natürlichFAIR - eza.cc selbst indianischer Herkunft ist und seit langem für die Rechte der...

24
Alpaca Zwischen Tradition und Trend Seite 3 Quinua Kulturgut und Wunderkorn Seite 8 Schokolade Der lange Weg der braunen Bohne Seite 12 NEUES AUS DER WELT DES FAIREN HANDELS 1/07 natürlich FAIR Jahrgang 30

Transcript of natürlichFAIR - eza.cc selbst indianischer Herkunft ist und seit langem für die Rechte der...

AlpacaZwischen Tradition

und TrendSeite 3

QuinuaKulturgut und

WunderkornSeite 8

SchokoladeDer lange Weg der

braunen BohneSeite 12

N e u e s a u s d e r W e l t d e s F a i r e N H a N d e l s

1/07

natürlichFAIRJahrgang 30

SC

HW

ER

PU

NK

T B

OL

IVIE

N

Liebe Leserinnen und Leser,

Ein neuer Name und ein neues Erscheinungsbild kennzeichnen den 30. Jahrgang des EZA Info. Mit

dem „natürlichFAIR“ möchten wir Sie auch weiterhin über „Neues aus der Welt des Fairen Handels“

informieren und damit die Hintergründe unserer Arbeit offen legen.

Wollig weiche Alpacaprodukte, das exotische Quinua und der feine Schmelz der Schokolade sind

Schwerpunkte dieser Nummer. Die Geschichte dieser so verschiedenen Produkte beginnt in unserem

Fall in Bolivien. Eine Reise zu deren Ursprung machte für eine 20-köpfige Delegation aus Österreich,

bestehend aus EZA- und Weltladen-MitarbeiterInnen, im April 2007 die Wirklichkeit der Menschen

dahinter sichtbar – oder zumindest einen Ausschnitt davon. VertreterInnen unserer bolivianischen

Partnerorganisationen besuchen ihrerseits im Herbst 2007 Österreich.

Großes Interesses – so scheint es – gibt es nicht nur an fair und umweltverträglich produzierten

Nahrungs- und Genussmitteln, sondern auch an Bekleidung, die sich in jeder Hinsicht als „tragbar“

erweist. Immer mehr Menschen legen nicht nur auf gutes Aussehen Wert. Das gekaufte Stück soll

ohne Ausbeutung von Mensch und Umwelt hergestellt werden. Diesem Wunsch versucht die EZA

nicht nur mit der aktuellen Alpaca-Kollektion nachzukommen, sondern auch mit Baumwollbeklei-

dung. Den gesamten Bekleidungshandel werden wir dadurch nicht revolutionieren. Deshalb ist es

wichtig und notwendig, dass es NGOs wie die Clean Clothes Kampagne gibt, die sich für ein Umden-

ken auf Konzernebene einsetzen.

Welches Veränderungspotential liegt im Fairen Handel? Je nach Betrachtungsweise wird die Antwort

unterschiedlich ausfallen. Zurück nach Bolivien: Angesichts der dort anstehenden Probleme, wird

man wohl eher auf die Bewegung eines Evo Morales hoffen, damit die entsprechenden sozialen und

ökonomischen Weichenstellungen für einen gesellschaftlichen Wandel eingeleitet werden. Dennoch

sieht Hans Eder, einer der Autoren in diesem Heft, im Fairen Handel einen wichtigen Baustein, wenn

er schreibt: „Eine Mitarbeit am Aufbau eines „neuen“ Bolivien ist sinnvoll und notwendig. Der Faire

Handel ist dazu ein Beitrag – für einzelne Gruppen und Betriebe ebenso wie als Signal von „anderen“

Beziehungen zwischen Süd und Nord. Die Alternative wäre ein Ignorieren und (in)direktes Einklinken

in die neo-liberale Globalisierung – ohne Utopien. Eine utopie- und visionslose Gesellschaft aber hat

sich und andere bereits abgeschrieben. Das wäre ein wirkliches Armuts-Zeugnis der anderen Art.“

Sich nicht Einfinden in die Verhältnisse – vielleicht geht es einmal mehr darum – sondern neue Wege

erfinden und sie gehen. „Das wirklich Mögliche,“ so Ernst Bloch, „beginnt mit dem Keim, in dem das

Kommende angelegt ist.“ Vielleicht ist der Faire Handel ja eines dieser Saatkörner.

Mit besten Grüßen

A N D R E A R E I T I N G E R

INHALt

natürlichFAIR 1/07�

Editorial

Gedruckt nach der Richtlinie „Schadstoffarme Druckerzeugnisse“ des Österreichischen Umweltzeichens. gugler cross media, Melk; UWZ 609

Bild

: maw

i

Bild

er: g

olse

r/m

awi/

güm

o

Coverfoto: Candelaria Tucu, Jilata

02 Editorial

03 Zwischen Tradition und

Trend – Alpaca

08 Goldenes Korn der Anden

12 Schokolade –

der lange Weg der braunen Bohne

17 „Befreiende Demokratie“ an der Kippe?

19 tag des Kaffees

20 „Saubere Kleider“ – Gibt es die überhaupt?

22 Mode mit neuen Akzentent

Impressum:

Herausgeber und Medieninhaber (Verleger): EZA Fairer Handel GmbH · Redaktion: Andrea Reitinger, Wenger Straße 5, 5203 Köstendorf, DVR Nr. 0419 605, Telefon: 06216 20200-0, Fax: 06216 20200-999, E-mail: [email protected], www.eza.cc · nicht namentlich gekennzeichnete Beiträge von Andrea Reitinger · Gestaltung und Druck: gugler* cross media, www.gugler.at · Auflage: 22.000 Erscheinungsdatum: 21. September 2007

Offenlegung gemäß Mediengesetz: Medieninhaber (Verle-ger) ist die EZA Fairer Handel GmbH · Redaktion: Andrea Reitinger, Wenger Straße 5, 5203 Köstendorf. Die Ziele der EZA sind ausschließlich auf gemeinnütziger Basis: 1. Die Förderung von HandwerkerInnen, Bäuerinnen- und Bauernorganisationen in Afrika, Asien und Lateinamerika durch den Import ihrer Produkte zu fairen Bedingungen und deren Vermarktung in Österreich. 2. Entwicklungs-politische Informations- und Bildungsarbeit mit dem Schwerpunkt Fairer Handel.

Klimaneutral gedruckt mit Ökostrom auf 100% Recycling-papier. Der Gesamtbetrag der CO2-Neutralisierung fließt in

ein WWF Klimaschutzprojekt in Karnataka/Indien.

natürlichFAIR 1/07 �

Bolivien ist reich an Kulturen. Nirgendwo sonst in Südamerika sind das Denken und die Wertvorstellungen, die Tradi-tionen und Bräuche der indigenen Be-völkerung so präsent wie hier. Rund 70 Prozent der Bevölkerung des Landes sind Indígenas. Ihre Bedürfnisse und Interessen wurden durch die Regie-rungen der Vergangenheit immer wie-

der mit Füßen getreten. Mit dem seit �006 amtierenden Präsidenten Evo Morales soll dies anders werden. Zum ersten Mal in der Geschichte Bolivi-ens steht ein Mann an der Spitze, der selbst indianischer Herkunft ist und seit langem für die Rechte der Indí-genas kämpft. Mit absoluter Mehrheit gewählt, besitzen er und seine „Bewe-

gung zum Sozialismus“ – (Movimiento al Socialismo) MAS – eine noch nie da-gewesene demokratische Legitimation. Bolivien befindet sich im Umbruch.

In El Alto, der stetig wachsenden traban-tenstadt von La Paz, sind die Hoffnungen auf eine bessere Zukunft groß. Viele, die sich hier auf 4100 Metern Seehöhe nie-

Alpacawolle ist eine der exklusivsten Naturfasern. Seit Jahrhunderten wird sie von der indigenen Bevölkerung der Andenländer zur Herstellung von textilien verwendet. Señor de Mayo und Jilata – zwei Handelspartner der EZA in Bolivien – setzen auf solidarisches Miteinander in ihren Organisationen und zeitgemäße Verarbeitung des traditionellen Rohstoffs.

Wärmt und sieht

gut aus – Alpacastrick

von Jilata.

SCHWERPUNKT BOLIVIEN

Zwischen Tradition und Trend – Alpaca

Made in

BoliviaMade in

Bolivia

Bild

: EZ

A/P

eter

Bur

gsta

ller

natürlichFAIR 1/074

SCHWERPUNKT BOLIVIEN SCHWERPUNKT BOLIVIEN

dergelassen haben, kommen ursprüng-lich vom Land und wurden enttäuscht. Formale Arbeitsmöglichkeiten fehlen ebenso wie der Zugang zu Aus- und Weiterbildung.

Señor de MayoWas zählt ist das Miteinander

Die schwierigen wirtschaftlichen und so-zialen Bedingungen waren es auch, die in den späten 1980er Jahren zur Grün-dung von Señor de Mayo führten. Eine zentrale Rolle spielte dabei Antonia Rodriguez. Die harten Lebensumstän-de, die sie von Kindheit an ertragen musste, haben die Frau nicht gebro-chen, sondern – so scheint es – stark ge-macht. Eine Stärke, die sie bei Señor de Mayo ebenso einsetzt wie in ihrem po-litischen Engagement. Antonia ist MAS-Aktivistin und begrüßt den aktuellen politischen Wandel: „Wir sind seit 500 Jahren beherrscht, erniedrigt und ausge-

beutet worden. Die vergangenen Regie-rungen haben der Basis des Volkes, den einfachen Leuten, nie Raum gelassen, doch genau darum geht es. Ich denke, dass wir diese Veränderung auch errei-chen werden,“ zeigt sie sich angesichts der neuen politischen Konstellation im Land zuversichtlich.

Señor de Mayo arbeitet heute mit 22 Gruppen, die traditionelles Handwerk her-stellen. Etwa �00 Menschen sind auf diese Art organisiert. Mehrheitlich sind es Frauen aus El Alto und Umgebung, die handgestrickte Textilien aus feiner Alpacawolle erzeugen. Für Cleofe Quis-pe, Mutter von vier Kindern, ist dies ein Gewinn in mehrfacher Hinsicht:

„Durch die Arbeit haben wir nicht nur Geld verdient, sondern jede von uns hat sich auch weitergebildet. Als es zum Beispiel darum ging, dass ich die Verantwortung für die Finanzen bei Se-ñor de Mayo übernehmen sollte, war

Was zählt ist das

Miteinander. Antonia

Rodriguez (Mitte)

und Cleofé Quispe (re)

mit Strickerinnen von

Señor de Mayo.

