Nach dem Vortrag kennen Sie… · Deutsch als Muttersprache (DaM) •die Familien- bzw.Erstsprache...
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Deutsch als Fremdsprache
Grundlage: Dr. Sara HägiAdaption: Prof. Dr. İnci Dirim, Ao. Prof. Dr. K.-B. BoeckmannVortragender: Ao. Prof. Dr. Klaus-Börge BoeckmannSoSe2013
Nach dem Vortrag kennen Sie…
• den Unterschied zwischen DaM, DaZ und DaF
• den wissenschaftlichen Aufgabenbereich von DaF
• den ersten bekannten DaF-Lehrer und sein Buch
• den Rang von und das Gerangel um Deutsch in der Welt
• DACH(L) und den Stellenwert von Deutsch als plurizentrischer Sprache
1. Sie sprechen Deutsch. Deutsch als…
a) Muttersprache (DaM)
b) Zweitsprache (DaZ)
c) Fremdsprache (DaF)
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DaM, DaZ, DaFEindeutige und weniger eindeutige Zuordnungen
Deutsch als Muttersprache (DaM)
• die Familien- bzw. Erstsprache ist Deutsch
• von Geburt an
• Spracherwerb (d.h. ungesteuert, selbstverständlich, automatisch…)
• viel Sprachgefühl, wenig Regelkenntnis
• Staub gesaugt vs. gesogen• aus Freude vs. vor Freude
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Deutsch als Zweitsprache (DaZ)
• Familien- bzw. Erstsprache ist nicht Deutsch, sondern… (L1)
• Umgebungssprache ist Deutsch und damit „ein Muss“ (Alltagssprache, Schulsprache..)
• Sprache wird erworben (vorrangig ungesteuert)
• L1 häufig nicht weiter gefördert
• heterogene Ausgangslage
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Deutsch als Fremdsprache (DaF)
• Familien- bzw. Erstsprache ist nicht Deutsch, sondern… (L1)
• Umgebungssprache ist die L1 und damit ist Deutsch „ein Plus“ (zusätzl. Qualifikation)
• Sprache wird systematisch gelernt
• L1 bleibt dominant
• eher homogene Ausgangslage
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DaF, z.B. D-Lernende in Japan
Ausland
5 4 3 2 1 0 1 2 3 4 5
Inland
Lernen
5 4 3 2 1 0 1 2 3 4 5
Erwerben
Keine (auf Dauer angelegte) Migration
5 4 3 2 1 0 1 2 3 4 5
Kontext: Migration
Bewusste Entscheidung
5 4 3 2 1 0 1 2 3 4 5
Selbstverständlich
Lernende mit der gleichen L1 in der
Gruppe
5 4 3 2 1 0 1 2 3 4 5 Lernende mit unterschiedlichen L1 in der Gruppe
L1 bleibt dominant
5 4 3 2 1 0 1 2 3 4 5L1 häufig nicht weiter gefördert
Bedeutung in Bildungs-Kontexten
5 4 3 2 1 0 1 2 3 4 5Lebensweltliche Bedeutsamkeit
(Birgit Springsits 2011)
Weniger eindeutige Beispiele:a) Internationale Studierende, die ein Jahr (oder
mehrere) an der Uni Wien studieren
b) Menschen in Guinea-Bissau, die nach Österreich migrieren wollen („Deutsch vor Zuzug“)
c) Italienische SchülerInnen an der Deutschen Schule in Rom
(Beispiele: Birgit Springsits 2011)
Internationale Studierende, die ein Jahr (oder mehrere) an der Uni Wien studieren
Ausland
5 4 3 2 1 0 1 2 3 4 5
Inland
Lernen
5 4 3 2 1 0 1 2 3 4 5
Erwerben
Keine (auf Dauer angelegte) Migration
5 4 3 2 1 0 1 2 3 4 5
Kontext: Migration
Bewusste Entscheidung
5 4 3 2 1 0 1 2 3 4 5
Selbstverständlich
Lernende mit der gleichen L1 in der
Gruppe
5 4 3 2 1 0 1 2 3 4 5 Lernende mit unterschiedlichen L1 in der Gruppe
L1 bleibt dominant
5 4 3 2 1 0 1 2 3 4 5L1 häufig nicht weiter gefördert
Bedeutung in Bildungs-Kontexten
5 4 3 2 1 0 1 2 3 4 5Lebensweltliche Bedeutsamkeit
(Beispiel: Birgit Springsits 2011)
Menschen in Guinea-Bissau, die nach Österreich migrieren wollen („Deutsch vor Zuzug“)
