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Traumberuf Lokomotivführer Wenn du dich in der Schule ordentlich anstrengst und dann studierst, dann wird mal was aus dir! – So oder ähnlich wurden viele von uns von ihren Eltern motiviert. Und die Mehrheit der Leserinnen und Leser dürfte dieser Empfehlung gefolgt sein und kann ein abgeschlossenes Studium vorweisen. Doch haben die Eltern sich das mit dem „dann wird mal was aus dir“ in vielen Fällen sicherlich anders vorgestellt: Eine immer größere Zahl von studierten MusikerInnen und MusikpädagogInnen arbeitet unter prekären Bedingungen in befristeten oder pseudoselbstständigen Beschäfti- gungsverhältnissen. Wer krank wird, wird auch nicht bezahlt, und wenn die Krank- heit zu lange dauert, dann übernimmt eben eine neue gesunde Honorarkraft die Schüler – Pech gehabt! Wer so krank wird, dass er seinen Beruf überhaupt nicht mehr ausüben kann, der steht vollends im Regen. Das aufwändige Studium ist in anderen Berufen wenig wert, schlimmer noch: Der freundliche Mitarbeiter der Arbeitsagentur wird nicht selten den Kopf schütteln und „überqualifiziert“ vor sich hin murmeln. Dabei ist das Risiko einer Erkrankung für Musikpädagoginnen und -pädagogen gar nicht so gering, wie man meinen könnte. Die Fähigkeit, sein Instrument zu spielen, kann man ganz leicht auch durch eher unspektakuläre Krankheiten einbüßen. Hinzu kommt der immer häufigere Einsatz von Instrumental- und Gesangspädago- gen an allgemein bildenden Schulen und hier besonders gerne auch an Brennpunkt- schulen, nicht selten speziell mit dem Gedanken der Krisenprävention oder -inter- vention. Damit sind sie den gleichen Stressfaktoren ausgesetzt, denen auch ihre fest- angestellten und verbeamteten Kollegen oft hilflos gegenüberstehen. Doch während die verbeamteten Lehrkräfte durch die Regelungen zur Dienstunfähigkeit abge- sichert sind, kümmern die Probleme der MusikpädagogInnen niemanden. Die einzi- ge Möglichkeit zur Absicherung, die Berufsunfähigkeitsversicherung, ist eine eher theoretische, wie der Artikel auf Seite 5 bis 7 zeigt. Dass es auch anders geht, zeigt die Deutsche Bahn mit ihrem aktuellen Tarifvertrag: Niemand wird betriebs- oder krankheitsbedingt gekündigt. Hier übernimmt ein Un- ternehmen tatsächlich Verantwortung für seine Mitarbeiter. Nebenbei dürfte dies sicher auch gut für die Bindung der Mitarbeiter ans Unternehmen und deren Moti- vation sein. Aber bei Musikschullehrkräften ist so etwas nicht nötig, die motivieren sich schließlich selbst – und überhaupt ist das in diesem Bereich nicht so wichtig: Es geht in der Regel schließlich nur um Kinder! Jürgen Simon Immer mehr öffentliche Musikschulen be- antragen beim Verband deutscher Musik- schulen Fördermittel im Rahmen der bun- desweiten Bildungsinitiative „Kultur macht stark“. Aktuell leitet der VdM im Rahmen seines Verbandskonzepts „MusikLeben!“ Fördermittel an 260 Projekte weiter. Da- mit ist der VdM einer der Programmpart- ner mit den meisten Projekten. Im Rahmen der vierten Ausschreibung können sich wieder öffentliche Musikschulen und ihre Kooperationspartner mit Projekten für be- nachteiligte Kinder oder Jugendliche um eine „MusikLeben!“-Förderung bewerben. Einsendeschluss ist der 11. April 2014. www.vdm-musikleben.de musikschule )) DIREKT 2.2014 Integrierter Musikzug Baden-Württemberg Berufsunfähigkeits- versicherung Community Music in Deutschland ) Sie haben Fragen, Anregungen, Tipps oder Hinweise für die Redaktion? ) Sie möchten sich kritisch äußern zu unseren Themen und Beiträgen oder haben Vorschläge für neue Themen? Schreiben Sie uns: [email protected]

