Passagen Nr. 56
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Transcript of Passagen Nr. 56
passagen
DAS KULTURMAGAZIN VON PRO HELVETIA, NR. 56, AUSGAbE 2/2011
Blättern, bloggen, twittern, taggenKulturjournalismus im Wandel
Weltenbummler mit Skizzenblock: Cosey in Indien | Schweizer Gamedesign in San Francisco | CoNCa: Frischer Wind in der katalanischen Kulturlandschaft
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2INHALT
Kulturjournalismus im Wandel
Mal scherzhaft, mal skurril setzen die Zeichner Ruedi Widmer und Philippe Becquelin den Wandel im Kulturjournalismus in Szene.
6 Der rasante Wandel des Schweizer Feuilletons Der Kulturteil in den Schweizer Medien hat sich
verändert. Im Zentrum stehen Akteure und Events anstelle der Inhalte.
Von Pia Reinacher
12 Wer soll das alles lesen, bitte? Die Zeit der Internettagebücher ist vorbei. Trotzdem
haben einige Blogs den Kulturdiskurs in den letzten Jahren gründlich aufgemischt und erfrischt.
Von Christoph Lenz
15 Keinem deiner Freunde gefällt das Die neuen Empfehlungssysteme im Internet sind den
herkömmlichen Rezensionen und Kritiken überlegen. Von Kathrin Passig
18 «Die Leute sind mit der Revolution kritischer und mutiger geworden»
Der Kulturjournalist Gamal El Gamal hofft, dass die aufkeimende Demokratiebewegung auch die erstickten Kulturdebatten wieder belebt.
Gamal El Gamal im Gespräch mit Susanne Schanda
24 Aus dem Internet kommt keine Konkurrenz Die Literatur- und Kulturkritiker der klassischen
Feuilletons müssen sich über die Zukunft ihres Berufs keine Sorgen machen.
Von Thomas Steinfeld
28 ORTSZEITSan Francisco: Spiele zwischen Technik, Wissenschaft und KunstVon Bettina Ambühl
30 Shanghai: Der Versuch, eine Universalsprache zu findenVon Stefanie Thiedig
32 REPORTAGE
Der Weltenbummler mit dem SkizzenblockVon Janice Pariat (Text)und Ankur Ahuja (Bilder)
36 PRO HELVETIA AKTUELL Schweizer Bühnenkunst experimentell und pointiert /Gespräche über Kulturvermittlung /Gesuche: Ab 2012 online eingeben /La Ribot im südlichen Afrika
38 PARTNERCoNCa – der neue Rat für Kultur und Künste in Barcelona Von Cecilia Dreymüller
39 CARTE BLANCHENeue Rolle fürs StadttheaterVon Carena Schlewitt
41 SCHAUFENSTERPlattform für Künstlerinnen und KünstlerZeichen und Wunder
Von Christoph Schreiber
43 IMPRESSUM PASSAGEN ONLINE AUSBLICK
4 – 27 THEMA
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RE
MIX
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3EDITORIAL
In dieser Passagenausgabe fühlen wir dem Kulturjournalismus den Puls: Die Wirtschaftskrise und der Erfolg der neuen Medien haben dieses Metier verändert. Stellen wurden eingespart, Kulturbeilagen gestrichen und Zei-tungsbünde fusioniert. Gleichzeitig blüht, ja wuchert das Angebot an Kul-turinformationen im Internet, und jede Zeitung, die etwas auf sich hält, ist mit Blogs und Onlineauftritten präsent. Blättern war gestern, heute heisst es googeln, bloggen, twittern und taggen.
Wer die pointierten Meinungen freier Blogger schätzt oder die Thea-terkritik zur Premiere gleich am Morgen danach serviert haben will, wer sich gerne in digitalen Debattierräumen tummelt und den Fantasiereich-tum multimedialer Onlinekulturmagazine schätzt, der wird sich dem In-ternet nicht verschliessen. Dies, obwohl wir in der unüberschaubaren Fülle des weltweiten Netzes mühelos finden, wonach wir nie gesucht ha-ben, und oft unauffindbar bleibt, was wir wirklich suchen. Es braucht Orientierungshilfen, um im Gestrüpp der immer zahlreicher werdenden Kulturagenden und PR-Texte die lohnenswerten Angebote zu finden. Christoph Lenz hat für dieses Heft den elektronischen Dschungel interes-santer Kulturinformationen durchforstet und stellt einige beachtenswer-te Seiten vor.
Trotz zunehmender Konkurrenz aus dem Internet wird das klassische Feuilleton seinen Platz auch in Zukunft behaupten, davon sind die beiden Autoren Thomas Steinfeld und Pia Reinacher überzeugt. Denn das Bedürf-nis der Leserinnen und Leser nach kritischer Auseinandersetzung mit Kultur- und Gesellschaftsthemen werde nicht einfach verschwinden. Dem schnell- und kurzlebigen Internet hält das Feuilleton seine Qualitäten als zuverlässige Informationsquelle und Forum gesellschaftlicher Reflexion entgegen.
Ein Ort, wo sich neue und alte Medien fruchtbar ergänzen und unter-stützen, ist Ägypten. Die neuen Medien haben dort entscheidend zum Demokratisierungsprozess beigetragen, wie der Kulturjournalist Gamal El Gamal in unserem Interview erzählt. Er erhofft sich davon nun auch eine Wiederbelebung erstickter Kulturdebatten.
Welche heiteren, ja mitunter grotesken Blüten der Wandel im Kultur-journalismus treibt, zeigen die Cartoons von Ruedi Widmer und Philippe Becquelin, die sie eigens für unser Heft geschaffen haben.
Janine MesserliRedaktorin Passagen
Blättern, bloggen, twittern, taggen
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5Kulturjournalismus im Wandel
Die Kulturberichterstattung hat sich in den letzten Jahren mächtig verändert
und ist heute so lebendig und multimedial wie noch nie. Lesen Sie
in diesem Dossier, warum das Feuilleton allen Schwanengesängen
zum Trotz auch weiterhin seinen Platz behauptet. Entdecken Sie die
Leuchttürme unter den Kulturblogs und erfahren Sie mehr über die
Internetmaschinen, die so viel besser über unsere Kulturvorlieben Bescheid
wissen als unsere Freunde. Ein Abstecher nach Ägypten gibt Einblicke
in den Kulturjournalismus eines Landes auf dem Weg zur Demokratie.
Eine Frage der Kultur
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6Kulturjournalismus im Wandel
ie Nachricht wirkte wie ein Stachel im Fleisch der eingesessenen Deutschschweizer Feuilletons: Ausgerechnet die kleine, nicht sehr begüterte, aber traditionsreiche Zeitschrift Schweizer Monat (vor dem Relaunch Schweizer Monatshefte) kündigte anfangs
Mai die Lancierung einer literarischen Sonderbeilage an. Mit dem Literarischen Monat will man ein Zeichen setzen gegen das Gejammer um die Verknappung des Feuilletons in vielen Printmedien. Ohne Zweifel ein kühner Schachzug der jungen Macher – auch wenn einige der schönen Interviews, Kolumnen, Briefwechsel, Essays und Kritiken zum Rezensentenhonorar von einer Flasche Whiskey erkauft wurden. Ein Jahr zuvor hatte allerdings schon die renommierte deutsche Tageszeitung Die Welt mit dem Ausbau ihres Literaturteils und kurz darauf auch das Magazin Focus Signale zu einer Kehrtwende vom grassierenden Abbaufuror im Feuilleton gesetzt. Die NZZ am Sonntag setzt ebenfalls seit einiger Zeit auf Profilierung mittels Kultur: durch das Supplement Bücher am Sonntag.
Einfluss von Politik, Ökonomie und neuen Medien
Dieser Entwicklung vorangegangen war ein ständiges Schrumpfen der Kulturteile auch der Schweizer Medien in den ersten zehn Jahren des 21. Jahrhunderts – eine direkte Folge der ökonomischen Krise nach dem 11. September 2001, dem Platzen der Wirtschaftsblase und dem daraus resultierenden Ertragseinbruch in den Medienhäusern. Der Abschied vom klassisch elitären Feuilleton erfolgte hierzulande meist lautlos, das Eindampfen der finanziellen und personellen Ressourcen praktizierten viele Redaktionen diskret, die herausragenden Sonderbeilagen zu Kunst, Film, Theater oder Literaturereignissen verschwanden aus Spargründen still und leise. Die Umwälzungen im Mediensektor in den letzten Jahren sind gewaltig und auch im Feuilleton, dem renommiertesten Teil der Medien, blieb kein Stein auf dem anderen. Alles ist im Fluss: die Identität des Feuilletons, das Berufsbild des Kulturredaktors und journalisten, vor allem aber auch die Erwartungen der Konsumenten.
Der Wandel des Feuilletons wird dabei seit der Entstehung dieses legendären Ressorts «unter dem Strich» um 1800 von drei grundsätzlichen Faktoren beeinflusst: Erstens schlagen sich poli
tische Veränderungen immer sofort im Kulturteil nieder. Exemplarisch zeigte sich das an der Politisierung dieses elitären Ressorts nach der 68erRevolution oder der deutschen Wende 1989, in deren Folge sich auch das schweizerische Feuilleton in einen A ustragungsort politischer Debatten verwandelte. Wie selbstverständlich sich der Kulturteil inzwischen als Plattform politischphilosophischer Reflexion etablierte, lässt sich an den jüngsten Ereignisse um Fukushima oder der arabischen Revolution demonstrieren: Sie spiegelten sich auch auf den Kulturseiten. Zwei-tens gibt es einen engen Zusammenhang zwischen der Blüte des
Feuilletons und der ökonomischen Entwicklung. Während den goldenen Wirtschaftsjahren der Neunziger wurden die Kulturbünde auch hierzulande euphorisch ausgebaut, die Ernüchterung folgte mit der Wirtschafts, Finanz und Bankenkrise ab 2007 – und damit kam es auch zu Entlassungen von Redaktoren sowie zum Kampf um den geringer gewordenen Platz. Drittens ist der Einfluss der Neuen Medien sowie das inzwischen unverkrampft hybride mediale Ver halten der Konsumenten auf das Feuilleton beträchtlich. Printmedien unterstützen oder verlängern ihr eigenes Kulturangebot mit OnlineErgänzungen, in denen der spielerische Umgang mit kulturellen Themen dank optischen und interaktiven Elementen wie Bildstrecken, Videos oder Blogs konsumentenfreundlich gemacht wird. Manche Verlagshäuser konkurrenzieren ihre eigene Printkulturredaktion mit einer unabhängigen
Onlinekulturredaktion – was nicht ohne angstgetriebene interne Machtkämpfe um die kulturelle Deutungshoheit im eigenen Haus abgeht.
Bestes Beispiel dafür ist das Tagi-Newsnetz, dessen Kulturartikel auch auf den Internetseiten von Bund, Berner Zeitung und Basler Zeitung gelesen werden können – was wiederum einen gefährlich langweiligen kulturellen Einheitsbrei im deutschen Sprachraum fördert. Das Newsnetz übernimmt aus der Tages- Anzeiger-Printausgabe im Laufe des Tages maximal drei Artikel – umgekehrt ist das Misstrauen grösser. Onlinetexte finden selten Eingang in den Kulturteil der zugehörigen Printmedien, zu gross ist dort der Abwehrreflex. Schliesslich werden die traditionellen Kulturredaktionen immer deutlicher durch leistungsfähige Nischenplattformen wie www.perlentaucher.de, www.literatur-kritik.de, Krimi-Couch.de oder www.nachtkritik.de und viele
Der rasante Wandel
des Schweizer Feuilletons
Allen Schwanengesängen zum Trotz ist der Kulturteil in den Schweizer Medien
nicht geschrumpft – aber er hat sich gründlich verändert: Im Zentrum stehen heute
Akteure und Events, anstelle der Inhalte. Der Kulturjournalist der Zukunft
ist ein flexibler Produzent, der verschiedene Medienkanäle agil zu bespielen weiss.
Von Pia Reinacher
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mehr im Netz «dynamisiert» und «demokratisiert». Diese konkurrenzieren zunehmend das klassische Feuilleton.
Studien belegen das Leserinteresse an Kultur
Kein Wunder, dass sich unter diesen Einflüssen die Identität des Schweizer Feuilletons grundlegend verändert. Allerdings – so muss man sofort einwenden – wird das klassische Reflexionsfeuilleton keineswegs untergehen. Erstens, weil der Kulturteil noch immer ein entscheidendes Forum im Selbstvergewisserungs und Verständigungsprozess einer Gesellschaft bietet und Orientierungshilfe in einer fragmentierten Welt offeriert. Und zweitens, weil der Konkurrenzkampf zwischen den Medien bis heute über das noble Feuilleton ausgetragen wird. Kultur dient der Profilie
rung von Verlagshäusern und Chefredaktoren – das vornehme Feuilleton ist ein prestigeträchtiger Faktor im Imagetransfer.
Ein Blick auf neuere Untersuchungen zu den Themenpräferenzen zeigt, dass das Leserinteresse an Kulturthemen keineswegs nachgelassen hat. Die Univoxstudie aus dem Jahr 2009 weist bei knapp 60 Prozent der Befragten eine starke mediale Themenpräferenz für Kultur nach – vor dem Interesse für Politik aus dem In und Ausland. Aufschlussreich ist auch die Inhaltsanalyse der auflagenstärksten Tageszeitungen in der deutschen Schweiz. Der Medienwissenschafter Dino Nodari belegt in seiner Studie Kultur-berichterstattung der Deutschschweizer Tagespresse (2006) zwar, dass der Trend zur Bebilderung von Kulturtexten anhalte und viele kurze Texte einer kleineren Anzahl langer Artikel gegenüberste
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9Kulturjournalismus im Wandel
hen, dass aber die Vorliebe für klassische Sparten immer noch dominiere. Der Zürcher Medienwissenschaftler Heinz Bonfadelli zieht in seiner Studie Kulturberichterstattung im Wandel (2008) das gleiche Fazit. Seit den 80erJahren sei die Kulturberichterstattung im weiteren und das Feuilleton im engeren Sinne nicht abgebaut, sondern vielmehr deutlich ausgebaut worden. Im Feuilleton gelte die Aufmerksamkeit nach wie vor der traditionellen Elite und Hochkultur und die klassische Rezension mache den
Kern aus. Gernot Stegert wiederum prognostizierte in seiner Studie Feuilleton für alle. Strategien im Kulturjournalismus der Presse (1998) eine radikale Ausweitung des Kulturbegriffs und diagnostizierte eine fortschreitende Erweiterung des klassischen Feuilletonkanons auf Gebiete wie Alltagskultur, Mode und Kleider oder Lifestyle.
Die Zeit der Bleiwüsten ist vorbei
Man darf bei all diesen Erkenntnissen nicht vergessen, dass die Wissenschaft der sich rasant verändernden Medienpraxis naturgemäss nachhinkt. Das Schweizer Feuilleton sowohl der nationalen Leitmedien wie auch der Regional oder Boulevardmedien wurde in den letzten fünf Jahren nochmals von einer energischen Popularisierungs und Personalisierungswelle heimgesucht. Zwar hat sich der Anteil der Kultur in den Medien in der Tat keineswegs verringert, wie oft behauptet wird. Aber er hat sich neu ausgerichtet und sucht nach einer frischen Identität. Diese strukturelle Veränderung trifft nicht nur für Boulevardmedien, sondern auch für elitäre Medien zu: Deutlicher denn je wird Kultur in leicht konsumierbaren Textsorten wie Porträts, Interviews oder Veranstaltungshinweisen abwickelt. Dabei wird anstelle der Inhalte verstärkt auf die kulturellen Akteure fokussiert, das einzelne Event gefeiert oder der Servicecharakter unterstrichen. Kultur wird auch von den elitären Feuilletons unterhaltender, spielerischer und sinnlicher präsentiert – die Zeit der grauen Bleiwüsten ist endgültig vorbei. Dass die Unterscheidung von U und EKultur schon längst zusammengebrochen ist, ist das eine, dass sich neuestens auch Boulevard und Qualitätsjournalismus schwerelos vermischen, das andere. Als überaus gelungenes Experiment auf diesem Feld muss man die Inszenierung der Zauberflöte auf 2 Kanälen (2007) des Schweizer Fernsehens bezeichnen, bei denen der Zuschauer gleichzeitig zwischen dem Geschehen auf der Bühne und Backstage zappen konnte – oder die gigantische Inszenierung von
La Traviata im Zürcher Bahnhof (2008), die, zwischen Pendlerströmen produziert, eine Oper als klingendes LiveEvent zwischen Alltag und Kunst zur Aufführung brachte.
