Neue Formen der Arbeit Neue Formen der Prävention€¦ · virtuelle Teamarbeit, ... •Konkurrenz...

Neue Formen der Arbeit –Neue Formen der Prävention

15.11.2017

Elisa Bradtke

Was ist Arbeiten 4.0?

15.11.2017 2Neue Formen der Arbeit - Neue Formen der Prävention, Elisa Bradtke

Arbeiten 4.0„Wenn wir über Arbeiten 4.0 sprechen, reden wir nicht nur über die neuen

Technikwelten der Industrie 4.0. Wir reden über die Arbeit der Zukunft in

ihrer ganzen Breite und Vielfalt.“

(Quelle: BM Andrea Nahles im Vorwort zum Grünbuch Arbeiten 4.0; S. 6-7)

Die wichtigsten Entwicklungen…


Neue Technologien Neue Flexibilisierung

Neue Anforderungen an Führung

Neue Vielfalt der Beschäftigungsformen


• Selbstorganisierte Produktionssysteme (Industrie 4.0), „Cyber Physical Sytems (CPS)“

• Kollaborierende Roboter

• Intelligente Sensoren, Fernsteuerung

• Ambiente Technologien

• weltumspannende Informations-und Kommunikationstechnik

• „mobile Endgeräte“: Smartphone, Tablet, Notebook

• Virtualität

• Augmented Reality

• Connected Reality

Neue Technologien


Zukunft: Connected Reality

Quelle: Trendstudie Connected Reality von der Z_punkt GmbH

Technologische Trends

• Internet der Dinge

• Ubiquitäre Intelligenz

• Neue Schnittstellen

• Digitale Produktion

• Autonome Systeme

Gesellschaftliche Treiber

• Digital Lifestyle

• Der neue Geist der Autarkie

• Echtzeit Ökonomie

• Ressourceneffizienz

• Sicherheit


Neue Technologien

Konsequenzen für die Erwerbstätigen:

• Mobil-flexibles Arbeiten wird ermöglicht

• Interaktion zwischen Mensch und Maschine erreicht eine

neue Komplexität

Aufmerksamkeits- und Konzentrationserfordernisse

Arbeitsverdichtung, Informationsflut

…

Konsequenzen für die Prävention:

• Durch neue Technologien kann die menschengerechte Gestaltung von

Arbeit gefördert werden

• Bereits in Planungs- und Entwicklungsprozesse des Arbeitssystems muss

die Sicherheit und Gesundheit des Menschen einbezogen werden.

• Arbeitssystem als Ganzes (Mensch, Organisation, Technik) in den Blick

nehmen


Flexibilisierung

• räumliche Flexibilisierung:

Teleheimarbeit

Remote Working,

virtuelle Teamarbeit,

Vertrauensarbeitsplatz

…

Endpunkt: „Arbeite wo Du willst, wann Du willst, und mit wem Du willst“

• Flexible Arbeitsstrukturen:

Flexible Teams,

Crowdwork,

…

• zeitliche Flexibilisierung:

Vertrauensarbeitszeit

ständige Erreichbarkeit

Rufbereitschaft

„Arbeit auf Abruf“, …


Erreichbarkeit und erweiterte Verfügbarkeit

Veränderung der Arbeitswelt durch Informations- und

Kommunikationstechniken:

• Herkömmliche Grenzen der Erwerbsarbeit verschwinden

zunehmend:

– Jeder Ort kann in einen Arbeitsort transformiert werden

– Jeder Zeitraum kann in Arbeitszeit verwandelt werden

• Beschäftigte sind nicht nur während abgegrenzter

Arbeitszeiten und an definierten Arbeitsorten für die

Erwerbsarbeit verfügbar, sondern darüber hinaus


Wirken von erweiterter Verfügbarkeit auf die Gesundheit

Erweiterte Verfügbarkeit

Mehrarbeit

Verschwimmen von

Grenzen

Reduzierte Erholung

Gesundheit

Individuelle

Flexibilität

Höhere

Produktivität

Bessere Kooperation

und ggs.

Unterstützung


Fazit – Wissenschaftliche Befunde

Ergebnisse aus Quer-, Längsschnitt- und Tagebuchuntersuchungen

• Erweiterte Verfügbarkeit kann mit positiven und negativen Aspekte verbunden sein

• Negative Aspekte wie Mehrarbeit, Erholungseinbußen und dem (unkontrollierten Verschwimmen der

Grenzen zwischen den Lebensbereichen hat einen konsistent negativen Effekt auf das Wohlbefinden

(psychisch z.B. Erschöpfung) und physiologisch, z.B. Stresshormonausschüttung)

• Die Wirkung ist unabhängig von tatsächlichen Arbeitseinsätzen

• Positive Aspekte wie individuelle Flexibilitätsvorteile (z.B. das Büro mal eher verlassen) und bessere