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Traumberuf Lokomotivführer

Wenn du dich in der Schule ordentlich anstrengst und dann studierst, dann wird malwas aus dir! – So oder ähnlich wurden viele von uns von ihren Eltern motiviert. Unddie Mehrheit der Leserinnen und Leser dürfte dieser Empfehlung gefolgt sein undkann ein abgeschlossenes Studium vorweisen. Doch haben die Eltern sich das mitdem „dann wird mal was aus dir“ in vielen Fällen sicherlich anders vorgestellt: Eineimmer größere Zahl von studierten MusikerInnen und MusikpädagogInnen arbeitetunter prekären Bedingungen in befristeten oder pseudoselbstständigen Beschäfti-gungsverhältnissen. Wer krank wird, wird auch nicht bezahlt, und wenn die Krank-heit zu lange dauert, dann übernimmt eben eine neue gesunde Honorarkraft dieSchüler – Pech gehabt!Wer so krank wird, dass er seinen Beruf überhaupt nicht mehr ausüben kann, dersteht vollends im Regen. Das aufwändige Studium ist in anderen Berufen wenigwert, schlimmer noch: Der freundliche Mitarbeiter der Arbeitsagentur wird nichtselten den Kopf schütteln und „überqualifiziert“ vor sich hin murmeln. Dabei ist dasRisiko einer Erkrankung für Musikpädagoginnen und -pädagogen gar nicht so gering,wie man meinen könnte. Die Fähigkeit, sein Instrument zu spielen, kann man ganzleicht auch durch eher unspektakuläre Krankheiten einbüßen.Hinzu kommt der immer häufigere Einsatz von Instrumental- und Gesangspädago-gen an allgemein bildenden Schulen und hier besonders gerne auch an Brennpunkt-schulen, nicht selten speziell mit dem Gedanken der Krisenprävention oder -inter-vention. Damit sind sie den gleichen Stressfaktoren ausgesetzt, denen auch ihre fest-angestellten und verbeamteten Kollegen oft hilflos gegenüberstehen. Doch währenddie verbeamteten Lehrkräfte durch die Regelungen zur Dienstunfähigkeit abge -sichert sind, kümmern die Probleme der MusikpädagogInnen niemanden. Die einzi-ge Möglichkeit zur Absicherung, die Berufsunfähigkeitsversicherung, ist eine ehertheoretische, wie der Artikel auf Seite 5 bis 7 zeigt.Dass es auch anders geht, zeigt die Deutsche Bahn mit ihrem aktuellen Tarifvertrag:Niemand wird betriebs- oder krankheitsbedingt gekündigt. Hier übernimmt ein Un-ternehmen tatsächlich Verantwortung für seine Mitarbeiter. Nebenbei dürfte dies sicher auch gut für die Bindung der Mitarbeiter ans Unternehmen und deren Moti-vation sein. Aber bei Musikschullehrkräften ist so etwas nicht nötig, die motivierensich schließlich selbst – und überhaupt ist das in diesem Bereich nicht so wichtig: Esgeht in der Regel schließlich nur um Kinder!

Jürgen Simon

Immer mehr öffentliche Musikschulen be-antragen beim Verband deutscher Musik-schulen Fördermittel im Rahmen der bun-desweiten Bildungsinitiative „Kultur machtstark“. Aktuell leitet der VdM im Rahmenseines Verbandskonzepts „MusikLeben!“Fördermittel an 260 Projekte weiter. Da-mit ist der VdM einer der Programmpart-ner mit den meisten Projekten. Im Rahmender vierten Ausschreibung können sichwieder öffentliche Musikschulen und ihreKooperationspartner mit Projekten für be-nachteiligte Kinder oder Jugendliche umeine „MusikLeben!“-Förderung bewerben.Einsendeschluss ist der 11. April 2014.www.vdm-musikleben.de

musikschule )) DIREKT

2.2014 Integrierter Musik zugBaden-Württemberg

Berufsunfähigkeits -versicherung

Community Musicin Deutschland

) Sie haben Fragen, Anregungen,Tipps oder Hinweise für die Redaktion?

