Photochemisches Verhalten von (CF S) CS in...

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This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution 4.0 International License. Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschung in Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht: Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz. Photochemisches Verhalten von (CF3S)2CS in Inertgasmatrix Photochemical Behavior of (CFsS^CS in Rare Gas Matrix Karl Schlosser und Helge Willner* Lehrstuhl für Anorganische Chemie II der Ruhr-Universität Bochum, Postfach 102148, D-4630 Bochum 1 Z. Naturforsch. 38b, 161-167 (1983); eingegangen am 23. September/15. November 1982 Bis(trifluormethyl)trithiocarbonate, Vibrational Spectra, Conformers, Rare Gas Matrix, Photochemical Behaviour Infrared spectra have been recorded of (CFsS^CS in the gas and solid phase as well as isolated in noble gas matrix; the Raman spectra of the liquid have also been taken. The analyses of the spectra show that this compound consists of a complex mixture of con- formers. By photolysis in a matrix with light of wavelength > 300 nm the distribution of the conformers changes and with light of wavelength > 530 nm this change can be reversed. The threshold for photochemical decomposition in the matrix is about 300 nm. The decomposition products consist of an equimolar mixture of CF3SCF3 and CS2. Bei der Photolyse von (CF3S)2CS in Alkan-Lösun- gen mit 254 und 300 nm Licht entstehen bei Tem- peraturen zwischen 200 und 372 K die Verbindun- gen CS2, CF3SCF3, CF3SSCF3, (CF3S)3C-C(SCF3)3, (CF3 S)OC=C(SCF3 )2 und Reaktionsprodukte mit dem Lösungsmittel [1]. Als primäres Photolyse- produkt wird CS2 nachgewiesen, und die Radikale CF3- und CFsS- werden als Zwischenprodukte ange- nommen. Durch sofortige Vereinigung oder durch Diffusion der Radikale und Folgereaktionen mit CF3 S-, (CF3 S) 2 CS, CS2 oder dem Lösungsmittel konnten die beobachteten Reaktionsabläufe und Reaktionsprodukte verständlich gemacht werden. Die Photolyse des (CFsS^CS ist das erste Beispiel für eine präparative Photochemie von perfluorierten Trithiocarbonsäureestern. Zur Frage des Reaktions- mechanismus kann die Matrixtechnik einen Beitrag leisten, da in Edelgasmatrix bimolekulare Reaktio- nen und Diffusion der primären Photolyseprodukte aus dem Matrixkäfig nahezu ausgeschlossen sind. Man beobachtet somit nur monomolekulare Pro- zesse. Der Nachweis für die photochemisch induzier- ten Veränderungen im matrixisolierten (CF3S)2CS- Molekül erfolgt IR-spektroskopisch, und somit ist zunächst eine genaue Analyse des Schwingungs- spektrums notwendig. * Sonderdruckanforderungen an Prof. Dr. H. Willner. Neue Adresse: Institut für Anorganische Chemie der Universität Hannover, Callinstraße 9, D-3000 Hanno- ver 1 oder an Dr. K. Schlosser. 0340-5087/83/0200-0161/$ 01.00/0 Experimentelles Die Verbindung (CFsS^CS wurde nach einer Literaturvorschrift [2] hergestellt und durch frak- tionierte Kondensation gereinigt. Für die spektroskopischen Untersuchungen stan- den folgende Geräte zur Verfügung: IR-Gitterspektrometer Perkin-Elmer Modell 325 und 125 (Wellenzahlgenauigkeit der angegebenen Frequenzen ±0,5 cm -1 ), Ramanspektrometer Va- rian Cary 82 (Wellenzahlgenauigkeit ± 2 cm -1 ) mit He-Ne-Laser (632,8 nm, 30 mW). UV/VIS-Spektro- meter Perkin-Elmer, Modell 402. Die Photolyseexperimente wurden mit einer in [3] beschriebenen Matrixisolationsanlage durchgeführt. Zur Bestrahlung der Matrix ((CF3S)2CS : Ar 1:50 bis 1:5000, T = 10 K) dienten die Quecksilbermittel- drucklampen TQ 150 bzw. TQ 150 Z I und Z 2 (Heraeus Hanau). Die zur selektiven Photolyse not- wendigen Wellenlängenbereiche wurden durch Zwi- schenschalten von 2 mm dicken Steilkantenfiltern OG 530, GG 400 und WG 305 (Schott, Mainz) herausgefiltert (Abb. 2). Zur Erzielung einer relativ konstanten Strahlenleistung wurden die Lampen 5 min vor Beginn der Photolyse eingebrannt. Ergebnisse Die bisher durchgeführten IR-spektroskopischen Messungen am (CF3S)2CS dienten einer versuchs- weisen Zuordnung der Valenzschwingungen [4] und der Substanzcharakterisierung [5]. Für eine um- fassendere schwingungsspektroskopische Untersu- chung wurden daher von hochreinem (CF3S)2CS die IR-Spektren der Gasphase, der festen Phase bei 77 K, der matrixisolierten Substanz, sowie das Raman-Spektrum der flüssigen Phase vermessen.

