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1 OmniaMed AKADEMIE Thema: Kombinationstherapie bei der schizophrenen Psychose Autor: Dr. med. Jörg Hahn Stand: Juni 2016 Sponsor: TAD Pharma GmbH Dr. med. Jörg Hahn ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und arbeitet als Oberarzt in der allgemeinpsychiatrischen Intensivstation der LWL-Klinik in Dortmund. 1 Einleitung Die Kombinationstherapie mit Atypika hat in der Behandlung von Patienten mit Psychoseerkrankungen einen zunehmenden Stellenwert. Die Umsetzung in der täglichen Praxis ist dabei weitgehend von den persönlichen Erfahrungen der Therapeuten mit den verschiedenen Substanzen bei den sehr unter- schiedlichen Patiententypen geprägt. Die Kenntnis der Rezeptorbindungsprofile und der pharmako- logischen Auswirkungen ist für eine erfolgreiche Kombination wichtig. In dieser Fortbildung werden verschiedene Aspekte der praktischen Umsetzung der Kombinationstherapie mit beispielhaften Patientenfällen beleuchtet. 2 Theoretische Aspekte zur Kombinationstherapie 2.1 Gründe für die Kombination Was bewegt uns, eine Kombination verschiedener Neuroleptika anzuwenden? Im Wesentlichen gibt es hier zwei Hauptaspekte. Zum einen die Therapieresistenz und zum anderen eine mangelnde Therapieadhärenz. Die Therapieresistenz bezieht sich auf die Monotherapie, die zwar immer das Ziel unserer Behandlung ist, aber nicht immer durchsetzbar ist. Die Prävalenz der Therapieresistenz liegt bei mindestens 30% [5,7]. Dabei muss man natürlich auch differenzieren, ob es sich um das Erstauftreten einer Psychose handelt, um eine chronische Psychose oder das xte Rezidiv einer Psychose. Es geht dabei zum einen um die medikamentöse Therapieresistenz und zum anderen um eine allgemeine Therapieresistenz unabhängig von der Medikation. Gründe für eine medikamentöse Therapieresistenz sind zum Beispiel eine unzureichende therapeutische Dosis oder eine unzureichende Therapiedauer das heißt, man hat dem Medikament keine Chance gegeben zu wirken. Weiter gibt es pharmakodynamische oder pharmakokinetische Besonderheiten. Sogenannte Rapid-Metabolizer bauen den Wirkstoff schneller ab. Diese klinische Vermutung sollte natürlich genetisch verifiziert werden. Grund für eine mangelnde Therapieadhärenz kann natürlich eine unerwünschte Arzneimittelwirkung sein, die der Patient nicht unmittelbar und spontan berichtet. Hier muss im Verdachtsfall mehrfach nachgefragt werden. Der komorbide Substanzgebrauch insbesondere von Cannabis, Alkohol und auch härteren Drogen ist ein Thema, was uns zunehmend beschäftigt. Negative psychosoziale Bedingungen und Interventionen sind auch wichtige Gründe für eine mangelnde Adhärenz. Die Patienten kommen oft nicht aus einem geordneten sozialen Umfeld, sondern leben unter sozial schwierigen Bedingungen jeglicher Coloeur. Und was immer mal wieder ein Thema ist, sind die sogenannten High-expressed-Emotions. Es ist schwierig adhärent zu bleiben, wenn in einer Familie Affekte und Emotionen vorherrschen und wo nicht rational argumentiert wird [12]. 2.2 Rezeptorbindungsprofile Bevor wir in die praktische Arbeit mit den Kombinationen der Neuroleptika gehen, zunächst einmal noch ein paar Anmerkungen zur Pharmakologie. Man sollte bei der praktischen Arbeit immer die Rezeptor- bindungsprofile im Hinterkopf haben, die relativen Rezeptorbindungsprofile und die Pharmakokinetik der jeweiligen Substanzen und man sieht in Abbildung 1, das diese Substanzen ihre Wirkung jeweils an verschiedenen Rezeptoren entfalten. Wir unterscheiden D2- , 5-HT2A- , α1- , H1- und die muskarinergen Rezeptoren. Die Profile von Aripiprazol, Olanzapin, Quetiapin, Risperidon und dem klassischen Haloperidol sehen im Vergleich nebeneinander dargestellt auf den ersten Blick relativ bunt aus, aber auf

