Plausibilisierung von Verkehrswerten (Marktwerten) · Abstrahiert man von pers¨onlichen...
Transcript of Plausibilisierung von Verkehrswerten (Marktwerten) · Abstrahiert man von pers¨onlichen...
-
Deutsche Immobilien-Akademie an der Universität Freiburg GmbH
Aufbaustudiengang Internationale Immobilienbewertung
– Innovative Immobilienbewertungsverfahren –
Plausibilisierung vonVerkehrswerten (Marktwerten)
Ellwood-Verfahren und
prognostische DCF-Modelle
Thore Simon
Dipl.-Oec. (U) Dipl.-Wirt.-Ing. (FH)
Hannover, 20061
1Überarbeitete Version vom 15. Mai 2006. c© 2006. Die Vervielfältigung ist, auch auszugsweise, nichtgestattet. Fragen und Anregungen an: [email protected]
-
Vorwort
”After all, value is expressed as a number.And no man lives who, through experience,has all numbers so filed in the convolutions ofhis brain that he can be relied upon to choosethe right one without explicable analysis andcalculation.“
L.W. Ellwood
Die Verkehrswertermittlung in Deutschland wird im wesentlichen durch die in der Werter-
mittlungsverordnung 1988 kodifizierten Verfahren getragen. Allen diesen Verfahren ist ge-
mein, daß sie auf Vergleichswerten beruhen. Während dieser Umstand in der Bezeichnung
”Vergleichswertverfahren“ (§§ 13, 14 WertV) unmittelbar zum Ausdruck kommt, ist das
aus den Begriffen”Ertragswertverfahren“ (§§ 15–20 WertV) bzw.
”Sachwertverfahren“
(§§ 21–25 WertV) nicht ablesbar. Erst ein Blick hinter die Kulissen verrät das Prin-
zip des indirekten Vergleichs: Im Ertragswertverfahren sind es primär die Vervielfältiger,
beim Sachwertverfahren die Normalherstellungskosten. Beide Ansätze gehen jeweils von
aus dem Marktgeschehen abgeleiteten Wertfaktoren aus. Damit folgt die Grundstücks-
bewertung in Deutschland einem in sich geschlossenen Konzept. Eine Erweiterung der
anerkannten Standards der WertV um weitere Methoden ist nicht erforderlich und auch
nicht Ziel dieser Abhandlung.
Gerade Immobilien, bei denen die Ertragserzielung im Vordergrund steht, können auch aus
dem Blickwinkel der Investoren betrachtet werden. Da Immobilien regelmäßig nicht mit
100 Prozent Eigenkapitaldeckung erworben werden, muß sich der Investor mit der Vor- und
Nachteilhaftigkeit von Fremdfinanzierung auseinandersetzen. Hier ist von dem hinlänglich
bekannten Leverage-Effekt die Rede. Zudem hat er das Risiko des von ihm eingesetzten
Eigenkapitals einzuschätzen. Als Ergebnis seiner Wirtschaftlichkeitsüberlegungen ergibt
sich der Marktwert der Immobilie – aus Investorensicht.
-
Abstrahiert man von persönlichen Bedingungen und leitet zu einem”allgemeinen“ In-
vestor über, so werden Werte ermittelt, die sich üblicherweise am Markt mit mehreren
Teilnehmern etablieren würden. Auf diese Weise können Verkehrswerte, die mittels der
kodifizierten Verfahren ermittelt wurden, einer Plausibilitätskontrolle unterzogen werden.
Und hierin liegt ein großer Vorteil begründet: Häufig wird deutschen Sachverständigen vor-
gehalten, die von ihnen ermittelten Marktwerte seien nicht stimmig und nicht begründet.
Mehr noch: Das Ertragswertverfahren sei grundsätzlich nicht marktkonform und daher
abzulehnen. Die zweifellos unberechtigte Kritik geht am Kern der Sache vorbei. Nicht das
zur Anwendung kommende Verfahren ist maßgebend, sondern die begründbare Ableitung
des Marktwerts! Ein Marktwert, der sachlich begründet und aus dem Markt heraus abge-
leitet wurde, kann nicht verworfen werden, nur weil man sich über die Methode uneinig
ist.
Was liegt daher näher, als den Marktwert mittels zweier Verfahren darzustellen und zu
begründen? Diese Ansicht ist dem deutschen Sachverständigenwesen nicht neu und hat
in § 7 WertV bereits ihren Niederschlag gefunden. Neben den zuvor erwähnten Verfah-
ren der WertV können auch beliebige andere Verfahren angewendet werden. So besteht
die Möglichkeit, dem aus dem Markt abgeleiteten Ertragswert das”allgemeine Inve-
storenmodell“ gegenüberzustellen. Läßt sich der Ertragswert-Marktwert unter Verwen-
dung von realistischen, marktnahen, marktkonformen und allgemeinüblichen Ansätzen
von Eigenkapital- und Fremdkapitalrenditen stützen, so besagt dies folgendes: Der im
Ertragswertverfahren ermittelte Marktwert ist marktkonform und kann nicht verworfen
werden. Und: Ganz offensichtlich ist das Ertragswertverfahren zur Ableitung von plausi-
blen Marktwerten geeignet. Mithin spricht für das deutsche Sachverständigenwesen nichts
dafür, sich einem anderen Verfahren zuzuwenden.
Die Ellwood-Methode ist eine Implementation des soeben Dargelegten. Auf Basis von
Fremdfinanzierung und Eigenkapitalrisiko wird dem Marktwert beigekommen. Eine übli-
cherweise im 10-Jahres-Untersuchungszeitraum dargestellte Wert-Rendite-Entwicklung
zeigt mögliche Fehlschätzungen des Marktwertes auf. Mehr nicht. Es wird nicht in die
Zukunft spekuliert, keine Prognose über Wertänderung angestellt.
-
Ellwood entwickelte ein Analyseinstrument, welches notwendige Wertänderungen mit
Renditeüberlegungen verknüpft. Die Interpretation bleibt dem Sachverständigen vorbe-
halten, egal ob als Wertermittler oder Investor.
Noch einige Hinweise zur verwendeten und ausgewerteten Literatur. Das Ellwood-
Verfahren ist in Deutschland bisher weitgehend unbekannt geblieben. So existierten zu
diesem Thema bis in den Februar 2005 hinein neben den Ausführungen von Vogels
keinerlei Bücher oder Artikel in deutscher Sprache. Die vorliegende Abhandlung ist da-
her elementar an das amerikanische”red book“, den Ellwood Tables aus dem Jahr
1959, zuletzt verlegt vom American Institute of Real Estate Appraisers, 1977
angelehnt.
Abschließend wird ein alternativer Weg zur Plausibilisierung im Überblick dargestellt:
Die Plausibilisierung anhand prognostischer Discounded-Cash-Flow-Verfahren. Sie bieten
für Sachverständige wie für Investoren die Möglichkeit, spezifische Annahmen über Miet-
und Wertentwicklung, Entwicklung der Bewirtschaftungskosten sowie Inflationsrate in
ein Rechenmodell zu integrieren und die Auswirkungen dieser Prognoseparameter auf
die Eigen- bzw. Gesamtkapitalrendite zu untersuchen. In diesem Zusammenhang kann
das Ellwood-Modell als spezifische Variante der Gruppe der Discounted-Cash-Flow-
Verfahren zugeordnet werden.2 Aufgrund der Vielzahl an Ausformungen und Varianten
der am Markt üblichen DCF-Modelle kann ihnen in dieser Abhandlung nur wenig Raum
gewidmet werden.
2Vgl. Rehkugler: Risiken in der Immobilienbewertung, in: Informationsdienst für Sachverständige,2/2006, S. 11 ff.
-
i
Inhaltsverzeichnis
Symbolverzeichnis viii
Abkürzungen x
1 Einführung 1
1.1 Plausibilisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.1.1 Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.1.2 Zielsetzung und grundsätzliche Anforderungen . . . . . . . . . . . . 3
1.1.3 Typen/Stufen der Plausibilisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
1.1.3.1 Typ/Stufe 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
1.1.3.2 Typ/Stufe 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
1.1.3.3 Typ/Stufe 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
1.1.3.4 Typ/Stufe 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
1.2 Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
1.2.1 Verkehrswert (Marktwert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
1.2.2 Investition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
1.2.3 Ertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
1.2.4 Eigenkapital und Fremdkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
1.2.5 Gesamtkapitalverzinsung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
1.2.6 Bruttoanfangsrendite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
1.2.7 Nettoanfangsrendite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
1.2.8 Barkapitalwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
1.2.9 Verzinsung der Investition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
1.2.10 Dividende und Dividendenverzinsung . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
1.2.11 Kapitalisierungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
1.2.12 Abschreibung (depreciation) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
1.2.13 Wertzuwachs (appreciation) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
-
Inhaltsverzeichnis ii
1.2.14 Annuität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
1.2.15 Wiedergewinnungsfaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
1.2.16 Kapitalrückführung (Wiedergewinnung) . . . . . . . . . . . . . . . 18
1.2.17 Betrachtungszeitraum (income projection term) . . . . . . . . . . . 19
1.2.18 Gleichzeitiges Auftreten von Abschreibung, Wiedergewinnung und
Wertzuwachs des Eigenkapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
1.2.19 Ertragswertverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
2 Ellwood-Verfahren 28
2.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
2.2 Die Hypothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
2.2.1 Definition der Hypothek in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . 31
2.2.2 Finanzmathematische Behandlung der Hypothek . . . . . . . . . . 34
2.2.3 Zeitliche Wirkung des Fremdkapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
2.3 Datenbeschaffung/-gewinnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
2.3.1 Hypothekenzinssätze und -laufzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
2.3.2 Fremdkapitalquote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
2.3.3 Eigenkapitalverzinsung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
2.4 Systematik des Basismodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
2.4.1 Gesamtkapitalverzinsung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
2.4.2 Exkurs: Verschuldungsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
2.4.2.1 Klassische Verschuldungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . 54
2.4.2.2 Modigliani-Miller-Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
2.4.3 Eigenkapitalverzinsung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
2.4.4 Berücksichtigung der Hypothekenfinanzierung . . . . . . . . . . . . 61
2.4.5 Berücksichtigung von Wertänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . 63
2.4.6 Das vollständige Basismodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
2.4.7 Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
2.4.8 Graphische Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
2.4.9 Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
2.5 Berücksichtigung von Wert- und Ertragsänderungen: J-Modell . . . . . . . 73
-
Inhaltsverzeichnis iii
2.5.1 Ableitung des J-Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
2.5.2 Beispiel und Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
2.6 Fishers K-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
2.7 Anwendungsbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
2.7.1 Beispiel-Verkehrswertermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
2.7.2 Investitionsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
2.7.3 Ellwood-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
2.7.3.1 Normalfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
2.7.3.2 Überbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
