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Periodic Table kuratiert von Katalin Timár Dora García I Martin Schmidl I Nick Crowe I Nika Radic I Stefan Nikolaev Eröffnung: Donnerstag, 12. November 2009, 19.00 – 21.30 Uhr um 19.30 Uhr: Dora García »Eine Führung zu Nichts: Der Künstler ohne Werke«, Performance mit Jan Mech Ausstellungsdauer: 12. November 2009 – 16. Januar 2010 Traversée präsentiert mit großer Freude die Ausstellung Periodic Table kuratiert von Katalin Timár. In der Ausstellung Periodic Table werden Arbeiten von fünf etablierten und international anerkannten Künstlern gezeigt: Nick Crowe (GB-DE), Dora García (ES-BE), Stefan Nikolaev (BG-FR), Nika Radic (HR-DE), and Martin Schmidl (DE). Durch diese Verbindung, in einem Kontext, den die Arbeiten gegenseitig für sich herstellen, entsteht ein neues Element von künstlerischen Praktiken und ihrer Produktion im „Periodensystem“. Die Entdeckung einer vormals unbekannten Substanz (Copernicium) und dessen Eingliederung in das bestehende Periodensystem vor wenigen Monaten rückt die Fragwürdigkeit der Grenzen der naturwissenschaftlichen Forschung in unser Bewusst- sein; dies kann Metapher für das grenzenlose Potential sein, welches im künstlerischen Schaffen der Zukunft liegt. Dieses neue Element birgt noch weitere metaphorische Konsequenzen für die Ausstellung. Es wurde nach Nicolaus Copernicus benannt, einem der bedeutendsten Wissenschaftler der Neuzeit, welcher die Betrachtungsweise der Stellung des Menschen im Universum grundlegend verändert hat. Copernicium ist dem Element Quecksilber sehr ähnlich, existiert jedoch nur für den Bruchteil einer Sekunde; Geschwindigkeit und Beweglichkeit sind somit seine wesentlichen Eigenschaften. Die Neuentdeckung eines Elementes (oder, übertragen auf diesen Zusammenhang: das Auftauchen eines neuen Werkes) ruft im Rückblick eine Neudefinierung des bestehenden Systems chemischer Substanzen (oder: der Kunst) hervor und ist dadurch imstande unsere Betrachtungsweisen unterschiedlicher Aspekte der Wirklichkeit neu zu bestimmen. In einem Punkt unterscheidet sich Periodic Table auf fundamentale Weise vom Periodensystem, nämlich darin, dass im letzteren jedes Element nur eine mögliche Position einnehmen kann. In der Tat basiert die Erstellung eines solchen wissenschaftlichen Systems, darauf, dass alle seine Einzelteile eine fixe und stabilen Position innerhalb der Struktur haben. In der Ausstellung Periodic Table nehmen die Werke wohl einen physischen Ort im Ausstellung- sraum, jedoch unendlich viele mögliche Interpretationen und Bedeutungen innerhalb des geistigen Anschauung- srasters des Betrachters ein. Nick Crowe’s Installation (The Witkowski Collection, 2008) geht von der alkoholischen Miniaturflaschensammlung aus, welche der polenstämmige, in London lebende Ingenieur Wojciech Witkowski im Laufe seines Lebens zusam- mengetragen hat (1930-1997). In Crowe’s Interpretation dieser Sammlung verbindet sich das persönliche und eigentümliche Interesse eines Durchschnittsmenschen mit der allgemein bekannten Geschichte des 20. Jahrhun- derts und ihren geopolitischen Auswirkungen, dies unter besonderer Betonung von deren Absurdität. Dora García’s Eröffnungsperformance (Der Künstler ohne Werke: Eine Führung zu Nichts) verwendet die Form des Monologes, getarnt als Führung, wie sie in der heutigen Museums- und Ausstellungspraxis verbreitet ist. Im Laufe der Führung tritt jedoch ihr provokanter und philosophischer Charakter zu Tage – zwei Mittel, welche den Betra- chter dazu anregen sollen, das System und die Produktion der heutigen Kunst, welche sehr oft in der Herstellung von „noch einem Objekt“ für den glücklichen Konsum besteht, zu hinterfragen. Die Paradoxität der Performance liegt jedoch in seiner Existenz. In Stefan Nikolaev’s Serie von Dyptichen werden verschiedene Ebenen von Text- und Bildinformation miteinander kombiniert. Die einzelnen Ebenen werden nicht zu Bildern vereint, sondern behalten ihre spezifischen Bedeu- tungseigenschaften bei und stehen im Dialog miteinander. Die verschiedenen Darstellungsweisen – im Sinne von Formgebung und materieller Erscheinung -, mit welchen sich die Arbeit an den Betrachter wendet, schaffen eine Dynamik der Ungewissheit, welche durch den fragmenthaften Charakter der Einzelteile verstärkt wird. Nika Radic’s ortspezifische Nachtprojektion (Office Cleaning, 2009), bildet ein schiefes Verhältnis zwischen dem Betrachter und dem, was er zu sehen ausgesetzt, da das Video Putzfrauen bei Ihrer Arbeit im Raum zeigt. Das Schauen der Betrachter kann aus mehreren Gründen für „deplatziert“ befunden werden: sie erhalten die Möglich- keit einen Blick in einen Raum zu werfen, wenn sie es nicht sollten, Menschen anzusehen, die arbeiten, während sie sich selbst in der Freizeit befinden und sie bekommen ein Kunstwerk zu sehen mit Menschen, die sich in der Galerie nicht aus Spaß sondern zum Arbeiten aufhalten. Martin Schmidl’s Serie (/uni-ball eye mitsubishi 3 / Common Design – Lectures) umfasst 180 Zeichnungen, welche der Künstler während oder inspiriert von Vorträgen geschaffen hat. In diesen Bildern verwischen sich auf geschickte Weise die Grenzen zwischen Dokumentar und Fiktion, zwischen Realismus und Karikatur, zwischen bildlichen und verbalen Darstellungen. Es sind persönliche Eindrücke, welche die Form einer soziokulturellen Untersuchung von stark kodierten und in spezifischen Zusammenhängen auftretenden Verhaltensmustern annehmen. Katalin Timár Katalin Timár ist Kuratorin und Kunsttheoretikerin. Sie arbeitet als Kuratorin am Ludwig Museum of Contemporary Art in Budapest. 2007 kuratierte Sie den Ungarischen Pavillion auf der Biennale von Venedig und wurde hierfür mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet. ´ ´ ´