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OmniaMedAKADEMIEThema:KombinationstherapiebeiderschizophrenenPsychoseAutor:Dr.med.JörgHahnStand:Juni2016Sponsor:TADPharmaGmbHDr. med. Jörg Hahn ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und arbeitet als Oberarzt in derallgemeinpsychiatrischenIntensivstationderLWL-KlinikinDortmund.1EinleitungDieKombinationstherapiemitAtypikahat inderBehandlungvonPatientenmitPsychoseerkrankungeneinen zunehmenden Stellenwert. Die Umsetzung in der täglichen Praxis ist dabei weitgehend von denpersönlichen Erfahrungen der Therapeuten mit den verschiedenen Substanzen bei den sehr unter-schiedlichen Patiententypen geprägt. Die Kenntnis der Rezeptorbindungsprofile und der pharmako-logischen Auswirkungen ist für eine erfolgreiche Kombination wichtig. In dieser Fortbildung werdenverschiedene Aspekte der praktischen Umsetzung der Kombinationstherapie mit beispielhaftenPatientenfällenbeleuchtet.2TheoretischeAspektezurKombinationstherapie2.1GründefürdieKombinationWas bewegt uns, eine Kombination verschiedener Neuroleptika anzuwenden? ImWesentlichen gibt eshier zwei Hauptaspekte. Zum einen die Therapieresistenz und zum anderen eine mangelndeTherapieadhärenz. Die Therapieresistenz bezieht sich auf die Monotherapie, die zwar immer das ZielunsererBehandlungist,abernichtimmerdurchsetzbarist.DiePrävalenzderTherapieresistenzliegtbeimindestens 30% [5,7]. Dabeimussman natürlich auch differenzieren, ob es sich um das ErstauftreteneinerPsychosehandelt,umeinechronischePsychoseoderdasxteRezidiveinerPsychose.Esgehtdabeizum einen um die medikamentöse Therapieresistenz und zum anderen um eine allgemeineTherapieresistenz unabhängig von der Medikation. Gründe für eine medikamentöse TherapieresistenzsindzumBeispieleineunzureichendetherapeutischeDosisodereineunzureichendeTherapiedauerdasheißt,manhatdemMedikamentkeineChancegegebenzuwirken.WeitergibtespharmakodynamischeoderpharmakokinetischeBesonderheiten.SogenannteRapid-MetabolizerbauendenWirkstoffschnellerab. Diese klinische Vermutung sollte natürlich genetisch verifiziert werden. Grund für einemangelndeTherapieadhärenz kann natürlich eine unerwünschte Arzneimittelwirkung sein, die der Patient nichtunmittelbar und spontan berichtet. Hier muss im Verdachtsfall mehrfach nachgefragt werden. Derkomorbide Substanzgebrauch insbesondere von Cannabis, Alkohol und auch härteren Drogen ist einThema,was uns zunehmend beschäftigt. Negative psychosoziale Bedingungen und Interventionen sindauch wichtige Gründe für eine mangelnde Adhärenz. Die Patienten kommen oft nicht aus einemgeordnetensozialenUmfeld,sondernlebenuntersozialschwierigenBedingungenjeglicherColoeur.Undwas immermalwieder einThema ist, sind die sogenanntenHigh-expressed-Emotions. Es ist schwierigadhärent zubleiben,wenn in einerFamilieAffekteundEmotionenvorherrschenundwonicht rationalargumentiertwird[12].2.2RezeptorbindungsprofileBevorwirindiepraktischeArbeitmitdenKombinationenderNeuroleptikagehen,zunächsteinmalnocheinpaarAnmerkungen zurPharmakologie. Man solltebei derpraktischenArbeit immerdieRezeptor-bindungsprofileimHinterkopfhaben,dierelativenRezeptorbindungsprofileunddiePharmakokinetikderjeweiligen Substanzen und man sieht in Abbildung 1, das diese Substanzen ihre Wirkung jeweils anverschiedenenRezeptorenentfalten.WirunterscheidenD2-,5-HT2A-,α1-,H1-unddiemuskarinergenRezeptoren. Die Profile von Aripiprazol, Olanzapin, Quetiapin, Risperidon und dem klassischenHaloperidolsehenimVergleichnebeneinanderdargestelltaufdenerstenBlickrelativbuntaus,aberauf

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denzweitenBlicksindfürjedeSubstanzSchwerpunkteerkennbar[1,2,13].VergleichtmanzumBeispieldie Rezeptorbindungsprofile von Aripiprazol und Risperidon, dann ist eine gewisse ÜbereinstimmungerkennbarundeswürdeausdiesemGrundwenigSinnmachen,diesebeidenSubstanzenmiteinanderzukombinieren.WirwürdendanneinezustarkeWirkungandengleichenRezeptorenerwarten.VergleichtmanhingegendieProfile vonAripiprazol undOlanzapin, dann stelltman eher eine gewisseErgänzungfest.OlanzapinergänztgewissermaßendieLückenimBindungsprofilvonAripiprazol.Ähnlichverhältessich zwischen Quetiapin und Aripiprazol oder auch zwischen einer Kombination von Risperidon undOlanzapin.

Abb.1VergleichderRezeptorbindungsprofileQuelle:©adaptiertnachBymasteretal[2],Seegeretal.[13|,ArndtundSkarsfeld[1]2.3KombinationserfahrungenBasierendaufdenbereitserwähntenRezeptorbindungsprofilengibtesindertäglichenPraxisschlichtundeinfachschwierigeKombinationenundesgibtauchirrationaleKombinationen,diewirmöglichstvermeidensollten.SchwierigeKombinationenliegeneigentlichimmerdannvor,wenneineSubstanzgravierendeNebenwirkungenhabenkann,wiezumBeispieldasClozapin.HierkanneszueinerLeukopenieundseltenerauchzueinerPanzytopeniekommen,diezwarnachdemAbsetzenreversibelist,dieaberbemerktwerdenmuss.HiersindalsoentsprechendeBlutbildkontrollenimTherapieverlaufnotwendig.EineLeukopenieoderPanzytopeniekannsichnatürlichverstärken,insbesonderewennClozapinmitFluvoxaminodermitParoxetinkombiniertwird.WennClozapinmitCarbamazepinkombiniertwird,kommteszueinembeschleunigtenAbbaudesClozapins,weilCarbamazepinalsInduktorwirkt.ZudemkannCarbamazepinselbstauchLeukopenienauslösen.Hierwäreesnatürlichsinnvoller,dasCarbamazepindurcheineandereSubstanzzuersetzen.GottseidankwirddieseSubstanzheutedeutlichwenigerverwendetalsvielleichtnochvor5oder10Jahren.BeidenirrationalenKombinationensindvorallemSubstanzenzuvermeiden,dieähnlicheRezeptorbindungsprofilehaben.AmisulpridalshochwirksamesAtypikumsolltenichtmitdemAripiprazol,nichtmitdemRisperidonundauchnichtmitdemHaloperidolalsklassischeSubstanzkombiniertwerden.DieKombinationerhöhtnurdieWahrscheinlichkeitvonNebenwirkungen[9,10].2.4Vor-undNachteilevonPolypharmazieWassinddieVor-undNachteilevonPolypharmazie.HiergibtesnatürlichauchdieideologischgeprägtenMeinungen, dass entweder nur eine Monotherapie sinnvoll ist oder dass eine Polypharmazie