Ein radikal verändertes Berufsbild
Grenzverwischung findet inzwischen überall statt – bald zum Vorteil, bald zum Nachteil der Kultur. Der Übergang zwischen Berichterstattung, Kritik, PR, Marketing und Konsumentenberatung
hat sich auch im Kulturjournalismus vielerorts aufgelöst. In der Not des Zeitdrucks infolge verringerter Finanz und Personalressourcen greifen inzwischen mehr Journalisten als einem lieb sein kann für ihre Berichte auf vorgefertigtes PRFutter der Kulturinstitutionen zurück. Es wird abgeschrieben und kopiert, was das Zeug hält. Bestens ausgestattete Textdokumentationen sowie Internetrecherchen machen es leicht, sich blitzschnell zu informieren und ohne Vorkenntnisse in den eigenen Artikeln Fachkompetenz vorzutäuschen. Das Zielgruppendenken der Medien verwandelt
auch die Kulturjournalisten häufig in Werbetexter. Einordnung und Kommentierung eines kulturellen Ereignisses bleiben so auf der Strecke – Halbkompetenz wird gerne beschönigend mit dem Primat der Vermittlung vor der Kritik kaschiert. Nur zum Vorteil der Feuilletonleser ist allerdings der schwindende Agendajournalismus. Wo weniger Platz ist, besinnt man sich auf übergreifende Themen, thematisiert die wichtigen Sinnfragen, setzt Schwerpunkte und verliert sich nicht mehr so oft wie früher im Abbilden von ephemeren Ereignissen.
Diese Trends werden sich im herrschenden Medienwandel weiter verstärken. Mit der zunehmenden Generierung von journalistischem «Content», der im Newsroom der Redaktionen auf alle Medienkanäle verteilt wird und dem «MultiChannelPublishing» wird sich auch das Berufsbild des Kulturjournalisten radikal verändern. Die klassische, fachkompetente und umfassend gebildete Kritikerfigur, die im Elfenbeinturm zu einem seriösen Urteil kommt und dieses in schön gedrechselten Sätzen kommuniziert, ist damit am Aussterben. Schon jetzt mangelt es an Nachwuchs. Der «neue» Kulturjournalist wird ein flexibler Produzent sein, der unterschiedliche Medienkanäle agil zu bespielen versteht.
Es hat also alles seine zwei Seiten. Eines ist dabei sicher: Das Feuilleton in den Schweizer Medien ist so lebendiger denn je – wenn auch auf unterschiedliche Weise. Dem Leser kann das nur recht sein.
In der Not des Zeitdrucks infolge verringerter Finanz und Personalressourcen greifen inzwischen mehr Journalisten als einem lieb sein kann für ihre Berichte auf vorgefertigtes PRFutter der Kulturinstitutionen zurück. Es wird abgeschrieben und kopiert, was das Zeug hält. Die klassische, fachkompetente und umfassend gebildete Kritikerfigur, die im Elfenbeinturm zu einem seriösen Urteil kommt und dieses in schön gedrechselten Sätzen kommuniziert, ist damit am Aussterben. ”
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Pia Reinacher ist Buchautorin, Literaturkritikerin (Frankfurter Allgemeine Zeitung, Weltwoche) und Dozentin für Kultur und Medien an der Universität Zürich. Sie ist Mitglied der Geschäftsleitung von MUELLER Consulting&Partner. Zuletzt erschienen: Kleider, Körper, Künstlichkeit. Wie Schönheit inszeniert wird, Berlin University Press 2010.
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12Kulturjournalismus im Wandel
n einem ganz gewöhnlichen Montag: Werden welt-weit gegen 10 Millionen Blog-Meldungen auf -geschaltet. Breiten im Internet Hunderttausende Kulturkonsumenten ihre Entdeckungen und Ent-täuschungen des Wochenendes aus. Verweisen Zehn-
tausende Twitterer auf Zeitungsartikel. Verschicken allein deut-sche Buchverlage gegen tausend Twitterbotschaften. Verweisen Dutzende Zeitungen auf Hunderte Blogs. Bloggen Twitterer Arti-kel. Twittern Leitartikler Blogs. Artikeln Blogger Tweets. Und dann auch noch Facebook.
An einem ganz gewöhnlichen Montag fragen wir uns: Wer soll das alles lesen, bitte?
Gemäss einer Schätzung des Internetseismographen Blog-Pulse gibt es weltweit gegen 150 Millionen Blogs. Die Erfindung des Onlinetagebuchs markier te Mitte der Neunzigerjahre die Wende zum Web 2.0, dem In-ternet zum Mitmachen. Seit-her hat sich die Form der di gitalen Kommunikation ins Unendliche pluralisiert. Jeder Versuch, sich einen Überblick zu verschaffen, ist hoffnungs-los, jedes Ordnen eine An-massung. Man spricht vom Daten ozean, vom Informa-tions dschungel, vom multime-dialen Steinbruch. Alle diese Begriffe nehmen die Grund-konfiguration des Menschen gegenüber dem digitalen Raum vorweg: Es ist ein un-gastlicher Ort geworden, die-ses Internet. Surfen – mit die-sem lustvollen, schwerelosen Rauschen auf der Datenwelle, damit ist es schon lange vorbei. Wer sich heute trotz allem hi-neinwagt ins Netz, der bewegt sich schnell, leise und zielge-richtet.
Ja, es gibt sie, die Leuchttürme der Kulturblogszene, die den Kulturinteressierten zügig und verlässlich mit nützlichen Infor-mationen versorgen. Die ihm ausserdem Gewähr bieten, dass er nicht nur findet, wonach er sucht (dafür ist ja Google zuständig), sondern auch und viel wichtiger, dass er findet, wonach zu suchen ihm niemals in den Sinn gekommen wäre. Das Neue, das Unbe-kannte, das Gute, das Wichtige. Im Folgenden werden einige die-ser internationalen, nationalen und regionalen Leuchttürme vor-gestellt. Die Auswahl ist unvollständig und willkürlich – aber immerhin ein Anfang.
Zwischen analog und digital
Zu den wichtigsten Kulturplattformen im Internet zählen heute viele, die an der Schnittstelle stehen zwischen analogen und digi-
talen Medien. Perlentaucher.de ist so ein Beispiel. Seit über elf Jahren berichtet dieses Onlinemagazin über Literatur und Kultur im deutschsprachigen Raum. Kernstück des Portals ist eine täg-liche Presseschau, die kurz und prägnant bündelt, womit sich die renommiertesten deutschsprachigen Feuilletons, darunter auch jenes der Neuen Zürcher Zeitung, befassen. Ebenfalls täglich erscheinen eine Bücherschau mit Rezensionen und ein Medien-ticker. Im Online-Archiv dieses 2003 mit dem Grimme-Preis ausgezeichneten Portals lagern frei zugänglich über 30 000 Buch-besprechungen. Zahlreiche Intellektuelle, Schriftsteller und re-nommierte Kulturschaffende treten einigermassen regelmässig als Autoren für Perlentaucher.de in Erscheinung, etwa Jürgen Habermas, Imre Kertész und Götz Aly. Dennoch: Perlentaucher.de ist hauptsächlich eine Wiederverwertungsmaschine. Hier wird
schnell und einfach verar-beitet und auf bereitet, was anderswo bereits publiziert wurde. Seit 2007 steht das Magazin deshalb in einem Rechtsstreit mit der Frank-furter Allgemeinen Zeitung. Mit Signandsight.com ver-fügt Perlentaucher.de aus-serdem über einen englisch-sprachigen Blog, der sich ebenfalls in der Vermittlung von europäischer Literatur und Kultur betätigt.
Auch Eurozine.com er-füllt eine Scharnierfunktion zwischen den «alten» und den «neuen» Medien. Dieses Onlinemagazin verbindet über 75 der führenden euro-päischen Kulturpublikatio-nen, darunter auch Du aus der Schweiz und die französi-sche Revue Internationale des Livres et des Idées, und stellt dem Besucher eine Aus-
wahl an aktuellen Texten aus diesen Magazinen zur Verfügung. Kernmerkmal von Eurozine.com ist ein breit und gerne auch po-litisch gefasster Kulturbegriff.
Sehr empfehlenswert ist ferner ein Besuch bei Transcript-re-view.org, einer webbasierten Literaturzeitschrift, die viermal jähr-lich in deutscher, englischer und französischer Sprache erscheint und finanziell von der Europäischen Union mitgetragen wird. Hier dreht sich alles um Fragen der Heimat und der Fremde, ausser-dem wird die geografische und sprachliche Peripherie Europas ausgelotet. Immer wieder beeindruckend sind die Sonder-nummern, etwa zur Literatur in Mazedonien, dem Baskenland oder Lettland.
Nur vier Jahre nach seiner Lancierung hat sich Nachtkri-tik.de als fester Bestandteil der deutschsprachigen Theaterszene etabliert. Dieses Theatermagazin macht sich den Zeitvorsprung
Wer soll das alles lesen,
bitte?Jaja natürlich, Internettagebücher sind sowas
von vorbei. Wer heute etwas auf sich hält, der twittert und facebookt. Trotzdem gibt es
weltweit gegen 150 Millionen Blogs. Die meisten verstärken nur das weisse Rauschen im Netz. Aber einige haben in den letzten Jahren
den Kulturdiskurs gründlich aufgemischt und erfrischt. Die Anmassung einer Ordnung.
Von Christoph Lenz
A
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13Kulturjournalismus im Wandel
des Internets gegenüber den gedruckten Medien zunutze: Bereits am Morgen nach der Premiere werden Aufführungen hier ebenso kritisch wie fachlich fundiert beleuchtet. Über 50 Autoren besu-chen Wochenende für Wochenende 20 und mehr Premieren in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Darüber hinaus werden in Presseschauen weitere Aufführungskritiken rezipiert und die-nen Blogs dazu, aktuelle Debatten zu verfolgen. Für die Anbindung der Plattform an internationale Theaterdiskurse sorgen Gastauto-ren aus aller Herren Länder.
Unter den international renommiertesten Kunstblogs ist zweifellos Artlog.com zu nennen, ein hochwertiges Onlinemaga-zin, in welchem Textbeiträge, Interviews und Videos zur Ausein-andersetzung mit zeitgenössischer Kunst animieren.
Die Blogs der etablierten Medien
Jenseits dieser freien Plattformen verfügen heute beinahe alle ernstzunehmenden Medienhäuser, Zeitschriften und Tageszeitun-gen über eigene, professionell betriebene Blogs. Bemerkenswert ist dabei, dass die oftmals traditionsreichen Publikationen mit ih-rem Titel und Renommee auch für ihre nur im Internet veröffent-lichten Texte bürgen. Generell gilt hier die Gleichung: Je mehr Ge-wicht der Kultur im Primärmedium beigemessen wird, desto höher ist auch die Qualität der Kulturblogs. Und wer gerne den Spiegel, Le Monde Diplomatique oder die NZZ liest, wird auch de-ren Blogs schätzen.
Ein herausragendes Beispiel für diese Gattung ist der Litera-turblog The Book Bench des US-Magazins New Yorker (newyor-ker.com). Dieses verbindet mustergültig die Vorzüge des Online-journalismus mit den gehobenen Ansprüchen, die sich aus dem renommierten Titel ableiten. Flinker und wendiger als die ge-
druckte Ausgabe, oftmals auch mutiger, persönlicher und humor-voller werden hier Bücher besprochen, noch bevor die Drucker-pressen des Magazins angelaufen sind. Und: Was hier steht, ist mit wenigen Tagen Verzögerung nicht nur in den Blogs, sondern auch in den Feuilletons und Literaturzeitschriften rund um den Globus zu lesen. Meinungsführerschaft gibt es auch hier, im Internet.
Unter dem Dach der französischen Tageszeitung Le Monde meldet sich seit bereits sieben Jahren Schriftsteller und Journa-list Pierre Assouline regelmässig zu Wort. Sein Literaturblog, La République des Livres, und weitere zu Kino, Theater, Kunst, Fo-tografie und Politik sind zu finden unter: www.lemonde.fr/blogs/invites. Erwähnenswert ist ferner das hochwertige, zweisprachige Onlineangebot Arte Creative, das gegliedert ist in Popkultur,
Kunst, Film, Design und Architektur (http://creative.arte.tv) – und übrigens geleitet wird von Alain Bieber, dem Erfinder des Kunst-, Kultur- und Politikblogs Rebelart.net.
Föderalismus im Internet
Selbst die Blogszene der Schweiz ist kaum zu überblicken. Stell-vertretend sollen hier zwei Musikportale und ein allgemeinerer Kulturblog präsentiert werden. Norient.com, beheimatet in Bern und auf Deutsch und Englisch geführt, darf für sich reklamieren, eines der bedeutendsten Foren für globale Untergrundvolksmusik überhaupt zu sein. Irgendwie kommt hier alles zusammen: Blog, Onlinemagazin, digitales Debattierzimmer, akademischer Aus-tausch, Videos, Soundfetzen, und, und, und. Dabei wird stets Be-zug genommen auf das Weltgeschehen. So hat Norient.com als jüngst im arabischen Raum die Jugendlichen auf die Strassen gingen, jene arabischen Musiker porträtiert, deren Songs an den Demonstrationen aus den Transistorradios schepperten: Rapper, Rocker und Avantgardisten vom Jemen bis Marokko.
Ein sehr gelungenes Beispiel ist auch die Plattform 78s.ch aus Zürich. Einst als Blog zur Schweizer Musikszene gestartet, hat dieses Magazin inzwischen stark expandiert. Auf den Besucher wartet täglich ein neues musikalisches Schmankerl. Ausser dem begleiten die Autoren sehr aufmerksam das nationale Pop- und Rockmusikgeschehen. Vielversprechend ist im vergangenen Herbst auch der Start des multimedialen Kulturmagazins Neu land-mag.net verlaufen. In Reportagen und Kolumnen, in Mixtapes und Fotostrecken wird mal süffisant, mal hochernst die politische und kulturelle Lage der Nation verhandelt.
Nicht zuletzt wollen die regionalen Blogs gewürdigt werden. Sie zeichnen sich zumeist durch grössere Nähe zu den Kultur-
schaffenden aus und leisten oftmals hervor-ragende Vermittlungs- und Vernetzungs-arbeit. Zu nennen wäre Kulturteil.ch, ein Blog für die Zentralschweiz, KulturStatt-Bern, angesiedelt unter dem Dach der Ta-geszeitung Der Bund, Kulturkritik.ch, ein von der Zürcher Hochschule der Künste betreutes Gefäss für den Raum Zürich, Valais-mag.ch für das frankofone Wallis, Schlaglicht (http://blog.bazonline.ch/schlaglicht) für die Nordwestschweiz und Saiten.ch in der Ostschweiz. In der West-
schweiz sind es unter anderem die Blogs des Magazins L’Hebdo (etwa Bonpourlesoreilles.net), die das kulturelle Geschehen be-gleiten. Während also beinahe alle Regionen über eigene Online-plattformen verfügen, existiert kaum ein Kulturblog mit gesamt-schweizerischem Fokus. Eine schöne Ironie, dass auch im neuen, entgrenzten und globalisierten Informationsdschungel ein uralter Bekannter das Sagen hat: der Kantönligeist.
Ja, es gibt sie, die Leuchttürme der Kulturblogszene, die den Kulturinteressierten zügig und verlässlich mit nützlichen Informationen versorgen. Die ihm ausserdem Gewähr bieten, dass er nicht nur findet, wonach er sucht (dafür ist ja Google zuständig), sondern auch und viel wichtiger, dass er findet, wonach zu suchen ihm niemals in den Sinn gekommen wäre. ”
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Christoph Lenz (*1983 in Schaffhausen) arbeitet als Kulturredaktor bei der Berner Tageszeitung Der Bund. Er bloggt nicht und twittert nicht, schreibt aber manchmal Postkarten.