) Sie möchten sich kritisch äußern zu unseren Themen und Beiträgen oder haben Vorschläge für neue Themen?

Schreiben Sie uns:[email protected]

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Die flächendeckende Einführung derGanztagsschule schreitet kontinuierlichvoran. Dass dies Probleme für außer-schulische Aktivitäten von Kindern undJugendlichen mit sich bringt, ist mittler-weile bekannt – ebenso wie die Folgender verkürzten Schulzeit an Gymnasien(G8): Es bleibt immer weniger Zeit, einHobby auszuüben – schon gar nicht einso aufwändiges wie das Erlernen einesInstruments, das mit einem erheblichenZeitaufwand verbunden ist.

)) Der DTKV Baden-Württemberg hat nunein Modell entworfen, das eine Lösungs-möglichkeit für das Problem des rückläufi-gen Instrumentalunterrichts mit all seinennegativen Auswirkungen auf die gesamteMusiklandschaft bieten soll, indem es denInstrumentalunterricht in die Ganztags-schule integriert.1 Dadurch soll die beruf-liche Existenz der MusikpädagogInnen,die durch das immer kleiner werdendeZeitfenster der Schüler für den Instrumen-talunterricht hochgradig bedroht ist, auf-gewertet und gesichert, der Niedergangder gewachsenen Musik-Kulturlandschaftaufgehalten und ein Zuwachs des Anteilsdeutscher Musikstudierender an den Mu-sikhochschulen erreicht werden.Ekkehard Hessenbruch, Jutta Palzhoff, UtaHaffner und Romuald Noll haben gemein-sam ein modulares System entwickelt, dasbereits in der 1. Klassenstufe ansetzt unddie gesamte Schulzeit hindurch bis zur10. Klasse an allen Schultypen fortgeführtwerden kann. Vorbild ist das bereits seitJahren praktizierte Modell des Musikpro-fils in der gymnasialen Oberstufe. DieGrundidee ist die eines Musikzugs an allenSchulen, der von den SchülerInnen abKlasse 1 frei wählbar ist: der IntegrierteMusikzug Baden-Württemberg (IMBW).Wer diesen Musikzug wählt, soll von Be-

treuungs- bzw. Unterrichtsstunden befreitwerden und die Schule verlassen können,um eine Musikschule zu besuchen. DerUnterricht an der Musikschule soll entwe-der am Nachmittag parallel zum Betreu-ungsbereich oder sogar parallel zum schu-lischen Pflichtunterricht stattfinden.Die Urheber des Konzepts erhoffen sichdurch die Integration eine größere Nach-frage nach Instrumentalunterricht, auchvon SchülerInnen aus sozial oder ökono-misch schlechter gestellten Elternhäusern,da auch diese Kinder durch die dargebote-nen Präsentationen der Musikzug-KlassenLust bekommen könnten, sich ebenfallsmusikalisch zu betätigen. Für diese Schü-lerInnen wird die Forderung erhoben, sieim Bedarfsfall von den an der Musikschuleanfallenden Unterrichtsgebühren zu be-freien.

Modulares Systemmit Zeugnisrelevanz

Die angebotenen Module gliedern sich inPflicht- und Wahlmodule. Inhalte derPflichtmodule sind Musiktheorie und Inst -rumentalunterricht als Einzelunterricht.Aus den Wahl- bzw. Wahlpflichtmodulenkönnen über die verschiedenen Klassen-stufen hinweg verschiedene Angebote zu-sätzlich frei gewählt werden, z. B. Chor,Orchester oder Ensemble, Improvisation,interkulturelle Musik, Instrumentenkundeund anderes mehr.2 Insgesamt sind imMusikzug über ein ganzes Schuljahr bis zuzwei Wochenstunden zusätzlich zum re-gulären Musikunterricht zu belegen.Die Grundlage für die Inhalte der Modulesollen die Lehrpläne des VdM bilden. Abder 8. Klasse könnten die zusätzlichen Mu -sikstunden in den Musikzug-Klassen statteiner weiteren Fremdsprache oder Natur-wissenschaft/Technik belegt werden.

