Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss 2017...Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss 4 1 Einleitung...
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unabhängig. kompetent. praxisorientiert.
Expertise für Wohnungsmarkt und Stadtentwicklung
Pflegebedarfsplanung
Rhein-Kreis Neuss
Bericht 2017
Einleitung
1 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung .............................................................................................................. 4
1.1 Methodik und Datengrundlagen .............................................................................................. 5
1.2 Prozess und Akteure ...................................................................................................................... 6
2 Rahmenbedingungen .......................................................................................... 8
2.1 Lage und wirtschaftliche Rahmenbedingungen.................................................................. 8
2.2 Pflegestärkungsgesetz .................................................................................................................. 8
3 Bestandsaufnahme ............................................................................................ 10
3.1 Stationäre Pflege ........................................................................................................................... 10
3.2 Kurzzeit- und Verhinderungspflege ....................................................................................... 15
3.3 Teilstationäre Wohn- und Pflegeangebote ......................................................................... 16
3.4 Ambulante Pflege ......................................................................................................................... 17
3.4.1 Professionelle ambulante Pflege ............................................................................................. 17
3.4.2 Informelle ambulante Pflege / Pflege durch Angehörige ............................................. 20
3.5 Hospizdienste ................................................................................................................................. 23
3.6 Beratungsangebote und Netzwerke ...................................................................................... 25
3.7 Barrierefreies/-armes Wohnen................................................................................................. 29
3.8 Service-Wohnen ............................................................................................................................ 29
3.9 Alternative Wohnformen ........................................................................................................... 30
3.10 Ehrenamtliches Engagement .................................................................................................... 31
3.11 Planungen der angrenzenden Kreise bzw. kreisfreien Städte ...................................... 33
3.12 Verflechtungen mit den angrenzenden Kreisen bzw. kreisfreien Städten .............. 35
4 Determinanten der Nachfrage nach Pflegeleistungen .................................. 40
4.1 Demographie .................................................................................................................................. 40
4.2 Informelles Pflegepotenzial ...................................................................................................... 40
4.3 Angebotsstruktur .......................................................................................................................... 42
4.4 Rechtliche Rahmenbedingungen ............................................................................................ 43
5 Nachfrageentwicklung und Pflegequoten ...................................................... 44
5.1 Altersstruktur der Bevölkerung ................................................................................................ 44
5.2 Struktur der Pflegebedürftigen................................................................................................ 45
Einleitung
2 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
5.3 Entwicklung der Pflegebedürftigen ....................................................................................... 47
5.4 Entwicklung der Pflegeprävalenzen ....................................................................................... 48
5.5 Bevölkerungsprognose ............................................................................................................... 50
5.6 Entwicklung des Pflegepotenzials .......................................................................................... 52
5.6.1 Informelles Pflegepotenzial....................................................................................................... 52
5.6.2 Formelles Pflegepotenzial .......................................................................................................... 53
6 Pflegebedarfsprognose ..................................................................................... 54
6.1 Entwicklung der Zahl der Pflegebedürftigen ...................................................................... 56
6.2 Entwicklung differenziert nach Pflegegrad ......................................................................... 57
6.3 Entwicklung differenziert nach Versorgungsform ............................................................ 58
6.3.1 Entwicklung der vollstationären versorgten Pflegebedürftigen nach Szenarien .. 59
6.3.2 Entwicklung Pflegegeldbezieher nach Szenarien ............................................................. 59
6.3.3 Entwicklung Bezieher von ambulanten Pflegesachleistungen nach Szenarien ..... 59
6.4 Bilanzierung – Stationäre Pflegeeinrichtungen ................................................................. 61
6.5 Bedarf Kurzeit- und Verhinderungspflege .......................................................................... 63
6.6 Bedarf Tages- und Nachtpflege .............................................................................................. 64
7 Kommunalprofile ............................................................................................... 66
7.1 Dormagen ........................................................................................................................................ 67
7.2 Grevenbroich .................................................................................................................................. 69
7.3 Jüchen ............................................................................................................................................... 71
7.4 Kaarst ................................................................................................................................................. 73
7.5 Korschenbroich .............................................................................................................................. 75
7.6 Meerbusch ....................................................................................................................................... 77
7.7 Neuss ................................................................................................................................................. 79
7.8 Rommerskirchen ........................................................................................................................... 81
8 Entwicklung des Bedarfs an Pflegekräften ..................................................... 83
9 Projektion der finanziellen Entwicklung ......................................................... 86
9.1 Abschätzung der Kosten des örtlichen Trägers – Hilfe zur Pflege - Stationär ....... 87
9.2 Abschätzung der Kosten des örtlichen Trägers – Hilfe zur Pflege – ambulant ..... 88
10 Bewertung und Handlungsempfehlungen ...................................................... 89
Einleitung
3 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
10.1 Handlungsempfehlungen – Pflegeinfrastruktur ................................................................ 91
10.2 Handlungsempfehlungen - Quartiersansätze .................................................................... 93
10.3 Personalentwicklung .................................................................................................................... 94
10.4 Beratung und Netzwerk.............................................................................................................. 94
10.5 Ehrenamt .......................................................................................................................................... 95
10.6 Monitoring ....................................................................................................................................... 95
Einleitung
4 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
1 Einleitung
Im Rhein-Kreis Neuss sind derzeit rund 16.000 Menschen auf Pflegeleistungen angewie-
sen. Aufgabe des Kreises ist es, Strukturen zu unterstützen bzw. aufzubauen, die es Pfle-
gebedürftigen ermöglichen, ein selbstbestimmtes Leben in ihrem gewohnten Umfeld
führen zu können.
Angesichts der demographischen Entwicklung wird die Zahl der Pflegebedürftigen weiter
steigen und damit auch die Herausforderung, eine an den Bedürfnissen der Betroffenen
orientierte, pflegerische Versorgung in Zukunft sicherzustellen. Das Land NRW hat vor
diesem Hintergrund die gesetzlichen Grundlagen weiterentwickelt. So ist im Oktober
2014 das neue GEPA-NRW in Kraft getreten, in dem das bisherige Landespflegegesetz
sowie das Wohn- und Teilhabegesetz novelliert und zusammengeführt wurden. Teil des
GEPA ist das Alten- und Pflegegesetz, in dem der zuvor schon bestehende Planungsauf-
trag weiter konkretisiert wurde.
So ist der Rhein-Kreis Neuss verpflichtet, eine den örtlichen Bedarfen entsprechende
pflegerische Angebotsstruktur sicherzustellen (§ 4 Abs. 1 APG NRW). Hierzu ist eine ört-
liche Planung gemäß § 7 APG NRW zu erstellen. Im Einzelnen muss die Planung folgende
Inhalte umfassen:
○ „1. die Bestandsaufnahme der Angebote, 2. die Feststellung, ob qualitativ und
quantitativ ausreichend Angebote zur Verfügung stehen und 3. die Klärung der
Frage, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen zur Herstellung, Sicherung o-
der Weiterentwicklung von Angeboten erforderlich sind (§ 7 Abs. 1 Satz 1 APG
NRW).
○ Die Planung ist nicht nur auf stationäre Pflege beschränkt, sondern umfasst ins-
besondere auch „komplementäre Hilfen, Wohn- und Pflegeformen sowie ziel-
gruppenspezifische Angebotsformen wie persönliche Assistenz und die Weiter-
entwicklung der örtlichen Infrastruktur. Die Planung hat übergreifende Aspekte
der Teilhabe einer altengerechten Quartiersentwicklung zur Sicherung eines wür-
devollen, inklusiven und selbstbestimmten Lebens, bürgerschaftliches Engage-
ment und das Gesundheitswesen einzubeziehen“ (§ 7 Abs. 1 Satz 2 APG NRW).
○ Darüber hinaus muss der Rhein-Kreis Neuss auch die kreisangehörigen Kommu-
nen in den Planungsprozess einbeziehen und die Planungen angrenzender Ge-
bietskörperschaften berücksichtigen (§ 7 Abs. 2 APG NRW).
Einleitung
5 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Wenn die Planung Grundlage für eine verbindliche Entscheidung über eine bedarfsab-
hängige Förderung zusätzlicher teil- oder vollstationärer Pflegeeinrichtungen sein soll,
ist sie jährlich nach Beratung in der Kommunalen Konferenz Alter und Pflege durch Be-
schluss des Kreistages festzustellen (verbindliche Bedarfsplanung) und öffentlich bekannt
zu machen. Die verbindliche Bedarfsplanung muss zukunftsorientiert einen Zeitraum von
drei Jahren ab der Beschlussfassung umfassen und auf der Grundlage nachvollziehbarer
Parameter darstellen, ob das Angebot an Pflegeeinrichtungen den örtlichen Bedarf ab-
deckt oder in welcher Höhe zur Bedarfsdeckung zusätzliche Kapazitäten erforderlich sind.
Ziele
Ziel der Pflegebedarfsplanung ist es, auch zukünftig eine leistungsfähige und nachhaltige
Unterstützungsstruktur für ältere und pflegebedürftige Menschen im Rhein-Kreis Neuss
vorzuhalten. Hierzu gilt es aktuelle und zukünftige Handlungsbedarfe zu identifizieren
um einerseits den Ausbau der Pflegeinfrastrukturen voranzutreiben und anderseits den
Aufbau von Überkapazitäten zu vermeiden.
Die Ergebnisse werden dabei sowohl auf Ebene des Rhein-Kreises Neuss als auch auf
Ebene der einzelnen Gemeinden dargestellt. Die gemeindebezogenen Ergebnisse wer-
den in Form Steckbriefen in komprimierter Form aufbereitet (vgl. Kap. 7).
Neben den klassischen ambulanten und stationären Pflegeformen werden auch neue
Ansätze der pflegerischen Versorgung in den Fokus genommen. Dazu zählen beispiels-
weise alternative Wohnmodelle wie auch Möglichkeiten der Quartiers- und nachbar-
schaftlich organisierten Hilfs- und Beratungsangebote.
1.1 Methodik und Datengrundlagen
Das Gutachten zur Erstellung einer „Örtlichen Planung“ im Sinne von § 7 des Alten- und
Pflegegesetzes NRW kann grob in vier Arbeitsphasen eingeteilt werden:
○ Angebotserfassung (Kapitel 3) – In der Erhebungsphase erfolgte eine umfassende
Erfassung der Pflegeinfrastruktur. Neben der Auswertung der Pflegestatistik und
weiterer amtlicher Statistiken von IT.NRW wurde eine Befragung der stationären
und teilstationären Pflegeeinrichtungen sowie der ambulanten Pflegedienste
durchgeführt. Im Rahmen der Befragung wurden die Belegungs- und Personalsi-
tuation erfasst sowie allgemeine Fragen zu den drängendsten Handlungsbedar-
fen gestellt. Folgende Tabelle gibt einen Überblick über den Befragungsrücklauf:
Tabelle 1 – Rücklauf Befragung
Rücklauf in % Anzahl der Pflege-
fälle
Stationäre Einrichtungen 74 % 2.840
Ambulante Pflegedienste 45 % 1.130
Teilstationäre Einrichtungen 78 % 320
Einleitung
6 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Weiter wurden die Planungen und der Status quo in den angrenzenden Kreisen
abgefragt. Sofern eine Pflegebedarfsplanung in den angrenzenden kreisfreien
Städten und Kreisen vorlag, wurden diese ausgewertet. Darüber hinaus erfolgt
die Erfassung der sonstigen Pflegeinfrastrukturen wie ehrenamtliche Hilfen und
Beratungsangebote.
○ Bedarfsermittlung – Zur Bedarfsermittlung erfolgte durch ALP die Berechnung ei-
ner Bevölkerungsprognose (Kap. 5.5) auf Ebene der Städte und Gemeinden sowie
darauf aufbauend die Ableitung des Pflegebedarfs differenziert in drei Szenarien
(Kap. 6). Die neuen Pflegegrade wurden bei der Bedarfssimulierung bereits be-
rücksichtigt.
○ Bilanzierung von Angebot und Nachfrage – Durch die Bilanzierung von Angebot
und Nachfrage wurden in einem abschließenden Analyseschritt die Handlungs-
bedarfe schärfer herausgearbeitet (Kap. 6.4). Konkret wurden Bedarfe hinsichtlich
der benötigten Pflegeinfrastrukturen wie auch zum benötigten Personal (Kap. 8)
dargestellt. Ferner wurde die finanzielle Belastung für den örtlichen Träger im
Leistungsbereich der Hilfen zur Pflege abgeschätzt (Kap. 9).
○ Handlungsempfehlungen (Kapitel 10) – Auf Basis der Analyse-, Befragungs- und
Prognoseergebnisse wurden Zielsetzungen für die Entwicklung der Pflegeinfra-
struktur gemeinsam mit dem Rhein-Kreis Neuss diskutiert und erste Handlungs-
empfehlungen abgeleitet.
Neben den amtlichen Daten von IT.NRW und den Befragungsergebnissen der Pflegeein-
richtungen wurden diverse Daten des Rhein-Kreises Neuss herangezogen. Unter ande-
rem wurden Daten zu pflegebedürftigen Empfängern von Sozialleistungen in stationären
Einrichtungen sowie Daten zu den Aufwendungen für Sozialleistungen differenziert nach
Hilfen zur Pflege und Pflegewohngeld ausgewertet. Die Daten von IT.NRW (Pflegestatis-
tik) beziehen sich auf das Jahre 2015. Die Befragungsergebnisse und die Daten des
Rhein-Kreises Neuss sind aktueller und beziehen sich in der Regel auf das Jahr 2017.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in diesem Bericht auf eine gleichzeitige Ver-
wendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbe-
zeichnungen gelten für beide Geschlechter gleichermaßen.
1.2 Prozess und Akteure
Ein weiteres zentrales Element des Gutachtens war die Einbeziehung lokaler Akteure und
Experten. Neben der Befragung der Einrichtungen und ambulanten Dienste wurden fol-
gende Beteiligungsformen durchgeführt:
○ Expertengespräche mit über einem Dutzend Akteuren (Wohlfahrtsverbände, am-
bulante Dienste, private Heimbetreiber, Vereine und Netzwerke)
○ Durchführung eines Kommunalworkshops
Einleitung
7 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
○ Vorstellung der Zwischenergebnisse auf einer Fachkonferenz „örtliche Planung“
sowie anschließender Diskussion der Ergebnisse in vier thematischen Arbeits-
gruppen
○ Zudem wurde das Vorgehen im Rahmen der Konferenzen für Gesundheit, Pflege
und Alter vorgestellt
○ Darüber hinaus wurde die Politik durch zwei Präsentation im Sozial- und Gesund-
heitsausschuss informiert
Die folgende Abbildung gibt einen Überblick über die durchgeführten Arbeitsschritte.
Untersuchung der
Rahmenbedingungen01
Bedarfseinschätzung
Bestandsaufnahme Angebot
03
02
Bewertung und Handlungsempfehlungen
Bilanzierung von Bestand und Bedarf
05
04
Beteiligungsprozess
Befragung Pflegeheime,
Tagespflegeeinrichtungen
Befragung
ambulante Pflegedienste
Erfassung sonstiger
Pflegeinfrastrukturen
Befragung der angrenzenden
Kreise bzw. kreisfreien Städte
Arbeitskreis
Kommunen
Ergebnis-
präsentation
Fachkonferenz
„örtliche Planung“
Pflegebedarfsprognose
für drei Szenarien
Pflegebedürftigkeit differenziert
nach Pflegeformen
Pflegebedürftigkeit differenziert
nach Pflegestufen alt & neu
Bevölkerungsprognose
Personalbedarf differenziert
nach Szenarien
Bedarf
Pflegeinfrastruktur differenziert nach Szenarien
Erfassung der Planungen
(innerhalb und außerhalb des Kreises)
Aufbau Monitoring -
FortschreibungskonzeptEndbericht
Konferenz für
Gesundheit, Pflege und Alter
Pflegebedarfsplanung
Leistungsbild
Auftaktgespräch
Konferenz für
Gesundheit, Pflege und Alter
Expertengespräche
Rahmenbedingungen
8 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
2 Rahmenbedingungen
2.1 Lage und wirtschaftliche Rahmenbedingungen
Der Rhein-Kreis Neuss liegt am linken Niederrhein. Im Osten wird das Kreisgebiet durch
den Rhein begrenzt. Rechtsrheinisch grenzen Duisburg und Düsseldorf, sowie der Kreis
Mettmann an. Linksrheinisch liegen im Norden beginnend die Stadt Krefeld, der Kreis
Viersen die Stadt Mönchengladbach sowie die Kreise Rhein-Erft-Kreis, Düren, Heinsberg
und die Stadt Köln.
Die Städte und Gemeinden des Rhein-Kreises Neuss haben eine enge Verflechtung zu
den teils unmittelbar angrenzenden Oberzentren. Neben der räumlichen Nähe unter-
stützt eine sehr gute Anbindung über den schienengebundenen und den motorisierten
Individualverkehr die enge funktionale Verflechtung. Aus allen Teilen des Kreises können
die nächstgelegenen Oberzentren gut erreicht werden. Eine Auswertung der Pendlerbe-
ziehungen zeigt, dass Dormagen und Rommerskirchen eine starke Orientierung nach
Köln und Grevenbroich besitzen. Kaarst, Meerbusch und Neuss weisen hingegen eine
enge Verflechtung mit Düsseldorf auf. Die Bewohner Jüchens und Korschenbroich sind
eher in Richtung Mönchengladbach orientiert.1
Die enge Verflechtung der Gemeinden des Rhein-Kreises Neuss mit dem Umland ist auch
im Rahmen der Pflegebedarfsplanung zu berücksichtigen. So wurde im Rahmen der Un-
tersuchung geprüft, inwieweit die Städte und Gemeinden des Rhein-Kreises Neuss eine
Versorgungsfunktion im Bereich der Pflege für das Umland übernehmen bzw. in welchem
Umfang Bewohner des Rhein-Kreises Neuss Pflegeinfrastrukturen im Umland nutzen (vgl.
Kap. 3.12).
2.2 Pflegestärkungsgesetz
Durch die Pflegestärkungsgesetze II und III wurden weitreichende Reformen und Verän-
derungen im gesamten Pflegesektor umgesetzt. Es ist zum jetzigen Zeitpunkt zwar noch
nicht abzuschätzen, in welchem Umfang die Reformen zu Veränderungen in der Struktur
der Nachfrage von Pflegeangeboten oder der Struktur der Belegung der stationären Ein-
richtungen kommen wird, gleichwohl können erste Tendenzen bereits identifiziert wer-
den. So ist die Zahl der Anträge nach Pflegeleistungen mit der Einführung des PSG II und
III nochmals deutlich gestiegen. Untersuchungen zu den Auswirkungen früherer Refor-
men (Pflegeweiterentwicklungsgesetz, Pflegeneuausrichtungsgesetz und dem Pflege-
stärkungsgesetz I) haben zudem gezeigt, dass die Ausdehnung der Leistungen bzw. des
Kreises der Leistungsberechtigten unter anderem zu einer Erhöhung der Pflegequoten
bzw. Pflegeprävalenzen geführt haben.2
1 Vgl. IT.NRW – Ein- bzw. Auspendlerströme der Städte und Gemeinden NRWs 2015 2 BARMER GEK Pflegereport 2016
Rahmenbedingungen
9 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Da die Pflegereformen der jüngeren Vergangenheit insbesondere die ambulante Pflege
gestärkt haben, hat eine Verschiebung der Nachfrage – insbesondere bei geringen Pfle-
gegraden – von der vollstationären in Richtung ambulante und teilstationäre Pflege statt-
gefunden. Es ist zu erwarten, dass mit der Einführung des PSG II die bereits bestehenden
Tendenzen (steigende Pflegeprävalenzen und Verschiebung hin zu ambulanten Pflege-
settings) weiterhin bestehen oder verstärkt werden.
Wesentliche Änderungen der PSG I bis III sind:
PSG I
○ Bessere Kombinierbarkeit der Leistungen für Verhinderungs- und Kurzzeitpflege
○ Der Anspruch auf niedrigschwellige Betreuungsleistungen in der ambulanten
Pflege wurde ausgeweitet
○ Gründungszuschüsse für ambulant betreute Wohngruppen und Wohngemein-
schaften (WG) sowie erhöhte Fördermittel zur altersgerechten Wohnraumanpas-
sung
○ Erweiterter Leistungsanspruch für Demenzerkrankte - Menschen mit Demenz in
der bis zum 31. Dezember 2016 geltenden sogenannten Pflegestufe 0 haben
nun erstmals die Möglichkeit, auch Leistungen der teilstationären Tages- oder
Nachtpflege sowie der Kurzzeitpflege in Anspruch zu nehmen
○ Erhöhung des Pflegegeldes und der Pflegesachleistungen
PSG II
○ Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs (Aufhebung der Ungleichbe-
handlung von somatisch und kognitiv beeinträchtigten Menschen)
○ Neues Begutachtungssystem
○ Deutlich höhere Zuschüsse der Pflegeversicherung insbesondere im ambulanten
Bereich
○ Einführung Pflegegrad 1 (Entlastungsbetrag in Höhe von bis zu 125 Euro im Mo-
nat)
○ Einrichtungseinheitliche Eigenanteil für Pflege wurde angeglichen – gleiche Pau-
schale in allen Pflegegraden
PSG III
○ Die Kommunen erhalten mehr Kompetenzen bei der Pflegeberatung. So können
bundesweit bis zu 60 Kommunen zeitlich auf fünf Jahre befristete Modellvorha-
ben zur Pflegeberatung auflegen
Bestandsaufnahme
10 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
3 Bestandsaufnahme
3.1 Stationäre Pflege
Insgesamt gibt es im August 2017 im Rhein-Kreis Neuss 46 stationäre Pflegeeinrichtun-
gen, die ein Angebot von 4.002 Pflegeplätzen zur Verfügung stellen. Im Bereich der sta-
tionären Pflege sind zum Stichtag 15.08.2017 155 Plätze nicht belegt, was einer Auslas-
tungsquote von rund 96 % entspricht3. 40 weitere Pflegeplätze sind geplant. In Folge der
80:20-Regelung für stationäre Pflegeeinrichtungen ist mit einem Wegfall von 23 Plätzen
zu rechnen.
Der Angebotsüberhang konnte in den letzten Jahren abgebaut werden. So waren noch
im Februar 2016 rund 250 und damit 100 stationäre Pflegeplätze mehr als im August
2017 nicht belegt. Insgesamt sind 25 der 46 Pflegeeinrichtungen (54 %) voll ausgelastet
(>98 %). Anfang 2006 galt dies nur für 19 bzw. 41 % der Einrichtungen.4
Abbildung 1 Entwicklung der Auslastung in den stationären Pflegeeinrichtungen
Quelle: Rhein-Kreis-Neuss
Eine hohe Auslastung (>98 %) erreichen insbesondere die Einrichtungen in den Städten
Dormagen, Rommerskirchen, Kaarst und Neuss. Freie Kapazitäten gibt es hingegen ins-
besondere in Meerbusch und Grevenbroich (vgl. Kap. 6.4).