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15Kulturjournalismus im Wandel
s gibt keinen zuverlässigeren, keinen täuschungssiche-reren, unkorrumpierbareren Sympathie-Indikator als die Musik. Man ist, was man hört, respektive gehört hat. Und wenn einer in all den Jahren das komplett Fal-sche gehört hat, ist halt nichts mehr zu machen.» So
schreibt Frank Schäfer in Ich bin dann mal weg. Streifzüge durch die Pop-Kultur. Ich zitiere ihn hier nicht, weil er ganz besonders unrecht hätte, sondern weil seine Aussage exemplarisch ist für ei-nen Glauben, dem bewusst oder unbewusst wohl die meisten an-hängen: Unsere Freunde finden dasselbe gut wie wir.
Wie wenig dieser Glaube mit der Wirklichkeit zu tun hat, wird sichtbar, wenn man von den Vernetzungsmöglichkeiten Gebrauch macht, die dem Internet in den letzten Jahren erwachsen sind (zugegeben: erst nach dem Er-scheinen von Schäfers Buch). Vor dieser Aufklärung durch das Internet hatte ich keine Ahnung davon, wie wenig Einigkeit zwi-schen mir und meinen Freunden in Geschmacksfragen herrscht. Das liegt zum einen daran, dass es sich in früher Jugend viel-leicht tatsächlich noch so ver-hält, wie Schäfer schreibt: Man entdeckt gemeinsam mit Freun-den bestimmte Bands, Filme, Auto ren, sodass sich die Vorlie-ben für eine Weile parallel entwi-ckeln. Die Täuschung, dass die-ser Zustand das ganze Leben lang hält, entsteht durch Wunschden-ken und dadurch, dass wir uns lieber über die Überschneidungs-punkte unserer Interessen unter-halten als über deren Diskre-panzen. Ich will damit nicht andeuten, dass mein Buch-, Film- oder Musikgeschmack von solcher Raffinesse ist, dass nie-mand ihn zu teilen vermag; ich schwimme in vielen Bereichen mit-ten im Mainstream. Aber selbst diejenigen Freunde, bei denen die Übereinstimmungen relativ gross sind, hegen ansonsten Interes-sen, die für mich so wenig nachvollziehbar sind, dass ich mich von der Vorstellung verabschiedet habe, vorhersagen zu können, was ihnen gefallen wird und was nicht.
Die Nützlichkeit von Kulturinformationen schwindet
Diese Einsicht hatte Folgen. Seit ich bei last.fm, einem Internetra-dio, das sich allmählich dem Geschmack des Hörers anpasst, erst-mals sehen konnte, wie unzutreffend meine Vorstellungen vom Um-fang der geschmacklichen Überschneidungen im Freundeskreis waren, habe ich keine CD mehr verschenkt. Ich glaube noch weni-ger als früher an den Sinn von Empfehlungen, Rezensionen, Bes-tenlisten und «Unbedingt lesen/sehen/hören!»-Aufrufen auf Twitter
und Facebook. Ich gebe mir Mühe, weniger Empfehlungen auszu-sprechen und Bücher zu verleihen, wobei Letzteres beim derzeiti-gen Stand der E-Book-Technik sowieso kaum mehr geht. Der Scha-den ist gering, denn Empfehlen und Verleihen sind überwiegend Gefallen, die der Empfehlende und Verleihende sich selbst tut. Für den Empfänger sind sie selten so nützlich, wie wir uns wünschen.
Das Phänomen lässt sich nicht nur bei Empfehlungen im Freundeskreis beobachten. Der Gehalt der meisten Rezensionen beschränkt sich auf die Information, dass das Objekt der Bespre-chung dem Autor gut oder nicht gut gefallen hat, garniert mit Hinweisen auf die kulturelle Beschlagenheit des Autors. Wenn eine Begründung des Geschmacksurteils mitgeliefert wird, ist
sie von einer nachträglichen Ra-tionalisierung der Privatempfin-dung nicht zu unterscheiden. Der Nutz wert für den Empfänger hält sich auch hier in Grenzen.
Kulturangebote im Netz und auf Papier erfüllen zum überwiegenden Teil Funktio-nen, deren Nützlichkeit rapide schwindet. Noch vor wenigen Jahren war es schwer, von Neu em überhaupt zu erfahren und Indizien dafür zu finden, dass es den eigenen Interes - sen entsprechen könnte. Beides wurde von Rezensionen, Einzel-handel und Verleih abgedeckt – eng begrenzt durch die zur Ver-fügung stehende Fläche –, und beides ist obsolet. An die Stelle des Informationsmangels über Kulturprodukte ist ein Infor-mationsüberfluss getreten. Ver-öffentlichungen, deren Funk-tion darin besteht, auf Neues aufmerksam zu machen und es an den Massstäben des Rezen-senten zu messen, werden abge-
löst durch technische Angebote, die den Überfluss für den Einzel-nen nutzbar machen.
Vinylartefakte und Nasenflötensoli
Solche Systeme zum Erzeugen individueller Empfehlungen gibt es im Groben in zwei Varianten: Zum einen den Vergleich von Pro-duktähnlichkeiten wie beim Onlineradio Pandora, wo Menschen von Hand jedes neue Musikstück nach mehreren hundert genre-spezifischen Kriterien einsortieren: Sind Vinylartefakte zu hören, gibt es prominente Nasenflötensoli? Bei der Filmplattform jinni.com geschieht dasselbe durch automatische Auswertung von Film-beschreibungen. Die meisten Anbieter aber setzen auf «kollabora-tives Filtern», also das Auswerten von Gemeinsamkeiten der Nut-zer. Das setzt voraus, dass diese Nutzer entweder – wie bei last.fm – ihre Konsumgewohnheiten automatisch erfassen lassen oder aber
Keinem deiner Freunde
gefällt das Wer braucht denn heute noch Kritiker?
Die Buch- und Filmtipps der Empfehlungs-systeme im Internet beraten den
Kulturkonsumenten viel treffsicherer als das ein Filmkritiker, eine Buchhändlerin oder die Freunde auf Facebook jemals könnten.
Und sie räumen auf mit der Illusion, dass wir Teil einer kulturellen Gemeinschaft
sind, die den gleichen Geschmack teilt.
Von Kathrin Passig
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Bewertungen abgeben. Je mehr Daten die Empfehlungs software ge-sammelt hat, desto treffsicherer wird sie. Die meisten dieser Ange-bote unterscheiden zwischen Freunden, also den Nutzern, die man persönlich kennt oder sympathisch findet, und Nachbarn – den Menschen, mit denen man tatsächlich in Film-, Buch- oder Musik-fragen etwas gemeinsam hat. Die Überschneidungen zwischen den beiden Gruppen sind gering.
Die Ausgereiftheit, die Verbreitung und die wirtschaftliche Be-deutung dieser Systeme sind dabei ausserhalb von Fachkreisen nicht sehr bekannt. Bei Amazon ging schon 2006 ein Drittel der Verkäufe auf die hauseigenen Empfehlungen zurück, und der Onlinefilmverleih Netflix schrieb ebenfalls 2006 den mit einer Million Dol-lar dotierten Netflix Prize für eine Ver-besserung seiner Empfehlungssoftware Cinematch aus. Es galt die Treffsicher-heit der Empfehlungen um zehn Prozent zu erhöhen; das Preisgeld wurde drei Jahre später an ein internationales Ent-wicklerteam ausbezahlt. Da zuverlässige Empfehlungen wesentlich dazu beitragen, dass die Filmentleih-freude der Kunden nicht nach einigen Monaten nachlässt, darf man davon ausgehen, dass die Ausschreibung Netflix mehr als das inves-tierte Preisgeld eingebracht hat. (Falls Sie jetzt umgehend Kunde werden wollen, muss ich Sie enttäuschen: Netflix ist – ebenso wie Pandora – nicht ausserhalb der USA verfügbar. Die beiden sind hier nur als Beispiele für das jeweilige Konzept aufgeführt.)
Die Leistungen der Maschinen möchten bitte unoriginell sein
«Aber das Stöbern in der Buchhandlung! Der glückliche Zufalls-treffer!», klagen die Kritiker. «Computer werden uns immer nur mehr desselben empfehlen, anstatt uns – wie ein guter Freund oder Fachmann – auch mal an das heranzuführen, was unseren Hori-zont erweitern könnte.» Ich nehme an, dass diese Kritik nicht aus dem tatsächlichen Gebrauch von Empfehlungssoftware herrührt, sondern sich eher aus Zufallsbegegnungen speist oder theoreti-scher Natur ist.
Zumindest kann ich den Eindruck aus eigener Anschauung nicht bestätigen. last.fm hat lange Zeit versucht, mich gegen mei-nen ausdrücklichen Willen für Reggae zu interessieren, und meine Musikvorlieben haben sich in einigen Jahren last.fm-Gebrauch deutlich verschoben (wenn auch immer noch nicht in Richtung Reggae). Die Filmempfehlungswebsite criticker.com empfahl mir – nachdem ich mich gerade angemeldet und vielleicht dreissig Filme bewertet hatte – zu meiner Überraschung Frühling, Som-mer, Herbst, Winter … und Frühling des südkoreanischen Regis-seurs Kim Ki-Duk. Dieser Film hatte nichts mit meinen abge-gebenen Bewertungen und auch nichts mit meinen sonstigen Filmvorlieben zu tun, die sich eher um Zombies und Blutvergies-sen drehen. Ich hatte ihn Jahre zuvor zufällig in einer Sneak Pre-view gesehen und war damals begeistert gewesen, die Empfehlung war also so korrekt wie entlegen.
Der Einwand, die softwaregenerierten Empfehlungen seien zu konservativ, taucht trotzdem in fast jedem nicht-technischen Bei-
trag zum Thema auf, vermutlich aus drei Gründen. Der erste davon ist Wunschdenken: Die Fähigkeiten der Maschinen möchten bitte unoriginell und begrenzt sein, und die Leistungen des Menschen unersetzlich. Der zweite Grund liegt darin, dass sich viele Werk-zeuge, allen voran die Amazon-Kaufempfehlungen, tatsächlich eng an dem orientieren, was der Nutzer bereits kennt und schätzt. Das mag daran liegen, dass in diese Tools nicht ganz so viel Geld und Entwicklungszeit geflossen ist wie bei Netflix, vielleicht ist es aber auch beabsichtigt. Denn drittens neigen wir dazu, gerade die Emp-
fehlungen zu ignorieren, die unseren Horizont erweitern und die wir daher nicht auf den ersten Blick einordnen können. Ich hätte mir Frühling, Sommer, Herbst, Winter … und Frühling nach dem Lesen der Zusammenfassung sicher nicht angesehen. Dass die Emp-fehlung tatsächlich sehr gut passte, weiss ich nur, weil ich den Film zufällig schon vorher gesehen hatte. Mit Sicherheit habe ich viele andere, ebenso gute Tipps verworfen. Der Konservatismus sitzt nicht in der Maschine, sondern im Kopf, und die Softwareentwick-ler stehen vor der Entscheidung, dem Nutzer das zu geben, was er sich insgeheim wünscht (nämlich mehr desselben), oder ihn mit Neuem zu konfrontieren und zu riskieren, dass er zur Konkurrenz wechselt, die ihm weniger obskure Empfehlungen liefert.
An zwei Dinge werden wir uns gewöhnen müssen: Unsere ganz privaten Vorlieben lassen sich aus dem Konsumverhalten an-derer Menschen vorhersagen – wie es bei last.fm oder Netflix ge-schieht –, und gleichzeitig machen sie uns einsam. Wir sind kein Teil einer kulturellen Gemeinschaft, wie sie Frank Schäfer imagi-niert. Diese Gemeinschaft war eine Illusion, die sich immer weni-ger aufrechterhalten lässt. Unsere Freunde sind nicht unsere Ge-schmacksnachbarn, unsere Geschmacksnachbarn nicht unsere Freunde, und die Menschen, mit denen wir in manchen Filmfra-gen einer Meinung sind, haben indiskutable Musikvorlieben. Aber wir finden schon irgendeine gemeinschaftsstiftende Betätigung, die das Gut- oder Schlechtfinden von Kulturprodukten ersetzt. Vielleicht wird es mehr Kopulation wie bei den Bonobos sein, ge-meinsames Klagen über die Unzuverlässigkeit der öffentlichen Ver-kehrsmittel oder eben die Bildung einer Metagemeinschaft, die sich über die Ablehnung von Geschmacksdiskussionen definiert.
Kathrin Passig (*1970) lebt in Berlin, unter anderem vom Schreiben von Sachbüchern. Zuletzt erschien Verirren – Eine Anleitung für Anfänger und Fortgeschrittene, Rowohlt 2010, zusammen mit Aleks Scholz. http://kathrin.passig.de
Der Gehalt der meisten Rezensionen beschränkt sich auf die Information, dass das Objekt der Besprechung
dem Autor gut oder nicht gut gefallen hat, garniert mit Hinweisen auf die kulturelle Beschlagenheit des Autors. Wenn eine
Begründung des Geschmacksurteils mitgeliefert wird, ist sie von einer nachträglichen Rationalisierung der
Privatempfindung nicht zu unterscheiden. ”
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Ägypten hat eine hohe Rate an Analphabeten. Wer liest hier überhaupt Zeitung?Gamal El Gamal: Von der Gesamtbevölkerung von 80 Millionen lesen nur etwa zwei bis drei Millionen Menschen Zeitungen. Um diese Leserschaft konkurrieren mehrere Tages- und Wochenzei-tungen. Die grössten sind die staatlichen Al-Ahram und Al-Akhbar mit einer Auflage von einer Million Exemplaren beziehungsweise einer halben Million. Bereits an dritter Stelle steht die unabhän-gige Tageszeitung Al-Masry al-Youm, die während der Revo lution massiv Leser gewonnen hat und heute rund eine halbe Million Exemplare druckt.
Sie sind Kulturredaktor bei Al-Masry al-Youm. Was bedeutet es, in Ägypten für eine unab-hängige Zeitung zu arbeiten?Unabhängige Zeitungen schrei-ben über dieselben Themen wie die staatlichen, aber sie nehmen einen anderen Standpunkt ein. Während die staatlichen Zeitun-gen ausschliesslich die Perspek-tive des Regimes repräsentieren und propagieren, beleuchten die unabhängigen Zeitungen die Themen von allen Seiten, analy-sieren sie genau und ohne Scheu-klappen.
Wer finanziert die unabhängi-gen Zeitungen?Vorwiegend Geschäftsleute, die andere Träume, Vorstellungen und Ansichten haben als die in den staatlichen Medien ver-breiteten. Dies spiegelt sich in ihren Zeitungen. Die Journalis-ten müssen die Interessen der Geschäftsleute aber nicht teilen oder vertreten. Sie analysie - ren, diskutieren und schreiben grundsätzlich frei und fair. Den-noch sind sie bis zu einem ge-wissen Grad von der Mentalität ihrer Geldgeber beeinflusst – wis-sentlich oder unwissentlich.
Versuchen die Besitzer, Einfluss auf den Inhalt der Zeitung zu nehmen?Das kommt vor. Als ich ein Jahr lang bei Al-Dustour arbeitete, spürte ich die Einmischung des Besitzers sehr deutlich. Er sagte explizit, was in seiner Zeitung stehen soll und was nicht. Aus die-sem Grund habe ich meine Stelle dort gekündigt. Bei Al-Masry al-Youm, wo ich jetzt arbeite, sind die Journalisten professionell und unabhängig. Die Besitzer üben zwar einen gewissen Einfluss
durch unverbindliche Vorschläge aus. Die Redaktion ist aber nicht verpflichtet, diese zu übernehmen. Die Grundlinien sind allerdings schon klar: Eine Zeitung, die Geschäftsleuten gehört, wird sich nicht für sozialistische oder kommunistische Ideen stark machen, sondern orientiert sich an wirtschaftsliberalen Vorstellungen. Sol-che Zeitungen haben eine Brückenfunktion, die Ägypten mit der Welt verbindet, indem sie über internationale Wirtschaftbeziehun-gen berichten. Gerät jemand von den Besitzern politisch ins Ram-penlicht, hält sich die Zeitung zurück. Als einer der Eigentümer
von Al-Masry al-Youm 2005 fürs Parlament kandidierte, wurde dies in der Zeitung nicht thema-tisiert, sie trat in den Ausstand.