Es ist vorgesehen, dass die jeweils auf demInstrument erbrachten Leistungen mit indie Musiknote einfließen, wie es bereits imProfilbereich der Oberstufe praktiziertwird. Dabei soll die Musiknote durch denInstrumentalbeitrag nur verbessert, nichtaber verschlechtert werden können. Schü-lerInnen, die sich an einem Ensemble oderOrchester beteiligen, sollen durchweg dieNote „sehr gut“ erhalten. Durch die Beno-tung, die allein von der Lehrkraft vorzuneh -men ist, die den schulischen Musikunter-richt erteilt, versprechen sich die Urheberdes Modells einen rechtlich geschütztenRaum für die Ausübung musikalischer Ak-tivitäten, wobei für die Schüler auch dieMöglichkeit besteht, aus dem Musikprofilwieder auszusteigen.

Positive Ansätzeund offene Fragen

Grundsätzlich ist es begrüßenswert, Mo-delle zur Lösung der Ganztagsschulprob -lematik zu entwickeln. Aber so überzeu-gend der Ansatz auf den ersten Blickwirkt, finden sich doch auch einige zu kri-tisierende bzw. ungeklärte Punkte, auf diedas Modell bisher keine Antwort gibt.Für das Modell spricht zunächst, dassmög licherweise mehr Eltern ihre Kinderfür den Instrumentalunterricht anmeldenund die Bequemlichkeit zu schätzen wis-sen, dass sie ihre Kinder nicht zur Musik-schule bringen müssen, da der Unterrichtüberwiegend während der Schulzeit statt-findet.3 Allerdings wird es Regionen ge-ben, in denen der Weg zur Musikschuleund zurück zuzüglich 30 Minuten Instru-mentalunterricht keineswegs in einer einzi -gen Schulstunde von 45 Minuten zu schaf -fen ist, abgesehen davon, dass zumindestbei jüngeren SchülerInnen das Prob lembesteht, dass diese auf dem Weg von einer

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Integrierter MusikzugBaden-Württemberg

Ein Vorschlag des DTKV zur Lösung der Probleme, die sichdurch die Ganztagsschule für den Instrumentalunterricht ergeben

Anja Bossen

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Aufsichtsperson begleitet werden müss ten –nicht nur wegen des vorgesehenen Einzel-unterrichts und der Belegung verschiede-ner Module ein erheblicher Aufwand.Der Gedanke, dass Schüler ihre Leistun-gen auf dem Instrument in die Musiknotemit einbringen können, ist überzeugend,weil es gerecht erscheint, wenn diese ihreauch außerhalb des schulischen Musikun-terrichts erworbenen Fertigkeiten zeugnis-relevant einbringen können. Dies wird inanderen Bereichen wie Sport oder Kunstseit Jahren bereits praktiziert und ist auchlängst im Musikprofil der Oberstufe derFall. Ob etwas, das bisher im Hobby-Be-reich angesiedelt war (nämlich das Erler-nen eines Instruments oder andere musi-kalische Aktivitäten), nun künftig benotetwerden sollte, mag aus pädagogischerSicht strittig sein. Andererseits ist dagegenkaum etwas einzuwenden, wenn sich dieNote – wie im Modell vorgesehen – nurpositiv auswirken kann und so kein zusätz-licher Leistungsdruck entsteht.Ob allerdings für alle Kinder, die sich aneinem Ensemble beteiligen, zwangsläufigdie Note „sehr gut“ vergeben werden soll-te, ist fragwürdig. Denn es sind durchausUnterschiede im Übeverhalten und imKönnen zwischen den Schülern eines En-sembles zu erwarten. Warum aber solltejemand, der nicht übt, jedoch regelmäßigan Ensembleproben teilnimmt, dieselbeNote erhalten, wie jemand, der sich enga-giert und dadurch ein höheres spieltechni-sches Niveau erreicht? Diese Art der „Ein-heitsbewertung“ wäre nur dann zu recht-fertigen, wenn am Ensemble nur Kinderteilnehmen dürften, die ein Mindestmaßan Engagement zeigen; wer nur teilnimmt,um ein „sehr gut“ zu erhalten, wäre als„Trittbrettfahrer“ ausgeschlossen.Zu kritisieren ist hinsichtlich der Bewer-tung, dass die Note für den Instrumental-