Von den 46 stationären Pflegeeinrichtungen befinden sich neun Einrichtungen in privater
sowie drei in kommunaler Trägerschaft. Die Träger der freien Wohlfahrtspflege betreiben
im Rhein-Kreis Neuss 29 Pflegeheime. Fünf stationäre Pflegeeinrichtungen entfallen auf
sonstige gemeinnützige Träger.
3 Rhein-Kreis Neuss - Heimaufsicht 4 ebenda.
0
50
100
150
200
250
300
3.550
3.600
3.650
3.700
3.750
3.800
3.850
3.900
3.950
4.000
4.050
Feb 16 Mai 16 Aug 16 Nov 16 Feb 17 Mai 17 Aug 17
Anzahl Plätze Belegte Plätze Überhang
Überhang Anzahl Plätze
Bestandsaufnahme
11 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
In jeder Kommune des Kreises sind mindestens zwei stationäre Pflegeeinrichtungen an-
sässig. In der Stadt Neuss gibt es mit 13 stationären Pflegeeinrichtungen das größte An-
gebot.
Abbildung 2 Stationäre Pflegeeinrichtungen im Rhein-Kreis Neuss
Bestandsaufnahme
12 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Im Rhein-Kreis Neuss sind zum Stichtag 01.07.2016 rund 1.460 Vollstellen durch Pflege-
personal besetzt. Die Fachkraftquote liegt bei rund 54 %. Die Entwicklung der letzten 10
Jahre zeigt einen deutlichen Zuwachs der Beschäftigten (vgl. Abbildung 3). So ist die Zahl
der Vollstellen seit 2006 um 40 % oder rund 400 gestiegen. Die Fachkraftquote ist im
gleichen Zeitraum leicht gesunken (57 % im Jahr 2006; 54 % im Jahr 2016).
Rund 36 % der Beschäftigten sind älter als 50 Jahre5. Mit Blick auf den zukünftigen Per-
sonalbedarf ist dies zu berücksichtigen. So müssen alleine rund 525 Vollstellen in den
nächsten 15 Jahren durch neues Personal ersetzt werden (vgl. Kap. 8).
Abbildung 3 Entwicklung Vollstellen und Fachkraftquote 2006 bis 2016
Im Vergleich mit dem Land NRW ist die Pflegeplatzquote (Verhältnis von Pflegeplätzen
zu Pflegebedürftigen) im Rhein-Kreis Neuss leicht unterdurchschnittlich. Während in
Rhein-Kreis Neuss auf 100 Pflegebedürftige 25 stationäre Pflegeplätze kommen, sind es
in NRW 28. Im Vergleich mit anderen Kreisen/kreisfreien Städten zeigen sich teils deutli-
che Unterschiede. Beispielsweise beträgt das Verhältnis von stationären Pflegeplätzen
und Pflegebedürftigen in Viersen nur 1:5 bzw. 20:100. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass
in Viersen ein höherer Anteil der über 80-Jährigen pflegebedürftig ist.
5 ALP - Befragung stationäre Pflegeeinrichtungen
Bestandsaufnahme
13 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Abbildung 4 Stationäre Pflegeplätze pro 100 Pflegebedürftiger
Abbildung 5 Pflegebedürftige im Verhältnis zu über 80-Jährige
Bestandsaufnahme
14 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
„Junge Pflege“
Junge Pflegebedürftige haben andere Anforderungen an eine Pflegeeinrichtung als äl-
tere Bewohner. So unterscheiden sich beispielsweise Tagesabläufe und Freizeitverhalten
der jüngeren von den älteren Pflegebedürftigen. Festzuhalten ist, dass ein ausreichendes
auf jüngere Pflegebedürftige zugeschnittenes Pflegeangebot zu einer insgesamt höhe-
ren Angebotsqualität der pflegerischen Versorgung beiträgt.
Status quo
Der überwiegende Teil der jüngeren Pflegebedürftigen wird ambulant versorgt. Aller-
dings besteht auch für diese Gruppe ein Bedarf an stationären Pflegeplätzen. Im Rhein-
Kreis Neuss leben derzeit rund 150 Personen unter 65 Jahren bzw. rund 90 Personen
unter 60 Jahren in den stationären Pflegeeinrichtungen. Dieser Nachfrage steht ein An-
gebot von zurzeit 17 Pflegeplätzen in Dormagen, die auf die Pflege jüngerer ausgerichtet
sind, gegenüber. Weitere jüngere Pflegebedürftige werden im Malteserstift St. Katharina
in der Wachkoma- und Beatmungspflege versorgt. Die Mehrzahl der jüngeren Pflegebe-
dürftigen wird jedoch in „normalen“ Pflegeeinrichtungen versorgt.
Derzeit übersteigen die Anfragen nach Pflegeplätzen in der Einrichtung in Dormagen das
Angebot deutlich.
Bestandsaufnahme
15 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
3.2 Kurzzeit- und Verhinderungspflege
Von den 4.002 stationären Pflegeplätzen können (theoretisch) 228 Plätze für die Kurz-
zeitpflege in Anspruch genommen werden. Insgesamt sind damit 5,7 % der stationären
Pflegeplätze für die Kurzzeitpflege geeignet. Lediglich 10 Plätze stehen ausschließlich
(solitär) für die Kurzzeitpflege zur Verfügung. Alle weiteren Plätze stehen in Form von
eingestreuten Plätzen für die Kurzzeitpflege zur Verfügung.6
Abbildung 6 Kurzzeitpflegeplätze pro 100 Pflegebedürftige
Die Befragung der stationären Pflegeeinrichtungen hat ergeben, dass rund 2,4 % bzw. 92
stationäre Pflegeplätze durch Kurzzeitpflegegäste belegt sind. Im Vergleich zu 2015 ent-
spricht dies einem Anstieg um 0,3 Prozentpunkte bzw. 22 %. Die Gegenüberstellung der
zur Verfügung stehenden Kapazitäten (228 Plätze) und die Zahl der Kurzzeitpflegegäste
(92) suggeriert einen deutlichen Angebotsüberhang. Tatsächlich steht ein Großteil der
eingestreuten Kurzzeitpflegeplätze jedoch nicht zur Verfügung, weil die Pflegeeinrich-
tungen ausgelastet sind.
In ausgelasteten Pflegeeinrichtungen werden die eingestreuten Kurzzeitpflegeplätze in
der Regel von Dauerpflegegästen genutzt.
6 Rhein-Kreis Neuss Heimaufsicht
Bestandsaufnahme
16 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Auf Gemeindeebene besteht ein vergleichsweise gutes Angebot an Kurzzeitpflegeplät-
zen in Grevenbroich, Korschenbroich und Rommerskirchen (2,1 Plätze pro 100 Pflegebe-
dürftige), wobei in Rommerskirchen aufgrund der hohen Auslastung kaum Plätze zur
Verfügung stehen. Nur wenige Plätze stehen dagegen in Kaarst und Neuss zur Verfü-
gung.
3.3 Teilstationäre Wohn- und Pflegeangebote
Die Angebote im teilstationären Pflegebereich werden nach Angeboten der Tages- und
der Nachtpflege unterteilt.
Tagespflege
Im Bereich der Tagespflege stellen im Jahr 2017 insgesamt 13 Einrichtungen 193 Pflege-
plätze zur Verfügung. Mit einem Pflegeplatz werden rund 2,2 Pflegebedürftige betreut.7
Drei weitere Einrichtungen befinden sich zurzeit im Bau und erweitern nach Fertigstellung
das bestehende Angebot um 51 Tagespflegeplätze. Sieben Einrichtungen der Tages-
pflege werden von Wohlfahrtsverbänden betrieben, die restlichen sechs Einrichtungen
befinden sich in privater Trägerschaft.
Abbildung 7 Tagespflegeplätze pro 100 Pflegebedürftige
7 Eigene Hochrechnung auf Basis einer Befragung der teilstationären Einrichtungen im Rhein-
Kreis Neuss
Bestandsaufnahme
17 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Beim Vergleich der Kommunen zeigt sich, dass das Angebot an Tagespflegeplätzen in
den Kommunen variiert. Während Kaarst (4,1 Plätze pro 100 Pflegebedürftige) und Jü-
chen (3,1 Plätze pro 100 Pflegebedürftige) vergleichsweise viele Plätzen anbieten kön-
nen, liegt die Versorgung in Grevenbroich auf einem deutlich niedrigeren Niveau (0,5
Plätze pro 100 Pflegebedürftige).
Nachtpflege
Angebote der Nachtpflege gibt es bisher nicht. Allerdings ist auch in diesem Bereich in
den letzten Jahren eine steigende wenn auch schwer zu quantifizierende Nachfrage zu
beobachten.
3.4 Ambulante Pflege
Die Pflege im häuslichen Umfeld kann sowohl von pflegenden Angehörigen (informell)
als auch unterstützend von einem Pflegedienst (professionell) erbracht werden. In der
amtlichen Pflegestatistik wird zwischen Beziehern von ambulanten Pflegesachleistungen
und Personen, die ausschließlich Pflegegeld beziehen unterschieden. Empfänger von
Pflegegeld, die zusätzlich auch professionelle ambulante Hilfe in Anspruch nehmen, wer-
den in der amtlichen Statistik bei den Beziehern von ambulanten Pflegesachleistungen
(professionelle ambulante Pflege) berücksichtigt.
3.4.1 Professionelle ambulante Pflege
Insgesamt gibt es im Jahr 2017 im Rhein-Kreis Neuss 63 ambulante Pflegedienste. Davon
befinden sich 43 Pflegedienste in privater Trägerschaft, die übrigen 23 ambulanten Pfle-
gedienste im Rhein-Kreis Neuss werden von freigemeinnützigen Trägern betrieben. Ge-
mäß der amtlichen Pflegestatistik (Stichtag 15.12.2015) haben 2.469 Pflegebedürftige
ambulante Dienstleistungen in Anspruch genommen. Zu berücksichtigen ist, dass ambu-
lante Pflegedienste nicht nur Leistungen der Pflegeversicherung nach dem SGB XI erbrin-
gen, sondern beispielsweise auch die medizinische Behandlungspflege, die mit den Kran-
kenkassen abgerechnet wird, übernehmen.
Im ambulanten Pflegebereich sind im Rhein-Kreis Neuss 828 Frauen und 159 Männer
beschäftigt. Während die männlichen Beschäftigten bei ambulanten Pflegediensten im
Rhein-Kreis Neuss zu 50 % in Vollzeit beschäftigt sind, beträgt der Anteil der weiblichen
Vollzeitkräfte lediglich 31 %. 8
Die Fachkraftquote ist derzeit noch deutlich höher als im stationären Bereich. 74 % der
Beschäftigten sind Fachkräfte und 26 % Hilfskräfte.9 Dieses Verhältnis wird sich voraus-
sichtlich zugunsten der Hilfskräfte verschieben. So ist im Zuge der Einführung des Ent-
lastungsbetrags in Höhe von 125 € die Nachfrage nach haushaltsnahen Dienstleistungen
8 IT.NRW Pflegestatistik 9 ALP Befragung ambulante Dienste
Bestandsaufnahme
18 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
sprunghaft gestiegen. Diese Dienstleistungen werden in der Regel von Hilfskräften er-
bracht.
Die Personalsituation bei den ambulanten Pflegediensten ist angespannt. Zahlreiche
Dienste können die Nachfrage nach ambulanten Pflegeleistungen derzeit nicht befriedi-
gen. Neueinstellungen können vor dem Hintergrund fehlender Fachkräfte nicht vorge-
nommen werden. Auch deshalb werden in der jüngeren Vergangenheit vermehrt Ver-
mittlungsagenturen von Pflegekräften, vorzugsweise aus dem osteuropäischen Raum, in
Anspruch genommen (vgl. Kap. 3.4.2). Hinzu kommt, dass rund 39 % der ambulanten
Pflegekräfte 50 Jahre oder älter sind und somit ein erheblicher Anteil der Pflegekräfte in
den nächsten 10 bis 15 Jahren aus dem Beruf ausscheiden wird.
Bestandsaufnahme
19 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
In der folgenden Grafik sind die ambulanten Dienste im Rhein-Kreis Neuss aufgelistet
und im Kreis verortet.
Abbildung 8 Ambulante Pflegedienste im Rhein-Kreis Neuss
Bestandsaufnahme
20 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
3.4.2 Informelle ambulante Pflege / Pflege durch Angehörige
Informelle Pflege wird meist durch Angehörige und in den letzten Jahren vermehrt durch
Hilfskräfte, meist aus dem osteuropäischen Ausland, geleistet. Belastbare statistische In-
formationen über die Gruppe der pflegenden Angehörigen liegen nicht vor. Auf klein-
räumiger Ebene liegen lediglich Daten zur Zahl der Pflegegeldempfänger vor.
Vor diesem Hintergrund wird auf allgemein verfügbare Daten und Studien zur Gruppe
der pflegenden Angehörigen bzw. des informellen Pflegepersonals zurückgegriffen. Die
nachfolgenden Statistiken beziehen sich auf die Situation in Deutschland insgesamt.
Pflege durch Angehörige
Zum Stand 31.12.2015 beziehen 9.414 Personen im Rhein-Kreis Neuss Pflegegeld.10 Die
Zahl der pflegenden Angehörigen liegt im Vergleich deutlich höher, da häufig mehr als
eine Person in die Pflege eingebunden ist. Nach einer aktuellen Studie zur Wirkung des
Pflege-Neuausrichtungs-Gesetzes (PNG) und des ersten Pflegestärkungsgesetzes (PSG I)
im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit werden rund 28 % der in einem Pri-
vathaushalt lebenden Pflegebedürftigen von zwei und weitere 31 % von drei und mehr
Pflegepersonen betreut.11
Bei rund einem Drittel der Pflegebedürftigen ist der (Ehe-)Partner (14 %) bzw. die (Ehe-)
Partnerin (18 %) die Hauptpflegeperson. Weitere 37 % der Pflegebedürftigen werden von
den eigenen Kindern gepflegt. Im Vergleich zu 1998 ist der Anteil derjenigen, die durch
die eigenen Kinder betreut werden, um neun Prozentpunkte gestiegen. Bemerkenswert
ist, dass sich der Anteil der Pflegebedürftigen, die in erster Linie durch ihren Sohn betreut
werden, zwischen 1998 und 2010 verdoppelt hat. Gleichwohl tragen die Töchter (27 %)
weiterhin deutlich stärker als die Söhne (11 %) zur Pflege der Eltern bei.12
Dieses Ergebnis spiegelt sich auch in der Gesamtbetrachtung der pflegenden Angehöri-
gen wider. 68 % der pflegenden Angehörigen sind Frauen. Der Anteil der Männer ist je-
doch in den vergangenen 18 Jahren gestiegen. Während 1998 nur ein Fünftel der Haupt-
pflegepersonen männlich war, beträgt ihr Anteil 2010 schon 28 % und ist bis 2016 auf
31 % angestiegen.13
10 Ohne Empfänger/-innen von Pflegegeld, die zusätzlich auch ambulante Pflege erhalten. Diese
werden bei der ambulanten Pflege berücksichtigt. Zudem ohne Empfänger/-innen von Kurzzeit-
bzw. Verhinderungspflege. Diese werden bereits bei der vollstationären bzw. ambulanten Pflege
erfasst. 11 Studie zur Wirkung des Pflege-Neuausrichtungs-Gesetzes (PNG) und des ersten Pflegestär-
kungsgesetzes (PSG I) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit 2017 12 Ebenda. 13 Ebenda.
Bestandsaufnahme
21 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Knapp 70 % der Hauptpflegepersonen sind 55 Jahre und älter und knapp 40 % sind 65
Jahre und älter. 10 Prozent sind sogar älter als 80 Jahre.14 Eine nach Geschlechtern diffe-
renzierte Betrachtung zeigt, dass Frauen häufig deutlich früher Verantwortung in der
Pflege der Angehörigen übernehmen. Pflegende Männer sind dagegen häufig deutlich
älter (vgl. Abbildung 10).
Abbildung 9 Soziodemographische Merkmale der Hauptpflegepersonen 1998, 2010 und 2016
(%)15
14 Ebenda. 15 Ebenda.
Bestandsaufnahme
22 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Abbildung 10 Altersstruktur der pflegenden Angehörigen (%)16
Noch deutlicher ist der Unterschied zwischen Geschlechtern, wenn die Daten der Deut-
schenrentenversicherung zu Grunde gelegt werden. Hier erfasst sind Personen (unter 65
Jahre) für die von der Pflegeversicherung Rentenversicherungsbeiträge entrichtet wur-
den. Darunter fallen Personen, die wenigstens zehn Stunden wöchentlich, verteilt auf re-
gelmäßig mindestens zwei Tage in der Woche, in ihrer häuslichen Umgebung pflegen
(Mindestpflegeumfang). Demnach sind rund 90 % der Rentenversicherten Pflegeperso-
nen Frauen und nur 10 % Männer.17
Berufstätige pflegende Angehörige
Die Vereinbarkeit von Pflege und Arbeit ist eine zentrale Herausforderung zur Aufrecht-
erhaltung des Pflegesystems. So sind bereits heute über die Hälfe der Hauptpflegeper-
sonen im erwerbsfähigen Alter in Vollzeit (28 %) oder in Teilzeit (26 %) beschäftigt. Zu-
dem sind rund 10 % der Hauptpflegepersonen geringfügig Beschäftigte. Im Vergleich zu
1998 ist der Anteil der Voll- und Teilzeitbeschäftigen an den Pflegenden von 29 % auf
52 % angestiegen.18 Knapp 40 % der Beschäftigten hat den Umfang der Erwerbstätigkeit
reduziert (23 %) oder aufgegeben (14 %).
Insgesamt geht mit der Pflege der Angehörigen eine hohe Belastung einher. Rund ein
Fünftel der Befragten gibt an, dass die Pflege nur mit Schwierigkeiten (17 %) bzw. eigent-
lich gar nicht mehr (3 %) zu bewältigen sei.19
16 DIW Berlin - Sozio-oekonomische Panel (SOEP).
17 Statistik der Deutschen Rentenversicherung – Versicherte 2015 18 Studie zur Wirkung des Pflege-Neuausrichtungs-Gesetzes (PNG) und des ersten Pflegestär-
kungsgesetzes (PSG I) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit 2017 19 Ebenda.
Bestandsaufnahme
23 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Pflege durch informelle Hilfskräfte/Haushaltshilfen
Viele Angehörige können oder wollen nicht selbst pflegen. Wenn ein Umzug ins Heim
abgelehnt wird, bleibt nur die Möglichkeit der professionellen Unterstützung. Diese wird
in erster Linie durch die ambulanten Pflegedienste abgedeckt. Zudem werden – vor dem
Hintergrund fehlender Kapazitäten bei den Pflegediensten im Rhein-Kreis Neuss – ver-
stärkt Vermittlungsagenturen für Pflegehelfer bzw. Haushaltshilfen in Anspruch genom-
men. Sofern eine Rundum-Versorgung gewünscht ist, wird vielfach auf osteuropäische
Hilfskräfte zurückgegriffen. Die Einstellung von deutschen Haushaltshilfen und Betreue-
rinnen ist aus finanziellen Gründen für viele Familien nicht darstellbar.
Mit der Einführung der Arbeitnehmerfreizügigkeit20 hat sich die Vermittlung deutlich ver-
einfacht. Sollten vorher osteuropäische Helfer beschäftig werden, musste dies über die
Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAF) abgewickelt werden, was häufig mit einer
langen Wartezeit einherging und nicht selten in einer illegalen Beschäftigung endete.
Nach Auskunft von Vermittlungsagenturen, die ihre Dienste im Rhein-Kreis Neuss anbie-
ten, sind die Nachfrage und auch die Vermittlungen in den letzten Jahren deutlich ge-
stiegen. Belastbare Zahlen für den Rhein-Kreis Neuss liegen jedoch nicht vor. Schätzun-
gen gehen davon aus, dass bis zu 400.000 osteuropäische Pflegehilfskräfte in Deutsch-
land leben.
3.5 Hospizdienste
Hospizdienste betreuen und begleiten Schwerstkranke und Sterbende. Sie unterstützen
Angehörige auch bei der Suche nach Angeboten der Palliativpflege und begleiten sie in
der Phase der Trauer. Unterstützt werden Hospizdienste dabei durch eine große Zahl von
ehrenamtlichen Helfern.
Palliative Pflege erfolgt oftmals in eigens dafür hergerichteten Stationen in Krankenhäu-
sern, wie beispielsweise in der Palliativstation am Johanna Etienne Krankenhaus in Neuss.
Im Rhein-Kreis Neuss gibt es zudem mit dem Augustinus Hospiz in Neuss und dem Ma-
rienheim-Hospiz in Kaarst ein Angebot von insgesamt 18 stationären Plätzen für
schwerstkranke und sterbende Menschen.
Hervorzuheben ist zudem Ambulante Palliativ-Zentrum Dormagen (APZ). Das APZ ist ein
auf die ambulante Palliativmedizin spezialisiertes Netzwerk, in dem derzeit 32 Ärzte und
Ärztinnen mitarbeiten. Das APZ kooperiert auf vertraglicher Grundlage hierbei mit den
örtlichen Palliativ-Pflegediensten sowie dem Hospiz. Darüber hinaus arbeitet das APZ mit
20 Seit Mai 2011 gilt für die 2004 beigetretenen EU-Mitgliedstaaten Polen, Ungarn, Tschechien,
Slowakei, Slowenien, Estland, Lettland und Litauen die uneingeschränkte Arbeitnehmerfreizügig-
keit, für die 2007 beigetretenen Mitgliedstaaten Rumänien und Bulgarien gilt diese seit Januar
2014, für das im Jahr 2013 beigetretene Kroatien seit 1. Juli 2015
Bestandsaufnahme
24 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
dem Krankenhaus, einer spezialisierten Apotheke und einer Psychologischen Psychothe-
rapeutin zusammen. Koordiniert wird das Netzwerk durch eine Palliativ-Pflegekraft.
Hospizarbeit findet zu einem großen Teil bei den Schwerstkranken und Sterbenden zu
Hause statt. Diese Aufgabe übernehmen im Rhein-Kreis Neuss sieben ambulante Hos-
pizdienste. Drei dieser Dienste befinden sich in Neuss und jeweils einer in Kaarst, Dor-
magen, Meerbusch und Grevenbroich. Im Einzelnen handelt es sich dabei um die folgen-
den ambulanten Hospizdienste:
○ Hospizbewegung Meerbusch e.V.
○ Diakonisches Werk der Ev. Kirchengem. in Neuss e.V.
○ Stiftung der Neusser Augustinerinnen – Cor unum
○ Initiative Schmetterling Neuss e.V.
○ JONA Hospizbewegung in der Region Grevenbroich e.V.
○ Hospizbewegung Dormagen e.V.
○ Hospizbewegung Kaarst e.V.
