neunerNEWS 08/01

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neunerNEWS Nr. 11, Juli 2008 In der letzten Ausgabe der neuerNEWS haben wir Sie um Ihre Spende für das schadhafte Dach des neunerHAUSes Billrothstraße gebeten. Mit den bisher gespendeten 5.000 EURO können wir die erste Kreditrate für die Dachsanierung zahlen. Und dafür danken wir Ihnen ganz herzlich. Um die Dachsanierung und den Ausbau des Dachbodens um weitere vier Wohnplätze fortsetzen zu können, sind wir aber weiterhin auf Ihre Hilfe angewiesen. Bitte unterstützen Sie uns mit Ihrer Spende! Mit beiliegendem Erlagschein oder über eine Direktspende auf www.neunerhaus.at/spenden.htm helfen Sie schnell und wirksam. Burgi, 54 Jahre, neunerHAUS Kudlichgasse Burgi teilt ihr kleines Reich mit ihrer Familie: „Das sind die Katzen Maxi, Schnurli, Cindy und Moritz, die Wüstenrennmäuse Felix und Rocco und fünf Finken, die haben keine Namen“, stellt sie ihre Schar vor. Im Herbst des Vorjahres ist Burgi vom neunerHAUS Hagenmüllergasse umgezogen in die Kudlichgasse, „Zuerst ungern, aber jetzt bringt mich hier keiner mehr weg, da bin ich stur!“ Hart im Nehmen musste sie auch werden, das Leben ist nicht gerade freundlich mit ihr umgegangen. Am Stadtrand von Wien aufgewachsen, hat sie zu früh die Mutter verloren und musste ganz schnell erwachsen werden. Gelernt hat sie Verkäuferin – „ausgelernt“, wie sie betont. Die Arbeit im Supermarkt hat ihr gefallen, aber dann erfüllte sie sich den Berufswunsch, den sie seit ihrem ersten Praterbesuch mit acht Jahren hatte: Mit 18 spielt sie Tod und Teufel in der Geisterbahn. Heimlich, ohne dass die Familie davon wusste. Als einziges Mädel im Team wird sie von den Kollegen beschützt und auch ein bissel verwöhnt. Über ihren späteren Mann ist sie hier im wahrsten Sinn des Wortes gestolpert, als der als Besucher im Geisterbahnwagen an ihr vorbeigefahren ist. Ein Arbeitsunfall mit 28, bei dem sie schwer verletzt wird, setzt dem Praterleben ein Ende. Die Tochter soll ins Heim, also stimmt Burgi einer Adoption zu. Als ihr herzkranker Mann stirbt, kommen zum Alkohol noch Drogen dazu und ein viel jüngerer Mann, der sie ausnutzt. Den Drogenentzug schafft Burgi alleine, die Wohnung ist allerdings weg. Ihre größte Sorge sind ihre Tiere, die vorübergehend im Tierheim untergebracht werden. Dem Angebot, einen Wohnplatz im neunerHAUS zu bekommen, stimmt Burgi erleichtert zu, weil hier Haustiere erlaubt sind. Und die bestimmen nun auch den Tagesablauf – um fünf wird aufgestanden, da will die erste Katze gefüttert werden. Burgi genügen zwei bis drei Tassen Kaffee, die kann sie trinken, wäh- rend die Katzen ihre Streicheleinheiten bekommen. Mindestens einmal am Tag besucht sie Nachbar Karl auf ein Plauscherl und – wie sie verschmitzt hinzufügt – ein Bier. Auch in die hauseige- ne Kantine, das neunerBEISL, geht sie gern, im Sommer sitzt es sich gut im Garten und wenn „der Chef“ (Anm. Hausleiter Burkhard Mayr) sich dazugesellt, „dann rennt der Schmäh“, schmunzelt sie. Lieblingsprogramm für schlaflose Nächte sind Dracula- und Horrorfilme, offenbar eine Reminiszenz an die Geisterbahnzeit. Christopher Lee, den sie im Prater einmal persönlich kennen gelernt hat, fällt auch heute noch in die Burgi-Kategorie „fescher Zapfn“ (wie übrigens auch die Zivildiener im neunerHAUS). Musikalisch mag sie es sanfter. Bei Liedern wie „Aber dich gibts nur einmal für mich“ oder DJ Ötzis „Ein Stern, der deinen Namen trägt“ kann man den Abend auch sentimen- tal ausklingen lassen. Was wünscht sich Burgi für die Zukunft? „Zwei Papageien hätte ich gerne noch! Aber Spaß beiseite: Ich habe alles und bin dank- bar, wenn ich so lange lebe, dass ich meine Tiere versorgen kann und keines zurücklassen muss“. „Zu zwölft auf 20 m 2 SPENDEN SIE EIN NEUES ZUHAUSE UNTERM DACH!

