjekten benutzt, so in der Architektur, in der Literatur oder im Film. Bei postmodernen Phänomenen, wie z.B. bei dem Jugendstil der Teds oder des HipHop, wird das Zitat auch im sozialkulturellen Bereich sichtbar.

3. 7. 4 Ironie Rhetorische Mittel, wie gerade erwähnt, werden häufig angewandt, um die Ver-gangenheit und die Gegenwart ironisch darzustellen. Dabei bezieht sich diese Art der Ironie auf eine selbstreflexive Betrachtung der Gegebenheiten. Der Vorwurf gegen die Postmoderne, sie sei zynisch, ist nicht erkennbar. Ironie ist das Mittel, mit dem sie auf den Alltag eingeht.

3. 8 Gegenwartsbezug Ein weiteres Leitmotiv ist in dem Verhältnis von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu sehen. Während in der Moderne der Fortschritt und der damit verbun-dene Blick in die Zukunft konstatiert werden konnte, ist in der Postmoderne eine Änderung eingetreten. Was zählt, ist das ‚Hier und Jetzt‘ . Deutlich wird dieser Gegenwartsbezug besonders bei der Betrachtung von jugendlichen ‚Gemein-schaften‘ , die als ästhetische Gemeinschaften (Peters) oder als ‚Neue Stämme‘ (Maffesoli) betitelt werden können. Sie sind nicht mehr auf Dauer angelegt, son-dern werden durch aktive Wahlakte11 der Beteiligten gebildet (vgl. Winter, 1995: 70). Ästhetische Merkmale und Phantasie kennzeichnen diesen neuen Gegen-wartsbezug der Postmoderne, was auch Therborn herausstellt:

„Pre-modernity is looking back, over its shoulder, to the past, to the latter’s ex-ample of wisdom, beauty, glory, and to the experiences of the past. Modernity looks at the future, hopes for it, plans for it, constructs it, builds it. Post-moder-nity has lost or thrown away any sense of time direction. The past as well as the future and the present have become ‚virtual realities‘, or simultaneously combin-able elements, as in post-modern architecture“ (Therborn, 1995: 4-5).

Die Gegenwart wird intensiv erlebt, ohne kognitive Zukunftsplanung und ohne sich auf den Taten der Vergangenheit auszuruhen.

3. 9 Der Raumbegriff Ein Bereich, der die gesellschaftlichen Verhältnisse mitbestimmt, ist der Raum und seine Nutzung. Durch verschiedene Einflußfaktoren, die auf einen Transfor-mationsprozeß von der Moderne zur Postmoderne hinweisen, hat sich der Raum- 11 Daher auch der Begriff ‚Wahlnachbarschaften‘ bei Winter und Eckert, 1990: 150

Page 31: Postmoderne Taktiken in einer strategischen ... · Heike Hoppmann pro:Vision Postmoderne Taktiken in einer strategischen Gegenwartsgesellschaft - Eine soziologische Analyse - Wissenschaftlicher

34

begriff erweitert. Dies wird anhand verschiedener Phänomene erkennbar. Da diese Thematik sich durch eine hohe Komplexität auszeichnet und ein zentrales Kenn-zeichen für Veränderungen in der Gesellschaft ist, wird im Kapitel über den Raum intensiv darauf eingegangen (vgl. Kap. 7).

Im nächsten Abschnitt wird ein Bereich angesprochen, der von den postmodernen Bedingungen besonders betroffen ist: die ‚richtige‘ Methode bei postmodernen Interpretationen.

3. 10 Anmerkungen zu Methoden der Beschreibung und Analyse Innerhalb dieser Arbeit wird ein eklektizistischer Stil vertreten, der sich auch in der Wahl der Methoden widerspiegelt. Unterschiedliche Ansätze werden zur Beschreibung und Stützung der verschiedenen Bereiche benutzt. Der Bereich der ethnographischen Analysen wird als besonders fruchtbar angesehen – u.a. gerechtfertigt durch die These, daß es nur noch fragmentierte Gesellschaftsberei-che im Zuge der Globalisierungstendenzen gibt. Betrachtet man den ethnographi-schen Ansatz als ein Instrument, verschiedene ‚Kulturen‘ zu beschreiben, so ist der Einsatz dieser Methode gerechtfertigt.

