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BfR-Forum Verbraucherschutz 5./6. Juli 2007 Pflanzliche Stoffe mit toxischem Potential in Lebensmitteln und Futtermitteln Gerhard Eisenbrand Technische Universität Kaiserslautern Fachbereich Chemie Fachrichtung Lebensmittelchemie / Toxikologie

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BfR-Forum Verbraucherschutz5./6. Juli 2007

Pflanzliche Stoffe mit toxischem Potentialin Lebensmitteln und Futtermitteln

Gerhard EisenbrandTechnische Universität Kaiserslautern

Fachbereich ChemieFachrichtung Lebensmittelchemie / Toxikologie

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Beurteilung von potentiell toxischen Pflanzenstoffen

Pflanze mit potentielltoxischem Inhaltsstoff

Futtermittel

Tierische Lebensmittel

Verb

rau

ch

ers

ch

utz

PflanzlicheLebensmittel

Mensch

Tie

rge

su

nd

heit

Tier

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Beurteilung von potentiell toxischen Pflanzenstoffen

Paracelsus (Theophrastus von Hohenheim, 1493-1541)

„All Ding’ sind Gift und nichts ohn’ Gift; allein die Dosis macht, dass ein Ding keinGift ist.“

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� natürliche Bestandteile von Obst, Gemüse, Kräutern und Gewürzen

� normale und abwechslungsreiche Ernährung

���� geringe Exposition , geringes Risiko

� Potentiell problematisch:

erhöhte Exposition, z.B. bei einseitiger Ernährung oder bei

Einnahme bestimmter Nahrungsergänzungsmittel

Beurteilung von potentiell toxischen Pflanzenstoffen

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Phototoxizität

Metabolisierungvon Fremdstoffen

Furocumarine

Johanniskraut

OO O

R1

R2

12

345

81‘2‘

3‘4‘

5‘

Hyperforin

Cumarin, Kavalaktone

Lebertoxizität

ZellatmungCyanogeneGlykoside

Amygdalin

Mechanismen toxischer Wirkungen/Angriffspunktevon Pflanzenstoffen

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Neurotoxizität

αααα-ThujonGABA –R-Antagonist

MorphinZNS

Solanin, ChaconinCholinesterasehemmung

Ephedrin Alk. : adrenerge Rezeptoren

O

Mechanismen toxischer Wirkungen/Angriffspunktevon Pflanzenstoffen

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Hormonsystem

Isoflavone

estrogene Wirkung , Signalling , DNA

Glycyrrhizin

mineralkortikoide Wirkung

O

H

H

COOH

H

O

O

COOH

OH

OH

O

OOH

OH

OH

HOOC

OHO

OH OOH

Genistein

Mechanismen toxischer Wirkungen/Angriffspunktevon Pflanzenstoffen

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Genotoxizität/Kanzerogenität

OCH3

R

CH2

CHCH2

CH2

CHCH2

O

O

Safrol

Methyeugenol, Estragol

Aristolochiasäure

Pyrrolizidinalkaloide

Mechanismen toxischer Wirkungen/Angriffspunktevon Pflanzenstoffen

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Risikobewertung / Management: Maßnahmen

� die Ableitung von TDIs (duldbare tägliche Aufnahmemenge),

z.B. Cumarin

� die Festlegung von Höchstmengen in Lebens- und Futtermitteln

z.B. Thujon, Glycoalkaloide, Mutterkorn

bzw. die Ableitung von „sicheren Höchstaufnahmemengen“

(safe upper limits), z.B. ββββ-Carotin

� Verwendungs-, Verzehrsempfehlungen/-einschränkungen

z.B. Estragol, Methyleugenol, Safrol, Glycyrrhizin

� Information des Verbrauchers zu möglichen nachteiligen

Wirkungen, z. B. Johanniskraut, Glycyrrhizin, Kava-Kava

� Verbot spezifischer Pflanzenvarietäten und/oder deren Inhaltsstoffe,

z.B. Aristolochiasäure, Pyrrolizidinalkaloide, Kava-Kava

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Toxizität

akute/subakute Toxizität: moderat LD50 ca. 0,5-2 g/kg KG/d (Methyleugenol und Safrol)

chronische Toxizität/Kanzerogenität:Lebertumoren nach oraler oder i.p. Gabe (Ratte, Maus)(Estragol: ab 31,8 mg/kg KG i.p.)

Genotoxizität: Induktion von DNA Schäden (Addukten)

Methyleugenol, Estragol, Safrol:Gefahrenidentifizierung und -charakterisierung

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S. Guth Universität Kaiserslautern

Vorkommen/Exposition

Exposition/geschätzte durchschnittliche Aufnahme(SCF, 2001 und 2002)

Methyleugenol: 13 mg/Tag Estragol: 4,3 mg/Tag Safrol: 0,3 mg/Tag

• Bei Untersuchungen in Deutschland wurden Spitzenkonzentrationen bis zu 1,5 mg/l mehrfach in Baby- bzw. Kinderteeaufgüssen gemessen.