Bestandsaufnahme
25 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
3.6 Beratungsangebote und Netzwerke
Im Rhein-Kreis Neuss gibt es ein breites Spektrum an Beratungsangeboten. Im Folgen-
den werden die wichtigsten Angebote kurz vorgestellt:
Verbundsystem „Beratung über Hilfen im Alter“
Die Wohlfahrtsverbände (Diakonie, Caritas, AWO, DRK) bieten im Rhein-Kreis Neuss ein
dezentrales Beratungsangebot an. Durch das Verbundsystem „Beratung über Hilfen im
Alter“ wird in Kooperation mit dem Rhein-Kreis Neuss und den Wohlfahrtsverbänden
eine Beratung für Senioren und deren Angehörige in jeder Gemeinde des Kreises ermög-
licht.
Abbildung 11 Verbundsystem "Beratung über Hilfen im Alter"
Quelle: Rhein-Kreis Neuss
Bestandsaufnahme
26 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Das Ziel hierbei ist die Selbstständigkeit älterer Menschen in der Gesellschaft möglichst
zu erhalten. Die Beratung kann telefonisch, per Brief oder E-Mail, vor Ort in der Bera-
tungsstelle oder im Rahmen eines Hausbesuches erfolgen. Eine einheitliche Telefonhot-
line ist geschaltet, um Neukunden einen schnellen und einfachen Zugang zum Bera-
tungsnetz zu ermöglichen.
Im Arbeitskreis „Beratung über Hilfen im Alter, dem die Kreisverwaltung sowie je ein Ver-
treter der teilnehmenden Verbände angehören, werden Ziele und Inhalte der Beratung
abgestimmt. So konnte im Jahr 2008 das gemeinsame Qualitätshandbuch „Beratung
über Hilfen im Alter“, das verbindliche Standards für die Beratung festlegt, veröffentlicht
werden. Auf dieser Grundlage wird seit 2012 ein ergänzender Praxisleitfaden erstellt, der
fortlaufend an aktuelle Veränderungen angepasst wird und die Seniorenberater bei ihren
Tätigkeiten unterstützen soll.
Ein weiterer Austausch findet auf der einmal jährlich stattfindenden Seniorenberaterkon-
ferenz statt. Eine hohe Qualität der Beratung wird durch professionelles und qualifiziertes
Personal sichergestellt. Häufig werden die Ratsuchenden über viele Jahre begleitet.
Im Jahr 2016 verzeichnete das Verbundsystem „Beratung über Hilfen im Alter“ 3.091 Kli-
enten und eine insgesamt steigende Tendenz von Beratungsanfragen.21
Die Beratung umfasst:
○ Allgemeine Beratung und Information
○ Psychosoziale Beratung
○ Vermittlung von Dienstleistungen zur Sicherung der Haushaltsführung
○ Wohnen im Alter
○ Wohnraumberatung
○ Servicewohnen zu Hause
○ Altenwohnungen
○ Betreutes Wohnen
○ Stationäre Senioreneinrichtungen
○ Soziale Netzwerke im Alter
○ Gesundheit und Pflege im Alter
○ Demenz und Alter
○ Migration und Alter
Darüber hinaus werden die Ratsuchenden bei der Antragstellung (Pflegekassen/ Sozial-
amt) unterstützt.
21 Arbeitskreis Beratung über Hilfen im Alter, Jahresbericht 2016
Bestandsaufnahme
27 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Abbildung 12 Themenfelder bei Beratungsgesprächen „Beratungen über Hilfen im Alter“
Wohnberatungsagentur Rhein-Kreis Neuss
Neben dem dezentralen Verbundsystem „Beratung über Hilfen im Alter“ gibt es die
„Wohnberatungsagentur Rhein-Kreis Neuss“, die im Oktober 2011 in Trägerschaft des
Caritasverbandes und in Kooperation mit dem Rhein-Kreis Neuss gegründet wurde. Maß-
nahmen zur Wohnraumanpassung stehen im Fokus der Beratung. Die Wohnberatung
hilft, die Wohnsituation so zu gestalten, dass sie den vorhandenen Bedürfnissen und Fä-
higkeiten der Senioren angepasst wird. Die qualifizierten Wohnberater werden von einer
Architektin des Rhein-Kreises Neuss unterstützt und können somit eine ganzheitliche Be-
ratung anbieten. Sofern erforderlich wird auch Kontakt zum Vermieter aufgenommen,
um eine Anpassungsmöglichkeit zu eruieren. Eine Kooperation besteht beispielsweise
zum Neusser Bauverein AG - Gemeinnützige-Genossenschaft e.G. Neuss.
Im Jahr 2016 sind 288 Beratungsanfragen bei der Wohnberatungsagentur eingegangen.
Insgesamt verzeichnet die Wohnberatungsagentur im Rhein-Kreis Neuss eine Zunahme
von Beratungsanfragen (Steigerung um 11 % von 2015 im Vergleich zu 2016).22
Landesinitiative Demenz-Service
In Nordrhein-Westfalen gibt es mit der Landesinitiative Demenz-Service ein Beratungs-
format, das sich besonders mit den Bedürfnissen demenziell erkrankter Menschen aus-
einandersetzt. Im Rhein-Kreis Neuss betreibt die Diakonie-Neuss Süd mit dem Bera-
tungsbüro Erfttal eine entsprechende Kontaktstelle. Auch der Caritasverband Rhein-Kreis
Neuss bietet in Grevenbroich eine Senioren- und Demenzberatung an.
22 Wohnberatungsagentur Rhein-Kreis Neuss, Sachbericht zum Verwendungsnachweis 2016
6%
6%
7%
8%
9%
9%
11%
45%
Seniorenwohnung Demenz/Alzheimer
Ambulante Pflegedienste Informationsmaterial
Pflegeversicherung Leistungserschließende Beratung
Komplementäre Dienste Sonstiges
Quelle: Rhein-Kreis Neuss
Bestandsaufnahme
28 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Beratung durch Pflegekassen
Ein Anbieter von Beratungsangeboten für ältere Menschen sind auch die ansässigen Pfle-
gekassen. Die AOK Gesundheitskasse beschäftigt beispielsweise verschiedene Pflegebe-
raterteams, die als regionale Ansprechpartner für Fragen bezüglich der Pflegeversiche-
rung zur Verfügung stehen, aber auch die Hilfe bei der Pflege koordinieren. Zudem bietet
das Deutsche Rote Kreuz in Kaarst eine Beratung zur Pflegeversicherung an.
Außerdem gibt es im Rhein-Kreis Neuss vielfältige weitere Beratungsformate und Netz-
werke:
○ Seniorenforum der Stadt Neuss Im Seniorenforum wird eine wohnortnahe
und trägerunabhängige Pflegeberatung zu den Hilfen im Alter für den Rhein-
Kreis Neuss angeboten.
○ Lotsenpunkte in Neuss In Kooperation zwischen dem Bürgerhaus Erfttal und
der Pfarrgemeinschaft „Rund um die Erftmündung“ wurde ein Seniorennetzwerk
geschaffen, das „kurze Wege und schnelle Hilfen“ für ältere Menschen ermögli-
chen soll. Ehrenamtliche Helfer und hauptamtliche Fachkräfte ermitteln in per-
sönlichen Gesprächen den Hilfebedarf älterer Menschen und koordinieren be-
nötigte Angebote und Leistungen.
○ Die helfenden Hände Dormagen In Dormagen haben sich als Kooperations-
projekt vom Caritasverband, der Diakonie und der Stadtverwaltung die „Helfen-
den Hände“ zusammengefunden, die in ehrenamtlicher Arbeit vielfältige Unter-
stützungen unter anderem für ältere Menschen anbieten. Ziel ist es, das nach-
barschaftliche Zusammenleben zu stärken.
○ Beratungsbus – mobile Sozialberatung Der Beratungsbus ist ein Angebot für
Mieter der Neusser Bauverein AG. Nach einem festen Fahrplan steuert er 16
Standorte im Stadtgebiet an und bietet kostenlose Beratung und Informationen
zu Fragen im Alter an.
○ Netzwerk 55+ Im Rhein-Kreis Neuss finden sich unter Trägerschaft des Cari-
tasverbandes und den jeweiligen Kommunen Netzwerke von älteren Menschen
zusammen, die gemeinsame Aktivitäten durchführen und sich gegenseitig un-
terstützen. Entsprechende Begegnungsstätten gibt es beispielsweise in Neuss-
Mitte, Dormagen, Kaarst oder Jüchen.
○ Der Paritätische Der Paritätische fungiert im Rhein-Kreis Neuss als Dachver-
band und Plattform für rechtlich selbstständige, gemeinnützige Vereine und Ge-
sellschaften , die mit ihren Angeboten vielfältige soziale Hilfen für die Menschen
vor Ort bereit halten.
○ Alzheimer Gesellschaft Kreis Neuss/Nordrhein e.V. Als unabhängige Selbsthil-
feorganisation beraten und unterstützen hauptamtliche Mitarbeiter gezielt de-
menziell erkrankte Menschen und deren Angehörige.
○ St. Augustinus Memory Zentrum Neuss Das Memory-Zentrum in Neuss ist
eine weitere Anlaufstelle für Betroffene und Angehörige bezüglich des Themas
Bestandsaufnahme
29 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Demenz. Neben einer Beratung wird auch eine Gedächtnissprechstunde ange-
boten.
3.7 Barrierefreies/-armes Wohnen
Grundsätzlich ergibt sich der Bedarf an barrierefreien Wohnungen aus der Anzahl der
bewegungseingeschränkten Menschen. Üblicherweise unterscheidet man zwischen Bar-
rieren in der Wohnung, Barrieren im Haus- beziehungsweise Wohnungseingang und Bar-
rieren im Wohnumfeld. Standards zu barrierefreiem Bauen sind in der DIN 18040 defi-
niert und werden optional als Regelungen in die jeweiligen Landesbauordnungen über-
tragen.
Die Anzahl der barrierefreien Wohnungen im Rhein-Kreis Neuss ist statistisch nicht er-
fasst. Daher können auch über den Rhein-Kreis Neuss keine validen Aussagen über den
Gesamtbestand barrierefreier bzw. barrierearmer Wohnungen getroffen werden. Im Rah-
men der Wohnungsbedarfsanalyse für den Rhein-Kreis Neuss aus dem Jahr 2017 wurde
festgestellt, dass die großen Bestandshalter ihre Bestände teils angepasst haben bzw.
beim Neubau grundsätzlich barrierearme Wohnungen errichtet werden. Der Bauverein
Grevenbroich hat beispielsweise rund 300 barrierearme/-freie Wohnungen im Bestand,
der Bauverein Meerbusch hat alle Neubauvorhaben der letzten Jahre barrierefrei reali-
siert und von den 102 Wohnungen der Neusser Heimstätten Baugenossenschaft sind
etwa 40 Wohnungen barrierearm. Trotz der umgesetzten Maßnahmen betonen die
Marktakteure, dass es weder quantitativ noch qualitativ ausreichend altengerechten
Wohnraum im Kreisgebiet gibt.
3.8 Service-Wohnen
Der Begriff des Service-Wohnens ist in Nordrhein-Westfalen im Wohn- und Teilhabege-
setz (WTG) in Kapitel 3 §31f verankert. Demnach wird unter Servicewohnen (früher: "Be-
treutes Wohnen“) eine Wohnform für ältere Menschen verstanden, die in der Regel aus
einer Kombination von gemietetem Wohnraum und verschiedenen Serviceleistungen be-
steht. Der Bewohner lebt dabei selbständig in einer Mietwohnung, die auf die Bedürfnisse
älterer Menschen besonders zugeschnitten ist. Ein Teil der Serviceleistungen wird als
Grund- oder Standardleistungen bezeichnet. Diese Leistungen stehen jedem Bewohner
zur Verfügung. Für sie wird ein Betreuungszuschlag erhoben - und zwar unabhängig da-
von, ob diese Angebote genutzt werden. Für diese Leistungen wird in der Regel neben
dem Mietvertrag ein gesonderter Betreuungsvertrag geschlossen. Miet- und Betreu-
ungsvertrag sind beim Servicewohnen häufig miteinander gekoppelt.
Im Rhein-Kreis Neuss stehen in 18 Wohnanlagen mit erweiterten Serviceangeboten zur-
zeit 546 Apartments zur Verfügung. Die Service-Wohnanlagen verteilen sich über den
gesamten Kreis, lediglich in der Gemeinde Korschenbroich ist keine entsprechende Ein-
richtung vorhanden. In Korschenbroich-Zentrum befinden sich jedoch 17 Apartments mit
erweitertem Service-Angebot im Bau. Weitere Anlagen werden in Mönchengladbach,
Kaarst und Dormagen errichtet. In Planung sind außerdem Apartments der Maltester
Bestandsaufnahme
30 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Rhein-Ruhr gGmbH in Dormagen-Hackenbroich. In direkter Anbindung zum Malteser-
Stift Katharina sind neun der 20 geplanten Apartments für „jüngere Pflegebedürftige“
vorgesehen.
Abbildung 13 Angebot Service-Wohnen
Auffällig ist das hohe Angebot an Service-Wohnen in Meerbusch. Die hohe Kaufkraft
sowie die Nähe zu Düsseldorf machen den Standort für Anbieter von Service-Wohnen
attraktiv. Das große Angebot an Service-Wohnen scheint jedoch auch Einfluss auf die
Nachfrage nach Pflegeheimplätzen zu haben. So ist die Auslastungsquote der stationä-
ren Pflegeeinrichtungen (vgl. Kapitel 3.1) mit 92 % trotz einer hohen Anzahl von Hoch-
altrigen unterdurchschnittlich.
3.9 Alternative Wohnformen
Für hilfsbedürftige Senioren stehen neben der Betreuung zu Hause oder der Unterbrin-
gungen in einem Seniorenheim auch alternative Wohnformen im Alter zur Verfügung.
Dabei steht insbesondere der Wunsch im Mittelpunkt, den Lebensabend nicht allein ver-
bringen zu müssen. Alternative Wohnform für pflegebedürftige Menschen sind beispiels-
weise Seniorenwohngemeinschaften, bei denen ältere Menschen in der Regel über eine
eigene barrierefreie Wohnung verfügen, aber gleichzeitig Gemeinschaftseinrichtungen
im Haus genutzt werden können.
Im Rhein-Kreis Neuss gibt es u. a. fünf Wohngemeinschaften für den Bereich der Inten-
sivpflege. Davon entfallen auf den Bereich der Beatmungspflege drei und auf den Bereich
Pflege von Demenzkranken zwei Wohngemeinschaften.
85
119
62
35
179
30 36
37
25
170
20
40
60
80
100
120
140
160
180
200
Bestand in Planung
Bestandsaufnahme
31 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Ein weiterer Anbieter ist die Diakonie Neuss, die insgesamt vier Seniorenwohngemein-
schaften betreut. Davon richtet sich eine Seniorenwohngemeinschaft speziell an Men-
schen mit Demenz. Eine ständig anwesende Betreuungskraft unterstützt die Bewohner
im Alltag und ermöglicht so eine hohe Selbstständigkeit in einer Gemeinschaft.
3.10 Ehrenamtliches Engagement
Das Engagement der vielen ehrenamtlich tätigen Menschen im Bereich der Pflege und
Betreuung von Senioren aber auch der Gestaltung sozialer Aktivitäten und Netzwerke ist
unverzichtbar für die Möglichkeit zu einer selbstbestimmten Lebensführung im Alter. Eh-
renamtliches Engagement wirkt zudem als ein soziales Bindeglied in den Gemeinden.
Auch bei der Begleitung und Betreuung von Schwerstkranken und Sterbenden leisten
Ehrenamtliche einen wichtigen sozialen Beitrag (vgl. Kapitel 3.3.1. „Hospizdienste“).
Ehrenamtliche Helferinnen und Helfer sollen und dürfen nicht zur klassischen Pflege her-
angezogen werden. Aber sie können viele andere wichtige Tätigkeiten übernehmen.
Beispiele hierfür sind:
○ Spaziergänge und kleinere Einkäufe
○ Ausflüge
○ Musizieren
○ Vorlesen
○ Zeichnen und Malen
Die Organisation der ehrenamtlichen Helfer erfolgt in verschiedenen Netzwerken unter
Einbeziehung unterschiedlicher Institutionen. Zentrale Anlaufstelle für Freiwillige, aber
auch gemeinnützige Organisationen, die Tätigkeiten für Freiwillige anbieten, ist im
Rhein-Kreis Neuss die Freiwilligenzentrale Neuss. Sie wird gemeinsam vom Caritasver-
band Rhein-Kreis Neuss e.V. und dem Diakonischen Werk der Ev. Kirchengemeinden
Neuss e.V. getragen. Hier werden Bedarfe koordiniert und entsprechend verfügbare Ka-
pazitäten zugeteilt.
Ehrenamtliches Engagement ist keine Einbahnstraße. Für die Freiwilligen kann ein sozia-
les Engagement interessante Eindrücke vermitteln und Freude am Umgang mit anderen
Menschen bereiten. Trotzdem wird es nach Aussagen lokaler Akteure zunehmend wich-
tiger, eine aktive Pflege des ehrenamtlichen Netzwerkes zu betreiben. Von zentraler Be-
deutung ist dabei die Wertschätzung der ehrenamtlichen Tätigkeit. Die Stadt Neuss hat
beispielsweise eine Ehrenamtskarte für Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, ein-
geführt. Neben der symbolischen Anerkennung des freiwilligen Engagements kommen
die Helfer mit der Ehrenamtskarte auch in den Genuss von Vergünstigungen, beispiels-
weise bei der Nutzung von Kulturangeboten.
Wichtig ist zudem die Kenntnis darüber, in welchen Bereichen Hilfen benötigt und er-
wünscht sind. Funktionierende Strukturen sind neben der Freiwilligenzentrale Neuss bei-
spielsweise die „Freiwilligen Agentur Dormagen“ der Diakonie sowie die „Fachberatung
Bestandsaufnahme
32 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Gemeindecaritas“, die freiwillig Engagierte und hauptamtliche Kräfte in verschiedenen
sozialen Bereichen im Rhein-Kreis Neuss fördert und vernetzt.
Darüber hinaus gibt es zahlreiche Netzwerke und Projekte in denen sich ehrenamtliche
Helfer organisieren. Eines dieser Projekte ist das Netzwerk „Helfende Hände Dormagen“.
Bei dem 2014 gestarteten Projekt helfen Ehrenamtliche „Jung und Alt“, um eine schnelle
nachbarschaftliche Unterstützung bei verschiedenen Problemstellungen im Alltag zu er-
möglichen.
Zudem existieren im Rhein-Kreis Neuss weitere Netzwerke, die sich in ihren Angeboten
und Aktivitäten vor allem an Senioren richten. Ein Beispiel hierfür ist der Lotsenpunkt in
Neuss. Der Sozialdienst Katholischer Männer Neuss e.V. bietet in Form des Lotsenpunktes
in Neuss eine Anlauf- und Koordinationsstelle für Senioren aus der Umgebung an.
In Trägerschaft der Caritasverbandes Rhein-Kreises Neuss e.V. sind in Neuss, Dormagen,
Kaarst und Jüchen außerdem „Netzwerke 55 plus“ entstanden, die soziale Aktivitäten äl-
terer Menschen organisieren und durchführen und somit die gesellschaftliche Partizipa-
tion dieser Altersgruppen erleichtern.
Neben sozialen Netzwerken vor Ort bieten auch Begegnungsstätten Raum für soziale
Interaktion und gegenseitige Unterstützung. Beispiele hierfür sind die Begegnungsstätte
„MARIBU“ in der Marienburger Straße oder die Begegnungsstätte in der Friedrichsstraße
in Neuss. Das Mehrgenerationenhaus in Dormagen vermittelt verschiedene Beratungs-
und Betreuungsangebote und stärkt als Begegnungszentrum einen generationenüber-
greifenden Austausch und Zusammenhalt.
Für eine Verbesserung der Pflegerahmenbedingungen und Sicherung einer nachhaltigen
Finanzierung des Pflegesystems setzt sich das Pro-Pflege-Selbsthilfenetzwerk ein, wel-
ches sich als Interessensvertretung für pflegebedürftige und behinderte Menschen ver-
steht und der Selbsthilfe einen hohen Stellenwert zuordnet.
Die Vielzahl unterschiedlicher Organisationen und Netzwerke im Rhein-Kreis Neuss, die
unter Einbeziehung von ehrenamtlichem Engagement Angebote für ältere Menschen er-
möglichen, verdeutlicht das hohe Potenzial von Freiwilligenarbeit. Die langfristige Nutz-
barkeit dieser Potenziale hängt neben einer grundsätzlichen Bereitschaft sich ehrenamt-
lich zu engagieren auch von bestimmten Rahmenbedingungen ab.
Wichtig für die beteiligten Organisationen aber auch die Freiwilligen ist Planungssicher-
heit. Dies stellt für alle beteiligte eine Herausforderung dar. So ist auch ein Engagement
in Form eines Freiwilligen Sozialen Jahres zwar grundsätzlich begrüßenswert, entspricht
aufgrund von jährlichen Wechseln jedoch oftmals nicht den Wunsch nach einer kontinu-
ierlichen und planbaren Freiwilligenarbeit. Dies verdeutlicht den Bedarf an professionel-
len Strukturen zur Unterstützung und Koordination von ehrenamtlichen Helfern.
Bestandsaufnahme
33 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Eine weitere Herausforderung ist eine angemessene Qualifizierung von Ehrenamtlichen.
Im Rhein-Kreis Neuss bildet beispielsweise die Alzheimer Gesellschaft Kreis Neuss/Nord-
rhein e.V. ihre Freiwilligen mit Qualifizierungsmaßnahmen weiter. Auch Migranten könn-
ten verstärkt in die Freiwilligenarbeit vor Ort eingebunden werden.
Um einem Rückgang an freiwilligem Engagement vorzubeugen, ist eine kontinuierliche
Öffentlichkeitsarbeit erforderlich. Neben einer Anerkennung und Würdigung ehrenamt-
licher Arbeit können auch Instrumente wie die Ehrenamtskarte in Neuss dazu beitragen,
dass auch in Zukunft Menschen dazu bereit sind, sich freiwillig zu engagieren und einen
sozialen Beitrag zu leisten.
3.11 Planungen der angrenzenden Kreise bzw. kreisfreien Städte
Die Planungen und Neuentwicklungen von Pflegeplätzen in den angrenzenden Kreisen
beeinflussen auch die Nachfrage im Rhein-Kreis Neuss. Allein aufgrund der Lage des
Rhein-Kreises Neuss in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Großstädten Düsseldorf,
Mönchengladbach und Köln ergeben sich teils ausgeprägte Verflechtungen bzw. Wan-
derungsbeziehungen mit den Kommunen des Rhein-Kreises Neuss. Diese Verflechtun-
gen sind bei der Pflegebedarfsplanung zu berücksichtigen. Im Folgenden werden daher
die Planungen und Entwicklungen sowie der aktuelle Bestand an Pflegeplätzen in den
angrenzenden Kreisen und kreisfreien Städten beschrieben. Die Angaben beziehen sich
auf die verbindlichen kommunalen Pflegeplanungen und einer Abfrage zu Verantwortli-
chen in den jeweiligen Kreisen und kreisfreien Städten.