2.7.3.3 Unterbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
2.7.3.4 Überzogene Fremdkapitalkosten . . . . . . . . . . . . . . . 95
2.7.3.5 Geringe Fremdkapitalquoten . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
2.7.3.6 Überhöhte Fremdkapitalquote . . . . . . . . . . . . . . . . 99
2.7.3.7 Kurze Hypothekenlaufzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
2.7.4 Ellwood als Methode zur Wertermittlung . . . . . . . . . . . . . . . 102
2.8 Weiterentwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
2.8.1 Implementation mehrerer Hypotheken . . . . . . . . . . . . . . . . 105
2.8.2 Implementation von Ausgabeabschlägen . . . . . . . . . . . . . . . 106
2.8.3 Dreidimensionale Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
2.8.4 Eigenkapitalrendite aus Restwert berechnen . . . . . . . . . . . . . 110
2.9 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
3 Plausibilisierung anhand prognostischer DCF-Modelle 117
3.1 Die Kapitalwertformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
3.2 DCF-Modell ohne Bodenwert auf Basis ewiger Verzinsung . . . . . . . . . 122
3.3 DCF-Modell ohne/mit Bodenwert und erwartetem Resterlös . . . . . . . . 123
3.4 Interpretation des internen Zinssatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
3.5 Unterstützende Plausibilisierungskenngrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . 126
A Anhang 127
A.1 Hypothekenzinssätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
A.2 Ellwood-Analyse von Vogels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128
-
Inhaltsverzeichnis iv
Literaturverzeichnis 129
-
v
Abbildungsverzeichnis
1.1 Einordnung von Marktwertermittlung und Plausibilisierung . . . . . . . . . 4
1.2 Grundprinzipien der Wertermittlung. Der Verkehrswertbegriff . . . . . . . 10
1.3 Regelertragswertverfahren nach §§ 15–19 WertV . . . . . . . . . . . . . . . 25
2.1 Zusammensetzung des Marktwerts aus Eigenkapital- und Fremdkapitalpo-
sition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
2.2 Beispielrechnung: Zeitliche Struktur der Hypothekenannuitäten . . . . . . . 37
2.3 Zeitliche Veränderung der Eigen- und Fremdkapitalposition bei Finanzie-
rung über eine Annuitäten-Hypothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
2.4 Entwicklung der Hypothekenzinssätze bei 5 und 10 Jahren Festschreibung
von Januar 1980 bis Februar 2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
2.5 Entwicklung der Hypothekenzinssätze bei 5, 10 und 15 Jahren Festschrei-
bung von Januar 1994 bis Februar 2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
2.6 Entwicklung der Hypothekenzinssätze bei 5, 10 und 15 Jahren Festschrei-
bung von Januar 2001 bis Februar 2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
2.7 Klassische Verschuldungstheorie. Relevanz der Kapitalstruktur . . . . . . . 55
2.8 Modigliani-Miller-Theorem. Irrelevanz der Kapitalstruktur . . . . . . . . . 58
2.9 Darstellung der Ellwood-Graphen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
2.10 Ellwood-Graphen für das J-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
2.11 Zahlungsströme des Beispiels im zeitlichen Verlauf . . . . . . . . . . . . . . 83
2.12 Ellwood-Graphen für den Normalfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
-
Abbildungsverzeichnis vi
2.13 Ellwood-Graphen bei Überbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
2.14 Ellwood-Graphen bei Unterbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
2.15 Ellwood-Graphen bei überzogenen Fremdkapitalkosten . . . . . . . . . . 95
2.16 Ellwood-Graphen bei überzogenen Fremdkapitalkosten und gesenktem
Kaufpreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
2.17 Ellwood-Graphen bei geringer Fremdkapitalquote (60 %) . . . . . . . . . 97
2.18 Ellwood-Graphen bei geringer Fremdkapitalquote (40 %) . . . . . . . . . 98
2.19 Ellwood-Graphen bei überhöhter Fremdkapitalquote (90 %) . . . . . . . 99
2.20 Ellwood-Graphen bei verkürzter Hypothekenlaufzeit . . . . . . . . . . . 101
2.21 Dreidimensionales Ellwood-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
2.22 Dreidimensionales Ellwood-Modell mit Wertgrenzen von ±10 % . . . . . 109
2.23 Berechnung der Eigenkapitalverzinsung aus bekannten Verkaufspreisen . . 110
3.1 Ausgangsbeispiel: Normales Ertragswertverfahren . . . . . . . . . . . . . . 118
3.2 Vereinfachtes Ertragswertverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
3.3 Umstellung auf das ewige Rentenmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
3.4 Gleicher Zinssatz für Detail- und Fortführungsperiode . . . . . . . . . . . . 123
3.5 Ermittlung des internen Zinssatzes mit erwartetem Resterlös . . . . . . . . 124
A.1 Investitions- und Verkehrswertanalyse mit Excel . . . . . . . . . . . . . . 128
-
vii
Tabellenverzeichnis
2.1 Zeitliche Veränderung der Eigen- und Fremdkapitalposition bei Finanzie-
rung über eine Annuitäten-Hypothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
2.2 Durchschnittliche Hypothekenzinssätze, Abfrage bei der Immobilien-
Zeitung vom 24. März 2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
2.3 Leverage-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
2.4 Variablen des Basismodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
2.5 Beispielrechnung für das Basismodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
2.6 Eigenkapitalverzinsung und erforderliche Wertänderungen ΩN im J-Modell 75
2.7 Beispiel: Normale Wertermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
2.8 Investitionsrechnung für das Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
2.9 Investitionsrechnung - negativer Barkapitalwert . . . . . . . . . . . . . . . 84
2.10 Eigenkapitalverzinsung und erforderliche Wertänderungen ΩN im Basismodell 86
2.11 Beispiel: Überbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
2.12 Beispiel: Unterbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
2.13 Variablen und Annahmen des Basismodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
-
viii
Symbolverzeichnis
Selten benutzte Formelzeichen und Begriffe sowie abweichende Bedeutungen werden aus-
schließlich im Text erläutert.
app Werterhöhung des Marktwerts
ARY all risk yield
BW Bodenwert
BWK Bewirtschaftungskosten
BWKNU nicht umlagefähige Bewirtschaftungskosten
C Hypotheken-Koeffizient
D absoluter Betrag des Fremdkapitals (debt)
dep Wertverminderung (”Abschreibung“) des Marktwerts
E absoluter Betrag des Eigenkapitals (equity)
EK Eigenkapital
EW Grundstücksertragswert
EWBA Ertragswert der baulichen Anlagen
EWBW Bodenertragsanteil
f Hypothekenannuität (Zins- und Tilgungsleistung je Periode)
FK Fremdkapital
GK Gesamtkapital
i (allgemeiner) Zinssatz
I Verzinsung des Fremdkapitals, Hypothekenzinssatz
J Ertragsänderungsfaktor nach Ellwood
K Ertragsänderungsfaktor nach Fisher
L Laufzeit der Hypothek
lz Liegenschaftszinssatz
M Fremdkapitalanteil
-
Symbolverzeichnis ix
MAW Mietausfallwagnis
N Untersuchungszeitraum (Berichtszeitraum)
ω Wertänderung des Martkwerts bezogen auf den Zinssatz
Ω prozentuale Wertänderung des Marktwerts
OAR overall capitalization rate
P relative Hypothekentilgung
r Gesamtkapitalverzinsung
rGK Gesamtkapitalverzinsung
rirr interner Zinssatz (internal rate of return)
R Gesamtkapitalverzinsung inklusive Wertveränderungen
RBF Rentenbarwertfaktor
RE Reinertrag
REF Rentenendwertfaktor
RoE Grundstücksrohertrag
SV KW Sonstige wertbeeinflussende Umstände
V Marktwert der Immobilie zum Stichtag
V WK Verwaltungskosten
V V Vervielfältiger (Rentenbarwertfaktor)
WGF Wiedergewinnungsfaktor des Kapitals
Y Verzinsung des Eigenkapitals
-
x
Abkürzungen
a.A. anderer Auffassung
a.a.O. am angegebenen Ort
Abs. Absatz
Abb. Abbildung
AfA Absetzung für Abnutzung
AO Abgabenordnung
AVN Allgemeine Vermessungsnachrichten
BAnz Bundesanzeiger
BauGB Baugesetzbuch
Bd. Band
BFH Bundesfinanzhof
BFHE Entscheidungen des Bundesfinanzhofs
BGB Bürgerliches Gesetzbuch
BGBl. Bundesgesetzblatt
BGF Bruttogrundfläche
BGH Bundesgerichtshof
BVerwG Bundesverwaltungsgericht
bzgl. bezüglich
DCF Discounted-Cash-Flow Verfahren
d.h. das heißt
ca. circa
CAPM Capital Asset Pricing Model
CF Cash-Flow
c.p. ceteris paribus
EzGuG Entscheidungssammlung zum Grundstücksmarkt u. zur Grundstückswertermittlung
f. folgende
-
Abkürzungen xi
ff. fortfolgende
GBl. Gesetzblatt
GuG Grundstücksmarkt und Grundstückswert
GVBl. (BVOBl.) Gesetz- und Verordnungsblatt
Hrsg. Herausgeber
i.d.R. in der Regel
IdW Institut der Wirtschaftsprüfer
NF Nutzfläche
NJ Neue Justiz
NJW Neue Juristische Wochenschrift
Nr. Nummer
o.g. oben genannt
OLG Oberlandesgericht
OVG Oberverwaltungsgericht
PV Present Value / Barwert
p.r.t. pro rata temporis
Rd. Randnummer
RDM Ring Deutscher Makler
Rz. Randziffer
S. Seite
u.a. und andere
u.a.m. und anderes mehr
usw. und so weiter
VDM Verband Deutscher Makler
vgl. vergleiche
VO Verordnung
Vol. Volume
WACC Weighted Average Cost of Capital (gewichtete Kapitalkosten)
WertR Wertermittlungsrichtlinien
WertV Wertermittlungsverordnung
-
Abkürzungen xii
WM Wertpapier Mitteilungen
WP Wirtschaftsprüfer
WPg Die Wirtschaftsprüfung
ZMR Zeitschrift für Miet- und Raumrecht
z.T. zum Teil
z.Z. zur Zeit
zzgl. zuzüglich
II. BV Zweite Berechnungsverordnung
-
1
1 Einführung
1.1 Plausibilisierung
1.1.1 Problemstellung
In den letzten Jahren hat der Druck auf das deutsche Sachverständigenwesen vermehrt
zugenommen. Insbesonders aus dem angelsächsischen Sprachraum kommen immer wieder
Forderungen, die deutschen Wertermittlungsverfahren der WertV aufzugeben und sich”in-
ternationalen“-Wertermittlungsmethoden, dabei vor allem dem sogenannten”Discounted-
Cash-Flow“-Verfahren, zuzuwenden1. Zwischenzeitlich wurde von verschiedenen Seiten
nachgewiesen, daß DCF-Verfahren und deutsches Ertragswertverfahren bei sachverständi-
ger Anwendung zu gleichen Ergebnissen führen müßten2 und daß sich das DCF-Verfahren
ohne weiteres in ein deutsches Ertragswertmodell überleiten ließe3. Damit entfiel einer
der Hauptkritikpunkte angelsächsischer Wertermittler gegenüber dem deutschen Sach-
verständigenwesen.
In jüngster Zeit konzentriert sich die Kritik in eine andere Richtung. Man unterstellt
den deutschen Sachverständigen, sie wären für marktgerechte Bewertungen insbesondere
im internationalen Kontext nicht ausreichend qualifiziert und ihre Gutachen seien nicht
nachvollziehbar4. Diese Kritik darf nicht ohne weiteres übersehen werden, da sie aus den
unterschiedlichen Anschauungen über Wertermittlung und Wertpräsentation entspringt.
1So sind beispielsweise folgende Sequenzen im Handelsblatt [33] vom 21. Mai 2004 zu lesen: ”an-gelsächsische Experten halten die Berechnungen ihrer deutschen Kollegen für theorielastig und markt-fern“ und: ”Das Ertragswertverfahren, das in Deutschland angewendet wird, findet international keineAnwendung“. Es sei kompliziert und aufwendig und bilde anders als das in Großbritannien gängigereVergleichswert- oder Discounted-Cash-Flow-Verfahren (DCF), eine Art Barwertverfahren, nicht unbe-dingt den Marktwert zum Stichtag ab.
2Für die Unternehmensbewertung sei hier stellvertretend auf Drukarczyk [3] und [2] verwiesen. EineGegenüberstellung für die Immobilienbewertung kann Engel [5] entnommen werden.
3Vgl. Vogels [30].4Vgl. z.B. Immobilienzeitung [16] vom 10.02.2005.