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This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution4.0 International License.

Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschungin Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung derWissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht:Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz.

Photochemisches Verhalten von (CF3S)2CS in Inertgasmatrix

Photochemical Behavior of (CFsS^CS in Rare Gas Matrix

Karl Schlosser und Helge Willner* Lehrstuhl für Anorganische Chemie I I der Ruhr-Universität Bochum, Postfach 102148, D-4630 Bochum 1

Z. Naturforsch. 38b, 161-167 (1983); eingegangen am 23. September/15. November 1982

Bis(trifluormethyl)trithiocarbonate, Vibrational Spectra, Conformers, Rare Gas Matrix, Photochemical Behaviour

Infrared spectra have been recorded of (CFsS^CS in the gas and solid phase as well as isolated in noble gas matrix; the Raman spectra of the liquid have also been taken. The analyses of the spectra show that this compound consists of a complex mixture of con-formers. By photolysis in a matrix with light of wavelength > 300 nm the distribution of the conformers changes and with light of wavelength > 530 nm this change can be reversed. The threshold for photochemical decomposition in the matrix is about 300 nm. The decomposition products consist of an equimolar mixture of CF3SCF3 and CS2.

Bei der Photolyse von (CF3S)2CS in Alkan-Lösun-gen mit 254 und 300 nm Licht entstehen bei Tem-peraturen zwischen 200 und 372 K die Verbindun-gen CS2, CF3SCF3, CF3SSCF3, (CF3S)3C-C(SCF3)3, (CF3S)OC=C(SCF3)2 und Reaktionsprodukte mit dem Lösungsmittel [1]. Als primäres Photolyse-produkt wird CS2 nachgewiesen, und die Radikale CF3- und CFsS- werden als Zwischenprodukte ange-nommen. Durch sofortige Vereinigung oder durch Diffusion der Radikale und Folgereaktionen mit CF3S-, (CF3S)2CS, CS2 oder dem Lösungsmittel konnten die beobachteten Reaktionsabläufe und Reaktionsprodukte verständlich gemacht werden. Die Photolyse des (CFsS^CS ist das erste Beispiel für eine präparative Photochemie von perfluorierten Trithiocarbonsäureestern. Zur Frage des Reaktions-mechanismus kann die Matrixtechnik einen Beitrag leisten, da in Edelgasmatrix bimolekulare Reaktio-nen und Diffusion der primären Photolyseprodukte aus dem Matrixkäfig nahezu ausgeschlossen sind. Man beobachtet somit nur monomolekulare Pro-zesse. Der Nachweis für die photochemisch induzier-ten Veränderungen im matrixisolierten (CF3S)2CS-Molekül erfolgt IR-spektroskopisch, und somit ist zunächst eine genaue Analyse des Schwingungs-spektrums notwendig.

* Sonderdruckanforderungen an Prof. Dr. H . Willner. Neue Adresse: Institut für Anorganische Chemie der Universität Hannover, Callinstraße 9, D-3000 Hanno-ver 1 oder an Dr. K . Schlosser. 0340-5087/83/0200-0161/$ 01.00/0

Experimentelles

Die Verbindung (CFsS^CS wurde nach einer Literaturvorschrift [2] hergestellt und durch frak-tionierte Kondensation gereinigt.

Für die spektroskopischen Untersuchungen stan-den folgende Geräte zur Verfügung:

IR-Gitterspektrometer Perkin-Elmer Modell 325 und 125 (Wellenzahlgenauigkeit der angegebenen Frequenzen ±0 ,5 cm -1), Ramanspektrometer Va-rian Cary 82 (Wellenzahlgenauigkeit ± 2 cm -1) mit He-Ne-Laser (632,8 nm, 30 mW). UV/VIS-Spektro-meter Perkin-Elmer, Modell 402.