Welche Rolle spielen Radio, Fern sehen und die neuen Me-dien? Konkurrenzieren diese die Printmedien?Nein, im Gegenteil, sie ergänzen und unterstützen sich gegen-seitig. In den Zeitungen findet man Hinweise auf Internetsites, auf Radio- und Fernsehsendun-gen, sogar auf Personen, die dort arbeiten. Auf diese Weise pro-fitieren die Zeitungen von den populären neuen Medien. Sie ha-ben keine Leser an sie verloren. Die Zeitungen haben jeweils ne-ben der Printausgabe auch eine Onlineausgabe und hier zeigen sie etwa Bilder von Demonstra-tionen, die gerade vor ein paar Minuten stattgefunden haben. Auch Interviews kann man lesen und gleichzeitig online anhören.
Sie sind Kulturjournalist. Er-klären Sie uns bitte, was man heute in Ägypten unter Kultur versteht?Es gibt in Ägypten Kulturpro-dukte, aber keine Kulturszene. Einerseits wird fast alle drei
Stunden ein Buch publiziert, es gibt immer mehr Verlage, Pro-jekte zur Leseförderung, staatliche Übersetzungsprojekte. Ande-rerseits fehlen kulturpolitische Analysen, Kommentare und qua-lifizierte literarische Debatten. Die Traditionen werden kaum noch beachtet: Niemand interessiert sich mehr für die grossen alten Li-teraten. Von den Kulturschaffenden und Intellektuellen wurde immer erwartet, dass sie eine gesellschaft liche Rolle spielen. Sie wollten dies auch tun, konnten es sich aber wegen der drohenden Repression nicht leisten. Dies wird sich in den nächsten Jahren sicher ändern. Wir sind jetzt daran, demokratische Strukturen und das dazu gehörende Bewusstsein zu entwickeln.
«Die Leute sind mit der Revolution kritischer
und mutiger geworden»
Die Kulturberichterstattung Ägyptens steckt in der Krise. Der Kulturjournalist
Gamal El Gamal hofft, dass die aufkeimende Demokratiebewegung auch die erstickten
Kulturdebatten wieder belebt. Inspiriert von der jungen ägyptischen
Bloggerszene, will er den Kulturteil seiner Zeitung thematisch öffnen.
Interview: Susanne Schanda
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Das überrascht mich. Intellektuelle wie der Bestsellerautor Alaa al-Aswany haben sich doch seit Jahren in unabhängigen Tageszeitungen kritisch mit der Gesellschaft und dem Regime auseinandergesetzt.Ich glaube, dass die Intellektuellen die Kultur betrogen haben, sie sind Verräter an der Kultur. Sie haben nicht mehr über ihre eigenen Erfahrungen geschrieben, waren nicht mehr als Schrift-steller literarisch tätig, sondern schrieben als Politiker über all-gemeine Themen. Alaa al-Aswany schreibt seit dem Sturz Muba-raks am 11. Februar für Al-Masry al-Youm als Parteimensch und Politiker und nicht als Schriftsteller. Es ist durchaus verständlich, dass auch Schriftsteller mal Dampf ablassen müssen. Solche Texte
lesen viele Ägypter sehr gerne, weil sie sich damit identifizieren und das Gefühl haben, da spricht ihnen jemand aus der Seele. Es handelt sich dabei aber nicht um Literatur, sondern um politische Manifeste. So schreibt etwa der bekannte Autor Youssuf al-Qaid mittelmässige Literatur, aber die Leute lesen seine Romane gerne, weil er darin das Regime kritisiert. Auch al-Aswanys Roman Der Jakubian-Bau ist reine Gesellschaftskritik. Bei diesen Büchern fehlen literarische Qualitäten. Diese Autoren werden aber Stars und treten oft am Fernsehen auf. Ibrahim Issa bedient das Be-dürfnis der Leser, Mubarak zu beschimpfen. Damit wurde er zum Star. Der populäre Hisham Abu al-Nasr ist zwar kein guter Regis-seur, aber seine Filme beziehen klar politische Position gegen die Normalisierung der Beziehungen mit Israel, was den Leuten sehr gefällt.
Diese Intellektuellen stossen Debatten an und haben Erfolg. Was werfen Sie ihnen vor?Diese Filme und Bücher sind eine Art politische Ware, die verkauft wird, aber keine künstlerischen Arbeiten. Viele Autoren haben wir als Schriftsteller verloren. So auch Youssuf Idriss, der eine wö-chentliche Kolumne in Al-Ahram schreibt, aber kaum noch Lite-ratur. Die Politik hat die Autoren gewonnen, welche die Literatur verloren hat. Nagib Machfus war in seinen politischen Äusserun-gen eher schwach, dafür war er umso besser als Schriftsteller: Er hat den Nobelpreis gewonnen, weil er literarisch hochstehende Bücher schrieb. Er gehörte zu einer Generation, die eher zum Ver-mitteln tendierte und nicht lauthals kritisierte. Heute haben wir
fast keine guten Schriftsteller mehr, aber in ihrem politischen En-gagement sind sie stark. Deshalb gewinnen ägyptische Autoren nicht mehr oft internationale Preise.
Wie sehen Sie Ihren Auftrag als Kulturredaktor?Die Kulturberichterstattung steckt in einer Krise. Es gibt keine spezifischen Kulturmagazine mehr, sondern nur noch ein paar Extraseiten in den Tageszeitungen. Wir bei Al-Masry al-Youm pla-nen unter dem Titel Der Verleger eine Beilage mit Produkten kre-ativer Arbeit aus den unterschiedlichsten Sparten. Neben Rezen-sionen und Kurzgeschichten sollen dort auch Gesetzesentwürfe und Forschungsarbeiten thematisiert werden.
Sie wollen den Kulturteil also thematisch öffnen. Was wollen Sie damit erreichen?Wir wollen die Idee von der Kultur auf der Strasse wieder beleben. Die junge Blogger-szene hat dies bereits seit einigen Jahren vorgemacht. Die Blogger experimentieren mit verschiedenen Stilelementen und ver-wenden Mischformen zwischen Hochara-bisch, Standardarabisch und Umgangs-sprache. Ziel dabei ist, dass auch einfache und weniger gebildete Personen diese Texte oder Songs verstehen. Viele dieser Blogs sind anschliessend mit Erfolg als Bücher publiziert worden. Ihre Wirkung hat sich bei der Revolution gezeigt. Sie haben in
kurzer Zeit erreicht, was etablierte politische Parteien während Jahrzehnten nicht schafften: Sie haben die Bevölkerung wach-gerüttelt und dazu gebracht, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.
Inwiefern beeinflusst die Bloggerkultur die traditionellen Medien?Das bekannteste Beispiel ist wohl der Blog von Ghada Abdelaal, Ich will heiraten, in dem die Autorin über den ägyptischen Heirats-markt und die Probleme moderner junger Frauen schreibt. Der Blog wurde als Buch zum Bestseller und als Fernsehserie verfilmt. Die Zeitungen wollen solche Blogger dann auch für sich gewinnen und laden sie zum Schreiben ein.
Einen Blog schreiben kann jede und jeder. Er wird von keinem Redaktor oder Lektor redigiert. Wo bleibt die Qualitätskont-rolle?Die Vielfalt der Blogs ist riesig. Die Gesellschaft ist sehr dynamisch geworden. Es gibt keine klaren Orientierungen und Kriterien mehr. Das gilt auch für die Blogs und die Blogger. Da findet sich jedes Niveau, von sehr gut bis sehr schlecht ist alles da. Die Spra-che wird dabei auf vielfältige Weise eingesetzt. Manche schreiben nur in Schimpfwörtern, andere sehr differenziert. In den Zeitun-gen haben die Blogger auch die Möglichkeit zu kommentieren, was sie gelesen oder gesehen haben. Das lassen wir alles zu, ohne dass die Redaktion sich einmischt oder Texte zensuriert. Denn das Publikum kann selbst entscheiden, was gut und was schlecht ist.
Wir wollen die Idee von der Kultur auf der Strasse wieder beleben. Die junge Bloggerszene hat dies bereits seit einigen Jahren vorgemacht. Die Blogger experimentieren mit verschiedenen Stilelementen und verwenden Mischformen zwischen Hocharabisch, Standardarabisch und Umgangssprache. Ziel dabei ist, dass auch einfache und weniger gebildete Personen diese Texte oder Songs verstehen. Viele dieser Blogs sind anschliessend mit Erfolg als Bücher publiziert worden. Ihre Wirkung hat sich bei der Revolution gezeigt. ”
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Die Blogger müssen allerdings mit den Reaktionen leben, die sie auf ihre Kommentare bekommen. Das ist eine Art Qualitätskon-trolle durch die Leserschaft. Ich bin dafür, dies alles zuzulassen. Das Gute wird sich schliesslich durchsetzen, und das Schlechte wird aussortiert.
Gibt es in den ägyptischen Medien kulturpolitische Debatten?Nein, Debatten sind weitgehend erstickt worden. Es gibt keine Kul-turpolitik, die sich mit etwas anderem beschäftigte als mit Geld. Kulturarbeit wird von vielen als eine Art Einkommensversicherung angesehen. Dies geht auf die Regierungszeit von Anwar al-Sadat Mitte der 1970er-Jahre zurück und sein Konzept von Liberalismus und Kapitalismus. Alles, was mit Geist zu tun hatte, Kunst, Schön-heit, Kritik wurde vernichtet. Der Mensch sollte nur essen, trinken und Geld verdienen, aber besser gar nicht erst denken. In den Uni-versitäten wurde den Studenten verboten, sich mit Politik zu be-schäftigen. Die Gewerkschaften von Journalisten oder Anwälten engagierten sich nur für die Rentenansprüche. Das Thema Geld-verdienen wurde zum wichtigsten, während die Kultur auf der Strecke blieb. Auch bei den Autoren- oder Schriftstellerverbänden ging’s nur noch um Renten, Einkommen und günstige Wohnun-gen, aber es wurde nicht mehr über Literatur und die Gesellschaft debattiert. In der Ära Mubarak hat Kulturminister Faruk Hosni diese Haltung konsequent weitergeführt. Es entstand der Begriff «Kulturstall», in dem die Kulturschaffenden wie Vieh im Stall des Ministeriums standen und gefüttert wurden.
Wo findet Kulturkritik heute statt – eine kritische Auseinander-setzung mit Kunst und Kultur?Bis zu den 1980er-Jahren gab es Versuche von Kulturkritik, aber die Kulturzeitschriften, die diese pflegten, haben viel Geld verlo-ren, einige sind Konkurs gegangen. Kulturkritik gibt es noch in den Korridoren der Akademien. In den Medien gibt es aber keine kritische Auseinandersetzung mit Literatur, Musik oder Kunst. Oft liest man bloss Werbespots für Bücher, die vom Autor selbst ver-fasst wurden. Literaturkritik ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die viel Wissen, Kenntnis und Fähigkeiten voraussetzt. Die staatliche Literaturzeitschrift Al-Akhbar al-Adab hat stark an Bedeutung ver-loren. Ihre offiziellen Literaturkritiker sind Beamte, die mit ihrem Job Geld verdienen, aber nicht Personen, die sich ernsthaft mit einem Buch auseinandersetzen und es zweimal lesen. Ich glaube aber, dass sich in den kommenden Jahren vieles ändern wird, weil die Leute mit der Revolution viel kritischer und mutiger gewor-den sind.
In Europa finden gesellschaftliche Debatten etwa über den Is-lam auch auf den Kulturseiten statt. Wie sieht dies in Ägypten aus?Kultur lässt sich nicht trennen von Gesellschaftsthemen. Dazu ge-hören auch Ratgeberbeiträge zu Lebensfragen, die Suche nach dem Glück. Wir produzieren Gesellschaftsbeilagen mit elementa-ren Themen wie die Beziehung zwischen Kindern und Eltern, Frau und Mann. Dabei stellen wir fest, dass die Familie an Bedeu-tung verliert. Stattdessen werden die Freunde, die man im Club trifft, wichtiger.
Werden auch Tabuthemen angesprochen, etwa die Religion?Es gibt immer noch heikle Themen wie etwa die Geschlechter-beziehungen. Mit vorsichtigen Formulierungen versucht man, das Thema dann etwas zu entschärfen. Während die Tabus in der Po-litik gebrochen wurden, sind Religion und Sex weiter proble-matisch. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Ein Journalist wollte übers Tanzen schreiben und benutzte dabei das Wort «Tanzlehrer». Das Wort Lehrer hat im Arabischen einen religiösen Beiklang. Der Chefredaktor griff ein und entschied, dass das Wort Lehrer im Zu-sammenhang mit Tanz nicht verwendet werden darf. Schliesslich strich er die ganze Seite.
Zensur findet also auch im Kulturjournalismus statt?Ja, allerdings meist als Selbstzensur.
Der ägyptische Kulturjournalist Gamal El Gamal wurde 1959 in Kairo geboren. Er studierte an der Fakultät für Archäologie der Universität Kairo und verfügt über einen Master of Arts. Heute arbeitet er als Kulturredaktor und Kritiker bei Al-Masry al-Youm, der ersten und grössten unabhängigen Tageszeitung Ägyptens, die seit 2004 existiert. Das Interview wurde am 12. März 2011 in Kairo geführt, einen Monat nach dem Sturz Hosni Mubaraks. Ola Abdel Gawwad wirkte während des Interviews als Übersetzerin. Susanne Schanda (*1960) beschäftigt sich als freie Journalistin mit dem Nahen und Mittleren Osten. Aus zahlreichen längeren Aufenthalten kennt sie Alltag, Kultur und Gesellschaft Ägyptens von innen. Sie arbeitet für verschiedene deutschsprachige Print- und Onlinemedien, sowie für das Schweizer Radio DRS.
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s mag sein, dass grosse Teile der Kommentare zur Literatur, zur literarischen Kritik und zum literarischen Betrieb, die heute im Internet zu lesen sind, eines Tages zu den bewahrenswerten Dokumenten des kul turellen Lebens gehören werden. Aber noch sieht
es nicht so aus, als werde dieser Tag eintreten – was auch daran liegt, dass zwar sehr viel Enthusiasmus herrscht, wenn es um die Möglichkeiten und die Zukunft des Internets geht, dass aber das historische Bewusstsein für die im Internet verwendeten Genres, Schreibtechniken und Textsorten noch nicht sehr entwickelt ist: Das gilt zum Beispiel für das Archiv, die Chronik und das öffentliche Tagebuch – lauter Typen der schriftlichen Dokumentation also, die, wenn sie im Internet auftreten, als spezifisch mit dieser Technik verbundene Genres wahrgenommen werden (etwa in Gestalt des Blogs oder der Lagerung digitaler Daten), ohne dass die oft jahrhundertealte Geschichte dieser Genres reflektiert würde. Die grossen, von einer neuen Technik beflügelten Ideen des vergangenen Jahrzehnts, der Blog als neues, allgemeines, möglicherweise grundsätzlich demokratisches Medium der Auseinandersetzung mit allem und jedem, die freien Rezensionsorgane im Netz, der digitale Roman – sie alle hatten eine Weile die Fantasien beflügelt, um dann allmählich an Bedeutung zu verlieren (wie etwa das Portal literaturkritik.de), wenn nicht gar ganz zu verschwinden wie das Internetportal ampool.de der Schriftsteller um Elke Naters und Christian Kracht oder der digitale Lesesaal der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Internetauftritte zehren von den Printmedien
Auch der Perlentaucher, das ehrgeizigste Projekt dieser Art, das ja nicht nur eine tägliche Übersicht über die Feuilletons der grossen Zeitungen, sondern – zumindest von seinem Anspruch her – eine Art «Überfeuilleton» sein sollte, ist eine Veranstaltung für zumindest semiprofessionelle Leser geblieben, wobei die meisten den Perlentaucher (ähnlich wie artsandlettersdaily.com) als Inhaltsangabe, nicht aber als selbständiges intellektuelles Organ wahrnehmen dürften. Allenfalls den Leserrezensionen bei Amazon möchte man, bezogen auf Buchverkäufe, noch eine grössere Bedeutung beimessen, wobei allerdings nicht klar ist, ob die dort veröffentlichen Texte als Kritiken oder als Zeugnisse von Lektüren
zu verstehen sind. Die vor etwa zehn Jahren sehr beliebte Vorstellung, der Amateurrezensent oder der Blogger könne dem professionellen und vor allem an die Zeitungen gebundenen Kritiker ernsthafte Konkurrenz machen, ist definitiv nicht eingetreten: Zwar gibt es diesen Dilettanten, und der umsichtige professionelle Kritiker wird ihn zuweilen lesen, falls er ihn findet – nicht zuletzt, weil der Amateur (im ursprünglichen Sinne: ein Liebhaber) oft über einen grossen Reichtum an positiven Kenntnissen verfügt. In den Printmedien jedenfalls hat das Feuilleton im Allgemeinen und die Kritik im Besonderen in den vergangenen Jahren und in
Konkurrenz mit dem Internet keinen Bedeutungsverlust hinnehmen müssen – was nicht heisst, dass in Blogs und Internetjournalen nicht zuweilen bessere, sachkundigere, genauer argumentierende Kritiken zu finden wären als in den Printmedien.