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Das neunerhaus-Magazin. Wir berichten aus den Einrichtungen für wohnungslose und obdachlose Menschen des neunerhauses. Wir fragen nach sozial-politischen Veränderungen, porträtieren unsere BewohnerInnen und stellen Forderungen an politische EntscheidungsträgerInnen im Bereich der Wiener Sozialpolitik. Plus: Informationen zur Spendenverwendung und Veranstaltungsreplik.

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Page 1: neunerNEWS 08/01

neunerNEWS Nr. 11, Juli 2008

In der letzten Ausgabe der neuerNEWS haben wir Sie um Ihre Spende für das

schadhafte Dach des neunerHAUSes Billrothstraße gebeten. Mit den bisher

gespendeten 5.000 EURO können wir die erste Kreditrate für die Dachsanierung

zahlen. Und dafür danken wir Ihnen ganz herzlich. Um die Dachsanierung und den

Ausbau des Dachbodens um weitere vier Wohnplätze fortsetzen zu können, sind

wir aber weiterhin auf Ihre Hilfe angewiesen. Bitte unterstützen Sie uns mit Ihrer

Spende!

Mit beiliegendem Erlagschein oder über eine Direktspende auf

www.neunerhaus.at/spenden.htm helfen Sie schnell und wirksam.

Burgi, 54 Jahre, neunerHAUS Kudlichgasse

Burgi teilt ihr kleines Reich mit ihrer Familie: „Das sind die

Katzen Maxi, Schnurli, Cindy und Moritz, die Wüstenrennmäuse

Felix und Rocco und fünf Finken, die haben keine Namen“, stellt

sie ihre Schar vor. Im Herbst des Vorjahres ist Burgi vom

neunerHAUS Hagenmüllergasse umgezogen in die

Kudlichgasse, „Zuerst ungern, aber jetzt bringt mich hier keiner

mehr weg, da bin ich stur!“

Hart im Nehmen musste sie auch werden, das Leben ist nicht

gerade freundlich mit ihr umgegangen. Am Stadtrand von Wien

aufgewachsen, hat sie zu früh die Mutter verloren und musste

ganz schnell erwachsen werden. Gelernt hat sie Verkäuferin –

„ausgelernt“, wie sie betont. Die Arbeit im Supermarkt hat ihr

gefallen, aber dann erfüllte sie sich den Berufswunsch, den sie

seit ihrem ersten Praterbesuch mit acht Jahren hatte: Mit 18

spielt sie Tod und Teufel in der Geisterbahn. Heimlich, ohne dass

die Familie davon wusste. Als einziges Mädel im Team wird sie

von den Kollegen beschützt und auch ein bissel verwöhnt. Über

ihren späteren Mann ist sie hier im wahrsten Sinn des Wortes

gestolpert, als der als Besucher im Geisterbahnwagen an ihr

vorbeigefahren ist.

Ein Arbeitsunfall mit 28, bei dem sie schwer verletzt wird, setzt

dem Praterleben ein Ende. Die Tochter soll ins Heim, also

stimmt Burgi einer Adoption zu. Als ihr herzkranker Mann stirbt,

kommen zum Alkohol noch Drogen dazu und ein viel jüngerer

Mann, der sie ausnutzt. Den Drogenentzug schafft Burgi alleine,

die Wohnung ist allerdings weg. Ihre größte Sorge sind ihre

Tiere, die vorübergehend im Tierheim untergebracht werden.

Dem Angebot, einen Wohnplatz im neunerHAUS zu bekommen,

stimmt Burgi erleichtert zu, weil hier Haustiere erlaubt sind.

Und die bestimmen nun auch den Tagesablauf – um fünf wird

aufgestanden, da will die erste Katze gefüttert werden. Burgi

genügen zwei bis drei Tassen Kaffee, die kann sie trinken, wäh-

rend die Katzen ihre Streicheleinheiten bekommen. Mindestens

einmal am Tag besucht sie Nachbar Karl auf ein Plauscherl und

– wie sie verschmitzt hinzufügt – ein Bier. Auch in die hauseige-

ne Kantine, das neunerBEISL, geht sie gern, im Sommer sitzt es

sich gut im Garten und wenn „der Chef“ (Anm. Hausleiter

Burkhard Mayr) sich dazugesellt, „dann rennt der Schmäh“,

schmunzelt sie.

Lieblingsprogramm für schlaflose Nächte sind Dracula- und

Horrorfilme, offenbar eine Reminiszenz an die Geisterbahnzeit.

Christopher Lee, den sie im Prater einmal persönlich kennen

gelernt hat, fällt auch heute noch in die Burgi-Kategorie

„fescher Zapfn“ (wie übrigens auch die Zivildiener im

neunerHAUS). Musikalisch mag sie es sanfter. Bei Liedern wie

„Aber dich gibts nur einmal für mich“ oder DJ Ötzis „Ein Stern,

der deinen Namen trägt“ kann man den Abend auch sentimen-

tal ausklingen lassen.