• Gehalte in Aufgüssen teeähnlicher Erzeugnisse und verwandter Produkte unterliegen großen Schwankungen

(CVUA Karlsruhe, 2003)

Methyleugenol und Estragol: Estragon, Basilikum, Fenchel, Anis, Sternanis,Muskatnuss, Piment, ZitronengrasSafrol: Muskatnuss, Muskatblüte, Zimt, Anis, schwarzer Pfeffer, Basilikum

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Metabolisierung am Beispiel Estragol

OMe

CH2

CH

CH2

OH

CH2

CH

CH2

OMe

HC

OHCH

CH2

OMe

HCCH

CH2

+

OMe

HCO

3SO C

H

CH2-

Estragol 1´-Hydroxy-estragol

O-Demethylierung

DNA Addukte/ Genotoxizität

SulfotransferaseCYP 450

1´-Sulfoxy-estragol

höhere Dosisbei > 10 mg/kg (Tierversuche)

niedrige Dosis1,5 µg/kg KG

Aufnahme mit der Nahrung:4,3 mg/Person entsprechend 60 µg/kg KG

Glucuronidierung/ Ausscheidung im Urin

+ ca. 0,5 %

1´-Hydroxyestragol

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Metabolisierung: Estragol

SCF, 2001

Humandaten:

• bei Einnahme von 100 µg (ca. 1,5 µg/kg KG, ♂ Probanden, 6 Monate)

���� bis max. 0,5% 1´-Hydroxyestragol im Urin

Ratte:

• hoher Dosisbereich (150 – 600 mg/kg KG): prozentuale Bildung von

1´-Hydroxyestragol 5-10-fach höher als im Niedrigen (0,05 – 50 mg/kg KG)

p.o. Gabe von 37,4 mg/kg KG ���� Urinausscheidung ���� 2 mg/kg KG 1´-Hydroxyestragol

p.o. Gabe von 0,050 mg/kg KG ���� Urinausscheidung ���� 0,00045 mg/kg KG - “ -

(ca. 1/6 der erwarteten Menge)

���� Nichtlinearer Zusammenhang

(erheblich geringere Bildung des Metaboliten bei niedriger Dosis)

Smith et al., Food Chem. Toxicol. 40, 851-870 (2002)Opinion of the Scientific Committee on Food on Estragole (2001)

Fragen: Urinausscheidung geeigneter Biomarker für Exposition ?Bioaktivität des Glucuronids ?

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Methyleugenol, Estragol, Safrol:Risikobewertungen

EU-SCF (Scientific Committee on Food), 2001:

• Methyleugenol, Estragol und Safrol: genotoxische Kanzerogene

• Ein Schwellenwert kann nicht definiert werden ���� kein Grenzwert

für sichere Exposition

� Minimierung der Exposition

� Beschränkung der Einsatzkonzentration

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Methyleugenol, Estragol, Safrol:Risikobewertung, Empfehlungen

Stellungnahmen des BgVV (1999 bis 2002)

• Das BgVV empfiehlt aus Gründen des präventiven Verbraucherschutzes

der lebensmittelherstellenden Industrie Maßnahmen zu ergreifen, um die

Gehalte in Lebensmitteln weitestgehend zu minimieren.

• Für Lebensmittel, die regelmäßig in größeren Mengen über längere Zeiträume

konsumiert werden könnten oder die zur Ernährung von Kindern vorgesehen sind,

sollten die Gehalte, sofern dies durch adäquate technologische Maßnahmen

erreichbar ist, unter die Nachweisgrenze gesenkt werden.

• Das Risiko für Verbraucher kann derzeit nicht abgeschätzt

werden. Es dürfte jedoch wegen der relativ kleinen Aufnahmemengen dieser

Stoffe nicht sehr hoch sein. Untersuchungen, die eine konkrete Gesundheits-

gefährdung beim Menschen belegen, liegen bisher nicht vor.

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Pflanzliche Stoffe mit toxischem Potential in Lebensmitteln

Beschlüsse der DFG Senatskommission zur gesundheitlichenBewertung von Lebensmitteln (SKLM)

� αααα,ββββ ungesättigte Aldehyde (2001)

� Pyrrolizidinalkaloide (2003)

� Flavonoide/Polyphenole (2003)

� Furocumarine (2004)

� Glycyrrhizin (2005)

� Isoflavone (2006)

� Natürliche Lebensmittel-Inhaltsstoffe: Beurteilung der Toxizität

einer Substanz bei isolierter Verabreichung im Vergleich zur

Aufnahme als Bestandteil der Nahrung (2006)

www.dfg.de/sklm

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ZusammenfassungBeurteilung von potentiell toxischen Pflanzenstoffen

� Es gibt ein breites Spektrum potentiell toxischer Pflanzeninhaltsstoffe

� Für die Bewertung ist die Betrachtung der Aufnahmemenge

entscheidend:

� Eine Aufnahme dieser Stoffe als Bestandteil natürlicher

Nahrungsmittel in meist kleinen Aufnahmemengen ist in der

Regel unbedenklich

� Die Verwendung in isolierter und angereicherter Form ist mit der

natürlichen Aufnahme nicht vergleichbar

Merke: „Natürlich bedeutet nicht „sicher“!“