Krefeld
Die im Norden an den Rhein-Kreis Neuss angrenzende kreisfreie Stadt Krefeld plant ak-
tuell keine Kapazitätserweiterungen bestehender Einrichtungen. Allerdings sind im Be-
reich der stationären Pflege zwei neue Einrichtungen mit insgesamt 114 Plätzen geplant,
die sich in 10km bis 15km Entfernung zu der Stadt Kaarst befinden. Ergänzt werden die
Neuplanungen im Bereich der stationären Pflege von 36 neu geplanten Plätzen der Ta-
gespflege bis zum Jahr 2018, ebenfalls in unmittelbarer Nähe zu der Stadt Kaarst. Auf-
grund der 80 %-Regelung, der Verpflichtung zur Sicherstellung einer 80 %-Quote von
Einzelzimmern in stationären Pflegeeinrichtungen, fallen ca. 50 Plätze im stationären Be-
reich weg. Im aktuellen Bestand (Referenzjahr 2016) gibt es in Krefeld 2.101 stationäre
Pflegeplätze, 134 Plätze im Bereich der Tages- und Nachtpflege sowie 32 Kurzzeitpflege-
plätze.
Gemäß der Fortschreibung der verbindlichen Bedarfsplanung steht in Krefeld bis zum
Jahr 2020 einem Bedarf von 2.100 stationären Plätzen ein Angebot von 2.741 Plätzen
gegenüber. Im Bereich der stationären Pflege ist in Krefeld in den kommenden Jahren
demnach eher mit einem Überangebot zu rechnen.
Bestandsaufnahme
34 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Duisburg
Im Bereich der vollstationären Pflege ist in Duisburg zurzeit weder eine Über- noch eine
Unterversorgung zu beobachten. Ab 2020/21 geht die Tendenz aufgrund der Entwick-
lung der Anzahl an über 80-Jährigen in Richtung einer Überversorgung. Die Planungen
im Bereich der vollstationären Pflege in Duisburg sehen vor, drei neue Einrichtungen zu
errichten sowie zwei Einrichtungen abzureißen. In Summe ergeben sich damit 138 neue
stationäre Pflegeplätze, die sich in ca. 25km – 30km Entfernung zur Ortsmitte von Meer-
busch befinden. Die Tages- und Nachtpflege in Duisburg erhöht ihr Angebot an Pflege-
plätzen absehbar um 25 Plätze, ebenfalls in der Nähe zu Meerbusch. Lediglich sechs neue
Plätze sind im Bereich der Kurzzeitpflege in Planung. Der aktuelle Bestand (Referenzjahr
2017) in Duisburg beläuft sich auf 5.374 stationäre Pflegeplätze, 224 Plätze im Bereich
der Tages- und Nachtpflege sowie 395 Kurzzeitpflegeplätze.
Düsseldorf
Die Stadt Düsseldorf grenzt unmittelbar an Meerbusch, Neuss sowie Dormagen. In Bezug
auf mögliche Verflechtungen im Bereich der Pflegeplanung können die zukünftigen Ent-
wicklungen in Düsseldorf somit einen wichtigen Einfluss nehmen. Die Stadt Düsseldorf
rechnet bis 2025 mit einem Bedarf von ca. 1.200 neuen Pflegeplätzen. Bis zum Jahr 2018
ist durch Abrissmaßnahmen ein Wegfall von 305 stationären Pflegeplätzen sowie weite-
ren Pflegeplätzen aufgrund der 80 %-Regelung zu erwarten. Demgegenüber stehen drei
Neubauprojekte, die bis zum Jahr 2018 das Angebot an stationären Pflegeplätzen um
260 Plätze erweitern. Die Entwicklungen des Angebots an Pflegeplätzen in der Stadt Düs-
seldorf können unmittelbaren Einfluss auf die Stadt Neuss nehmen, da sich die neu ge-
planten Projekte in ca. 10km – 15km Entfernung zu Neuss befinden. Bemerkenswert sind
die Ausbau- oder Neubaumaßnahmen in neun Projekten im Bereich der teilstationären
Pflege, die das Angebot in diesem Segment um 174 Plätze erhöhen. Der absehbare Aus-
bau von Angeboten der Kurzzeitpflege beläuft sich auf 19 Plätze. Im Referenzjahr 2016
gibt es in Düsseldorf 5.122 stationäre Pflegeplätze, 194 Plätze im teilstationären Bereich
sowie 87 Kurzzeitpflegeplätze.
Köln
Für die Stadt Köln liegt zurzeit keine einsehbare Pflegeplanung vor. Verlässliche Zahlen
und Aussagen zu absehbaren Entwicklungen können daher an dieser Stelle nicht getrof-
fen werden.
Mönchengladbach
Im Westen des Rhein-Kreises Neuss grenzt die Stadt Mönchengladbach an Korschen-
broich und Jüchen. Abgeleitet aus Beratungsanfragen ist in Mönchengladbach ein ge-
steigertes Interesse diverser Träger an der Errichtung von Tagespflegeeinrichtungen zu
konstatieren. Bis zum Jahr 2020 ist kein weiterer Bedarf an stationären Pflegeeinrichtun-
gen abzusehen und auch die 80 %-Regelung wirkt sich kaum auf den Wegfall stationärer
Pflegeplätze aus, da der Anteil an Einzelzimmern ohnehin schon hoch ist. Außerdem ist
zu erwarten, dass neue Tagespflegeeinrichtungen den vollstationären Bereich entlasten
werden. Der aktuelle Bestand (Referenzjahr 2016) umfasst 2.521 stationäre Pflegeplätze,
144 Plätze im Bereich der Tages- und Nachtpflege sowie 155 Kurzzeitpflegeplätze.
Bestandsaufnahme
35 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Rhein-Erft-Kreis
Auf Grundlage des veralteten Pflegeberichts des Rhein-Erft-Kreises lassen sich keine Aus-
sagen zu zukünftigen Planungen und Bedarfen oder dem aktuellen Bestand an Pflege-
plätzen treffen. Der Rhein-Erft-Kreis beschäftigt sich zurzeit jedoch mit der Erstellung ei-
ner kommunalen Pflegebedarfsplanung.
Kreis Düren
Im Kreis Düren rechnet man mit einem zukünftig steigenden Bedarf in allen Bereichen
der Pflege. Einige neue Tagespflegeeinrichtungen befinden sich im Verfahren. Der Be-
stand im Referenzjahr 2015 umfasst 2.927 stationäre Pflegeplätze, 271 Plätze im Bereich
der Tages- und Nachtpflege sowie 161 Kurzzeitpflegeplätze.
Kreis Heinsberg
Im Westen des Rhein-Kreises Neuss grenzt der Kreis Heinsberg an Jüchen. Der Bestand
im Referenzjahr 2016 umfasst 2.814 stationäre Pflegeplätze, 368 Plätze im Bereich der
Tages- und Nachtpflege sowie 134 Kurzzeitpflegeplätze.
Kreis Viersen
Im Kreis Viersen liegt die Auslastungsquote nicht bei 100 %, wird aber als bedarfsde-
ckend bezeichnet. Dabei sind sowohl in allen Einrichtungstypen in den kommenden Jah-
ren Kapazitätserweiterungen in Vorbereitung als auch neue Pflegeeinrichtungen geplant.
Der Bestand im Referenzjahr 2014 umfasst 2.417 stationäre Pflegeplätze, 119 Plätze im
Bereich der Tages- und Nachtpflege sowie 171 Kurzzeitpflegeplätze.
Zusammenfassung
In den angrenzenden Kreisen und kreisfreien Städten zeigt sich ein heterogenes Bild.
Neben Kommunen, in denen sich Überkapazitäten im Bereich der stationären Pflege ab-
zeichnen bzw. diese bereits bestehen (Duisburg, Krefeld, Mönchengladbach, Kreis Heins-
berg), gibt es Städte und Kreise, die mit einem teils deutlichen Nachfrageanstieg rechnen
(Düsseldorf, Viersen, Düren). Insbesondere der hohe Nachfrageanstieg in Düsseldorf
könnte sich auf dem Rhein-Kreis Neuss auswirken. So ist bereits heute eine hohe Nach-
frage aus Düsseldorf in den Einrichtungen in Meerbusch, Neuss und Kaarst festzustellen
(vgl. Kap. 3.12). Allen angrenzenden Städten ist gemein, dass sie entweder die Kapazitä-
ten in der Tagespflege deutlich ausgebaut haben oder dies noch planen. Auch hier sticht
die Stadt Düsseldorf hervor, die insgesamt neun neue Einrichtungen plant.
3.12 Verflechtungen mit den angrenzenden Kreisen bzw. kreisfreien Städten
In den stationären Einrichtungen des Rhein-Kreises Neuss werden auch pflegebedürftige
Personen betreut, die über die Kreisgrenzen zugezogen sind. Eine Auswertung der Be-
fragung der stationären Heime zeigt, dass rund 77 % der Bewohner in den stationären
Einrichtungen im Rhein-Kreis Neuss aus dem Kreis stammen und dementsprechend rund
23 % ins Kreisgebiet zugezogen sind.
Bestandsaufnahme
36 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Zugleich wandern Personen aus dem Rhein-Kreis Neuss in Einrichtungen außerhalb des
Kreises ab. Zur Beantwortung der Frage, wie viele Pflegebedürftige außerhalb des Rhein-
Kreises Neuss leben, wurden Daten der Empfänger von Sozialleistungen, die stationär
gepflegt werden, ausgewertet. Demnach leben 196 der 1.177 Pflegebedürftigen, die So-
zialhilfeleistungen erhalten, außerhalb des Kreises23. Dies entspricht einem Anteil von
17 %. Damit stehen den 17 % fortziehenden 23 % zuziehende Pflegebedürftige gegen-
über.24 Im Ergebnis nimmt der Rhein-Kreis Neuss damit eine Versorgungsfunktion für die
umliegenden Kommunen ein.
Die Abbildung 14 und Abbildung 15 veranschaulichen die kommunalen Ergebnisse der
Befragung der stationären Pflegeeinrichtungen. Deutlich wird, dass der Anteil der Orts-
bzw. Kreisfremden in den Einrichtungen stark variiert. Während in Rommerskirchen le-
diglich knapp ein Drittel der Heimbewohner aus Rommerskirchen bzw. 54 % aus dem
Rhein-Kreis Neuss stammen, sind es in Neuss 75 % (Kommune) bzw. 86 % (Kreis) der
Heimbewohner.
Abbildung 14 Anteil der Kreisangehörigen in den stationären Pflegeeinrichtungen
Abbildung 15 Anteil der Einheimischen in den stationären Einrichtungen
23 Quelle: Rhein-Kreis Neuss Stand Juni 2017 – ohne Personen die ausschließlich Pflegewohngeld
erhalten 24 Annahme: Leistungsbezieher und Nichtleistungsbezieher weisen ein vergleichbares Wande-
rungsverhalten auf
74%89% 85%
80%69%
60%
86%
54%
77%
Quelle: ALP; Befragung im stationären Bereich
60%68%
60%52% 49% 47%
75%
31%
59%
Quelle: ALP; Befragung im stationären Bereich
Bestandsaufnahme
37 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Insbesondere in den stationären Pflegeinrichtungen in Meerbusch und Rommerskirchen
kommt ein überdurchschnittlich hoher Anteil der Pflegebedürftigen nicht aus dem Rhein-
Kreis Neuss, sondern ist zugezogen. Während Rommerskirchen insbesondere aus Pul-
heim und Köln Zuzüge verzeichnet (26 % der Heimbewohner), ist für Meerbusch die Nähe
zu Düsseldorf ausschlaggebend (vgl. Tabelle 2). So sind 18 % der Heimbewohner in
Meerbusch aus der angrenzenden Stadt Düsseldorf zugezogen.
Verflechtungen mit der im Westen an den Rhein-Kreis Neuss angrenzenden Stadt Mön-
chengladbach weisen hauptsächlich die Gemeinden Jüchen und Korschenbroich auf. In
den stationären Pflegeeinrichtungen dieser beiden Gemeinden stammen jeweils 10 % der
Pflegebedürftigen aus Mönchengladbach.
Tabelle 2 Verflechtungen mit angrenzenden Gemeinden25
Rang
1 2 3
Dormagen Köln Neuss Düsseldorf
Grevenbroich Neuss Rommerskirchen Jüchen
Jüchen Grevenbroich Mönchengladbach Neuss
Kaarst Neuss Düsseldorf Meerbusch
Korschenbroich Mönchengladbach Neuss Kaarst
Meerbusch Düsseldorf Neuss Krefeld
Neuss Düsseldorf Kaarst Dormagen
Rommerskirchen Pulheim Köln Dormagen
Ursächlich für den hohen Zuzug ist einerseits der Wohnort der Angehörigen. Viele Kinder
der Pflegebedürftigen sind aus den angrenzenden Großstädten in den Rhein-Kreis Neuss
gezogen, um hier Eigentum zu bilden. Der Suburbanisierung der 1970er und 1980er Jah-
ren folgt nun die Elterngeneration. Zudem sind nach Aussagen der lokalen Akteure auch
Preisunterschiede für das Wanderungsverhalten ausschlaggebend. So ist die Pflege in
Einrichtungen des Rhein-Kreises Neuss zum Teil günstiger als in Einrichtungen der an-
grenzenden Großstädte. Dies betrifft nach Aussagen von lokalen Akteuren insbesondere
die Kommunen im Düsseldorfer Einzugsgebiet (Neuss, Meerbusch, Kaarst).
25 Quelle: ALP; Befragung im stationären Bereich
Bestandsaufnahme
38 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Neben den Verflechtungen mit den umliegenden Kreisen und Gemeinden gibt es auch
ausgeprägte Verflechtungen zwischen den Gemeinden des Rhein-Kreises Neuss (vgl. Ab-
bildung 16). Den höchsten Anteil von ortsfremden Pflegebedürftigen aus Gemeinden des
Kreises weisen die Einrichtungen in Kaarst auf (28 %). Insbesondere aus Neuss sind viele
Pflegebedürftige nach Kaarst gezogen (vgl. Tabelle 2). Die Einrichtungen in der Gemeinde
Neuss ziehen nur wenige Pflegebedürftige aus den anderen Gemeinden des Rhein-Krei-
ses Neuss an. Lediglich 11 % der Pflegebedürftigen stammen aus den umliegenden Ge-
meinden des Kreises. Die Gemeinde Meerbusch hat zwar, wie beschrieben, ausgeprägte
Verflechtungen über die Kreisgrenzen hinaus, Verflechtungen mit anderen Gemeinden
im Rhein-Kreis Neuss sind dagegen weniger ausgeprägt. Nur rund 13 % der Pflegebe-
dürftigen in den stationären Pflegeeinrichtungen Meerbuschs sind aus anderen Gemein-
den des Rhein-Kreises Neuss zugezogen.
Abbildung 16 Anteil der innerhalb des Kreises Zugezogenen in den stationären Pflegeeinrich-
tungen
Verflechtungen nach Trägerschaft
Die Auswertung der Befragungsergebnisse zeigt, dass die privaten Träger der stationären
Pflegeeinrichtungen tendenziell einen größeren Einzugsbereich haben als die Einrichtun-
gen der Wohlfahrtsverbände. Während bei privaten Trägern rund 27 % der Pflegebedürf-
tigen von außerhalb des Kreises zugezogen sind, beläuft sich dieser Anteil bei Einrich-
tungen der Wohlfahrtsverbände auf rund 23 %. Die Einrichtungen in öffentlicher Hand
weisen mit 14 % einen geringen Anteil von Auswärtigen auf.
15%
21%
25%27%
20%
13%
11%
23%
Quelle: ALP; Befragung im stationären Bereich
Bestandsaufnahme
39 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Wanderungen der über 80-Jährigen
Verflechtungen lassen sich auch anhand des Wanderungsverhaltens der über 80-Jähri-
gen erkennen. Eine Auswertung der Wanderungen der über 80-Jährigen zwischen 2011
und 2015 zeigt, dass der Rhein-Kreis Neuss insgesamt einen leicht positiven Wande-
rungssaldo in der Altersgruppe der über 80-Jährigen aufweist. Auffällig ist, dass insbe-
sondre mit den Kommunen Nordrhein-Westfalens ein positiver Wanderungssaldo fest-
zustellen ist. Dies stützt die These, dass der Rhein-Kreis Neuss eine Versorgungsfunktion
für die angrenzenden Kreise und kreisfreien Städte übernimmt.
Auch auf kleinräumiger Ebene können Parallelen zu den Befragungsergebnissen bzw. zur
Belegungssituation (Bedeutung des Zuzugs/Anteil Ortsfremder) festgestellt werden (vgl.
Abbildung 17). Die Auswertung der Wanderungen der über 80-Jährigen zeigt, dass Dor-
magen in der Altersgruppe der über 80-Jährigen einen insgesamt positiven Wanderungs-
saldo aufweist.
In Meerbusch führt der starke Zuzug von über 80-Jährigen von außerhalb des Kreises zu
einem positiven Wanderungssaldo von etwa 30 Personen pro Jahr. Dies deckt sich mit
Ergebnissen der Bewohnerstruktur in den stationären Einrichtungen. So stammt ein ver-
gleichsweise hoher Anteil der Heimbewohner Dormagens aus Köln und ein hoher Anteil
der Heimbewohner Meerbuschs aus Düsseldorf.
Für Neuss ist eine gegensätzliche Entwicklung festzustellen. Neuss verliert sowohl an die
Kommunen des Rhein-Kreises Neuss als auch an die übrigen Gemeinden NRWs Einwoh-
ner in der Altersgruppe über 80 Jahre.
Abbildung 17 Durchschnittliches jährliches Wanderungssaldo der über 80-Jährigen
-80
-60
-40
-20
0
20
40
Do
rmag
en
Gre
ven
bro
ich
Jüch
en
Kaars
t
Ko
rsch
en
bro
ich
Meerb
usc
h
Neu
ss
Ro
mm
ers
kir
chen
Gemeindegrenze - Innhalb des Kreises Kreisgrenze - Innerhalb NRW Landesgrenze - In- und Ausland
Quelle: ALP; IT.NRW
Determinanten der Nachfrage nach Pflegeleistungen
40 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
4 Determinanten der Nachfrage nach Pflegeleistungen
4.1 Demographie
Die steigende Zahl der Pflegebedürftigen ist in erster Linie auf die Altersstruktur bzw. die
demographische Alterung der Bevölkerung zurückzuführen. Abbildung 18 zeigt, dass der
Anteil der Pflegebedürftigen mit zunehmendem Alter ansteigt. Während bei den 75- bis
80-Jährigen nur rund 10 % pflegebedürftig sind, beträgt der Anteil bei der Gruppe der
über 90-Jährigen 68 % und bei der weiblichen Bevölkerung sogar 72 %. Vor diesem Hin-
tergrund der demographischen Entwicklung steigt die Zahl der Menschen, die ein pfle-
gerelevantes Alter erreichen, kontinuierlich an. Allein von 2011 bis 2015 ist die Zahl der
über 80-Jährigen um 18 % und die Zahl der über 90-Jährigen um 27 % angestiegen.
Abbildung 18 Pflegequote differenziert nach Alter Rhein-Kreis Neuss
4.2 Informelles Pflegepotenzial
Das informelle Pflegepotential, bestehend aus den von Angehörigen und nahestehenden
Personen bereitgestellten Hilfenetzwerken, wird angesichts des Personalmangels in der
professionellen Pflege weiterhin eine bedeutende Funktion in der Pflege einnehmen
(müssen). Im Wesentlichen wird die informelle Pflege von Ehegatten/Partnern und Kin-
dern getragen. Eine besondere Rolle kommt dabei den Frauen zu, die derzeit die Haupt-
last der häuslichen/familiären Pflege leisten. Während Männer meist erst im hohen Alter
pflegerische Leistungen übernehmen (in der Regel Pflege der Ehepartnerin), tragen
Frauen bereits deutlich früher Verantwortung in der Pflege von Angehörigen. Sofern Kin-
der ihre Eltern pflegen, sind dies überwiegend die Frauen bzw. Töchter (vgl. Kap. 3.4.2).
Mit der Entscheidung nahe Angehörige zu pflegen, gehen oftmals hohe Belastungen ein-
her. Neben einer hohen physischen Belastung durch körperlich schwere Pflegeaufgaben,
Störungen des Nachtschlafs etc., besteht zudem eine hohe psychische Belastung. Rund
1% 2% 3%5%
10%
22%
41%
68%
1%5%
18%
32%
55%
24%
46%
72%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
55 bis unter
60
60 bis unter
65
65 bis unter
70
70 bis unter
75
75 bis unter
80
80 bis unter
85
85 bis unter
90
90 und älter
Insgesamt Männlich Weiblich
Determinanten der Nachfrage nach Pflegeleistungen
41 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
ein Drittel der pflegenden Angehörigen gaben in einer Umfrage des Forsa-Instituts für
den Verband der privaten Krankenkassen an, dass die Pflege sie in eine „depressive
Phase“ gebracht habe.26 Hintergründe sind u. a. eine allgemeine Überforderung sowie
Einschränkungen des Privatlebens. Besonders Personen, die Pflegebedürftige mit De-
menz betreuen, fühlen sich im Vergleich zu den anderen Pflegenden stärker belastet.
In welchem Umfang zukünftig auf das informelle Pflegepersonal zurückgegriffen werden
kann, ist unter anderem von folgenden Aspekten abhängig:
○ Entwicklung der Pflegebereitschaft – Bezüglich der Entwicklung der Pflegebe-
reitschaft bestehen bisher keine fundierten bzw. wissenschaftlich überprüften Er-
kenntnisse. Zwar gibt es immer wieder Meldungen, nachdenen die Pflegebereit-
schaft rückläufig ist, jedoch basieren diese meist auf Angaben von Personen, die
selbst noch nicht mit der Situation konfrontiert worden sind. Zu beobachten ist,
dass die Zahl der Personen, die Pflegegeld beziehen im Rhein-Kreis Neuss sowohl
absolut als auch relativ in den letzten 10 Jahren deutlich zugenommen hat. Wäh-
rend 2005 rund 5.350 Personen (54 % der Pflegebedürftigen) ausschließlich Leis-
tungen in Form des Pflegegeldes erhalten haben, sind es 2015 bereits 9.400 Per-
sonen (61 % der Pflegebedürftigen).
○ Mobilere Gesellschaft – Zugleich leben Eltern und Kinder heute deutlich seltener
am gleichen Ort, was die Pflege durch Angehörige erschwert. So belegen Studien,
dass Eltern weniger Unterstützung von den Kindern erhalten, die weiter entfernt
wohnen.27 Eine immer mobiler werdende Gesellschaft birgt somit das Risiko, dass
zukünftig die Kinder von Pflegebedürftigen in geringem Umfang zur Pflege bei-
tragen werden.