Was wünscht sich Burgi für die Zukunft? „Zwei Papageien hätte

ich gerne noch! Aber Spaß beiseite: Ich habe alles und bin dank-

bar, wenn ich so lange lebe, dass ich meine Tiere versorgen

kann und keines zurücklassen muss“.

„Zu zwölft auf 20 m2“

SPENDEN SIE EIN NEUES ZUHAUSE UNTERM DACH!

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Die Krise des Gesundheitssystems trifft auch das neunerHAUS

Unser Anspruch, für

obdachlose Mensch-

en in dieser Stadt

Wohnplätze zu schaf-

fen und Versorgungs-

lücken zu schließen,

war seit Gründung

der neunerHAUS-Ini-

tiative stets geprägt

von der gesell-

schaftspolitischen

Einstellung, dass

Politik und öffentli-

che Verwaltung nicht

aus ihrer (zumeist

gesetzlichen) Verant-

wortung entlassen werden dürfen. Wir streben das Miteinander

von privatem Engagement, Wirtschaft und öffentlicher Hand an,

und es ist mir ein Bedürfnis, Ihnen – als UnterstützerInnen

unseres Vereins – transparenten Einblick in unsere Arbeit zu

geben.

Die Finanzierungskrise der Wiener Gebietskrankenkasse traf

auch uns sehr hart. Monatelang wurden wir im Ungewissen

gelassen, ob es überhaupt noch zu einer Finanzierung kommt,

zehntausende Euro mussten wir vorstrecken – keine einfache

Situation für uns. Sonderprojekte für soziale Randgruppen

haben in einer Finanzierungskrise dieser Dimension nicht ober-

ste Priorität. Erst seit kurzem haben wir nun Gewissheit, dass

die WGKK weiterhin zahlen und die Stadt Wien (FSW, MA40) sich

voraussichtlich beteiligen wird. Sicher ist aber auch, dass wir

weiterhin auf Ihre Spenden angewiesen sein werden, um die

Kosten sowohl für die Häuser, als auch die sozialarbeiterische

und die medizinische Betreuung zu bewältigen. Es geht um nicht

weniger, als die Existenzgrundlage hunderter obdachloser

Menschen zu sichern und nachhaltig zu verbessern.

Dass wir dabei innovative Wege gehen, bleibt nicht unbemerkt:

Unsere Wohnhäuser und Projekte werden mit Preisen ausge-

zeichnet und von in- und ausländischen Regierungsmitgliedern

besucht. Zuletzt würdigten der brasilianische und der österrei-

chische Sozialminister unsere neunerHÄUSER mit ihrem

Besuch. Eine besondere Freude ist für mich auch der im

Dezember 2007 an das Team neunerHAUSARZT verliehene

Gesundheitspreis der Stadt Wien. Unser engagiertes

ÄrztInnenteam betreut mittlerweile 11 Einrichtungen der

Wiener Wohnungslosenhilfe und sichert damit die medizinische

Versorgung von mehr als 1.000 PatientInnen.

So schön diese Erfolge auch sind, für unsere Arbeit brauchen

wir weiterhin Ihre Unterstützung und Solidarität. Dafür danke

ich Ihnen schon jetzt und wünsche Ihnen viel Freude mit der

neuen Ausgabe der neunerNEWS.

Mag. Markus Reiter, Geschäftsführer

EDITORIAL

WUSSTEN SIE, DASS …… in Österreich 250.000 Menschen über ein so geringes Erwerbs-

einkommen verfügen, dass sie unter der Armutsgefährdungs-

schwelle leben?

… die Wiener Sozialhilfe im Vorjahr um 2,9% angehoben wurde,

durch die 6,7%-ige Preissteigerung bei Lebensmitteln für Sozial-

hilfeempfängerInnen aber ein „Loch“ von EUR 132 im Jahr ent-

stand?

… im Jahr 2006 rund 50.000 Menschen in Einrichtungen für

Wohnungslose bzw. Flüchtlinge lebten?

… es in Österreich rund 1.500 bis 2.000 Menschen gibt, die

auf der Straße leben?

… rund 85.000 Haushalte 2006 durch ein Delogierungsverfahren von

Wohnungslosigkeit bedroht waren (ca. 2% der österreichischen

Haushalte)?

… mehr als 14.000 Haushalte tatsächlich delogiert wurden und

davon 34.500 Menschen effektiv betroffen waren?

… seit 2005 insgesamt 170 BewohnerInnen des neunerHAUSes

Billrothstraße den Weg zurück zu einem selbständigen Leben

gefunden haben?