Gewiss, das Internet ist ein offener Raum, in dem jeder zumindest halböffent lich auftreten kann, was die Entwicklung von festen Strukturen oder gar Ordnungen und Hierarchien erschwert. Oft ist dies versucht worden, doch es scheint im deutschen Sprachraum mehr noch als im englischen ausgesprochen schwierig zu sein, im Internet eine stabile intellektuelle Infrastruktur aufzubauen, in der sich öffentliche Geltung über einen längeren Zeitraum hinweg akkumuliert. Dieser Mangel lässt sich auch daran erkennen, dass die vorhandenen Internetauftritte im deutschsprachigen Kulturbe
trieb, vom Perlentaucher bis zu S.P.O.N. (dem gemeinsamen Auftritt der Internetkulturjournalisten des Spiegel), im Wesentlichen von den Feuilletons der Printmedien zehren: Sie bestehen zum grössten Teil aus Kommentaren zu dem, was die Kollegen in den gedruckten Medien hervorgebracht haben. Der ironische, ja oft herablassende und gelegentlich gehässige Ton, der immer wieder in Kommentaren aus dem Netz (nicht zuletzt im Perlentaucher) über das traditionelle Feuilleton zum Ausdruck kommt, mag dabei objektive Gründe haben – und zwar im Versuch, eine strukturelle Unterlegenheit durch ein erhöhtes Mass an Subjektivität auszugleichen.
Beschränkung als Qualität
Drei Gründe gibt es für die Überlegenheit der Printmedien auf dem Gebiet der Kritik, und keiner von ihnen hat notwendig etwas mit
Aus dem Internet
kommt keine Konkurrenz
Die Kulturblogs im Netz, die Rezensionsplattformen und der digitale Roman – sie alle
haben die Fantasien eine Weile beflügelt. Das meiste ist inzwischen wieder verschwunden
oder bedeutungslos geworden, diagnostiziert der Autor Thomas Steinfeld. Die Kulturjournalisten des klassischen Feuilletons
müssen sich deshalb um die Zukunft ihres Berufs keine Sorgen machen.
Von Thomas Steinfeld
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der Qualität von Texten zu tun. Der erste ist Knappheit: Der Platz, der in einem gedruckten Feuilleton der Kritik zur Verfügung steht, ist begrenzt. Mehr als ein, zwei Seiten täglich stehen dafür nicht zur Verfügung. Nun muss der Wettbewerb um diesen Platz nicht bedeuten, dass sich die bessere Kritik durchsetzt – und doch entsteht allein durch die Beschränkung ein Bewusstsein von Wahl und Unterscheidung. Dieses Bewusstsein entspricht der inneren Logik der Zeitung. Denn es ist ja etwas Wahres daran, wenn sich der Münchner Komiker Karl Valentin im frühen 20. Jahrhundert darüber wundert, dass jeden Tag genauso viel passiert, wie in eine Zeitung passt. Denn ebenso sehr, wie die Zeitung ein Vermittler von Nachrichten, Kommentaren, Berichten, Meinungen und Rezensionen ist, bannt sie die Vielfalt der Ereignisse in ein strenges Format von grosser Beständigkeit. Im Internet hingegen lässt sich jeder Eintrag nicht nur in sich selbst in potenziell unendlicher Länge ausführen. Er ist vielmehr auch Element eines potenziell unendlich grossen Netzes. Und wenn, wie etwa bei den Blogs des Berliner Schriftstellers Rainald Goetz, der Inhalt eines Internettagebuchs in einigem zeitlichen Abstand als Buch erscheint (und damit erfolgreicher ist, als derselbe Text als Blog war), so dokumentiert sich auch darin die Wirksamkeit des Prinzips Verknappung.
Es gibt literarische Blogs, in denen aus diesem strukturellen Problem der Schluss gezogen wird, eine höhere Zahl und eine höhere Frequenz von Texten seien eine angemessene Reaktion, um sich im Netz durchzusetzen und also sichtbarer zu machen. Das Gegenteil ist der Fall: Zeitung bedeutet auch, dass sich eine begrenzte Menge von Texten für eine mehr oder minder begrenzte Zeit physisch (und auch darin: begrenzt) in einem Raum befindet. Dies ist der zweite Grund für die noch immer andauernde und vielleicht auch grundsätzliche Überlegenheit der Printmedien auf dem Gebiet der Kultur und der Kritik: die Gebundenheit ans Papier. Denn ein Medium ist ja nicht nur bestimmt durch seine allgemeine Erreichbarkeit und seine Fähigkeit, sich individuellen Bedürfnissen anzupassen, nicht nur durch seine Verbreitung und seine Schnelligkeit (lauter Eigenschaften, in denen man dem Internet mehr zutrauen könnte als den Printmedien), sondern es stellt sich auch dar in den Koordinaten von Schwere und Leichtigkeit, von Beständigkeit und Verfall.
Das Papier besitzt den Vorteil, innerhalb dieser Verhältnisse unendlich variabel zu sein: Es kann sehr schwer sein und trotzdem am nächsten Tag im Abfall liegen oder auch sehr leicht und doch haltbar über die Jahrhunderte hinweg. Und es kann als Transportmittel über grosse zeitliche und räumliche Distanzen dienen. Damit ist das dritte Argument für die Überlegenheit des Printmediums im Hinblick auf die Kritik genannt: Es ist, in seiner materiellen Struktur, im Verhältnis von oben links nach unten rechts, von vorne nach hinten, dem Buch verwandt. Die literarische (oder kulturelle) Kritik in den Zeitungen und Zeitschriften wird deshalb ihre Zukunft mit dem Buch teilen, was man über die Kritik der po
pulären Musik (die Kritik der klassischen Musik verhält sich anders, der Bildungsvoraussetzungen wegen, und erscheint deshalb als erheblich bedrohter) und die Kritik des Films (siehe etwa aintitcool.com oder auch slate.com) wohl nicht sagen kann. Umgekehrt scheint es eine Affinität zwischen dem Film und der Kritik im Internet zu geben, was vermutlich nicht nur daran liegt, dass sich Clips leicht in das digitale Medium integrieren lassen, sondern
auch daran, dass die soziale Schnittmenge zwischen Kinogängern und intensiven Nutzern von Blogs oder digitalen Magazinen grösser ist als die zwischen Buchlesern und Internetbesuchern.
Die Kultur als Ort gesellschaftlicher Auseinandersetzung
Literaturkritiker im Besonderen und Kulturjournalisten im Allgemeinen sollten sich daher über die Zukunft ihres Berufs in den klassischen Medien keine Sorgen machen: Bis auf Weiteres kommt aus dem Internet keine bedrohliche Konkurrenz – dessen Bedeutung liegt bislang, von den professionellen Möglichkeiten her betrachtet, vor allem in der Qualifikation und der Rekrutierung junger Kulturjournalisten sowie in der Dokumentation grosser, schwierig zu handhabender Textvolumina. Gewiss, das Internet erschien in den vergangenen Jahren, sehr grosser Zuwachsraten wegen, als das erfolgreichere Medium, was viele Verlagsmanager dazu verleitete, mit traditionellen Formaten nach den Massstäben der digitalen Präsenz umzugehen. Dieser Irrtum führte notwendig zu hybriden Formen, in denen das auf Papier gegründete Feuilleton eher unglücklich aussah. Stattdessen käme es darauf an, die Eigengesetzlichkeit eines jeden Mediums herauszuarbeiten und sie ihrem Zweck entsprechend zu nutzen. Dies ganz besonders, seitdem in Gestalt der sozialen Medien die zeitliche Differenz zwischen Ereignis und Nachricht auf ein absolutes Minimum reduziert werden kann. Statt dass sich nun, wie zuvor, alle Medien, mit mehr oder weniger Erfolg, am schnellsten Medium orientieren, treten sie nun in ihrer jeweiligen Eigengesetzlichkeit auseinander. Das bemerkt man schon am Internet selber, das zunehmend nicht nur Funktionen eines gigantischen Archivs erfüllt, sondern auch, an eigens dazu bestimmten Plätzen, sehr lange Texte in sich aufnimmt. Auffällig ist zudem, dass gedruckte Periodika, also etwa Zeitschriften, die im Wochentakt erscheinen wie Die Zeit, mittlerweile von ihrer relativen Langsamkeit profitieren, weil ihnen die Verzögerung als Distanz und Zeit zur Reflexion gutgeschrieben wird.
Die vor etwa zehn Jahren sehr beliebte Vorstellung, der Amateurrezensent oder der Blogger könne dem
professionellen und vor allem an die Zeitungen gebundenen Kritiker ernsthafte Konkurrenz machen, ist definitiv
nicht eingetreten: Zwar gibt es diesen Dilettanten, und der umsichtige professionelle Kritiker wird ihn zuweilen
lesen, falls er ihn findet – nicht zuletzt, weil der Amateur oft über einen grossen Reichtum an positiven
Kenntnissen verfügt. ”
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Ruedi Widmer (*1973) ist Grafiker, Cartoonist und satirischer Schreiber. Er zeichnet und schreibt regelmässig für TagesAnzeiger, Der Landbote, WOZ, TITANIC, SALDO u.a.m. Ruedi Widmer lebt und arbeitet in Winterthur. Er hat mehr als einen Filmjournalisten und mehr als zwei Musikkritiker in seinem Bekanntenkreis, mit denen er gerne zu Biere tritt und heftige Debatten führt, die auch am Fernsehen übertragen würden, wenn das Sendefahrzeug vor die Beiz fahren dürfte (leider Halteverbot). Er ist leidenschaftlicher Facebooker und gefährlich desinteressiert an Twitter.www.ruediwidmer.ch
Philippe Becquelin (*1958) lebt in Lausanne, wo er die Kunsthochschule besuchte. Unter seinem Pseudonym Mix & Remix zeichnet er regelmässig für das Westschweizer Wochenmagazin L’Hebdo, die Sendung Infrarouge des Westschweizer Fernsehens TSR sowie ausländische Publikationen wie Courrier International, Lire, Clés und Internazionale. Becquelin ist kein fleissiger Kulturkonsument. Er kauft ab und zu eine CD und geht gelegentlich ins Kino. Filmkritiken liest er selten, haben sie doch die schlechte Angewohnheit, die ganze Geschichte zu verraten. In Sachen Musik lässt er sich von seiner Tochter beraten oder schaut, was seine Freunde auf Facebook empfehlen.Seine Cartoons hat Reto Gustin ins Deutsche übertragen.http://mixremix.ch
Die Cartoonisten
Am auffälligsten ist die Veränderung hingegen in den Tageszeitungen: Diese sind zunehmend vom Nachrichtlichen entlastet – denn mit der Geschwindigkeit der audiovisuellen Medien und insbesondere des Internets können sie nicht konkurrieren. Sie reagieren darauf, indem sie langsameren (und längeren) Textformen mehr Platz einräumen: dem Hintergrundbericht, dem Dossier, der Reportage, dem Porträt – und der Kritik, kurz: den reflexiven und erzählenden Genres. Das namentlich so gekennzeichnete Feuilleton muss deswegen nicht grösser werden. Aber seine Techniken, Stile und Arbeitsweisen werden von den anderen Ressorts übernommen, von der Politik, von der Wirtschaft und nicht zuletzt vom Sport. In mancherlei Hinsicht kehren wir also gegenwärtig in ältere Verhältnisse zurück, in denen die Kultur der Ort war, an dem man sich über alle anderen Sphären der Gesellschaft auseinandersetzte – nur, dass die Kultur, neben dem Sport, dem Leben und Sterben der Prominenz und einer zunehmend an symbolische Handlungen gebundenen Politik (die echten Entscheidungen fal
len ökonomisch), nur noch einen Bruchteil der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit geniesst, die ihr etwa im späten 18. Jahrhundert noch zukam. Trotzdem sind das wahrlich keine schlechten Aussichten für den Kulturjournalismus. Es ist indessen leichter, damit umzugehen, kennt man die Geschichte des eigenen Gewerbes.
Thomas Steinfeld (*1954) leitet das Feuilleton der Süddeutschen Zeitung in München und ist Titularprofessor für Kulturwissenschaften an der Universität Luzern.
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28Ortszeit
swissnex San Francisco bringt junge Schweizer Gamedesigner in Kontakt mit der lebendigen
Gamingszene der amerikanischen Westküste. Im Oktober
sind die Schweizer mit einer Wanderausstellung in San
Francisco präsent.
Spiele zwischen Technik,
Wissenschaft und Kunst
Eine kritische Spiegelung: Das Videospiel Game Over des Künstlers Yan Duyvendak regt zum Nachdenken über das Spielen an.
Von Bettina Ambühl, San Francisco – Vom Simulationsspiel am Heimcomputer über das Sudoku auf dem Handy bis zum digitalen Yogatrainer – elektronische Spiele und Anwendungen werden immer vielfältiger. Mit dem Programm Game Culture lotet Pro Helvetia das schillernde Phäno
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Die Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia unterhält ein weltweites Netz von Aussen stellen. Sie dienen dem Kulturaustausch mit der Schweiz und erweitern die kulturellen Netzwerke.
OrTSzeIT
men Computerspiel aus und zeigt im In und Ausland, was sich in der Schweiz in dieser Sparte tut. eine Wanderausstellung mit dem Titel Swiss Game Design wird im Oktober auch an der amerikanischen Westküste haltmachen. In zusammenarbeit mit der Partnerorganisation swissnex
San Francisco, wird daraus ein interaktiver Anlass, der Profis wie interessierte Laien gleichermassen anspricht.
Als Hochburg der digitalen Technik in unmittelbarer Nähe des Silicon Valley bietet San Francisco der wachsenden Gamingindustrie eine besonders lebendige
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wichtigen Schritt in der entwicklung einer eigenständigen schweizerischen Game Industrie. Noch ausschlaggebender sei aber gewesen, dass sich dank dem Programm Game Culture auch innerhalb der Schweiz ein reger Austausch zwischen den Spielemachern entwickelt habe.
Die vom Haus der elektronischen Künste Basel konzipierte Wanderausstellung Swiss Game Design zeigt, was sich hier tut. Dabei fällt sofort auf, dass auch in der Schweiz die Interessen am Spiel nicht bei der Unterhaltung aufhören. Wenn am Forschungsinstitut Disney research zürich eTHInformatiker versuchen, immer noch realistischere Animationen zu entwickeln, arbeiten Wissenschaftler Hand in Hand mit der Unterhaltungsindustrie. Und wo Patienten mit Spielen zu Übungen angehalten werden, die ihre rehabilitation beschleunigen, steht das Spiel und seine entwicklung im Dienste der Wissenschaft. So wird zum Beispiel die Therapiesoftware Gabarello, welche 2009 an der zürcher Hochschule der Künste in zusammenarbeit mit dem Kinderspital zürich, der eTH und der Universität zürich entstanden ist, in der motorischen rehabilitation von Hirnschlagpatienten ein gesetzt. Deren Bewegungen werden auf eine Spielfigur auf dem Bildschirm übertragen, die verschiedene Abenteuer bestehen muss. Während die Patienten versuchen, im Spiel möglichst weit zu kommen, trainieren sie die Motorik ihrer Beine, mit
dem ziel, irgendwann wieder gehen zu können.