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grundsätzlichunvermeidbarist.Ichdenke,dergoldeneWegliegtinderMitteundeskommtvorallemaufeine individuelle Behandlung an. Dennoch kannman Vor- undNachteile der Polypharmazie benennen.VorteilegibtesbeitherapieresistentenPatienten,wowirvielleichtdochnocheinezusätzlicheMöglichkeitbekommen,etwasmehrWirkungherauszuholen.BeigeschickterKombinationkannauchmitBlickaufdieRezeptorbindungsprofileeineWirkbeschleunigungundeineWirkverstärkungerreichtwerden.WennwirunsdieNebenwirkungsprofilederSubstanzenanschauen,sokannmandiesejadurchausmanchmalauchtherapeutisch ausnutzen. So kannman zumBeispiel sedierende Effektewie beimQuetiapin oder beimOlanzapinnutzen,umAggressionenoder feindseligeAffektemitzubehandelnohnedaswirgezwungensind, noch eine dritte niederpotente neuroleptische Substanz hinzuziehen zu müssen. Ob das immerausreicht,istnatürlichindividuellunterschiedlich,abereinTherapieversuchistdurchaussinnvollunddieÜberlegungsolltebeiderAuswahlderKombinationspartnerberücksichtigtwerden.

Abb.2Vor-undNachteilederPolypharmazieQuelle:©nachMesseretal[9,10]EinNachteilderPolypharmaziesindnatürlichdieInteraktionen.Unüberschaubarwirdesdann,wennwirwildkombinieren.DeshalbsolltenwirvonAnfanganeineRationalehabenundunsaufzweiSubstanzenbeschränken.EsgibtdieAusnahme,dasseinedritteSubstanzSinnmacht,aberdasisteherseltenderFall.UnerwünschteWirkungenkönnenverstärktwerdenunddamüssenwirnatürlich vorherdie einzelnenNebenwirkungsprofile der Substanzen anschauen und die Patienten gut beobachten. Zu komplexeVerordnungsmusterkönnendiePatientenüberfordern.Dakannesdurchauspassieren,dasseinPatientkeineLustdazuhatdreimalamTagverschiedensteSubstanzeneinzunehmensondernsagt,dasserliebernur einmalMorgens oder einmal Abends etwas einnehmenmöchte,weil er alles andere sowieso nichthinbekommt. Da müssen wir auf den Patienten zugehen und seine Meinung mit in die Überlegungeneinbeziehen,denndiebesteTherapienutztnichts,wennderPatientnichtdahinterstehtundsienachderstationärenBehandlungändertoderimschlimmstenFallabsetzt.KontrollierteStudiensindnichtfüralleKombinationenverfügbar, sodasswiroft keinewirklich rationalbegründetenSchemata zurVerfügunghaben, sondern unser Handeln auf der Erfahrung des einzelnen Therapeuten und der grundsätzlichenRationalederRezeptorbindungsprofilebasiert.LetztendlichhabenwirnatürlicheinehöhereGesamtdosis,wenn wir kombinieren und dadurch auch eine Zunahme der Kosten, wobei das meines Erachtens einnachrangigerAspekt ist,wennwirdurchdieKombinationeinebessereWirksamkeiterreichenunddenPatientendadurchdavorbewahren,ständigwiederneustationärbehandeltwerdenzumüssen,waseinenweiteren Kostenfaktor darstellt. Weitere Nachteile der Polypharmazie sind eine mögliche höhereNebenwirkungsrate und eine erhöhte Mortalität. Aber wenn wir gut und rational kombinieren, dannverringernwirdiesesRisikodochdeutlich[9,10].