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Periodic Table kuratiert von Katalin Timár

Dora García I Martin Schmidl I Nick Crowe I Nika Radic I Stefan Nikolaev

Eröffnung: Donnerstag, 12. November 2009, 19.00 – 21.30 Uhrum 19.30 Uhr: Dora García »Eine Führung zu Nichts: Der Künstler ohne Werke«, Performance mit Jan MechAusstellungsdauer: 12. November 2009 – 16. Januar 2010

Traversée präsentiert mit großer Freude die Ausstellung Periodic Table kuratiert von Katalin Timár.

In der Ausstellung Periodic Table werden Arbeiten von fünf etablierten und international anerkannten Künstlern gezeigt: Nick Crowe (GB-DE), Dora García (ES-BE), Stefan Nikolaev (BG-FR), Nika Radic (HR-DE), and Martin Schmidl (DE). Durch diese Verbindung, in einem Kontext, den die Arbeiten gegenseitig für sich herstellen, entsteht ein neues Element von künstlerischen Praktiken und ihrer Produktion im „Periodensystem“. Die Entdeckung einer vormals unbekannten Substanz (Copernicium) und dessen Eingliederung in das bestehende Periodensystem vor wenigen Monaten rückt die Fragwürdigkeit der Grenzen der naturwissenschaftlichen Forschung in unser Bewusst-sein; dies kann Metapher für das grenzenlose Potential sein, welches im künstlerischen Schaffen der Zukunft liegt. Dieses neue Element birgt noch weitere metaphorische Konsequenzen für die Ausstellung. Es wurde nach Nicolaus Copernicus benannt, einem der bedeutendsten Wissenschaftler der Neuzeit, welcher die Betrachtungsweise der Stellung des Menschen im Universum grundlegend verändert hat. Copernicium ist dem Element Quecksilber sehr ähnlich, existiert jedoch nur für den Bruchteil einer Sekunde; Geschwindigkeit und Beweglichkeit sind somit seine wesentlichen Eigenschaften. Die Neuentdeckung eines Elementes (oder, übertragen auf diesen Zusammenhang: das Auftauchen eines neuen Werkes) ruft im Rückblick eine Neudefinierung des bestehenden Systems chemischer Substanzen (oder: der Kunst) hervor und ist dadurch imstande unsere Betrachtungsweisen unterschiedlicher Aspekte der Wirklichkeit neu zu bestimmen.In einem Punkt unterscheidet sich Periodic Table auf fundamentale Weise vom Periodensystem, nämlich darin, dass im letzteren jedes Element nur eine mögliche Position einnehmen kann. In der Tat basiert die Erstellung eines solchen wissenschaftlichen Systems, darauf, dass alle seine Einzelteile eine fixe und stabilen Position innerhalb der Struktur haben. In der Ausstellung Periodic Table nehmen die Werke wohl einen physischen Ort im Ausstellung-sraum, jedoch unendlich viele mögliche Interpretationen und Bedeutungen innerhalb des geistigen Anschauung-srasters des Betrachters ein.Nick Crowe’s Installation (The Witkowski Collection, 2008) geht von der alkoholischen Miniaturflaschensammlung aus, welche der polenstämmige, in London lebende Ingenieur Wojciech Witkowski im Laufe seines Lebens zusam-mengetragen hat (1930-1997). In Crowe’s Interpretation dieser Sammlung verbindet sich das persönliche und eigentümliche Interesse eines Durchschnittsmenschen mit der allgemein bekannten Geschichte des 20. Jahrhun-derts und ihren geopolitischen