○ Entwicklung der Frauenerwerbstätigkeit - Die Erwerbstätigenquote der Frauen
in Deutschland hat in den letzten zwölf Jahren deutlich zugenommen. 2002 lag
sie noch bei 61,8 %, 2014 waren bereits 73 % der Frauen berufstätig (davon rund
50 % Teilzeitbeschäftigte). Die zunehmende Berufstätigkeit der Frauen schränkt
tendenziell die Möglichkeit der Pflege von Angehörigen ein. Allerdings geht mit
dieser Entwicklung nicht zwangsläufig eine Abnahme der informellen Pflege ein-
her. Vielmehr ist beobachten, dass zunehmend versucht wird, die Pflege und den
Beruf gleichzeitig auszuüben. Knapp zwei Drittel der privaten Hauptpflegeperso-
nen müssen im Alltag Pflege und Beruf vereinbaren, rund 30 Prozent arbeiten in
Vollzeit, rund 33 Prozent in Teilzeit oder auf Stundenbasis.28
26 www.pkv.de Meldung: Viele pflegende Angehörige kämpfen mit depressiven Phasen 27 Haberkern, Klaus (2009): Pflege in Europa. 28 AOK Pflege-Report 2016
Determinanten der Nachfrage nach Pflegeleistungen
42 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Zukünftig wird die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf eine größere Bedeutung
einnehmen. Zumindest dann, wenn auch jüngere Angehörige in die häusliche
Pflege integriert werden sollen. Die Einführung der Pflegezeit (und deren Akzep-
tanz) kann hierfür ein wesentlicher Baustein sein.
○ Familien- und Haushaltsstrukturen
Die Wahrscheinlichkeit, dass Pflegebedürftige von Angehörigen gepflegt werden
ist maßgeblich von der Haushaltsstruktur abhängig. So sind Singlehaushalte
deutlich häufiger auf eine professionelle Pflege angewiesen. Der Lebenspartner,
der häufig die Voraussetzung für eine häusliche Pflege ist, steht in diesem Fall
nicht zur Verfügung. Bei der Betrachtung demographischer Trends sind diesbe-
züglich zwei Aspekte mit unterschiedlicher Wirkungsrichtung von Bedeutung.
○ Einerseits hat sich die Lebenserwartung von Männern und Frauen ange-
nähert. In der Konsequenz leben ältere Paare heute länger gemeinsam
zusammen als die früheren Generationen.
○ Andererseits ist ein Rückgang der Eheschließungen sowie steigende
Scheidungsraten zu beobachten. Dies macht einen Anstieg der Einperso-
nenhaushalte bei den über 60-Jährigen wahrscheinlicher, was wiederum
das familiäre Unterstützungspotential schmälert.
4.3 Angebotsstruktur
Einen wesentlichen Einfluss auf die Nachfrage nach Pflegedienstleistungen hat das An-
gebot selbst. Untersuchungen zu diesem Thema zeigen, dass die regionalen Unterschiede
des Versorgungsarrangements hochgradig mit der Angebotsstruktur korrelieren. Dement-
sprechend werden anteilig mehr Pflegebedürftige stationär versorgt, wenn die Anzahl der
zur Verfügung stehenden Heimplätze pro 100 Pflegebedürftige höher liegt, bzw. mehr Pfle-
gebedürftige durch ambulante Pflegedienste versorgt, wenn die Anzahl der zur Verfügung
stehenden Vollzeitäquivalente in den ambulanten Pflegediensten höher liegt29. Freie Heim-
kapazitäten führen in der Tendenz damit zu einer stärkeren Inanspruchnahme dieser Inf-
rastruktur.
Im Rhein-Kreis-Neuss ist ein ähnlicher Effekt aufgrund eines Angebotsdefizits zu be-
obachten. So kann die Nachfrage nach einer professionellen ambulanten Pflege derzeit
nicht gedeckt werden. Eine Angebotsausweitung würde im ambulanten Pflegesegment
vom Markt sofort absorbiert. Dies ist derzeit aufgrund des Personalmangels nicht mög-
lich. In der Konsequenz werden verstärkt alternative (informelle) Angebote, wie beispiels-
weise Haushaltshilfen, vorzugsweise aus dem osteuropäischen Raum, in Anspruch ge-
nommen.
29 BARMER GEK Pflegereport 2016
Determinanten der Nachfrage nach Pflegeleistungen
43 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
4.4 Rechtliche Rahmenbedingungen
Rechtliche Rahmenbedingungen haben sowohl auf Struktur als auch auf die Pflegeprä-
valenzen einen erheblichen Einfluss. So sind die Pflegeprävalenzen im Zuge der Pflegere-
formen und den damit einhergehenden Leistungs- und Angebotsausweitungen deutlich
gestiegen. Die Leistungsausweitungen wirken dabei insbesondere auf die Pflegestufe 1
bzw. die heutigen Pflegegrade 1 und 2. Zwar beziehen sich die Leistungsausweitungen
insbesondere auf die ambulante Versorgung bzw. auf die ehemalige Pflegestufe „0“ al-
lerdings haben die Leistungsausweitung zu einer gestiegenen Zahl an Begutachtungen
geführt, die in der Folge auch zu einer Erhöhung der positiven Begutachtungen bei der
Pflegestufe 1 geführt haben.30
Gleichzeitig sind mit den Angebotsausweitungen in der ambulanten Pflege Verschiebun-
gen von einer stationären hin zu einer ambulanten Pflege zu beobachten. Weitere Effekte
könnte beispielsweise die Einführung der Pflegezeit auf die Versorgungsstrukturen ha-
ben. So wird es mit der Einführung der Pflegezeit zukünftig einfacher für einen gewissen
Zeitraum ganz oder zumindest teilweise aus dem Beruf auszusteigen und nahe Angehö-
rige zu versorgen.
30 Barmer GEK Pflegereport 2016
Nachfrageentwicklung und Pflegequoten
44 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
5 Nachfrageentwicklung und Pflegequoten
5.1 Altersstruktur der Bevölkerung
Im Jahr 2015 lebten im Rhein-Kreis-Neuss über 450.000 Einwohner/-innen. Die Zahl der
Einwohner hat sich in den letzten Jahren positiv entwickelt. Seit 2011 stieg die Einwoh-
nerzahl um rund 12.300 Personen oder knapp 3 % an.
Hinsichtlich der Altersstruktur sind bereits in den letzten 10 Jahren große Veränderungen
zu beobachten. Insbesondere in den für die Pflege relevanten Altersgruppen ist ein deut-
licher Anstieg der Bevölkerung festzustellen. So stieg die Zahl der über 90-Jährigen um
26 %, die Zahl der 80- bis 90-Jährigen um 35 % und die Zahl der 70- bis 80-Jährigen um
18 %. In absoluten Zahlen stieg die Zahl der über 70-Jährigen damit um knapp 17.000
Personen. Ein Rückgang ist hingegen in der Altersgruppe der 60- bis 70-Jährigen festzu-
stellen (-8 %). Hintergrund sind die geburtenschwachen Jahrgänge in der Folge des 2.
Weltkriegs, die in den letzten 10 Jahren diese Altersgruppe erreicht haben.
Auf Ebene der Gemeinden verzeichnen die Städte Dormagen (+ 28 %) und Kaarst (+33 %)
in den letzten 10 Jahren den stärksten Anstieg bei der Gruppe der über 70-Jährigen.
Kaarst weist dabei mit 19 % den insgesamt höchsten Anteil von über 70-Jährigen im
Kreisgebiet auf (Rhein-Kreis Neuss = 16 %).
Weitere gemeindebezogene Daten können den Kommunalprofilen in Kapitel 7 entnom-
men werden.
Abbildung 19 Altersstruktur 2005 bis 2015
Quelle: IT.NRW
Nachfrageentwicklung und Pflegequoten
45 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Abbildung 20 Alterspyramide 2015
5.2 Struktur der Pflegebedürftigen
Die Erhebung für die Statistik der Empfänger von Pflegegeldleistungen wird seit 1999 im
Abstand von zwei Jahren durchgeführt. Danach waren am 15.12.2015 im Rhein-Kreis
Neuss 15.459 Personen pflegebedürftig. Davon erhielten rund 61 % oder rund 9.414 Per-
sonen Pflegegeld, weitere 16 % (2.469 Personen) wurden durch ambulante Pflegedienste
versorgt und 23 % wurden stationär versorgt. Hinzu kommen 15 pflegebedürftige Perso-
nen, die noch keiner Pflegestufe zugeordnet wurden und 738 Personen ohne Pflegestufe,
aber mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz (die sogenannte „Pflegestufe 0“).
Der Anteil der Frauen liegt bei knapp zwei Drittel (64 %) der Pflegebedürftigen im Jahr
2015 (sowohl im Rhein-Kreis Neuss als auch in NRW). Der höhere Anteil weiblicher Per-
sonen lässt sich vor allem mit der höheren Lebenserwartung der Frauen erklären.
Nachfrageentwicklung und Pflegequoten
46 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Abbildung 21 Struktur der Pflegebedürftigen - Vergleich mit NRW – Stand 2015
Der Vergleich mit der Struktur der Pflegebedürftigen in NRW zeigt deutliche Unter-
schiede. Der Rhein-Kreis Neuss weist einen höheren Anteil von Pflegegeldbeziehern und
einen vergleichsweise geringen Anteil von Pflegebedürftigen, die stationär versorgt wer-
den, auf. Während im Rhein-Kreis Neuss 61 % der Pflegebedürftigen ausschließlich Leis-
tungen in Form des Pflegegelds erhalten, sind es in NRW nur 50 %. Entsprechend höher
ist in NRW der Anteil der Personen, die ambulant bzw. stationär versorgt werden (vgl.
Abbildung 21). Mögliche Ursachen sind:
○ sozialstrukturelle Aspekte, wie vergleichsweise starke familiäre Bindungen im Ver-
gleich zu eher großstädtischen Milieus
○ sowie wie die relativ hohen Haushaltseinkommen im Rhein-Kreis Neuss
Der Vergleich der weiblichen und männlichen Pflegebedürftigen im Rhein-Kreis Neuss
zeigt, dass der Anteil der Pflegegeldbezieher bei den männlichen Pflegebedürftigen mit
69 % im Vergleich zu den weiblichen Pflegebedürftigen mit 57 % deutlich höher ist. Hin-
tergrund ist wohl, dass Männer oft von Frauen gepflegt werden, während Frauen auf-
grund ihrer längeren Lebenserwartung oft keinen Partner haben, der sie pflegerisch ver-
sorgen könnte. Entsprechend höher ist der Anteil der Frauen die stationär bzw. ambulant
versorgt werden.
Hinsichtlich des Schweregrads der Pflegebedürftigkeit gibt es nur geringe Unterschiede
zwischen dem Rhein-Kreis Neuss und NRW. In NRW sind 58 % und im Rhein-Kreis Neuss
57 % der Pflegebedürftigen in Pflegestufe I, gefolgt von jeweils rund 30 % in Pflege-
stufe II und 11 % (NRW) bzw. 12 % (RKN) in Pflegestufe III.
Auf Basis der Befragung der Einrichtungen und Pflegedienste durch ALP konnte unter
anderem auch der Anteil der demenziell Erkrankten (PeA) erhoben werden. Im Ergebnis
sind rund 68 % der Pflegebedürftigen in stationären Einrichtungen demenziell erkrankt.
Noch höher ist der Anteil in den teilstationären Einrichtungen (Tagespflege). Hier sind
sogar mehr als Dreiviertel der Tagespflegegäste demenziell erkrankt.
Nachfrageentwicklung und Pflegequoten
47 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Im professionellen ambulanten Bereich ist der Anteil dagegen mit 28 % deutlich niedri-
ger. Erwartungsgemäß ist der Anteil der Personen mit einem hohen Pflegegrad sowie der
Anteil der Hochaltrigen in stationären Einrichtungen deutlich höher als im ambulanten
Bereich.
Tabelle 3 Struktur der Pflegebedürftigen
Stationär* Teilstatio-
när*
Ambulant*
professio-
nell
Ambu-
lant**
Pflegegeld
Anteil Frauen 75 % 51 % 66 % 59 %
Anteil demenziell Erkrankter
(PeA) 68 % 77 % 28 % k.A.
Anteil Pflegegrad vier und fünf 50 % 45 % 17 % k.A.
Anteil über 90-Jähriger 29 % 14 % 19 % 10 %
Anteil unter 65-Jähriger 3 % 3 % 10 % 22 %
Anteil Vertragsverhältnisse 2
Jahre und länger 51 % 21 % 35 % entfällt
* Quelle: Befragung der Einrichtungen/Pflegedienste
** Quelle: Pflegestatistik
5.3 Entwicklung der Pflegebedürftigen
Von 2009 bis 2015 ist die Zahl der Pflegebedürftigen um 42 % oder 4.545 Personen an-
gestiegen. Insgesamt verteilt sich der Anstieg auf die einzelnen Pflegestufen vergleichs-
weise gleichförmig. Mit 45 % ist der Anstieg der Pflegebedürftigen der Pflegestufe 1
leicht erhöht. Hintergrund sind unter anderem die gesetzlichen Änderungen und die da-
mit einhergehenden höheren Antragszahlen. Der Anstieg bei den Pflegebedürftigen der
Pflegestufen 2 und 3 liegt bei 37 % bzw. 41 %.
Das starke Wachstum der Pflegebedürftigen wird insbesondere durch die informelle
häusliche Pflege aufgefangen. Während der Anstieg in der ambulanten und stationären
Pflege von 2009 bis 2015 mit rund 19 % vergleichsweise moderat ausfällt, ist die Zahl der
Pflegegeldempfänger um 61 % angestiegen. Das starke Wachstum wird dementspre-
chend insbesondere durch pflegende Angehörige aufgefangen.
Nachfrageentwicklung und Pflegequoten
48 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Abbildung 22 Entwicklung der Zahl der Pflegebedürftigen 2009 bis 2015
5.4 Entwicklung der Pflegeprävalenzen
Entwicklung der Prävalenzen differenziert nach Pflegestufen
Die Auswertung altersspezifischer Prävalenzen für den Rhein-Kreis Neuss zeigt eine deut-
liche Steigerung der Leistungsberechtigten der Pflegestufe 1 in den letzten 10 Jahren. In
allen Altersklassen ist eine deutliche Zunahme der Prävalenzen zu beobachten. Abbil-
dung 23 zeigt die indexierten Pflegeprävalenzen nach Altersgruppen für die Pflegestufe
1. Ein Anstieg um 30 Punkte wie bei der Gruppe der 85- bis 90-Jährigen bedeutet, dass
die Wahrscheinlichkeit, dass ein 85 bis 90-Jähriger Leistungen der Pflegestufe 1 in An-
spruch nimmt, um 30 % gestiegen ist.
Abbildung 23 Prävalenz der Leistungsberechtigung Pflegestufe 1 2009 bis 2015 – im Rhein-Kreis
Neuss (Index)
90
100
110
120
130
140
2009 2011 2013 2015
70 bis unter 75
75 bis unter 80
80 bis unter 85
85 bis unter 90
90 und älter
Quelle: ALP; IT.NRW
Nachfrageentwicklung und Pflegequoten
49 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Nochmals deutlich höher ist die Zunahme der Leistungsberechtigten in der Pflegestufe
„0“. Von 2013 bis 2015 stieg die Zahl der Leistungsberechtigten um 72 % auf 738 Perso-
nen. Die Pflegestufe „0“ und 1 sind dabei im besonderem Maße von den Reformmaß-
nahmen der letzten Jahre betroffen. Pflegestufe "0" weil sie primäres Ziel der Leistungs-
verbesserungen ist und Pflegestufe I, weil einige der Antragsteller, die einen Antrag auf
Begutachtung vor allem stellen, weil sie die Leistungen für Pflegestufe "0" in Anspruch neh-
men wollen, im Ergebnis dann doch in Pflegestufe I eingestuft werden und so die (alters-
spezifischen) Prävalenzen für diese Pflegestufe erhöhen.31
Bei den Leistungsberechtigten der Pflegestufen 2 und 3 sind insgesamt nur leichte Stei-
gerungen der Prävalenzen zu beobachten. Eine nach Geschlechtern differenzierte Be-
trachtung zeigt jedoch, dass die Steigerungen insbesondere auf die Gruppe der Männer
zurückzuführen sind. Hintergrund könnte die steigende Lebenserwartung der Männer
sein. So erreichen Männer zunehmend ein Alter, in dem physische und psychische Er-
krankungen stark zunehmen.
Entwicklung der Prävalenzen differenziert nach Pflegeform
Besonders hohe Steigerungsraten der Prävalenzen gibt es in den letzten Jahren im Bezug
von Pflegegeld. Hintergrund ist zum einen die Erweiterung des Leistungsspektrums der
Pflegeversicherung (u.a. Ausweitung der Verhinderungs- bzw. Kurzzeitpflege) und zum
anderen die Erhöhung der Leistungsbeträge für Pflegegeld und Pflegesachleistungen für
Personen mit eingeschränkter Alltagskompetenz in Pflegestufe 1 und 2.
Ein entgegengesetztes Bild zeigt sich bei der Inanspruchnahme von Leistungen der sta-
tionären Pflege. Hier sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass Personen Leistungen in Anspruch
nehmen in den einzelnen Altersgruppen. Bezogen auf die professionelle ambulante
Pflege sind hingegen tendenziell stabile Prävalenzen festzustellen. Diesbezüglich muss
jedoch darauf hingewiesen werden, dass es einen vergleichsweise hohen Nachfrageüber-
hang gibt und die ambulanten Pflegedienstleister aufgrund des Fachkräftemangels der-
zeit kaum in der Lage sind ihre Kapazitäten auszuweiten.
31 Barmer GEK Pflegereport 2016
Nachfrageentwicklung und Pflegequoten
50 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Zwischenfazit
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Prävalenzen bereits die ge-
wünschten und aufgrund der Leistungsausweitungen der Pflegeversicherung im ambu-
lanten Bereich zu erwartenden Verschiebungen von der stationären zur ambulanten
Pflege abbildet. Zudem wird deutlich, dass es durchaus Steuerungsmöglichkeiten durch
neue Anreizsysteme gibt und die pflegerische Versorgung nicht allein von den persönli-
chen Umständen der Pflegebedürftigen abhängig ist. Zugleich bestätigt die Entwicklung
der letzten Jahre, dass neben der demographischen Entwicklung auch gesetzliche Ände-
rungen und die damit einhergehenden Leistungsanpassungen die Pflegewahrscheinlich-
keiten beeinflussen.
5.5 Bevölkerungsprognose
Grundlage für die Abschätzung des zukünftigen Pflegebedarfs ist die Erstellung einer
Bevölkerungsprognose. Auf Basis der amtlichen Einwohnerzahlen sowie der Analyse der
Geburten, Sterbefälle und Wanderungen der letzten fünf Jahre hat ALP eine Bevölke-
rungsprognose auf Gemeindeebene erstellt. Es wurde dabei unterstellt, dass die Kom-
munen des Rhein-Kreises Neuss auch zukünftig einen positiven Wanderungssaldo auf-
weisen.
Im Folgenden wird auf die Entwicklung des Gesamtkreises eingegangen. Gemeindebe-
zogene Ergebnisse können den Kommunalprofilen in Kapitel 7 entnommen werden.
Entwicklung im Rhein-Kreis Neuss
Insbesondere in den nächsten 10 Jahren wird die Zahl der Einwohner im Rhein-Kreis
Neuss weiter steigen. ALP geht davon aus, dass die Einwohnerzahl von 2015 bis 2025 um
rund 2,1 % oder etwa 17.300 Personen zunehmen wird. Von 2025 bis 2030 wird eine
Abb. 24 Prävalenz des Bezugs von Pflegegeld
2009 bis 2015 im Rhein-Kreis Neuss (Index)
Abb. 25 Prävalenz stationäre Pflege 2009 bis
2015 – im Rhein-Kreis Neuss (Index)
90
100
110
120
130
140
150
2009 2011 2013 2015
70 bis unter 75 75 bis unter 80
80 bis unter 85 85 bis unter 90
90 und älter
80
85
90
95
100
105
110
2009 2011 2013 2015
80 bis unter 85 85 bis unter 90
90 und älter
Quelle: ALP; IT.NRW
Nachfrageentwicklung und Pflegequoten
51 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
stabile Entwicklung erwartet. Ab 2030 wird die Bevölkerungszahl tendenziell abnehmen.
Hintergrund ist das wachsende Geburtendefizit, das nicht mehr durch Wanderungsge-
winne kompensiert werden kann. Die geburtenstarken Jahrgänge, die heute im mittleren
Alter sind, rücken im Prognosezeitraum in ein hohes Alter mit einer höheren Sterblichkeit
auf.
Abbildung 26 Bevölkerungsprognose Rhein-Kreis Neuss
Für die Prognose des zukünftigen Pflegebedarfs ist jedoch die Entwicklung der Gesamt-
bevölkerung zweitrangig. Entscheidend ist die Entwicklung der älteren bzw. der hochalt-
rigen Einwohner. Abbildung 27 zeigt die Prognose der über 70-Jährigen bis zum Jahr
2040. Insbesondere zwei Aspekte sind dabei von Bedeutung. Erstens steigt die Zahl der
über 70-Jährigen deutlich stärker an als die Gesamtbevölkerung und zweites wird deut-
lich, dass etwa ab 2025 das Wachstum weiter an Dynamik gewinnt. Konkret wird die Zahl
der über 70-Jährigen bis 2025 um rund 8 %, bis 2030 um rund 15 % und bis 2040 um
37 % ansteigen (Basisjahr = 2017). Ein besonders starker Anstieg wird bei der Gruppe der
80- bis 90-Jährigen und bei den über 90-Jährigen, die das Gros der Pflegebedürftigen
stellen, erwartet. Die Zahl der über 80 bis 90-Jährigen wird allein bis 2025 um 26 % und
die der über 90-Jährigen um 71 % ansteigen.
Nachfrageentwicklung und Pflegequoten
52 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Abbildung 27 Bevölkerungsprognose der über 70-Jährigen - Rhein-Kreis Neuss
5.6 Entwicklung des Pflegepotenzials
Der Anstieg der Pflegefälle wird auch zu einer höheren Nachfrage nach Pflegenden füh-
ren. Dies gilt für die professionelle ambulante wie auch für die informelle häusliche Pflege
durch Angehörige. Bei Letzterem übernehmen Mitmenschen aus der näheren Umgebung
(Familie, Nachbarschaft, Freunde) mehr oder weniger große Anteile der Pflegeleistung.
Stehen diese Mitmenschen für einen Pflegebedürftigen nicht zur Verfügung, kann in vie-
len Fällen eine häusliche Pflege nicht länger aufrechterhalten werden.
5.6.1 Informelles Pflegepotenzial
Koppelt man die Alters- und Geschlechtsstruktur der pflegenden Mitmenschen (vgl. Ab-
bildung 10) mit der Bevölkerungsprognose, so lässt sich eine Aussage über die Entwick-
lung des so genannten informellen Pflegepotenzials treffen.
Zu berücksichtigen ist, dass der Umfang der potenziell leistbaren Pflege unter anderem
von physischen Konstitution als auch von beruflichen Verpflichtungen abhängig ist. Bei-
spielsweise können Menschen, die selbst körperlich eingeschränkt sind bestimmte pfle-
gerische Aufgaben nicht oder nur teilweise übernehmen. Ferner können beruflich stark
eingebundene Personen die Pflege von Angehörigen nicht oder nur teilweise überneh-
men. Diese Aspekte wurden bei der Prognose des informellen Pflegepotenzials nicht be-
rücksichtigt. Dargestellt wird damit allein der demographische Einfluss auf die Entwick-
lung des informellen Pflegepotenzials.