3. 10. 1 Eklektizistischer Ansatz Neben anderen Soziologen hat sich auch Emirbayer – hier exemplarisch zitiert – für eine eklektizistische Methode der Theoriebildung ausgesprochen. So schreibt er:

„What I have done here is merely to bring together the various lines of reasoning in this perspective (philosophical, theoretical, and empirical); to clarify how they present an overarching challenge to reigning assumptions; and to seek thereby to prevent the sort of eclecticism, the easy mixing together of substantialist and re-lational assumptions, that renders even many innovative studies today partially problematic“ (Emirbayer, 1997: 282).

Um die Gegenwartsgesellschaft beschreiben zu können, mit den zunehmenden Fragmentierungen und Ambivalenzen, reichen einzelne Theorieansätze nicht mehr aus, so die hier vertretende These. Analysen von Identität, Gemeinschaft, Handeln und gesellschaftlichen Veränderungen sind in vielen unterschiedlichen Bereichen nötig; diese benötigen jedoch teilweise unterschiedliche Herangehens-weisen. Das übergeordnete Ziel, eine Gegenwartsbeschreibung – auf spezielle Bereiche fokussiert – zu versuchen, fordert eine eklektizistische Methodik:

„Clearly, these approaches are diverse but we have nevertheless tried to identify common themes which cut through these otherwise disparate bodies of work. The unifying themes concern issues of individuals and society, of identity and the so-cial group“ (Widdicombe/Wooffitt, 1995: 52).

Wie auch diese Forscher für ihren Themenbereich – jugendliche Subkulturen und die Bedeutung der Sprache – unterschiedliche Theorieansätze aus unterschiedli-chen wissenschaftlichen Disziplinen anführen mußten, so wird dies eine in der

Page 32: Postmoderne Taktiken in einer strategischen ... · Heike Hoppmann pro:Vision Postmoderne Taktiken in einer strategischen Gegenwartsgesellschaft - Eine soziologische Analyse - Wissenschaftlicher

35

Postmoderne zur Normalität werdenden Vorgehensweise. In den – teilweise auch in dieser Arbeit als Beispiele angeführten – Cultural Studies wird ebenfalls ein ‚multiperspektivischer Ansatz‘ verfolgt, wie Douglas Kellner schreibt.

„....cultural studies develop a multiperspectival approach which includes investi-gation of a wide range of artefacts interrogating relationships within the three di-mensions of: (1) the production and political economy of culture; (2) textual analysis and critique of its artefacts; and (3) study of audience reception and the uses of media/cultural products. (...) Moreover, I would argue that the results of such studies need to be interpreted and contextualized within critical social theory to adequately delineate their meanings and effects“ (Kellner, 1997: 34).

3. 10. 2 Meso-Theorien Emirbayer tritt für eine eklektizistische Theorie wie auch für eine relationale Soziologie ein, die bereits von anderen Autoren gefordert wurde (Bourdieu, 1991). Ein weiterer Punkt in seiner Argumentation, die stark mit seiner Forderung nach einer relationalen Theorie in der Soziologie zusammenhängt, ist die Beach-tung der Meso-Ebene.

„At the ‚meso-level‘ as well, the relational perspective leads to significant recon-ceptualizations. To the extent that they had been theorized, face-to face encoun-ters were most typically seen (...) in self-actional or interactional terms, as a question of the mutual interplay among preconstituted, self-subsistent actors. It is precisely this framework that Goffman explodes in his celebrated studies of ‚co-presence‘ and the ‘interaction order‘ .“ (Emirbayer, 1997: 295).