unterricht nicht von der verantwortlichenInstrumentallehrkraft, sondern von demLehrer allein vergeben werden soll, derden schulischen Musikunterricht erteilt.Vermutlich wird diese Lösung angestrebt,damit Instrumentalpädagogen nicht als„eingebunden“ in den schulischen Betriebgelten und damit auf keinen Fall bean-spruchen können, fest angestellt zu wer-den (was die Kosten beträchtlich in dieHöhe treiben würde), obwohl sie wederZeit noch Ort noch die Schüler aussuchenkönnen, die sie in einer Musikprofilklasseunterrichten. Das Modell würde somit dievielerorts bereits bestehenden und oft pre-kären Honorarbeschäftigungsverhältnisseweiter zementieren. Selbst für festan -gestellte Musikschullehrkräfte müsste ge-

klärt werden, wie ihnen die durch die Zu-sammenarbeit mit der Schule entstehen-den zusätzlichen Aufgaben angerechnetwerden.Statt der zurzeit umfangreichen politi-schen Bestrebungen, Musikschullehrkräfteaus finanziellen Erwägungen heraus aufkeinen Fall in das Schulkollegium einzu-binden, sollte es für eine sinnvolle musika-lische Bildung endlich ein bildungspoliti-sches Umdenken geben. Wie können Inst -rumentalpädagogen ohne eine Möglichkeitzum (in der Arbeitszeit enthaltenen) Aus-tausch mit den anderen Lehrkräften derSchule, ohne weitere Hintergrundinforma-tionen über die Kinder und nicht einge-bunden in ein pädagogisches Gesamtkon-zept (auch nicht in ein einheitliches Ver-

Was ist ein Modul?

Eine Unterrichtseinheit mit bestimmtem Inhalt

) innerhalb einer bestimmten Zeit zu erteilen (Klassenstufe, Halbjahr…)

) darin aber flexibel nach Erfordernissen der Stufe, Klasse, Gruppe und

) nach Leistungsstand und terminlicher Belastung des Kindes

Modulumfang

1 Modul entspricht

1 Std./Woche, 1 Quartal oder

1 Std. alle 2 Wochen, 1 Halbjahr oder

9 Std. als Projekttag

2 Module entsprechen

2 Std./Woche, 1 Quartal oder

2 Std. alle 2 Wochen, 1 Halbjahr oder

18 Std. als Projekttage

4 Module entsprechen

1 Std./Woche, 1 Jahr oder

2 Std./Woche, 1 Halbjahr oder

4 Std./Woche, 1 Quartal oder

36 Std. als Projektwoche

Inhalte der Module

Musiktheorie – Pflichtbereich

entsprechend dem allgemeinen Lehrplan des normalen Schul-

fachs, also auch kompatibel mit anderen Zügen, wenn z. B. nur

drei oder sechs Schüler einer Schule das Spezialfach belegt haben

Instrumentalunterricht

Einzelunterricht, z. B. entsprechend den Lehrplänen des VdM,

angepasst auf individuellen Leistungsstand

Wahl-/Pflichtbereich

verschiedene Ausrichtungen sind möglich: Orchester oder Chor

muss in jeder Altersstufe belegt, kann aber zeitweise reduziert

oder ausgesetzt werden; Differenzierung nach Schulart; intensi-

vierter Einzel- oder Kleingruppenunterricht, Ensemble unterricht

Rhythmik, Improvisation, Musiktheater, interkulturelle Musik…

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haltenskonzept) einer Schule sinnvoll un-terrichten und an Präsentationen mitwir-ken, die wiederum dem Image der Schuledienen sollen?Aus pädagogischer Sicht muss außerdembedacht werden, dass Instrumentalunter-richt ohnehin nur Sinn macht, wenn dieSchülerInnen ausreichend Gelegenheitzum Üben haben. Es werden also Überäu-me in den Schulen benötigt, die dies er-möglichen. Wie dies angesichts der ohne-hin oft problematischen Raumsituation anSchulen gewährleistet werden soll, daraufbleibt das Modell eine Antwort schuldig.Weitere Fragen: Wie soll das Üben in denSchulen betreut werden? Sollen auch jün-gere Schüler und solche, die Probleme mitder Strukturierung des eigenen Lernenshaben, sich völlig selbst überlassen blei-ben? Nicht ohne Grund treffen die meis-ten InstrumentalpädagogInnen mit den El-tern ihrer Schüler Absprachen zur Unter-stützung des häuslichen Übens.