Auswirkungen, dies unter besonderer Betonung von deren Absurdität.Dora García’s Eröffnungsperformance (Der Künstler ohne Werke: Eine Führung zu Nichts) verwendet die Form des Monologes, getarnt als Führung, wie sie in der heutigen Museums- und Ausstellungspraxis verbreitet ist. Im Laufe der Führung tritt jedoch ihr provokanter und philosophischer Charakter zu Tage – zwei Mittel, welche den Betra-chter dazu anregen sollen, das System und die Produktion der heutigen Kunst, welche sehr oft in der Herstellung von „noch einem Objekt“ für den glücklichen Konsum besteht, zu hinterfragen. Die Paradoxität der Performance liegt jedoch in seiner Existenz. In Stefan Nikolaev’s Serie von Dyptichen werden verschiedene Ebenen von Text- und Bildinformation miteinander kombiniert. Die einzelnen Ebenen werden nicht zu Bildern vereint, sondern behalten ihre spezifischen Bedeu-tungseigenschaften bei und stehen im Dialog miteinander. Die verschiedenen Darstellungsweisen – im Sinne von Formgebung und materieller Erscheinung -, mit welchen sich die Arbeit an den Betrachter wendet, schaffen eine Dynamik der Ungewissheit, welche durch den fragmenthaften Charakter der Einzelteile verstärkt wird.Nika Radic’s ortspezifische Nachtprojektion (Office Cleaning, 2009), bildet ein schiefes Verhältnis zwischen dem Betrachter und dem, was er zu sehen ausgesetzt, da das Video Putzfrauen bei Ihrer Arbeit im Raum zeigt. Das Schauen der Betrachter kann aus mehreren Gründen für „deplatziert“ befunden werden: sie erhalten die Möglich-keit einen Blick in einen Raum zu werfen, wenn sie es nicht sollten, Menschen anzusehen, die arbeiten, während sie sich selbst in der Freizeit befinden und sie bekommen ein Kunstwerk zu sehen mit Menschen, die sich in der Galerie nicht aus Spaß sondern zum Arbeiten aufhalten.Martin Schmidl’s Serie (/uni-ball eye mitsubishi 3 / Common Design – Lectures) umfasst 180 Zeichnungen, welche der Künstler während oder inspiriert von Vorträgen geschaffen hat. In diesen Bildern verwischen sich auf geschickte Weise die Grenzen zwischen Dokumentar und Fiktion, zwischen Realismus und Karikatur, zwischen bildlichen und verbalen Darstellungen. Es sind persönliche Eindrücke, welche die Form einer soziokulturellen Untersuchung von stark kodierten und in spezifischen Zusammenhängen auftretenden Verhaltensmustern annehmen.

Katalin Timár

Katalin Timár ist Kuratorin und Kunsttheoretikerin. Sie arbeitet als Kuratorin am Ludwig Museum of Contemporary Art in Budapest. 2007 kuratierte Sie den Ungarischen Pavillion auf der Biennale von Venedig und wurde hierfür mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet.

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Periodic Tablecurated by Katalin Timár

Dora García I Martin Schmidl I Nick Crowe I Nika Radic I Stefan Nikolaev

Opening: Thursday, 12th november 2009, 7 - 9.30 p.m.at 7.30p.m.: Dora García »The Artist without Works, a Guided Tour around Nothing«, Performance with Jan MechExhibition: 12th November 2009 – 16th January 2010

Traversée is very pleased to present the exhibition Periodic Table curated by Katalin Timár.