Diese Ansicht wird auch in der vorliegenden Arbeit vertreten. Durch die Beach-tung der Makroebenen und Mikroebenen wird der Versuch unternommen, die Relationen und die Mesoebene zu erfassen.

3. 10. 3 Die Ethnographie als wiederentdeckte Methode in der Soziologie

Thesen der Fragmentierung und Absagen an die ‚großen Theorien‘ werden als ein wesentliches Element der postmodernen Theorieansätze angesehen. Diesen Punkt beachtend, scheint die Benutzung der Ethnographie in der Soziologie zur Be-schreibung von Vergemeinschaftungen und Identitätsherstellung aus folgenden Gründen schlüssig: Erstens kann nicht mehr von einer einzigen Kultur in einer Gesellschaftsform ausgegangen werden. Die Gegenwartsgesellschaft ist nicht mehr als eine Einheit zu sehen. Innerhalb ähnlicher gesellschaftlicher Rahmenbedingungen entwickeln sich zusehends unterschiedliche Subkulturen (vgl. Welz, 1996: 90). Die Methode, die die Interpretation des Spezifischen und der zunehmenden Differenzierungen zum Ziel hat, ist die Ethnographie:

„Die ethnographische Untersuchungsstrategie teilt mit der Ethnologie die Hal-tung des Fremden. Sie nähert sich Handlungsfeldern der eigenen Gesellschaft als

Page 33: Postmoderne Taktiken in einer strategischen ... · Heike Hoppmann pro:Vision Postmoderne Taktiken in einer strategischen Gegenwartsgesellschaft - Eine soziologische Analyse - Wissenschaftlicher

36

‚innerem Ausland‘ und versucht, sie der Selbstverständlichkeit alltagspraktischer wie wissenschaftlich eingespielter Vorverständnisse und -urteile zu entreißen“ (Neumann-Braun/Deppermann, 1998: 239).12

Die Haltung des Fremden ist bereits aus Simmels Schriften bekannt. Der Fremde wird als die Person beschrieben, „die heute kommt und morgen bleibt“; die für Irritationen im alltäglichen Ablauf sorgt, weil Routinen und Verfahren hinterfragt werden – auf der anderen Seite aber macht sie auf ebendiese aufmerksam. Bereits bei Simmel war mit dem Fremden ein Gesellschaftsmitglied gemeint, das unter der Ambivalenz des Dazwischen einen ‚ethnographischen Blick‘ werfen konnte. Zugleich wird damit auf eine weitere Forderung postmoderner Theorien eingegan-gen: es werden Kontexte beachtet. Durch die Annahme, daß man sich einem For-schungsgegenstand nur als Fremder nähern kann, wird die Kontextualität der Situation betont. Allerdings werden trotz der Kontextbeachtung auch immer wie-der Einordnungen versucht13. Der zweite Vorteil der ethnographischen Methode liegt im Blick auf den Alltag der ‚Subkulturen‘. Für die postmodernen Gegenwartsbeschreibungen rückt die Gegenwartsbewältigung und die damit verbundene Bewältigung des Alltags in den Mittelpunkt. Wie funktioniert die ‚gesellschaftliche Konstruktion der Wirk-lichkeit‘ (Berger/Luckmann, 1969) im Alltag? Wie wird täglich – nach Meinung der postmodernen Theoretiker im stetigen Fluß – Gesellschaft in kleinen Einhei-ten, wie z.B. in Jugendkulturen, Identität hergestellt? (vgl. auch Schneider, 1997) Dies zu erforschen bedeutet, sich mit dem Alltag der Akteure auseinanderzuset-zen, die Verfahren aufzuzeichnen und zu interpretieren – als der ‚Fremde‘. Dabei soll der Fehler vermieden werden, den Neumann-Braun/Deppermann häufig beobachtet haben. In vielen Studien würde nicht die Alltagswelt selbst analysiert, sondern rekonstruierte Darstellungen von Alltagspraxis (vgl. ebd. 1998: 242). Bezogen auf die jugendsoziologische Forschung vertreten die beiden Autoren daher die Ansicht, daß sie „zwar den Weg zum Alltag der Jugendlichen einge-schlagen (hat), (...) aber noch nicht dort angekommen (ist) (ebd. 1998: 243). Als eine Lösung sehen die Autoren die Möglichkeit an, die unterschiedlichen Kom-munikationsformen von und unter Jugendlichen in den verschiedenen alltags-weltlichen Kontexten selbst zu erforschen. Dieser Weg wird auch in dieser Arbeit