-
Kapitel 1 Einführung 2
Der deutsche Sachverständige ermittelt Marktwerte über das direkte und indirekte Ver-
gleichswertverfahren. Das Ertragswertverfahren kann als indirektes Vergleichswertverfah-
ren angesehen werden. Die Liegenschaftszinssätze, mithin die Vervielfältiger der Reiner-
träge, werden aus dem Markt abgeleitet. Im Ergebnis entsteht der Marktwert (vereinfa-
chend dargestellt) aus der Multiplikation des nachhaltigen Reinertrags mit dem Markt-
faktor”Vervielfältiger“. Weil mittelbar aus dem Markt abgeleitet wird, braucht sich der
Sachverständige keine Gedanken über die Interpretation des Vervielfältigers zu machen.
Die Verwendung von Liegenschaftszinssätzen und Nettoanfangsrenditen anstelle von Ka-
pitalmarktzinssätzen wird auch von deutschen Wirtschaftsprüfern befürwortet5.
Die im angelsächsischen Sprachraum angewendete investorenorientierte Wertermittlung
kann mit dieser Sichtweise wenig anfangen. Wenngleich mittlerweile nicht mehr über die
Richtigkeit der Marktwerte gestritten wird, so doch über die fehlende Nachvollziehbarkeit
über das Zustandekommen dieses Werts.
Die deutschen Wertermittlungsverfahren haben sich nicht hinter den investorenorientier-
ten angelsächsischen Pendants zu verstecken. Mit ihnen können und werden grundsätzlich
marktkonforme Werte ermittelt6. Dennoch erscheint es vor dem Hintergrund der fort-
schreitenden Internationalisierung angebracht, Plausibilisierungsmethoden zu entwickeln,
die auch von Investoren und nicht mit der deutschen Wertermittlungspraxis vertrauten
Sachverständigen verstanden werden.
5Vgl. dazu Weber/Baumunk [32, Rz. 337]: ”Die am Markt verfügbaren Nettoanfangsrenditen oderLiegenschaftszinssätze repräsentieren wesentlich genauer das mit den immobilienbezogenen Cashflowsverbundene Risiko und sollten deshalb zur Diskontierung herangezogen werden“.
6Siehe dazu beispielhaft Kommentare über die Validität von Verkehrswertgutachten im Zusammen-hang mit der DEKA-Krise im Handelsblatt [19] und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung [15], beide vom09.02.2005.
-
Kapitel 1 Einführung 3
1.1.2 Zielsetzung und grundsätzliche Anforderungen
Die Plausibilisierung dient der Überprüfung, ob ein von einem Sachverständigen ermittel-
ter Immobilienwert aus Sicht eines typisierten oder individuellen Investors oder Finanziers
angemessen bzw. zutreffend ist.
”Würde ein vernünftiger
’typischer‘ Investor (=mit einer typischen, d.h.
marktdurchschnittlichen oder mit einer investorspezifischen Renditeerwar-
tung) einen Preis in der Größenordnung des zu prüfenden Verkehrswertes zu
zahlen bereit sein?“
Die Plausibilisierungsrechnung soll damit die Glaubwürdigkeit der ermittelten Wert-
ansätze erhöhen. Soll die reelle Chance bestehen, ein generelles Plausibilisierungsverfah-
ren für Sachverständige und Investoren zu etablieren, dann muss es leicht anwendbar,
verständlich und seinerseits unmittelbar plausibel überprüfbar sein.
Grundsatz sollte sein:
”Man muss die Dinge so einfach wie möglich machen. Aber nicht einfa-
cher.“ (Albert Einstein)
Ausgehend von der Verkehrswertermittlung mittels der üblichen Verfahren (Ertragswert
nach WertV, investment-method nach Red Book oder dem income approach nach USPAP)
erfolgt die Plausibilisierung durch Verfahren der Kreditwirtschaft oder der Investmentana-
lyse.
-
Kapitel 1 Einführung 4
Die folgende Abbildung zeigt den Zusammenhang zwischen der Ermittlung von Verkehrs-
werten (Marktwerten) und der Plausisibilisierung:
Verkehrswert/Marktwert
Ertragswertverfahren WertV (D)
(Kapitalisierungszinssatz:Liegenschaftszins)
MarktorientiertesDiscounted Cash Flow-
Verfahren (D)(Kapitalisierungszinssatz:
all risk net cap rate)
Investment Methodnach Red Book (UK):(Kapitalisierungszinssatz:
all risk yield)
Income Approachnach USPAP (US)
(Kapitalisierungszinssatz:allover capitalization rate)
Ermittlungvon Verkehrswerten/Marktwerten
Plausibilisierungvon Verkehrswerten/Marktwerten
Ellwood-Verfahren(WACC)
Standardisierterkreditwirtschaftlicher
Ansatz
DCF-Prognose-verfahren
(Kapitalisierungszinssatz:CAPM)
StandardisierterInvestorenansatz
Ellwood-Verfahren(WACC)
DCF-Prognose-verfahren
(KapitalisierungszinssatzCAPM)
Individuellerkreditwirtschaftlicher
Ansatz
IndividuellerInvestorenansatz
Vergleichspreise,Vergleichskennziffern,
Datenbanken (ReBase),andere Verfahren
Abbildung 1.1: Einordnung von Marktwertermittlung und Plausibilisierung. Quelle: Si-
mon/Th. Simon, 2005
Zur Plausibilisierung können vielfältige Quellen herangezogen werden, z.B. die vom BIIS
entwickelte Marktdatenbank ReBase, die DID – Deutsche Immobilien-Datenbank, Ver-
gleichskaufpreissammlungen, von Gutachterausschüssen abgeleitete Marktkennziffern u.ä.
Bei den aufgezählten Möglichkeiten wird auf unmittelbare Marktwerte (Vergleichswerte)
bzw. aus diesen abgeleitete Kennziffern (Vergleichskennziffern) abgestellt. Dies entspricht
der in Deutschland vorherrschenden Sichtweise: der Wertermittlung auf der Basis von
Vergleichswerten7.
7So wird dem Vergleichwertverfahren nach §§ 13, 14 WertV ein unmittelbarer Vorrang vor anderenWertermittlungsverfahren eingeräumt, vgl. BVerwG, Urt. vom 13.11.1964 - 7 C 20/64 -, EzGuG 20.38;auch schon beim Preußischen OVG, Urt. vom 18.01.1902, EzGuG 20.6a und BFH, Urt. vom 26.09.1980 -III R 21/78 -, EzGuG 20.86; BFH, Beschl. vom 21.05.1982 - II B 32/81 -, EzGuG 20.99; BFH, Urt. vom29.04.1987 - X R 2/80 -, BFHE 150, 453 = EzGuG 19.39b.
-
Kapitel 1 Einführung 5
Im Rahmen dieser Abhandlung sollen ausschließlich die schattiert dargestellten Plausibi-
lisierungsansätze vorgestellt werden, die auf typisierten (= vom Investor unabhängigen)
Annahmen beruhen; vgl. auch Typ/Stufe 3 im folgenden Kapitel). Dies sind:
• Das Ellwood-Verfahren
• Prognostische Discounted-Cash-Flow-Verfahren
Ellwood nähert sich dem Marktwert von der Investorenseite her, indem er davon aus-
geht, daß der Kaufpreis aus Eigenkapital und Fremdkapital aufgebracht werden muß. Seine
Methode untersucht den Zusammenhang zwischen diesen beiden Kapitalpositionen. Unter
der Annahme von realistischen, marktnahen Renditeforderungen der beteiligten Kapital-
geber können somit Rückschlüsse auf die Höhe des Marktwerts (=Kaufpreises) gezogen
werden. Liegt der vom Sachverständigen ermittelte Marktwert in einem Bereich, der aus
Investorensicht zu realistischen Verzinsungen ihres eingesetzten Kapitals führt, so kann er
nicht verworfen werden. Er ist offenkundig plausibel.
Aus der Anwendung der Methode nach Ellwood erwachsen mehrere Vorteile: Zum
einen kann der Sachverständige seine Marktwertermittlung mit einem weiteren Verfah-
ren stützen, das aufgrund seines Aufbaus verhältnismäßig einfach anzuwenden ist; Zum
anderen bedient er sich dabei einem Instrumentarium, welches von Investoren unmittel-
bar verstanden wird. Ein Kapitalinvestor arbeitet üblicherweise mit Eigenkapital- und
Fremdkapitalpositionen und nicht mit einem Liegenschaftszinssatz, der ihm keinen Rück-
schluß auf die Zusammensetzung der Kapitalposition liefert. Für ihn ist der Marktwert
des Eigenkapitals die bedeutende Position. Fremdkapital betrachtet er als Kostentitel.
Die Verquickung beider Interessenssphären hat für die Beteiligten noch weitere Vorteile:
Die Transparenz wird erhöht, wenngleich das Ertragswertverfahren und die marktabgelei-
teten Liegenschaftszinssätze für den Investor eine”Black-Box“ bleiben. Ellwood liefert
ihm die Möglichkeit, den Marktwert unter seinem Blickwinkel zu analysieren.
Ellwood kann als spezielle Ausformung der DCF-Verfahren angesehen werden, in wel-
chen grundsätzlich investorenorientierte, prognostische Ansätze über Kapitalverzinsung,
Inflation, Miet- und Wertentwicklung der Immobilie zur Anwendung kommen.
-
Kapitel 1 Einführung 6
1.1.3 Typen/Stufen der Plausibilisierung
1.1.3.1 Typ/Stufe 1
Bei Typ/Stufe 1 erfolgt die Absicherung der (expliziten) Inputdaten/Prämissen über
verfügbare Vergleichsdaten anderer Objekte und Teilmärkte.8
• Nachhaltige und tatsächliche Mieten und deren Entwicklung
• Bewirtschaftungskosten und deren Entwicklung
• Veräußerungspreise und deren Entwicklung (Datenbanken)
• Vergleichskennziffern
• (Liegenschafts-)Zinsen.
Das Vorgehen ist für alle Bewertungsverfahren nutzbar und sollte schon immer Standard
der Sachverständigen gewesen sein.
Urteil:
Dieser Schritt ist notwendig, aber nicht ausreichend. Gleiches wird mit Gleichem vergli-
chen, daher gelingt nur eine indirekte Plausibilisierung des Outputs (des Wertansatzes).
Die Qualität hängt zudem von der Verfügbarkeit und Auswahl repräsentativer Vergleichs-
daten ab. Bei international bestehenden Immobilienmärkten sind Vergleichsdaten i.d.R.
in ausreichender Zahl vorhanden.
1.1.3.2 Typ/Stufe 2
Die Plausibilisierung nach Typ/Stufe 2 besteht in der Anwendung zusätzlicher Bewer-
tungsverfahren. Zusätzlich zum Ertragswertverfahren werden dann Verkehrswerte nach
dem Vergleichswertverfahren, nach dem DCF-Verfahren oder der investment method be-
rechnet. Sie ist ebenfalls für alle Bewertungsverfahren anwendbar.
8Die folgenden Ausführungen nach Rehkugler, BIIS Arbeitskreis DCF-Verfahren, Stand: 6. März2006.
-
Kapitel 1 Einführung 7
Urteil:
Treten bei Anwendung mehrerer Verfahren Wertdifferenzen auf, besteht die Schwierigkeit
der Abschätzung, welches Verfahren glaubhafter ist. Resultieren ähnliche Werte, dann
hat der Vergleich ebenfalls wenig Beweiswert, da die Ähnlichkeit der Werte evtl. die Folge
gleicher oder ähnlicher impliziter oder expliziter Annahmen ist. Daher ist auch dieser
Schritt insgesamt wenig hilfreich.
Ein sinnvolles Plausibilisierungsmodell muss daher vom Bewertungsergebnis rückrechnen,
die Angemessenheit einzelner Annahmen und Annahmenbündel überprüfen und dabei In-
formationen/Daten nutzen, die im Bewertungsmodell (so) nicht enthalten sind. Es sind
also andere, exogen gegebene (”dritte“) Vergleichsgrößen notwendig, vor al-
lem alternative Marktrenditen.