… das Team neunerHAUSARZT jährlich mehr als 1.000 PatientInnen

betreut?

Seit März 2008 widmet sich die

beliebte TV-Moderatorin

Barbara Stöckl in ihrer neuen

Sendereihe „Stöckl am Sams-

tag“ brisanten und bewegen-

den Inhalten. Gesellschaftlich

relevante Themen vermittelt

sie gerne über persönliche

Geschichten. Persönlich wich-

tig ist ihr auch das Engage-

ment für den Verein neuner-

HAUS, den sie seit langer Zeit unterstützt.

Wie sehen/kennen Sie das neunerHAUS, was haben Sie für

einen Eindruck?

Ich kenne das neunerHAUS als engagiertes Projekt für

Obdachlose. Da ist kein Platz für falsches Mitleid, kein Platz für

„Sozialromantik“, da gibt es die klare Realität: du hast kein Dach

über dem Kopf? Du bekommst eines! Da geht es nicht um Schuld,

um Versagen, um Scheitern, sondern um unmittelbare Hilfe für

Menschen, die diese Hilfe brauchen. Mir gefällt auch, dass die

Leute vom neunerHAUS immer wieder mit originellen und

gesellschaftlich relevanten Ideen auf das Thema, ihre Anliegen

aufmerksam machen und dabei finanzielle Mittel zusammentra-

gen. „Haubenküche zum Beislpreis“ war so eine Idee, mit der auf

das Thema Armut & Ernährung aufmerksam gemacht wurde.

Denn arme Menschen sind allzu oft kranke Menschen.

Wie erleben Sie Wohnungslosigkeit/wohnungslose Menschen?

Wie gerne schieben wir dieses Problem von uns weg, sehen

obdachlose Menschen unter der Brücke, auf der Parkbank als

etwas weit Entferntes, fast Exotisches. Doch jeder, der schon in

die Situation gekommen ist, zu fallen, zu scheitern, zu stolpern,

weiß, wie nahe es ist, nicht gleich oder nicht mehr aufzustehen

und weiterzugehen. Ein Dach über dem Kopf zu haben ist ein

Grundbedürfnis, ein Grundrecht. Wenn zum Dach überm Kopf

dann auch ein Dach für die Seele dazukommt, hat man vielleicht

wieder eine echte Chance auf ein selbstbestimmtes, selbständi-

ges Leben. Es ist keine Schande, in unserer Gesellschaft zu

„scheitern“ – es ist eine Schande, wenn wir obdachlosen

Menschen nicht helfen!

Wie haben Sie in HelpTV den Begriff „Sozialschmarotzertum“

erlebt? Wie definieren Sie persönlich „Solidarität“?

Natürlich gibt es immer auch Missbrauch von Sozialleistungen.

Aber daran kann man weder politisches noch persönliches

Handeln orientieren! Manche Menschen haben diesen Begriff

schnell zur Hand, zu schnell. Wir suchen immer wieder nach

Schuldigen, und hat jemand seine Situation selbst „verschuldet“,

dann soll er auch selbst wieder aufstehen, sich selbst helfen und

möglichst die Gemeinschaft nicht belästigen. Wir müssen uns

immer und immer wieder überlegen, ob es uns wichtig ist, dass

Österreich ein „Sozialstaat“ ist. Wer das will, muss bereit sein, zu

geben. Solidarität bedeutet, dass diejenigen, die mehr haben, mit

denen, die weniger haben, teilen. Diese Solidarität ist schließlich

Grundlage unserer „Zivilisation“. Es geht um Hilfe für die

Menschen, die in der schnellen, fitten, gesunden Leistungs-

gesellschaft gerade nicht mitkommen: weil sie nicht gesund,

nicht fit, nicht schnell und nicht mehr so leistungsfähig sind. Weil

ein Schicksalsschlag sie aus der Bahn geworfen hat. Und viel-

leicht auch durch ihre eigene Schuld. Ich möchte gerne auch wei-

terhin in einem Sozialstaat Österreich leben.

„Wenn zum Dach über dem Kopf

ein Dach für die Seele kommt“Viel Ehr, wenig Geld!

IM BRENNPUNKT: BARBARA STÖCKL

Mobilpass für sozial Benachteiligte

VEREIN NEUNERHAUS FORDERT:

GRATISFAHRT FÜR OBDACHLOSE

Der Mobilpass bietet MindestpensionistInnen und Sozial-

hilfeempfängerInnen die Angebote der Wiener Linien zu

stark ermäßigtem Preis. So will die Stadt Wien die Mobilität

sozial Benachteiligter fördern. Konnten bisher etwa 40.000

Menschen die vergünstigten Preise der Wiener Linien nut-

zen, so sollen zukünftig mehr als 100.000 Personen vom

Mobilpass profitieren. Für WienerInnen, die zumindest seit

einem Monat eine Unterstützung erhalten, kostet die

Netzkarte somit EUR 15,20 (statt EUR 49,50). Mit dem

Mobilpass gilt auch ermäßigter Eintritt in den Wiener

Bädern und Büchereien.