12 Die Autoren Neumann-Braun und Deppermann machen in ihrem Artikel zugleich

auf die möglichen Quellen für Fehl- und Überinterpretationen aufmerksam. So mer-ken sie an, daß der Forscher aus den Akteursaussagen auf die Alltagspraxis schließt. Diese sind jedoch bereits durch die Sprache einer ersten Interpretation (Sekundärda-tenstatus) unterworfen (vgl. ebd., 1998: 240).

13 An dieser Stelle sind die Ausführungen von Alfred Schütz zu nennen, der bereits darauf aufmerksam machte, daß es die Aufgabe der Sozialwissenschaftler sei, den ‚sinnhaften Aufbau‘ der sozialen Wirklichkeit zu rekonstruieren. Dazu werden Ein-ordnungen und Typisierungen mit bereits vorhandenem Wissen vorgenommen. Der Blick des Forschers wird dabei auf Gegenstände der ‚Relevanz‘ gelenkt, die als sinnvoll für die Erklärungsstrategie erscheinen (vgl. Schütz, 1971: 57; 93;108;139;174; Schütz, 1974: 236-240; 301).

Page 34: Postmoderne Taktiken in einer strategischen ... · Heike Hoppmann pro:Vision Postmoderne Taktiken in einer strategischen Gegenwartsgesellschaft - Eine soziologische Analyse - Wissenschaftlicher

37

angestrebt. Allerdings nicht in Form von Interviews, sondern durch Material wie Musikgeschmack von Jugendlichen und deren kreativer Sprachgebrauch in spezi-fischen Kontexten (vgl. auch Thomas, 1997: 143ff). In der ethnographischen Arbeitsweise wird nun gerade die Grundannahme vertreten, „daß ein kulturelle Grenzen überschreitendes, sinnverstehendes Deuten sozialen Handelns prinzipiell möglich ist“ (Welz, 1996: 90). Hier wird der Versuch unternommen, mit Hilfe der unterschiedlichen Theorien (de Certeau, Willis, Maffesoli, Welsch, Shusterman) innerhalb der einzelnen Jugendkulturen kreative Fähigkeiten zu erkennen, die den Jugendlichen zu einem temporären Gemeinschaftsgefühl und zu auswechselbaren, aber nicht weniger wichtigen Identitäten in einer sich ständig weiterentwickeln-den Umwelt verhelfen. Dazu ist der ethnographische Blick, den ein Forscher ein-nehmen kann, ein Mittel.

„The task is to understand popular representations through their ‚creative‘ usage in everyday life, not to confine understanding of the everyday to the study of popular media text: the aim is to demonstrate the importance of ethnographic work in drawing out the lived meanings“ (Thomas, 1997: 144).