1.1.3.3 Typ/Stufe 3
Bei Typ/Stufe 3 erfolgt deshalb die Plausibilisierung des Outputs über die Prüfung im-
pliziter Annahmen über typisierte (= vom einzelnen Investor unabhängige) Renditefor-
derungen der Investoren und Finanziers bei typisierten Finanzierungsannahmen. Damit
wird geprüft, ob die Annahmen über den Immobilienmarkt zu den Annahmen über den
Kapitalmarkt passen, vgl. z.B. das hier vorgestellte prognostische DCF-Modell und das
Ellwood-Verfahren.
1.1.3.4 Typ/Stufe 4
Der Unterschied zwischen Stufe 3 und Stufe 4 besteht darin, daß nunmehr eine Plausibili-
sierung des Outputs über die Prüfung impliziter Annahmen über entscheidungsträgerspe-
zifische (= vom einzelnen Investor vorgegebene bzw. für ihn gültige) Renditeforderungen
der Investoren und Finanziers bei fallspezifischen Finanzierungsannahmen vorgenommen
wird, vgl. vorstehende Abbildung. Damit wird geprüft, ob die Annahmen über den Im-
mobilienmarkt zu den entscheidungsträgerspezifischen Vorgaben und Annahmen über den
Kapitalmarkt passen. Typ/Stufe 4 wird an dieser Stelle nicht weiter verfolgt, weil inve-
storspezifische prognostische Ansätze im Widerspruch zu § 194 BauGB stehen.
-
Kapitel 1 Einführung 8
1.2 Grundbegriffe
In der Wertermittlungsliteratur existieren zu zentralen Begriffen bisweilen verschiedenar-
tige Definitionen bzw. Interpretationen, die z.T. im Widerspruch zur ökonomischen Li-
teratur stehen9. Aus diesem Grund scheint es angebracht, der eigentlichen Untersuchung
eine kurze Erläuterung der wichtigsten Begriffe voranzustellen, um Mißverständnisse zu
vermeiden.
1.2.1 Verkehrswert (Marktwert)
Der Wert eines Grundstücks wird von den im Grundstücksverkehr herrschenden Wertvor-
stellungen bestimmt. Er ist ein interindividueller Wert. Ein Wert, den das Grundstück für
jedermann hat (vgl. BGH vom 25. 6. 1964 III ZR 111/61, AVN 1966 S. 100, ZMR 1965
S. 233).
Grundlage für die Wertermittlung von Grundstücken ist der in Deutschland per Gesetz
kodifizierte Verkehrswert. Die Legaldefinition findet sich in § 194 BauGB:
”Der Verkehrswert wird durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt,
auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr
nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der
sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks oder des sonstigen
Gegenstands der Wertermittlung ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder
persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre.“ (Anm.: Hervorhebungen durch den
Autor)
9So ist es bis in die jüngste Zeit nicht gelungen, sich mit der Unternehmensbewertung auf eine einheit-liche Definition des ”DCF-Verfahrens“ zu einigen. Während die Unternehmensbewertung unter DCF seitüber 30 Jahren ein mathematisches Modell zur Bewertung unter Annahme von Fremdfinanzierung undsteuerlichen Aspekten subsummiert, hält sich in der Wertermittlungsliteratur hartnäckig die Auffassung,DCF sei prinzipiell eine zeitliche, horizontale Aufgliederung der angelsächsischen ”investment-method“.
-
Kapitel 1 Einführung 9
Zeitpunkt der Ermittlung
Die Bewertung des Grundstücks (oder sonstigen Wertermittlungsobjekts) hat stichtags-
bezogen zu erfolgen. § 194 BauGB spricht ausdrücklich nicht von einem Zeitraum, sondern
einem Zeitpunkt. Unter Anwendung des Stichtagsprinzips haben Informationen, die zwar
zum Zeitpunkt der Wertermittlung verfügbar, aber erst nach dem Wertermittlungsstich-
tag bekannt geworden sind, unberücksichtigt zu bleiben.
Gewöhnlicher Geschäftsverkehr
Nach Gottschalk [6, S. 21] ist unter gewöhnlichem Geschäftsverkehr der Handel mit
Grundstücken auf dem freien Markt zu verstehen, bei dem alle objektspezifischen Merk-
male Berücksichtigung gefunden haben und es eine genügende Anzahl Kaufinteressenten
gibt, die bereit sind, den ermittelten Preis zu bezahlen. Eine Legaldefinition liegt nicht vor.
Zwangsversteigerungen und Unternehmensbewertungen fallen nicht unter den gewöhnli-
chen Geschäftsverkehr.
Rechtliche Gegebenheiten
Rechte am Grundstück (Grunddienstbarkeiten, Baubeschränkungen, Denkmalsschutz,
Bau- und Planungsrechte, Nutzungsbeschränkungen usw.) sind bei der Wertermittlung
zu berücksichtigen, sofern sie wertbeeinflussend wirken.
Tatsächliche Eigenschaften und sonstige Beschaffenheit
Am Grundstück vorliegende Eigenschaften wie Bebaubarkeit, Geländeneigung, Größe,
Form und Zuschnitt, Altlasten u.a.m. sind zu berücksichtigen.
Lage des Grundstücks
Die Lage des Grundstücks ist zu berücksichtigen.
Ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse
Ungewöhnliche Verhältnisse, die den Wert des Grundstücks erheblich von Preisen für an-
sonsten vergleichbare Grundstücke abweichen lassen, dürfen keine Berücksichtigung finden
(z.B. ungewöhnliche vertragliche Konstellationen, Grunddienstbarkeiten usw.). Persönli-
che Verhältnisse, die den Wert des Grundstücks beeinflussen könnten, sind außer Acht zu
lassen (z.B. familiäre Bindungen, Freundschaftsverhältnisse, Liebhaberei o.ä.).
-
Kapitel 1 Einführung 10
Rössler/Langner et al [20, Rz. 1.48] fassen den Verkehrswertbegriff graphisch wie
folgt zusammen:
Abbildung 1.2: Grundprinzipien der Wertermittlung. Der Verkehrswertbegriff. Quelle:
Rössler/Langner et al [20, Rz. 1.48]
Der Verkehrswert wird im folgenden mit der Variablen V (engl. value) bzw. V KW geführt.
1.2.2 Investition
Die Betriebswirtschaftslehre kennt mehrere Investitionsbegriffe, die jeweils mit verschie-
denartigen Vor- und Nachteilen verbunden sind. Im folgenden soll von dem zahlungsori-
entierten Investitionsbegriff ausgegangen werden (vgl. Kruschwitz [12, S. 4 ff.]):
Unter Investition wird eine betriebliche Tätigkeit verstanden, bei denen zu
unterschiedlichen Zeitpunkten t Ausgaben (zt < 0) und Einnahmen (zt > 0)
anfallen. Eine Investition beginnt immer mit einer Ausgabe. Die Investition
kann als Zahlungsreihe geschrieben werden, z.B. (-100, 60, 90).
-
Kapitel 1 Einführung 11
1.2.3 Ertrag
Das Ergebnis einer wirtschaftlichen Leistung wird im allgemeinen als”Ertrag“ bezeich-
net. In der Betriebswirtschaftslehre wird diese Leistung in Geldeinheiten, üblicherweise
bezogen auf eine Zeiteinheit (z.B. ein Jahr), gemessen. Die Grundstückswertermittlung un-
terteilt Ertrag zusätzlich in die zwei Komponenten Rohertrag und Reinertrag. Der Roher-
trag ist mit der Nettokaltmiete gleichzusetzen (vgl. Rössler/Langner et al [20, Rz.
4.155]).
In dieser sind noch die nicht auf den Mieter umlegbaren Bewirtschaftungskosten enthalten:
• Verwaltungskosten
• Instandhaltungskosten
• Mietausfallwagnis
Werden diese abgezogen, erhält man den Reinertrag. Dieser wird im folgenden mit der
Variablen RE geführt.
1.2.4 Eigenkapital und Fremdkapital
Unter Eigenkapital wird der absolute Betrag oder Wert(-anteil) einer Immobilie verstan-
den, der als Differenz aus dem Marktwert und dem aus Fremdmitteln bestehenden Teil
verbleibt. Ist der Kaufpreis z.B. zu 80 Prozent aus Fremdmitteln finanziert worden, so
verbleibt ein aus Eigenmitteln zu erbringender Anteil von 20 Prozent. Investiertes Eigen-
kapital wird auch als Risikokapital oder Venture-Kapital bezeichnet, weil keinerlei Garan-
tien über die Höhe der Rückzahlungen oder die endgültige Verzinsung gegeben werden
können. Fremdkapital kann unter normalen Umständen als relativ sicheres Kapital be-
trachtet werden, weil vertragliche Rückzahlungs- und Zinszahlungen vereinbart werden,
die zwingend einzuhalten sind. Hier bliebe der Fall der Zahlungsunfähigkeit zu untersu-
chen. Eigenkapital wird im folgenden unter der Variable E (für engl. equity) bzw. EK,
Fremdkapital mit D (für engl. debt) bzw. FK geführt.
-
Kapitel 1 Einführung 12
1.2.5 Gesamtkapitalverzinsung
Die Gesamtkapitalverzinsung rGK ergibt sich aus dem Quotienten des Jahresreinertrags
im ersten Jahr RE und dem Marktwert V der Immobilie:
rGK =RE
V
Ellwood verwendet die Variablen r als Gesamtkapitalverzinsung und R als Gesamtkapi-
talverzinsung unter Berücksichtigung von Wertänderungen (vgl. Abschnitt 2.4.5). Groß-
und Kleinschreibung sind daher zu beachten. Um Verwechslungen zu vermeiden, bezeich-
net rGK die ”allgemeine“ Gesamtkapitalverzinsung, wie sie in der Betriebswirtschaftslehre
zur Anwendung kommt.
Beispiel
Bei einem Reinertrag von 150.000 e und einem Marktwert von 2.500.000 e ergibt sich
eine Gesamtkapitalverzinsung von:
rGK =RE
V=
150.000
2.500.000= 0.06
�
In Großbritannien existiert für die Gesamtkapitalverzinsung der Begriff des”all risk yield“
(ARY ). In den Vereinigten Staaten von Amerika sind hingegen die Bezeichnungen”over-
all capitalization rate“ (OAR) bzw.”composite capitalization rate“ gebräuchlich. Alle
Begriffe bezeichnen dasselbe: Die sich ergebende Verzinsung enthält noch beide Kapital-
positionen, also das Risiko für Eigenkapital und Fremdkapital.
1.2.6 Bruttoanfangsrendite
Die Bruttoanfangsrendite bezeichnet die Gesamtkapitalverzinsung, die auf dem Jahres-
rohertrag, der Nettokaltmiete des ersten Jahres basiert.
1.2.7 Nettoanfangsrendite
Die Nettoanfangsrendite entspricht der Gesamtkapitalverzinsung auf der Basis des Jah-
resreinertrags.
-
Kapitel 1 Einführung 13
1.2.8 Barkapitalwert
Der Barkapitalwert ist definiert als Summe aller mit dem Kalkulationszinsfuß i auf den
Zeitpunkt (t = 0) diskontierten Investitionszahlungen:
BWK =N∑
t=0
zt · (1 + i)−t
Ökonomisch kann dieser als Preisdifferenz zwischen dem untersuchten Investitionsobjekt,
welches sich in den Zahlungen zt widerspiegelt, und einer alternativen Anlage mit der
Verzinsung i interpretiert werden.