Aufgrund der insgesamt positiven Bevölkerungsentwicklung sowie der vergleichsweise
hohen Anzahl von Personen, die auch im höheren Alter Angehörige pflegen, ist (entge-
gen der Entwicklung in vielen anderen Kreisen und kreisfreien Städten) kein Rückgang,
sondern ein leichter Anstieg des informellen Pflegepotenzials zu erwarten. Bis zum Jahr
2030 steigt das informelle Pflegepotenzial um rund 4 %. Unter der Voraussetzung, dass
Quelle: ALP, IT.NRW
Nachfrageentwicklung und Pflegequoten
53 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
die Struktur der Pflegenden in etwa mit der Struktur der Pflegenden in Gesamtdeutsch-
land übereinstimmt werden im Jahr 2030 rund 22.000 Personen im Rhein-Kreis Neuss in
die Pflege der Angehörigen eingebunden sein. Bis 2040 wird sich das informelle Pflege-
potenzial leicht reduzieren. Der Anstieg des informellen Pflegepotenzials wird jedoch
deutlich hinter dem Anstieg der Pflegebedürftigen zurückbleiben (vgl. Kap. 6). Um das
heutige Niveau der informellen Pflege auch zukünftig aufrechtzuerhalten, wäre ein deut-
lich höherer Einsatz aus dem Personenkreis der Angehörigen erforderlich.
Abbildung 28 Entwicklung des informellen Pflege
5.6.2 Formelles Pflegepotenzial
Der Anstieg der Zahl der Pflegebedürftigen (vgl. Kap. 6.1) führt zu einem erhöhten Bedarf
an professionellem Pflegepersonal (vgl. Kap. 8). Wird unterstellt, dass der Anteil der Er-
werbstätigen in der Pflege an allen Erwerbstätigen konstant bleibt, reduziert sich das Ar-
beitskräfteangebot in der Pflege aufgrund des demographisch bedingten Rückgangs des
Erwerbspersonenpotentials. So wird die Zahl der 18 bis 65-Jährigen bis 2030 im Rhein-
Kreis Neuss um rund 5 % und bis 2040 um rund 8 % zurückgehen.
In Folge der Zunahme der Zahl der Pflegebedürftigen bei gleichzeitigem Rückgang der
Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter wird – unter Beibehaltung des heutigen Versor-
gungsniveaus – eine deutliche Versorgungslücke entstehen.
Pflegebedarfsprognose
54 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
6 Pflegebedarfsprognose
Grundlage für die Ableitung des zukünftigen Pflegebedarfs ist die in Kap 5.5 dargestellte
Bevölkerungsprognose. Neben der demographischen Entwicklung ist für die Ableitung
des zukünftigen Pflegebedarfs die Entwicklung der Pflegeprävalenzen differenziert nach
Pflegeform von Bedeutung.
Im Rahmen der Prognose hat ALP mögliche Entwicklungen auf Basis von vier Szenarien
dargestellt.
○ Basisszenario
○ Szenario Gesundheit
○ Szenario Ambulantisierung
○ Szenario Professionalisierung
Bezüglich der Gesamtzahl der Pflegebedürftigen unterscheidet sich nur das Szenario Ge-
sundheit vom Basisszenario. Die Szenarien Ambulantisierung und Professionalisierung un-
terscheiden sich vom Basisszenario nur hinsichtlich der Versorgungsform, die Zahl der
Pflegebedürftigen bleibt gegenüber dem Basisszenario unverändert.
Hinsichtlich der Berechnungen zum Pflegegrad 1 ist zu beachten, dass hier nur eine
grobe Abschätzung erfolgen kann, da bisher keine belastbaren Erhebungen stattgefun-
den haben bzw. viele Anträge noch nicht abschließend bearbeitet wurden.
Darüber hinaus erfolgt eine Überführung der ehemaligen Pflegestufen nach den Pflege-
graden. Für die Überführung ist eine Aufteilung der Leistungsempfänger nicht nur nach
Pflegestufen, sondern auch nach dem Vorliegen einer erheblich eingeschränkten Alltags-
kompetenz erforderlich. In der amtlichen Pflegestatistik erfolgt diese Differenzierung
nicht. Es wird lediglich die Zahl der Personen ohne Pflegestufe mit eingeschränkter All-
tagskompetenz ausgewiesen. Die Aufteilung erfolgt deshalb anhand der im Rahmen der
Untersuchung durchgeführten Befragungsergebnisse bei den ambulanten Pflegediens-
ten und den stationären Einrichtungen. Folgende Quoten wurden angesetzt:
Tabelle 4 – Quoten - Personen mit eingeschränkte Alltagskompetenz (PeA) nach Pflegestufen
Anteil PeA
Stationär
Anteil PeA- Ambulant
Pflegestufe 1 48 % 17 %
Pflegestufe 2 70 % 35 %
Pflegestufe 3 94 % 53 %
Pflegebedarfsprognose
55 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Zu berücksichtigen ist, dass die Unterschiede zwischen den einzelnen Szenarien mit ei-
nem größer werdenden Planungshorizont ansteigen. Bei einem kurzfristigen Planungs-
horizont ist die Spannweite geringer, d.h. die Prognose ist weniger stark von den ge-
troffenen Annahmen abhängig.
Im Folgenden werden die Szenarien in komprimierter Form erläutert.
Basisszenario
In diesem Szenario werden konstante Pflegeprävalenzen sowohl hinsichtlich der Pflege-
stufe als auch hinsichtlich der Pflegeform unterstellt. Dafür wurden auf Basis der verfüg-
baren Daten altersspezifische Pflegerisiken berechnet (vgl. Kapitel 5.4). Diese wurden an-
schließend auf die Bevölkerungsprognose übertragen. Somit werden die rein demogra-
phischen Effekte auf den zukünftigen Pflegebedarf abgebildet.
Szenario Professionalisierung
Vor dem Hintergrund des relativen Rückgangs des Pflegepotenzials (eine nur geringfügig
wachsende Zahl potenziell pflegender Angehöriger steht einer vergleichsweise stark
wachsenden Anzahl von Pflegebedürftigen gegenüber) sowie geringerer familiärer Bin-
dungen ist eine Verschiebung innerhalb der Pflegeformen (informelle häusliche Pflege
durch Angehörige ambulante Pflegedienste und Pflegeheime) ein denkbares Szenario.
Annahme ist, dass der Anteil der pflegenden Angehörigen nicht weiter erhöht werden
kann und die Versorgung der wachsenden Zahl der Pflegebedürftigen durch professio-
nelle Pflegekräfte geleistet wird.
Szenario Ambulantisierung
Bei der Pflege gilt in Deutschland der Leitsatz "ambulant vor stationär". Dabei handelt es
sich nicht bloß um eine gesellschaftliche Überzeugung, sondern um einen in §13 Abs. I
SGB XII verankerten Grundsatz der Sozialversicherung. Mit dem PSG II wurde die ambu-
lante Pflege sowohl finanziell als auch hinsichtlich des möglichen Aufgabenspektrums
weiter gestärkt. Insbesondere die stationäre Pflege von Menschen mit den alten Pflege-
stufen I und II wird angesichts der neuen Regelung ggf. in einem größeren Umfang als
früher ambulant erfolgen. In der Folge wird in diesem Szenario eine Verschiebung von
der stationären hin zu einer ambulanten Pflege erwartet. Annahme: Bis zum Jahr 2040
werden 20 % der stationär versorgten Pflegebedürftigen der Pflegegrade 2 und 3, 10 %
des Pflegegrads 4, und 5 % des Pflegegrads 5 ambulant versorgt.
Szenario Gesundheit
Der medizinische Fortschritt, der verstärkte Einsatz von Technik zur Unterstützung von
Pflegebedürftigen und pflegenden Menschen sowie eine verbesserte Präventionsarbeit
können das durchschnittliche Eintrittsalter in die Pflegebedürftigkeit erhöhen und somit
die altersspezifische Pflegebedürftigkeit reduzieren. In diesem Szenario wird angenom-
men, dass mit einer steigenden Lebenserwartung auch eine bessere Gesundheit verbun-
den sein wird und die pflegefreie Lebenszeit ansteigt. Basis hierfür ist die Steigerung der
Pflegebedarfsprognose
56 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Lebenserwartung wie sie bei der Prognose der Bevölkerung berücksichtigt wurde. Konk-
ret wird die Nachfrage bis 2040 gegenüber dem Basisszenario um insgesamt 7 % niedri-
ger liegen (2030: 5 %).
6.1 Entwicklung der Zahl der Pflegebedürftigen
Im Folgenden wird die quantitative Entwicklung der Pflegebedürftigen dargestellt. Bei
der Darstellung der Entwicklung werden Personen der früheren „Pflegestufe 0“ berück-
sichtigt. Nicht berücksichtigt sind hingegen Personen, die dem Pflegegrad 1 zugeordnet
werden.
Insgesamt steigt die Zahl der Pflegebedürftigen von 2017 bis 2030 um rund 20 % oder
rund 3.400 Personen. Bis 2040 wird ein Anstieg von 29 % oder etwa 4.900 Personen er-
wartet. Bis zum Jahr 2025 sind vergleichsweise hohe jährliche Zuwächse (rund 350 Per-
sonen p.a.) festzustellen. Dagegen sind in den Jahren 2025 bis 2035 nur vergleichsweise
geringe Steigerungen (80 Personen p.a.) zu erwarten. Hier wirken die geburtenschwa-
chen Jahrgänge in Folge des 2. Weltkriegs nachfragedämpfend. Spätestens ab 2035 wird
die Zahl der Pflegebedürftigen wieder dynamisch anwachsen (vgl. Abbildung 29).
Sofern der medizinische Fortschritt und bessere Präventionsmaßnahmen nicht nur die
Lebenserwartung insgesamt erhöhen, sondern auch die pflegefreie Zeit ansteigt, wird
sich das Wachstum der Zahl der Pflegebedürftigen abschwächen. Tritt dieses Szenario
ein, steigt die Zahl der Pflegebedürftigen bis 2030 um 15 % bzw. bis 2040 um 20 %.
Abbildung 29 Prognose des Pflegebedürftigen - ohne Pflegegrad 1 (inkl. früherer „Pflegestufe
0“)
Quelle: ALP
Pflegebedarfsprognose
57 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
6.2 Entwicklung differenziert nach Pflegegrad
Die nach Pflegegrad differenzierte Auswertung der Bedarfsentwicklung ergibt eine wei-
testgehend konstante Verteilung der Pflegebedürftigen auf die einzelnen Pflegegrade.
Lediglich die Gruppe der Personen mit Pflegegrad 2 weist ein leicht geringeres Wachs-
tum (+27 %) als die Gruppe der Personen mit Pflegegarde 3 bis 5 auf (+30 %). Hinter-
grund ist das vergleichsweise starke Wachstum der Gruppe der Hochaltrigen (über 90-
Jährigen), die auch durch höhere Anteile von Personen mit hoher Pflegebedürftigkeit
geprägt ist.
Gesondert ist die Entwicklung der Bezieher von Leistungen des Pflegegrads 1 zu betrach-
ten. Da für diese Gruppe keine Daten vorliegen, die eine valide Fortschreibung oder Prog-
nose ermöglichen würden, erfolgte eine grobe Abschätzung der Nachfrage auf Basis von
Erwartungswerten der Bundesregierung. Diese geht davon aus, das mit dem neuen Pfle-
gegrad 1 bis zu 500.000 Menschen zusätzlich Zugang zu den Leistungen der Pflegever-
sicherung haben werden.32 Legt man diesen Orientierungswert zu Grunde, ergibt sich für
den Rhein-Kreis Neuss eine Nachfrage von knapp 3.000 Personen. Im vorliegenden Mo-
dell wird davon ausgegangen, dass dieses Niveau bis zum Jahr 2020 erreicht wird. In den
Folgejahren ist die Entwicklung an die Altersstruktur gekoppelt.
Abbildung 30 Bevölkerungsprognose der über 70-Jährigen - Rhein-Kreis Neuss
32 Bundesministerium für Gesundheit - Die Pflegestärkungsgesetze. Alle Leistungen zum
Nachschlagen
0
5.000
10.000
15.000
20.000
25.000
30.000
2017
2018
2019
2020
2021
2022
2023
2024
2025
2026
2027
2028
2029
2030
2031
2032
2033
2034
2035
2036
2037
2038
2039
2040
Pflegegrad 1 Pflegegrad 2 Pflegegrad 3 Pflegegrad 4 Pflegegrad 5
Quelle: ALP
Pflegebedarfsprognose
58 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
6.3 Entwicklung differenziert nach Versorgungsform
Im Folgenden wird eine nach Versorgungsformen differenzierte Aufbereitung der Ergeb-
nisse dargestellt. Betrachtet werden:
○ Vollstationär versorgte Pflegebedürftige
○ Pflegegeldbezieher, die keine ambulanten Pflegesachleistungen in Anspruch
nehmen
○ Bezieher von ambulanten Pflegesachleistungen
Wie Abbildung 31 zeigt, entwickelt sich die Nachfrage nach den einzelnen Versorgungs-
formen uneinheitlich. So wächst die Gruppe der Pflegegeldbezieher im Vergleich zu den
beiden anderen Versorgungsformen unterdurchschnittlich. Während die Gruppe der Be-
zieher von ambulanten Sachleistungen bis 2030 um rund 23 % (620 Personen) und die
Gruppe der vollstationär versorgten Pflegebedürftigen sogar um 29 % (1.120 Personen)
anwächst, ist bei den Pflegegeldbeziehern ein relativ geringes Wachstum von 16 % (1.670
Personen) festzustellen. Hintergrund für die unterschiedliche Entwicklung sind Verschie-
bungen in der Altersstruktur. So wächst die Gruppe der Hochaltrigen überproportional
stark. Ausschlaggebend ist, dass unabhängig vom Pflegegrad mit zunehmendem Alter
der Anteil der vollstationären versorgten Pflegebedürftigen bzw. der Anteil der Bezieher
von ambulanten Pflegesachleistungen steigt. Dies ist unter anderem darauf zurückzufüh-
ren, dass mit zunehmendem Alter die Ehepartnerin/der Ehepartner als Hauptpflegeper-
son ausscheiden.
Abbildung 31 Entwicklung der Pflegebedürftigen nach Versorgungsform
Pflegebedarfsprognose
59 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
6.3.1 Entwicklung der vollstationären versorgten Pflegebedürftigen nach Szenarien
Die Zahl derjenigen, die vollstationär versorgt werden, steigt im Basisszenario bis 2030
um ca. 29 % auf 4.950 Personen (+1.120) an. Der geringste Anstieg von etwa 14 % wird
im Szenario Ambulantisierung erwartet. Dies entspricht einem Anstieg der vollstationären
versorgten Pflegebedürftigen von rund 3.830 auf 4.310. Im Vergleich zum Basisszenario
ist die Nachfrage damit um rund 600 Personen niedriger.
6.3.2 Entwicklung Pflegegeldbezieher nach Szenarien
Die Zahl der Pflegegeldbezieher steigt im Basisszenario bis 2030 um ca. 16 % auf 12.190
Personen an. Der Anstieg ist damit relativ betrachtet deutlich niedriger als bei den beiden
anderen Versorgungsformen, der absolute Anstieg ist mit 1.670 Personen jedoch deut-
lich höher. Der höchste Anstieg wird im Szenario Ambulantisierung erwartet. Von 2017
bis 2030 beträgt der Anstieg 1.970 Personen und ist damit um 300 Personen höher als in
der Basisvariante. Ein geringerer Anstieg zeigt das Szenario Professionalisierung auf. Bis
2030 wird die Zahl der Personen, die ausschließlich Pflegegeld beziehen, um lediglich
420 Personen bzw. 4 % ansteigen.
6.3.3 Entwicklung Bezieher von ambulanten Pflegesachleistungen nach Szenarien
Die Zahl der Bezieher von ambulanten Pflegesachleistungen steigt im Basisszenario bis
2030 um ca. 23 % von 2.700 auf 3.320 Personen an. Der mit Abstand höchste Anstieg
wird im Szenario Professionalisierung erwartet. Von 2017 bis 2030 beträgt der Anstieg
rund 66 % bzw. 1.860 Personen und ist damit um 1.240 Personen höher als in der Basis-
variante. Damit würde ein immenser zusätzlicher Personalbedarf einher gehen (vgl. Kap.
8).
Pflegebedarfsprognose
60 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Tabelle 5 Zusätzliche Pflegebedürftige nach Szenario und Versorgungsform (relativ)
2017-2020 2017-2030 2017-2040
Basisszenario
Ambulant 9 % 23 % 34 %
Stationär 10 % 29 % 37 %
Pflegegeld 7 % 16 % 25 %
Szenario
„Ambulantisie-
rung“
Ambulant 11 % 34 % 54 %
Stationär 7 % 14 % 7 %
Pflegegeld 7 % 19 % 30 %
Szenario
„Gesundheit“
Ambulant 8 % 18 % 24 %
Stationär 9 % 24 % 27 %
Pflegegeld 6 % 11 % 16 %
Szenario „Professi-
onalisierung der
ambulanten
Pflege“
Ambulant 27 % 66 % 110 %
Stationär 10 % 29 % 37 %
Pflegegeld 2 % 4 % 4 %
Tabelle 6 Zusätzliche Pflegebedürftige nach Szenario und Versorgungsform (absolut)
2017-2020 2017-2030 2017-2040
Basisszenario
Ambulant 250 620 900
Stationär 370 1.120 1.410
Pflegegeld 700 1.670 2.620
Szenario
„Ambulantisie-
rung“
Ambulant 310 920 1.470
Stationär 250 520 280
Pflegegeld 760 1.970 3.180
Szenario
„Gesundheit“
Ambulant 220 480 650
Stationär 330 910 1.040
Pflegegeld 590 1.170 1.710
Szenario „Professi-
onalisierung der
ambulanten
Pflege“
Ambulant 770 1.860 3.140
Stationär 370 1.120 1.410
Pflegegeld 180 420 390
Pflegebedarfsprognose
61 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
6.4 Bilanzierung – Stationäre Pflegeeinrichtungen
Um künftige Handlungsbedarfe für die Pflegebedarfsplanung im Rhein-Kreis Neuss dar-
zustellen, wird die derzeitige Zahl der Pflegeplätze (Stand: 31.08.2017) der Nachfrage-
entwicklung gegenübergestellt. Bei der Bilanzierung der Bedarfe auf Ebene der Kommu-
nen wurden zwei methodische Ansätze gewählt:
○ Erstens: Bilanzierung auf Basis aktueller Zahlen zu freien Plätzen in den Einrich-
tungen
○ Zweitens: Bilanzierung auf Basis der rechnerischen Ermittlung mit einheitlichen
Pflegequoten
Die Bilanzierung auf Basis aktueller Zahlen zu freien Plätzen schreibt die Entwicklung zum
Stand 15.08.2017 fort. Unberücksichtigt bleibt bei diesem Ansatz die unterschiedliche
Versorgungssituation in der Kommunen. Ausschlaggebend für die Bedarfsentwicklung
ist die demographische Entwicklung in den Gemeinden unter Berücksichtigung freier
Platzkapazitäten zum Status quo.
Die Bilanzierung auf Basis von kreisweit einheitlichen Pflegequoten berücksichtigt die
aktuelle Versorgungslage dagegen nicht. In diesem rechnerischen Modell wird unter-
stellt, dass die Bevölkerung in den einzelnen Altersklassen zu gleichen Anteilen Pflegein-
frastrukturen nachfragt. Im Ergebnis kommt es bereits im Basisjahr zu teils deutlichen
Nachfrage- bzw. Angebotsüberhängen (vgl. Tabelle 7). Beispielsweise weisen die Einrich-
tungen in Grevenbroich beim Ansatz gleicher Pflegequoten ein deutlich höheres Defizit
auf, als dies derzeit der Fall ist. Auf der anderen Seite ergibt sich bei der rechnerischen
Bedarfsermittlung für Kaarst ein deutlicher Nachfrageüberhang für das Jahr 2017. De
facto findet aufgrund von Verflechtungen innerhalb des Kreises und Verflechtungen mit
angrenzenden Städten und Gemeinden ein Ausweichen der Nachfrager auf alternative
Standorte statt. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die unterschiedliche infrastrukturelle
Ausstattung (bspw. umfangreiches Angebot im Segment Service-Wohnen in der Stadt
Meerbusch) die Nachfrage beeinflusst.
Pflegebedarfsprognose
62 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Tabelle 7 – Bilanz 2017 – Stationäre Pflegeeinrichtungen
Bilanz 2017 auf Basis aktuel-
ler Zahlen zu freien Plätzen
in den Einrichtungen
Bilanz 2017 auf Basis der
rechnerischen Ermittlung mit
einheitlichen Pflegequoten
Dormagen -6 -8
Grevenbroich -46 -182
Jüchen -9 0
Kaarst -4 121
Korschenbroich -20 -48
Meerbusch -45 -4
Neuss -22 -7
Rommerskirchen -3 -48
Rhein-Kreis Neuss -155 -177
Tabelle 8 zeigt den Bedarf an zusätzlichen stationären Pflegeplätzen differenziert nach
Szenarien (Das Szenario Professionalisierung der ambulanten Pflege ist für das stationäre
Segment gleich dem Basisszenario). Dabei wurde eine Fluktuationsreserve bzw. ein Puffer
von 2 % angesetzt (rund 80 Pflegeplätze).
In allen Szenarien besteht ein Bedarf an zusätzlichen Pflegeplätzen (basierend auf dem
Bestand von 4.002 stationären Pflegeplätzen). Im Basisszenario fällt der Bedarf am höchs-
ten aus. Unter der Annahme konstanter Pflegequoten und Pflegearrangements besteht
bereits kurzfristig (bis 2020) ein Zusatzbedarf in Höhe von knapp 300 Plätzen. Mittel bis
langfristig würde der Bedarf weiter anwachsen. Bis zum Jahr 2030 müssten rund 1.000
zusätzliche Pflegeplätze errichtet werden. Gelingt es, zukünftig die Pflege stärker in am-
bulante Pflegearrangements zu lenken, würde der Bedarf deutlich geringer ausfallen (vgl.
Tabelle 8).
Tabelle 8 – Bedarfsprognose stationäre Pflegeeinrichtungen differenziert nach Szenarien
Status quo Ambulantisierung Gesundheit
2017-2020 295 176 254
2017-2025 788 432 666
2017-2030 1.021 416 814
Die Tabelle 9 und die Tabelle 10 geben Auskunft über den Bedarf auf kleinräumiger
Ebene. Ein vergleichsweise hoher Bedarf ergibt sich demnach unabhängig vom Szenario
und dem Bilanzierungsansatz für die Städte Neuss, Kaarst und Dormagen. Weitere Daten
auf Ebene der kreisangehörigen Kommunen können den Kommunalprofilen in Kap. 7
entnommen werden.