Kunst, die über Games nachdenktDoch Gaming vereint in sich nicht nur Technologie und Wissenschaft mit Unter haltung, sondern integriert auch künstlerische Aspekte. Inwiefern digitale Spiele selbst als Kunst bezeichnet werden können, ist jedoch eine andere Frage. Der Schweizer Christian Lorenz Scheurer, ein Schwergewicht im Design von Konsolengames und Animationsfilmen, der seit Jahren in Hollywood lebt und arbeitet, meint dazu: «Nicht jedes Game ist Kunst, so wie auch
design der zürcher Hochschule der Künste und den neuesten Games aus der Küche der Schweizer entwicklerstudios. Dass nun auch die Schweizer Gamedesigner direkt am regen Austausch in San Francisco teilnehmen können, sieht reto Senn, Mitbegründer und COO der rapperswiler Firma Bitforge AG und entwickler des erfolgreichen iPhoneGame Orbital, als
und anregende Plattform. Während in der Schweiz oft als erstes Vorbehalte gegenüber Computerspielen genannt werden, wie zum Beispiel der Aspekt einer möglichen Gewaltförderung, steht in Kalifornien das Interesse an neuen entwicklungsmöglichkeiten des Spiels im Vordergrund. Schon seit 25 Jahren findet hier auch die Game Developers Conference statt, welche jährlich rund 18 000 Fachleute anzieht. ein Blick auf das Programm der Konferenz vom vergangenen März zeigt, wie breit die Interessen am Spiel hier gestreut sind: Workshops zu den neuesten technischen errungenschaften im Bereich der Spielentwicklung werden genauso angeboten wie Vorträge zu juristischen, ethischen oder psychologischen Fragen des Spiels. So ging beispielsweise Mia Consalvo, Professorin am Massachusetts Institute of Technology, in ihrem Vortrag der Frage nach, welche sozialen Interaktionen in den sogenannten social games tatsächlich zum Tragen kommen.
Serious Games: mehr als ZeitvertreibAuch die Schweiz war dieses Jahr mit der Unterstützung von Pro Helvetia zum ersten Mal mit einem eigenen Stand an der Konferenz vertreten. swissnex, eine Aus senstelle des Staatssekretariats für Bildung und Forschung zur Förderung schweizerischer Innovation im Ausland, ergänzte diesen Auftritt mit einer interaktiven Ausstellung des Studiengangs Game
Im Simulationsspiel Spore erschafft der Spieler seine eigenen Kreaturen. Beteiligt an der visuellen Entwicklung war Christian Lorenz Scheurer.
Das erfolgreiche iPhone-Spiel Orbital wurde vom Schweizer Reto Senn entwickelt.
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nicht jeder Film als künstlerisch bezeichnet werden kann – aber es besteht zumindest ein Kunstpotenzial». Bestimmt macht die Kreativität des Designers einen künstlerischen Aspekt im Spiel aus; wenn Scheurer wie im neuesten, noch geheimen Filmprojekt das Design übernimmt, entstehen unter seiner Anleitung ganze Welten, die dann als Kulissen nachgebaut werden und im Film zum Leben erwachen. eine Metakritik, wie sie beispielsweise Kunstwerke eines Joseph Beuys hervorrufen, gebe es aber in dieser Form von Kunst bisher nicht, ergänzt Scheurer.
Interessanterweise zeigt die Ausstellung Swiss Game Design auch einige Werke, die ein solches Nachdenken über sich selbst und über das Spielen anregen. So beispielsweise das Videospiel Game Over des Künstlers Yan Duyvendak, in dem er selbst zu sehen ist, wie er auf unsichtbare Gegner schiesst. Doch mit dem Hinzukommen einer reflexiven ebene, entfernen sich diese Werke gleichzeitig vom ziel, dem Spieler in erster Linie eine unterhaltsame Beschäftigung anzubieten. Dies zeigt sich darin, dass die meisten dieser Werke zwischen Spiel und Videoinstallation schwanken, sie konfrontieren den Spieler oder Betrachter mit Inhalten, die unabhängig vom Spielverlauf eine eigene Berechtigung behaupten. Damit eröffnet sich eine mögliche Unterscheidung zwischen der Gamingkultur selbst und der Kunst, welche über diese nachdenkt. Die kritische Spiegelung in den Werken von Künstlern unterstreicht dabei, dass Gaming heute von vielen Menschen als prägender Inhalt in ihrem Leben wahrgenommen wird.
Informationen zu weiteren Veranstaltungen unter: www.swissnexsanfrancisco.org Bettina Ambühl hat an der Universität zürich Germanistik studiert. Seit einem Jahr lebt sie als Korrespondentin für die Neue Zürcher Zeitung mit ihrem Mann in Kalifornien.
Ortszeit
Von Stefanie Thiedig, Shanghai – Performance und Video, Form und Medium – das sind grosse Begriffe, um die es in der von April bis Dezember 2011 dauernden Ausstellungsreihe Action and Video – CH/CN Art Now in Shanghai geht. Auf der einen Seite stehen das Minsheng Art Museum und die dort ausstellenden chinesischen Künstler, auf der anderen Seite die von Pro Helvetia Shanghai eingeladenen Schweizer Kunstschaffenden, und dazwischen Li zhenhua, der in zürich und Beijing lebende Kurator und das Bindeglied der ganzen Show. Dazwischen steht aber auch die interkulturelle Verständigungsarbeit, die auf
beiden Seiten viel Geduld erfordert und die Bereitschaft, sich aufeinander einzulassen.
Kontraste und Parallelenretrospektiven chinesischer Gegenwartskunst haben seit Sommer 2010 in China Hochkonjunktur. Diesen September zeigte das Minsheng Art Museum einen grossen Überblick chinesischer Videokunst. Dem aktuellen Thema haben sich das neue ProHelvetiaBüro in Shanghai und der Kurator Li zhenhua angeschlossen. Das Projekt Action and Video – CH/CN Art Now will mit der Gegenüberstellung zeitgenössischer Videokunst aus der Schweiz und
Der Versuch, eine Universalsprache zu finden
Kunststudenten aus Shanghai stellen die Werke unter Anleitung der Künstler fertig.
Die Ausstellungsreihe Action and Video – CH/CN Art Now in Shanghai zeigt Videokunst aus der Schweiz
und China und bietet den Kunstschaffenden beider Länder eine Plattform für den Dialog.
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China Kontraste und Parallelen aufzeigen und den Kunstschaffenden beider Länder eine Plattform für den Dialog bieten. Dabei treffen die Schweizer Künstler Yves Netzhammer, Bernd Schurer, roman Signer, Yan Duyvendak und Marc Lee sowie der Kunsthistoriker Beat Wyss auf die chinesischen Künstler Liu Wei, Lu Jie, Aaajiao, zhang Peili und Lu Chunsheng. eröffnet wurde die Ausstellungsreihe am 19. April unter Anwesenheit des Schweizer Bundesrats Didier Burkhalter. Die erste Schau galt Yves Netzhammer in Begleitung des Computerkünstlers und Visual Artist Bernd Schurer – der ursprüngliche Titel Die Anord-nungsweise zweier Gegenteile bei der Erzeugung ihres Berührungs-maximums wurde auf englisch kurzerhand mit Nature Fear Entity übersetzt.
Schmetterlings effektDie Ausstellungsreihe soll nicht als klassisches Anschauungsobjekt, sondern als Kommunikationsmittel dienen, mit dem der künstlerische Schaffensprozess im entstehen greifbar wird. Deshalb haben die Projektverantwortlichen auch das Minsheng Art Museum und zahlreiche Shanghaier Kunststudenten mit eingebunden. Nachdem die ersten Wandzeichnungen gemalt, rauminstallationen angebracht, Videos integriert und Klänge synchronisiert sind, und damit das Grundgerüst steht, wird die Ausstellung unter Anleitung der Künstler zusammen mit den Studenten fertiggestellt. Noch immer geht es in chinesischen Kunstschulen primär um Methoden und Produktionsvorgänge – das chinesische Bildungssystem lässt nicht viel anderes zu –, doch gerade auch über formale Aspekte können die Standpunkte der Künstler in der Gegenwartskunst erkannt werden. Li zhenhua äussert mit Blick auf den an chinesischen Schulen vorherrschenden Drill: «Mit unserem Ansatz kann natürlich nicht das chinesische System verändert werden, aber wer weiss, vielleicht entsteht ein Schmetterlingseffekt.» Begleitende Workshops, Vorträge, Besuche von Schulen und Institutionen sollen dazu beitragen.
Lernen müssen auch die beiden Kulturen miteinander: «Obwohl ich schon eine ganze Weile mit Schweizer Künstlern
zusammenarbeite, befinde ich mich in einem gewaltigen Lernprozess, was die unterschiedliche Arbeitsweise chinesischer und Schweizer Künstler angeht», so Li zhenhua. Das chinesische mantrahaft verwendete «Manman lai» («immer mit der ruhe») zielt ins Herz kultureller Missverständnisse, und europäer können es oft nur schwer nachvollziehen. Dies auch deshalb, weil in China dann gleichzeitig vieles sehr schnell geplant und umgesetzt wird
– man verständigte sich deshalb für die Ausstellungsreihe darauf, Work in Progress zu leisten.
Neues Pro-Helvetia-Büro in ShanghaiDa Netzhammers Werke nicht einfach und auf den ersten Blick verständlich sind, sind die Studenten mit Kommentaren sehr vorsichtig und nähern sich häufig über die Tierfiguren seinen Themen an. «Als elemente ohne Kodierung und Bewertung sind Tiere ideale emotionsträger und bieten raum für Assoziationen», so Netzhammer. Die Beschäftigung mit Individuum, Kultur und Natur wirft bei Netzhammer existenzielle Fragen auf: Der Oberfläche ist nicht mehr zu trauen – sie öffnet den Blick für den psychologischen raum darunter: auf unsere Ängste vor dem Ausbruch aus Konventionen, auf die Labilität unserer Weltsicht. Nicht alles ist für jeden lesbar, doch die in den Szenen dargestellten Sin
neserfahrungen sind von einer starken und umfassenden Ausdruckskraft, die den Beteiligten beider Kulturen die Möglichkeit gibt, sich in einer Art Universalsprache zu finden.
Darauf hofft auch das neue, im Oktober 2010 offiziell eröffnete Liaison Office von Pro Helvetia in Shanghai. Seit 2008 wurden mit fast siebzig künstlerischen Projekten erfahrungen für einen Kulturaustausch zwischen China und der
Schweiz gesammelt. Das Büro beschäftigt drei lokale Mitarbeiterinnen: Die Leiterin Sylvia Xu wird unterstützt von Cathy Fu in Shanghai und eliza Wang in Beijing, die Pro Helvetia Shanghai mit der Hauptstadt verbindet. «Wir sind ein kleines und damit äusserst flexibles Büro, und die Strukturen sind nicht so hierarchisch wie in vielen anderen Ländervertretungen», so Xu. Der inhaltliche Schwerpunkt wird jedes Jahr neu gesetzt: Dieses Jahr ist es die Videokunst, im folgenden Jahr wird es Design und Architektur sein. Künstler werden allerdings selten direkt gefördert, stattdessen arbeitet Xu hauptsächlich mit chinesischen Institutionen zusammen, die einzelne Projekte finanziell und mit ihren Netzwerken unterstützen. Das Minsheng Art Museum, Partner des aktuellen Projekts, leistet diesbezüglich Pionierarbeit, denn es ist
in China das erste und bislang einzige gänzlich von einer Bank finanzierte Museum für chinesische Gegenwartskunst. «Mittlerweile planen auch andere Banken die Gründung von Museen», so der Direktor zhou Tiehai. «Das ist Neuland für uns in China – momentan beschäftigen wir uns noch mit fundamentalen Prozessen der Museums arbeit und dem Aufbau von Sammlungen.»
Informationen über die aktuellen Ausstellungen und Anlässe zu Action and Video finden sich unter www.prohelvetia.cn Stefanie Thiedig (*1980) arbeitet als frei beruf liche Kulturvermittlerin unter dem Namen Kulturgut in Beijing. Im September 2010 hat sie zusammen mit Katharina Schneider roos das Kompendium Chinas Kulturszene ab 2000 über die chinesische Kunstszene der Nuller jahre im Christoph Merian Verlag herausgegeben.
In Szene gesetzte Sinneserfahrungen: Yves Netzhammer bei der Arbeit.
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Es ist ein warmer Nachmittag im März, und in der Luft hängt der letzte Geruch des ausklingenden Winters. Durch die hohen Fenster fallen honigfarbene Sonnenstrahlen und zeichnen hübsche Muster auf den Boden von Coseys Atelier. Draussen ist es ruhig; über Lajpat Nagar, einer normalerweise geschäftigen Gegend im Süden Delhis, liegt ein staubiger, gelber Schleier. «Abends ist hier deutlich mehr Betrieb», erklärt mir der Comiczeichner – und er muss es ja wissen, denn schliesslich ist dies seit fast drei Monaten sein temporäres Zuhause. Bernard Cosendai, der mit Unterstützung von Pro Helvetia einen Atelieraufenthalt in Indien verbringt, hat sich mit seinen Nachbarn angefreundet und einige lokale Zeichner kennengelernt, unter ihnen Vishwajyoti Ghosh (Autor von Delhi Calm), Sarnath Banerjee (Autor von Cor-
ridor, The Barn Owl’s Wondrous Capers und dem kürzlich erschienenen The Harappa Files) und Anindya Roy (Leiter des Comicverlags Manic Mongol). «Sehr talentierte und liebenswürdige Leute», findet Cosey, «und überaus witzig!»
Poetische Geschichten voller DetailsSeinen Wohn und Arbeitsraum hat sich Cosey liebevoll eingerichtet. Vor den Fenstern hängen sorgfältig ausgewählte Bambusjalousien, und auf dem Sofa liegen ordentlich aufgereiht einige seiner letzten Einkäufe – eine Autorikscha im Spielzeugformat, ein farbenfroher Bilderrahmen, eine Statue von Ganesha, dem hinduistischen Gott, der als «Beseitiger aller Hindernisse» verehrt wird, ein Kissen mit einem Tigerkopf, ein wunderschön bestickter RajasthaniWandbehang und Kissenbe
Der Weltenbummler
mit dem Skizzenblock
Der Schweizer Comiczeichner Cosey hat für seine Arbeit weite Teile der Welt bereist. Für einen Atelieraufenthalt
ist er dieses Frühjahr nach New Delhi zurückgekehrt, wo er ins brummende Treiben der Stadt eintauchte –
immer auf der Suche nach Inspiration für seine Arbeit.
Von Janice Pariat (Text) und Ankur Ahuja (Bilder)
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Die Stadt mit allen Sinnen erleben: Der Comiczeichner Cosey (oben links) hält seine Eindrücke mit Skizzen fest. Nizamuddin (Mitte) ist eine Pilgerstätte für Muslime in Delhi.
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züge. Der Tisch des Zeichners ist mit Blättern und Farbtuben übersät, und in einem Tontopf stehen eine Reihe verschiedener Pinsel bereit.
«Zurzeit arbeite ich an einer Geschichte, die in Japan spielt», erzählt Cosey, «das Buch soll Ende Jahr herauskommen.» Jede Seite besteht aus zwei durchsichtigen Folien, die eine mit schwarzen Umrissen, die andere farbig, die übereinandergelegt das fertige Bild ergeben. Mir fällt ein, was Sarnath Banerjee über den Schweizer gesagt hat: «Cosey ist ein Meister der Wasserfarben. Seine Geschichten im typisch europäischen Albumformat sind geradlinig und doch poetisch, wunderschön gezeichnet und voller Details.»
Cosey hat in den letzten drei Jahrzehnten weite Teile der Welt bereist, von Tibet und Burma bis zu den USA und Nepal. Die Bilder aus diesen Reisen fliessen jedoch nie sofort in seine Arbeiten ein; stattdessen saugt er sie in sich auf und lässt sie eine Weile köcheln – wie geheimnisvolle Zutaten in einem Hexenkessel. Seine Antwort auf die Frage, ob er eine Geschichte über Delhi zeichnen werde, ist deshalb keine Überraschung: «Noch ist es dafür zu früh. Momentan konzentriere ich mich darauf, die Stadt mit allen Sinnen zu erleben. Irgendwann, vielleicht in einem Jahr oder auch erst später, hole ich dann die gesammelten Eindrücke und mitgebrachten Ge
genstände wieder hervor – Dinge, die man in keinem Reiseführer findet.» Das können Zigarettenschachteln, Etiketten von Bierflaschen oder Werbeplakate sein, wie sie der Zeichner schon in früheren Werken verwendet hat, um die Schauplätze seiner Geschichten authentischer und lebendiger
zu machen, so zum Beispiel in Saigon-Ha-noi, Der Buddha des Himmels, Tallulah & May und Eine Reise nach Italien.