Die Entscheidung, welche Anlage bessere Renditen verspricht, wird nach folgender Regel
getroffen:
BKW > 0 ⇒ Investition ist lohnend
BKW < 0 ⇒ Investition ist abzulehnen
Beispiel
Betrachtet wird die Investitionsreihe (-1.000, 200, 300, 600). Der alternative Anlagezins
bei der Bank betrage 10 %. Die Berechnung des Barkapitalwerts führt auf:
BKW = −1000(1+0,10)0
+ 200(1+0,10)1
+ 300(1+0,10)2
+ 600(1+0,10)3
BKW = −1000 + 2001,1
+ 3001,21
+ 6001,331
BKW = −1000 + 181, 82 + 247, 93 + 450, 79 = −1.000 + 880, 54 = −119, 46
Der Barkapitalwert ist negativ. Folglich muß die Investion in dieses Projekt abgelehnt
werden. Das ist unmittelbar plausibel, denn der Investor tauscht in t = 0 seine 1.000 e
gegen Erträge, die in t = 0 in Summe nur 880,54 e”wert“ sind. Die Differenz, 119,46 e,
bezeichnet denjenigen Betrag, den er verschenkt, falls er in dieses Projekt investierte.
�
Eine Besonderheit ist gegeben, wenn der Barkapitalwert genau den Wert null annimmt.
-
Kapitel 1 Einführung 14
1.2.9 Verzinsung der Investition
Unter der Investitionsverzinsung wird derjenige jährliche Zinssatz verstanden, bei dem der
Kaufpreis genau dem Barwert aus jährlichen Erträgen (Einkommen) und dem Verkaufs-
preis am Ende der Investition entspricht. Nach der Definition ist dies gleichbedeutend mit
BKW!= 0. Der Zinssatz, der die Barkapitalwertgleichung null werden läßt, wird auch als
interner Zinssatz (engl. internal rate of return, IRR) bezeichnet. In Formeln geschrieben
und auf Immobilieninvestitionen bezogen bedeutet dies die Lösung folgender Gleichung:
−A0 +
(N∑
t=1
REt · (1 + rirr)−t)
+ VN · (1 + rirr)−N!= 0
Die Investitionsreihe beginnt mit dem Kaufpreis A0 als Ausgabe. Über den Nutzungszeit-
raum N erhält der Investor Reinerträge REt. Nach N Jahren wird die Immobilie zum Preis
von VN veräußert. Man erhält folgende Investitionsreihe: (−A0, RE1, RE2, . . . , REN +VN).
Gesucht ist der Zinssatz rirr, bei dem die Gleichung erfüllt ist. Dies soll an einem Beispiel
verdeutlicht werden.
Beispiel
Gegeben ist eine Investitionsreihe mit dem Kaufpreis 1.000 e und Kapitalrückflüssen in
t = 1 von 500 e und einer Schlußzahlung in t = 2 von 700 e, also (-1.000, 500, 700).
Gesucht ist die (interne) Verzinsung dieser Investition, mithin:
−1000 + 500(1 + rirr)1
+700
(1 + rirr)2!= 0
Mit der Funktion Zielwertsuche von Excel ist die Lösung dieser Gleichung schnell ge-
funden, rirr = 0, 12321. Einsetzen in obige Gleichung zeigt:
−1.000 + 5001, 12321
+700
1, 123212= −1.000 + 445, 1527 + 554, 8506 = 0, 0033
Die Gleichung ist für einen Zinssatz von rd. 12,32 % erfüllt. Größere Zinssätze lassen den
Barkapitalwert negativ werden, weil die Divisoren (1 + rirr)t mit höheren Zinssätzen rirr
ansteigen. Umgekehrt wird der Barkapitalwert bei kleineren Zinssätzen positiv.
Dies läßt den ökonomischen Preisvergleichscharakter des Barkapitalwerts deutlich werden.
Besitzt die Alternativanlage z.B. eine Verzinsung von 15 %, so wäre es unsinnig, das
obige Investitionsobjekt zu erwerben, denn dieses erwirtschaftet nur eine Verzinsung von
-
Kapitel 1 Einführung 15
12,32 %. Den Verlust, den der Investor in diesem Fall machte, findet sich im Barkapitalwert
wieder. Bei 15 % Alternativverzinsung läge dieser bei −33 e. Umgekehrt wäre obiges
Projekt zu empfehlen, wenn die Alternativverzinsung nur 8 % beträge: der Barkapitalwert
ist dann +62 e.
�
1.2.10 Dividende und Dividendenverzinsung
Als Dividende wird der jährlich aus dem Reinertrag auszahlungsfähige Anteil bezeichnet.
Dies ist regelmäßig der Reinertrag abzüglich der Kosten für die Bedienung des Fremdka-
pitals. Die Dividendenverzinsung ermittelt sich aus dem Quotienten des ausgeschütteten
Betrags und dem eingesetzten Eigenkapital.
Beispiel
Beträgt etwa der an den Eigentümer ausgeschüttete, jährliche Ertrag 10.000 e, seine
Eigenkapitaleinlage 100.000 e , so berechnet sich die Dividendenrendite zu:
d =10.000
100.000= 0, 10 = 10 %
�
1.2.11 Kapitalisierungsmethode
Ein großer Unterschied zwischen dem deutschen Ertragswertverfahren und den an-
gelsächsischen Verfahren liegt in der Wahl der Kapitalisierungsmethode. Während in
Deutschland die direkte Kapitalisierung (direct capitalization) gängige Praxis ist, wird in
England und Amerika üblicherweise die indirekte Kapitalisierung angewendet. Prinzipiell
aber müssen beide Verfahren zum gleichen Marktwert führen.
Bei der direkten Kapitalisierung wird der Reinertrag des ersten Jahres mit einem Gesamt-
kapitalisierungszinssatz, der das Mischrisiko aus Eigen- und Fremdfinanzierung ausdrückt,
kapitalisiert. Dies entspricht der Vorgehensweise beim vereinfachten Ertragswertverfahren,
mit der Besonderheit, daß dort der Gesamtkapitalisierungszinsatz aus dem Markt abge-
leitet und als Liegenschaftszinssatz bezeichnet wird. Unabhängig von der Frage, ob eine
-
Kapitel 1 Einführung 16
ewige oder eine beschränkte Restnutzungsdauer verwendet wird, entfällt bei direkter Ka-
pitalisierung der Ansatz eines in der Zukunft liegenden, geschätzten Verkaufspreises. Der
verwendete Zinssatz enthält sowohl die Renditeforderungen an die über die Nutzungsdau-
er erzielten Erträge als auch an das im Kaufpreis eingesetzte Kapital.
Die indirekte Kapitalisierung bildet das Investorenverhalten deutlicher ab. Hier wird die
Immobilie als Investition im klassischen Sinne verstanden, indem die Erträge über die
Haltedauer und der Verkaufspreis am Ende der Haltedauer getrennt kapitalisiert werden10.
Bei beiden Verfahren kommen marktabgeleitete Zinssätze zur Anwendung, weshalb bei
korrekter Anwendung im Ergebnis gleiche Marktwerte ermittelt werden (vgl. z.B. Ap-
praisal of Real Estate [1, S. 495]).
1.2.12 Abschreibung (depreciation)
Unter Abschreibung wird das Sinken des Marktwerts einer Immobilie vom Zeitpunkt des
Kaufs bis zum Zeitpunkt des Verkaufs verstanden. Diese Definition von Abschreibung
darf nicht mit der Buchwertabschreibung verwechselt werden, die bei der steuerlichen
Bewertung maßgeblich ist.
Wenn z.B. eine Immobilie im Jahr 2000 bei einem Marktwert von 1.000.000 e erworben
und im Jahr 2004 für 800.000 e veräußert wird, so beträgt die Abschreibung 20 %.
Unter Buchwertabschreibung werden willkürliche, periodische Reserven bzw. Abzüge ver-
standen, die auf historischen Kosten bzw. steuerlichen Ansätzen beruhen. Sie ist in der
Regel von den tatsächlichen Veränderungen des Immobilienmarktes unabhängig und daher
nicht geeignet, auf die Höhe des Marktwerts zu einem zukünftigen Zeitpunkt zu schließen.
10Das amerikanische Appraisal Institute unterscheidet hier zwischen dem return on capital, welchesaus der Risikoübernahme resultiert (Zinsforderung der Kapitalgeber während der Haltedauer) und demreturn of capital, der Wiedergewinnung des eingesetzten Kapitals am Ende der Haltedauer durch Verkaufder Investition, vgl. Appraisal of Real Estate [1, S. 487 f.].
-
Kapitel 1 Einführung 17
1.2.13 Wertzuwachs (appreciation)
Wertzuwachs meint die Steigerung des Marktwerts vom Zeitpunkt des Kaufs bis zum Zeit-
punkt des Verkaufs. Dabei kann zwischen der Steigerung des Marktwerts der Immobilie
(und damit einer Gesamtkapital-Werterhöhung) und der Steigerung des Marktwerts des
Eigenkapitals unterschieden werden.
1.2.14 Annuität
Als Annuität wird üblicherweise eine Serie von gleichbleibenden, jährlichen Zahlungen be-
zeichnet. Wenn man den Begriff etwas breiter faßt, kann eine Annuität auch auf quartärli-
che oder monatliche Zahlungstermine erweitert werden. Entscheidend ist, daß der Abstand
zwischen zwei Zahlungsterminen konstant bleibt.
1.2.15 Wiedergewinnungsfaktor
Eine Immobilieninvestition besteht im Normalfall aus der Zahlung des Kaufpreises, der
Ziehung aller möglichen Erträge aus der Immobilie über die Nutzungsdauer und dem
anschließenden Verkauf. Um die Investitionsrendite zu ermitteln, muß darauf geachtet
werden, daß das investierte Eigenkapital am Ende der Haltedauer wieder in voller Sum-
me angespart ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob aus den jährlichen Erträgen Rücklagen
gebildet und verzinslich angelegt werden, oder ob der Ankaufspreis durch den Verkauf am
Ende der Nutzungsdauer wiedergewonnen wird. Bei im Zeitablauf sinkenden Marktwer-
ten dürfte das aber regelmäßig nicht der Fall sein, weshalb ein Teil der Reinerträge als
”Reinvestitionsrücklage“ einbehalten werden sollte.
Neben den Fremdkapitalzinsen, die als unmittelbare jährliche Kosten anzusetzen sind, ist
auch die Tilgungsleistung aus dem Reinertrag zu decken. Die Höhe der Zahlung ist von
der Gesamtlaufzeit der Hypothek abhängig.
Immer dann, wenn zu einem feststehenden, zukünftigen Termin benötigtes Kapital im
Zeitablauf in Annuitäten angespart werden muß, kommen Wiedergewinnungsfaktoren
(engl. sinking fund factor) zur Anwendung, die angeben, welcher Teil eines Euro jähr-
-
Kapitel 1 Einführung 18
lich verzinslich zurückgelegt werden muß, um diesen Euro am Ende wieder angesammelt
zu haben:
WGF =1
REF=
I
(1 + I)L − 1
Es handelt sich um den reziproken Rentenendwertfaktor einer Zeitrente. Die Anwendung
soll anhand des folgenden Beispiels illustriert werden:
Beispiel
Eine Immobilie wird zum Preis von 73.600 e zu 100 % aus Eigenmitteln erworben und
über 10 Jahre genutzt. Es wird damit gerechnet, daß nach Ablauf der Nutzung kein Wie-
derverkauf möglich ist. Der Wert des Grund und Bodens wird vernachlässigt. Jährlicher
Ertrag: 10.000 e . Der Zinssatz betrage 6 %. Für den Wiedergewinnungsfaktor ergibt sich:
WGF =1
REF 106%=
0, 06
(1 + 0, 06)10 − 1= 0, 075868
Damit ein Euro am Ende der Nutzungsdauer in voller Höhe wiedergewonnen ist, muß
jährlich ein Betrag von 7,5 ct zurückgelegt und verzinst werden. Insgesamt sind 73.600 e
anzusparen11. Die jährliche Rücklage beträgt somit 73.600 · 0, 075868 = 5.583, 88 e. Zur
freien Verfügung aus dem Reinertrag verbleiben (10.000 − 5.583, 88 =) 4.416, 12 e. Dies
entspricht der geforderten Verzinsung von 6 % des investierten Kapitals p.a. (73.600 ·
0, 06 = 4.416; Differenz beruht auf Rundungsfehlern).