Kostenpflichtiger Unterrichtan der Schule?

Vor allem aber ist bei allem Optimismuseine der Hauptforderungen des DTKVwohl kaum zu erfüllen: Die Forderung,dass bezahlter Instrumentalunterricht Be -standteil schulischen Pflichtunterrichtswird und dafür notfalls auch Gesetzesän-derungen vorgenommen werden müssten.Dies ist allein aus rechtlichen Gründenkaum vorstellbar, denn hinter der Idee,dass schulischer Pflichtunterricht grund-sätzlich kostenfrei zu sein hat, steht derGedanke der Chancengerechtigkeit, zumalder schulische Musikunterricht bereits alsGrundlage einer chancengerechten musi-kalischen Bildung „für alle“ konzipiert ist.Er enthält – sofern er denn als Fachunter-richt und nicht als Rudiment innerhalb ei-

nes musisch-ästhetischen Fächerverbundsstattfindet – einen Großteil der in denPflichtmodulen des IMBW-Modells aufge-führten Inhalte.Eine plausible Begründung, weshalb Inst -rumentalunterricht zusätzlich zum schu -lischen Musikunterricht überhaupt ver-pflichtend angeboten werden sollte, lässtsich kaum finden. Denn denkt man diesenGedanken weiter, hieße das, dass auch an-dere Angebote, die den Anspruch erheben,der Bildung und Persönlichkeitsentwick-lung zu dienen (z. B. Sport oder Schach),für alle verpflichtend und im Bedarfsfallkostenfrei angeboten werden müssten.Hinzu kommt, dass bereits seit Jahren zu-mindest an den öffentlichen Musikschulenlange Wartelisten existieren, die aufgrundder chronischen Unterfinanzierung derMusikschulen nicht abgebaut werden kön-nen. Es ist daher eher unwahrscheinlich,dass eine wie auch immer politisch zusam-mengesetzte Landesregierung tatsächlichbereit sein wird, ein noch kostenintensive-res Modell zu finanzieren, es sei denn, derDruck der Öffentlichkeit wäre immens –doch damit ist angesichts der Erfahrungenbeim bisherigen Kulturabbau eher nichtzu rechnen.

Den schulischen Musik -unterricht stärken!

Wäre es daher nicht an der Zeit, den schu-lischen Musikunterricht zu stärken, wie esbereits seit Jahren von verschiedenen Ver-bänden gefordert wird, statt den schuli-schen Pflichtbereich zunehmend (preis-werteren) Musikschullehrkräften an Stellevon Schulmusikern zu überlassen?Bezüglich des Instrumentalunterrichts zeigtbereits das Beispiel „JeKi“ – auch wenn eskonzeptionelle Unterschiede zum Modelldes IMBW aufweist –, dass so manche Er-

wartung an einen schulisch eingebunde-nen Instrumentalunterricht sich nicht er-füllt, sowohl im Hinblick auf Chancen -gerechtigkeit und kulturelle Teilhabe alsauch hinsichtlich einer erhöhten Nach -frage nach Instrumentalunterricht im An-schluss an die Projektteilnahme. Und wieauch bei anderen flächendeckenden Kon-zeptionen befassen sich die Urheber desIMBW-Modells nicht mit dem Beschäf -tigungsstatus der Musikschullehrkräfte. Ankeiner Stelle wird eine Festanstellung derLehrkräfte gefordert, vielmehr ist die feh-lende Einbindung der Lehrkräfte in schu-lische Abläufe besonders dazu geeignet,mögliche Ansprüche von Honorarkräftenvon vornherein auszuschließen.Viele der hier angeführten Kritikpunkteließen sich wohl durch einfache Modifika-tionen des vorgestellten Modells lösen. Al-lerdings haben die Erfahrungen mit schu-lischen Reformen (z. B. jahrgangsübergrei-fendes Lernen, Inklusion) in den vergange-nen Jahren häufig gezeigt, dass auch fun-dierte Ideen aus finanziellen Erwägungenheraus so mangelhaft umgesetzt werden,dass sie bestenfalls keine oder aber sogarnachteilige Wirkungen haben. Das Grund-problem, die dauerhafte Unterfinanzie-rung des öffentlichen Bildungsbereichsund noch mehr des Kultursektors, sowieder mangelnde politische Wille, an dieserSituation etwas zu ändern, wird auch fürdieses Modell zur entscheidenden Gelin-gensfrage. ))