Delhis erste Comicmesse: einekommerzielle AngelegenheitNeben der Arbeit am Zeichentisch war Cosey in den letzten Monaten auch viel unterwegs. Fast schon ein Pflichttermin war natürlich Delhis allererste Comicmesse, «eine ziemlich kommerzielle Angelegenheit, aber schliesslich müssen auch Comiczeichner von etwas leben!», meint er. «Das bedeutendste Festival Europas im französischen Angoulème war anfangs sehr intellektuell und elitär und ist seither zu einer riesigen Verkaufsveranstaltung geworden – vielleicht wird ja Delhi genau den umgekehrten Weg gehen?» Ausserdem hat er etliche Sehenswürdigkeiten der indischen Metropole besucht, wie das HumayunMausoleum, das quirlige Purani Dilli (old Delhi) im Norden oder den chaotischen Zentralmarkt ganz in der Nähe seines Ateliers. Auf seinen Streifzügen hat er viele Fotos geschossen, «um später architektonische Details originalgetreu wiedergeben zu können», und unzählige Skizzen angefertigt, die wir uns zusammen an sehen: eine mit Mehndis (rötlichen HennaTattoos) bemalte Hand, eine anmu
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Sorgfalt und Liebe zum Detail: Porträt eines muslimischen Fakirs.
Cosey Der 1950 in Lausanne geborene Bernard «Cosey» Cosendai ist einer der international bekanntesten und erfolgreichsten Comicbuchautoren der Schweiz. Seine berufliche Karriere begann er als Grafiker in einer Werbeagentur, bevor er Assistent des damals einzigen etablierten Schweizer Comiczeichners Derib (Claude de Ribaupierre) wurde. Aus ihrer Zusammenarbeit und dem gemeinsamen Interesse an orientalischer Philosophie entstand eine enge Freundschaft, die bis heute anhält. Nach einer Reihe kleinerer Projekte erfand Cosey mit dem Aussteiger Jonathan seine populärste Figur, deren Abenteuer ab 1975 mit gros sem Erfolg im Comicmagazin Tintin erschienen. Seiner ersten Fernreise, die ihn 1976 nach Ladakh in Indien führte, liess er seither viele weitere folgen – in die USA, nach Nepal, Vietnam, Laos, Kambodscha, Burma und Tibet. Von den Eindrücken, die er auf seinen Reisen sammelt, zeugen die authentischen Details, Schauplätze und Einblicke in das Leben der Einheimischen, mit denen seine illustrierten Geschichten gespickt sind. Für sein Werk wurde er mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Grand Prix Alfred für das beste Album in Angoulème, dem Grand Prix Soleil d’or in Solliès sowie dem Bonnet d'âne, dem Ehrenpreis des Comicfestivals Quai des Bulles in SaintMalo. Von Januar bis April 2011 verbrachte Cosey mit Unterstützung von Pro Helvetia einen Atelieraufenthalt in New Delhi. http://cosey.rogerklaassen.com
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tige KathakaliSzene (klassische indische Tanzdarbietung) aus der Stadt Khajuraho, eine Statue von Kali, der zehnarmigen HinduGöttin der Zeit und der Veränderung – und immer wieder Porträts. Unter Coseys Impressionen – in den Augen seines Berufskollegen Sarnath Banerjee «unglaublich präzise Momentaufnahmen des indischen Alltagslebens» – sticht eine hervor: das mit besonders viel Sorgfalt und Liebe zum Detail ausgeführte Porträt eines muslimischen Fakirs. Dazu inspiriert wurde der Zeichner im Stadtteil Nizamuddin, «einer Gegend voller faszinierender Menschen, Bauwerke und Landschaften» unweit des HumayunMausoleums. Inmitten eines Labyrinths von engen, überfüllten Gassen befindet sich das Grabmal («Dargah») von Nizamuddin Auliya, einem der bekanntesten SufiHeiligen, der hier im frühen 14. Jahrhundert beigesetzt wurde. Seine letzte Ruhestätte ist für Muslime aus dem ganzen Land ein heiliger ort, der täglich Scharen von Pilgern und Strassenhändlern anzieht.
Cosey schlägt einen Ausflug nach Nizamuddin vor, zu dem wir am späten Nachmittag aufbrechen. Allmählich lässt die Hitze nach und die Stadt erwacht zum Leben. Die ersten Händler schieben ihre Gemüsekarren vorbei, und der nahe gelegene Park füllt sich mit Spaziergängern und Kricket spielenden Kindern. Unterwegs spricht Cosey über die gemischten Gefühle, die er für seine Gaststadt hegt: «oft weiss ich gar nicht mehr, wo ich bin – in Istanbul, in London oder doch in Delhi. Nichts hier ist typisch indisch, anders als zum Beispiel in Hampi im Bundesstaat Karnataka mit seinen Ruinen aus der VijayanagarZeit oder in Khajuraho. Das liegt wohl daran, dass Delhi eine Stadt der Einwanderer und Flüchtlinge ist.»
Vor dem Eingang des Grabmals, wo wir unsere Schuhe ausziehen, bedrängt uns ein Händler, Rosenblüten und Kerzen zu kaufen. Cosey weist ihn höflich, aber bestimmt ab. Wir betreten die Anlage und tauchen ein in eine fremde Welt aus längst vergangener Zeit. An grob zusammengezimmerten Ständen werden Korane, MekkaBilder und mit islamischen Gebeten bedruckte Stofftücher angeboten.
Cosey hat Stift und Skizzenblock hervorgeholt und hält Ausschau nach interessanten Motiven. Vorbei am Wasserspeicher und am Grab des Dichters Mirza Ghalib gelangen wir in den inneren Teil der Anlage mit der grossen Moschee. Vor dem Dargah, zu dem nur Männer Zutritt haben, sitzen betende und plaudernde Frauen in Burkas,
Fakire hoffen auf Almosen, und Pilger befestigen lange, orangefarbene Fäden an den Gitterwänden des Grabmals und bitten auf diese Weise um Erfüllung ihrer Wünsche. Cosey macht es sich gegenüber einer Gruppe von Frauen und Kindern in einer Ecke bequem und beginnt zu zeichnen. Rasch werden einige Neugierige auf ihn aufmerksam. «Was macht der Firang (Ausländer) da?», höre ich sie flüstern. Besonders interessiert scheint eine Gruppe junger Männer, von denen einer herüberkommt und dem Zeichner über die Schulter späht. «Woher kommt der Mann?», fragt eine Frau hinter mir schüchtern, doch Cosey lässt sich nicht stören. Während die Menge geduldig zuschaut, entsteht auf seinem Block langsam das Port
rät einer der verhüllten Frauen. Plötzlich, als ob es der Regisseur eines Historienfilms angeordnet hätte, ertönen aus der Ferne, von der anderen Seite der Anlage, leise Trommelklänge: Der jeden Donnerstagabend stattfindende Qawwali, eine religiöse musikalische Darbietung aus der SufiTradition, hat begonnen. Die betö
rende Musik und die hohe Kuppel der Moschee vervollständigen die filmreife Szenerie. Nachdem er seine Zeichnung beendet hat, fängt Cosey mit seiner kleinen Digitalkamera weitere Impressionen ein. ob imposante Torbogen, spielende Kinder oder eine andächtig betende Frau – kaum etwas entgeht seinem aufmerksamen Blick.
Nur noch Farben und Formen«Falls ich ein Buch über Indien mache, soll es völlig anders als meine bisherigen Arbeiten werden», erklärt er mir auf dem Weg zum Ausgang. «Statt eines klassischen Comic mit Figuren und Dialogen denke ich eher an eine Art visuelle Dokumentation, die ausschliesslich aus Farben und Formen besteht. Ich glaube, dass ich meine Eindrücke auf diese Weise am besten wiedergeben kann. Ich will mir diesmal die Freiheit nehmen, nur das zu zeichnen, was mich inspiriert. Wenn ich einer Geschichte folgen muss, auch wenn ich sie selbst geschrieben habe, ist das nicht immer möglich.» Beim Ausgang schrecken wir einen Taubenschwarm auf, der sich in die Lüfte erhebt. Cosey bleibt stehen, mustert ein Amulett mit einem kunstvoll eingra
vierten islamischen Gebet und geht weiter. Früher oder später wird er diese Details in seine Bilder einfliessen lassen.
Janice Pariat ist freischaffende Autorin (u.a. für OPEN, Art India, Outlook Traveller und Forbes India) und arbeitet – je nach Wetter – in Shillong, Delhi oder Kalkutta. Zurzeit schreibt sie an einer Sammlung von Kurzgeschichten. www.janicepariat.blogspot.com Ankur Ahuja ist seit über zehn Jahren als Fotografin, Filmerin und Cutterin tätig und lebt in New Delhi. Sie hat zahlreiche Dokumentar, Kurz und Werbefilme sowie Musikvideos gedreht und beschäftigt sich seit Kurzem auch mit Videokunst. www.ankurahuja.com; http://oddends.wordpress.com Aus dem Englischen von Reto Gustin
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«Was macht der Firang (Ausländer) da?» Cosey lässt sich nicht stören.
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Das Thema Kulturvermittlung ist in al-ler Munde und erhält zunehmend Ge-wicht: sei es im kulturellen Schaffen, in der Kulturförderung oder in der Bil-dung. In vielen Kernfragen herrscht aber noch kein Konsens. Welche Leute soll sie erreichen? Ist Kulturvermittlung eine bildungs- oder kulturpolitische Aufgabe? Und wer soll sie bezahlen? Über diese und weitere Grundsatzfragen diskutieren Experten aus der Schweiz und dem Ausland an vier Foren von September bis März. Der Wissensaustausch will zur Bewusstseins-bildung beitragen und die Qualität der Kulturvermittlung steigern. Pro Helve-tia hat die Diskussionsreihe im Rahmen ihres Programms Kulturvermittlung initiiert und sich dafür mit vier Partnern aus zwei Sprachregionen zusammen-getan: dem Kanton Wallis und den Städ-ten Bern, Basel und Biel. Die Foren richten sich an Entscheidungsträger aus der Kultur- und Bildungspolitik sowie an Leiterinnen von Kulturinstitutionen, sind aber auch der interessierten Öffent-lichkeit zugänglich.
9. September 2011: www.ferme-asile.ch25. November 2011: www.dampfzentrale.ch20. Januar 2012: www.literaturhaus-basel.ch1. März 2012: www.theater-biel.ch
Gespräche über Kultur-vermittlung
Schweizer Bühnenkunst experimentell und pointiert
Wer sich für zeitgenössische Bühnen-künste aus der Schweiz interessiert, fährt im Dezember am besten nach – Frankreich. Die Comédie de Saint Etienne, sechzig Kilometer südwestlich von Lyon, widmet dem hiesigen Tanz- und Theaterschaffen mit Made in Suisse einen grossen Schwerpunkt. Vom 5. bis 17. Dezember stehen Produktionen auf dem Programm, die sich durch experi-mentelle künstlerische Ansätze und eine pointierte Ästhetik auszeichnen. Neben bekannten Performancekünstlern wie Yan Duyvendak und Massimo Furlan sind auch neue Jungtalente wie Eugénie Rebetez und François Gremaud mit von der Partie. Ergänzt wird das Schweizer Fenster durch eine Filmreihe mit ein-heimischen Spiel- und Dokumentarfilm-
Im Dezember in der Comédie de Saint Etienne zu Gast: Massimo Furlan – hier mit Anne Delahaye in einer Reinszenierung des Eurovision Song Contest.
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produktionen. Zudem sind verschiedene Veranstaltungen in den Bereichen Musik, Literatur und Architektur vor-gesehen.
Made in Suisse geht aus dem Pro Helvetia Programm La belle voisine her-vor, das im Jahr 2007 den Austausch zwischen Institutionen und Kulturschaf-fenden aus der Schweiz und der Region Rhône-Alpes anstiess. Mit dem Festival werden die damals initiierten Begegnun-gen und Partnerschaften fortgesetzt.
www.comedie-de-saint-etienne.fr und www.prohelvetia.ch
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La Ribot im südlichen
Afrika
Sie sind Jazzmusiker und benötigen finanzielle Unterstützung für Ihre Aus-landtournee? Sie sind Autorin und möchten sich über einen längeren Zeit-raum ohne finanzielle Sorgen einem literarischen Projekt widmen? Dann rei-chen Sie Ihr Gesuch unter www.mypro-helvetia.ch online ein. Das Gesuchspor-tal der Schweizer Kulturstiftung leitet Sie schnell, einfach und unbürokratisch durch die Eingabe und informiert über Termine und projektspezifische Förder-kriterien. Sie haben jederzeit und überall Zugriff auf Ihre Daten. So kann der Ver-anstalter in New York das Dossier ebenso ergänzen wie der Buchhalter aus dem Emmental. Bis zur Eingabe des Gesuchs können die Gesuchstellenden ihre Daten problemlos bearbeiten und durch
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La Ribot, Tänzerin, Choreographin und visuelle Künstlerin, tourt vom 7. bis 22. September durch das südliche Afrika. An Festivals in Kapstadt, Johannesburg und Maputo zeigt die Wahlgenferin drei Arbeiten aus dem Grenzbereich von Performance, Video und Live-Kunst. Sie führt darin Tanz und bildende Kunst ineinander über. So sucht sie in Lláma-me Mariachi eine neue Bühnensprache, die Tanz und Film eng verbindet: Wäh-rend eine mobile Kamera die Erfahrung des Tanzes einfängt, verlangsamen die Tänzerinnen ihre Bewegungen bis zur Abstraktion. Auch in Laughing Hole fordert La Ribot gängige Konventionen heraus, taumelt während Stunden unter
unkontrollierbarem Gelächter durch den Raum und besetzt ihn mit hand-beschriebenen Kartonschildern. PARA-distinguidas, ihr neuestes Stück, schliesst an die in den 1990er-Jahren ins Leben gerufene Serie von pièces distin-guées an – performativen Darbietungen, die La Ribot damals wie Kunstwerke
Audio- oder Videobeispiele und wei-tere Dokumente vervollständigen.
Seit der Aufschaltung des viersprachigen Gesuchsportals im Jahr 2008 wurde mypro helvetia laufend den Bedürfnissen der Gesuchstellenden angepasst. Mitt-lerweile reichen knapp die Hälfte der Kulturschaffenden ihre Unter-stützungsanfragen online ein, Ten-denz steigend. Ab 1. Januar 2012 können Gesuche nur noch via myprohelvetia einge geben werden. Die elektronische Gesuchserfas-sung vereinfacht die Abläufe und erlaubt somit eine effizientere Be-handlung der Anfragen.
www.myprohelvetia.ch
an Sammler verkaufte. Neben den Festi-valauftritten sind Workshops, Meister-klassen und Publikumsdiskussionen mit La Ribot und ihren mitreisenden Tän-zerinnen geplant. Die Tour wird unter-stützt von Pro Helvetia Cape Town.
www.prohelvetia.org.za
Gesuche: Ab 2012 online eingeben
Gesuche eingeben leicht gemacht: auf der Onlineplattform myprohelvetia
Die Tänzerinnen in La Ribots Laughing Hole unter der Last der Worte.
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Von Cecilia Dreymüller – Einem spani-schen Sprichwort zufolge soll man von ei-ner Ulme keine Birnen erwarten, und doch wachsen in der Kulturpolitik in Barcelona gerade solche Birnen: Vor zwei Jahren hat dort der Consell Nacional de la Cultura i de les Artes (Nationaler Rat für Kultur und Künste) seine Arbeit aufgenommen und soeben seinen umfangreichen zweiten Jah-resbericht vorgelegt. Die kurz CoNCA ge-nannte Einrichtung wurde 2008 explizit nach dem Modell der angelsächsischen Arts Councils gegründet und ist die einzige ihrer Art in Südeuropa. Damit hat die au-tonome Region im Nordwesten Spaniens mit der Hauptstadt Barcelona einen mu-tigen Schritt nach vorn getan, weg vom politischen Bäumchen-wechsel-Dich und hin zu einer unabhängigen Kultur- und Kunstförderung.