�
1.2.16 Kapitalrückführung (Wiedergewinnung)
Unter Kapitalrückführung bzw. Rückführung des Ankaufskapitals wird die Rückgewin-
nung von Eigenkapital verstanden, welche sich aus der Amortisation der Hypothek im
Zeitablauf und dem Verkauf der Eigenkapitalposition am Ende der Nutzung ergibt.
11Nämlich genau der Einstandspreis in t = 0.
-
Kapitel 1 Einführung 19
1.2.17 Betrachtungszeitraum (income projection term)
Das Vorhandensein von Marktwerten läßt darauf schließen, daß es einen Markt gibt, an
dem Immobilien gehandelt werden. Die typische Haltedauer einer Immobilieninvestition
wird daher nicht mit der bei der Bewertung unterstellten üblichen Restnutzungsdauer (>
40 Jahre) übereinstimmen. Wenn dies so wäre, gäbe es wahrscheinlich nur sehr wenige
Markttransaktionen und damit auch keine ausreichende Anzahl an Vergleichspreisen.
Daraus folgt im Grundsatz, daß der Betrachtungszeitraum (engl. income projection term)
für die Prognose von Einkommens- und Wertänderungen auf der Basis der üblichen, durch-
schnittlichen Haltedauern festgelegt werden sollte. In der Praxis hat sich ein Zehnjahres-
zeitraum als günstig erwiesen12.
12Vgl. Ellwood [4, S. 6 f.]. Auch: Ellwood [4, S. 70]: ”Transfer records indicate 10 years as adequatecoverage for the typical term of ownership. There is no way of rationalizing, stabilizing or estimatingaverage income on a total useful life basis [...] An estimate of rentals and budget of expenses with intelligentallowances for vacancies and replacements can be based on contemporary fact and well rememberedexperience in a 10 year projection“, also: Die Auswertung von Verkaufsverzeichnissen zeigt, daß ein10-Jahreszeitraum als typische Haltedauer angenommen werden kann. Es gibt keine Möglichkeit, dendurchschnittlichen Ertrag für die gesamte Nutzungsdauer festzustellen, zu stabilisieren bzw. zu schätzen[...] Eine Schätzung der Mieterträge und Ausgaben unter Ansatz vernünftiger Kosten für Leerständeund Instandhaltung kann auf tatsächlichen Fakten und wohlüberlegter Markterfahrung innerhalb eines10-Jahres-Zeitraums begründet werden.
-
Kapitel 1 Einführung 20
1.2.18 Gleichzeitiges Auftreten von Abschreibung, Wiederge-
winnung und Wertzuwachs des Eigenkapitals
Die vorstehenden Begriffe müssen streng gegeneinander abgegrenzt werden. Das folgende
Beispiel, das an Ellwood [4, S. 3 f.] angelehnt ist, demonstriert, daß Marktwertverlust
der Immobilie, Wiedergewinnung des Ankaufspreises und Wertzuwachs der Eigenkapital-
position simultan auftreten können.
Beispiel
Investitionsobjekt ist ein Mehrfamilienhaus, welches für 150.000 e gekauft und nach 10
Jahren für 135.000 e verkauft wird. Der durchschnittliche Reinertrag beträgt 11.450 e.
Der Kaufpreis wird zu 2/3 (= 100.000 e) aus Fremdmitteln auf der Basis einer Hypothek
zu 5 % p.a. Verzinsung aufgebracht, wobei die Zinszahlungen jährlich, die Tilgungsleistun-
gen aber monatlich erfolgen. Der Anteil des zum Kauf benötigten Eigenkapitals beträgt
demnach als Differenz (150.000 − 100.000 =) 50.000 e. Nach 10 Jahren sind 35.000 e
der Hypothek abbezahlt13. Der Restwert der Hypothek im 10ten Jahr liegt somit bei
(100.000− 35.000 =) 65.000 e.
An dieser Stelle kommt der Wiedergewinnungsfaktor zum Einsatz, um zu berechnen, wel-
cher monatliche Betrag aus dem Reinertrag zur Tilgung aufgewendet werden muß. Dazu
sind die 35.000 e in 120 Tilgungsleistungen (10 Jahre · 12 Monate) aufzuteilen. Der ver-
einbarte Zinssatz beträgt 5 % p.a. oder 0,4166 % p.r.t. Für den Wiedergewinnungsfaktor
ergibt sich daher:
WGF =1
REF 1200,04166%=
1
155, 28228= 0, 00644
Zusätzlich ist jährlich ein Zins von 5 % der Auszahlungssumme (0, 05 · 100.000 e =)
5.000 e zu entrichten.
13Dieser Rückzahlungsbetrag soll zunächst vereinfachend als gegeben betrachtet werden. In Abschnitt2.2.3 wird ein Instrumentarium vorgestellt, mit dessen Hilfe der jeweilig abbezahlte Hypothekenanteil fürjedes Jahr ermittelt werden kann. Die hier angenommenen 35 % beziehen sich auf eine Hypothekenlaufzeitvon ca. 21 Jahren.
-
Kapitel 1 Einführung 21
Die Verteilung des Jahresreinertrags kann der folgenden Tabelle entnommen werden:
Hypothekenzinsen: 100.000 · 0, 05 5.000
Hypothekentilgung: 35.000 · 0, 00644 · 12 2.705
Durchschnittliche jährliche Dividende 3.745
Gesamter jährlicher Ertrag 11.450
Um die Dividendenverzinsung zu ermitteln, wird die jährliche Zahlung an den Eigenkapi-
talgeber (3.745 e) auf das eingesetze Eigenkapital (50.000 e) bezogen:
d =3.745
50.000= 0, 0749 = 7, 49 %
Die Gesamtkapitalverzinsung berechnet sich zu:
rGK =RE
V=
11.450
150.000= 0, 0763 = 7, 63 %
Nach zehn Jahren beträgt der Restwert der Hypothek 65.000 e. Als Verkaufspreis der
Immobilie wurden 135.000 e angenommen, was einem Wertverlust von rd. 10 % entspricht
(150.000 · 0, 9 = 135.000 e). Nach Ablösung der Hypothek verbleiben dem Investor aus
dem Verkauf (135.000− 65.000 =) 70.000 e.
Die Investitionsrendite gibt denjenigen Zinssatz (rirr) an, bei dem die Barwerte der Er-
träge und der Barwert des Verkaufserlöses genau dem eingesetzten Eigenkapital entspre-
chen. In diesem Beispiel liegt diese bei 10 %, wie folgende Rechnung beweist:
Jährliche Erträge: 3.745 · 6, 144567 † 23.012
Verkaufserlös/Ablösung d. Hypothek: 70.000 · 0, 385543 † 26.988
Barwert des Eigenkapitals beim Kauf 50.000
† Kapitalisierungs- und Diskontierungsfaktor bei 10 % und 10 Jahren
Zusammenfassung: Die sich bei einem jährlichen Reinertrag von 11.450 e und einem
Kaufpreis von 150.000 e ergebende Gesamtkapitalverzinsung von 7,63 % verteilt sich auf
die Hypothekenfinanzierung (Tilgung, Zinsen und Ablösung), Wertverlust der Immobilie
um 10 % und eine 10 %-ige Verzinsung des Eigenkapitals.
-
Kapitel 1 Einführung 22
Dies wird besonders deutlich, wenn man die Endkapitalbestände betrachtet, siehe folgende
Tabelle:
Jährliche Erträge: 3.745 · 15, 9374 † 59.685
Verkaufserlös abzgl. Ablösung der Hypothek 70.000
Endwerte aus Erträgen und Verkaufserlös 129.685
† Rentenendwertfaktor bei 10 % und 10 Jahren
Denselben Endbetrag hätte der Investor erhalten, wenn er sein eingesetztes Eigenkapital
von 50.000 e für 10 Jahre zu 10 % Zinsen bei einer Bank angelegt hätte:
R10 = 50.000 · (1 + 1, 10)10 = 50.000 · 2, 5937 = 129.685
Wie gezeigt wurde, erwirtschaftet der Investor trotz Wertverlust der Immobilie um 10 %
immerhin noch eine Eigenkapitalrendite in gleicher Höhe.
�
1.2.19 Ertragswertverfahren
Im Rahmen des Ertragswertverfahrens bestimmt sich der Verkehrswert des Grundstücks
aus dem Nutzen, den es seinem Eigentümer in der Zukunft gewährt, wobei gemäß § 194
BauGB von dem Nutzen auszugehen ist, dem das Grundstück jedem beliebigen Ei-
gentümer zuteil werden läßt. Persönliche (subjektive) Verhältnisse bzw. auf synergetischen
Effekten beruhende Wertsteigerungen/-minderungen sind nicht zu berücksichtigen. Eine
Definition findet sich bei Vogels [27, S. 143]:
”Der Ertragswert eines Grundstücks ist die Summe der Barwerte aller künfti-
gen Reinerträge, die der Eigentümer aus seinem Grundstück erzielen kann.“
Das Verfahren eignet sich insbesondere zur Bewertung von Grundstücken, bei denen der
nachhaltig erzielbare Ertrag im Vordergrund steht, bzw. — mit anderen Worten — für
Grundstücke, bei denen die (nachhaltige) Verzinsung des investierten Kapitals für die
Kaufpreisbildung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr ausschlaggebend ist (vgl. BGH vom
13.08.1970 VII ZR 189/68, NJW 1970 S. 2018, BGH vom 16.06.1977 VII ZR 2/76, WM
-
Kapitel 1 Einführung 23
1977 S. 1055), so z.B.:
• Mietwohngrundstücke
• Geschäftsgrundstücke
• gemischtgenutzte Grundstücke
• Hotels und Freizeitanlagen
• Fabrikgrundstücke (ohne Berücksichtigung von Betriebseinrichtungen)
Weil das Ertragswertverfahren durch den marktabgeleiteten Vervielfältiger und Verwen-
dung nachhaltig erzielbarer Erträge als Vergleichswertverfahren betrachtet werden muß,
sind an das Bewertungsobjekt einige Voraussetzungen geknüpft, damit das Verfahren zu
korrekten Werten führt, vgl. Rössler/Langner et al [20, Rz. 4.351 ff.]:
• Ausnutzung des Grundstücks entsprechend rechtlicher Möglichkeiten
• Erzielung einer nachhaltigen Miete
• Vorliegen von durchschnittlichem Performancerisiko
• ordnungsgemäße Instandhaltung des Objekts
In Deutschland sind drei Ertragswertverfahren gebräuchlich:
• Rohertragsverfahren (Maklermethode)
• vereinfachtes Ertragswertverfahren
• Regelertragswertverfahren nach WertV
Rohertragsverfahren oder Maklerformel
Das einfachste Verfahren, den Ertragswert zu ermitteln, besteht darin, den geschätzten
Jahresrohertrag mit einem Faktor (dem Rohertragsvervielfältiger) zu multiplizieren. Diese
Art der — sicherlich sehr fehleranfälligen — Berechnung ist unter dem Namen Makler-
formel bekannt geworden (vgl. Gottschalk [6, S. 373 ff.]):
EW = RoE · Faktor (1.1)
-
Kapitel 1 Einführung 24
Es handelt sich offenbar um ein Modell der direkten Kapitalisierung; eine Unterteilung
in eine Halteperiode und einen Verkaufspreis am Ende der Nutzung erfolgt nicht, wes-
halb Verzinsung und Wiedergewinnung aus den fließenden Roherträgen gedeckt werden
müssen.