Bild

: maw

i

SCHWERPUNKT BOLIVIEN

natürlichFAIR 1/07 5

SCHWERPUNKT BOLIVIEN

das sehr schwierig für mich, obwohl ich vorher schon dort und da gearbei-tet hatte und mit Geld umgehen konnte. Hier gibt es ein Sprichwort, das heißt: Es ist hart, aber es ist nicht unmöglich. Mit Unterstützung von Antonia und der Organisation bin ich vorwärts ge-kommen. Heute weiß ich, wie Señor de Mayo funktioniert, wie und an wen wir unsere Produkte verkaufen. Ich habe also nicht nur stricken gelernt, ich habe gelernt mit der Gruppe zu arbeiten.“

Verkauft werden die Produkte an Organi-sationen des Fairen Handels, darunter die EZA in Österreich, die mit Señor de Mayo eine direkte Handelspartner-schaft pflegt. Antonia Rodriguez be-tont die Bedeutung dieser Handelsbe-ziehung: „Wir verbinden zwei Welten, durch den Fairen Handel, durch die In-ternationale Fair Trade Vereinigung. Ich glaube, dass wir das tun müssen, um eine andere Welt, um Gerechtigkeit zu

schaffen, damit uns die Globalisierung nicht umbringt.“ Diese andere Welt ent-steht nicht von heute auf morgen, das wissen die Frauen von Señor de Mayo aus eigener Erfahrung. Und auch, dass das Stricken nicht ausreichen wird, um eine Familie zu ernähren. Es ist ein Zu-satzeinkommen, wenngleich ein wich-tiges. Was die Frauen darüber hinaus stärkt, ist die gelebte Gemeinschaft, das Miteinander. Daraus kann vieles Ent-stehen. Das noch unfertige Haus von Señor de Mayo ist ein Zeichen dafür. Nicht nur Büro und Versammlungs-raum haben darin Platz, ein Haus der Kontinente soll es werden. Noch ist es Baustelle, mitgebaut wird von allen. Ein Ort der Begegnung ist es bereits.

JILATAAuf eigenen Beinen stehen

Der Geist, sich selbst zu organisieren und auf eigenen Beinen zu stehen, hat die

junge Organisation JILATA mit Sitz in El Alto angetrieben. Daraus entstand in den letzten fünf Jahren ein Zusammen-schluss von 1� kleinen Strickwerkstät-ten. Auch hier stammt das teure Rohma-terial von den begehrten Alpacas.

Bei JILAtA sind nur wenige Handstri-ckerinnen beschäftigt, die Mehrheit er-zeugt die feinen Textilien an einfachen Strickmaschinen, die sowohl in der Zentrale der Organisation als auch in den Häusern der Mitglieder betrieben werden. Das geht zwar schneller, ergibt eine gleichmäßigere Textur und mittels Lochkartenprinzip kunstvolle Muster. Dennoch ist das Ergebnis manchmal nicht so wie es sein sollte, erzählt Pau-lina Alvarez: „So einfach ist die Arbeit gar nicht. Manchmal ist es schwierig, die Maße genau einzuhalten. Da geht es nicht darum einfach dahinzustricken und am Ende kommt alles in der rich-tigen Größe raus. Nach jedem Stück,

ALPAcA – WERtVOLLE NAtuRFASER

Das Rohmaterial stammt von den in Peru und Bolivien heimischen Alpacas. Die

mit dem Lama verwandte Kamelart hat sich den rauen Klimabedingungen perfekt

angepasst und erträgt eisige Kälte ebenso wie intensive Sonneneinstrahlung.

Die genügsamen Tiere sind seit jeher aufgrund ihrer feinen langen Haare geschätzt,

die sich zu hochwertiger Wolle verspinnen lassen. Nur jedes zweite Jahr werden die

Alpacas geschoren, verwendet wird das feine Haar von Brust und Schultern.

Bei Señor de Mayo wird das Vlies zum Teil bei den Alpakazüchtern direkt an-

gekauft und dann in alter Tradition handversponnen, mitunter auch gemeinsam

gefärbt – mit Farben, die aus Pflanzenmaterial gewonnen werden. Feiner Verspon-

nenes kauft man von der bolivianischen Organisation Coproca. Das Unternehmen,

an dem Señor de Mayo beteiligt ist, entstand aus einer Initiative von Alpacazüchtern

und kann den Rohstoff zu Garn – naturbelassen oder bunt gefärbt – weiter verar-

beiten. Auch Jilata kauft einen kleinen Teil des Garns bei dieser Initiative.

Der Großteil kommt jedoch von Spinnereien aus dem benachbarten

Peru. Alpacawolle ist ein teures Rohmaterial. Die Kilopreise liegen

derzeit bei umgerechnet etwa 19 Euro. Für einen Pulli benötigt man

– je nach Größe – zwischen 500 und 800grm Alpacawolle.

Das Material ist aufgrund seiner schmutz- und geruchsabwei-

senden Eigenschaften ausgesprochen pflegeleicht und zeichnet

sich durch besonderen Tragekomfort aus. Da das Alpacahaar in-

nen hohl ist, schafft es einen hervorragenden Temperaturausgleich.

Alpaca wärmt bei Kälte und ist auch bei Zimmertemperatur noch an-

genehm zu tragen.

natürlichFAIR 1/076

SCHWERPUNKT BOLIVIEN

das wir fertig stellen, müssen wir es abmessen, manchmal ist es zu groß ge-raten oder zu klein, dann müssen wir auftrennen, messen, wieder auftrennen und es noch mal machen, bis es passt.“

Der Raum, wo die Qualitätskontrolle stattfindet, ist das Herzstück von Jila-ta, erklärt Humberto Aruquipa, selbst Stricker und im Kernteam von Jilata vertreten. Bei jedem Modell wird Ver-arbeitung, Passform, die Übereinstim-mung der Farben, Muster und Größen in bis zu �8 Einzelschritten überprüft. Ebenso wichtig wie die Qualitätskon-trolle ist die Entwicklung der Designs. Die hohen Ansprüche, die Jilata an sich selber setzt, sind im Grundsatzpa-pier festgehalten, das in der Zentrale der Organisation ausgehängt ist. Man will Alpacaprodukten ein zeitgemäßes Image geben, die Tradition des bolivi-anischen Handwerks und die andine Kultur der ProduzentInnen mit den Anforderungen des Marktes an Trends und Tragekomfort bestmöglich in Ein-klang bringen. Hier hat die Gruppe in den letzten Jahren von der Arbeit der deutschen Textildesignerin Brigitte Landauer profitiert. Sie kennt den euro-päischen Markt. Ihr Wissen hat sie wei-tergegeben. Die Kollektion �007 wurde von Jilata selbst entwickelt.

Von Anfang an unterstützte die EZA den Werdegang der Organisation, stell-te Kontakte in das Netzwerk des Fairen Handels her, gab Bestellungen in Auf-trag, die dann in den Weltläden ihre KäuferInnen fanden. Der Besuch aus Österreich im April �007 ist denn auch ein Höhepunkt in der Geschichte der gemeinsamen Handelspartnerschaft. Für viele der anwesenden Mitglieder und deren Angehörigen bietet er erst-mals einen lebendigen Einblick in die europäische Realität des Fairen Han-dels und das Umfeld, in dem ihr Pro-dukt angeboten wird.

Das Ziel: Arbeit über’s ganze Jahr

Die Jilata-Leute erzählen ihrerseits von ihren ersten Schritten auf dem Export-markt. „Der Faire Handel war bis jetzt für uns die beste Form der Zusammen-arbeit, die ich bisher gesehen habe,“ spart Simón Huanca nicht mit Lob. Aber es gibt auch andere: „Einmal ha-ben wir auch Anfragen von Anbietern bekommen, die sich fair nannten, aber für mich alles andere als fair waren. Die wollten zum Beispiel die Stücke, die wir an die EZA verkaufen, zum halben Preis. Das ist kein Fairer Handel, das akzeptieren wir nicht, denn so können

Bild

er: E

ZA/m

awi

Die neuen trends

werden u.a. von Ester

Estranas, Jilata,

umgesetzt.(Bild li unten)

SCHWERPUNKT BOLIVIEN SCHWERPUNKT BOLIVIEN

wir den Handwerkern nicht bezahlen, was ihnen zusteht.“

„Jilata hat vor etwa fünf Jahren regelrecht bei Null begonnen,“ erläutert die EZA Geschäftsführerin Andrea Schlehuber.

„Umso erfreulicher ist die bisherige po-sitive Entwicklung.“ Eine funktionie-rende Struktur mit den Rechten und Pflichten der Mitglieder galt es ebenso aufzubauen, wie Kontakte zu ersten Kunden in Europa. Die vergangenen Jahre sieht Simón als Erfolg: „Jahr für Jahr hat sich unsere Verwaltung verbes-sert, die Aufträge sind gestiegen. Da-durch ist die Arbeit für die Handwerker und Produzentinnen stabiler geworden, es hat für einen immer längeren Zeit-raum Arbeit gegeben und es konnten mehr Leute in den Prozess integriert werden.“ Zufrieden gibt man sich da-mit nicht: „Die größte Herausforderung ist, dass es das ganze Jahr über Arbeit gibt,“ stellt Simón fest. Die Eröffnung eines eigenen Geschäfts im Touristen-viertel von La Paz steht unmittelbar bevor. Damit will man auch auf dem regionalen Markt aktiver werden.Die größten Hoffnungen setzt man aber weiterhin auf den Fairen Handel. Viel-leicht auch deshalb, weil sich dort das Interesse am Produkt mit der Wertschät-zung der Menschen dahinter verbindet.

Ein Hauch

von Fin de Siècle.

Alpacaschal

von Señor de Mayo.

natürlichFAIR 1/07 7

Bild

: EZ

A/P

eter

Bur

gsta

ller

natürlichFAIR 1/078

Goldenes Korn der AndenDer karge Altiplano Boliviens ist die Heimat einer der ältesten Kulturpflanzen der Welt: Quinua. EZA Fairer Handel und die Weltläden verkaufen seit vielen Jahren die wertvolle Ernte der Kleinbauernfamilien. Eindrücke von einer Reise zum ursprung des Produktes.

