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Staatstheater Nürnberg Materialmappe „My Fair Lady“ 1 MY FAIR LADY von Frederick Loewe und Alan J. Lerner MATERIALMAPPE

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Staatstheater Nürnberg Materialmappe „My Fair Lady“

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MY FAIR LADY von Frederick Loewe und Alan J. Lerner

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Liebe Lehrerinnen und Lehrer, liebes Publikum,

Für Eliza steht die Welt Kopf! Ein einfaches Blumenmädchen bekommt die Chance, sich zu

einer feinen Dame zu entwickeln. Doch das ist härtere Arbeit als zunächst gedacht. Unzählige

Stunden heißt es nun Vokale zu üben, Konsonanten umzulernen und sich die Sprache der

„feinen Leute“ anzueignen. Und wenn man sich dann noch mit einem so groben Lehrer wie

Prof. Higgins herumschlagen muss, kann man schon fast verzweifeln.

Doch Eliza gibt nicht auf und so schafft Sie es zu guter Letzt alle zu täuschen und sich für eine

feine Lady auszugeben.

„My Fair Lady“ ist ein echter Musical-Klassiker, an dem es immer wieder viel zu entdecken

gibt. Das vorliegende Material möchte dabei helfen.

Zusätzlich bieten wir Ihnen zur Inszenierung sowohl vorstellungsvorbereitende als auch –

nachbereitende Workshops und Gespräche für Schülerinnen und Schüler an, sowie szenisch-

musikalische Arbeitsmaterialien an. Wenden Sie sich deswegen gerne an mich.

Herzliche Grüße

Carola Kobielak

Kontakt:

Staatstheater Nürnberg u18 plus: junges publikum Theaterpädagogin Carola Kobielak Telefon: 0911-231-6866 E-Mail: [email protected]

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BIOGRAFIE EINER LADY – VOM PYGMALION-MYTHOS ZUM BÜHNENKLASSIKER

Der Zauber und Erfolg des Musicals „My Fair Lady“ ist bis heute ungebrochen. Heute ist es selbstverständlich auf allen Spielplänen der Theater- und Musicalbühnen dieser Welt zu finden. Doch jede Lady hat ihre Vorgeschichte… Eine Lady mit griechischer Abstammung Das Libretto zum Musical „My Fair Lady“ folgt der Komödie „Pygmalion“ des irischen Schriftstellers George Bernard Shaw aus dem Jahr 1913 und dem gleichnamigen Film von Gabriel Pascal aus dem Jahr 1938. Der Pygmalion-Mythos ist griechischen Ursprungs. Der König von Kypros, Pygmalion, war – nach Ovid - Bildhauer. Er verliebte sich in eine von ihm selbstgeschaffene Marmorstatue, das Abbild einer idealen Frau. Er beschwor daraufhin die Göttin der Liebe und Schönheit, Aphrodite, seiner Schöpfung Leben einzuhauchen, um sie heiraten zu können. Aphrodite erfüllte seinen Wunsch. Shaw greift auf Ovid zurück: Ein Mann will sich einen Menschen (Frau) nach seinem Willen und Bild, nach seinen Vorstellungen und Wünschen formen. Der Künstler Pygmalion ist jetzt der englische Professor Higgins, Phonetikforscher und –lehrer. Seine These: Die Sprache legt einen Menschen auf seine Herkunft, auf seine Klasse fest. Die Sprache macht den Menschen. Dieser soziale Bezug modernisiert das Pygmalionmotiv in Shaws „Romanze in fünf Akten“. Die Bearbeitung zum Musical Alan J. Lerner hat sich, was die Handlung und die Hauptpersonen angeht, sehr eng an die Vorlage von Shaw gehalten. Erfindungen wie die Ascot-Szene im exklusiven Milieu des Pferderennens geben dem Musical Gelegenheit zu einer bunten Szenen mit Chor, die in Shaws Vorlage so nicht angelegt ist. Auch die Figur des jungen Verehrers Freddy Eynsford-Hill ist bei Shaw eigentlich nur eine knappe Chargenrolle, die nun, mit Charme und Gesangsnummern ausgestattet, die Dramaturgie des Musicals bereichert. Das Ende der Handlung ist bei Lerner szenisch aufgelockerter als im Original. Es bleibt Raum für Musik und – anders als bei Shaw – einen Stückschluss mit der Möglichkeit zum Happy End. Damit entfernte sich Lerner in seiner Bearbeitung von einem zentralen Anliegen des irischen Autors, der genau das nicht wollte. Der Sensationserfolg Die offizielle Uraufführung fand 1956 unter großem Beifall im New Yorker Hellinger Theatre am Broadway statt. „My Fair Lady“ lief dort sechseinhalb Jahre und brachte es auf 2717 Vorstellungen. Seitdem trat die Lady ihren Erfolgskurs weltweit an. Die Nachproduktion der New Yorker Inszenierung im Londoner West End, hatte zwei Jahre später, am 30. April 1958, im Drury Lane Theatre Premiere. Das Musical lief dort fünfeinhalb Jahre und erreichte 2.281 Vorstellungen. Die Deutsche Erstaufführung fand am 25. Oktober 1961 im Berliner Theater des Westens statt. Aus ökonomischer Vorsicht mietete Produzent Hans Wölffer das Theater damals zunächst einmal nur für ein halbes Jahr; und ließ für diese Zeit nur eine Produktion vorberieten: „My Fair Lady“. Während Robert Gilbert in Berlin an der Übersetzung arbeitete, bei der er den Londoner Cockney-Akzent ins Berlinische übertrug, begann die aufwendige Suche nach den geeigneten Darstellern. Schließlich fand man sie u.a. in Paul Hubschmid als Higgins, Karin Huebner als Eliza und Rex Gildo als Freddy. Der Erfolg, den die Berliner Inszenierung einbrachte, übertraf alle Erwartungen. Bald setzte ein Besucheransturm ein, wie ihn bis dahin noch keine Berliner Spielstätte erlebt hatte. Die Musical-Verfilmung mit Audrey Hepburn und Rex Harrison aus dem Jahr 1964, die mit acht Oscars ausgezeichnett wurde, sorgte endgültig für die Unsterblichkeit der Lady.