Ausland
5 4 3 2 1 0 1 2 3 4 5
Inland
Lernen
5 4 3 2 1 0 1 2 3 4 5
Erwerben
Keine (auf Dauer angelegte) Migration
5 4 3 2 1 0 1 2 3 4 5
Kontext: Migration
Bewusste Entscheidung
5 4 3 2 1 0 1 2 3 4 5
Selbstverständlich
Lernende mit der gleichen L1 in der
Gruppe
5 4 3 2 1 0 1 2 3 4 5 Lernende mit unterschiedlichen L1 in der Gruppe
L1 bleibt dominant
5 4 3 2 1 0 1 2 3 4 5L1 häufig nicht weiter gefördert
Bedeutung in Bildungs-Kontexten
5 4 3 2 1 0 1 2 3 4 5Lebensweltliche Bedeutsamkeit
(Beispiel: Birgit Springsits 2011)(Ammon 2010: 102)
Guinea-Bissau
Italienische SchülerInnen an der Deutschen Schule in Rom
Ausland
5 4 3 2 1 0 1 2 3 4 5
Inland
Lernen
5 4 3 2 1 0 1 2 3 4 5
Erwerben
Keine (auf Dauer angelegte) Migration
5 4 3 2 1 0 1 2 3 4 5
Kontext: Migration
Bewusste Entscheidung
5 4 3 2 1 0 1 2 3 4 5
Selbstverständlich
Lernende mit der gleichen L1 in der
Gruppe
5 4 3 2 1 0 1 2 3 4 5 Lernende mit unterschiedlichen L1 in der Gruppe
L1 bleibt dominant
5 4 3 2 1 0 1 2 3 4 5L1 häufig nicht weiter gefördert
Bedeutung in Bildungs-Kontexten
5 4 3 2 1 0 1 2 3 4 5Lebensweltliche Bedeutsamkeit
(Beispiel: Birgit Springsits 2011)
Fallbeispiel (nach Hernig 2005: 66)
Sie sollen nun als DaF- DozentIn vor einer Gruppe UniversitätsstudentInnen an einer chinesischen Hochschule Deutsch in einem Intensivkurs lehren.
Welches Wissen und Know-How brauchen Sie bezüglich a) der Zielgruppe und b) des Unterrichtgegenstands?
a) Für wen unterrichte ich wie Deutsch? Sie benötigen:
Grundlagenfachliches Wissen z.B. aus dem Bereich der Sprachlehrforschung und der Zweitsprachenerwerbsforschung über ihre Lernergruppe (Alter, Motivation, früherer L2-Erwerb etc.)
und…
a) Für wen unterrichte ich wie Deutsch? (Forts.)
Sie müssen wissen, wie Sie nun ihren Unterricht zugeschnitten auf die speziellen Bedürfnisse ihrer Zielgruppe organisieren,
• welche Übungsformen,
• Lehrmaterialien und
• Sozialformen Sie bevorzugen.
Antworten darauf liefert die Fremdsprachendidaktik.
b) Was unterrichte ich?Sie benötigen:
• Wissen über die phonetischen und grammatischen Eigenschaften der deutschen Sprache, am besten auch kontrastiv zur Erstsprache (Muttersprache) Ihrer LernerInnen (Linguistisches Grundlagen-wissen, Inhalte der germanistischen Linguistik, kontrastive Linguistik Chinesisch-Deutsch).
und…
b) Was unterrichte ich? (Forts.)• Wissen über die Kultur der deutschsprachigen
Länder, d.h. Wissen über ihre Literaturen und Literaturgeschichte (allgemeine Literaturwissenschaft, besser noch: germanistische Literaturwissenschaft),
• Wissen über Alltagskultur, Geschichte, Film, Musik etc. (Kulturwissenschaftliche Fächer, Geschichte etc.)
Die Aufgaben des Fachs DaF im Rahmen
von Wissenschaft
Deutsch als Fremdsprache…beschäftigt sich mit
der Erforschung der deutschen Sprache
und
der kulturellen Vielfalt der amtlich deutschsprachigen Länder…
Deutsch als Fremdsprache…
...legt einen Schwerpunkt auf Prozesse des Sprach- und Kulturkontakts
...im Hinblick auf eine begründete Veränderung der derzeitigen Praxis (Unterricht, LehrerInnenausbildung, Sprachenpolitik…).
(adaptiert nach Krumm 2010)
DaF: Die Anfänge
2. „Einfach so“ lernt man keine Fremdsprache…
a) Seit wann ist DaF belegbar?
b) Für welche Zielgruppe?
c) Wie ging man methodisch vor?
d) Und wie ist es heute?