Die deutsche Immobilienzeitung und ebenso der RDM und der VDM veröffentlichen etwa
alle 6 Monate entsprechende Tabellen, die derartige Vergleichsfaktoren für verschiedene
Objekttypen enthalten (vgl. z.B. Immobilien-Zeitung [17]).
Vereinfachtes Ertragswertverfahren
Das vereinfachte Ertragswertverfahren bzw. aus dem Schätzwesen unter dem Namen un-
gespaltenes Ertragswertverfahren bekannte Berechnungsverfahren ermittelt den Verkehrs-
wert nach der Formel (vgl. z.B. Kleiber/Simon/Weyers [10, S. 1474 f.]):
EW = (RoE −BWKNU) · 1lz
(1.2)
Der Ertragswert ergibt sich gemäß der Rechenvorschrift aus dem um die (nicht umlagefähi-
gen) Bewirtschaftungskosten geminderten Jahresrohertrag, der mit dem Liegenschafts-
zinssatz ewig verzinst wird. Restnutzungsdauern sowie die Abschreibung des Gebäude-
werts werden nicht berücksichtigt, weshalb das Verfahren bei kurzen Restnutzungsdauern
(z.B. aufgrund wirtschaftlicher Überalterung) nicht zu korrekten Werten führt. Bei langen
Restnutzungsdauern (> 40 Jahre) liegen die Rentenbarwertfaktoren für die Zeitrente und
die ewige Rente allerdings eng beieinander, so daß das Verfahren für diesen Fall als”grob
überschlägige“ Berechnung angewendet werden kann.
Eine Weiterenwicklung dieses Verfahrens besteht darin, die ewige Verzinsung durch eine
Zeitrente zu ersetzen. Damit kann zumindest das Problem mit der Abschreibung der bau-
lichen Anlage gemindert werden (vgl. Kleiber/Simon/Weyers [10, S. 1475, Rz. 17]).
Bei kurzen Restnutzungsdauern führt das Verfahren aber immer noch aufgrund der feh-
lenden Berücksichtigung des Bodenwerts zu unkorrekten Ergebnissen. Ein gesonderter
Ansatz des Bodenwerts erfolgt im gespaltenen Ertragswertverfahren nach WertV, das im
folgenden dargestellt werden soll.
-
Kapitel 1 Einführung 25
Regelertragswertverfahren nach WertV
Das Regelertragswertverfahren ist in den §§ 15–19 WertV niedergelegt und kann dem
Schaubild 1.3 entnommen werden:
Jahresrohertrag des Grundstücks
BodenwertBewirtschaftungskosten
Jahresreinertrag des Grundstücks
Liegenschaftszinssatz (lz) Verzinsungsbetrag des Bodenwerts
Reinertragsanteil der baul. Anlagen
Sonst. wertbeeinflussende Umstände
Ertragswert der baulichen Anlagen
Grundstücksertragswert
Berücksichtigung der Lage aufdem Grundstücksmarkt
Heranziehung andererVerfahrensergebnisse
Verkehrswert
Vervielfältiger
x
–
–
=
=
=
+ –
+ =
+ – + –
x
=
Abbildung 1.3: Aufbau des Regelertragswertverfahrens nach §§ 15–19 WertV. Quelle:
Rössler/Langner et al [20, Rz. 4.138 f.]
Der Grundstücksertragswert ergibt sich aus dem Bodenwert und dem Ertragswert der bau-
lichen Anlagen (einschließlich Außenanlagen), die getrennt zu ermitteln sind (§ 15 Abs.
1 WertV). Für den Bodenwert gilt, daß er üblicherweise aus dem Vergleichswertverfah-
ren abzuleiten ist (§ 15 Abs. 2 WertV). Nachdem der Grundstücksertragswert ermittelt
worden ist, hat gemäß § 7 WertV eine Anpassung an die allgemeinen Verhältnisse am
Grundstücksmarkt zu erfolgen. Rössler/Langner et al [20, Rz. 4.334 f.] sind der
Auffassung, daß diese Anpassung bereits durch einen marktkonformen Ansatz des Lie-
genschaftszinssatzes berücksichtigt werden kann. Unter Würdigung und Beachtung der
Rechtsprechung des BGH wird der Verkehrswert schließlich aus den verwendeten Verfah-
ren abgeleitet.
-
Kapitel 1 Einführung 26
Mathematische Darstellung des Regelertragswertverfahrens
Im folgenden soll das Verfahren kurz in Formelschreibweise ausgeführt werden. Die ent-
sprechenden Symbole sind dem Symbolverzeichnis am Anfang dieser Arbeit zu entnehmen.
Der Verkehrswert ergibt sich aus dem Ertragswert des Grundstücks und der Anpassung
an die Marktlage (die in der Regel durch den differenzierten Ansatz des Liegenschafts-
zinssatzes Berücksichtigung findet, dann: SV KW = 0):
V KW = EW + SV KW (1.3)
Der Grundstücksertragswert setzt sich aus den getrennt zu ermittelnden Werten der bau-
lichen Anlagen und dem Bodenwert zusammen:
EW = EWBA + BW (1.4)
Der Bodenwert wird in der Regel über das Vergleichswertverfahren abgeleitet, §§ 13, 14
WertV. Von einer expliziten Darstellung wird an dieser Stelle abgesehen. Sie ist für das
Verständnis des Ertragswertverfahrens nicht erforderlich. Zur Ermittlung des Ertragswerts
der baulichen Anlagen gemäß der Formel
EWBA =
EABA︷ ︸︸ ︷RoE −BWKNU︸ ︷︷ ︸RE
−BW · lz︸ ︷︷ ︸EABW
·V V + SBA (1.5)sind einige weitere Variablen einzuführen. Die nicht umlagefähigen Bewirtschaftungsko-
sten ergeben sich aus den üblicherweise vom Eigentümer zu übernehmenden Kosten für
a) Verwaltung, b) Betriebskosten, c) Instandhaltungskosten (Erhaltungsaufwand) und d)
dem kalkulatorischen Mietausfallwagnis:
BWKNU = V WKNU + BTKNU + IHKNU + MAWNU (1.6)
Der um die Bewirtschaftungskosten verminderte Jahresrohertrag (RoE) ergibt den Jah-
resreinertrag (RE). Dieser wird nochmals um den Ertragsanteil des Bodenwerts (EABW )
vermindert, so daß der Ertragsanteil der baulichen Anlagen verbleibt (EABA).
-
Kapitel 1 Einführung 27
Dieser wird über die Restnutzungsdauer als nachhaltig angenommen und mit dem
nachschüssigen Rentenbarwertfaktor (=Vervielfältiger),
V V = RBFRNDlz =(1 + lz)RND − 1(1 + lz)RND · lz
(1.7)
multipliziert. Es ergibt sich der Ertragswert der baulichen Anlagen.
Finanzmathematische Darstellung
Bei der finanzmathematischen Darstellung des gespaltenen Ertragswertverfahrens erfolgt
die Einbeziehung des Bodenwerts außerhalb der Kapitalisierung der Reinerträge, siehe
folgende Formel:
EW = (RoE −BWKNU) · V V + BW · 1(1 + lz)RND
(1.8)
Diese Formel führt auf denselben Ertragswert und ist inhaltlich mit (1.4) i.V.m. (1.5)
identisch. Aus dem letzten Term der Gleichung (1.8) kann man deutlich ablesen, warum
der Bodenwert bei langen Restnutzungsdauern nicht zwingend zu berücksichtigen ist:
limRND→∞
(BW · 1
(1 + lz)RND
)= 0 (1.9)
Bei langen Restnutzungsdauern (> 40 Jahre) geht der Einfluß des Bodenwerts merklich
zurück. Bei neueren, ordnungsgemäß instandgehaltenen Gebäuden liegen die Restnut-
zungsdauern regelmäßig über 50 Jahren, weshalb der Bodenwert i.d.R. vernachlässigt
werden kann. In diesem Fall liegen die Rentenbarwertfaktoren für die ewige Rente und
die Zeitrente eng zusammen.
-
28
2 Ellwood-Verfahren
2.1 Einführung
Ausgangspunkt von Ellwood’s Überlegungen ist die Tatsache, daß Immobilien größten-
teils nicht zu 100 Prozent über Eigenkapitalmittel erworben werden. Zwar gibt es eini-
ge Immobilienarten, für die seine Feststellung nicht immer zutreffend ist. Hier seien als
Beispiel Gartenlauben, Ferienappartements oder kleinere Eigentumswohnungen genannt.
Allerdings liegen dem Erwerb solcher Immobilien in der Regel keine Renditeüberlegungen
zugrunde, weshalb diese aus der weiteren Betrachtung ausgeklammert werden sollen.
Da Eigenkapital als Risikokapital im Vergleich zu Fremdkapital deutlich teurer ist (Risiko-
prämie), macht es ökonomisch Sinn, einen großen Teil des zum Kauf benötigten Kapitals
über Fremdmittel bereitzustellen, vgl. Abschnitt 2.4.2. Das Handbuch Appraisal of
Real Estate [1, S. 699] führt dazu aus:
”Ellwood saw real property investments as a combination of two components
— debt and equity — and held that the return requirements of both components
must be satisfied through income, reversion or a combination of the two. Thus,
Ellwood developed an approach for estimating property value that made explicit
assumptions as to what a mortgage lender and an equity investor would expect
from the property. [...] The total value of the property is equal to the present
value of the equity position plus the value of the mortgage.“
In freier Übersetzung: Ellwood betrachtete Kapitalanlagen in Immobilien als eine Kom-
bination von zwei Komponenten — Verschuldung und Eigenkapital — und war der Mei-
nung, daß die Ertragsforderungen beider Komponenten aus dem Einkommensstrom, der
Rückführung oder aus einer Kombination beider befriedigt werden müßten. Daher ent-
wickelte Ellwood ein Verfahren zur Schätzung von Immobilienwerten, welches explizite
Annahmen über die Erwartungen (Forderungen) eines Hypotheken-Gläubigers und eines
Eigenkapitalinvestors bezüglich der Immobilie enthält. [...]
-
Kapitel 2 Ellwood-Verfahren 29
Der Gesamtwert der Immobilie (zum Stichtag) entspricht dem Barwert der Eigenkapi-
talinvestition plus dem (Bar)-Wert der Hypothek, siehe folgende Abbildung:
Kaufpreis =
Marktwert zum Stichtag
Barwert der geforderten
Eigenkapitalverzinsung
Barwert der Fremdkapitalzahlungen (abhängig von Laufzeit und Zinssatz der Hypothek)+
Fremdkapitalanteil: Hypothek
FK I
Eigenkapitalanteil
EK Y
(1 )M−
66
Abbildung 2.1: Zusammensetzung des Marktwerts aus Eigenkapital- und Fremdkapital-
position. Quelle: nach Simon, in [26, S. 14]
Das gilt immer: Unabhängig davon, ob das deutsche Ertragswertverfahren (direct capitali-
zation) oder das angelsächsische Discounted-Cash-Flow Verfahren (indirect capitalization)
zur Wertermittlung angewendet wird.
Indem also vernünftige Annahmen über die Eigenkapitalzinsforderungen der
Investoren auf der einen Seite, realistische Fremdfinanzierungsprämissen auf
der anderen Seite getroffen werden, ist es möglich, die durch Sachverständige
ermittelten Werte hinsichtlich ihrer Realisierbarkeit am Markt zu überprüfen.
Stimmen die Forderungen der Investoren und Fremdkapitalgeber nicht mit den
vermeintlich marktgängigen (Verkehrs-)Werten des Sachverständigen überein,
so liegt der Verdacht nahe, daß es sich um Fehlbewertungen handelt.