Pflegebedarfsprognose
63 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Tabelle 9 – Bedarf 2030 – Basis aktuelle Zahlen zu freien Plätzen in den Einrichtungen differen-
ziert nach Szenarien
Status quo Ambulantisierung Gesundheit 2017-2030 2017 - 2030 2017-2030
Dormagen 197 107 167
Grevenbroich 103 22 75
Jüchen 71 38 60
Kaarst 162 92 138
Korschenbroich 84 39 69
Meerbusch 112 27 83
Neuss 268 87 206
Rommerskirchen 46 26 39
Rhein-Kreis Neuss 1.044 439 837
Tabelle 10 –Bedarf 2030 – Basis rechnerischen Ermittlung mit einheitlichen Pflegequoten diffe-
renziert nach Szenarien
Status quo Ambulantisierung Gesundheit 2017-2030 2017 - 2030 2017-2030
Dormagen 195 105 164
Grevenbroich -35 -117 -63
Jüchen 79 47 68
Kaarst 289 219 265
Korschenbroich 56 10 40
Meerbusch 154 68 125
Neuss 283 102 221
Rommerskirchen 0 -19 -6
Rhein-Kreis Neuss 1.021 416 814
6.5 Bedarf Kurzeit- und Verhinderungspflege
Bei der Betrachtung der Kurzzeitpflege sind die eingestreuten und die solitären Kurzzeit-
pflegeplätze zu unterscheiden. Feste Kurzzeitpflegeplätze werden ausschließlich für die
Kurzzeitpflege genutzt und können in der Regel langfristig im Voraus gebucht werden.
Bei den eingestreuten Kurzzeitpflegeplätzen handelt es sich um Dauerpflegeplätze, die
abhängig von der Belegungssituation genutzt werden können. Von den 228 Kurzzeitpfle-
geplätzen im Rhein-Kreis Neuss sind lediglich 10 solitäre Plätze.
Am 01.06.2017 waren rund 92 stationäre Pflegeplätze durch Kurzzeitpflegeplätze belegt.
Damit wurden rund 2,4 % der (belegten) Plätze durch Kurzzeitpflegegäste besetzt. Im
Pflegebedarfsprognose
64 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Vergleich zu 2015 (31.12.2015 - 75 Plätze) entspricht dies einem Anstieg um 22 %. Zu
berücksichtigen ist, dass die Nachfrage nach Kurzzeitpflegeplätzen starken saisonalen
Schwankungen unterliegt und daher ein Vergleich nur bedingt möglich ist. Aufgrund der
geringen Fallzahlen und fehlender amtlicher Statistiken, die Hinweise auf einen Bedarf
oder vorzuhaltende Kurzzeitpflegeplätze geben könnten, ist eine exakte Bedarfsabschät-
zung zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich.
Orientierung können landesweite Zahlen geben. In NRW sind rund 3,4% der (belegten)
stationären Pflegeplätze durch Kurzzeitpflegegäste belegt. Bezogen auf alle Pflegebe-
dürftige entspricht dies einem Anteil von 0,9 %. Werden diese Anteile auf die erwartete
Anzahl der Pflegebedürftigen im Rhein-Kreis Neuss übertragen, ergibt sich bis zum Jahr
2030 ein Bedarf von insgesamt 170 bis 190 Kurzzeitpflegeplätzen.
Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Nachfrage nach Kurzzeitpflegeplätzen deutlich
höher ausfallen wird, wenn eine Entwicklung entsprechend dem Szenario Ambulantisie-
rung eintritt. Im Szenario Ambulantisierung werden 2030 rund 600 Personen weniger sta-
tionär versorgt als im Basisszenario. Unter der Annahme, dass die 600 Personen pro Jahr
jeweils einen Monat Kurzzeit- oder Verhinderungspflege in Anspruch nehmen, würde
sich der Bedarf um rund 50 Plätze erhöhen.
Grundsätzlich reichen die derzeit vorhandenen 228 Kurzzeitpflegeplätze im Rhein-Kreis
Neuss aus. Allerdings ist bereits heute festzustellen, dass nicht alle Kurzzeitplätze auch
zur Verfügung stehen. Insbesondere bei einer steigenden Auslastung der Pflegeheime ist
eine weitere Anspannung im Segment der Kurzzeitpflegeplätze zu erwarten. Vor dem
Hintergrund der geringen Anzahl solitärer Plätze und des erwarteten Nachfrageanstiegs
sollte die Zahl der solitären Plätze daher sukzessiv erhöht werden.
Zum Vergleich: In den benachbarten Großstädten (Krefeld, Düsseldorf, Mönchenglad-
bach) beträgt der Anteil solitärer Kurzzeitpflegeplätze etwa 0,5 % der Pflegebedürftigen.
Bei dem Ansatz dieser Quote ergibt sich für den Rhein-Kreis Neuss bis 2030 ein Bedarf
an solitären Plätzen in Höhe von rund 100 Plätzen.
6.6 Bedarf Tages- und Nachtpflege
Tagespflege
Im Bereich der Tagespflege stellen im Jahr 2017 13 Einrichtungen 193 Pflegeplätze zur
Verfügung. Drei weitere Einrichtungen befinden sich zurzeit im Bau und erweitern nach
Fertigstellung das bestehende Angebot um 51 auf dann 244 Tagespflegeplätze. Von ei-
nem bedarfsdeckenden Angebot kann derzeit in vielen Kommunen des Rhein-Kreises
Neuss nicht ausgegangen werden. So bestehen vielfach lange Wartelisten - insbesondere
in Kommunen mit einem vergleichsweise geringen Angebot (vgl. Abbildung 6).
Vieles spricht dafür, dass der Bedarf (unabhängig von der Zahl der Pflegebedürftigen)
weiter steigen wird. Diesbezüglich sind u. a. folgende Aspekte anzuführen:
Pflegebedarfsprognose
65 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
○ Leistungsverbesserungen der Pflegeversicherungen
○ Ein (in Relation zu den Pflegebedürftigen) sinkendes informelles Pflegepotenzial
○ Stärkere Berufstätigkeit der Frauen
Ferner würde eine Entwicklung gemäß des Szenarios Ambulantisierung tendenziell zu ei-
ner stärkeren Nachfrage führen. Insbesondere dann, wenn sich anstelle der stationären
Unterbringung stärker das Modell seniorengerechtes Wohnen in Kombination mit Ta-
gespflege durchsetzt.
Der Ausbau der Tagespflegeplätze sollte weiter forciert werden. Insbesondere in Kom-
munen mit einer geringen Versorgungsdichte (Grevenbroich, Dormagen, Meerbusch,
Neuss) sollte die Schaffung von weiteren Plätzen in Erwägung gezogen werden. Zudem
sollte der Rhein-Kreis Neuss die Angebots- und Nachfragesituation auf kommunaler
Ebene in regelmäßigen Abständen evaluieren. Konkret sollte die Auslastung bzw. Bele-
gungssituation sowie bestehende Wartelisten abgefragt werden.
Nachtpflege
Die Nachtpflege spielt derzeit eine untergeordnete Rolle. Im Jahr 2015 wurden in NRW
zum Stichtag 31.12.2015 lediglich 6 Personen im Rahmen der Nachtpflege versorgt. Im
Rhein-Kreis Neuss gibt es bisher kein entsprechendes Angebot. Eine konkrete Bedarfs-
abschätzung ist für den Rhein-Kreis Neuss vor dem Hintergrund der insgesamt niedrigen
Nachfrage nicht möglich.
Der Rhein-Kreis Neuss sollte trotz der derzeit geringen Nachfrage die weitere Entwick-
lung beobachten. Sofern sich zukünftig Anfragen häufen, könnte ein Modellprojekt
Nachtpflege im Kreis initiiert werden.
Kommunalprofile
66 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
7 Kommunalprofile
Die Kommunalprofile der einzelnen Gemeinden fassen die wichtigsten Daten der Pflege-
bedarfsplanung auf kommunaler Ebene zusammen und ermöglichen somit einen schnel-
len thematischen Überblick. Jedes Kommunalprofil besteht aus zwei Seiten und enthält
Informationen zu:
○ Nachfrage, Stand 2015 (Quelle: IT.NRW)
○ Kaufkraft (Quelle: GfK)
○ Angebotssituation, Stand 2017 (Quelle: Rhein-Kreis Neuss)
○ Kennziffern und Versorgungsquoten (Quelle: IT.NRW, Rhein-Kreis Neuss)
○ Bevölkerungsprognose 2017 bis 2040 (Quelle: ALP)
○ Pflegebedarfsprognose: (Quelle: ALP)
o Insgesamt
o Stationär
o Ambulant
o Pflegegeld
○ Bilanzierung, Pflegeheime (Quelle: ALP)
Kommunalprofile
67 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
7.1 Dormagen
Kommunalprofile
68 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Kommunalprofile
69 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
7.2 Grevenbroich
Kommunalprofile
70 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Kommunalprofile
71 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
7.3 Jüchen
Kommunalprofile
72 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Kommunalprofile
73 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
7.4 Kaarst
Kommunalprofile
74 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Kommunalprofile
75 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
7.5 Korschenbroich
Kommunalprofile
76 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Kommunalprofile
77 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
7.6 Meerbusch
Kommunalprofile
78 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Kommunalprofile
79 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
7.7 Neuss
Kommunalprofile
80 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Kommunalprofile
81 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
7.8 Rommerskirchen
Kommunalprofile
82 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Entwicklung des Bedarfs an Pflegekräften
83 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
8 Entwicklung des Bedarfs an Pflegekräften
Der zukünftige Fachkraftbedarf (examinierte Altenpfleger, Gesundheits-, Kranken,- und
Kinderkrankenpfleger) lässt sich auf der Basis der zukünftig benötigten Plätze in der voll-
stationären Pflege prognostizieren. Die Grundlage dafür sind die Anzahl der Pflegekräfte
zum Status quo sowie die Pflegegrade der Pflegebedürftigen. Für den Bereich der stati-
onären Pflege wurden zudem die Orientierungswerte zur Personalbemessung des Pfle-
gepersonals unter Berücksichtigung des pauschalen Zuschlags von 6,8 %33 herangezo-
gen.
Tabelle 11 – Personalrichtwerte (stationär) im Funktionsbereich Pflege ab 01.01.2017
Pflegegrad Personalschlüssel
Pflegegrad 1 1 : 8,00
Pflegegrad 2 1 : 4,66
Pflegegrad 3 1 : 3,05
Pflegegrad 4 1 : 2,24
Pflegegrad 5 1 : 2,00
Grundsätzlich muss bei der Interpretation der Zahlen berücksichtigt werden, dass ein Teil
der Pflegekräfte altersbedingt aus dem Arbeitsleben ausscheidet. So sind 36 % der Be-
schäftigten in der stationären Pflege und 39 % der Beschäftigten in der ambulanten
Pflege älter als 50 Jahre (vgl. Kap. 3.1 und 3.4). Diese Pflegekräfte müssen zusätzlich zum
dargestellten Bedarf ersetzt werden. Zudem ist zu berücksichtigen, dass Pflegekräfte den
Beruf wechseln und somit ebenfalls ersetzt werden müssen. Eine Reduzierung der zu-
sätzlich benötigten Pflegekräfte (Vollstellen) könnte hingegen erreicht werden, wenn es
gelingt, den Anteil an Vollzeitkräften zu erhöhen.
Bei den folgenden Zahlen zum Personalbedarf handelt es sich jeweils um zusätzliche
Vollstellen. Die Zahl der benötigten Pflegekräfte ist bei einer Teilzeitbeschäftigung ent-
sprechend höher.
Folgt die Entwicklung der Basisvariante müssen beim Ansatz zurzeit gültiger Personal-
schlüssel und Fachkraftquoten bis 2030 etwa 410 Pflegefachkräfte und rund 275 Pflege-
hilfskräfte zusätzlich für den Pflegeberuf (ambulant und stationär) gewonnen werden. In
der langfristigen Perspektive wird sich der Bedarf nochmals erhöhen. So werden bis 2040
ca. 511 Fach- und 342 Hilfskräfte benötigt. Jüngste Entwicklungen zeigen, dass durch die
Einführung des Entlastungsbetrags eine hohe zusätzliche Nachfrage nach Pflegehilfskräf-
ten entstanden ist. In der Tendenz wird daher der Bedarf an Hilfskräften eher höher als
dargestellt ausfallen.
33 Beschluss der Sondersitzung des Grundsatzausschusses nach § 22 des Rahmenvertrages ge-
mäß § 75 SGB XI für Kurzzeitpflege und vollstationäre Pflege in Nordrhein-Westfalen
Entwicklung des Bedarfs an Pflegekräften
84 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Tabelle 12 – Personalbedarf ambulant & stationär - Pflegekräfte
2020 2025 2030 2040
Pflegefach-
kräfte
Pflegefach-
kräfte
Pflegefach-
kräfte
Pflegefach-
kräfte
Basisszenario 177 333 410 511
Ambulantisierung 156 282 331 368
Gesundheit 158 288 339 389
Professionalisierung ambulante Pflege 235 467 579 772
Pflegehilfs-
kräfte
Pflegehilfs-
kräfte
Pflegehilfs-
kräfte
Pflegehilfs-
kräfte
Basisszenario 113 220 275 342
Ambulantisierung 90 164 186 180
Gesundheit 99 188 226 257
Professionalisierung ambulante Pflege 133 266 334 433
Wie die Prognose des Personalbedarfs differenziert nach Szenarien zeigt, fällt der Bedarf
unterschiedlich hoch aus. Es wird deutlich, dass insbesondere beim Szenario Professio-
nalisierung ein hoher zusätzlicher Personalbedarf erforderlich sein würde. Angesichts der
bereits heute stark angespannten Personalsituation ist zu bezweifeln, dass dieses Szena-
rio unter den derzeitigen Rahmenbedingungen (Fachkraftquote/Personalschlüssel/Do-
kumentationspflichten etc.) umsetzbar ist.
Geringer fällt der Bedarf in den beiden anderen Szenarien aus. Während beim Szenario
Gesundheit die niedrigere Zahl der Pflegebedürftigen auschlaggebend ist, kommt beim
Szenario Ambulantisierung der niedrigere Personalbedarf (an professionellen Pflegekräf-
ten) pro Pflegebedürftigen in der ambulanten Pflege zum Tragen. Diesbezüglich ist an-
zumerken, dass der Pflegeaufwand insgesamt (informell und professionell) bei diesem
Szenario eher höher ausfällt. So existieren bei der stationären Unterbringung deutlich
bessere bzw. effizientere Pflegebedingungen. Beispielsweise ist der zeitliche Aufwand für
die Pflege durch Fahrzeiten sowie nicht optimaler Bedingungen in der Häuslichkeit (Bar-
rieren) höher als in der stationären Pflege. Der geringe Bedarf an professionellen Pflege-
kräften im Szenario Ambulantisierung muss daher durch zusätzliche pflegerische Leistun-
gen von Angehörigen bzw. durch einen insgesamt niedrigeren Standard der Pflege (keine
Betreuung nachts etc.) kompensiert werden.
Entwicklung des Bedarfs an Pflegekräften
85 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Tabelle 13 – Personalbedarf stationär - Pflegekräfte
2020 2025 2030 2040
Pflegefach-
kräfte
Pflegefach-
kräfte
Pflegefach-
kräfte
Pflegefach-
kräfte
Basisszenario 102 206 264 326
Ambulantisierung 72 132 141 104
Gesundheit 88 175 214 241
Professionalisierung ambulante Pflege 102 206 264 326
Pflegehilfs-
kräfte
Pflegehilfs-
kräfte
Pflegehilfs-
kräfte
Pflegehilfs-
kräfte
Basisszenario 87 176 225 278
Ambulantisierung 61 112 120 88
Gesundheit 75 149 182 206
Professionalisierung ambulante Pflege 87 176 225 278
Tabelle 14 – Personalbedarf ambulant - Pflegekräfte
2020 2025 2030 2040
Pflegefach-
kräfte
Pflegefach-
kräfte
Pflegefach-
kräfte
Pflegefach-
kräfte
Basisszenario 75 126 147 185
Ambulantisierung 83 151 190 265
Gesundheit 70 113 126 147
Professionalisierung ambulante Pflege 133 260 315 446
Pflegehilfs-
kräfte
Pflegehilfs-
kräfte
Pflegehilfs-
kräfte
Pflegehilfs-
kräfte
Basisszenario 26 44 51 64
Ambulantisierung 29 52 66 92
Gesundheit 24 39 44 51
Professionalisierung ambulante Pflege 46 90 110 155
Projektion der finanziellen Entwicklung
86 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
9 Projektion der finanziellen Entwicklung
Eine Erhöhung der Anzahl der Pflegebedürftigen bedeutet nicht nur die Notwendigkeit,
die Kapazität im stationären, teilstationären und ambulanten Bereich zu steigern, son-
dern geht auch mit Kostensteigerungen einher.
Die Kosten, die durch Pflegebedürftigkeit entstehen, werden zum Teil durch die Pflege-
versicherung, zu großen Teile aber auch durch private Ausgaben abgedeckt. Sofern die
Pflegebedürftigen und deren Angehörige nicht in der Lage sind, den Teil der Heiment-
gelte, der die Leistungen der Pflegeversicherung übersteigt, zu tragen, können Hilfen zur
Pflege in Anspruch genommen werden. Hilfen zur Pflege können zudem in Anspruch
genommen werden, wenn Pflegebedürftige nicht pflegeversichert sind sowie wenn die
Pflegebedürftigkeit voraussichtlich nicht für mindestens sechs Monate besteht und aus
diesem Grunde keine Leistungen durch die Pflegeversicherung gewährt werden.
Grundsätzlich erhalten nur Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 die Leistungen der
Hilfe zur Pflege. Pflegebedürftige des Pflegegrades 1 haben aufgrund der geringen Aus-
prägung ihrer Beeinträchtigungen (nur) einen Anspruch auf Pflegehilfsmittel sowie Maß-
nahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes. Darüber hinaus wird noch ein Entlas-
tungsbetrag in Höhe von maximal 125 Euro monatlich gewährt.
Abbildung 32 Bruttoausgaben der Hilfe zur Pflege des örtlichen Trägers differenziert nach Ort
der Leistungserbringung (in 1.000 €)
0
2.000
4.000
6.000
8.000
10.000
12.000
14.000
16.000
18.000
2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017*
In Einrichtungen Außerhalb von Einrichtungen
in 1
.000
Quelle: IT.NRW, Rhein-Kreis Neuss
Projektion der finanziellen Entwicklung
87 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
9.1 Abschätzung der Kosten des örtlichen Trägers – Hilfe zur Pflege - Stationär
Eine Abschätzung der Kosten für den örtlichen Träger im Bereich der Hilfen zur Pflege ist
mit hohen Unsicherheiten behaftet. So können die Auswirkungen, die mit dem Inkraft-
treten des PSG II einhergehen, gegenwärtig nicht exakt beziffert werden. Es ist jedoch
abzusehen, dass die örtlichen Träger im Bereich der stationären Versorgung entlastet
werden. Hintergrund sind die deutlich erhöhten Leistungen nach § 43 SGB XI, die im Jahr
2017 zu Mehrausgaben der Pflegekassen von 1,350 Mrd. Euro führen.34 Dies wirkt sich
direkt auf die individuellen Zuzahlungen der stationär versorgten Personen und damit
auch auf die vom örtlichen Träger zu übernehmenden Kosten aus. Dies belegen aktuelle
Zahlen für den Rhein-Kreis Neuss aus dem laufenden Jahr 2017. Wie Abbildung 32 zeigt,
wird für das Jahr 2017 ein Rückgang der Kosten für den örtlichen Träger im stationären
Bereich erwartet.
Unabhängig von den Auswirkungen des PSG lässt die Datenlage keine validen Prognosen
für die Entwicklung der Kosten zu. Hierfür wären Daten zu Einkommen und Vermögen
der Pflegebedürftigen aber auch der Angehörigen erforderlich. Beides liegt weder auf
Bundes- noch auf Ebene des Rhein-Kreises Neuss vor. Dementsprechend kann eine Ab-
schätzung nur auf Basis derzeitiger Durchschnittswerte pro Pflegebedürftigem vorge-
nommen werden. Hierfür sind zwei Angaben von Bedeutung:
○ Erstens der Anteil der Leistungsbezieher an den Pflegebedürftigen in stationären
Einrichtungen. Der Anteil der Leistungsempfänger (Hilfe zur Pflege) in der statio-
nären Pflege liegt bei rund 31 %.
○ Zweitens die Höhe der monatlichen/jährlichen Kosten pro Leistungsempfänger
differenziert nach Pflegegrad. Im Mittel der Monate Februar bis Juni 2017 erge-
ben sich folgende Durchschnittswerte pro Pflegebedürftigen im Leistungsbezug
der Hilfe zu Pflege im stationären Bereich:
Tabelle 15 – Leistungsempfänger (stationär) und monatliche Kosten
Pflegegrad
Anzahl Leistungsempfän-
ger - stationär
Monatliche Kosten
Hilfe zur Pflege
PG 01 7 k. / A.
PG 02 258 534,37 €
PG 03 388 677,58 €
PG 04 362 838,11 €
PG 05 206 1.003,52 €
34 Barmer GEK Pflegereport 2016
Projektion der finanziellen Entwicklung
88 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Für die insgesamt rund 1.220 Personen im Leistungsbezug ergeben sich hochgerechnet
auf das gesamte Jahr 2017 Kosten für die Hilfe zur Pflege im stationären Bereich in Höhe
von 13,3 Mio. Mehr als die Hälfte der Kosten (55 %) entfallen auf Personen der Pflege-
grade 4 und 5.
Da bei der Berechnung der Kosten der Anteil der Leistungsbezieher an den Pflegebe-
dürftigen konstant gehalten wurde und auch eine konstante Kostenintensität je Leis-
tungsempfänger (nach Pflegegraden) angesetzt wurde, entsprechen die prozentualen
Kostensteigerungen in etwa den Steigerungen der vollstationären Pflegebedürftigen. Bis
zum Jahr 2030 werden sich die Kosten nach dem Basisszenario um rund 29 % oder 3,84
Mio. € erhöhen35. Bereits im Jahr 2020 werden die Kosten wieder das Niveau des Jahres
2016 erreicht haben.
Tendenziell werden die Ausgaben jedoch höher sein. Insbesondere zwei Aspekte sind
diesbezüglich anzuführen: Die Personalkosten werden aufgrund des Fachkraftmangels in
der Pflege tendenziell stärker steigen. Zudem ist zu beobachten, dass der Anteil der
Grundsicherungsempfänger im Alter an der Gruppe der 65-Jährigen in den letzten Jahren
kontinuierlich ansteigt. Analog dazu ist zu erwarten, dass auch der Anteil der Leistungs-
empfänger an den Pflegebedürftigen zunehmen wird.