Erste DaF-Belege aus dem frühen Mittelalter
• um 800: die Kasseler Glossen (auch:Kasseler Gespräche)
• um 900: die Althochdeutschen Gespräche (auch: Pariser Gespräche)KonversationsbüchleinAlthochdeutsch mit vulgärlateinischer
EntsprechungVerfasser und Zielgruppe: vermutlich GeistlicheKurze, lebensnahe, didaktisierte Texte
DaF im Spätmittelalter• Volkssprachen statt Latein
• Zielgruppe: • Adelige im mehrsprachigen Europa• Kaufleute (internationale Handelskontakte)• Beamte
• Bahnbrechend: Georg von Nürnberg,
seine Sprachschule in Venedig und
das liber in volgaro (1424)
Deutsch und das Welt-
Sprachensystem
3. Deutsch und andere (Fremd-)Sprachen
a) Wie viele Sprachen gibt’s auf der Welt?
b) Wo rangiert Deutsch?
Die Sprachenkonstellation der heutigen Welt
(Welt-Sprachensystem) Die Sprachen der Welt lassen sich nach ihrem internationalen Kommunikationspotential hierarchisch ordnen:
1. Weltsprache: Englisch2. Internationale Sprachen (ca. 10)3. Nationale Sprachen (ca. 100)4. Subnationale Sprachen (ca. 2000)
Internationale Sprachen (alphabetisch): Arabisch,Chinesisch, Deutsch, Französisch, Italienisch,Japanisch, Portugiesisch, Russisch, Spanisch
(Ammon 2010)
Sprachenpolitisches
4. DaF-Lehren und –Lernen heute
• Weshalb ist es für D und A von Interesse, das Erlernen von DaF in der Welt zu fördern?
• Hinweis: Die Folien basieren auf Ammon (2008) und geben nur zum Teil die Meinung des Vortragenden wieder
(Ammon 2010: 102)
„Jede Sprachgemeinschaft hat ein natürliches Interesse, dessen sie sich freilich nicht unbedingt bewusst ist, an der möglichst weiten Verbreitung der eigenen Sprache – abgesehen von Sonderfällen wie Geheimsprachen. Denn Sprachen werden durch ihre Verbreitung grundsätzlich wertvoller.“
(Ammon 2008: 9)
Im einzelnen verspricht man sich durch die auswärtige Sprachförderung folgende Vorteile (Ammon 2008: 10):
1) Bessere Wirtschaftskontakte – wer eine Sprache lernt, pflegt später eher Wirtschaftskontakte zum Mutterland
2) Kommunikative Vorteile – Kenntnisse der Sprache im Ausland erleichtern dort die Kommunikation
Im einzelnen verspricht man sich durch die auswärtige Sprachförderung folgende Vorteile (Ammon 2008: 10):
3) Imageaufbesserung – wer eine Sprache lernt, entwickelt eher ein positives Bild vom Mutterland
Im einzelnen verspricht man sich durch die auswärtige Sprachförderung folgende Vorteile (Ammon 2008: 10):
4) Verbreitung eigener Werte und Kultur – wer eine Sprache lernt, rezipiert mehr Texte aus dem Mutterland und darüber auch dessen Werte und Kultur
Im einzelnen verspricht man sich durch die auswärtige Sprachförderung folgende Vorteile (Ammon 2008: 10):
5) Gewinnung von „Humankapital“ – Personen mit Kenntnissen einer Sprache sind eher dazu bereit, im betreffenden Mutterland oder für dieses zu arbeiten.
Im einzelnen verspricht man sich durch die auswärtige Sprachförderung folgende Vorteile (Ammon 2008: 10):
6) Aufwertung der eigenen Sprache – durch den Zuwachs von Sprechern, auch Fremdsprachlern, erhöht sich die kommunikative Reichweite und damit der Gebrauchswert von Sprache.
Im einzelnen verspricht man sich durch die auswärtige Sprachförderung folgende Vorteile (Ammon 2008: 10):
7) Selbstverstärkung der Aufwertung – einer Sprache mit mehr Lernern oder Sprecher wachsen eher noch weitere Lerner zu
Im einzelnen verspricht man sich durch die auswärtige Sprachförderung folgende Vorteile (Ammon 2008: 10):
8) Einnahmen aus der „Sprachindustrie“ – es wird mehr Unterricht in der Sprache, und es werden mehr an die Sprache gebundene Waren verkauft
Im einzelnen verspricht man sich durch die auswärtige Sprachförderung folgende Vorteile (Ammon 2008: 10):
9) Identitätsstärkung – durch die stärkere auswärtige Stellung der eigenen Sprache fühlen sich die Regierungen und Bürger aufgewertet und im Stolz auf Nation und Sprachgemeinschaft gestärkt.