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2.5GründefürdiezugeringeNutzungvonKombinationenEsstelltsichdieFrage,warummanchmaldieEntschlossenheitunddieStringenzfehlt,umKombinationenmit in die Therapie einzubeziehen? Zum einen gibt es da sicher bei Anfängern in der Psychiatrie oderunerfahrenen Therapeuten die Unsicherheit bei der Kombinierbarkeit der verschiedenen Substanzen.Hier ist es einfach wichtig, eine gute Basis zu haben und sich darüber im Klaren zu sein, welcheRezeptoren angesprochen werden, welche Nebenwirkungsprofile existieren und welche potentiellenNebenwirkungenzubeachtensind.Dasheißt letztendlich, jeunerfahrenereinVerordner ist,destoeherwird er dabei bleiben eine sogenannte sichere Substanz einzusetzenmit der er sich selbst auch sicherfühlt und ungern Kombinationen von Atypika nehmen [9]. Dabei spielt natürlich auch die Angst vorunerwünschtenArzneimittelwirkungeneineRollewobeiichdenke,dassdieseAngsteherimambulantenSettingeineBerechtigunghat.InderstationärenBehandlungbrauchenwirdieseAngstmeinesErachtensnichtzuhaben,denndiePatientensindhier24StundenunterBeobachtungundgebenRückmeldung.DieVitalparameterwerdenkontrolliert und eswerden regelmäßige Laborkontrollen gemacht, so dassmaneine unerwünschte Wirkung auch relativ schnell erkennt und entsprechend gegensteuern kann. Dieökonomischen Aspekte spielen im Rahmen der stationären Behandlung zunächst einmal weniger eineRolle.WirsindhierindemSinnenichtbudgetiertunddürfenimPrinzipkombinierenwiewiresmöchtenmüssendabeiaberberücksichtigen,dasswireinekonstanteBehandlunghabenwollen.Wennwirrelativteure Kombinationen verwenden, dann müssen wir dem weiterbehandelnden Arzt auch eineentsprechende Argumentation liefern, warum wir das gemacht haben, damit er die Verordnung auchweiter in seinem ambulanten Rahmen vor den Krankenkassen und kassenärztlichen Vereinigungenrechtfertigen kann. Der Patient ist natürlich immer bestrebt und das ist bei den Antipsychotikacharakteristisch, möglichst wenig oder am besten gar keine Tabletten zu nehmen. Das ist bei vielenPatientenso.UmsowichtigeristeseinemPatienten,wennwireineKombinationanwendenauchzusagen,warumwirdastun.Wirsolltenihmdasnichtirgendwieanpreisenundsagendaswirschonwissenwasfürihnrichtigist,sonderndieGründebenennen.DasgiltinderKombinationmitoralenSubstanzenundnatürlichauchinderKombinationmitatypischenDepot-Neuroleptika.2.6StellenwertderKombinationstherapieWelchenStellenwerthatdieKombinationstherapieeigentlichinderPraxisinsgesamt?WennwirunsdieMedikamentenbögen der verschiedenen Patienten anschauen werden wir feststellen, dass zirka 60Prozent und teilweise auch mehr der stationären Patienten mit Kombinationen aus mindestens zweiAtypikabehandeltwerden [4,11].Oft findenwirdabeiKombinationenvoneinemDepot-Atypikum,vondenen ja inzwischen mehrere auf dem Markt zur Verfügung stehen, und einem oralen Atypikum.Manchmalwirdbei derNeueinstellung auf einDepot-Präparat in derÜbergangsphasenochdie gleicheSubstanz oder ein anderesAtypikumoral dazugegeben, umdieDosis dann unter zunehmenderDepot-Wirkung zu reduzieren und im optimalen Fall im weiteren Verlauf auszuschleichen. Ja und diesogenannten erwünschten Nebenwirkungen können natürlichwie bereits erwähnt ausgenutzt werden.Klassische Beispiele sind diemorgendliche Antriebsförderungmit dem Aripiprazol und die abendlicheSedierung mit dem unretardierten Quetiapin oder auch dem Olanzapin. Diese Effekte können wirentsprechendausnutzen, indemwir tageszeitlicheSchwerpunktesetzen.EswürdewenigSinnmachen,wennwireinprinzipiellantriebsförderndesMedikamentabendsgebenodereinesedierendeSubstanzamMorgen.2.7WelchePatientenprofitierenammeisten?Welche Patienten profitieren am meisten von einer Kombinationstherapie? Im Prinzip sind es diePatienten,dietherapierefraktärsind,eineungenügendeResponseaufweisenundessindinsbesonderediePatienten, die unter einer Monotherapie ungenügend respondieren. Hier versuchen wir durch dieHinzunahmeeinerweiterenSubstanzeineverbesserteResponsezuerreichen.Monotherapie-RespondermiteinerprinzipiellgutenantipsychotischenWirksamkeitundgleichzeitigerheblichenNebenwirkungenkönnenvoneinerKombinationprofitieren,indemwirmöglicherweiseohneVerlustanantipsychotischerWirkungdieDosierungreduzierenkönnenundwowirNebenwirkungengünstigbeeinflussenkönnen.EinklassischesBeispielwärees,wennwireinenstarkenDopamin-AntagonistenmitAripiprazolkombinieren,umdurchdenpartiellenAgonismusdieNebenwirkungenderstarkDopamin-antagonistischenSubstanzetwasabmildernkönnen.

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3PraxisbeispielezurKombinationstherapie3.1Kasuistik1:EPMSunterRisperidonUmdasGanzeetwasanschaulicherzumachen,stelleichIhnenjetzteinePatientinvor,diehierbehandeltwurde. Es handelt sich um eine 1962 geborene Patientinmit einer langjährigen Schizophrenie über 7Jahre. Sie hatte keine ausreichende Medikamenten-Compliance und keine Krankheitseinsicht, alsoEigenschaften,diesiemitvielenanderenPatiententeilt.Siewarhierursprünglichmit2x3mgRisperidonpro Tag behandelt worden, nachdem Sie eine entsprechende Eindosierungsphase von 4 Wochendurchlaufen hatte. Unter der Dosis von 2x3 mg Risperidon kam es zu zunehmenden extrapyramidal-motorischen Störungen. Die Patientin wies ein eingebundenes Gangbild auf und hatte zum Teilunwillkürliche auch perioraleMuskelbewegungen. Bei der etwas brüchigenMedikamenten-Compliancehaben wir dann überlegt, sie auf ein Depot umzustellen, in diesem Fall auf Paliperidon. Die Patientinrespondierte auf Risperidon undwar frei von produktiven Symptomen, die sie ursprünglich hatte. SiehattevorallemVergiftungsideensowieBeeinträchtigungs-undBeziehungsideen.WirkombiniertendannüberlappendmitPaliperidon,behieltenalsodasRisperidonzunächstindergleichenDosierungbei,denndasPaliperidonbrauchtungefähr zweibisdreiWochen, bevorwirdamitdemPlasmaspiegel in einemtherapeutisch wirksamen Bereich landen. Erst dann macht es Sinn, die orale Medikation risikofrei zureduzieren,sodassdasRisperidondanngegenEndedeserstenDepot-Intervallesvorsichtigauf2x2mgreduziertwurdemit derOption einerweiterenAbdosierung.Das hatte auch funktioniert, die Patientinblieb also symptomfrei und nach etwa einer Woche Reduktion auf zweimal 2 mg waren dieextrapyramidal-motorischen Störungen auch schon deutlich rückläufig. Es war zu erwarten, dass diePatientinmitzunehmendemAusschleichendesRisperidonsfreivonEPMS-Störungenseinwürde.3.1.1WiewirdvonOralaufDepotumgestellt?DiePatientinhatteeinebekannteschlechtemedikamentöseCompliance,wurdedannhieraufRisperidoneingestelltundbekamdannEPMS-Nebenwirkungen. Beiprinzipiell guterResponsehabenwirgedacht,das es ambesten sei, auf demButyrophenon-Ast zubleibenunddiePatientin auf denMetaboliten vonRisperidon,dasPaliperidon,umzustellen.DieseSubstanzmachterfahrungsgemäßdeutlichwenigeroderfastüberhauptkeineEPMS-Nebenwirkungen.