9.2 Abschätzung der Kosten des örtlichen Trägers – Hilfe zur Pflege – ambu-
lant
Wie Abbildung 32 zeigt, stellen die Ausgaben zur Hilfe zur Pflege außerhalb von Einrich-
tungen nur einen kleinen Teil der gesamten Kosten des örtlichen Trägers dar. Die Hoch-
rechnung der Kosten des örtlichen Trägers für das Jahr 2017 weist Kosten in Höhe von
rund 1,61 Mio. € aus. Dies entspricht einem Anteil an den Gesamtkosten in Höhe von
knapp 12 %. Entgegen der Kostenentwicklung im stationären Bereich ist im ambulanten
Bereich der Hilfen zur Pflege keine starken Kostenreduktion für die kommunalen Haus-
halte zu erwarten.36 So erhöhen sich die Ausgaben der örtlichen Träger im Zuge der Leis-
tungsausweitung des PSG II und III für nicht Pflegeversicherte sowie für Personen, bei
denen die Pflegebedürftigkeit voraussichtlich nicht für mindestens sechs Monate be-
steht. Gleichzeitig übernimmt die Pflegeversicherung mit Einführung des PSG II und PSG
III Leistungen, die vorher vom örtlichen Träger zu tragen waren, was zu einer Minderung
der Ausgaben führt. Ob die Einführung des PSG II und III in der Summe eher zu einer Be-
oder Entlastung der örtlichen Träger führt, kann derzeit noch nicht abschließend beant-
wortet werden. Diesbezüglich bleibt eine Evaluierung der PSG II und III abzuwarten.
Wird ausschließlich die demographische Entwicklung bei sonst konstanten Bedingungen
zugrunde gelegt ist mit einer Kostensteigerung um 23 % oder 0,37 Mio. € zu rechnen.
35 Preissteigerungen und Einkommensentwicklung wurden nicht berücksichtigt. 36 Vgl. hierzu Barmer GEK Pflegereport 2016
Bewertung und Handlungsempfehlungen
89 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
10 Bewertung und Handlungsempfehlungen
Im Folgenden erfolgt eine Bewertung der Szenarien. Dabei werden Aspekte herausge-
stellt, die eine Entwicklung in Richtung des angeführten Szenarios fördern bzw. hemmen.
Szenario Ambulantisierung
Die ambulante Versorgung entspricht in der Regel dem Wunsch der Pflegebedürfti-
gen.
Mit der Einführung der Pflegestärkungsgesetze und der Ausweitung des Leistungs-
spektrums der Pflegeversicherung wurde die ambulante Pflege gestärkt. Dies be-
günstigt/ermöglicht eine stärkere ambulante Versorgung als bisher.
Gleichzeitig erfordert eine ambulante Pflege in der Regel weniger ausgebildetes
Pflegepersonal (was jedoch durch Angehörige oder nachbarschaftliche Hilfen kom-
pensiert werden muss). Eine deutliche Ausweitung des Fachpersonals, wie sie nach
dem Basisszenario notwendig wäre, wird nicht ohne Weiteres gelingen. Vor diesem
Hintergrund spricht der Personalmangel eher für eine zunehmende ambulante Ver-
sorgung der Pflegebedürftigen.
Für eine ambulante Versorgung von Demenzkranken, die bereits heute rund Drei-
viertel der stationären Pflegebedürftigen stellen, werden die verbesserten Leistun-
gen der Pflegeversicherung allein nicht ausreichen. Die Versorgung Demenzkranker
ist ambulant nur bedingt leistbar. So ist die Pflege von Demenzkranken zeitintensiv,
da neben der Pflege häufig eine Beaufsichtigung der erkrankten Person erfolgen
muss. Nachtaktivität, aggressives Verhalten gegenüber den pflegenden Angehöri-
gen und eine mangelnde Ausstattung der Wohnung (es gibt keinen gesicherten Be-
reich, in dem sich die erkrankten Personen unbeaufsichtigt bewegen können) kön-
nen die ambulante Pflege zusätzlich erschweren.
Eine Ausweitung des Engagements pflegender Angehöriger ist angesichts der ver-
stärkten Berufstätigkeit der Frauen, der mobileren Gesellschaft und der Entwicklung
der Familien- und Haushaltsstrukturen insbesondere für die sehr zeitintensive Pflege
von Demenzkranken eher nicht zu erwarten.
Vor diesem Hintergrund ist einer deutlichen Reduzierung des stationären Anteils (Szena-
rio Ambulantisierung) gegenüber den anderen Pflegeformen Grenzen gesetzt bzw. die
Ambulantisierung bedarf des Ausbaus alternativer Infrastrukturen. Dazu zählen vor allem
Angebote für demenziell erkrankte Menschen (bspw. ambulant betreute Wohngemein-
schaft) sowie Angebote der Tages- und Nachtpflege.
Bewertung und Handlungsempfehlungen
90 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Szenario Gesundheit
Bisher kann auf Basis der Pflegestatistik kein Trend hin zu geringen Pflegewahr-
scheinlichkeiten abgeleitet werden. Zwar zeigen sich bei den Frauen teils leicht rück-
läufige Pflegeprävalenz, dem stehen jedoch steigende Prävalenzen bei den Männern
gegenüber.
Unabhängig von der Entwicklung der Prävalenzen ist festzuhalten, dass der ver-
stärkte Einsatz von Technik zur Unterstützung von Pflegebedürftigen und pflegen-
den Menschen sowie eine verbesserte Präventionsarbeit das durchschnittliche Ein-
trittsalter in die Pflegebedürftigkeit erhöhen kann.
Szenario Professionalisierung
Der steigenden Zahl der Pflegebedürftigen steht zukünftig eine sinkende Zahl von
Erwerbsfähigen gegenüber. Sofern zukünftig nicht deutlich mehr Personen für den
Pflegeberuf gewonnen werden können, ist eine stärkere Professionalisierung nicht
umsetzbar.
Allerdings wird auch das informelle Pflegepotenzial in Relation zur Zahl der Pflege-
bedürftigen abnehmen. Insbesondere die Versorgung durch eigene Kinder wird zu-
künftig eher eine geringere Rolle einnehmen.
Angesicht des derzeit und voraussichtlich auch zukünftig bestehenden Fachkräfte-
mangels kann eine stärkere Professionalisierung nicht ausschließlich auf eine Aus-
weitung der Pflegefachkräfte hinauslaufen. Vielmehr sind strukturelle Veränderun-
gen erforderlich. Folgende Aspekte können zu einer stärkeren Professionalisierung
der Pflege beitragen:
○ Mehr Flexibilität hinsichtlich der Pflegearrangements,
○ Schaffung von professionellen Strukturen für die Unterstützung von ehren-
amtlichen Helfern und Angehörigen sowie
○ eine stärkere Digitalisierung in der Pflege in Kombination mit dem verstärkten
Einsatz von technischen Hilfsmitteln
Basisszenario
Strukturelle Veränderungen brauchen Zeit. Dies ist wohl das stärkste Argument für
eine Entwicklung gemäß dem Basisszenario. Insbesondere der Ausbau von Alterna-
tiv-Angeboten zur stationären Pflege benötigt Zeit und muss zudem für die Betrei-
ber wirtschaftlich darstellbar sein.
Ein Rückgang der Pflegeprävalenzen ist bisher nicht zu beobachten (siehe oben).
Eine Entwicklung gemäß dem Szenario Gesundheit ist derzeit nicht abzusehen.
Mit dem Basisszenario geht ein hoher zusätzlicher Bedarf an Pflegefachkräften ein-
her. Der Personalengpass kristallisiert sich jedoch zunehmend als limitierender Fak-
tor für die Ausweitung der personalintensiven stationären Pflege heraus.
Bewertung und Handlungsempfehlungen
91 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
Die ambulanten Leistungen wurden im Zuge des PSG I bis III ausgeweitet (siehe
oben), was eher für eine Entwicklung in Richtung der ambulanten Pflege spricht.
Fazit
Angesicht der geschilderten Rahmenbedingungen wird erwartet, dass die Entwicklung
sich zukünftig im Bereich des Basisszenarios und des Szenarios Ambulantisierung bewe-
gen wird. Inwieweit es gelingt, die zusätzliche Nachfrage nach Pflegeinfrastrukturen in
ambulante Pflegesettings zu lenken, wird maßgeblich davon abhängen, inwieweit die
Unterstützungsstrukturen rund um die häusliche Pflege verbessert werden. Insbesondere
ein Ausbau des Angebots für Demenzkranke wird notwendig sein, um zukünftig einen
geringeren Anteil von Personen in stationären Einrichtungen zu versorgen. Darüber hin-
aus sind altengerechte Wohnungsangebote auszubauen, quartiersorientierte Ansätze
und Prozesse zu initiieren sowie Netzwerke und Beratungsangebote für Pflegebedürftige
und pflegende Angehörige zu stärken (siehe folgendes Kapitel.)
Niedrigere Pflegequoten bzw. eine Entwicklung gemäß des Szenarios Gesundheit wird
zumindest kurzfristig nicht erwartet. Insbesondere bei den niedrigen Pflegegraden könn-
ten die Pflegeprävalenzen kurzfristig sogar leicht ansteigen. So hat sich gezeigt, dass die
Antragszahlen im Zuge der Leistungsausweitungen durch das PSG II und III deutlich ge-
stiegen sind. In der Folge kann es (kurzfristig) sogar zu einer Erhöhung der positiven
Begutachtungen bei den niedrigen Pflegegraden kommen.
Eine stärkere Professionalisierung wird sich aufgrund des Personalengpasses eher in
Form von optimierten Strukturen und Abläufen zeigen, als in einer Aufstockung des Per-
sonals.
Im Folgenden werden aus den Analyse- und Befragungsergebnissen abgeleitete Hand-
lungsempfehlungen dargestellt, die helfen sollen, auch zukünftig ein ausreichendes und
qualitativ hochwertiges Pflege- und Betreuungsangebot im Rhein-Kreis Neuss sicherzu-
stellen.
10.1 Handlungsempfehlungen – Pflegeinfrastruktur
○ Aktuell verfügt der Rhein-Kreis Neuss noch über ausreichend vollstationäre
Plätze. Die Bedarfsprognose zeigt jedoch, dass unabhängig vom gewählten Sze-
nario zukünftig eine Kapazitätsausweitung erforderlich sein wird. In welchem Um-
fang dies notwendig wird, hängt davon ab, inwieweit die Unterstützungsstruktu-
ren im ambulanten Bereich (informell und professionell) ausgebaut werden kön-
nen.
○ Bereits heute besteht ein spürbarer Nachfrageüberhang nach ambulanten Pfle-
geeinrichtungen. Die ambulanten Pflegedienstleister sind aufgrund des Personal-
mangels nicht in der Lage ihre Kapazitäten im erforderlichen Umfang aufzusto-
cken. Eine Verbesserung kann nur erreicht werden, wenn die Personalsituation
sich insgesamt entspannt. Entsprechende Maßnahmen zur Personalgewinnung
Bewertung und Handlungsempfehlungen
92 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
sollten deshalb konsequent und möglichst kreisübergreifend durchgeführt wer-
den (vgl. Kap. 10.3).
○ Im Rhein-Kreis Neuss besteht ein Defizit an solitären Kurzzeitpflegeplätzen. Bei
den derzeitigen Angeboten handelt es sich fast ausschließlich um eingestreute
Plätze. Vor dem Hintergrund der steigenden Auslastung in den Heimen ist abzu-
sehen, dass ein Großteil der eingestreuten Kurzzeitpflegeplätze zukünftig nicht
mehr zur Verfügung stehen wird. Um dieser Situation entgegenzuwirken, ist der
Ausbau von solitären Plätzen umzusetzen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die
Kosten für solitäre Plätze aufgrund der hohen Fluktuation sowie das damit ver-
bundene Risiko temporärer Leerstände tendenziell höher sind.
○ Stationäre Pflegeeinrichtungen sollten sich stärker auf die wachsende Klientel von
demenziell erkrankten Menschen spezialisieren. In diesem Zusammenhang müs-
sen sowohl bauliche und konzeptionelle Anpassungen in den stationären Einrich-
tungen erfolgen, als auch das Personal entsprechend geschult werden.
○ Pflegedienstleister sollten ihr Angebotsspektrum weiter ausbauen. Erfahrungen
zeigen, dass durch die Kombination von ambulanten, teilstationären und statio-
nären Pflegeangeboten wichtige Synergien erzielt werden können. So haben ei-
nige Träger begonnen, komplette Versorgungsketten im ambulanten und pfle-
genahen Bereich aufzubauen. Dazu zählen Leistungen der Pflegeberatung, nied-
rigschwellige Leistungen und Entlastungsleistungen, betreute Wohnungsange-
bote und Tagespflegeeinrichtungen wie auch ambulante Pflegedienste und die
stationären Angebote. Die Koordination, Beratung und Betreuung des einzelnen
Pflegefalls kann in diesem Fall aus einer Hand erfolgen und den kompletten Pfle-
gezeitraum abdecken.
○ Zu einer ganzheitlichen Versorgung zählt auch die Abstimmung der Planung mit
weiteren Akteuren. Dazu zählen u.a. die Hausärzte, Reha-Maßnahmen, Hospiz-
und Palliativversorgung oder die Betreuung von Menschen mit Behinderung. Im
besten Fall koordiniert und berät ein Fallmanager den Pflegebedürftigen und die
pflegenden Angehörigen. Zu prüfen ist, auf welcher Ebene das Fallmanagement
angesiedelt werden sollte. Denkbar ist, dass der Kreis (im Zuge der „Modellkom-
mune Pflege“) sich an dieser Stelle stärker einbringt oder aber die Träger (im
Sinne ganzheitlicher Pflegedienstleister) diese Aufgabe übernehmen.
○ Vor dem Hintergrund einer steigenden Anzahl demenziell veränderter Menschen
müssen Alternativen auch in der ambulanten Versorgung geschaffen werden. Von
zentraler Bedeutung sind alternative Wohnformen wie beispielsweise ambulante
Pflegegemeinschaften für Demenzkranke. Diesbezüglich sind auch die Kommu-
nen gefordert. Entsprechende Vorhaben sollten unterstützt werden. So könnten
beispielsweise geeignete Bauflächen vorgehalten und Investoren und Träger be-
raten werden.
Bewertung und Handlungsempfehlungen
93 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
○ Generell ist es förderlich, wenn der Bestand an barrierearmen/barrierefreien Woh-
nungen sukzessive ausgebaut wird. Gleiches gilt für das Wohnumfeld. So ermög-
licht ein altengerechtes Wohnumfeld einen längeren Verbleib in der eigenen
Häuslichkeit.
10.2 Handlungsempfehlungen - Quartiersansätze
○ Ein ganzheitliches Quartiersmanagement ist ein zentraler Baustein, um dem
Wunsch nach möglichst langer Selbstständigkeit im Alter gerecht zu werden.
Hierfür braucht es kleinräumlich integrierte Handlungsansätze zur Stärkung des
lokalen Pflegepotenzials. In einem ersten Schritt ist zu identifizieren, welche Ak-
teure in die Quartiersarbeit eingebunden bzw. an welchen Stellen zusätzliche An-
gebote „angedockt“ werden können. Zudem ist eine verstärkte Öffnung von Pfle-
geheimen im Quartier durch erweiterte Pflegeangebote im Bereich der Kurzzeit-
und Tagespflege sowie der ambulanten Pflege in Kombination mit niederschwel-
ligen Beratungsformaten wünschenswert.
○ Zur Aktivierung und Unterstützung von Netzwerken und Angeboten im Quartier
könnte ein kompetenter Ansprechpartner in den einzelnen Gemeinden/Quartie-
ren fungieren (Loste/Kümmerer). Hierbei ist zu prüfen, in welchem Umfang pro-
fessionelle und/oder ehrenamtliche Helfer eingesetzt werden können. Ein „Pfle-
gelotse“ könnte folgende Aufgaben wahrnehmen:
o Netzwerkarbeit - Potenziale identifizieren und Schlüsselpersonen entde-
cken
o Beratungs- und Informationsangebote bündeln
o Zusammenarbeit mit Dolmetschern und Mitarbeitern mit Migrationser-
fahrung
o Koordinierung Ehrenamtlicher Helfer
o Öffentlichkeitsarbeit
o Bedürfnisse erfragen
o Anlässe für Teilhabe und nachbarschaftliche Begegnung schaffen
Orientierung für den Aufbau und den Betrieb entsprechender Einrichtungen bie-
tet beispielsweise das Lotsenpunktprojekt in Neuss mit derzeit 4 Stationen.
○ Die Initiierung des Quartiersmanagements ist im Kern eine kommunale Aufgabe.
Der Kommune kommt eine entscheidende Rolle als Initiatorin und Moderatorin
von Erfolg versprechenden Ansätzen zu. Um ihre Rolle effektiv ausfüllen zu kön-
nen, brauchen die Kommunen ein Mindestmaß an Personalressourcen mit aus-
gewiesenen koordinierenden und planerischen Aufgabenschwerpunkten. In eini-
gen Kommunen des Rhein-Kreises Neuss ist dies bislang nicht ausreichend um-
gesetzt worden bzw. den Kommunen fehlen die notwendigen finanziellen Mittel.
Vor dem Hintergrund der möglichen Kosteneinsparungen, die durch gute Quar-
tiersarbeit erzielt werden können, sollte eine Ausweitung des Engagements noch-
mals geprüft werden.
Bewertung und Handlungsempfehlungen
94 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
10.3 Personalentwicklung
○ Um eine angemessene Pflege zu gewährleisten, ist eine ausgewogene Personal-
struktur nötig, die sich aus Hilfskräften, Pflegefachkräften und spezialisierten Pfle-
gekräften zusammensetzt. Eine große Herausforderung ist die Gewinnung von
qualifiziertem Pflegepersonal. Die Arbeit in der Pflege muss attraktiver werden,
um auch junge Menschen für dieses Berufsfeld zu erreichen. Neben einer ange-
messenen Bezahlung sind auch die Arbeitsbedingungen ein wichtiger Faktor.
○ Ein Ansatz die Personalsituation zu verbessern, besteht darin, die große Zahl der
Teilzeitkräfte der Pflegekräfte zu motivieren die Arbeitszeit auszuweiten. Eine
mögliche Maßnahme in diesem Bereich ist die Erarbeitung von Konzepten zur
Ausweitung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Form von flexiblen Ar-
beitszeiten.
○ Gemeinsam mit dem Rhein-Kreis Neuss könnte zudem eine Strategie entwickelt
werden, die das Image des Pflegeberufes verbessert, indem die positiven Aspekte
des Pflegeberufs herausgearbeitet werden.
○ Neben einem gezielten Anwerben von inländischen Pflegekräften sollte zudem
versucht werden Personen mit Migrationshintergrund für den Pflegeberuf zu ge-
winnen. In diesem Zuge sind die bestehenden Ansätze („bunte Pflege“) zu evalu-
ieren und ggf. anzupassen.
10.4 Beratung und Netzwerk
○ Beratung für Pflegebedürftige und deren Angehörige ist ein wichtiger Bestandteil
einer funktionierenden Pflegeinfrastruktur, da Fehlzuweisungen vermieden und
das Spektrum an Unterstützungsmöglichkeiten aufgezeigt werden kann. Wichtig
ist, dass die Beratung bei den Menschen vor Ort erfolgt und in einem Fallma-
nagement auf individuelle Bedürfnisse eingegangen wird. Hierbei ist es erforder-
lich die Gesamtsituation zu bewerten. Hierzu sind:
o die individuellen Möglichkeiten der Pflegebedürftigen,
o die Wohnsituation (Wohnung und Wohnumfeld) sowie
o die Fähigkeiten und Potenziale der Angehörigen und des nachbarschaft-
lichen Umfelds
zu bewerten.
○ Grundsätzlich sollte die Beratung von pflegenden Angehörigen stärker in den Fo-
kus genommen werden. Häufig werden bestehende Angebote erst dann ange-
nommen, wenn die Pflegenden „nicht mehr können“. Ziel sollte es sein, in einem
frühen Stadium der Pflegebedürftigkeit die Gesamtsituation zu analysieren und
darauf abgestimmte Hilfen anzubieten bzw. Hilfen zu koordinieren. Hausbesuche
stellen in diesem Zusammenhang ein wichtiges Beratungsformat dar.
Bewertung und Handlungsempfehlungen
95 Pflegebedarfsplanung Rhein-Kreis Neuss
○ Die informellen Leistungen der Angehörigen sollten durch professionelle Netz-
werke und Angebote gestützt werden. Ein Ansatz könnte beispielsweise die För-
derung von Selbsthilfenetzwerken sein.
10.5 Ehrenamt
○ Ehrenamtliches Engagement kann die professionelle Pflege entlasten bzw. auf-
werten und als ein wichtiges Bindeglied in den Gemeinden wirken. Viele Ehren-
amtliche sind 65 Jahre und älter. Um eine dauerhafte Struktur von Ehrenamtlichen
zu erhalten, müssen auch jüngere Menschen für das Ehrenamt gewonnen werden.
In diesem Zusammenhang braucht es eine intensive Öffentlichkeitsarbeit und ein
Marketing, dass das Ehrenamt für verschiedene Zielgruppen attraktiv macht. Teil
einer solchen Öffentlichkeitsarbeit sollte auch die Anerkennung des ehrenamtli-
chen Engagements sein. Ein Beispiel hierfür ist die Ehrenamtskarte der Stadt
Neuss.
○ Wichtig ist auch eine ausreichende Qualifizierung von Ehrenamtlichen. Regelmä-
ßige Schulungen von Ehrenamtlichen tragen nicht nur zu einer höheren Qualität
der ehrenamtlichen Arbeit bei, sondern erleichtern Interessierten auch den Zu-
gang zu einem Ehrenamt. Eine umfassende Schulung vor Antritt des Ehrenamts
wird beispielsweise von der Alzheimer Gesellschaft Kreis Neuss/Nordrhein e.V.
durchgeführt.
10.6 Monitoring
○ Für eine nachhaltige Entwicklung der Pflegeinfrastruktur ist ein kontinuierliches
Monitoring der Bedarfe und der verfügbaren Ressourcen notwendig. Auf kom-
munaler Ebene sollten wie bisher Angebots-/und Nachfrageüberhänge im Be-
reich der stationären Pflege ermittelt werden, um eine bedarfsgerechte Planung
zu ermöglichen. Zudem ist die Entwicklung im Bereich der Tages- und Kurzzeit-
pflege zu beobachten, um auch hier Angebotsengpässe bzw. Überkapazitäten zu
vermeiden.
○ Zu einem umfassenden Monitoring gehört auch die statistische Erfassung von
Verflechtungen mit den umliegenden Gemeinden. Aufbauend auf den vorliegen-
den Ergebnissen sollte zukünftig erfasst werden, wo und in welchem Umfang
Pflegebedürftige außerhalb des Rhein-Kreises Neuss untergebracht werden und
wie sich eine Versorgung von Zugezogenen von außerhalb des Kreises auf die
Pflegeinfrastruktur im Rhein-Kreis Neuss auswirkt.
○ Um die Transparenz für alle Akteure und hierunter insbesondere für die Pflege-
bedürftigen und pflegenden Angehörigen zu erhöhen, sollte eine Anbieterdaten-
bank aufgestellt werden. Ziel sollte sein, die Angebote und Leistungen der Pfle-
gedienstleister differenziert nach den einzelnen Kommunen darzustellen. Die Da-
tenbank sollte öffentlich zugänglich sein und beispielsweise freie Kapazitäten im
Bereich der Kurzzeitpflege aufzeigen.
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