Am Vortag dachten wir, wir kämen nie mehr wieder irgendwo an. Stundenlange Fahrt über das Altiplano, Gerüttle und Geschüttle auf unasphaltierten Straßen und Wegen, zuletzt nur noch Müdigkeit und ein Sternenhimmel, der einem den Atem rauben könnte – wäre die Luft nicht schon so dünn genug. Bei stock-finsterer Nacht konnten wir unser Ziel

nicht mehr richtig ausmachen. Ausru-hen und den nächsten Morgen erwarten.

Das Blau des Himmels mit ein paar Wolkenfetzen – eingebildet oder wirk-lich? – zum Greifen nah. Landschaft im Sonnenlicht, das noch nicht wärmt. Der untätige Vulkan Tunupa in verschie-denen Rot- und Rostschattierungen. Davor ein unendliches Weiß, nicht

Der Vulkan tunupa

im Licht der

Morgensonne.

SCHWERPUNKT BOLIVIEN

Bild

: maw

i

Schnee sondern Salz. Der Salar de Uyu-ni, ergießt sich vor uns auf einer Fläche 1� mal so groß wie der Bodensee. Und dazwischen? Felder mit roten, gelben und rosa „Flammen“: Quinua. Wir sind angekommen.

Jirira heißt der Ort „am Ende“der Welt.

Kleine Häuser aus Lehmziegeln, stroh-gedeckt, viele von ihnen verlassen, du-cken sich am Fuße des Vukans. Strom gibt es erst seit sieben Monaten. Hier wohnt Maritza, sie ist neun und geht zur Schule. In einem Raum werden sechs Kinder, zwischen 5 und 10 Jah-re alt, unterrichtet und betreut. Es ist nicht sicher, wie es im nächsten Jahr weiter geht. Denn eigentlich sollten es mindestens 1� Kinder sein. Vielleicht wird die Schule geschlossen. Maritz-as Eltern haben ein Stück Land direkt am Ufer des Salzsees und bauen Qui-nua an. Und: Eine Lamaherde wird Tag für Tag auf die Hänge getrieben. Man lässt sie während der Nacht nicht mehr oben – zu gefährlich. Ein Puma hat ein Muttertier gerissen. Das Llamajunge hat Maritza mit der Flasche aufgezogen.

„Mamilla,“ ruft sie es und rennt nach der Schule zu ihren Eltern aufs Feld.

Der Altiplano – das Hochland Boliviens zwischen den beiden Gebirgsketten der Anden – ist eine Welt für sich. Südlich von El Alto breitet sich die bolivianische Hochebene in ihrer ganzen Kargheit aus. Der reizüberflutete Tourist vermag da-rin herbe Schönheit zu entdecken. Den dort heimischen Aymara und Quechua wird das Letzte abverlangt. Ein kleines Stück Land, das unter extremen Klim-abedingungen bewirtschaftet wird. Im besten Fall ein paar Lamas für Fleisch und Wolle: das ist die Existenzgrundla-ge vieler Familien.

Es scheint eine besondere Laune der Natur: Gerade die unwirtlichste Region des Landes ist die Heimat einer Pflan-ze, die seit alters her als Wunderkorn der Inka bezeichnet wird. Unweit des größten Salzsees der Erde – dem Salar de Uyuni – gedeiht hier auf kalten, tro-ckenen Böden seit mehr als 5000 Jah-ren eine der ältesten Kulturpflanzen der Menschheit. Quinua. Die kleinen Samenkörner, die in den farbenpräch-tigen Blütentrauben der verschiedenen Sorten sitzen, sind wahre Kraftkammern.

Reich an hochwertigem Eiweiß, Mine-ralstoffen und Vitaminen dienten sie der Bevölkerung der Andenregion schon vor Jahrtausenden als nährstoffreiches Grundnahrungsmittel. Während der Ko-lonialzeit wurde das ehemals hohe An-sehen abgewertet. Heute konkurriert es mit billigerem Weizen oder Reis.

Seit 1983 arbeitet ANAPQuI, ein Zu-sammenschluss von sieben vorwiegend indigenen Genossenschaften daran, die Situation der Quinua produzierenden Kleinbauernfamilien zu verbessern. Das Korn dient neben der Selbstversorgung auch der Erwirtschaftung von Geldein-kommen. „Quinua ist ein jahrtausende altes Nahrungsmittel, das für uns sehr wichtig ist,“ erklärt Aureliano García Huarachi, Präsident der Basisgenos-senschaft APROQUIRI. „Es es ist unser tägliches Brot und spielt eine Rolle bei der Ernährung, für die Bildung und zur Abdeckung anderer Ausgaben.“

Einen wichtigen Beitrag leistet dazu der Faire Handel. Stabile Handelspart-nerschaften und eine faire Bezahlung sind eine gute Basis. Zudem stärkt der Export des vielseitigen Korns auch sein Ansehen im eigenen Land. „Das

In den Blütentrauben

der Quinua sitzen

die wertvollen Samen.

SCHWERPUNKT BOLIVIEN

natürlichFAIR 1/07 9

Bild

: güm

o

natürlichFAIR 1/0710

ist eine der Errungenschaften,“ stellt Rafael Apala, seinerseits Quinuabau-er und derzeit im Vorstand der Dach-organisation vertreten, fest. „Märkte erreicht zu haben, die hohes Ansehen besitzen und uns einen guten Preis be-zahlen. Deshalb bedienen wir sie mit großer Sorgfalt und hoch qualifizierten Arbeitskräften.” Qualitätsbewusstsein und die Orientierung an den Bedürfnis-sen des Marktes führte 199� zur Um-stellung der Produktion auf kontrolliert biologischen Anbau.

Mutter Erde um Erlaubnis bitten

In Puqui, einer abgelegenen Ortschaft mit knapp 600 Einwohnern, arbeitet Sulma Ignacio Condori mit den Mitgliedern der dortigen Basisgenossenschaft. Ge-meinsam geht es darum, die Einhaltung der strengen Normen des biologischen Landbaus sicherzustellen.

Sulma ist ausgebildete Agronomin und die erste Frau, die in dieser Funk-tion bei ANAPQUI beschäftigt ist. Sel-ber aus einer kleinen Landgemeinde, kennt sie das harte Leben dort. Ihre Arbeit sieht sie nicht als Einbahnstraße, sondern als Austausch mit den Bauern-familien vor Ort. „Die Erfahrung auf dem Land ist gut,“ erzählt sie. „Man

lernt viel, was sie dir auf der Universi-tät nicht beibringen, dort ist alles theo-retisch, auf dem Land ist es praktisch, es unterscheidet sich sehr vom wis-senschaftlichen Zugang. Ich habe viel von den Produzenten gelernt. Bevor die Bauern irgendetwas auf dem Land bearbeiten, machen sie ihr Ritual, und bitten Pacha Mama – die Mutter Erde

– um Erlaubnis.“ Der Erfahrungsschatz und die Traditionen der Kleinbauernfa-milien verbinden sich so mit dem Wis-sen der Agronomin.

trotz der anstehenden Erntearbeit, neh-men sich einige Bauern und Bäuerinnen von APROQUIRI Zeit, eine Besuchsde-legation aus Österreich zu empfangen

– die noch dazu viel größer ausfällt als erwartet. Man müsse nun etwas mehr zu essen zubereiten, erklärt man uns. Des-halb solle man sich erst einmal mit den Bauern versammeln. Zu Mittag gegessen werde dann später. Wir erzählen, dass Quinua in Österreich noch wenig be-kannt ist und dass diese Reise auch dazu dient, das Produkt anschließend besser zu verkaufen. Das stößt auf Zustimmung.

„Quinua ist das goldenen Korn, es ist nie zu spät, zu lernen, wie man es isst,“ er-mutigt uns ein Bauer. Der Tisch wird gedeckt und zwei Frauen bringen das Essen. Quinua mit einer Beilage aus ge-

SCHWERPUNKT BOLIVIEN

Bild

er: m

awi

Interessierte

Zuhörerinnen –

Bäuerinnen von

Anapqui.

natürlichFAIR 1/07 11

dünsteten Karotten, Zwiebeln und ver-quirltem Ei – einfach und köstlich.

Von der Versammlung geht es weiter auf das Feld. Quinuaernte ist Handar-beit. Noch immer werden Pflanzen mit der Wurzel ausgerissen, erklärt Sulma

– keine besonders Boden schonende Methode. Erosion durch Wind und Trockenheit ist ein Problem. Weshalb man auch versucht, die weitaus bessere Technik zu verankern: die Pflanze mit der Sichel abzuschneiden und die Wur-zeln im Boden zu belassen, der nach der Ernte für einen Zyklus ruht.

Die Rohware der Basiskooperativen wird auf schlechten Straßen mehrere Stunden lang zur genossenschaftseigenen Verar-beitungsanlage nach Challapata gefahren. Ovidio Silvestre, der Fabriksleiter, führt uns durch die Anlage, wo Quinua seit 198� weiterverarbeitet wird.

Die Körner werden gesäubert und entsaponisiert. Die bitteren Saponine

– natürliche Seifenstoffe in der Samen-schale – werden durch Schleifen und intensives Waschen entfernt. Die Qui-nua wird anschließend getrocknet, nach Größe klassifiziert und fertig verpackt. Dies erhöht die Wertschöpfung der Genossenschaft ebenso wie die Verar-beitung der Rohware zu Mehl, Flocken und köstlichen Quinuapops. Die Arbeit

in der Anlage läuft im Drei Schicht Be-trieb, sechs Tage die Woche. Rund �5 Menschen finden hier eine geregelte Arbeit, viele von ihnen stammen aus den Familien von Mitgliedern der Ba-sisgenossenschaften. Ihr Einkommen liegt deutlich über dem gesetzlichen Mindestlohn, sie sind krankenversi-chert, haben Anspruch auf bezahlten Urlaub und erhalten ein zusätzliches Monatsgehalt pro Jahr – alles keine Selbstverständlichkeit in Bolivien.

Essen, was uns gehört

Das wertvolle Korn wird nicht nur ex-portiert – mit der Regierung um Evo Morales ist auch die Nachfrage am in-ländischen Markt gestiegen. Ein erster Schritt: Rund 15 Tonnen Quinua wer-den von der öffentlichen Hand gekauft und bereichern den Speiseplan in Kran-kenhäusern, Schulen und Kasernen.