Viele BewohnerInnen der neunerHÄUSER werden in den

Genuss des Mobilpasses kommen, für AMS-Notstands-

hilfeempfängerInnen beispielsweise gilt die Regelung aller-

dings nicht.

Wir fordern daher: Gratis-Mobilpass für Wohnungslose und

AMS-NotstandshilfeempfängerInnen. Denn für Menschen,

deren Tagesbudget zwischen null und fünf Euro liegt, sind

auch EUR 15,20 im Monat unleistbar! Und wir fordern die

Abschaffung der Strafverfolgung für jene Menschen, die kei-

nen Mobilpass erhalten, weil sie obdachlos sind und daher

weder Schlafplatz noch Meldezettel vorweisen können.

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Page 3: neunerNEWS 08/01

Die umfangreichen Renovierungsarbeiten der zweiten

Sanierungsphase konnten abgeschlossen werden. Gleichzeitig

feiert das „Klientenhotel“ neunerHAUS Billrothstraße seinen

dritten Geburtstag.

Das 2005 in Betrieb genommene Übergangswohnheim

Billrothstraße im 19. Wiener Gemeindebezirk kann heuer auf

drei erfolgreiche Jahre zurückblicken. Insgesamt wurden bis

Ende 2007 186 Männer und 11 Frauen betreut.

Seit Eröffnung des Hauses im Juli 2005 konnten 170 Menschen,

die vorübergehend im neunerHAUS Billrothstraße wohnten, in

kürzester Zeit wieder selbst Fuß fassen und in eigenständige

Wohnungen zurückkehren.

Das beweist, dass sich der ursprüngliche Gedanke dieser

Einrichtung bewährt hat: manchmal braucht es mehr als nur

einen Platz für zwei bis drei Tage oder eine Woche, aber ein

Dauerwohnplatz ist für diese wohnungslosen Menschen dann

auch nicht passend oder erforderlich.

In der täglichen Arbeit mit den Betroffenen hat sich im Verein

selbst und in der Beobachtung der Situation innerhalb der

Wiener Wohnungslosenhilfe für die MitarbeiterInnen des

neunerHAUSes gezeigt, dass manche Menschen, und vor allem

Männer, sich plötzlich durch eine Krise, ausgelöst etwa durch

eine Trennung, eine bevorstehende Scheidung, nach einer

Haftentlassung oder aufgrund einer Wegweisung, vor dem über-

wältigenden Problem sehen, auf der Straße zu stehen oder von

drohender Obdachlosigkeit betroffen zu sein.

Grundsätzlich ist das Selbsthilfepotential vieler dieser

Menschen groß, doch in einer derartigen Krise benötigen sie oft-

mals für einen begrenzten Zeitraum Hilfe, Unterstützung und

vor allem einen Platz zum Wohnen und nicht nur ein Bett in

einem Schlafsaal. Gerade hier wies aber das System der Wiener

Wohnungslosenhilfe eine Lücke auf: es gab Dauerwohnplätze,

Notschlafstellen oder Wohnungen im Rahmen des Betreuten

Wohnens, jedoch keine adäquaten betreuten Wohnräume für

einen befristeten Zeitraum. Mit dem neunerHAUS Billrothstraße

ist es gelungen, diese Lücke zu schließen.

Das Konzept „Klientenhotel“

In der Billrothstraße stehen 33 Einzelplätze für Männer und eine

Paarwohnung zur Verfügung. In Ausnahmesituationen werden

auch Frauen aufgenommen. Das Betreuungskonzept ist genau

auf die Problemsituationen dieser Menschen zugeschnitten.

Innerhalb von maximal 6 Monaten wird gemeinsam mit den

SozialarbeiterInnen daran gearbeitet, das Leben und den Alltag

wieder zu stabilisieren und die, durch drohende Obdachlosigkeit

ausgelöste Krise zu bewältigen. Bereits in der ersten Phase

werden ein Haushalts- und ein Maßnahmenplan erstellt. So

gewinnen die SozialarbeiterInnen rasch einen Überblick über

die finanzielle Situation und die eventuell vorhandenen

Schulden. Weiters werden die unterschiedlichen zukünftigen

Wohnmöglichkeiten analysiert und konkrete Schritte zur

Erlangung einer Wohnung oder einer anderen geeigneten

Wohnmöglichkeit in Angriff genommen. So etwa kann bei

Wiener Wohnen eine eigene Wohnung beantragt werden oder es

findet sich eine Wohnung am Privatmarkt. Es besteht auch die

Möglichkeit der Inanspruchnahme eines anschließenden

Betreuten Wohnplatzes in einer anderen geeigneten Einrichtung

der Wiener Wohnungslosenhilfe.