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Wie die Lady zu ihrem Titel kam Neben den so berühmt gewordenen Schlagern war vor allem ein Lied für die „Lady“ wichtig, nämlich ein Londoner Kinderlied: Die Eröffnungsszene untermalt ein geschäftiges Stimmungsbild: Londoner kommen aus einem Opernhaus, suchen Taxis, Straßenartisten unterhalten die Menge tanzend und radschlagend, Eliza geht mit ihrem Blumenkorb herum. Die Musik bringt zur Milieuschilderung nach kurzer Einleitung eben jenes Londoner Kinderlied „London Bridge is falling down, falling down, falling down, London bridge is falling down, my fair lady“, das dem Musical schließlich den Titel gab. Gleichzeitig ist in diesem Titel „My Fair Lady“ ein Wortspiel zu sehen: „fair“ ist mehrdeutig und kann übersetzt sowohl „Meine schöne Dame“, aber auch „meine Marktfrau“ (engl. „fair“ = dt. (Jahr-)markt, Kirmes, Messe) bedeuten; außerdem ist es auf Cockney-Englisch eine Anspielung auf Mayfair, einen Stadtteil Londons. Unbestritten ist „My Fair Lady“ bis heute der Musical-Klassiker schlechthin. Ob Eliza nun im breiten Berlinisch oder im derben Wienerisch daherkommt - die Geschichte vom hässlichen Entlein zur gesellschaftsfähigen Lady begeistert immer wieder. Gerade die regionalen Bezüge in der Sprache schaffen einen (selbst)ironischen Blick auf Gesellschaften und Normen. Dabei ist der Grundstein dafür bei Shaw selbst zu finden: Er schrieb vor, dass die „Figur der Eliza durch den ortsüblichen Dialekt zu charakterisieren ist“.

Sonja Westerbeck (aus dem Programmheft zu „My Fair Lady“")

KANN DENN DIE KINDER KEINER LEHREN WIE MAN SPRICHT … Ein Streifzug durch die Sprachforschung Sprache ist eine Verständigungsform zwischen Menschen. Eine klassische Definition von Edward Sapir sei zietiert: „Sprache ist eine ausschließlich dem Menschen eigene, nicht im Instinkt wurzelnde Methode zur Übermittlung von Gedanken, Gefühlen und Wünschen mittels eines Systems von frei geschaffenen Symbolen.“ Phonetik ist eine Sprachwissenschaft, die, als Teil der Lautlehre, Faktoren und Komponenten der sprachlichen Laute untersucht. So forscht Professor Higgins in der Eingangsszene zu „My Fair Lady“ am Covent Garden nach den sprachlichen Erzeugnissen der Straßenbevölkerung – also den hörbaren Eigenheiten der verschiedenen Dialekte Londons. Henry Higgins hat durchaus ein reales Vorbild: Peter Ladefoged (1925 – 2006) war ein britischer Phonetiker, der als bekanntester Wissenschaftler seines Fachs weltweit zu Vorträgen geladen war. Peter Ladefoged war es, den man 1964 als Berater der Filmproduktion „My Fai Lady“ mit Audrey Hepburn und Rex Harrison herangezogen hat. Ein Phonetik-Professor wettet mit einem Sanskrit-Spezialisten, Oberst Pickering, die Blumenverkäuferin Eliza Doolittle, die einen ordinären Londoner „Rinnsteinjargon“ spricht, nach sechs Monaten Sprachunterricht auf einem Diplomatenball als Herzogin ausgeben zu können… In den berühmten Szenen in der Wimpole-Street, Higgins‘ Studio, in denen Eliza die Strapazen der quälenden Sprechübungen über sich ergehen lassen muss, sind vielerlei praktische und technische Details von Ladefogeds Arbeitsweise und wissenschaftlichen Errungenschaften eingearbeitet: z.B. lässt Higgins im Film Eliza zu Tonaufnahmen auf eine Walze sprechen. Dabei hält er ihre Aussprache nach „Bell’s sichtbarer Sprache“ fest. Weiterhin ist von „Higgins‘ Universal-Alphabet“ die Rede, ein Werk, das Ladefoged vorschwebte, zu verfassen. Higgins‘ Studio wurde nach Ladefogeds Angaben mit zeitgenössischen Apparaturen ausgerüstet, mehreren Phonographen mit Trichtern, einem Apparat für Aufnahnme und Wiedergabe, Stimmgabeln verschiedener Größe, einem Metronom, einem Xylophon mit Klöppeln, einem