Rafael Apala ist mit dem bisher Er-reichten zufrieden und sieht den Er-folg auch in den demokratischen Prin-zipien seiner Organisation begründet:

„ANAPQUI hat 1500 Mitglieder und die Perspektive zu wachsen, weil die gesamte wirtschaftliche Kontrolle, die soziale Kontrolle, der Struktur von ANAPQUI unterliegt. Wir Führungs-personen können Gelder nicht falsch

verwenden, wir können weder das Ver-trauen noch das Geld der Produzenten missbrauchen, da sehr streng kontrol-liert. Und deshalb befinden wir uns auf einem sehr hohen Niveau im Vergleich zu den Privatunternehmen.“

Einige Private gäbe es, doch die seien kei-ne verlässlichen Partner für Kleinbauern, da sie keinerlei Service böten. Ganz im Gegensatz zu ANAPQUI. Die Kleinbau-ernvereinigung hat Produktion, Weiter-verarbeitung und die Vermarktung der wertvollen Ernte in die eigenen Hände genommen. Über die Jahre ist nicht nur der Erfahrungsschatz der Mitglieder ge-wachsen, sondern auch die Rolle der Quinua als Einkommensquelle. Die wirtschaftliche Bedeutung ist für Sul-ma Ignacia Condori jedoch nur ein As-pekt. Für sie ist Quinua ein Stück Kul-tur, das es zu erhalten gilt: „Quinua ist etwas sehr Andines, seit langem leben wir davon, es ist das goldene Korn, es ist die Hoffnung für uns, auf dem Land leben zu können.

Für mich ist es ein heiliges Korn. Wir dürfen es nicht verschwenden, wenn es einmal zuviel davon gibt, wir müs-sen es bewahren, weil es das Einzige ist, weil es das Unsere ist, wir dürfen nicht aufhören, das zu essen, was uns gehört.“

EINE uNtERScHätZtE ALLESKöNNERIN

Mit über 15 Prozent an Rohprotein übertrifft Quinua bei weitem Weizen, Gerste und

Mais. 99 Prozent der in den kleinen Körnern enthaltenen Fettsäuren sind ungesättigt. Mehr

als die Hälfte davon entfällt auf die wichtige Linolsäure. Quinua enthält außerdem viel Eisen,

Zink, Calcium und Magnesium, neben verschiedenen Vitaminen der B-Gruppe und Vitamin

E, darüberhianus Aminosäuren und pflanzliche Östrogene. Was die

biologische Wertigkeit anbetrifft, wird Quinua höher einge-

stuft als alle anderen Getreidesorten, ja sogar höher als

die Sojabohne. Es ist frei von Gluten (Klebereiweiß)

und damit auch für Zöliakie- bzw. Spruekranke geeig-

net. Quinua ist ein leicht verdauliches Nahrungsmittel

und einfach in der Zubereitung.

In der Alpenrepublik ist Quinua noch weitgehend

unbekannt und eine Exotin auf dem Speiseplan. Dabei ist sie einfach zu-

zubereiten wie Erdäpfel oder Reis, schmeckt kalt ebenso wie warm, eignet

sich als Beilage zu Gemüse- oder Fleischgerichten, ist vorzügliche

Einlage in Suppen und kann auch süß genossen werden.

Es gibt nichts, was dagegen spräche, sich auf die kulina-

rische Entdeckungsreise einzulassen.

SCHWERPUNKT BOLIVIEN

Rezepte

auf www.eza.cc

und in Ihrem

Weltladen.

SCHWERPUNKT BOLIVIEN

theobroma cacao, Götterspeise Kakao, ist die botanische Bezeichnung der Ka-kaopflanze. Ihre Geschichte ist facet-tenreich. Für die Mayas und Azteken im heutigen Zentralamerika war Kakao Zeremoniengetränk, Handelsware und Zahlungsmittel. Für die spanischen Er-oberer war es das Geld, das auf den Bäu-men wächst – weshalb sie Plantagen anlegten und Sklaven für sich schuften ließen. Die feine Gesellschaft der euro-

päischen Königshäuser schätzte Kakao als Luxusgut, das sich das gewöhnliche Volk nicht leisten konnte. Das Bürger-tum traf sich in Schokoladestuben.

Heute sind sowohl Getränk wie Schokola-de ein allseits erschwingliches Vergnügen. Die braunen Bohnen, die man dafür braucht, wurden zum begehrten Roh-stoff von Konzernen und Spekulations-objekt an internationalen Börsen.

Der lange Weg der braunen BohnenMit Schokolade verhält es sich wie mit der Sonne. Wenn man sie zu genießen weiß, dann macht sie glücklich. Im Leben der Menschen spielte und spielt die „Speise der Götter“ unterschiedliche Rollen, je nachdem, auf welcher Etappe ihres langen Weges man ihr begegnet und welchen Part man selber übernimmt.

Schokolade

Der Weg zu Guillermos

Kakaogarten führt durch

üppige Vegetation.

natürlichFAIR 1/071�

Bild

: güm

o

natürlichFAIR 1/07 1�

Das Leben von Guillermo Calle Ville-gaz haben sie geprägt. Groß geworden ist der heute 65-jährige im rauen Klima des bolivianischen Altiplano auf 4000 Metern Seehöhe. Ein Umsiedlungs-programm der damaligen Regierung brachte ihn Anfang der 1970er Jahre ins unerschlossene, tropische Gebiet des Alto Beni. Guillermo wurde Bauer. Wie viele hat er schnell erkannt, dass mit Unterstützung von Regierungsseite nicht zu rechnen war. Aus der Not her-aus haben sich die Kleinbauernfamilien organisiert. Daraus entstand 1977 El Cei-bo, die heute erfolgreichste Kakaogenos-senschaft Boliviens.

Die Anzahl der Gruppen ist mittlerweile auf 38 angestiegen, rund 800 Familien sind Mitglied bei El Ceibo. Mitte der 1980er Jahre entstanden erste Kontakte zu Organisationen des Fairen Handels in Europa, darunter die claro in der Schweiz, die gepa in Deutschland und

die EZA Fairer Handel in Österreich, die eine �0-jährige Handelspartner-schaft mit El Ceibo verbindet. Ein sta-biler Preis, jenseits der Schwankungen des Weltmarktes, war für die Genos-senschaft ebenso wichtig, wie die Un-terstützung und Beratung in der Wei-terentwicklung der Qualitätsstandards. 1987 wurde mit der Umstellung auf kontrolliert biologischen Anbau begon-nen: Heute ist El Ceibo einer der wich-tigsten Lieferanten für fair gehandelten Bio-Kakao.

Wenn wir jetzt nicht zusammenhalten…

um die Qualität des Kakaos ist man auch bei PIAF bemüht. Die Einrichtung ist ein wichtiger Zweig von El Ceibo und wird unter anderem aus den Prämien-geldern des Fairen Handels finanziert. Die Mitglieder werden geschult, wie sie ihre Kakaopflanzen optimal pflegen

und dabei die Artenvielfalt auf ihrem Stück Land erhalten können. El Ceibo verfügt über eine eigene Baumschule, experimentiert mit verschiedenen Sor-ten und hat so die Kontrolle über das verwendete Pflanzenmaterial.

Eine Versammlung in San Antonio: Agustín choque, der aktuelle Vermarktungsver- antwortliche bei El Ceibo und Cle-mente Cunapato von PIAF informieren Mitglieder einer Basiskooperative über neue Entwicklungen im Dachverband und auf dem Markt. Auch die aktuellen Preise sind ein Thema.Derzeit bieten Zwischenhändler schnelles Geld, die Nachfrage hat an-gezogen. Manche Bauern mögen ver-sucht sein, verlockende Angebote an-zunehmen und ihre Ernte anderweitig zu verkaufen. Doch beide warnen die Mitglieder. Denn nachhaltige und ver-lässliche Unterstützung ist von den Zwischenhändlern nicht zu erwarten.

Nichts für schwache Nerven:

Tonnenschwere LKWs in

beiden Richtungen verkehren

auf dieser Hauptverkehrs-

ader zwischen Tiefland und

dem hochgelegenen El Alto.

Asphalt ist die Ausnahme.(Bild rechts)

SCHWERPUNKT BOLIVIEN

Die Genossenschaftszentrale

in Sapecho.

Don Guillermo

in seinem Kakaogarten.(Bild unten)

Bild

: güm

o/K

L

natürlichFAIR 1/0714

„Die Unternehmen kaufen nur auf, sie leisten keinerlei Unterstützung,“ be-tont Clemente Cunapato und Agustín Choque unterstützt seinen Kollegen:

„Die Zwischenhändler haben uns den Krieg erklärt und wollen die Organi-sation destabilisieren. Wenn wir jetzt nicht zusammenhalten wird das El Cei-bo in den nächsten Jahren schwächen. Und wenn dann der Preis wieder sinkt, werden das die Zwischenhändler aus-nützen.“ Der Faire Handel hat bereits reagiert. Mit der höheren Bezahlung des Kakaos soll die Genossenschaft auch in dieser Ausnahmesituation kon-kurrenzfähig bleiben. Aktuell liegt der Preis bei �.�50 US Dollar pro Tonne Kakaobohnen – in Bio-Qualität und fair gehandelt. Damit sind die Notierungen an der New Yorker Rohstoffbörse von rund 1.800 US Dollar pro Tonne ebenso deutlich überschritten, wie der garan-tierte Mindestpreis für fair gehandelten Bio-Kakao von 1.950 US Dollar.

In Sapecho, auf etwa 800 Metern See-höhe, liegt das Sammelzentrum von El Ceibo. Hierher wird die Ernte der Ba-siskooperativen gebracht – entweder

bereits fermentiert und getrocknet oder noch nass. Die nassen Samen werden in der Fermentationsanlage in großen Holzkisten zum Gären gebracht, wo sie braun werden und Aromastoffe bilden. Ein wichtiger Prozess für die gute Qua-lität der Rohware. Nach dem Trocknen spricht man von Rohkakao. Normaler-weise endet hier die Arbeit einer Ge-nossenschaft und so auch die Kontrolle, was mit dem Produkt passiert. Anders bei El Ceibo.

Damit es den Kindern einmal besser geht

Der Weg des Kakaos führt weiter nach El Alto. 270 Kilometer Wegstrecke müssen zurückgelegt, über �000 Höhenmeter und drei Vegetationszonen überwun-den werden. Dafür benötigt man einen guten Tag Fahrtzeit und starke Nerven. Nur das letzte Stück dieser wichtigen Verkahrsader ist befestigt und asphal-tiert. Der Rest – das reinste Abenteuer.