The exhibition Periodic Table shows the work of five internationally recognized and accomplished artists: Nick Crowe (GB-D), Dora García (E-BE), Stefan Nikolaev (BG-FR), Nika Radic (HR-D), and Martin Schmidl (D). These works, brought together and put on display within a context that they mutually create for one another, end up pro-ducing a new element in the existing “periodic table” of artistic practices and production. The discovery of a previ-ously unknown substance (copernicium) and its addition to the periodic table of already known elements earlier this year makes us quite aware of the questionable limits of discovering nature, which can be taken as a metaphor for the unlimited potentials that exist in artistic production yet to come.This new element has other metaphorical implications for the show. It is named after one of the most important scientists of modern history, Nicolaus Copernicus, who fundamentally changed the way in which mankind had seen its own position within the universe. Moreover, this new element resembles most closely mercury but exists only for a split fraction of a second thus speed and mobility are also its important characteristics. The discovery of any new element (or the appearance of a new work of art for that matter) retrospectively redefines the existing system of chemical substances (or art) thus it is capable of redefining the ways in which we perceive different aspects of real-ity.In one aspect, however, Periodic Table is fundamentally different from the periodic table, namely that in the latter, every element may have only one possible position. It is, in fact, the reason for the establishment of such a scientific system that its components have a fixed and stable place within the structure. In the exhibition Periodic Table, works may have one physical position within the exhibition space but unlimited possible interpretations and meanings within the visitors’ mental “charts”.Nick Crowe’s installation (The Witkowski Collection, 2008) is based on the collection of alcoholic miniature bottles that the Polish-born, London-based engineer Wojciech Witkowski assembled during his lifetime (1930-1997). In Crowe’s interpretation of the collection, the private and idiosyncratic interest of an average individual is intertwined with the publically known history of the 20th century with its complex geo-political consequences, and with an emphasis on their absurdity.Dora García’s opening performance (The Artist without Works, a Guided Tour around Nothing) takes the form of a monologue, disguised as a guided tour, so common in contemporary museum and exhibition practice. As the tour unfolds, however, its provocative and philosophical character is revealed – two means that are meant to engage the spectators into thinking about the current system of art and artistic production which very often takes the form of producing “yet another object” for happy consumption. Yet, the paradoxicality of the piece lies exactly in its exis-tence.Stefan Nikolaev’s series of diptych’s combine various layers of textual and visual information. These different layers don’t get to be unified as images though, but retain their particular signifying specificities and enter into a dialogue with one another. The various representational modes – in terms of both style and physical appearance – in which the work addresses the spectators create a dynamics of uncertainty that is underlined by the fragmentary character of the components.Nika Radic’s site specific night projection (Office Cleaning, 2009) establishes an oblique relationship between the spectators and what they are exposed to see since the video shows cleaning women working in the space. The spec-tators’ vision can be termed as ‘displaced’ for several reasons: they are offered the possibility of peeping into a room when they are not supposed to, looking at people working while they (i.e. the spectators) have their leisure time, and they get to look at an artwork with people who attend the gallery not for pleasure but for work.Martin Schmidl’s series (/uni-ball eye mitsubishi 3 / Common Design – Lectures) comprises of 180 drawings the art-ist made or was inspired to make at lectures. These images cleverly blur the boundaries between the documentary and the fictitious, between realism and the caricatural, and between visual and verbal representations. They are personal impressions that take the form of a socio-cultural research on highly coded and contextualised behavioural patterns.

Katalin Timár

Katalin Timár is curator and theoretician. She works as curator at the Ludwig Museum of Contemporary Art in Bu-dapest. She curated the Hungarian Pavilion at the Venice Biennale in 2007 that received the Golden Lion Award for best national pavilion.

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Heise, Ruediger: Gruppenbild mit Flaschen, in: Applaus Kultur-Magazin, Nov. 2009, S.54

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GA L E R I E TR AV E R S É E

Fünf internationale Künstlerinnen und Künstler vermessen zusammen mit der ungarischen Kuratorin Katalin Timár das Spielfeld der zeitgenössischen Bildproduktion von der Zeichnung bis hin zum Film und zur Performance.