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Gasbrenner für die H-Übung („Ich se-he Krä-hen in der Nä-he“) und nach dem Vorbild von Demosthenes Kieselsteine, die man für die Sprechübung in den Mund nimmt („Vom schwarzen Moos verkrustet zäh, stehen Blumentöpfe dicht an dicht“). Stupide, quälende Sprechübungen: im Musical pointiert erzählt, finden sich auch hier durchaus reale Beispiele aus der wissenschaftlichen Sprecherziehung. Ein Klassiker der (deutschen) Sprechübungen ist der sog. „Kleine Hey“. In der professionellen Ausbildung galt über viele Jahrzehnte Julius Heys Buch „Die Kunst des Sprechens“ (auch „Der Kleine Hey“) als Referenzwerk zur Sprechtechnik für Schauspieler, Rundfunksprecher und andere sprechende Berufe. In neuerer Zeit gerieten die oft eintönig-mechanistischen Sprechübungen des „Kleinen Hey“ in die Kritik. Als Julius Hey um 1900 sein dreiteiliges Werk "Deutscher Gesangsunterricht" herausgab, konnte er kaum ahnen, dass dieses Lehrbuch einen beispiellosen Siegeszug antreten sollte. Hey hatte seine Lehrweise ursprünglich nur für seinen Schülerkreis und zudem als reine Gesangslehre entwickelt. Erst die Verantwortung gegenüber der oft fehlerhaften Aussprache bei Schauspielern und Sängern veranlasste ihn, seinem Hauptwerk einen "Sprachlichen Teil" anzufügen. Es wurde zum Standardwerk für die Sprecherziehung und ist dies in größter Auflage bis heute geblieben. Viele Unterrichtswerke der vergangenen Jahre arbeiten mit Text-Übungen, die lebensnäher sind, nach Ansicht nicht nur von Traditionalisten allerdings nur suboptimale Ergebnisse zeigen. Apropos lebensnah: Straßenslang ist ebenfalls längst Gegenstand der Forschung der Sprachwissenschaft geworden: Kiezdeutsch – oder fachlich: Multiethnolekt, heißt das Phänomen, das aus Deutschlands Großstädten mit hohem Migrantenanteil stammt. Eine Sprachwissenschaftlerin von der Universität Potsdam, Heike Wiese, widmet sich diesem neuen Forschungsgebiet. Dabei sagt sie: Kiezdeutsch ist ein deutscher Dialekt, dessen Sprecher vor allem Jugendliche in Wohngebieten wie Berlin/ Kreuzberg sind. Diese meist mehrsprachig aufgewachsenen Sprecher wissen oft von Kindesbeinen an, dass man alles auf mindestens zwei, drei, vier Arten sagen kann. Das heißt auch, sie sind sehr viel toleranter gegenüber sprachlicher Variation, sehr viel offener für Innovation. Kiezdeutsch ist ein sehr dynamischer Dialekt; es ist nicht ökonomisch, kurz und prägnant. Wiese hält fest, Kiezdeutsch ist genau so komplex und elaboriert wie das Standarddeutsche und wie jeder Dialekt des Deutschen und wird als solches auch wie z.B. Hessisch oder Bayrisch (oder Fränkisch) wissenschaftlich behandelt. Am Anfang wurde dieses Phänomen in erster Linie von Soziolinguisten untersucht: Wer spricht das überhaupt mit wem in welchen Situationen? Im Moment interessiert die Wissenschaft neben den grammatischen Merkmalen von Kiezdeutsch besonders die Einstellung gegenüber Kiezdeutsch, die häufig negativ ist - ähnlich wie die Einstellung gegenüber Dialekten. Auch Higgins‘ Ohren fühlen sich von Elizas Sprache beleidigt. Doch Eliza gewinnt im Laufe der Geschichte – nicht zuletzt dank Higgins‘ Schule - an Selbstbewusstsein, an Eigenständigkeit, so wie es ihr Lehrer wollte. Doch im Moment der größten Erfüllung für Higgins, der Erfolg, Eliza sprachlich und gesellschaftlich zur Lady gemacht zu haben, finden beide keine gemeinsame Sprache mehr. Auf der menschlichen Ebene hätte Higgins Sprachübung nötig, denn Sprache ist vor allem ein Instrument zur zwischenmenschlichen Verständigung.

Sonja Westerbeck (aus dem Programmheft zu „My Fair Lady“")