Direkt am Eingang von El Alto liegt das zweite Herzstück von El Ceibo

– die Kakaofabrik. Abraham Apaza ist der Geschäftsführer und wie sein Vater

Mitglied einer der Basiskooperativen. Dass er heute Geschäftsführer der Fa-brik ist, verdankt er unter anderem El Ceibo: „Die Pläne, die unsere Eltern hatten, waren, Kakao zu vermarkten, danach ihn weiterzuverarbeiten, eine Fabrik zu besitzen, mit dem Ziel, dass es uns Kindern einmal besser geht, dass wir studieren und unter besseren Be-dingungen leben können.“

Mit der Anlage in El Alto, hat sich die Gründergeneration Mitte der 1990er Jahre einen Traum erfüllt. „Sie wollten nicht nur Rohstofflieferanten sein,“ erklärt Apaza. Erst kürzlich hat man mit einer beträchtlichen Investition die Maschinenausstattung verbessert und erneuert. In der Fabrik entstehen sowohl Halbfertigfabrikate wie Kakao-butter oder Kakaomasse, fertiges Kakao-pulver und – für den heimischen Markt

– Schokoladen und Dragees.

Seit drei Jahrzehnten hat El ceibo die Ge-nossenschaftsidee entwickelt und gelebt. Kinder der Gründergeneration sitzen heute an bedeutender Stelle. Das ist ein Prinzip von El Ceibo – die Koope-

WELtMARKt KAKAO

Mit 3,6 Millionen tonnen Rohkakao erreichte die

Kakaoproduktion im Erntejahr 2005/2006 ein histo-

risches Hoch (6% Zuwachs zum Vorjahr). Die größten

Anbauländer sind die Côte d’Ivoire und Ghana, die

zusammen für 60 Prozent der Welternte stehen. Der

Verbrauch stieg mit 3,5 Millionen Tonnen ebenfalls um

4 Prozent.

Nach wie vor wird die meiste Schokolade (42 Prozent)

in Europa konsumiert. Die fünf Giganten des süßen

Geschäfts: Mars, cadbury, Nestlé, Ferrero, Hershey.

Nur etwa 0,5 Prozent des weltweit produzierten Kakaos

ist Bio-Kakao. 70 Prozent davon kommt aus Latein-

amerika – allen voran die Dominikanische Republik.

Der Bio-Markt hat in den letzten drei Jahren kräftig

angezogen. Die Umsätze mit Bio-Schokolade stiegen

weltweit um 75 Prozent auf 304 Mio USDollar.

Quelle: ICCO Informe Anual 2005 / 2006.

SCHWERPUNKT BOLIVIEN

SONRISA – was irgendwie

nach Sonne klingt, bedeutet

„Lächeln“ und gibt der

neuen Schokoladenlinie im

Sortiment der EZA den Namen.(Bild rechts)

natürlichFAIR 1/07 15

rative soll aus den Mitgliedern heraus wachsen. Sie soll selbstverwaltet und demokratisch bestimmt sein. Gewählte Mitglieder übernehmen Verantwortung und geben diese an ihre Nachfolger weiter. Damit das funktioniert, braucht es einen guten Umgang mit Information und Wissen ebenso wie den Willen der Mitglieder, die Zukunft von El Ceibo aktiv gemeinsam zu gestalten. „Denn,“ so ein Kooperativenmitglied, „El Ceibo ist wie ein Baum, er muss von allen ge-gossen werden.“

Weltpremiere MASCAO

El ceibo ist nicht nur die älteste Kakaoko-operative des Fairen Handels, ihre Ernte steckt auch in der ersten fair gehandel-ten Schokolade der Welt. Der Geburts-ort der MASCAO liegt in der Schweiz.

Die Schweizer Fairhandelsorganisa-tion claro – vormals OS� – ergriff An-fang der 1990er Jahre die Initiative zu einem Projekt mit Folgen. Der Schwei-zer Traditionsbetrieb Chocolat Bernrain in Kreuzlingen wagte das Experiment. Die Weltpremiere verlief nicht ohne Hürden. Die Schokolade sollte nicht

– wie sonst üblich – mit raffiniertem Weißzucker produziert werden, son-dern mit dem ebenfalls fair gehandelten Mascobado Vollrohrzucker aus den Phi-lippinen. Erfahrung mit diesem Rohstoff gab es keine. Unbrauchbare Schokola-denmasse und blockierte Pumpen wa-ren zunächst die Folge. Die speziellen Verarbeitungseigenschaften mussten in einem mühsamen Prozess mit vielen Schwierigkeiten herausgefunden wer-den. Als die ersten Chargen in Produk-tion gingen, wurden dem Projekt keine großen Chancen eingeräumt. Doch es kam völlig anders. „Entgegen alle Er-wartungen entwickelte sich MASCAO zunächst mit fair gehandelten, dann mit fair gehandelten UND biologischen Zutaten zur erfolgreichsten Schokola-denlinie, die wir je für einen Kunden produziert haben,“ so Jost Rüegg von Chocolat Bernrain.

Seit über 30 Jahren arbeitet Rüegg im Schokoladenwerk und kennt den Be-trieb wie seine Westentasche. Zur Ar-beit fährt er mit dem Solarauto. Nicht nur die positive Entwicklung der fair gehandelten Bio-Schokolade ist etwas,

SCHWERPUNKT BOLIVIEN

Drei bis vier Jahre dauert

es bis zur ersten Ernte.

In den imposanten Früchten

des Kakaobaums verbirgt

sich der eigentlich Schatz

– die Kakaosamen.

Bild

: maw

i

natürlichFAIR 1/0716

SCHWERPUNKT BOLIVIEN

das in freut, auch die außergewöhnlich gute Energiebilanz des Unternehmens erfüllt ihn mit Stolz. Bereits Anfang der 1980er Jahre gelang ihm gemeinsam mit seinem Bruder eine Pionierleistung der besonderen Art. Die bei der Herstel-lung von Schokolade entstehende Rei-bungswärme verpufft nicht ungenutzt, sondern wird durch ein ausgeklügeltes System rückgewonnen und für jene Pro-zesse eingesetzt, wo es Wärme braucht. Damit erreichte Bernrain den tiefsten Energieverbrauch pro Tonne produ-zierter Schokolade in der gesamten Schweiz. Der Wasserverbrauch konnte gar um 98,5 Prozent gesenkt werden.

Bei chocolat Bernrain ist der Genuss in guten Händen. In einem aufwändigen Verfahren werden die hochwertigen Zutaten für MASCAO – alle aus biolo-gischer Produktion – zu Schokolade ver-schmolzen. Der naturbelassene Mascoba-do-Zucker wird immer noch verwendet und immer noch bereitet er mehr Arbeit als herkömmlicher Zucker. Er muss 10 Tage vorgetrocknet werden. Dafür wird Sack für Sack sorgfältig ausgebreitet und in einen Wärmeraum gestellt.

Die Kunst der Veredelung liegt in einer besonderen Rezeptur und im langen Conchieren. In speziellen Walzrühr-werken wird die Schokoladenmasse bis zu drei Tage lang in Bewegung ge-halten. „Wir zählen nicht die Stunden, sondern geben der Schokolade die Zeit, die sie braucht,“ erklärt Rüegg. Auf die Beigabe künstlicher Aromastoffe und Emulgatoren wird verzichtet. Dafür wird an reiner und wertvoller Kakao-butter – unter anderem von El Ceibo

– nicht gespart.

Für Jost Rüegg wurde das Abenteuer Mascao zu einer intensiven Erfahrung:

„Schokolade ist ein Genussmittel, ein Nahrungsmittel, aber es ist auch ein Kommunikationsmittel, man schenkt Schokolade. Sie ist mit sehr viel Posi-tivem verbunden, zumindest auf der Konsumentenseite.

Ich habe gemerkt, dass es eine tol-le Aufgabe ist, wenn man dafür sorgt, dass Schokoladen so hergestellt wer-den, dass auch die Bauern Freude an ihrem Produkt haben können, so wie wir Freude haben, wenn wir sie ge- nießen.“

ADVENt, ADVENt

Ein Adventkalender von EZA Fairer Handel, ge-

füllt mit kleinen bio-fairen Schokoköstlichkeiten,

soll das Warten auf Weihnachten verkürzen.

Dazu gibt es auf der Rückseite eine Geschichte

für Kinder, die den Weg des Kakaos von El Ceibo

in Bolivien nach Europa erzählt.

Im Weltladen erhältlich, 2,99 €.

SCHWERPUNKT BOLIVIEN

Interessierte weiht

Jost Rüegg gerne

in die Besonderheiten

der MASCAO Produktion

bei Chocolat Bernrain

ein. (Bild links)

Mit MAScAO eröffnete

die EZA als erstes

Unternehmen in

Österreich den fairen

Schokoladereigen. Für

den Fairen Handel ist

MASCAO das gelungene

Experiment, das zum

Beispiel für viele wurde.

Bild

: maw

i

SCHWERPUNKT BOLIVIENSCHWERPUNKT BOLIVIEN

Nach einer Vorankündigung des Vize-Präsidenten der Republik Alvaro Gar-cia Linera sollten sich in Sucre über 100.000 SympathisantInnen des MAS (Movimiento al Socialismo – Bewegung zum Sozialismus), mit dem Ziel zusam-men finden, die Pattsituation rund um die „Constituyente“ (Verfassung) zu beenden. Daraus geworden ist ein „So-zialgipfel“ und der Konsens, die Arbeit an der neuen Verfassung am 7.Oktober �007 wieder aufnehmen. Für Bolivien geht es dabei um nicht weniger als um die tiefgreifendste „strukturelle Trans-formation“ des Staates.

Die Delegierten haben nicht mehr viel Zeit. Bis 14. Dezember �007 soll die Ar-beit abgeschlossen und für die Volksab-stimmung aufbereitet werden. Begonnen wurde das Projekt der ersten radikalen Reform der bolivianischen Verfassung seit Gründung der Republik am Jahre 18�5 am 6. August �006, dem bolivia-nischen Nationalfeiertag. Seither arbei-ten die �55 Delegierten, mehrheitlich SympathisantInnen der MAS, die mit

Evo Morales seit Jänner �006 den Präsi-denten stellt, in unzähligen Kommissi-onen daran. Doch seit Monaten gibt es heftige Diskussionen und Uneinigkeit zu entscheidenden Inhalten: Von der Prä-ambel bis zu Fragen des Eigentums an Grund und Boden, vom Gewohnheits-recht der Indígenas bis zu den Proble-men der Dezentralisierung des Staates und der Finanzen, von den Abstim-mungsmodi (Absolute oder Zwei-Drittel-Mehrheit) bis hin zur Frage nach dem Sitz der Regierung (La Paz oder Sucre) ist die Volksversammlung uneins.