„In allen Phasen ist die aktive Mitarbeit und das Einverständnis

der KlientInnen von hoher Bedeutung und ausschlaggebend für

den Erfolg“, betont Hausleiter Hassan El Sewifi. Er und sein

engagiertes Team, bestehend aus zwei SozialarbeiterInnen, ste-

hen den BewohnerInnen während der Zeit im neunerHAUS

Billrothstraße mit Rat und Tat zur Seite. Auch das Konzept der

Bezugsbetreuung hat sich dort bewährt: jedeR neue

BewohnerIn hat vom ersten Tag an eine fixe Ansprechperson,

die ihn bis zum Auszug, manchmal auch noch darüber hinaus,

begleitet.

Im Vordergrund: Kein Druck und ein menschenwürdiges Leben

So wie in allen neunerHÄUSERN steht ein menschenwürdiges

Leben auch in der Billrothstraße im Vordergrund. Die Männer

und Frauen bewohnen jeweils eigene Wohneinheiten mit

Kochnische und Nasszelle, sie erhalten ihren eigenen

Haustürschlüssel, Besuche sind erwünscht und das Leben mit

Hund und Katz erlaubt. Auch gibt es kein Alkoholverbot.

Die begrenzte Wohndauer von 6 Monaten soll grundsätzlich ein-

gehalten werden. Wird aber im Laufe der Betreuungszeit deut-

lich, dass ein Auszug aufgrund individueller Situationen, wie

etwa eine längere Wartezeit auf eine Gemeindewohnung, inner-

halb dieser Zeit nicht möglich sein wird, gibt es die Option auf

eine Verlängerung.

Sanierung des Hauses in drei Phasen

Das neunerHAUS Billrothstraße war nicht immer ein Wohnheim

für obdachlose Menschen, aber von Anfang an sozialem Wohnen

gewidmet. Lange Jahre diente das denkmalgeschützte

Baujuwel, das 1926 von der bekannten Wiener Architektin Ella

Briggs-Baumfeld als „Ledigenheim“ errichtet wurde, als

Studentinnenwohnheim. 2003 wurde es geschlossen und stand

dann für mehr als zwei Jahre leer. 2005 gelang es dem Verein

neunerHAUS, es käuflich zu erwerben und die

Sanierungsarbeiten konnten beginnen.

Während im ersten Abschnitt zunächst die Zimmer für die

BewohnerInnen, Büroräume, ein Arztzimmer und zwei

Gemeinschaftsräume saniert, Holzböden renoviert und neu ver-

legt, Fliesen, Wasser- und Abflussrohre gelegt und die

Räumlichkeiten eingerichtet wurden, standen die Fassade,

Fenster und Türen im Zentrum der zweiten Sanierungsphase.

Von Sommer 2007 bis Frühjahr 2008 wurde die komplette

Fassade saniert, Außenfenster und -türen erneuert oder reno-

viert, aber auch die Innenräume wurden einer Verschönerung

unterzogen. So war der aus Fachkräften und BewohnerInnen

bestehende Bautrupp mit dem Ausmalen von Wänden, diversen

Montage-, Ein- und Umbauarbeiten beschäftigt. Weiters wurden

Möbel gewachst, Böden geölt, Abflussrohre eingebaut,

Datenkabel verlegt und auch die Kellerräumlichkeiten ausge-

baut. Die dritte Sanierungsphase soll heuer noch in Angriff

genommen werden. Geplant ist die komplette Sanierung des

mittlerweile maroden Daches. Gleichzeitig soll der Dachstuhl

angehoben und vier weitere Wohnplätze geschaffen werden.

Dies bedeutet, dass im Jahr durchschnittlich zusätzlich zehn

Personen betreut werden können. Die Gestaltung des Gartens

wird ein weiterer Schwerpunkt dieser Phase sein.

Sanierung als Beschäftigungschance für Betroffene

Für die Sanierungsarbeiten wurden zahlreiche konzessionierte

Fachbetriebe und Fachleute im Bereich Elektrik, Gas-Wasser-

und Heizungs-Installationen, Spenglerei, Fliesen und Tischlerei

engagiert. Ergänzend zu diesem Trupp an Experten ergriffen

einige engagierte BewohnerInnen die Möglichkeit, ihre

Fähigkeiten und Kompetenzen bei den Sanierungs- und

Renovierungsarbeiten einzusetzen.