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ES GRÄINT SO GRÄIN … SCHAUSPIELRIN HENRIETTE SCHMIDT ALIAS ELIZA DOOLITTLE ERKÄMPFT SICH IM MUSICAL-KLASSIKER „MY FAIR LADY“ JEDE (FRÄNKISCHE) SILBE Für eine Schauspielerin, die gleichzeitig auch „Kabale und Liebe“ spielt, könnte sich eventuell das Vorurteil bestätigen, das musikalische unterhaltungstheater, insbesondere die Operette und das Musical, hätte nicht viel Tiefgang. Wie siehst du das, Deine Rolle als Eliza betreffend? HENRIETTE SCHMIDT: Es handelt sich bei „My Fair Lady“ natürlich um eine Lustspiel, das hat per se nicht die Schwere einer Tragödie; aber für mich gilt: je lustiger das Stück ist, desto ernster muss man die Figuren nehmen. Eigentlicht haben wir es hier mit der klassischen Geschichte vom hässlichen Entlein zur Prinzessing zu tun. Und darin such ich nach entsprechenden Konflikten, um die Figur nicht oberflächlich z u gestalten. Der konkrete Text spielt dabei eine große Rolle: die Dialoge sind hier sprachlich eher leicht und relativ glatt, und trotzdem gibt es viele Möglichkeiten zur feinen Differenzierung. Oft gibt der Vergleich mit G.B. Shaws Vorlage Aufschluss über Charakter und Situation. Das sind Feinheiten, die am Ende viel ausmachen. Im Laufe des Stückes wird Eliza zwar „gezähmt“ und auf gesellschaftliche Normen „geformt“ – dennoch gelingt es ihr sich im Innersten treu zu bleiben. Was macht Eliza für Dich trotz aller Benimm- und Sprechschulung jederzeit authentisch? H.S.: Auf der Suche danach setze ich ganz auf Ehrlichkeit. Was Eliza sagt und tut, meint sie auch. Zum Schluss, wenn Higgnis sie fallen zu lassen scheint, ist sie nicht einfach bloß zickig, sondern wirklich verletzt. Eliza merkt dabei natürlich auch, dass sie nicht ganz unschuldig ist an der Situation, in die sie sich da begeben hat. Stellst Du unterschiedliche Methoden zwischen Schauspiel- und Musiktheater-Regieführung fest? H.S.: Im Schauspiel arbeite ich von innen nach außen, fange oft mit kleinen Gesten an, die Figur zu erarbeiten. Hier im Musical fangen wir zunächst viel äußerlicher an, müssen uns an viele Vorgaben halten, wie z.B. die musikalische Struktur, Chor und Orchester, Tänzer … - all das muss fein aufeinander abgestimmt werden. Auch die Leseproben im Schauspiel nehmen mehr Raum ein als im Musiktheater, dafür geht man hier gleich auf die Szene und muss loslegen. Hattest Du zuvor schon einmal eine Rolle mit so viel Gesang? H.S.: Gesungen habe ich auf der Bühne natürlich schon – aber noch nie mit großem Orchester. Neu ist für mich auch auf einen Dirigenten achten zu müssen. Daran muss ich mich gewöhnen – logischer Weise können sich die Orchestermusiker nicht alle nach mir richten (lacht). Im Moment gelingt es noch nicht immer, die musikalische Vorbereitung auch auf der szenischen Probe hundertprozentig umzusetzen, da ich mich gleichzeitig sehr aufs szenische Spiel konzentriere. Aber unser Musikalischer Leiter Gábor Káli hat zum Glück viel Geduld mit mir. Auch konditionell gilt es, eine gute Einteilung zu finden. Hier stehe ich auf der Opernbühne und bin umgeben von Opernsängern. Eine derartige Gesangsausbildung habe ich natürlich nicht. Ich arbeite technisch ganz anders mit der Stimme als die Kollegen vom Musiktheater, in der intensiven Auseinandersetzung vor allem auch für die Gesangsnummern habe ich festgestellt, dass sich meine Stimme im Laufe der letzten drei Jahre tatsächlich verändert hat. Zum Einen, weil ich ein bisschen älter geworden bin, und zum anderen habe ich sehr viel gespielt – diese Praxis macht sich bemerkbar. Das hat Kondition und Kraft gebracht. Du musstest extra für die Rolle Fränkisch lernen. Wie hast Du Dir diesen (Bühnen-) Dialekt erarbeitet? H.S.: Die fränkische Übersetzung des Textes habe ich vor den Sommerferien bekommen. Ich konnte die Wörter zwar lesen, aber das hörte sich noch gar nicht fränkisch an. Ich musste bisher nie Dialekt für die Bühne lernen und finde es wirklich schwierig. Einen Dialekt, in den Sprachraum, in dem er tatsächlich gesprochen wird, nachzumachen, ist äußerst anspruchsvoll. Aber es macht großen Spaß. Ich entdecke, dass Fränkisch viele unterschiedliche Färbungen hat und es durchaus

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verschiedene Versionen gibt, z.B. in der Aussprache, im Vokabular, etc. Da diskutieren die fränkischen Ensemble-Mitglieder schon mal … Außerdem trainiere ich mit einem Sprach-Coach und finde jetzt mein Fränkisch. Ein Dialekt formt eine Figur sehr stark: Schämt sich jemand für seine Sprache, ist ihm bewusst, wie er spricht, - das sind alles Fragestellungen, die bei der Rollenfindung helfen. Was lässt Eliza die quälend-absurden Sprechübungen bei ihrem Lehrer, Professor Higgins, aushalten? H.S.: Tatsächlich handelt es sich hier um ein Schüler-Lehrer-Verhältnis. Wenn man einen Lehrer hat, der derart begeistert von seiner Sache ist, egal wie streng er dabei ist, dann entwickelt man als Schüler, der etwas lernen kann und will, eine Art Liebe. Eliza will ja durchaus aufsteigen, dabei ist sie weniger interessiert am Lady-Sein als am Blumenladen, der ihr in Aussicht gestellt wird. Dass Higgins dabei so hart mit ihr ist, lässt die Begegnung der beiden fast zur Hass-Liebe werden. Eine gewisse Härte und Robustheit kennt Eliza sicher von ihrem Leben als Blumenverkäuferin auf der Straße, doch die Art und Weise, mit der Higgins ihr entgegentritt – einerseits trimmt er sie beharrlich zum Erfolg, andererseits ignoriert er sie menschlich - , ist ihr fremd. Verliebt sie sich in Higgins? H.S.: Weiß ich noch nicht …

Das Gespräch führte Sonja Westerbeck (aus: Impuls, monatliches Theatermagazin, Ausgabe Oktober/November 2011)