Aber Bolivien wäre nicht Bolivien, wenn nicht immer wieder versucht würde, den Konsens zu finden: Ein We-senselement der Aymara- und Quechua-Kultur und des aufgeklärten Bürgertums. Allerdings stehen diesen „Charakterei-genschaften“ die ständigen Querelen etablierter politischer und wirtschaft-licher Machtzentren der Oligarchen im Wege, die sich im wesentlichen im Kon-glomerat „Podemos“ organisiert haben. (Der Poder Democratico Social – Sozial-Demokratische Kraft, stützt sich v.a. auf

„Reste“ ehemals etablierter politischer Parteien und traditioneller wirtschaft-licher Machtgruppen.)

In der Auseinandersetzung rund um die Constituyente und in der parallel laufenden parlamentarischen Arbeit im Kongress und der Regierung steht der Geschichtsentwurf einer „befreienden Demokratie“ und eines „Neuen Boli-vien“ auf dem Spiel – für die seit Jänner �006 regierende MAS ebenso wie für die sozialen Sektoren, die das „politische Experiment“ unterstützen. Nach etwas mehr als eineinhalb Jahren sind wich-tige Fortschritte – aber auch massive Probleme auszumachen.

Machtverhältnisse

Erfolg und Misserfolg eines ambitio-nierten politischen Projektes wie jenes der MAS-Bewegung, die sich v.a. auf die Indígenaorganisationen, Cocabauern und gewisse intellektuelle Schichten sowie Teile des Bürgertums stützt, ist entscheidend von den realen Machtver-hältnissen abhängig. Präsident Morales

„Befreiende Demokratie“ an der Kippe?Für 10. September 2007 war in Sucre, der verfassungsmäßigen Hauptstadt Boliviens, eine Massendemonstration noch nie erlebten Ausmaßes vorgesehen. Daraus geworden ist ein großer „Sozialgipfel“ und ein Bekenntnis zur Weiterarbeit an der constituyente – der neuen Verfassung des Landes. Von Hans Eder*

BO

liVi

eN

natürlichFAIR 1/07 17

18 natürlichFAIR 1/07

SCHWERPUNKT BOLIVIEN

Solidarische unterstützung für

den neuen Präsidenten Boliviens,

Evo Morales (re), kommt aus

Venezuela und Kuba.

wurde mit fast 54 Prozent – bisher ein-malig in der bolivianischen Geschichte

– direkt zum Präsidenten gewählt. Das bedeutet in einem Präsidialsystem wie Bolivien sehr viel Legitimation. Ein zweiter Machtfaktor ist der Kongress. Dort hat in der Abgeordnetenkammer ebenfalls die MAS die absolute Mehrheit (7� von 1��). Im Senat allerdings besitzt

„Podemos“ eine hauchdünne Mehrheit (1�:1�), die aber sehr wirksam ist, weil die anderen �7 SenatorInnen mit „Pode-mos“ stimmen. Ähnlich ist die Situati-on bei den Präfekten der Departements: Nur � von �7 stellt die MAS. Diese Situ-ation – zusammen mit dem Faktum der absoluten Mehrheit der MAS in der ver-fassungsgebenden Versammlung führt zu einem Hin und Her in der politischen Auseinandersetzung.

Erfolge…

Auf der Haben-Seite der Regierung stehen u.a. die neuen Verträge mit den Gas-Mul-tis (die uns durchaus bekannt vorkom-men: Repsol, BP, Exxon etc. – allesamt mit europäischem oder nordamerika-nischem Mutterhaus – und Petrobras). Sie lösen die früheren illegalen „Verträ-ge“ ab und bringen Bolivien in Zukunft ca. 4 Mrd. Dollar – gegenüber 600 Mio bisher. Illegal waren die Verträge des-halb, weil sie – in Umgehung des Kon-gresses – zwischen den Ex-Präsidenten, v.a. Gonzalo Sanchez de Lozada, und den Gas-Multis abgeschlossen worden waren – zum massiven Nachteil für Boli-vien! Dass die neuen Verträge innerhalb eines halben Jahres und ohne dass ein einziger Multi sich verabschiedet hätte,

zustande kamen, verwunderte selbst die politischen Gegner Evo Morales’.

Auch die Anstrengungen im Bereich des Gesundheits- und Bildungswesens zeigen einige Erfolge. Dies obwohl der Einsatz der mehrheitlich kubanischen Fachkräf-te (mit teilweiser Finanzierung von Ve-nezuela) nicht ganz unumstritten ist. Ein anderer – auch umstrittener Punkt – sind die Teilerfolge im Bereich der Dezentra-lisierung des Staates. Die Departments und damit die Präfekten haben nunmehr ein Vielfaches an Finanzmittel zur Ver-fügung, ebenso die Gemeinden. Aller-dings fielen ihnen auch eine Reihe von Aufgaben zu, die sie mit den zugeteilten Mitteln kaum erfüllen können. Nicht zuletzt deshalb gibt es weiter starke Autonomiebestrebungen, die aber auch handfeste wirtschaftliche Interessen ver-folgen und separatistische Tendenzen aufweisen. Die Auseinandersetzungen über Dezentralisierung – Autonomie

– Abspaltung sind deshalb ebenso heftig wie jene um die Verfassung.

Außenpolitisch von Bedeutung sind die Allianzen mit Venezuela, Cuba und Ecuador, sowie die Sympathiebekun-dungen der Regierungen Chiles, Ar-gentiniens, Uruguays und Brasiliens

– allerdings mit wenig Zählbarem. Zur positiven Stimmung im Land trug eine wichtige Geste des Präsidenten bei: Während seine Vorgänger ihre Funkti-on zur persönlichen Bereicherung miss-brauchten, reduzierte Evo sein Gehalt um 57 Prozent auf ca. �.500 Dollar pro Monat. Auch die (Vize-)MinisterInnen und Abgeordneten werden mit ihrem Gehalt nicht reich werden.

… und Misserfolge

Auf der Soll-Seite stehen unverkenn-bar Probleme der Regierungsführung und Verwaltung. MinisterInnen (meist politische Besetzungen) und Vizemini-sterInnen (dem Konzept nach mit Fach-leuten besetzt) mussten inzwischen ausgetauscht werden. Darin kann man auch teilweise Positives ausmachen: Nämlich die Selbstreinigungskraft der Regierung. Schwerer wiegen die bisher ungelösten Probleme absoluter Armut. Diese freilich ist Folge von strukturellen Problemen, die sich im Laufe der Jahr-hunderte aus der Abhängigkeit ergeben haben – und nicht in knapp zwei Jahren beseitigt werden können – selbst wenn positive Tendenzen unverkennbar sind.

Mit erhobenem Haupt

So fällt die Bilanz des „befreienden Demo-kratie-Projekts“ zwar nicht eindeutig aus. Doch objektiv gesehen sind die Fort-schritte beachtlich – und auch subjek-tiv erweist sich das „neue“ Bolivien als Hoffnungsschimmer. „Betrachtet man die Menschen in La Paz,“ so der Jesuit Enrique Zabala, „fällt auf, dass sie viel mehr als früher ‚mit erhobenem Haupt’ gehen.“ Offensichtlich widerspiegelt sich darin das Motto im Wahlkampf Evo Morales: ‚Für Würde und Souveränität’.

* Hans Eder ist Politologe, Direktor von INTERSOL und Mitar-beiter des Salzburger Bildungswerkes, Lehrbeauftragter der Universität Salzburg und Fachhochschule Dornbirn; regel-mäßige Reisen nach und Projektbegleitungen in Bolivien, El Salvador und Guatemala.

Bild

er: m

awi/

güm

o

natürlichFAIR 1/07 19

KAFFEE | KURZMITTEILUNGEN

Jugendaktion 2007

„Sweet and salty.

Schokolade trifft Nüsschen.“

Missio und die Katholische Jugend laden

zur Jugendaktion 2007 ein. Es warten

825.000 geröstete und gesalzene Erdnüs-

se und fast 2,25 Millionen Schoko-Pralinen

darauf »fairnascht« zu werden. Davon pro-

fitieren u.a. Kleinbauern und -bäuerinnen

in Nicaragua, Malawi und der Dominika-

nischen Republik. Die erfolgreiche Aktion

unterstützt den Fairen Handel – die beiden

Produkte werden von Partnerorganisati-

onen der EZA hergestellt – und Jugend-

projekte in aller Welt,

denen der Reinerlös

zugute kommt.

➔ INFO: www.missio.at

Fair Trade Academy

Neuer Lehrgang startet im Jänner 2008

Der Faire Handel ist in den letzten Jahren

stark gewachsen. Mit der Fair Trade Aca-

demy bietet die ARGE Weltläden eine Platt-

form für Aus- und Weiterbildung im Fairen

Handel. Kernstück ist der Lehrgang zum/

zur Fair Trade BeraterIn, der im Jänner

2008 erneut startet. ReferentInnen und

TrainerInnen aus Fair Trade Unternehmen,

NGOs und Bildungseinrichtungen liefern

profundes Wissen über aktuelle Entwick-

lungen im Fairen Handel.

Praxisorientierte und spielerische Zu-

gänge zu Verkauf und Betriebswirtschaft,

Bildungs- und Informationsarbeit im Fairen

Handel sowie Öffentlichkeitsarbeit und

Lobbying stellen einen weiteren Teil des

Programms dar. Neben dem gesamten

Lehrgang können InteressentInnen auch

einzelne Module belegen. Anmeldeschluss

ist der 9. November 2007.

➔ INFO: www.weltlaeden.at

Tag des Kaffeesam 1. Oktober ist tag des Kaffees. eZa-Kaffees entwickeln sich gut.

Auch im letzten Jahr ist die Anzahl derer, die sich für EZA Qualitäts-kaffee entschieden haben, gestiegen. Erstmals in der Geschichte konnte die EZA über 500 tonnen Kaffee verkaufen.