Dabei darf nicht übersehen werden, daß bei allen in der Berechnung zugrundegelegten
Parametern marktübliche und durchschnittliche Ansätze gewählt werden müssen. So sind
Eigenkapitalzinsforderungen, die nur für spezielle Investorengruppen realistisch sind, aber
nicht für den gesamten Markt, auszusondern. Ferner dürfen besonders niedrige Fremdka-
-
Kapitel 2 Ellwood-Verfahren 30
pitalzinssätze nur dann zur Anwendung kommen, wenn sie marktrealistisch sind. Dies
mag für einige Marktsegmente, z.B. die, in denen sich vornehmlich institutionelle Anle-
ger mit eigenen Hausbanken bewegen, durchaus zutreffend sein. An dieser Stelle ist der
Sachverstand des analysierenden Wertermittlers gefragt, die richtigen Parameteransätze
zu wählen.
Für folgende Parameter müssen realistische, marktübliche Daten erfaßt werden:
• Fremdkapitalquoten (Anteil des Fremdkapitals an der Investition)
• Hypothekenzinssätze (Fremdkapitalverzinsung)
• Hypothekenlaufzeit
• geforderte Eigenkapitalverzinsung
Nachdem diese Parameter bestimmt wurden, kann das Ellwood-Verfahren durchgeführt
werden1. Mit seiner Hilfe kann ein Sachverständiger prüfen:
• ob der ermittelte Verkehrswert unter Annahme eines realistischen Grundstücks-
markts marktgängig ist,
• ob der ermittelte Verkehrswert zu hoch ist,
• ob der ermittelte Verkehrswert zu niedrig ist.
Ellwood liefert für diese Aussagen einen brauchbaren Bewertungsmaßstab. Die Ergeb-
nisse können entweder aus Tabellen oder aus Diagrammen (Graphen) entnommen werden.
Dabei kann aus den Diagrammen oder Tabellen nicht unmittelbar ein individueller”Rich-
tigkeitswert“ abgeleitet werden. Die Auswertungen bedürfen vielmehr der Interpretation.
Das Verfahren dient folglich ausschließlich als Analysewerkzeug, um die Qua-
lität des bestehenden Wertermittlungsergebnisses gegenüber dem Markt zu
überprüfen und dieses — gegebenenfalls — zu verwerfen.
1Zur Ableitung markgängiger und -realistischer Daten siehe Abschnitt 2.3.
-
Kapitel 2 Ellwood-Verfahren 31
2.2 Die Hypothek
Ausgangspunkt des Ellwood-Verfahrens ist die Berücksichtigung der Fremdkapitalposi-
tion auf der Basis einer Annuitäten-Hypothek. In diesem Abschnitt sollen zunächst die
gesetzlichen Grundlagen der Hypothek dargelegt werden, wie sie in der Bundesrepublik
Deutschland gelten.
Die schuld- wie sachenrechtliche Behandlung der Hypothek hat im Ellwood-Verfahren
keinen Einfluß. Es ist einzig die mathematische Behandlung des besicherten Kreditver-
trags maßgeblich, insbesondere der Einfluß, den das Fremdkapital im weiteren Zeitverlauf
auf Rendite und Eigenkapitalposition zu nehmen vermag. Beide Punkte werden hier im
Überblick dargestellt.
2.2.1 Definition der Hypothek in Deutschland
Die Hypothek ist nach deutschem Recht ebenso wie die Grund- und Rentenschuld ein
Grundpfandrecht. Grundpfandrechte bilden die gesetzliche Grundlage zur Besicherung von
Krediten durch Immobilien. Sie sind im dritten Buch des Bürgerlichen Gesetzbuchs, dem
Sachenrecht, ab den §§ 1113 ff. BGB geregelt2.
Unter der Hypothek versteht man die dingliche Belastung eines Grundstücks zur Sicherung
einer Geldforderung, § 1113 BGB. Dabei ist sie grundsätzlich akzessorisch (angelehnt) an
der zu besichernden Forderung, z.B. einem Hypothekendarlehen.
Schuldrechtliche und dingliche Sicherung
Es ist zwingend zwischen der schuldrechtlichen Haftung und der dinglichen Haftung zu
unterscheiden. Die schuldrechtliche Haftung kommt zwischen dem Forderungsgläubiger
und dem persönlichen Schuldner zustande und ist grundsätzlich von der dinglichen Siche-
rung unabhängig. Als Beispiel diene ein Darlehensvertrag. Zusätzlich zur schuldrechtli-
chen Sicherung (Kreditvertrag) kann der Forderungsgläubiger, und nur er, eine dingliche
Sicherung durch Bestellung der Hypothek im Grundbuch beantragen. Gläubiger der Hy-
2Die folgenden Ausführungen orientieren sich an Schwab/Prütting [24, S. 305 ff.]. WeitereAusführungen bei Sandner/Weber [21, S. 320].
-
Kapitel 2 Ellwood-Verfahren 32
pothek und Forderungsgläubiger müssen personenidentisch sein. Dies gilt nicht für den
Eigentümer des Grundstücks, der die dingliche Haftung zu übernehmen hat, und der
damit zu sichernden schuldrechtlichen Forderung. Man denke an Fremdschuldübernahme.
Verkehrs- und Sicherungshypothek
Das BGB kennt zwei (Haupt-)Arten von Hypotheken: die Verkehrshypothek und die Siche-
rungshypothek. Jene ist die im Gesetz allerdings nicht besonders hervorgehobene gewöhn-
liche Form, während diese nur gelegentlich auftritt. Verkehrshypotheken dienen gewöhn-
lich der langfristigen Kapitalbeschaffung, z.B. zur Finanzierung von Grundstücken und
Gebäuden. Sie können — wie der Name impliziert — ohne größere Hemmnisse an Dritte
übertragen werden. Die Sicherungshypothek ist zur Sicherung bzw. Erzwingung kurzfri-
stiger Forderungen bestimmt, und wird daher i.d.R. nicht übertragen.
Brief- und Buchhypothek
Verkehrshypotheken können als Brief- oder Buchhypothek begründet werden. Die gewöhn-
liche Form ist die Briefhypothek. Neben der Eintragung ins Grundbuch ist die Verbriefung
des Rechts durch einen Hypothekenbrief vorgesehen, § 1116 Abs. 1 BGB. Der Hypothe-
kenbrief wird durch das Grundbuchamt ausgestellt, § 56 GBO. Zur Wirksamkeit muß
er neben den Angaben zur Bezeichnung als Hypothekenbrief zumindest die Angabe des
belasteten Grundstücks, des Geldbetrags der Hypothek und die Unterschriften samt Sie-
gel/Stempel enthalten. Soll statt dessen eine Buchhypothek begründet werden, ist die
Ausstellung eines Hypothekenbriefs explizit auszuschließen, § 1116 Abs. 2 BGB. Der Aus-
schluß ist im Grundbuch niederzulegen. Zwischen den beiden Hypothekenformen kann
gewechselt werden.
Begründung der Hypothek
Die Hypothek kann an Grundstückseigentum oder einem Erbbaurecht begründet werden.
Das Grundstück/Erbbaurecht haftet mit allen wesentlichen oder unwesentlichen Bestand-
teilen, auch dem Zubehör. Dabei macht es keinen Unterschied, ob Grundstücksteile bereits
bei der Begründung der Hypothek vorhanden waren oder erst im Anschluß hinzugefügt
wurden.
-
Kapitel 2 Ellwood-Verfahren 33
Die Hypothek entsteht durch Einigung zwischen dem Eigentümer des Grundstücks oder
grundstücksgleichen Rechts und dem Inhaber der persönlichen Forderung und Eintragung
im Grundbuch (vgl. § 873 BGB, § 1115 BGB). Nach § 1115 BGB sind bei der Eintragung
der Hypothek zumindest Gläubiger, Geldbetrag der Forderung und — falls verzinsliche
Forderungen vereinbart wurden — der Zinssatz und sonstige Nebenleistungen anzugeben.
Wird eine Briefhypothek begründet, so erwirbt der Gläubiger die Briefhypothek erst durch
Übergabe des Hypothekenbriefs, § 1117 BGB. Vor der Übergabe ist die Hypothek dinglich
zwar entstanden, steht aber dem Grundstückseigentümer zu. Nach § 1117 Abs. 2 BGB ist
es möglich, dem Hypothekengläubiger das Recht einzuräumen, sich den Hypothekenbrief
unmittelbar nach Eintragung durch das Grundbuchamt aushändigen zu lassen.
Untergang der Hypothek
Die Hypothek geht unter, wenn der Gläubiger durch Zwangsvollstreckung, § 1147 BGB,
aus dem Grundstück heraus befriedigt wird. Das Vollstreckungsgericht beantragt darauf-
hin die Löschung der Hypothek aus dem Grundbuch. Sie kann auch durch Aufhebung
erlöschen, wenn der Gläubiger diese gemäß § 875 BGB erklärt und die Löschung im
Grundbuch beantragt.
In der Regel geht die Hypothek aber durch Nichtentstehen der Forderung oder durch
Erfüllung unter. Für den Fall, daß eine Hypothek bereits dinglich im Grundbuch gesi-
chert ist, die zugrundeliegende Forderung aber nicht zustande gekommen ist, fehlt die
akzessorische Bindung und die Hypothek geht in ein Eigentümergrundpfandrecht über.
Darunter wird ein Pfandrecht des Eigentümers am eigenen Grundstück verstanden, da
die grundbuchliche Sicherung — allerdings ohne Forderung — noch besteht. Selbige ent-
steht auch, wenn die Forderung durch Erfüllung hinfällig geworden ist, etwa dann, wenn
das Darlehen abbezahlt ist. Das Grundbuch wird damit in beiden Fällen unrichtig, und
dem Eigentümer steht das Recht auf Berichtigung zu.
Als weitere Fälle gelten u.a. Verzicht, Einrede und Vereinigung von Hypothek und Eigen-
tum. Sie sollen an dieser Stelle nicht dargestellt werden.
-
Kapitel 2 Ellwood-Verfahren 34
2.2.2 Finanzmathematische Behandlung der Hypothek
Für die Verwendung im Ellwood-Verfahren ist ausschließlich die mathematische Bedeu-
tung der Hypothek zu berücksichtigen. Daher soll im folgenden stets davon ausgegangen
werden, daß die Hypothek nach deutschem Recht durch Einigung und Eintragung in das
Grundbuch bestellt und besichert wurde.
Ferner wird vorausgesetzt, daß die Hypothek zur Besicherung eines verzinslichen Dar-
lehens geschlossen wurde, für das die Laufzeit, Höhe des Darlehenszinssatzes und die
Kreditsumme bekannt sind3.
Zunächst sind einige weitere Variablenbezeichnungen einzuführen4:
Hypothekenlaufzeit L
Hypothekenzinssatz I
(Rest-)Schuldbetrag in t Kt
Tilgungsrate in t Tt
Zinsrate in t Zt
Annuität in t At
Für die Tilgung der Kapitalschulden kann in der Regel zwischen zwei Tilgungsmodellen
gewählt werden: der a) Ratentilgung und der b) Annuitätentilgung. Für die Ratentilgung
gilt, daß der jährlich zu leistende Tilgungsbetrag Tt über die gesamte Vertragslaufzeit
konstant verbleibt:
T1 = T2 = T3 = · · · = TL = T
Bei der Annuitätentilgung hingegen bleiben die jährlich zu zahlenden Gesamtbeträge (An-
nuitäten) konstant, also:
A1 = A2 = A3 = · · · = AL = A (2.1)
3Diese Bedingung ist deshalb erforderlich, weil auch Kreditverträge gesichert werden können, beidenen zwischen Gläubiger und Schuldner zwar die Kreditsumme und der zu zahlende Zinssatz, aber nichtLaufzeit des Vertrags und Zeitpunkt(e) der Rückzahlung(en) vereinbart wurden.
4Die Darstellungen folgen in grober Linie Kruschwitz [11, S. 143 ff.].
-
Kapitel 2 Ellwood-Verfahren 35
Die folgenden Ausführung