Die Photolyseexperimente wurden mit einer in [3] beschriebenen Matrixisolationsanlage durchgeführt. Zur Bestrahlung der Matrix ((CF3S)2CS : Ar 1:50 bis 1:5000, T = 10 K) dienten die Quecksilbermittel-drucklampen TQ 150 bzw. TQ 150 Z I und Z 2 (Heraeus Hanau). Die zur selektiven Photolyse not-wendigen Wellenlängenbereiche wurden durch Zwi-schenschalten von 2 mm dicken Steilkantenfiltern OG 530, GG 400 und WG 305 (Schott, Mainz) herausgefiltert (Abb. 2). Zur Erzielung einer relativ konstanten Strahlenleistung wurden die Lampen 5 min vor Beginn der Photolyse eingebrannt.

Ergebnisse

Die bisher durchgeführten IR-spektroskopischen Messungen am (CF3S)2CS dienten einer versuchs-weisen Zuordnung der Valenzschwingungen [4] und der Substanzcharakterisierung [5]. Für eine um-fassendere schwingungsspektroskopische Untersu-chung wurden daher von hochreinem (CF3S)2CS die IR-Spektren der Gasphase, der festen Phase bei 77 K, der matrixisolierten Substanz, sowie das Raman-Spektrum der flüssigen Phase vermessen.

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162 K. Schlosser-H. Willner • Photochemisches Verhalten von (CF3S)2CS in Inertgasmatrix

T—i—i—|—i—i—i—i—|—i—i—i—r

N A j i JU VJU

2000 1500 1000 500

Abb. 1. (a) IR - Gasspektrum von (CF3S)2CS (opt. Weglänge 10 cm) A = 1,0 Torr, B = 15,0 Torr; (b) Matrix-IR-Spektrum von (CF3S)2CS in Argon 1:1000, 2,3 mmol Ar; (c) Raman-Spektrum von (CF3S)2CS (flüssig). Er-regerlicht 623,3 nm (30 mW).

Die Ergebnisse sind in Abb. 1 und Tab. I wieder-gegeben. Strukturuntersuchungen am (CF3S)2CS wurden bisher nicht durchgeführt; die Verknüpfung der Atome in der oben angegebenen Formel ist je-doch durch das 19F- [6], 13C-NMR- [7] und Massen-Spektrum [8] gesichert. Für das S2C=S-Gerüstkann sicherlich Planarität vorausgesetzt werden, wobei man dann je nach Anordnung der CF3-Gruppen verschiedene Konformere erwartet.

iF3

s=c \ s I CF-i A(C2> 3

CFs,

s=c '

CF3

D <c2v)

S=C

?F3

\ xCF3 S

CF~

S=C' /

B(c,)

S=C 3

E (c,„)

S C cc )

V / C F 3

Mit Hilfe eines Kalottenmodells wurde die aus sterischen Effekten gegebene energetische Reihen-folge mit A < B < 1 C < D < E abgeschätzt. Das Konformer E läßt sich praktisch nicht spannungs-frei realisieren. Falls der Energieunterschied zwi-schen den anderen Spezies klein ist, kann man bei Raumtemperatur ein äquimolares Konformerenge-misch erwarten. In den 19F-NMR-Spektren sind bis zu Temperaturen von —80 °C keine Aufspaltun-gen des Singuletts bei —42,0 ppm zu erkennen.

Daraus ist zu schließen, daß die Aktivierungs-energie für die Umwandlung in die einzelnen Kon-formeren zu gering ist. Beim (CF3S)3N dagegen läßt sich die Nichtäquivalenz der CF3-Gruppen im 19F-NMR-Spektrum bei —96 °C deutlich nachwei-sen [9]. Iii diesem Molekül sind allerdings die CF3S-Gruppen noch dichter gepackt als im (CF3S)2CS, so daß (CF3S)3N bei Raumtemperatur praktisch nur noch in einer Form mit Cs-Symmetrie (2 CF3-Grup-pen ober- und eine CF3-Gruppe unterhalb der NS3-Ebene) [9, 10] vorliegt.