Zugleich wird damit ein dritter Vorteil beschrieben: der Forscher selbst wird durch die Einnahme des ‚ethnographischen Blicks‘ eben nicht zum neutralen Beobachter, wie dies von Neumann-Braun/Deppermann (1998) behauptet wird. Gerade dadurch, daß er sich als der Fremde ausgibt, wird zugleich deutlich, daß er andere Normen, Fähigkeiten oder auch eine andere Sprache spricht, als die zu Untersuchenden. Mit der ethnographischen Methode lassen sich viele Forderungen der Postmo-derne einlösen, da die Untersuchungen in den Kontexten und unterschiedlichen Lebensumständen angesiedelt sind. Zudem werden ‚Kulturen‘ erforscht – als ganzheitliche Lebensumstände – aber auch unter dem postmodernen Aspekt der Kulturalisierung – oder nach Welsch und Shusterman, der Ästhetisierung inner-halb der Gegenwartsgesellschaft. Durch den ethnographischen Blick wird der Versuch unternommen, möglichst viele Facetten und Situationen zu erkennen und damit die Vielheit transparent zu machen (vgl. auch Neumann-Braun/Deppermann, 1998: 249). Der Ethnograph nimmt die Stellung des Inter-preten ein, den Bauman (1987) gefordert hat. Hier wird der Versuch unternom-men, die Vielfalt möglicher Positionen gesamtgesellschaftlicher Transformationen in der Postmoderne durch Einzelbeispiele abzudecken, wobei deren exemplari-scher Charakter durch ihre konkrete Beziehung zur Gesamtheit der Veränderun-gen in der Gesellschaft bestimmt ist. Als Vorbild dient auch hier der Ansatz von Clifford Geertz (1983)14, dessen interpretative Ethnologie und Darstellungsmodus der ‚dichten Beschreibung‘ auch in dieser Arbeit mit dem Hinweis Beachtung gefunden hat, daß die Allgemeinheit der ‚dichten Beschreibung‘ nur durch die Genauigkeit der Einzelbeschreibungen erreicht werden kann (vgl. Geertz, 1983: 35ff und Welz, 1996: 93).

14 Vgl. dazu auch die Ausführungen über die Vorteile der ethnographischen Untersu-

chung bei Winter (1995: 123f).

Page 35: Postmoderne Taktiken in einer strategischen ... · Heike Hoppmann pro:Vision Postmoderne Taktiken in einer strategischen Gegenwartsgesellschaft - Eine soziologische Analyse - Wissenschaftlicher

38

Ziel der Anwendung unterschiedlicher Methoden ist es, erklärende Aussagen über die Gegenwartsgesellschaft machen zu können. Aus diesem Grund wird eklektizi-stisch verfahren und ethnographische Ansätze für Einzelbeispiele werden zugrun-de gelegt. Diese Vorgehensweise, bei der weitgehend Interpretationen und Re-In-terpretationen vorgenommen werden, ist der ‚ethnographische Blick‘. Daher kann Gerhards zugestimmt werden, der eine ähnliche Aussage über Theorien gemacht hat:

„Theorien sind als gute Theorien zu bezeichnen, wenn sie auf einem Generalisie-rungsniveau formuliert sind, das erlaubt, möglichst viel an sozialer Wirklichkeit begrifflich zu erfassen, gleichzeitig aber eine Respezifikationsmöglichkeit auf Theorien mittlerer Reichweite und Hypothesen, die empirisch überprüft werden können, ermöglicht. Mit diesem doppelten Maßstab sollen zum einen von der Empirie abstrahierende Generalisierungen begrenzt, zum anderen die Sammlung theorieloser Einzeldaten verhindert werden. Theorie meint zum zweiten – und dies ist die klassische Definition des kritischen Rationalismus – einen Satz von empirisch überprüfbaren Aussagen über die soziale Wirklichkeit. Eine Theorie im engeren Sinne ist dann als gut zu bezeichnen, wenn es ihr gelingt, Erklärungen von sozialen Sachverhalten zu erbringen. In diesem Sinne sind erklärende Aussa-gen wertvollere Aussagen als deskriptive Aussagen über die soziale Wirklich-keit“ (Gerhards, 1994: 78).

Ein weiteres Problem, daß hier angesprochen werden muß, ist die Überholung und einseitige Besetzung des Vokabulars.