Abb.3BeispielfüreineUmstellungvonRisperidonaufPaliperidon-DepotQuelle:©nachDr.Hahn,Dortmund,2016AlsvoreinigerZeitdasPaliperidonzunächstnuroralverordnetwerdenkonnte,hattenwirunsbereitsvondiesemgünstigenNebenwirkungsprofilüberzeugenkönnenunddeshalbhabenwirdiePatientinaufPaliperidoneingestellt (SchemasieheAbb.3).Wirhaben100mgalsDepotgegebenundhabenaufeine

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Booster-Injektionverzichtet,diemanvielleichtsonstgebenwürde.WirwolltendendurchdieRisperidon-TherapiebestehendenstarkenDopamin-AntagonismusnichtnochweiterfördernunddadurchnochmehrEPMS provozieren. Studien zum Paliperidon zeigen, das man nach zwei Wochen in einem gutentherapeutischenBereich ist.Dann fangenwirdamit an,dieoralenSubstanzen zu reduzieren. Innerhalbder ersten zwei Wochen nach der Depot-Injektion machen wir nichts und behalten die oralenDosierungen inderRegelbei,wobeiesdaauchAusnahmengibt. ImzweitenDepot-Intervallversuchenwir danndie ersteDosisreduktion.Nach4Wochenwürde ja schondie zweiteDepot-Dosis verabreichtund danach würden wir die orale Medikation ganz ausschleichen. Das wäre so der üblicheWeg. Wirversuchen also, die oraleMedikation ganz abzusetzen und vertrauen auf die alleinigeWirksamkeit desDepots. Dasmussman natürlich langsammachen, um reagieren zu können, falls es nicht funktioniert.Eventuell lässtman für einige Zeit eine kleineDosis der ursprünglich gegebenen oralen Substanz nochmitlaufenundwennnochkleinereEPMSvorhandenseinsolltenkönnenwirauchversuchen,nocheineweitereSubstanzdazuzunehmen.3.2Kasuistik2:AntriebsschwächeunterClozapinEineweiterePatientinhattenwirhierinBehandlung.Eine1967geborenePatientinmiteinerparanoidenSchizophrenieseitvielen Jahren.AuchsiehattedieMedikation immerwiederabgesetztundzeigtesichkrankheitsuneinsichtig, was dann auch immer wieder zu einer stationären Einweisung führte. DiePatientin hörte Stimmen im Sinne von negativ kommentierenden und zum Teil auch beschimpfendenStimmenundwieseinedeutlicheAntriebsschwächeauf.DiePatientinwarstarkbelastetundwirhabendannClozapineindosiert,weilsiezuvorbereitsverschiedeneatypischeNeuroleptikaprobierthatteunddarunterkeinebefriedigendeodervollständigeSymptomverbesserungeintrat.WirdosiertenalsoaufdasReserve-Neuroleptikum Clozapin in einer Dosis von 500mg pro Tag ein unter Kontrolle desPlasmaspiegels.WirwolltennatürlichzumeinendieantipsychotischeWirksamkeitausnutzen,aberwirhaben natürlich auch gesehen, das die Patientin weiterhin sehr antriebsarm war. Sie profitierte zwarunterdemClozapininRichtungderProduktivsymptome,aberdieAntriebsschwächebliebbestehen.Wirkombinierten dann unter Ausnutzung der antriebsfördernden Wirkung mit dem Aripiprazol undversprachen uns aufgrund des partiellen Dopamin-Agonismus auch eine gewisse Abmilderung derstarken D-Rezeptor gebundenenWirkung des Clozapins, um die Nebenwirkungen möglichst gering zuhalten. Wir wollten die Antriebsförderung mit dem Aripiprazol hinbekommen, ohne eine weiteresantriebsförderndesAntidepressivumzusätzlichverordnenzumüssen.Wirhabenalsoletztendlich2x250mg Clozapin täglich gegeben und morgens 10mg Aripiprazol zusätzlich verabreicht. Nach etwa zweiWochen war deutlich zu sehen, das die Patientin schwingungsfähiger wurde, die Mimik war etwaslebhafter, der Antrieb war gebessert ohne jetzt zu stark zu werden und das Stimmenhören ging nachEinsetzen dieser Kombination nochmals deutlich zurück und wenn ich es recht erinnere, war dieseSymptomatikgegenEndederBehandlunggänzlichremittiert.3.2.1WiewirdClozapineindosiert?Wir haben das Clozapin natürlich sehr vorsichtig eindosiert, weil man nicht genau weiß, welcheNebenwirkungenauftreten.InsbesonderesindhierbeimClozapindiehämatologischenNebenwirkungenzu nennen. Wir haben mit 2x50 mg angefangen. Unter ambulanten Bedingungen würde man denVorgabenderFachinformationfolgendnochniedrigerbeginnen,aberunterstationärenBedingungensindwirda schon relativ forschunddosieren relativ zügig auf, sodasswir alledreiTageum50bis100mgerhöhen,umnachetwa3-4Wochenbei400-500mg landen(SchemasieheAbbildung4).DerClozapin-Spiegel wird regelmäßig wöchentlich kontrolliert um zu erkennen, dass sich ein Wirkspiegel aufbaut.Parallel wird wöchentlich das Blutbild kontrolliert und bei der Patientin sind gottseidank keineNebenwirkungen aufgetreten. Wenn wir unter zusätzlich 10mg Aripiprazol Morgens keineAntriebsverbesserung gesehen hätten, dann hättenwir uns überlegt, gegebenenfalls auf 15mg hoch zugehen.BeimAripiprazolmussmanjawissen,dasdieWirkungnichtlinearansteigt,sonderndasdieDosis-WirkungskurveeineneherhyperbelförmigenVerlaufhat. EinehöhereDosisheißtnicht gleichzeitig einpotentielles Mehr anWirkung. Es ist zwar von 15 auf 20mg noch ein Wirkungszuwachs da, aber derSprung ist nichtmehr so stark,wie von5mgauf 10mgoder von10 auf 15mg.Bei derPatientinhaben10mggutfunktioniert.Ichhättemichauchschwerdamitgetan,derPatientinmehrals15mgAripiprazolzugeben.