er kennt sie nicht aus dem Chemieunterricht – die Tafel mit der Darstellung des Perio-

densystems der Elemente. Die ungarische Ku-ratorin Katalin Timár, die 2007 den Goldenen Löwen der Biennale von Venedig gewann, hat das Periodensystem zu einer Ausstellung in-spiriert, die sie für die Münchner Galeristin Judit Bönisch ersonnen hat. Fünf internatio-nal ausgewiesene Künstlerinnen und Künstler verwandeln mit ihren Arbeiten und Eingriffen die Galerieräume in der Nähe der Pinakothek der Moderne. Sie werden zu Metaphern für die Periodentafel und jenes extrem flüchtige neue Element, das die scientific community auf den Namen Copernicium getauft hat. Es erinnert mit seinem Namen an den polnischen Astro-nomen Nikolaus Kopernikus, der mit seiner Revolution der astronomischen Sichtweise ein Weltbild zusammenstürzen ließ, um ein neues zu begründen. Katalin Timár weist mit Recht darauf hin, dass künstlerischen Anstren-gungen, Versuchen und Bemühungen, die auf der Höhe ihrer Zeit sein wollen, stets etwas Kopernikanisches, sprich Weltbilder in Fra-ge Stellendes, anhaftet, sonst vergisst sich der künstlerische Impuls im netten, aber harmlos-läppischen Glasperlenspiel. Die Unübersicht-lichkeit der Verhältnisse, nicht zuletzt in der

Tic des polnisch-jüdisch-englischen Technikers vor dem Hintergrund der politischen Geschich-te und ihren Implikationen Bedeutung? Wer will das sagen? Der in Sofia und Paris lebende Stefan Nikolaev fügt digitale Uhren an zufälligen Stel-len in seine Texttableaux ein. Für den Betrachter entsteht eine nicht lösbare Verwirrung. Was soll er als relevant anerkennen, den Text oder die stur vor sich hinzählenden Uhren? Martin Schmidl präsentiert 180 kleine Zeichnungen, entstan-den bei Gerichtsverhandlungen, Parlaments-sitzungen und Vorlesungen. Auch hier werfen sich die Fragen nach Gültigkeit und Repräsen-tativität auf, die sich letztlich nicht beantworten lassen. Mit ihrem künstlerisch-kuratorischen »Pentagramm« lässt die Kuratorin eines deutlich hervortreten: Künstler sind genaue und uner-müdliche Fragensteller, keine Weltweisen, oder Sinnstifter. Rüdiger Heise

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Periodic Table – Gruppenausstellung ku-ratiert von Katalin Timár. 12. November bis 16. Januar 2010. Di–Fr 11–19 Uhr, Sa 11–17 Uhr, Vernissage am Do, 12. Novem-ber, ab 19 Uhr; um 19.30 Uhr Aufführung der Performance »Künstler ohne Werke«, Galerie Traversée, Türkenstr. 11, Informationen: Tel. (089) 18 00 66 63.

Nick Crowe: Sammlung Witkowski, 2008

Schaffenssphäre der Künstler selbst, entspricht eine deutlich wahrnehmbare Vorliebe für das Paradoxon.

Fünf fragende ArtistenDie Spanierin Dora Garcia lebt in Brüssel und ist für die Performance am Eröffnungsabend zustän-dig. Für den Schauspieler Jan Mech hat sie ein Skript verfasst mit dem paradoxen Titel Künstler ohne Werk. Gleichwohl ereignet sich hier etwas, vollzieht sich eine Tätigkeit, die den Titel elegant unterläuft. Nika Radic projiziert nachts ein Vi-deo auf die Glaswand der Galerie, das »Raum-kosmetikerinnen« bei ihrer Arbeit zeigt. Im Bild scheinen sie die Galerieräume zu reinigen. Es ist aber nur ein Video, das ihre Tätigkeit im Bild aufscheinen lässt. Die Wirklichkeitsebenen gera-ten ins Tanzen, dass einem fast schwindelig wird. Der englische Bildhauer und Internetkünstler Nick Crowe spielt mit den Relevanzunterschie-den von privat und öffentlich und fragt nach der Instanz, die darüber entscheidet. In seiner Arbeit The Witkowski Collection (unser Bild) präsentiert er die stattliche »Flachmann«-Sammlung des in Polen gebürtigen, in London gelebt habenden Ingenieurs Wojciech Wilkowski (1930–1997). Die Kamerastative vor den Flaschen verweisen auf die Sphäre eines möglichen öffentlichen In-teresses. Gewinnt die zufällige Ideosynkrasie, der

KUNST

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Wiedemann, Christoph: Bewegender Stillstand. Qualitative Ballung: Neue Kunstausstellungen in Münchner

Galerien, in: Süddeutsche Zeitung, 17/11/2009, p. 41

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Common design - Lectures von Martin Schmidl, in: http://www.meltonpriorinstitut.org/, 18/11/2009

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Art Rewiew Exhibition/Gallery Tip, in: Art Review, issue 37, 2009, p. 108