3. 10. 4 Das Problem des Vokabulars Ein Problem ganz anderer Art tritt auf, wenn man die durch unterschiedliche Me-thoden erzielten Ergebnisse und Beobachtungen in Worte fassen muß. Für eine brauchbare Beschreibung der Realität reicht das überlieferte Vokabular nicht aus. Dieses Vokabular stammt aus den Anfängen der Soziologie und Sozialwissen-schaften, wo bereits die erste Schwierigkeit auffällt: es ist nicht nur überaltert, es ist zugleich auch noch so breit gehalten, daß es von der Ökonomie, der Soziolo-gie, der Sozialpsychologie und -philosophie gleichermaßen genutzt werden kann. Aus diesem Grund ist es oft schwierig, postmoderne Phänomene adäquat zu beschreiben. Ein eindringliches Beispiel ist der Begriff der ‚Gemeinschaft‘. In der postmodernen Zeit ist die Frage nach der ‚Gemeinschaft ‘ im Sinne von Tönnies mehr und mehr unbeantwortbar geworden. Die damit umschriebene ‚Dorfgemein-schaft‘, die nicht nur räumlich, sondern auch als Wirtschaftseinheit zusammen betrachtet werden konnte, ist in der heutigen Zeit nicht mehr zu beobachten. Ist deshalb das ‚Sozialgebilde‘ – oder wie Simmel auf der Suche nach überzeitlichen Strukturen sagen würde, die ‚Form‘ – Gemeinschaft verschwunden? In den Aus-sagen über die Jugendkulturen wird deutlich, daß etwas ‚Ähnliches‘ zu existieren scheint – aber es ist eben nur ähnlich – nicht gleich. Daher muß Shaviro (1997) an dieser Stelle zugestimmt werden, der behauptet:

Page 36: Postmoderne Taktiken in einer strategischen ... · Heike Hoppmann pro:Vision Postmoderne Taktiken in einer strategischen Gegenwartsgesellschaft - Eine soziologische Analyse - Wissenschaftlicher

39

„Es geht darum zu lernen, anders zu leben und zu empfinden, oder genauer: Methoden zur Sprache zu bringen, wie wir bereits anders leben und empfinden, ob wir das nun wollen oder nicht“ (Shaviro, 1997: 8).

Dieses Kapitel sollte einen kurzen Einblick in die Problematik der Beschreibung der Gegenwartsgesellschaft liefern. Auch in der Soziologie als Wissenschaft wird die Ambivalenz der Postmoderne spürbar. Daher gilt auch für die Wissenschaft:

„Ein aufgrund der tiefgreifenden Veränderungen ihrer Organisation und Funk-tionsweise notwendig gewordenes neues Modell der gegenwärtigen Gesellschaft zu entwickeln, ist nur eine Aufgabe, mit der sich die Soziologie durch das Auf-kommen der Postmoderne konfrontiert sieht. Nicht weniger komplex ist die Auf-gabe, die Hauptkategorien der Soziologie zu überprüfen, die unter Bedingungen geschaffen wurden, die immer mehr der Vergangenheit angehören“ (Bauman, 1995: 84).

Dieser vorgestellte Begriffskatalog soll dienlich sein, die Transformationspro-zesse der modernen Gesellschaft zu erkennen und zu deuten. Durch die Schlüs-selbegriffe wird ein Instrumentarium zur Verfügung gestellt, das helfen kann, soziale und kulturelle Phänomene zu erklären und als postmodern zu identifizie-ren. Wichtig ist, daß der Prozeßcharakter der Veränderungen beachtet wird. Viele Phänomene, die bereits in der Moderne zu beobachten waren, treten in der Post-moderne erst deutlich in den Vordergrund. Der Bereich der Methode wurde in diesem Zusammenhang angesprochen, um die notwendigen Reaktionen im soziologischen Bereich auf die Transformationsprozesse zu verdeutlichen. Die fragmentierte Gegenwartsgesellschaft benötigt neben einer entsprechenden Me-thode auch das entsprechende Vokabular – das noch nicht zur Verfügung steht.