PRESSESTIMMEN

KESSE GÖRE IM CRASHKURS – Straßenkreuzer, Ausgabe November 2011 Eigentlich wollte das Nürnberger Staatstheater nach den nostalgischen Versuchen mit „Silk Stockings“ und „Sweet Charity“ weiter in den vergessenen Schatzkammern des Broadway kramen oder womöglich mal neueres Entertainment wagen. Aber jetzt kommt der Griff nach dem stabilsten aller Evergreens: „My Fair Lady“ wird neu inszeniert. Auch gut! Mit Nachbarschaftshilfe, denn im unverwüstlichen Musical von Frederic Loewe spielt die gefeierte Jungschauspielerin Henriette Schmidt erstmals als Blumenmädchen Eliza. Das könnte spannend werden. DAS STÜCK: Der spleenige Phonetik-Professor Higgins wettet darauf, dass er aus dem innigst mit ihrer Kiez-Sprache verbundene Gossen-Girl Eliza in kürzester Zeit eine Lady der besseren Gesellschaft machen kann. Mit Sprechübungen („Es grünt so grün...“) und zynischer Salon-Tyrannei geht es zur angedeuteten Love-Story für den Pantoffelhelden. DIE MUSIK: Anders als der spätere Musical-Kind Lloyd-Webber, der pro Stück selten mehr als einen Hit platzierte und ihn dafür penetrant wiederholen ließ, hat Loewe einen Wundertüte voller Ohrwürmer über der vom Spötter G.B. Shaw entliehenen Geschichte ausgeleert. Von „Ich hätt getanzt heut Nacht“ bis „Bringt mich pünktlich zum Altar“. Sie gehören in die Kategorie der „unsterblichen Melodien“. DIE BESETZUNG: Die bislang mit Jungmädchen-Rollen im Schauspiel-Klassikern angenehm aufgefallene Henriette Schmidt hat auch eine Musical-Ausbildung. In den nächste Monaten pendelt sie zwischen der vor Liebeskummer mit ihrem Ferdinand sterbenden Luise (Schillers „Kabale und Liebe“) und der kessen Göre im Crashkurs für höhere Töchter.

Dieter Stoll, Kulturjournalist und Kritiker

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„My Fair Lady" – Nürnberg Nachrichten - 14.11.2011

Allmächd: Jetzt wird auf dem Londoner Covent Garden Market nicht mehr berlinert oder gewienert, sondern

Eliza Doolittle soll das fränkische Idiom ausgetrieben werden. Für die neue „My Fair Lady“-Produktion im

Nürnberger Opernhaus hat das Fürther Komödianten-Duo Volker Heißmann und Martin Rassau eine neue

Mundartfassung geschrieben, die tempo- und ideenreich über die Bühne geht. […]

Altbekannt sind etwa die drehenden Riesenohren als Lautsprecher, doch Ausstatter Toto zitiert das

standesdünkelige viktorianische Britannien mit viel Augenzwinkern und einer großen Verbeugung vor der

Aufführungstradition. Die Marktszene spielt unter einem gusseisernen U-Bahn-Eingang, das

Sprachexperiment selbst findet in einer Mammutbibliothek statt, wo Bücher selbst als Sitzgelegenheit und

Streckbank für Eliza dienen.

Die Ascot-Szenen werden auf einer großen Treppentribüne präsentiert und die „Straße, wo du lebst“ rahmt ein Passepartout, das ein wenig an das Hamburger Chile-Haus erinnert. Gertenschlacks-Tenor Martin Platz gibt hier als Freddy Eynsford-Hill alias Zigareddnberschla ein schönes Debüt als neues Ensemblemitglied. Auch sonst lebt die Aufführung neben den virtuosen Klopf- und Stampfbaletten […] von brillanten Darstellerleistungen. […] Schobers Higgins ist keineswegs so ein arroganter Dandy wie er einem oft begegnet. Fast hat man ein wenig Sympathie für den drakonischen Lehrmeister, weil man mitkriegt, welche Mama ihn auf dem Gewissen hat. Die Frage, ob eine Frau nicht einfach wie ein Mann sein kann, beantwortet Mrs. Higgins in Gestalt von Martin Rassau mit steinerner Einheitsmimik und dem natürlich allergrößten Hutmodell ziemlich auffällig. Durchaus femininer und wie geschaffen für die große Robe: Henriette Schmidt. Sie bleibt ihren Eliza-Part, zwar einige Gesangshöhen schuldig, aber ihren Urzustand als fränkischen Rotzlöffel nimmt man ihr voll ab. Dass Ausdrucksvermögen, großes Herz und edle Gefühle nicht immer konform gehen, gilt nicht nur für die britische Klassengesellschaft, sondern auch für unsere Breiten. Eine Botschaft, die Regisseur Thomas Enzinger mit seiner zielgerichteten Personenregie glaubhaft vermittelt. Da darf Oberst Pickering (Richard Kindley) tatsächlich das „Schwänzchen in die Höh“ physisch versinnbildlichen. Teresa Erbe gibt eine Haushälterin mit intimer Liebe zum Whiskey. Vollgas gibt Volker Heißmann als versoffener Alfred Doolittle: Ein bisschen hinterfotzig, ein bisschen bauernschlau, und trägt doch eine gute Seele auf der fränkisch weichgeklopften Zunge. Aus „Bringt mich pünktlich zum Altar“ wird da ein großer, quirliger Show-Act, bei dem Bewegungsensemble und Chor (Einstudierung Tarmo Vaask) schon mal als Rollgrund für den neureichen Müllkutscher dienen dürfen. Und noch ein Debüt: Der 29-jährige Ungar Gábor Káli, […] befehligt die staatsphilharmonische Kapelle. Die frischt den Musicalsound üppig sinfonisch auf […]. Riesenbeifall für Akteure und uneingeschränktes fränkisches Lob in Superlativform: Des wor fei werkli ned schlechdd!

Jens Voskamp

„My Fair Lady" – Nürnberg Zeitung - 14.11.2011

Jetzt spricht Eliza Doolittle also Fränkisch. Trotzdem kommt das berühmteste Musical-Blumenmädchen der

Welt auch in Thomas Einzingers Nürnberger Inszenierung von Frederick Loewes „My Fair Lady“ nicht aus

London heraus. Das fränkische Komiker-Duo Volker Heißmann und Martin Rassau hat Robert Gilberts

deutsche Textfassung […] nur in den Dialektpassagen umgeschrieben und das Berlinerische durch die

lokale Mundart ersetzt.