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Abb. 4 Beispiel für eine rasche Eindosierung von Clozapin unter stationären Bedingungen (entsprichtnichtderFachinformation)Quelle:©nachDr.Hahn,Dortmund,20163.3Kasuistik3:GalaktorrhoeunterQuetiapinundRisperidonEinweiterer Fall: ebenfalls eine Patientin, 1973 geboren und seit etwa 20 Jahren an einer paranoidenSchizophrenie erkrankt. Sie war bis dato mit Quetiapin behandelt worden aber die Wirkung reichteoffensichtlichnichtmehraus,unddiePatientinwurdeambulanteingestelltaufretardiertesQuetiapinmit800mgAbends und zusätzlich 2x3mg Risperidon. Das ist von der Kombination her durchaus rational.Trotzdem reichte diese Kombination nicht aus und unter dem Risperidon hatte die Patientin auchzusätzlich relevante Nebenwirkungen in Form eines Prolaktinanstiegs und einer beginnendenGalaktorrhoe.Alssiehier indieBehandlungkamhabenwirüberlegt,Aripiprazolzunächstzusätzlich ineinerDosierungvon15mgdazuzugebenmitderOption,dasRisperidondannaufgrunddesgünstigerenNebenwirkungsprofils des Aripiprazols auszuschleichen. Wir gaben also dann zu der bestehendenZweierkombination als drittes Neuroleptikum das Aripiprazol mit 15mg dazu, mussten das aber imweiterennochmal reduzieren, dadocheine relativ starkeUnruheundAntriebssteigerungauftrat.Wirhabendannauf10mgundzumEndederBehandlunghin sogarauf5mgreduziert.Ungefähr3WochennachderHinzugabevonAripiprazol kames zu einerweiterenVerbesserungder Symptomeundeinemverbesserten Antrieb. Das Risperidon konnte dann reduziert und im weiteren Verlauf ohneWirkungsverlust ausgeschlichenwerden.DiePatientinblieb symptomfrei undhatte einenverbessertenAntrieb.3.3.1WiemachtsicheineAntriebssteigerungbemerkbar?UnserHintergrunddasRisperidonzuersetzenwardieProlaktinämieunddieGalaktorrhoe.DaswarderHauptgrund,dasRisperidonmöglichstschnellrauszunehmen.WirhabendanndasAripiprazolalsErsatzgenommen und es kam dann ja zu einer deutlichen Unruhe und Antriebssteigerung. Der gewünschteantriebssteigernde Effektwar auch da, aber eswar dann zu viel des Guten, so dasswir dann nachheretwas reduziert haben. Die Patientenwerden einfach unruhig, fühlen eine innereUnruhe, fangen danneinfach an hin- und herzulaufen und es kommt teilweise auch zu Akathisien, also zu Sitzunruhen. DiePatienten haben einfach das Gefühl sich nicht auf etwas konzentrieren zu können und ständigirgendetwas tun zu müssen. Irgendwann kommt es dann auch zur Schlafbehinderung, die Patientenkönnen nichtmehr einschlafen und sind ständig im Gedankenfluss und soweiter.Wennman jetzt einbisschen längerabgewartethätte,hättesichdieseUnruhemöglicherweiseauchunter15mgAripiprazolwieder gegeben,wenn sich der Körper auf die Substanz eingestellt hat.Wir haben aber auf 10mg unddannauf5mgreduziertundgeschautobesfunktioniertundeshatfunktioniert.