„Mit Unterstützung der vielen SponsorInnen und

MitarbeiterInnen ermöglicht das neunerHAUS Billrothstraße

mit seinen 35 Wohnplätzen unzähligen vorübergehend obdach-

losen Menschen eine Rückkehr in ein menschenwürdiges

Leben“, so neunerHAUS-Geschäftsführer Markus Reiter, „Was

noch aussteht ist der Ausbau des Dachbodens mit vier weiteren

Plätzen - daran arbeiten wir nun intensiv. Eine erste Sammlung

für die Dachsanierung hat bereits EUR 5.000,-- ergeben und ich

bin zuversichtlich, dass wir den Ausbau noch heuer angehen

können.“

Ein neunerHAUS erstrahlt im neuen Glanz

DIE neunerHÄUSER DIE neunerHÄUSER

neunerHAUS Billrothstraße alt

neunerHAUS Billrothstraße neu

Team neunerHAUS Billrothstraße

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Freude im Verein neunerHAUS. Mitte Dezember 2007 wurde das

Gesundheitsprojekt des Vereins, das Team neunerHAUSARZT, mit

dem Gesundheitspreis 2007 der Stadt Wien in der Kategorie

„ambulante Versorgung“ ausgezeichnet. Überreicht wurde der

Preis von der Ausschussvorsitzenden für Gesundheit und Soziales,

Frau GR Marianne Klicka. „Diese Wertschätzung unserer Arbeit in

der Fachwelt freut uns ganz besonders“, so neunerHAUS

Geschäftsführer Mag. Markus Reiter über die Auszeichnung. Auch

an Anerkennung von internationaler Seite mangelt es nicht.

Ebenfalls im Dezember 2007 hat die WHO eine Case Studie über

das Pionierprojekt verfasst, ein eigenes Webfeature ist geplant.

Die WHO zeigte sich vor allem von der interdisziplinären

Zusammenarbeit und der Ausbildung der ÄrztInnen beeindruckt.

Insgesamt werden im Rahmen des Projekts Team

neunerHAUSARZT neben den BewohnerInnen der neunerHÄUSER

Kudlichgasse und Hagenmüllergasse neun weitere Einrichtungen

der Wiener Wohnungslosenhilfe betreut. Mehr als 1.000 obdachlo-

se Menschen werden somit pro Jahr ärztlich versorgt, die sonst

keinen Arzt aufsuchen könnten oder würden.

Doch warum benötigen ausgerechnet obdachlose Menschen eine

eigene medizinische Behandlung? „Wohnungslos zu sein bedeutet

nicht nur ein Leben auf der Straße und ohne eigenes Einkommen.

Es heißt auch, ein Leben unter großem physischen und psychi-

schen Druck zu führen. Und: Geschätzte 90% aller Obdachlosen

sind mehrfach krank“, weiß Markus Reiter. Aufgrund der schwie-

rigen Lebensumstände benötigen Obdachlose all ihre körperli-

chen Ressourcen, um den Alltag zu bewältigen. Die Gesundheit ist

oft das Letzte, dem Aufmerksamkeit geschenkt werden kann.

Dr. Walter Löffler, medizinischer Leiter des Team

neunerHAUSARZT, erläutert: „Hier ergänzt die umfassende medi-

zinische Betreuung des Team neunerHAUSARZT die Arbeit der

SozialarbeiterInnen und hilft mit, die Lebensqualität der

Menschen nachhaltig zu verbessern. Denn nur wenn sie gesund-

heitlich wieder stabil sind, haben Menschen die Kraft, sich anderen

wichtigen Themen in ihrem Leben zu widmen und diese in Angriff

zu nehmen, wie z.B. die Suche nach einem Wohnplatz oder einer

neuen Arbeit.“

„War der Postler

schon da - es ist

bereits 11 Uhr?“,

dröhnt eine

Stimme aus dem

Warteraum ins

Büro. Ein zustim-

mendes Murmeln

dahinter lässt auf

ein paar Wartende

schließen. Ich

betrete das Büro,

sehe Sabines ver-

neinendes Gesicht

und noch bevor ich den Kopf wenden kann, eröffnen Wortpfeile

das Wortgefecht: „Das ist ja unglaublich, jetzt warte ich schon

seit 3 Tagen auf mein Geld!“ Herr W. versucht mit grimmiger

Miene seiner Beschwerde noch mehr Ausdruck zu verleihen.

Hinter ihm Frau P., die ihre Arme in die Hüften stemmt und

zustimmend nickt. Flankiert wird sie von Sherry, dem

Huskymischling, den sie heute Spazieren führt. Seine Ohren sind

gespitzt und es scheint so, als würde er ebenfalls auf eine

Antwort warten. Ich erhebe beschwichtigend meine Arme,

Sherry knurrt und noch bevor ich das Wort ergreifen kann,

ergreift es Frau P.: „Alle anderen haben das Geld schon bekom-

men, nur wir nicht!“, stößt sie verbissen hervor. Sherry knurrt

leise. „Kann man da nicht was tun?“, ergänzt Herr W.. Sabine

hebt den Telefonhörer. Sherrys Ohren verlieren an Spannung, er

beginnt mit dem Schweif zu wedeln. „Wir können ja mal bei der

Post anrufen und fragen, ob er heute mit dem Geld kommt“,

biete ich an. „Bin gerade dabei“, teilt Sabine mit einem

beschwichtigenden Lächeln mit. Die ernsten Mienen weichen

aus den Gesichtern und machen einem kleinen Lächeln Platz.