Für das (CF3S)2CS-Molekül in nur einer konfor-

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K. Schlosser-H. Willner • Photochemisches Verhalten von (CF3S)2CS in Inertgasmatrix 163

meren Form erwartet man 30 Grundschwingungen, die in 6 CF-, 1 C=S-, 2 CS-Valenz- und 19 Defor-mationsschwingungen eingeteilt werden können. Die irreduzible Schwingungsdarstellung r für die einzelnen Konformeren lauten:

A (Ca) r = 15a (IR; Ra p) + 15b (IR; Ra dp); B (Ci) r = 30a (IR; Rap) ; 0 (Cs) r = 19a' (IR; Ra p) + I I a " (IR; Ra dp); D (Cs*) r = 10ai (IR; Ra p) + 5a2 (Ra dp) + 9 b i

(IR; Ra dp) + 6b2 (IR; Ra dp).

Tab. I. Schwingungsfrequenzen (cm - 1) der Verbindung (CF3S)2CS in gasförmiger, flüssiger und fester Phase sowie in Ne- und Ar-Matrix.

IR-Spektren Gasphase Matrixa

Neon Argon Film

77 K

Ramanspektrum

nach Tempern0 flüssig 193 K Zuordnung1»

2370 vw 2280 vw 1764 vw 1305 vw 1230 w (sh, br)

1303 vw 1245 vw

1303 vw 1245 vw

1208,5 vs 0 1205 vs - f 1213 vs (br) 1198s 1200,5 vs —

1213 vs (br)

1196,5 vs + 1195 vs + 1193,5 vs — 1190 vs — 1175 vvs (br) 1180 vw (br)

1180s (sh) 1184 s — 1181 s 1175 vvs (br)

1180s (sh) 1178 s + 1175 m + 1167,5 vs — 1164,5s 1165 vvs (vbr) 1129 m — 1129 m —

1165 vvs (vbr) 1130 vw (br)

1125 s (sh) 1123,5m — 1121,5s —

1130 vw (br) 1125 s (sh)

1117,5m — 1116,5m —

1110s (sh) 1111,5 vs — 1108,5 vs 1103 vs 1102,5 vvs 0 1097 vs + + 1095 vvs (br)

1093 vs + 1095 vvs (br)

1090 vvs (vbr) 1088,5m + 1085 m + 1060 s (sh) 1075 vs

1068 m 1068 m — 1065 m —

1056,5 w — 1057 m — 1048 s 1055 s 855,5 w — 850,5 vw 870 vw 870 vw (br)

835 m 847,5 s — 843,5 s — 845 s 870 vw (br)

840 vw 820 w (sh) 837 w 0 819 vw + 812 vw 770 m (sh) 774 s + 771 s + 772 vs (br) 770 vs (br) 765 vs 763m 762 s + 764,5 s + 752 s 758 s 732 w 754 w — 754,5 w

741 w 0 744 w + 740 m 739s 578 vvw

572 w 570 vvw 574 vvw 578 m 565 w 563 w 560 w (br) 562 w 545 w 547 w 545 w 543 w 505 vw (sh) 508 vw 508 vw 508 m

483 w 487 w 487 m 483 m 490 m

380 vw

360 vw

325 vvw 290 w w

475 w

380

360

434 vw 380 vw

fasC-F

VsC-F

vC = S

Cb / S Bb „asc( A b \S

<5SCF3-

^asCF3-

*CF3-S / S

\S 470 vw

370 vw

330 vw 295 s 235 w 208 w 190 w 140 vw

«ty^C

qCF3-

/ S

\ s

<5CF3S-C TCF3S-C

a Zunahme ( + ) bzw. Abnahme (—) der Bandenintensität bei UV-Photolyse A > 300 nm; b Zuordnung zu den Konformeren A, B, C (s. Text); c nach kurzzeitigem Erwärmen auf 200 K und anschließender Abkühlung auf 77 K.

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164 K. Schlosser-H. Willner • Photochemisches Verhalten von (CF3S)2CS in Inertgasmatrix 164

Die ungefähre Beschreibung der Schwingungs-formen durch innere Koordinaten (s. Tab. I) er-folgte in Anlehnung an [11, 12]. Bei der Herstellung einer Matrix wird (CF3S)2CS gemeinsam mit einem großen Überschuß Argon oder Neon aus der Gas-phase sehr schnell ausgefroren, so daß sich die Kon-formeren nicht umorientieren können. In den IR-Matrixspektren werden im C=S-/CF-Streckschwin-gungsbereich (1050-1250 cm-1) etwa 14 Banden be-obachtet, so daß mindestens 2 verschiedene Kon-formere vorliegen müssen. Diese große Anzahl von Banden wird nicht durch Matrixeffekte verursacht, da die Spektren in Ar- und Ne-Matrix sehr ähnlich sind und auch die Substanzkonzentration ohne Ein-fluß ist. Kombinationsschwingungen in diesem Be-reich sind für CF3S-Verbindungen im allgemeinen von geringer Intensität [12].