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Abb.5EineAntriebssteigerungistamAusdrucksverhaltenundanderPsychomotorikerkennbarQuelle:©nachDr.Hahn,Dortmund,20163.4Kasuistik4:MüdigkeitunterOlanzapinundPaliperidonEin weiterer Fall, ein 1973 geborener Patient mit einer seit mindestens 15 Jahren bestehendenparanoiden Schizophrenie, der schlecht compliant undunzureichend krankheitseinsichtigwar. Er hatteeinecharakteristischeSymptomatikmitwahnhaftenInhalten.InseinerWohnunghatteerimmerwiedermonsterhafteGestaltenausdenWändenkommensehen,dieihndannbedrohlichbeschimpften.Teilweisehat er auch nur akustische Halluzinationen gehabt in Form von bedrohlichen und beschimpfendenStimmen. Trotz alledem hat er immerwieder dieMedikamente abgesetzt, war immer wieder nicht zuseinemArzt gegangen und ist dann aus Angst seineWohnung aufzusuchenwochenlang in der Gegendumhergestreift.ErkamineinementsprechendvölligverwahrlostenZustand inunsereBehandlung.WirhabendannhierzunächstmalOlanzapinineinerDosierungvon2x10mggegebenunddashattezunächstauchfunktioniert.ImHinblickaufdieCompliancehabenwirihndannzusätzlichauf100mgPaliperidon-Depoteingestellt.UnterdieserKombinationwieserdannabereinedeutlicheAntriebsschwächeauf,eindeutlichesHungergefühlundeine erheblicheGewichtszunahme. DiesemetabolischenNebenwirkungensind in erster Linie auf das Olanzapin zurückzuführen. Wir haben dann das Olanzapin auf 2x5 mgreduziert. Das Paliperidon-Depot haben wir auf 100mg alle 28 Tage belassen. Nach etwa 4 WochenTherapie, also kurz nach der zweitenDepotgabe und nach derReduktion derOlanzapin-Dosiswar derPatientdannetwaswenigermüdeundauchdieAntriebsschwächewargebessert.DiePositivsymptomewaren deutlich rückläufig. Die Gewichtszunahme war aber noch vorhanden und der Patient hat alsoweiterhinanGewichtzugelegt.Wiewirwissen,istdasjaaucheinedosisunabhängigeNebenwirkungvonOlanzapin.DienächsteOptionbestanddanninderweiterenReduktiondesOlanzapins inderHoffnung,dass das Paliperidon dann als alleinige Substanz trägt. Das bleibt in diesen Fällen natürlich immerabzuwarten, aber angesichts der schwierigen Compliance des Patienten war das Depot sicherlich diebessereWahl aber auchda ist sicherlich Skepsis angebracht, inwieweit der Patient sich in Zukunft dasDepotabholtodersichzukommenlässt.3.4.1WiewähltmandaspassendeAtypikum?Hintergrund fürdieprimäreGabevonOlanzapinwar, dasderPatient vomAffekther sehrwechselhaftwar. Er war schon sehr angetrieben und teilweise auch aggressiv und teilweise auch wieder sehrresignativ zurückgezogen. Es waren also deutliche Affektschwankungen vorhanden, so dass man auchhinsichtlichderDiagnosedurchausüberlegenkann,obessichanStelleeinerparanoidenSchizophrenienicht eher doch um eine schizoaffektive Psychose gehandelt hat. Wir wollten die affektregulierendenEigenschaftendesOlanzapinsausnutzen.Genausohättemanaberauchfürdiestimmungsregulierenden

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Eigenschaften von Quetiapin oder Aripiprazol argumentieren können. Man hat in diesen Fällen schongewisseSubstanzeninderengerenWahl,wobeisichdasmeistnachdenNebenwirkungsprofilenrichtet.Olanzapin hat eher dämpfende und sedierende Eigenschaften,wirkt also affektberuhigend. Hierwürdeman weniger das Aripiprazol nehmen, weil man dann vielleicht eine zu starke Antriebsförderungbefürchtet.OftkommtfürdieEntscheidungfüreinbestimmtesAtypikumeingewissesBauchgefühlhinzu,daseinemsagt,dasisteigentlicheinklassischerPatientfürdieoderdieSubstanz.IndiesemFallwaresdasOlanzapin.

Abb.6WichtigeKriterienfürdieAuswahldespassendenAtypikumsQuelle:©nachDr.Hahn,Dortmund,20163.5Kasuistik5:SexuelleDysfunktionunterOlanzapinundAmisulpridDannalsweitererFallein1990geborenerPatientauchmiteinerparanoidenSchizophrenieseitetwa4Jahren. Es handelt sich um einen noch recht jungen Patienten mit einer nicht allzu langen Therapie-erfahrung. Es gab viele monotherapeutische Therapieversuche zuletzt mit Olanzapin und Amisulprid.DarunterhattederPatienteineerheblicheAntriebsschwäche,entwickelteeinesexuelleDysfunktionundeineGewichtszunahmeundwiesdeshalbeinenerheblichenLeidensdruckauf.Einerseitswarerdurchausbehandlungswillig undkooperativ, befürchtete aber andererseits unterderneuroleptischenMedikationeinanderesProblemdazuzubekommen.Wirhabendannüberlegt,dieKombinationvonOlanzapinundAmisulprid aufzubrechen und eine der beiden Substanzen zu ersetzen. Wir entschieden uns dann zurzusätzlichen Gabe von 10mg Aripiprazol oral mit der Option, den Patienten dann auf das Aripiprazol-Depot einzustellen. Hntergrund war, dass wir zum einen eine Antriebsförderung erreichen und zumanderen den Dopamin-Antagonismus der anderen beiden Substanzen etwas abmildern wollten, umdadurch Nebenwirkungen zu vermeiden. Letztendlich gabenwir 600mg Amisulprid, 20mg Olanzapinund10mgAripiprazolalsTagesdosis.DaswarzunächsteinmaleinevorübergehendeDreierkombinationund nach etwa 4Wochen sahenwir dann eine Antriebsverbesserung. Der Patientwar auch insgesamtschwingungsfähiger,erwarinderMimikaufgelockerterunddiesexuelleDysfunktionhattesicheinweniggebessert.DerPatienthattezwischenzeitlichauchwiedermaleineErektiongeschildert,wasausseinerSicht aber noch nicht optimal war. Das weitere Procedere bestand dann darin, das Olanzapinauszuschleichen.3.5.1WoraufsolltemanbeiderKombinationgenerellachten?Wir haben im Hinblick auf die Rationalität der Therapie natürlich auch gesehen, das Amisulprid plusAripiprazolnichtzudenKombinationenzählt,diemanpersealssinnvollinBetrachtziehensollte,aberindemFallwareszumindestdenTherapieversuchwert,dennaufAmisulpridhattederPatientjaimPrinzipgutrespondiertunderstzusammenmitdemOlanzapinkameszudieserGewichtszunahme.