Sonst bleibt weitgehend alles beim Bewährten, weshalb die Zeiger der Uhr im U-Bahnhof Covent Garden,

dessen Eingangsportal Bühnen- und Kostümbildner Toto in realistischer Manier nachgebaut hat, um keinen

Millimeter vorrücken. [..]

Humor aber ist, wenn man trotzdem lacht – und die zeitlosen Qualitäten von „My Fair Lady“ liegen eh in der

Musik und im Spielwitz. Letzteren verkörpert bei der Premiere am Samstagabend im Opernhaus vor allem

Volker Heißmann als Müllkutscher und Elizas Vater Alfred P. Doolittle überzeugend. Schlitzohrig und

vierschrötig, verschmitzt und bauernschlau, ist er der einfache Mann aus dem Volk, der als betrunkener

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Tölpel in die feine Welt von Higgins und seinem Freund Oberst Pickering (Richard Kindley als routinierter

Gentleman-Darsteller) hineingestolpert wie ein Elefant in den Porzellanladen.

Kurt Schober bleibt bei Henry Higgins dagegen einiges schuldig: Da schimmert immer wieder zu viel Charme

des in Wien geborenen Baritons durch, um den tiefschwarzen Zynismus des überzeugten Junggesellen. […]

Henriette Schmidt […] muss sich als gebürtige Lübeckerin – mit Musicalausbildung – dagegen erst einmal

ihr Kunst-Fränkisch erkämpfen. […] Trotz der ungewohnten Dialektanstrengung gibt sie Eliza viel trotzige

Sturkopf-Energie, während sie in Nummern wie „Wart’s nur ab!“, „Es grünt so grün“, „Tu’s doch“ oder „Ohne

dich“ die Expressivität ihres Gesangs noch steigern könnte.

Aber die elektronische Verstärkung durch die Mikroports verbreitert eh die mittleren Töne und schärft die

Höhen, weshalb alles auf den heute üblichen professionell-profillosen Musical-Sound hinausläuft. Gábor Káli

[…] trieb die klein besetzten Philharmoniker zu hohem Tempo und schlagzeugsatter Wucht an. Das passt

gut zu Nummern wie „With a Little Bit of Luck“ oder „Get Met o the Church on Time“[…].

Gern geht die Regie etwas weitschweifend in die Breite, lässt den Chor auf- und die Tänzer des

Bewegungsensembles hochfahren, zeigt die Szene beim Pferderennen in Ascott – mit Martin Rassau als

köstlich distinguierter Mutter von Higgins – in leuchtender Farbenpracht oder lässt Martin Platz als Elizas

Verehrer Freddy samt Haustür gleich vor Glück schweben. So viel treuherzig erzeugte gute Stimmung

erntete verdientermaßen großen Jubel.

Thomas Heinold

„My Fair Lady“ – Fränkischer Tag – 14.11.2011

[…]Die beiden [Heißmann & Rassau] haben eine erstklassige Dialektversion des Stücks erstellt

und sind als Darsteller, gerade weil sie hier zurückgenommen agieren, zwei wunderbare, hoch

professionelle Rampensäue, die man erlebt haben muss.

[…] Die Produktion punktet genauso mit der übrigen, leider noch nicht so prominenten Besetzung.

Schauspielerin Henriette Schmidt ist eine Eliza Doolittle, die auf Anhieb die berühmten

Rollenvorbilder, die man im Kopf und im Ohr hat, verschwinden lässt. Ihre Elizar ist immer noch

eine rotzfreche Göre, aber in der fränkischen Variante: a jungs Maadla mid aaner Schwertgoschn

halt, die a Lady sein mechert … […]

Wenn man sie in ihrem weichem Fränkisch so schnell daherreden und –singen hört, kann man

kaum glauben, dass Henriette Schmidt eine gebürtige Lübeckerin ist. Die Sprechübungen, mit

denen Higgins Eliza quält, kennt sie quasi aus ihrer konkreten Rollenvorbereitung. Sie musst den

Dialekt erst einmal selber für sich entdecken und lernen, unter Mithilfe einer entsprechenden

Lehrerin. […]

Martin Rassau als Professoren-Mutter Mrs. Higgins ist so perfekt geschminkt und kostümiert, dass

man ihn unter den ebenfalls schön ausstaffierten Chordamen beim Pferderennen in Ascot nur

erkennt, wenn man ihn sucht. Und er spielt die Lady ganz unklamottig zurückhaltend und

hingebungsvoll. Chapeau!

Was noch mehr für Volker Heißmann in der größeren Rolle als Alfred P. Doolittle gilt. Mit seiner

umwerfenden Bühnenpräsenz und seinem beachtlichen tänzerischen Können macht er unschwer

wett, dass Gesang eigentlich nicht seins ist. Man kann sich einfach nicht satt sehen an diesem

Vollblut-Entertainer, der seinen Laden da oben so gut im Griff hat, dass man sicher nicht nur in den

vorderen Parkettreihen Tränen lacht.

Für die musikalischen Höhepunkte sorgt vor allem Kurt Schober als Henry Higgins, seines

Zeichens Phonetikprofessor und eingefleischter Junggeselle. Das ist hier kein vertrottelter

Forscher, sondern ein eleganter Mann in voller Blüte, der erst spät aber nicht zu spät seine

Scheuklappen absetzt. Schober spricht, spielt, singt und tanzt mit jener seltenen Operetten-

Selbstverständlichkeit, die einem angeboren sein muss.