Erfolgt das Aufdampfen der Gasmischung aus (CF3S)2CS und Argon durch eine auf —50 °C ge-kühlte Aufdampfdüse, so ändert sich die Zusam-mensetzung des Konformerengemisches etwas zu-gunsten des Anteils eines energetisch bevorzugten Konformeren, wTas sich in einer Änderung der Ex-tinktionsverhältnisse der Banden im CF-Valenz-schwingungsbereich äußert. Die für dieses Experi-ment besonders empfindlichen Schlüsselbanden 1108,5/1097,0 cm-1 in Ar-Matrix haben bei einer Düsentemperatur von 20 °C ein Extinktionsver-hältnis von 0,53 und bei —50 °C von 0,42. Temper-versuche der Ar-Matrix auf 35 K führen zu keiner

Intensitätsänderung. Das bedeutet, daß die Ak-tivierungsenergie für die KonformerenumWandlung bei dieser Temperatur nicht aufgebracht werden kann. Auch bei der Aufnahme von Filmspektren bei —196 °C wird das Konformerengemisch aus der Gasphase schnell ausgefroren. Hierbei sind aller-dings die Banden im CF-Streckschwingungsbereich so breit, daß zwischen den einzelnen Spezies nicht unterschieden werden kann. Wird nun das bei —196 °C befindliche Konformerengemisch kurz-zeitig bis auf —70 °C erwärmt (wobei schon ein kleiner Teil der Substanz sublimiert) und wieder auf —196 °C gekühlt, so zeigen sich einige drasti-sche Änderungen im Spektrum (s. Tab. I). Diese Änderungen kann man nicht allein auf Kristallisa-tionseffekte zurückführen, sondern es ist anzuneh-men, daß sich das Gemisch in die energetisch gün-stigste Form umorientiert. Die Banden im Bereich um 850 cm -1 kann man durch Vergleich mit SCClo [11] der vas CS2 zuordnen. Da jede Spezies nur jeweils eine vasCS2-Absorption aufweisen kann, lassen sich in diesem Bereich die Konformeren eindeutig unter-scheiden. So verschwindet im IR-Tieftemperatur-spektrum nach dem Tempern des festen Filmes die starke Bande bei 845 cm-1 völlig, und eine neue schwache Bande bei 812 cm -1 erscheint. Diese Bande ist der energetisch günstigsten Spezies (wahrscheinlich A) zuzuordnen. Somit unterschei-den sich für die Konformeren nicht nur die Banden-lagen, sondern auch in viel größerem Ausmaß die

Abb. 2. UV-Gasspektrum von (CF3S)2CS (optische Weglänge der Gasküvette 8,5 cm). a) 0,3 Torr, b) 20 Torr. Absorptionsspektrum der verwendeten Kantenfilter: OG 530, GG 400,

WG 305.

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Übergangsmomente (du/dq) der einzelnen Schwin-gungen. Mit Hilfe der im nächsten Kapitel beschrie-benen Photolyseexperimente kann man schließlich drei verschiedene Konformere im Bereich 800-860 cm -1 identifizieren und zuordnen. Die Zuord-nung aller weiteren Banden zu den Spezies A, B und C erweist sich wegen Bandenüberlagerungen als zu schwierig.

Photolyseexperimente In der Abb. 2 ist das UV/VIS-Gasspektrum von

(CF3S)2CS zusammen mit der Absorptionscharak-teristik der verwendeten Kantenfilter wiedergege-ben. Es ist anzunehmen, daß sich das Spektrum von (CF3S)2CS im festen Zustand und insbesondere in Edelgasmatrix nur geringfügig vom Gasspektrum unterscheidet. Bei der Bestrahlung mit Licht X > 400 nm wird somit hauptsächlich ein nn*-, mit X > 300 nm ein nn*- und mit X < 300 nm ein no*-Übergang induziert [1]. Bei allen geschilderten Experimenten wird der Verlauf der Photolyse vom (CF3S)2CS : Ar-Verhältnis im Bereich von 1 : 50 bis 1 : 5000 nicht wesentlich beeinflußt. Bei der Ver-wendung höherer Konzentrationen an (CF3S)2CS sind lediglich längere Bestrahlungszeiten bis zum vollständigen Ablauf der Reaktion erforderlich. Ebenso erhält man die gleichen Ergebnisse bei Ver-wendung von Neon als Matrixmaterial.