Die KaffeeproduzentInnen können ab 1. Juni auf höhere Prämien für ihr wert-volles Produkt zählen. Der Grund dafür liegt vor allem in den stark gestiegenen Produktionskosten der letzten Jahre. Die EZA Fairer Handel GmbH. hat die For-derung der KaffeeproduzentInnen nach einer Erhöhung des Preises in einer Stel-lungnahme an FLO1) und im Rahmen der EFTA�) unterstützt. Nach Konsul-tationen mit den Produzentenorgani-sationen, Handelsorganisationen und LizenznehmerInnen hat FLO im März �007 bekannt gegeben, das Preisschema für Kaffee per 1. Juni dieses Jahres zu-gunsten der ProduzentInnen zu ändern. Es sieht eine Anhebung der Sozialprämie von US$ 5,– auf US$ 10,– / Sack Kaffee (45,4 kg) und eine Erhöhung der Bio-Prämie für bio-zertifizierten Kaffee von US$ 15,– auf US$ �0,– / Sack Kaffee vor. Der Basispreis von US$ 1�1,– auf den die Prämien bezahlt werden, bleibt vor-erst unverändert.�) Für die EZA war das FAIRTRADE-Schema im letzten Jahr nur ein Richtwert. In der Praxis wurde er – aufgrund ei-ner veränderten Marktsituation (mehr Nachfrage nach Bio-Qua-lität) – mit einem durchschnitt-lichen Preis von US$ 15�,– pro Sack Arabica Hochlandkaffee bereits deutlich überschritten. Die neuesten Entwicklungen am Markt, vor allem die zuneh-mende Konkurrenzsituation und die stärkere Nachfrage nach hochwertigem Qualitätskaffee treiben die Preise weiter nach oben. Für die kommende Ernte können wir von einem Preis zwischen US$ 160,– und US$ 170,– für fair gehan-delten Bio-Kaffee ausgehen. Nach letzten Rückmeldungen aus Ursprungsländern sogar bis zu US$ 195,– pro Sack.

Zu den höheren Kosten des Kaffees im Ursprungsland kommen auch Kosten-steigerungen in Europa etwa für Verar-beitung und Transport. Deshalb sah sich die EZA – seit sieben Jahren zum ersten Mal – veranlasst, die Endverkaufspreise für die Arabica Hochlandkaffees per An-fang September �007 anzupassen.

„Es ist immer wieder beeindruckend zu se-hen, mit wieviel Aufwand und Arbeit die Kaffeeernte und -verarbeitung bei den Kleinbauernorganisationen verbunden ist,“ zeigte sich Birgit Calix von ihrer kürzlichen Reise ins Ursprungsland des Kaffees – Äthiopien – beeindruckt.4) Ein Lokalaugenschein, auf den sich auch der EZA Kaffeeeinkäufer Franz Denk im Oktober begibt. � Wochen lang ist er bei Bauervereinigungen in Mexiko und Gua-temala unterwegs, um die direkten Kon-takte zu pflegen und Informationen aus erster Hand von den Bauern und Bäue-rinnen zu bekommen.

1) Fair Trade Labelling Organization; verantwortliche Organisation zur Festsetzung der Fair Trade Standards im Lebensmittelbereich u. a. der Mindestpreise für Kaffee, Kakao, Zucker, etc.

2) European Fair Trade Association3) Arabica Hochlandkaffees (Other Mild Arabicas) notieren an der

New Yorker Rohstoffbörse derzeit bei US$ 122,–4) (Lesen Sie mehr dazu in der Frühjahrsnummer des „natürlich fair“)

Für jene, die wohl-

portionierten Genuss

schätzen, gibt es NEU

die Orgánico Espresso

Pads in bio-fairer

Qualität.

18 Pads à 7grm

um 2,69€.

natürlichFAIR 1/07�0

tExtILIEN

„Saubere Kleider“ – gibt es die überhaupt?Die clean clothes Kampagne (ccK) kämpft weltweit für faire Arbeitsbedingungen in der textil- und Sportbekleidungsindustrie. Dabei ist die Macht der kritischen Konsu-mentInnen die stärkste Waffe, die Basis das Erfolgsrezept. Von Werner Hörtner, ccK-österreich

In einem NGO-Quartier

ausserhalb Dhakas,

Bangladesch, werden

TextilarbeiterInnen über

ihre Rechte aufgeklärt.

Die Forderung der clean clothes Kampagne war von Anfang an klar und eindeutig: „Wir wollen Kleidung, die ‚sauber‘ hergestellt worden ist!“ Was hat sich seither getan? Zu Beginn der Kampagne haben die Kon-zerne das Anliegen der CCK schlichtweg ignoriert. Als die Proteste sich mehrten und die Initiative wuchs, gingen die Konzerne dazu über, ihre Verantwortung für die Arbeitsbedingungen in den Zulie-ferbetrieben abzustreiten. Die Zulieferer seien Privatfirmen, da habe man keinen Einfluss ... Die CCK konnte aber überzeu-gend darlegen, dass es gerade Konzerne wie Adidas, Puma, Nike & Co. Sind, die bei der Auftragsvergabe und mit ihrer Preisdrückerei verhindern, dass die Ar-beitsrechte der ArbeiterInnen überhaupt eingehalten werden können. Um kri-tische KonsumentInnen zu beruhigen, gaben sich die Konzerne dann eigene Verhaltenskodizes, freiwillige Selbst-verpflichtungen, in denen erklärt wird,

welche Arbeitsrechte Zulieferer einhal-ten müssen. Diese ersten Kodizes wa-ren äußerst mangelhaft. Nach und nach – Dank der Interventionen der CCK und ähnlicher Initiativen in anderen Kon-tinenten – besserten die Konzerne ihre Kodizes nach.

Vom Papier zur Realität

Heute haben alle großen unternehmen einen Kodex. Allerdings: Was bringt das schönste Stück Papier, wenn die Ein-haltung nicht kontrolliert wird? Mittler-weile lassen sich schon viele Konzerne von externen Auditfirmen überprüfen. Damit ist aber immer noch keine Unab-hängigkeit erreicht, da die Prüfer von den Konzernen direkt ausgesucht und bezahlt werden.

Wegen dieser neuerlichen Kritik ha-ben sich einige Konzerne wie H&M oder Migros bereit erklärt, zusammen mit der

CCK Versuchsprojekte durchzuführen, in denen ein System unabhängiger Kon-trolle getestet wird. In Holland arbeitet die „Fair Wear Foundation“, eine Stif-tung, die die Umsetzung der Standards aus dem Verhaltenskodex kontrolliert. Ihr Urteil besitzt hohe Glaubwürdig-keit, weil sie die verschiedenen Akteure vereint: Unternehmen, Gewerkschaften und NGOs. Das Europäische Parlament hat, auch Dank der Lobby-Arbeit der CCK, eine Resolution verabschiedet, in der die Schaffung eines Verhaltens-kodex für europäische Unternehmen, die in Entwicklungsländern produzie-ren lassen, sowie die Einrichtung einer Kontrollinstanz gefordert wird.

Einmischen bringt Erfolg

Ein Rückblick auf die Bilanz der ccK-Akti-vitäten zeigt zweifellos auch Rückschläge auf, etwa wenn Unternehmen nach Pro-

Bild

: CC

K/S

üdbi

ld

natürlichFAIR 1/07 �1

testen einfach dem Zulieferbetrieb den Auftrag entziehen oder auf ein anderes Land ausweichen. Doch genauso zwei-fellos ist die Erfolgsgeschichte größer und ausschlaggebender. Immer wieder lenken Unternehmen in Arbeitskon-flikten ein, wenn sie aus ganz Europa Zigtausende Postkarten oder Protest-Mails erhalten.

„Es hilft den ArbeiterInnen und uns bei den Verhandlungen, wenn sich KonsumentInnen in Europe beschwe-ren“, so Amirul Haque Amin von der National Garment Workers Federation (NGWF) eine der wichtigsten Gewerk-schaften Bangladeschs.

Oder das Happy End bei der tür-kischen Tochterfirma des US-Multis Paxar, wo nach einem zweijährigen Arbeitskampf Ende Februar �007 eine Einigung erzielte wurde. Engin Sedat Kaya von der Betriebsgewerkschaft Tek-sif schrieb uns daraufhin: „Liebe CCK, ich freue mich sehr, Ihnen mitteilen zu können, dass sich Teksif und Paxar auf einen Kollektivvertrag einigen konnten. … Teksif und die ArbeiterInnen bei Pa-xar möchten der CCK danken für die ak-tive Unterstützung und den wertvollen Beitrag in dieser Angelegenheit.“

Gretchenfrage „saubere Kleidung“

Immer wieder werden die AktivistInnen der clean clothes Kampagne gefragt, wo mann oder frau Kleidung oder Sport-schuhe kaufen könnte, die nach un-seren Kriterien produziert wurden, und immer wieder lautet die Antwort gleich:

Es gibt keine Liste von „guten“ oder „sauberen“ Produzenten. Angesichts der oft unübersichtlichen Vielzahl von Zulieferfirmen der großen Unternehmen der Textilbranche gibt es noch keine Hersteller oder Vertriebsketten, die voll dem CCK-Kodex entsprechen. Es gibt allerdings immer mehr kleine Betriebe und den fairen Handel sowie Naturtex-tilien, die Alternativen anbieten. Die ös-terreichische CCK hat einen „Shopping Guide“ ausgearbeitet, in dem die wich-tigsten Fragen bezüglich Kaufentschei-dung beantwortet und Einkaufsalterna-tiven aufgelistet sind (http://doku.cac.at/shopping_guide_online.pdf).

Angesichts der vielen und geographisch weit voneinander getrennt liegenden Ar-beitsschritte bei der Herstellung von Baumwoll-Textilien ist es schwierig, ein Endprodukt insgesamt als fair pro-duziertes T-Shirt etc. auszuzeichnen. Kompliziert wird die Angelegenheit weiters dadurch, dass auf den verschie-denen Produktionsstufen unterschied-liche Standards und Überprüfungssy-steme zum Einsatz kommen (Fairtrade, EFTA, SA 8000 usw.)