Waschecht klingt übrigens der englische Akzent von Richard Kindley als Oberst Pickering,

während Teresa Erbe als die Haushälterin Mrs Pearce ein bisschen böhmackln darf und Martin

Platz als Freddy Eynsford-Hill auch optisch genau die Figur für a vornehms Zigareddenberschla

mitbringt. Alle weiteren Solisten, Tänzer und Choristen bewegt Regisseur Thomas Enzinger

ebenfalls so gekonnt, dass es einem ganz normal vorkommt, wenn der gemeine Londoner

fränkisch spricht.[…]

Monika Beer

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DER KOMPONIST: Frederick Loewe

Frederick Loewe wurde am 10. Juni 1901 als Friedrich (Fritz) Löwe in Wien geboren. Sein Vater Edmond war als Sänger und Schauspieler in der ganzen Welt unterwegs, weshalb Friedrich bei seiner Mutter in Berlin aufwuchs. Dorthin hatte sie eine Rolle des Vaters verschlagen – er war der erste Berliner Danilo in „Die lustige Witwe“. In Berlin ging Fritz von seinem fünften bis zum 13. Lebensjahr auf die Kadettenschule. Er fühlte sich dort sehr allein gelassen, denn für seine Eltern war die Unterbringung in dieser Schule vor allem eine pragmatische Lösung; ihr Junge war versorgt während sie beruflich durch die Welt touren konnten. Eine von Friedrichs schlimmsten Erinnerungen war ein einsames Weihnachten, das er mit nur zwei oder drei anderen Jungen in der Schule verbringen musste. Wegen dieser Erfahrung blieb Weihnachten für ihn in seinem späteren Leben bedeutungslos. Im Alter von sieben oder acht Jahren brachte sich Fritz zunächst selbst das Klavierspielen bei. Er spielte einfach die Lieder nach, die sein Vater gerade für die neuen

Operetten übte. Fritz zeigte sich dabei so talentiert, dass er in der Lage war das gesamte Stück zu spielen und seinen Vater während des Übens zu helfen. Das beeindruckte seinen Vater sehr. Er regte an, dass sein Sohn Musikstunden bekommen sollte. Seine Mutter aber hielt die Begabung Friedrichs für völlig normal und tat sie mit dem Satz ab: „Oh, das kann doch jeder.“ Zum Glück wurde Friedrichs Begabung doch erkannt und gefördert. Er besuchte nach seiner Schullaufbahn das Berliner Konservatorium und war als Konzertpianist tätig. 1925 erhilet Edmond Löwe ein Angebot in New York. Fritz folgte ihm, wollte dort aber auch endlich seine eigenen Wege gehen. Er träumte davon den Broadway zu erobern. Natürlich war dieses Vorhaben kein leichtes Unterfangen. Frederick, so wie er sich in den USA nannte, musste oft Hunger leiden und war zeitweise obdachlos. Er fand dann aber doch Arbeit im detuschen Viertel von New York City. Dort spi9elte er Klavier in deutschen Clubs oder im Kino, wo er Stummfilme live mit Musik begleitete. Er erfand die Musik zu diesem Zeitpunkt noch nicht selber, sondern bekam für jeden Film eine Partitur vorgelegt. Doch Fredericks erste Diensttat an den Kinoarbenden war es, diese Partitur in den Müll zu werfen und seine eigenen Melodien zu den auf der Leinwand laufenden Bildern zu erfinden. Er entdeckte dabei seine großartige Fähigkeit für diese Art der Improvisation und fand Freude an seiner Arbeit. Doch führte diese Einstellung auch zu einigen Schwierigkeiten. In seinem ersten Filmtheater sollte jede Vorstellung mit der amerikanischen Nationalhymne eröffnet werden, doch Frederick kannte diese nicht gut. Also improvisierte er eine neue Nationalhymne aus dem Stehgreif. Das fiel natürlich auf und die Theaterbesitzer drohten ihm mit der Kündigung, wenn er die Hymne nicht ordentlich spielen könnte. Frederick begann eine sehr beliebte Nachtkneipe in New York City zu besuchen – „The Lambs Club“. Hier war ein Treffpunkt für Theaterleute, Stars, Produzenten, Manager und Direktoren. Eines abends traf er dort zufällig Alan J. Lerner. Frederick ging auf ihn zu und sprach ihn an. Sie kamen ins Gespräch. Alan erzählte ihm davon, dass er die Idee einer Show namens „Great Lady“ hatte. Die beiden beschlossen dieses Projekt zusammen in Angriff zu nehmen. Es wurde zwar kein voller Erfolg, aber für Frederick war es das erste Mal, dass seine Musik in der Öffentlichkeit rezensiert wurde. Ihr nächstes gemeinsames Projekt „The Day before Spring“ war schon etwas erfolgreicher und das Team Loewe-Lerner begann sehr positive Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Ihr Durchbruch gelang ihnen dann mit dem Stück „Brigadoon“, welches weitweite Beachtung fand. Frederick Loewe hatte es endlich geschafft – im dem für das Showbusiness schon stolzen Alter von 47 Jahren – sein Ruf als Komponist war etabliert. 1952 schaffte das Musical „Paint Your