Kooperationsmöglichkeiten können negativen Wirkungen entgegenwirken

• Erhebliche Unterschiede in den Wirkungen zwischen den Personen und Organisationen

• Nicht die „Ständige Erreichbarkeit“, die „erweiterte Verfügbarkeit“• Spezifische Gestaltungsmerkmale der Verfügbarkeit bestimmen über positive und negative Wirkungen

Gestaltungbarkeit der Verfügbarkeit


Forschungsprojekt der VBG

Erreichbarkeit - Gut gestaltet im Betrieb in Kooperation mit der Medical School Hamburg

• Praxistaugliche Maßnahmen für die gesundheitsförderliche Gestaltung

von Erreichbarkeit in den Betrieben wurden erarbeitet.

• Das Wissen zu der Gestaltung von Erreichbarkeit wurde erweitert.

• Die gesundheitsförderliche Wirkung der Maßnahmen wurde überprüft und

bestätigt.

• Die Mitarbeiter und Betriebe profitieren von der Gestaltung der

Erreichbarkeit.

Ziel des Projekts:


Flexibilisierung


• hohe Handlungs- und Entscheidungsspielräume für

Erwerbstätige; Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben

• Risiken wie Überforderung, mangelnden

Erholungszeiten oder speziell bei räumlicher Mobilität

auch ergonomische Probleme

• hohe Anforderungen an Selbstorganisation


• Konkrete betriebliche Gestaltungsempfehlungen müssen erarbeitet

werden

• Bedeutung der Gesundheitskompetenz wächst

• Verantwortung für den Arbeitsschutz und Gestaltung

gesundheitsgerechter betrieblicher Rahmenbedingungen verbleibt beim

Arbeitgeber



• Führung auf Distanz

Direkte, persönliche Interaktion nimmt ab

Kommunikation zunehmend virtuell, ermöglicht

durch I&K-Technologien

Führungssubstitute

• Indirekte Leistungssteuerung

Führen über Kennzahlen und

Zielvorgaben

Für die Bewertung der Arbeit ist nicht

der Arbeitsprozess, sondern

zunehmend das Arbeitsergebnis

entscheidend


• Martin ist seit 15 Jahren Privatkundenberater in einer Bank

• Aktuelle Ertragszahlen jedes Mitarbeiters werden mit den vorgegebenen Zielen.

• Martin hat seitdem regelmäßig schlechte Laune und Magenschmerzen.

• Kollegen sind zur Konkurrenz geworden.

• Hannes ist Privatkundenberater und sehr zufrieden mit seiner Arbeit.

• Die Filiale muss jährlich Ertragsziele erreichen.

• Filialziele werden selbstorganisiert ohne die Filialleitung von den Mitarbeitern verteilt.

• Spezifische Fähigkeiten der unterschiedlichen Beschäftigten können genutzt werden.

• Kollegen werden von für sie besonders schwierigen Aufgaben entlastet.

Zwei Beispiele aus der Praxis…

Indirekte Steuerung – was ist das überhaupt?


Direkte Steuerung

Prinzip: „Command & Control“

Die Führungskraft sagt den Beschäftigten,

was sie tun sollen.

Indirekte Steuerung

Prinzip: „Setzen von Rahmenbedingungen“

Sie als Führungskraft gestalten die

Rahmenbedingungen, sodass Beschäftigte

von sich aus tun, was sie von ihnen erwarten.

• Führungsstil, der sich auf Ergebnisse und das Erreichen

gesetzter Ziele konzentriert

• Kernmerkmale :

1. Vorgesetzte führen über Ziele

2. Vorgesetzte übertragen die Verantwortung für

Zielerreichung auf Beschäftigte aller

Hierarchieebenen

3. Ziele sind Indikatoren für unternehmerischen Erfolg

4. Beschäftigte erhalten systematische Rückmeldungen

zum Zielerreichungsgrad

5. Vorgesetzte betreiben Benchmarking anhand von

Kennzahlen

Wie hängt Indirekte Steuerung mit Gesundheit zusammen?


Ausprägungen indirekter Steuerung mit positiver Wirkung auf die Gesundheit:

• Hohe Autonomie

• Realistisch erreichbare, durch eigenes Handeln beeinflussbare Ziele

• Anpassbare Ziele

• Honorieren fachlicher Anstrengung/ Erfolge

Ausprägungen indirekter Steuerung mit negativer Wirkung auf die Gesundheit:

• Zielspiralen

• Unsichtbare Leistung

• Engmaschiges, zeitaufwendiges Controlling

• Widersprüche zwischen fachlichen und ökonomischen Zielen

• Negative Konsequenzen bei fehlender Zielerreichung

• Konkurrenz in der eigenen Organisation

Interessierte Selbstgefährdung


Definition:

Interessierter Selbstgefährdung ist ein Verhalten, bei dem Beschäftigte aus Interesse am beruflichen Erfolg selbst die eigene Gesundheit gefährden.