1. In Edelgasmatrix mit Licht X > 530 nm Die Photolyse von (CF3S)2CS in Edelgasmatrix

mit der Quecksilberdampflampe TQ 150 Z2, deren Licht mit einem Filter OG 530 selektiert wurde, führte zu Intensitätsänderungen einiger Banden im IR-Spektrum (Abb. 3). Die in der Intensität zuge-nommenen Banden konnten entsprechend der vorausgegangenen schwingungsspektroskopischen Analyse einem energiereicheren Konformer zuge-ordnet werden. Neue Banden traten im Spektrum nicht auf.

2. In Edelgasmatrix mit Licht X > 400 nm Die Photolyse unter gleichen Bedingungen wie in

Experiment 1, jedoch unter Verwendung des Fil-ters GG 400, führte zu geringeren Intensitätsände-rungen im IR-Matrixspektrum. Darüber hinaus war die Intensitätsänderung der Banden bei 1190 und 1181 cm -1 (Ar-Matrix) entgegengesetzt wie in Ex-periment 1. Eine photochemische Zersetzung der Verbindung wurde nicht beobachtet.

3. In Edelgasmatrix mit Licht X > 300 nm Bei Einstrahlung in den langwelligen Teil der

Absorptionsbande des 7r;r*-Übergangs (Abb. 2) mit

ffl

1500 1100

ff

1500 1200 1100

1500 1200 1100

nn

4

800

— t f B

800 ~I—' rv

800

1500 1200 1100 800

Abb. 3. A : Infrarot-Spektrum von (CF3S)2CS in Ar-Matrix. Im Bereich > 1000 cm - 1 Mischungsverhältnis 1:5000, 3,8 mmol Ar, < 1000 cm-1 Mischungsverhält-nis 1:1000, 2,3 mmol Ar; B : nach 1,5 h UV-Photolyse mit TQ 150 Z2, Filter OG 530; C: nach 1 min UV-Photolyse mit TQ 150 Z I , Filter W G 305; D : nach 2 min UV-Photolyse mit TQ 150 ohne Filter.

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166 K. Schlosser-H. Willner • Photochemisches Verhalten von (CF3S)2CS in Inertgasmatrix 166

der Lampe TQ 150 ZI, deren Licht durch das Filter WG 305 selektiert wurde, beobachtete man Ver-änderungen im IR-Spektrum, die auf zwei neben-einander ablaufende Prozesse hinweisen:

a) Kurze Bestrahlungszeiten, die unter 30 s lagen, führten wieder zur Abnahme bzw. Zunahme der Intensität verschiedener Banden, die auf eine Ände-rung der Zusammensetzung des Konformerenge-misches schließen lassen. Diesmal jedoch erfolgte eine Anreicherung der energieärmeren Konformeren im Gemisch (Abb. 3, Tab. I). Durch eine nachfol-gende > 530 nm-Photolyse lassen sich die Ände-rungen im IR-Spektrum wieder weitgehend rück-gängig machen.

b) Bestrahlt man über einen längeren Zeitraum als 30 s, so erscheinen im IR-Spektrum neue Ban-den. Diese Banden lassen sich den Verbindungen CS2 und CF3SCF3 zuordnen, wie über ein Vergleichs-spektrum eines separat hergestellten Gemisches aus CS2 und CF3SCF3 (Molverhältnis 1 : 1) in Ar-Matrix gezeigt werden konnte. Die Schwingungsfrequen-zen von dem photochemisch hergestellten Molekül-paar CS2/CF3SCF3 und aus der Gasphase matrix-isoliertem CS2 bzw. CF3SCF3 unterscheiden sich nur geringfügig ( < 0,5 cm-1).