Dies ist umso bemerkenswerter, als Katalonien eine wohl prospere, aber kleine Nation ist, die jedoch im spanischen Ver-gleich äusserst grosszügig in Kultur in-vestiert. Doch obwohl sie sich ihre eigene kulturelle Tradition im Widerstand gegen die Franco-Diktatur erhalten konnte, hat sie sich seit dem Erlangen des Autono mie-status im Jahr 1978 nicht immer durch Weltoffenheit und Innovationsgeist her-vorgetan. In Barcelona sind nach dem 20-jährigen Regierungsmonopol der kon-servativen Partei Convergencia die Kul-turinstitutionen in fester, altväterlicher Hand, und man hält sich untereinander die Stange.
Verbindliche Vorschläge für alle KulturträgerUmso mehr ist die Initiative des früheren sozialistischen Bürgermeisters von Barce-lona, Pascual Maragall, zu loben, der im Wissen um den häuslichen Filz auf der Schaffung einer vom Parlament ernann-ten, von den politischen Parteien unabhän-gigen Kommission bestanden hatte, dem CoNCA. Ihr Präsident, Francesc Guardans, definiert die Aufgabe seiner Einrichtung als eine doppelte: Es gehe darum, Richtli-nien für die Kulturpolitik zu setzen und alle Künstler zu fördern, die nicht in staat-lichen Institutionen, wie dem National-theater oder dem Landesorchester, einge-bunden sind. «Das Anliegen des CoNCA ist es, die fragilen Förderstrukturen zu schüt-
zen, und dafür zu sorgen, dass diese Arbeit nicht nur auf dem geduldigen Papier, son-dern auch im kulturellen Leben der kata-lanischen Gesellschaft zu sehen ist.»
Dafür sind eigentlich gute Voraus-setzungen geschaffen. Die Vorschläge und Expertisen des CoNCA sind verbindlich für alle Kulturträger: für das katalanische Kulturinstitut, die Schulen und Univer-sitäten, aber auch für die Förderpro-gramme von Musikern, Tänzern, Philoso-phen, Theater leuten, Visuellen Künstlern und Zirkusartisten. Was in die Lehrpläne kommt, wird ebenso vom CoNCA über-prüft (und gegebenenfalls angemahnt) wie die Förderungswürdigkeit eines digitalen Kunstprojekts oder eines Musikensembles.
Zudem zieht Francesc Guardans einmal im Jahr ins Parlament, um vor den Abge-ordneten Bericht zu erstatten.
Unbequem sein und aneckenDie 11-köpfige Kommission, die sich aus einem buntgemischten Expertenteam zu-sammensetzt – darunter Professoren und Kritiker, ein Architekt, ein Jazzmusiker, eine Galeristin, eine Theaterproduzentin, aber auch so bekannte Gesichter wie die Schauspielerin und Dokumentarfilmerin Silvia Munt – trifft sich allwöchentlich dreimal. Man arbeitet in persönlichen Ge-sprächen mit den Kulturschaffenden an ei-ner umfassenden Bestandsaufnahme der aktuellen Situation von Kunst und Kultur in Katalonien und ausserdem an der Koor-dination von Künstlern mit öffentlichen Fördereinrichtungen. Die Kunstschaffen-den werden dafür zu Hearings im CoNCA an den Ramblas eingeladen, um ihre Si-tuation darzustellen und selbst Vorschläge zu unterbreiten, berichtet Xavier Antich, Kunsthistoriker an der Universität Girona und Kommissionsmitglied. Das habe vor-her nicht zu den Praktiken der Kultur-funktionäre der katalanischen Landesre-gierung und der Stadt Barcelona gezählt.
Abwehrgesten und Kompetenzgeran-gel mit der alteingesessenen Kulturbüro-kratie gehörten zum Arbeitsalltag, konsta-tiert der Pragmatiker Francesc Guardans. «Wenn der CoNCA nicht unbequem wäre und wir nicht anecken würden, hiesse das, wir machen unsere Arbeit nicht gut!» Er sieht auch diese Schwierigkeiten als Teil ei-nes längeren Prozesses. «Wir stehen erst am Anfang – doch gab es bei der diesjähri-gen Anhörung im Parlament zum ersten Mal Applaus!»
www.conca.cat
Cecilia Dreymüller lebt und arbeitet als freie Journalistin und Literaturkritikerin in Barcelona.
CoNCaDer neu gegründete Rat für
Kultur und Künste in Barcelona, CoNCa, sorgt für
frischen Wind und bitter-süsse Früchte in der katalanischen
Kulturlandschaft.
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Von Carena Schlewitt – Im deutschspra-chigen Raum wird in den letzten Jahren viel über die Krise des Stadttheaters debat-tiert: über die künstlerische Ausrichtung, das Publikum, die Finanzen und die Ge-bäude. Die Frage nach der Krise des Stadt-theaters stellt sich für mich als Frage nach dessen heutigem gesellschaftlichem An-spruch. Das Stadttheater muss mehr sein als ein Traditionsinstitut der klassischen Aufklärung und sollte eine progressive ak-tive Rolle in der aktuellen Stadtgesellschaft übernehmen.
Ein kurzer Blick zurück zeigt: Das Bürgertum errichtete im 19. Jahrhundert eigene Bühnen, um sich vom Adel zu eman-zipieren und etablierte das Theater als Bil-dungsinstitut der deutschen Nation und «die Schaubühne als moralische Anstalt» (Friedrich v. Schiller). Die Zuordnung Stadttheater – Bürgertum – Nation wurde von Beginn an durch alternative gesell-schaftsrelevante Formen von Theater – das Volkstheater im 19. Jahrhundert und die freie Szene im 20. Jahrhundert – in Frage gestellt. Seit der Antike ist das Theater die-jenige Kunstform, die gesellschaftsrele-vante Fragen live und vor Publikum künst-lerisch bearbeitet. Die Wechselbeziehung von Theater und Gesellschaft ist entschei-dend für die künstlerischen und strukturel-len Formen, in denen es produziert wird. Heute trifft das (Stadt-)Theater nicht mehr auf ein weitgehend homogenes bürgerli-ches Publikum, sondern auf eine unruhige durchmischte Stadtgesellschaft: auf ein ausdifferenziertes Publikum unterschied-lichster Herkunft, Sprache und Bildung.
Die dynamische Technologisierung aller Arbeits- und Alltagsbereiche und die geopolitischen Veränderungen Europas nach 1989 und der Welt nach dem 11. Sep-tember 2001 lösten einen enormen Erwei-terungsschub im Spektrum des Theaters aus: Es antwortete mit neuen und erneuer-ten Ästhetiken und versuchte, ein neues Verhältnis zur rasant gewachsenen Kom-plexität und Diversität der Gesellschaft auf-zubauen.
Die freie Szene im deutschsprachigen Raum hat ästhetisch und strukturell auf die veränderte gesellschaftliche Situation seit Mitte der 1990er-Jahre reagiert. Sie hat ein anderes Theater für die Stadt ent-wickelt und setzt auf partizipative Kom-munikationsformen mit einem sich ver-ändernden Publikum. Sie nimmt andere Kunstformen und kulturelle Praktiken auf: Pop-Theater und Live Art, Dokumentar-theater, Medientheater, internationale Ko-operationen und Stadtprojekte prägen die neue Theater avantgarde. Diese neuen par-tizipativen For men gehen mit einer dyna-mischen Suchbewegung einher. Das The-ater schwärmt aus: Es sucht sich erstens neue Akteure und neue Spezialisten aus anderen Arbeits- und Lebensbereichen und holt sich damit die veränderte Stadt-gesellschaft auf die Bühne. Zweitens sucht sich das Theater andere Räume und damit auch neue Communities in der Stadt. Ge-spielt wird unter anderem in Wohnungen, auf Strassen, Plätzen und Baustellen, in Strassenbahnen und Cafés.
Ich plädiere für einen nomadischen Stil des Gegenwartstheaters: für Kopro-duktionen, Vernetzung, Austausch, Inter-nationalität und für die Etablierung neuer temporärer Theaterräume. Das Theater hat das Potenzial, Gemeinschaften zu bil-
den, die jenseits von Berufen, sozialen Schichten und Generationen funktionie-ren können. Es kann Kommunikationsfor-men entwickeln, die die üblichen Raster der Gesellschaft überwinden. In diesem Sinne muss das Theater ein Forum eta-blieren, das wie ein Marktplatz funktio-niert: Es bietet verschiedene Farben, Gerü-che, Erzählungen und Töne an und übt eine soziale Funktion der Begegnung aus.
Nicht die Entscheidung für oder gegen das Stadttheater, für oder gegen die freie Szene bestimmt das nomadische Theater. Es ist an der Zeit, im Sinne der gemeinsa-men Strukturentwicklung über ein zeitge-mässes Theater der Zukunft nachzuden-ken. Das Stadttheater muss sich verändern, sich öffnen und seine Rolle in der Stadt neu definieren. Die freie Szene muss im Ver-hältnis zu den Stadttheatern mehr Produk-tionsmöglichkeiten bekommen, damit sie ihre Potenziale weiter entwickeln kann. Und möglicherweise begegnen sich eines Tages beide Theaterformen auf Augenhöhe.
Carena Schlewitt ist seit 2008 Künstlerische Leiterin der Kaserne Basel. Sie arbeitete als Dramaturgin an verschiedenen Produktions- und Gastspielhäusern sowie bei Festivals, zuletzt von 2003–2008 am Berliner Theater Hebbel am Ufer.
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Neue Rolle fürs Stadttheater
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Zeichen und Wunder
Zeichen und Wunder, 2009Lambdaprint auf Alu-Dibond, 60 × 71 cmvon Christoph Schreiber
Ausgangsmaterial für Christoph Schreibers Arbeiten sind Fotografien, die der Künstler in seinem Studio oder unterwegs mit einer Mit-telformatkamera festhält. In einer Art Col-lagentechnik schafft er dann am Computer Welten von eigenwilliger Poesie – Momente, in denen die Zeit stillzustehen scheint. Auch Videoarbeiten und Installationen sind Teil von Schreibers Kosmos.
Christoph Schreiber (*1970) studierte Bil-dende Kunst an der Kunsthochschule Zürich und Rechtswissenschaften an der Universität Zürich. Seine Werke, für die er verschiedene Preise gewann, waren in zahlreichen Aus-stellungen in der Schweiz und im Ausland zu sehen. www.christoph-schreiber.com
Die Rubrik Schaufenster präsentiert jeweils ein Werk einer Künstlerin oder eines Künstlers aus der Schweiz.
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Passagen, das Magazin der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia, berichtet über Schwei zer Kunst und Kultur und den Kulturaustausch mit der Welt. Passagen erscheint dreimal jährlich in über 60 Ländern – auf Deutsch, Fran zösisch und Englisch.
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Passagen Das Kulturmagazin von Pro Helvetia online: www.prohelvetia.ch/passagen Pro Helvetia aktuell Aktuelle Projekte, Ausschreibungen und Programme der Kulturstiftung Pro Helvetia: www.prohelvetia.ch Pro Helvetia Aussenstellen Paris/Frankreich www.ccsparis.com
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PerformanceDie Performanceszene in der Schweiz hat sich in den letzten zehn Jahren enorm entwickelt: Sie hat neue Räume als Bühne erobert und eine erstaunliche Vielfalt an Festivals hervorgebracht. Die Grenzen der traditionellen Kunst-sparten lösen sich zunehmend auf, und es entsteht der Eindruck, dass heute fast alles die Bezeichnung Performance trägt. In der kommenden Ausgabe von Passagen fragen wir, was eine Perfor-mance überhaupt ist und wieso sie – nicht nur in der Schweiz – so en vogue ist. Wir beleuchten ihre politische Sprengkraft und welche Rolle das Publi-kum in der Performance spielen darf oder muss. Die nächste Ausgabe von Passagen er-scheint Mitte Dezember.
PassagenZuletzt erschienene Hefte:
Kreativität und Kulturschock Nr. 55
Computerspiele:die Kunst der Zukunft Nr. 54
Kunst macht glücklich! Nr. 53
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Herausgeberin Pro Helvetia Schweizer Kulturstiftung www.prohelvetia.ch Redaktion Redaktionsleitung und Redaktion deutsche Ausgabe: Janine Messerli Mitarbeit: Isabel Drews, Elisabeth Hasler und Juliette Wyler Redaktion und Koordination französische Ausgabe: Marielle larré Redaktion und Koordination englische Ausgabe: Rafaël Newman Redaktionsadresse Pro Helvetia Schweizer Kulturstiftung Redaktion Passagen Hirschengraben 22 CH-8024 Zürich T +41 44 267 71 71 F +41 44 267 71 06 [email protected] Gestaltung Raffinerie, AG für Gestaltung, Zürich Druck Druckerei odermatt AG, Dallenwil Auflage 18 000 © Pro Helvetia, Schweizer Kulturstiftung – alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung und Nachdruck nur mit schriftlicher Zustimmung der Redaktion. Die namentlich gezeichneten Beiträge müssen nicht die Meinung der Herausgeberin wieder - geben. Die Rechte für die Fotos liegen bei den jeweiligen Fotografinnen und Fotografen. Die Stiftung Pro Helvetia fördert und vermittelt Schweizer Kultur in der Schweiz und rund um die Welt. Sie setzt sich für die Vielfalt des kulturellen Schaffens ein, ermöglicht die Reflexion kultureller Bedürfnisse und trägt zu einer kulturell vielseitigen und offenen Schweiz bei.
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DAS KULTURMAGAZIN VON PRO HELVETIA, NR. 55, AUSGABE 1/2011
Kreativität und KulturschockKulturaustausch rund um den Globus
Am Suezkanal: Der Künstler auf Spurensuche | Design: Objekte, die von der Schöpferkraft erzählen | Experiment: Klangforscher treffen Soundtüftler
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DAS KULTURMAGAZIN VON PRO HELVETIA, NR. 53, AUSGABE 2/2010
Bekenntnisse in der Petrischale: Der Künstler im Labor S. 6Sprechende Wände: Schweizer Klangkunst in San Francisco S. 36
Rom inspiriert: Die Zeit in Kunst verwandeln S. 38
Kunst macht glücklich!
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DAS KULTURMAGAZIN VON PRO HELVETIA, NR. 54, AUSGABE 3/2010
Gäuerle und Chlefele: Schweizer Volkskultur in Argentinien S. 6Exotisch und durchgeschüttelt: Chopin als moderne Oper S. 36
Auf Dichterspuren: Stadtschreiber in Buenos Aires S. 41
Computerspiele: die Kunst der Zukunft
Das Abonnement von Passagen ist kostenlos und ebenso das Herunterladen der elektronischen Version unter www.prohelvetia.ch/passagen.Die Nachbestellung einer gedruckten Einzelausgabe kostet Fr. 15.– (inkl. Bearbeitung und Porto).
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Es wird abgeschrieben und kopiert, was das Zeug hält. Die klassische, fachkompetente und umfassend gebildete Kritiker figur, die im Elfenbeinturm zu einem seriösen urteil kommt und dieses in schön gedrechselten Sätzen kommu-niziert, ist damit am Aussterben. Der rasante Wandel des Schweizer Feuilletons
Pia Reinacher, S. 6
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Die Stiftung Pro Helvetia fördert und vermittelt Schweizer Kultur in der Schweiz und rund um die Welt.
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Ja, es gibt sie, die leuchttürme der Kulturblogszene, die den Kulturinteressierten zügig und verlässlich mit nützlichen Informationen versorgen. Die ihm ausserdem Gewähr bieten, dass er nicht nur findet, wonach er sucht, sondern auch, wonach zu suchen ihm nie in den Sinn gekommen wäre. Wer soll das alles lesen, bitte?
Christoph Lenz, S. 12
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Der Gehalt der meisten Rezensionen beschränkt sich auf die Information, dass das objekt der Besprechung dem Autor gut oder nicht gut gefallen hat, garniert mit Hinweisen auf die kulturelle Beschlagenheit des Autors. Keinem deiner Freunde gefällt das
Kathrin Passig, S. 15”“
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