Kurzfristiger positiver Einfluss auf die Zielerreichung, Aufgabenbewältigung und den eigenen Erfolg

Langfristig aufgrund von einer zu hohen Arbeitsbelastung und fehlender Erholung nachteilig für die Leistungsfähigkeit und Gesundheit

Fazit für die Praxis


• Die Art der Auswirkung indirekter Steuerung ist abhängig von der konkreten

Gestaltung der Arbeitsbedingungen.

• Interessierte Selbstgefährdung als Coping-Strategie bei v.a. geringer

Qualität indirekter Steuerung geht mit schlechterer Gesundheit einher.

• Individuelle Merkmale, wie Selbstwirksamkeit beeinflussen ebenfalls

Verhaltensweisen der Selbstgefährdung.

Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Stärkung individueller

Gesundheitskompetenzen gemeinsam umsetzen!

Welche Interventionsansätze gibt es?


Impulsvorträge

Checkliste

Interessierte

Selbstgefährdung

Workshop-Konzept zu

Teamstrategien zum

Umgang mit Zeitdruck

Screening zur Erfassung

indirekter Steuerung

ImpulsvorträgeFührungsfragen mit

GesundheitsbezugBroschüre

ChecklisteErfolgsfaktoren bei

Nutzung flexibler Arbeit

Broschüre

Fragebogen zu

Teamstrategien zum

Umgang mit Zeitdruck




• Häufigkeit und Qualität der Kontakte nehmen ab

• Kommunikation stärker sachbezogen

• Weniger Kenntnisse über Belastungen der MA

• Weniger „Ressource“ Führungskraft• Hohes Ausmaß an Handlungs- und

Entscheidungsspielräumen, Verantwortung

• Motivation, Arbeitszufriedenheit

• Risiko: Überforderung und Selbstgefährdung


• Führung wird wichtiger!

• Qualifikation und Gestaltungslösungen erforderlich

• Ziele und Zielsetzungsmechanismen

• Führungskultur



• Anteil neuer Beschäftigungsformen hat sich deutlich erhöht

Teilzeit, befristet, oder geringfügig

beschäftigt

Gelegenheitsbeschäftigung,

Mitarbeiter-Sharing, …

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Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Darstellungen

• Mehrfachbeschäftigung

• Vielfältige Möglichkeiten einer selbständigen Tätigkeit nachzugehen

Werkverträge

Siehe Flexibilisierung der Arbeitsstrukturen: (virtuelle) Projektarbeit




• Häufig wechselnde Arbeitszeiten, -orte und

Unternehmen

• Neue Beschäftigungsformen können den Interessen

der Erwerbstätigen entgegenkommen

z.B. bessere Vereinbarkeit von beruflichen und

privaten Belangen

• Häufig Abweichung von betriebsüblichen Standards

• Spezielle beschäftigungsbezogene Stressoren


• organisatorische Probleme wie Zuständigkeiten oder Erreichbarkeit der

Beschäftigten

• Kumulation und Wechselwirkungen von Belastungen berücksichtigen


Zentrale Fragen

• Wie können technischen und

arbeitsorganisatorischen Veränderungen

menschengerecht gestaltet werden?

• Wie sieht eine angemessene

Arbeitsschutzorganisation für mobile und

flexible Arbeit aus, um die Menschen

gesund zu erhalten?

• Wie müssen Unternehmensleitungen

zukünftig Führungs- und Steuerungs-

prozesse gestalten, um ihrer Verantwortung

für Sicherheit und Gesundheit gerecht zu werden?

• Wie kann unabhängig von der

Beschäftigungsform das gleiche Arbeitsschutzniveau

für alle Erwerbstätigen erreicht werden?


Herausforderungen der Prävention

• Eine prospektive Arbeitsgestaltung,

insbesondere in Bezug auf technische

Entwicklungen.

• Eine ganzheitliche Prävention, die sowohl

physische wie auch psychische Belastungen

konsequent gemeinsam berücksichtigt.

• Förderung der Gesundheitskompetenz von

Beschäftigten unter Beibehaltung der unternehmerischen Verantwortung.

• Etablierung einer Kultur der Prävention, die die Rahmenbedingungen

gesunder Arbeit auch in der Arbeitswelt 4.0 nachhaltig sicherstellt.

15.11.2017

Dipl.-Psych. Elisa Bradtke

Referat ArbeitspsychologieVBG – Ihre gesetzliche UnfallversicherungDeelbögenkamp 4, 22297 Hamburg

Tel.: 040-5146 2331E-Mail: [email protected]

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

mailto:[email protected]

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