http://www.frederickloewe.org/fritz/images/FL-pubidx.jpg

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Waggon“ es an den Broadway, gefolgt vom Klassiker „My Fair Lady“ (1956). Im ersten Jahr der Laufzeit von „My Fair Lady“ ging Frederick oft zu den Leuten, die vor der Kasse auf dem Bürgersteig übernachtet hatten, um an Karten zu kommen und bot diesen Kaffee an. Wenn sie ihn nach seinem Beweggrund fragten und ihn anstarrten als wäre er verrückt, antwortete er: „Weill ich der Komponist bin.“ Natürlich wollten die Leute ihm nicht glauben und hielten ihn weiterhin für verrückt. Die Eröffnung der nächsten Produktion „Camelot“ wurde von der Kritik zerrissen. Direktor und Produzent hatten daraufhin die Idee, die Broadway-Stars Richard Burton, Julie Andrews und Rober Goulet während der Ed Sullivan Show auftreten zu lassen und ein paar Nummern aus dem Musical zu geben zusammen mit einem Auftritt von Alan und Frederick. Am nächsten morgen war der Kartenschalter mit Anfragen überflutet und „Camelot“ wurde ein voller Erfolg. Jedoch stritten sich Alan und Fritz während dieser Produktion, woraufhin Fritz beschloss dem Showbusiness den Rücken zu kehren. Er schrieb nichts mehr bis Alan J. Lerner erneut auf ihn zu kam. Dieses Mal mit Antoine de Saint Exuperys Geschichte „Der kleine Prinz“. Fritz verliebte sich in die Geschichte und begann im Alter von 71 Jahren noch mal an einem Musical zu schreiben. Alan und Frederick kreierten ein einfaches Stück, welche die magischen Elemente des Buches einfingen. Doch das neue Musical fiel der neuen Hollywood-Industrie zum Opfer, welche genau diese Elemente auslöschte. Fritz weigerte sich zudem nach London zu fliegen, um die Arrangements und Aufnahmen zu überwachen. Das Ergebnis war ihr einziger wirklicher Flop. Fritz blieb in seinem Alterssitz Palm Springs California bis zu seinem Tod 1988.

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DER LIBRETTIST: Alan J. Lerner

Alan J. Lerner wurde am 31. August 1918 in New York City geboren. Er genoss eine gute schulische Ausbildung, so dass er ab xxxx an der Harvard University und an der Juillard School of Music (zwei der renommiertesten Hochschulen der USA) studierte. Seine Kommilitonen waren unter anderen John F. Kennedy und Leonard Bernstein. Schon während seiner Studienzeit schreib er Sketche und Songtexte für zwei „Havard Hasty Pudding“-Shows. 1940 schloss er sein Studium in Harvard ab und arbeitete zunächst als Rundfunkredakteur. Gleichzeitig schrieb er Songs für diverse Radioshows. Lerner hatte oft Schwierigkeiten beim Schreiben seiner Liedtexte. Stets an seiner eigenen Leistung zweifelnd dauerter es oft Monate bis er einen Song fertig hatte, weil er sie dauernd neu schrieb. 1941 wurden zwei Stücke, die Lerner während seiner Studienzeit an der Harvard University geschrieben hatte, am Broadway aufgeführt. Sie waren jedoch kein Erfolg.

1942 begann seine sehr fruchtbare Zusammenarbeit mit Frederick Loewe. Beide lernten sich zufällig im „Lambs Club“ in New York City kennen. Wer konnte ahnen, dass dieses Zusammentreffen in eine über mehrere Jahre andauernde fruchtbare Zusammensarbeit münden würde? Ihr erstes gemeinsames Projekt war eine Show in Detroit, „Life of the Party“. Trotz einiger zwischenmenschlicher Schwierigkeiten zwischen den beiden, schrieben sie über mehrere Jahre gemeinsam eine Reihe von Songs für den Broadway. 1943 machte Lerner wieder einen Versuch den Broadway zu erobern. Es folgten mehrere Coproduktionen mit Loewe, darunter „What’s up“ (1943), „The Day Before Spring“ und „Brigadoon“ (beide 1946), was ihr erster Erfolg war. Lerner arbeitete 1948 außerdem kurz mit Kurt Weill zusammen, mit dem er sein nächstes Stück „Love Life“ erarbeitete. Seinen ersten Welterfolg errang Lerner mit dem Drehbuch zu dem Film „An American in Paris“ und erhielt 1952 dafür den Oscar. 1956 folgte „My Fair Lady“, welches das Musical werden sollte, was am längsten am Broadway lief bis der Rekord von Andrew Lloyd Webbers „Cats“ gebrochen wurde. Es folgte 1958 der Musicalfilm „Gigi“, für den Lerner abermals zwei Oscars (bestes adaptiertes Drehbuch und bester Song zusammen mit Loewe) erhielt. Zwei Jahre später verstritt er sich bei dem gemeinsamen „Camelot“-Projekt mit Loewe, woraufhin Loewe sich aus dem Showgeschäft zurückzog und fortan die Zusammenarbeit mit Lerner verweigerte. Lerner sagte über Loewe: „Es wird nie einen anderen Fritz geben. Schreiben wird nie wieder so viel Spaß machen. Eine Zusammenarbeit, die so intensiv wie unsere war, musste einfach sehr komplex sein. Aber ich liebte ihn mehr als ich in ver- oder missverstand, und ich weiß, dass es andersherum genauso war.“ Lerner versuchte nach 1960 an die vorherigen Erfolge anzuknüpfen, was jedoch selbst bei einer Zusammenarbeit mit Leonhard Bernstein (seinem Studienkollegen in Harvard) misslang. 1986 verstarb Lerner am 14. Juni in New York City.

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INTERVIEW HENRIETTE SCHMIDT (ELIZA DOOLITTLE) IM IMPULS NOVEMBER/DEZEMBER 2011

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