Die CCK glaubt nicht, dass der alter-native und Faire Handel alle Probleme lösen kann, und setzt sich daher für Ver-besserungen in der gesamten Branche und jeweils im gesamten Unternehmen ein. Sie begrüßt jedoch mit Anerken-nung und Sympathie die Bemühungen des Fairen Handels, die Standards für die Zertifizierung und die unabhängige Überprüfung schrittweise zu verbessern

und die Hintergründe der ganzen Pro-duktionskette realistisch darzustellen. Deshalb möchte auch die Clean Clothes Kampagne mit ihrem Shopping Guide KonsumentInnen beim Finden von Ein-kaufs-Alternativen helfen und aufzeigen, dass es sehr wohl möglich ist, Beklei-dung sozial verantwortlich zu produ-zieren! Und die EZA Fairer Handel, die größte Fair Trade-Organisation Österrei-chs, zeigt, dass es sich bei der Produkti-on von Bekleidung unter Einhaltung der Arbeitsrechte um keine Utopie handelt.

tExtILIEN

ScHON GEWuSSt?

In den Niederlanden bereits Anfang der 1990er-Jahre entstanden, hat sich die

clean clothes Kampagne in der Folge über ganz Europa ausgebreitet. Heute gibt

es in den meisten EU-Ländern nationale CCKs, zu Initiativen in der Türkei und Indien

gibt es ein besonderes Naheverhältnis. In Europa tragen rund 300 Organisationen

die CCK. Das Spektrum umfasst kirchliche Organisationen, Frauengruppen, Gewerk-

schaften, entwicklungspolitische Organisationen, Verbraucherinitiativen usw. Part-

nerschaftliche Beziehungen zu Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen

gibt es in die ganze Welt – nach Amerika, Asien, Osteuropa ... Diesem Netzwerk

verdankt die CCK ihren sehr guten Informationsstand.

Bild

: CC

K/S

üdbi

ld

50 ArbeiterInnen einer Fabrik in Bangladesch

wurden gefeuert, ohne die Löhne der letzten Monate

zu bekommen. Die Textilgewerkschaft National

Garments Workers Federation unterstützt sie, zu

ihrem Recht zu kommen.

➔ INFO: www.cleanclothes.at

natürlichFAIR 1/07��

Was nach wie vor zur Norm textiler Pro-duktion gehört, wird hier nicht in Kauf genommen. Exzessiver Chemieeinsatz und Genmanipulation auf Baumwoll-feldern, Kinderarbeit und miserable Ar-beitsbedingungen werden durch soziale und ökologische Verantwortung ersetzt. Die Produktion vom Baumwollfeld bis zum fertigen Kleindungsstück ist durch-gängig transparent. Allein das besitzt Seltenheitswert, ist es doch beim Gros-steil dessen, was wir auf dem Körper tragen, nicht mehr nachzuvollziehen, woher es kommt, und noch viel weni-ger, wer es unter welchen Bedingungen hergestellt hat.

Der Ursprung der biologischen Baum-wolle liegt im Kutch-Gebiet im westin-dischen Bundesstaat Gujarat. Die dort beheimatete Dienstleistungsorganisation Agrocel wurde zum verlässlichen Partner für rund 15.000 Kleinbauernfamilien, die vom umfangreichen Beratungsan-gebot der Organisation profitieren. Die

Umstellung der Landwirtschaft auf bio-logischen Anbau hat dabei einen zentra-len Stellenwert. Der Verzicht auf Chemie bei Anbau und Ernte erhält nicht nur die Bodenfruchtbarkeit, sondern auch die Gesundheit der PflanzerInnen.

Standards setzen

Der FAIRtRADE-zertifizierte Rohstoff wird in einer indischen Spinnerei zu Garn. Von dort gelangt er nach Mauritius, wo da-raus die Stoffe gefertigt werden. In bei-den Unternehmen müssen gemäß den FAIRTRADE-Kriterien soziale Mindest-standards eingehalten werden. Das Zu-schneiden, Nähen, Bedrucken und Ver-packen auf Mauritius übernimmt Craft Aid. EZA Fairer Handel pflegt direkte Handelsbeziehungen mit dem sozial engagierten Betrieb, der sich den Krite-rien des Fairen Handels verpflichtet hat und für die EZA eine ansprechende und erfolgreiche T-Shirtkollektion für das

tExtILIEN

Mode mit neuen AkzentenEine sozial- und umweltverträgliche Herstellung von Bekleidung ist erstens wünschens-wert und zweitens keine Selbstverständlichkeit. umso erfreulicher, wenn sich Mode Machen nicht nur um das Outfit dreht, sondern auch darum, was dahintersteckt. Das Pilotprojekt von EZA Fairer Handel und dem Designerkollektiv „Göttin des Glücks“ geht in die zweite Runde.

Baumwollernte im

indischen Kuch-Gebiet.

Die Pflückerinnen sammeln

sorgsam nur die vollreifen

Faserbüschel ein und

lassen die weniger reifen

Kapseln noch am Strauch.(Bild unten)

Bild

er: S

haila

n P

arke

r/C

raft

Aid

/Car

itas

CH

natürlichFAIR 1/07 ��

Frühjahr �007 produzierte. Menschen-würdige Arbeitsbedingungen, höhere Einkommen für die Beschäftigten und die Integration von Menschen mit Be-hinderungen sind bei Craft Aid gelebte Unternehmenspraxis.

„Göttin des Glücks“ trifft Fairen Handel

Diese Herstellungsbedingungen über-zeugten auch das junge Modelabel „Göt-tin des Glücks“ und führten zu einer innovativen Kooperation mit EZA Fairer Handel. Vier JungdesignerInnen aus Sofia, Zagreb, Baden und Wien ent-werfen die Modelle. EZA sorgt für die Weitergabe der Designs an den Han-delspartner Craft Aid und koordiniert Produktion und Import. Die erste Phase des Pilotprojekts im Frühjahr �007 ver-lief für die beiden Kooperationspartner durchaus positiv. „Die originelle Mode von „Göttin des Glücks“ ist in unserem Weltladen auf reges Interesse gestoßen. Man merkt, dass da ein großes Potential schlummert,“ freut sich Karin Lebelhu-ber vom Weltladen der EZA im 1. Bezirk in Wien über das Echo. Ähnlich sieht es Lisa Muhr vom Designerkollektiv: „Im letzten halben Jahr, seitdem wir die Fair Trade Kollektion auf dem Markt haben, konnten wir bei unseren Kundinnen eine große soziale Verantwortung und hohes Umweltbewusstsein beobachten, das sie ja nicht erst durch unsere Mode entwickelt haben, sondern schon viel früher zu einem fixen und wichtigen Bestandteil ihres Lebens machten. Diese Kundinnen sind jetzt begeistert.“

Mit der Winterkollektion �007/08 geht die Kooperation in die zweite Runde. Eine große Vielfalt aus bereits bekannt-beliebten und neuen Schnitten und Far-ben ist in der Kreativwerkstatt des Kol-lektivs entstanden. Umgesetzt werden die Ideen wie bisher vom EZA Partner Craft Aid. Verwendet wird Biobaumwoll-Jersey und -Fleece in der klassischen schwarz/grau Linie und in bunten Kom-binationen von lila/rot und grün/türkis. Bedruckt sind die angenehm weichen Stoffe mit Eisläuferinnen, Pusteblumen, Leuchttürmen, Entspannungsübungen oder vielversprechenden Sprüchen wie „Du bist der Ort, an dem Himmel und Erde einander begegnen“. Die Vielfalt in der Formgebung reicht von bunt ver-spielt über klassisch elegant bis schmei-chelnd weit. Auch für designbewusste Männer gibt es erste Stücke – Gilets und Langarm-Shirts mit dem Aufdruck „Rit-ter des Glücks“.

Die aktuelle Herbst-/Winterkollektion von „Göttin des Glücks“ ist ab Mitte Oktober u.a. in folgenden Weltläden erhältlich: 1010 Wien, 1070 Wien, 1080 Wien, 1090 Wien, 50�0 Salzburg (Linzergasse 64 und Eduard Macheinerstr. �), Linz, Wels, Horn, St. Veit an der Glan, Spittal an der Drau. Genaue Adressen und Öffnungs-zeiten unter www.weltlaeden.at

tExtILIEN

BAuMWOLLE

Die mit Abstand beliebteste textilpflanze

wird in rund 70 Ländern in tropischen und

subtropischen Zonen unserer Erde angebaut.

In Entwicklungsländern sind etwa 140 Milli-

onen Menschen im Baumwollanbau oder in

der Verarbeitung tätig. China, die USA, Indien,

Pakistan, Usbekistan, Brasilien, die Türkei und

Australien sind mit Abstand die größten Pro-

duzenten. Gemeinsam vereinen diese Länder

mehr als 80 Prozent der Weltproduktion auf

sich, die bei etwa 20 Mio Tonnen liegt. Kon-

ventionell angebaute Baumwolle nimmt nur

etwa vier Prozent der weltweiten Ackerfläche

in Beschlag, beansprucht aber über 10 Pro-

zent der Pestizide und 22 Prozent der weltweit

eingesetzten Insektizide. In Indien wächst auf

fünf Prozent des Ackerlandes Baumwolle, die

54 Prozent der Agrarpestizide verbraucht. Das

vergiftet Wasser, Boden, Menschen und Tiere.

Der Anteil der Baumwolle aus gentech-

nisch verändertem Saatgut liegt in den USA

bei 80, in China bei 60, in Indien bei 40 Pro-

zent. Die aus dieser Ernte gewonnenen Sa-

men können nicht als Saatgut weiterverwen-

det werden. Ein gutes Geschäft für die großen

Saatgutkonzerne.

Eine umweltschonende Alternative ist der

biologische Anbau. Auf chemischen Dünger

und Pestizide wird ebenso verzichtet wie auf

Entlaubungsmittel. Erst 0,1 Prozent der welt-

weit produzierten Baumwolle stammen aus

kontrolliert biologischem Anbau.

Quellen: www.transgen.deMetz7 GmbH, Filmkraft: King Cotton oder Baumwolle als Schicksal, DVD, 2006

Bequeme Schnitte,

klare Formen – Modedesign von

der „Göttin des Glücks“

Bild

: Ale

xand

ra H

ager

natürlichFAIR 1/07�4

SCHWERPUNKT BOLIVIEN

Erscheinungsort: 5020 Salzburg

Aufgabepostamt: 5020 Salzburg

EZA Fairer Handel GmbH

Wenger Straße 5 · 5203 Köstendorf

t 0 6216 /202 00-0

[email protected] · www.eza.cc

N e u e s a u s d e r W e lt d e s F a i r e N H a N d e l s

Bild

: EZ

A/P

eter

Bur

gsta

ller

Exklusives aus Alapacawolle finden Sie in Ihrem Weltladen.