4. In Ar-Matrix mit ungefiltertem Licht einer Hg-Mitteldrucklampe TQ 150 Die Photolyse mit dem energiereichen Licht die-

ser Lampe führte nach 10 s-Bestrahlung zum Zer-fall nahezu aller (CF3S)2CS-Moleküle im CS2 und CF3SCF3. Im IR-Spektrum werden auch bei sehr kurzer Photolysedauer keine Bandenveränderun-gen beobachtet, die auf eine KonformerenumWand-lung schließen lassen.

5. Als dünne Schicht bei 77 K mit ungefiltertem Licht einer Hg-Hochdrucklampe Beim Bestrahlen einer dünnen Schicht von

(CF3S)2C=S, die bei 77 K auf ein Csl-Fenster kon-densiert wurde, beobachtete man im IR-Spektrum die rasCS2-Schwingung bei 1528,5 cm-1, die mit zu-nehmender Bestrahlungsdauer zunimmt. Auch im CF-Schwingungsbereich wurden Veränderungen der Bandengruppe beobachtet. Nach einer Bestrah-lungszeit von insgesamt 60 min wurde die photo-lysierte Schicht in 3 Fallen fraktioniert kondensiert und der Falleninhalt in ein Massenspektrometer überführt. In den Massenspektren ließen sich in den

beiden ersten Fallen neben der Ausgangssubstanz CS2 und CF3SCF3 nachweisen. In die dritte Falle wurde ab ca. 20 °C Fenstertemperatur ein weißer Feststoff sublimiert, in dessen Massenspektrum CF3S-Gruppen nachzuweisen waren. Sowohl das IR-Filmspektrum des Rückstandes bei 0 °C auf dem Csl-Fenster als auch das Sublimationsverhalten entspricht der Verbindung (CF3S)eC2, die bei Photo-lyse von (CF3S)2CS in Lösung entsteht und isoliert werden konnte [1].

Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

Aufgrund der schwingungsspektroskopischen Ana-lyse des (CF3S)2CS liegt diese Verbindung in einem komplizierten Gemisch aus Konformeren vor, die sich energetisch nur geringfügig unterscheiden. Eine Teilzuordnung der Banden erfolgte durch eine Be-handlung des Gemisches bei verschiedenen Tempe-raturen und durch Photolyse ( > 300 nm) in Matrix.

Die Absorptionsmaxima der Konformeren sind wahrscheinlich nicht deckungsgleich, so daß bei > 530 nm bzw. > 300 nm-Einstrahlung in den langwelligen Bereich der nn*- bzw. jrjr*-Bande (Ex-periment 1. und 3.) sich die Konformerenzusam-mensetzung ändert. Die > 530 nm-Bestrahlung führt zu Anreicherung der energiereicheren Konfor-meren, während sich bei > 300 nm-Bestrahlung die Zusammensetzung zugunsten der energieärmeren Konformeren ändert. Insgesamt ist die Zusammen-setzung des Konformerengemisches reversible.

Der Schwellenwert für den photochemischen Zer-fall von (CF3S)2CS in Matrix liegt bei etwa 300 nm.

Die Energie dieses Lichtes 400 kj/mol) reicht offensichtlich aus, um einmal die CF3-S-Bindung und zum anderen die CF3S-C-Bindung homolytisch zu spalten. Die entstehenden CF3- und CF3S. Ra-dikale rekombinieren im Matrixkäfig, und das ver-bleibende Molekülfragment stabilisiert sich zu CS2.

CF3-Sx 3 0 0 n m CF3v

;c=s CFa-S'

"S + s=c=s CF3

Sowohl im Konzentrationsbereich (CFsS^CS : Ar (1 : 50-1 : 5000) wie auch in reiner Form als dünner Film bei 77 K ist das photochemische Verhalten unabhängig von der Konzentration. Die Verbindung reagiert stets monomolekular. Eine Dithiethanbil-dung, wie sie bei aliphatischen und aromatischen

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K. Schlosser-H. Willner • Photochemisches Verhalten von (CFaS^CS in Inertgasmatrix 167

Wir danken Herrn Prof. Dr. mult. A. Haas für die Bereitstellung der Arbeitsmöglichkeiten und der DFG für finanzielle Unterstützung.

ThionVerbindungen die Regel ist [13], wird weder bei der Einstrahlung in den nn*- noch in den nn*-Übergang beobachtet.

[1] K. Schlosser, Z. Naturforsch. 37b, 172 (1982). [2] A. Haas und W. Klug, Chem. Ber. 101, 2609

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