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Abb.7ErfahrungenmitderKombinationstherapieQuelle:©nachDr.Hahn,Dortmund,2016WirhabenunsvonderHinzunahmevon10mgAripiprazol–dieDosishättemanvielleichtauchnochauf5mgreduzierenkönnen–aucheinengünstigenEinflussaufdieGewichtszunahmeversprochen.Esbleibtnatürlich abzuwarten, ob diese Dreifachkombination auf längere Sicht sinnvoll ist undmöglicherweisemuss dann noch einmal umgestellt werden. Dieser Fall ist auch ein Beispiel dafür, dass rationaleTherapieüberlegungen in der Praxis nicht immer zumTragen kommen.Manchmal kommtman auf einGleis,dasprinzipiellersteinmalinderTheorieirrationalerscheint,sichinderPraxisdannaberdochalsgangbarerWegerweist.GenausowürdeichjedenKollegendavorwarnen,mitAusnahmedesClozapinszustarkaufPlasmaspiegelzuachten.SiesindsichergutzurOrientierungaufjedenFall,umdieCompliancezuüberwachen.Mansieht,obderPatientdasMedikamenteinnimmtodernicht,aberwirsolltennichtzusehr an den Spiegeln kleben und durch hin- und herdosieren versuchen, den optimalen Spiegel zuerreichen.WirsolltenunsprimärimmeranderKlinikorientieren,alsosinddieSymptomerückläufigundwie sehen die Nebenwirkungen aus. Hier sollten wir auch wirklich explizit nachfragen. Es gibt nichtimmer die deutlich sichtbaren extrapyramidal-motorischen Nebenwirkungen mit Patienten, dieroboterähnlich durch die Gegend laufen oder die unwillkürlichmit der Gesichtsmuskulatur zucken. IndiesemFallhattenwireinesexuelleDysfunktion,diederPatientvonsichausnichtunbedingtäußert,weilesschambehaftetundesfürdiePatientenofteinTabu-Themaistdarüberzusprechen.DasolltemanganzvorsichtigundsensibelimEinzelgesprächnachfragenundinallerRegelsprechendiePatientendannauch.4PraxistippsfürdieKombinationstherapieWasgibtesfürTippsoderEmpfehlungenfürdiePraxis,wennwirNeuroleptikakombinieren?Wirsollteneine Kombination mit den erwähnten rationalen Überlegungen erst dann einsetzen, wenn eineMonotherapiemiteineradäquatenDosisübereinenlängerenZeitraumkeinenausreichendenErfolgzeigt.Wir solltennicht inHektikverfallenundalle zweiTagedieMedikationwechseln,weilwirnochkeinenErfolg sehen, sondernwir solltenwirklich einer Substanz auch eine entsprechende Chance geben.Wirsolltenesaberauchnichtübertreiben.WennalsoeinMedikamenteineausreichendeDosishatundwirnach3bis4WochenkeinenausreichendenErfolgsehen,dannsolltemanauchdenMuthabenentwederumzusteigenoderzukombinieren.WirsolltenimmereinenBlickaufdieInteraktionenundInduktionenhaben, wie beim Olanzapin und dem typischen Raucher als klassisches Beispiel: Die meisten unsererPatienten sind leider Raucher mit mindestens 20 Zigaretten am Tag und hier müssen wir einfach imHinterkopf haben, dass dadurch der Abbau von Olanzapin beschleunigt wird und sich dadurch keinentsprechenderWirkspiegel aufbaut. Bei starken Rauchern sind wir dadurch oft dazu gezwungen, dieDosis zuerhöhen,manchmal sogarüberdieHerstellerempfehlunghinaus.FürdenweiterbehandelndenArztsolltenwirdieseDosisaberauchbegründen.Ganzwichtigistes,beidenPatientenVorerfahrungenmitNeuroleptikazuerfragen,alsoobesProblemeinderVergangenheitgabundworauferschoneinmalgut angesprochen hat. Wir sollten bestehende Kombinationen insbesondere dann kritisch überprüfen,wennsieunszunächstirrationalerscheinenundsiegegebenenfallsverändern.

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Abb.8PraxistippsfürdieKombinationstherapieQuelle:©Dr.Hahn,Dortmund,2016Bei einer Erstbehandlung sollten wir immer probieren die Substanzen zu wählen, die ein möglichstgünstiges Nebenwirkungsprofil haben, wie zum Beispiel das Aripiprazol oder das Ciprasidon oderPaliperidonalsDepot.NebenwirkungsprofilesolltemanalsSteckbriefimKopfhabenunddieseProfileimEinzelfallauchnutzen,wiezumBeispielantriebsförderndeodersedierendeEffekte.5ZusammenfassungAlsMessage zum Schluss bleibt festzuhalten, Aripiprazol ist ein sinnvoller Kombinationspartner in derTherapiemitNeuroleptikabeigünstigemNebenwirkungsprofilundguterantipsychotischerWirksamkeit.Bei der Kombination mehrerer Atypika sollten wir darauf achten, nicht mehr als zwei Substanzen zukombiniereninsbesondereimHinblickaufdiepotentiellenNebenwirkungen.Esbleibtfestzuhalten,dasseine Kombinationstherapie absolut sinnvoll sein kann und wir sollten einfach mehr Mut haben undentschlossener sein, eine solche Kombination anzuwenden. Die Alternative besteht sonst nur in einemRückgriffaufklassischeNeuroleptikamitallihrenauchnegativenBegleiterscheinungen.

Abb.9ZusammenfassungQuelle:©Dr.Hahn,Dortmund,2016

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