Sabine nickt, spricht ein paar Worte und legt den Hörer auf.

„Heute wird er mit Geld kommen, wann wissen wir jedoch

nicht“, berichtet sie. Die Erleichterung ist förmlich zu spüren.

Frau P. lässt sich auf die Couch im Wartezimmer nieder, Herr W.

streicht sich erleichtert über die Stirn und atmet tief durch. Auch

Sherry scheint zu spüren, dass sein Knocherl fixiert ist und

schleckt sich mit der Zunge über die Schnauze. Die eintreffende

Frau G. wird gleich von den Wartenden informiert, steckt sich

eine Zigarette an und streicht Sherry über den Kopf. Der

Warteraum und der Aschenbecher füllen sich. Der Briefträger

biegt um die Ecke, als die Kirchenglocken 12 Uhr schlagen.

Autorin: DSA Magdalena Berger

Von 11 bis 12 in der Hagenmüllergasse

TEAM neunerHAUSARZT

Gesundheitspreis für das Team neunerHAUSARZT

Brasilianischer Sozialminister Hohen Besuch bekam der Verein

neunerHAUS im April. Auf Einladung

von Sozialminister Dr. Erwin Buchinger

und dem Fonds Soziales Wien besuchte

Patrus Ananias de Sousa, brasiliani-

scher Minister für Sozialentwicklung

und Hungerbekämpfung, das neuner-

HAUS Billrothstraße. Bei seinem

Besuch zeigte sich der brasilianische

Sozialminister begeistert von dem libe-

ralen Betreuungskonzept des Vereins.

Österreichischer Sozialminister Da staunten die BewohnerInnen des neunerHAUS Kudlichgasse im

Februar nicht schlecht, als Sozialminister Dr. Erwin Buchinger und

Finanzstaatssekretär Dr. Christoph Matznetter mit einem Einkaufs-

wagerl voll gepackt mit Lebensmitteln vorfuhren. Anlass war die

Pressekonferenz zum Thema „Inflationsbekämpfung“. Der Einkaufs-

wagen sollte demonstrieren, wie viele Lebensmittel sich ein Konsument

um 100 Euro leisten kann. Die spontane Spende wurde von den

neunerHAUS-BewohnerInnen mit Freude entgegengenommen.

neunerHAUS-Hauben-

auflauf 2008 Bereits zum zweiten Mal

luden neunerHAUS, s Bau-

sparkasse und Erste Bank

am 19. Mai zur Benefizver-

anstaltung „Haubenauf-

lauf“. Neun österreichische

HaubenköchInnen gaben in

einem Kochkurs mit an-

schließendem Flying Dinner

ihr Wissen an prominente

Gäste, unter ihnen Claudia Stöckl und Opernsänger Herwig Pecoraro,

weiter. Fazit des Abends: Viele Köche verderben keineswegs den Brei.

neunerHAUS-Tiere Zwei Studentinnen der FH für Sozial-

arbeit haben im Zuge ihrer Ausbildung

das Projekt V.I.T.U.S. ins Leben gerufen.

Wöchentlich versorgt eine Tierärztin

kostenlos die Tiere im neunerHAUS.

Nach dem Motto: „Geht’s meinem

Viecherl gut, geht es auch mir gut“,

ergeben sich durchaus positive

Auswirkungen auf die Tierbesitzer-

Innen selbst.

Kurzmeldungen

neunerHAUS KURZMELDUNGEN

IMPRESSUM:

Herausgeber: Verein neunerHAUS, Stumpergasse 60, 1060 Wien,

Tel.: +43/1/713 59 46, E-Mail: [email protected], Website: www.neunerhaus.at

Koordination: Ruth Gotthardt / Redaktionelle Mitarbeit: Magdalena Berger, Hanna

Esezobor, Ruth Gotthardt, Michaela Muttenthaler, Markus Reiter, Eva Winroither

Grafik-Design: Gábor Békési / Fotos: Marianne Greber, Teresa Zötl, Verein neunerHAUS

Druck: REMAprint GmbH, 1160 Wien, Neulerchenfelder Straße 35

Auflage: 3.000 Stück

Dr.in Irene Lachawitz, neunerHAUSÄRZTIN

Mitbewohner neunerHAUS Hagenmüllergasse