Nimm dir, was du brauchst - kirchengemeinde-oldenburg.de · auf der Straße das neue...

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Nimm dir, was du brauchst Vor ein paar Tagen ging ich durch die Fußgängerzone. Die Sonne schien ganz wun- derbar, aber so wie vor Coro- na war es selbstverständlich nicht. Die Cafés und Restau- rants waren noch geschlos- sen, noch nicht alle Geschäfte geöffnet. Und die wenigen Menschen, die sich in der Stadt bewegten, hielten deut- lich sichtbar Abstand vonein- ander. Manche trugen auch auf der Straße das neue Trendaccessoire Mund-Nasen-Schutz. Ich war kurz davor trübsinnig zu werden. Da fiel mein Blick in einer Sei- tenstraße auf ein mit bunten Zetteln geschmücktes Tor. Ich ging zum Tor und las die Aufforderung „Nimm dir, was du brauchst“. Und auf den bunten Zetteln mit vorbereiteten Abrissstreifen drum herum wurden mir erstaunliche Dinge angeboten: Liebe, Zusammenhalt, Arbeit, Zufrieden- heit, Lächeln, Hoffnung, Geld, Glauben und vieles mehr. Meine trübe Stim- mung war im Nu wie weggeblasen. Die Zettel zauberten ein Lächeln in mein Gesicht. Aber so ein Papierstreifen ersetzt ja keines der Dinge, die uns jetzt so fehlen. In einer biblischen Geschichte hungert das Volk Israel auf seiner Flucht aus Ägypten in der Wüste. Da lässt Gott Manna vom Himmel reg- nen. Nimm so viel du brauchst, sagte er ihnen. Das machten die Israeli- ten und wurden satt. Dann sammelten sie mehr als sie brauchten und das Manna vergammelte. Die Geschichte sagt mir: Gott gibt mir so viel ich jetzt gerade brauche. Und die bunten Zettel am Tor waren an diesem Tag genau das, was ich gebraucht habe. Ihre Pastorin Silke Oestermann

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Nimm dir, was du brauchstVor ein paar Tagen ging ich durch die Fußgängerzone. Die Sonne schien ganz wun-derbar, aber so wie vor Coro-na war es selbstverständlich nicht. Die Cafés und Restau-rants waren noch geschlos-sen, noch nicht alle Geschäfte geöffnet. Und die wenigen Menschen, die sich in der Stadt bewegten, hielten deut-lich sichtbar Abstand vonein-ander. Manche trugen auch auf der Straße das neue Trendaccessoire Mund-Nasen-Schutz.Ich war kurz davor trübsinnig zu werden. Da fiel mein Blick in einer Sei-tenstraße auf ein mit bunten Zetteln geschmücktes Tor. Ich ging zum Tor und las die Aufforderung „Nimm dir, was du brauchst“. Und auf den bunten Zetteln mit vorbereiteten Abrissstreifen drum herum wurden mir erstaunliche Dinge angeboten: Liebe, Zusammenhalt, Arbeit, Zufrieden-heit, Lächeln, Hoffnung, Geld, Glauben und vieles mehr. Meine trübe Stim-mung war im Nu wie weggeblasen. Die Zettel zauberten ein Lächeln in mein Gesicht. Aber so ein Papierstreifen ersetzt ja keines der Dinge, die uns jetzt so fehlen. In einer biblischen Geschichte hungert das Volk Israel auf seiner Flucht aus Ägypten in der Wüste. Da lässt Gott Manna vom Himmel reg-nen. Nimm so viel du brauchst, sagte er ihnen. Das machten die Israeli-ten und wurden satt. Dann sammelten sie mehr als sie brauchten und das Manna vergammelte. Die Geschichte sagt mir: Gott gibt mir so viel ich jetzt gerade brauche. Und die bunten Zettel am Tor waren an diesem Tag genau das, was ich gebraucht habe. Ihre Pastorin Silke Oestermann