Im einzelnen verspricht man sich durch die auswärtige Sprachförderung folgende Vorteile (Ammon 2008: 10):
DaF und Österreich
5. Die deutsche Sprache in Deutschland, Österreich und der Schweiz…
a) Kennen Sie Beispiele für Gemeinsamkeiten und Unterschiede?
b) Welches Deutsch ist im DaF-Unterricht angemessen?
Nationale Standardvarietäten…
Baßler/Spiekermann, Linguistik online 9, 2/01
© In
go F
auls
tich
Nationale Standardvarietäten…• unterscheiden sich durch die nationalen
Varianten. Das sind Austriazismen, Helvetismen und Teutonismen (Deutschlandismen).
• Wegen der geographischen Größe und der wirtschaftlichen und politischen Stärke Deutschlands werden Teutonismen in Österreich und der Deutschschweiz eher verstanden als Austriazismen und Helvetismen in Deutschland (Asymmetrie).
Umsetzungsbeispiel 1(D
imen
sion
en.
Mag
azin
1,
2002
: 14
)
Umsetzungsbeispiel 2
Ja g
enau
! 200
9ff.
Deutsch als plurizentrische Sprache heißt…• es gibt mehrere Standardvarietäten, nämlich
deutschländisches, österreichisches und Schweizer Standarddeutsch.
• Grundsätzlich sind nationale Varietäten und ihre entsprechenden Varianten gleichrangig.
• Bei aller Varianz überwiegen gemeindeutsche Konstanten.
Nun kennen Sie…• den Unterschied zwischen DaM, DaZ und DaF
• den wissenschaftlichen Aufgabenbereich von DaF
• den ersten bekannten DaF-Lehrer und sein Buch
• den Rang von und das Gerangel um Deutsch in der Welt
• DACH(L) und den Stellenwert von Deutsch als plurizentrischer Sprache
Alles Gute und viel Erfolg!
LiteraturAmmon, Ulrich (1995): Die deutsche Sprache in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Das Problem der
nationalen Varietäten. Berlin/New York: de Gruyter. Ammon, Ulrich (2008): Fremdsprachengebrauch und –bedarf unter den Bedingungen der Globalisierung. In:
ZfAL 48/2008, 3-27.Ammon, Ulrich (2010): Die Verbreitung des Deutschen in der Welt. In: Krumm u.a. (Hrsg): 89-107.Ammon, Ulrich u.a. (2004): Das Variantenwörterbuch des Deutschen. Berlin/New York: de Gruyter. Eder, Ulrike (2006): „Auf die mehrere Ausbreitung der teutschen Sprache soll fürgedacht werden“. Deutsch
als Fremd- und Zweitsprache im Unterrichtssystem der Donaumonarchie zur Regierungszeit Maria Theresias und Josephs II. Innsbruck u.a.: Studienverlag.
Hägi, Sara (Hrsg.): Plurizentrik im Deutschunterricht. Fremdsprache Deutsch 37/2007.Hernig, Marcus (2005): Deutsch als Fremdsprache. Eine Einführung. Wiesbaden: Verlag für
Sozialwissenschaften. (Bes. Kapitel 2)Krumm, Hans-Jürgen/Fandrych, Christian/Hufeisen, Britta/Riemer, Claudia (2010): Deutsch als Fremd- und
Zweitsprache. Ein internationales Handbuch. Berlin/New York: de Gruyter. Pausch, Oskar (1972): Das älteste italienisch-deutsche Sprachbuch. Eine Überlieferung aus dem Jahre 1424
nach Georg von Nürnberg. Wien u.a.: Böhlau.
Pleines, Jochen (2006): Elemente des kommunikativen Fremdsprachenunterrichts in den Dialogen des Georg von Nürnberg. In: Glück, Helmut/Morcinek, Bettina (Hrsg.): Ein Franke in Venedig. Das Sprachlehrbuch des Georg von Nürnberg (1424) und seine Folgen. Wiesbaden: Harrassowitz. 21-32.
Schubert, Martin J. (1996): „1200 Jahre Deutsch als Fremdsprache. Dumme Witze im Fremdsprachenunterricht seit den Kasseler Glossen“. In: Poetica. Zeitschrift für Sprach- und Literaturwissenschaft 28; 48-65.