1 Der Originaltext des DTKV ist nachzulesen unterwww.dtkv-bw.de/imbw.html2 zur Übersicht über die Module siehewww.dtkv-bw.de/images/pdfs/IMBW.pdf3 Der pädagogische Wert eines außerschulischenLernorts soll an dieser Stelle nicht diskutiertwerden.

* Cornelius Hauptmann, Vorstandsvorsitzenderdes DTKV Baden-Württemberg

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„Es gibt in Stuttgart Klavierpädagogen,die aufgrund der Ganztagsschule am

Samstagabend oder sonntags zuunterrichten gezwungen sind.“ *

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)) Die Versicherungswirtschaft bietet eineVielzahl von Versicherungen gegen allemöglichen Gefahren und Risiken an. Aufviele dieser Versicherungen kann man ge-trost verzichten, da sie oft Bagatellschädenversichern, die in der Regel niemandenruinieren. Ein ganz anderer Fall sind Versi-cherungen gegen Berufsunfähigkeit. Nach-dem ausgerechnet die damalige rot-grüneBundesregierung die Berufsunfähigkeits-rente ab dem Jahr 2001 für alle nach dem1.1.1961 Geborenen abgeschafft hat, ste-hen viele Menschen im Fall einer Berufs-unfähigkeit vollkommen ungeschützt da.

Begriffsklärung

Eine Absicherung gegen Berufsunfähigkeitkann nicht mit der Absicherung gegen Er-werbsminderung verglichen werden, dieheute durch die Erwerbsminderungsrentezumindest auf einem sehr niedrigen finan-ziellen Niveau von der Rentenversiche-rung übernommen wird. Die Berufsunfä-higkeit bezieht sich auf den erlernten bzw.ausgeübten Beruf, der für die Frage einerErwerbsminderung völlig irrelevant ist.Konkret: Wenn ein Geiger eine chronischeSehnenentzündung im linken kleinen Fin-ger hat, ist er berufsunfähig – er kann nichtmehr Geige spielen. Wohingegen eine Er-

werbsminderung erst dann vorläge, wennunser Geiger keine wie auch immer ge -artete Tätigkeit mindestens drei Stundentäglich (drei bis sechs Stunden für teilwei-se Erwerbsminderung) ausüben könnte.Dabei gibt es keine Grenzen in der Frage,welche Arbeit ausgeübt werden muss undwie gering die Bezahlung für diese Arbeitsein darf. Auch die Frage, ob der Geigerüberhaupt eine Arbeit findet, spielt in die-sem Fall keine Rolle, er wäre dann eben ar-beitslos, aber nicht erwerbsunfähig.Wer sich gegen Berufsunfähigkeit absichernwill, muss dies also bei privaten Anbieterntun, und er trägt die Kosten in der Regelallein. Allenfalls bei der Steuer können dieBeiträge unter bestimmten Bedingungengeltend gemacht werden.

Für wen?

Grundsätzlich ist eine Berufsunfähigkeits-versicherung für jeden, der arbeiten muss,sinnvoll. Da solche Versicherungen aberziemlich kostspielig sind, sollte jeder über-legen, ob er die Versicherung wirklichbraucht. Dabei ist die erste und wichtigsteFrage, was passiert, wenn das Einkommenwegfällt. Handelt es sich bei dem Einkom-men um das Haupteinkommen, das drin-gend zum Leben benötigt wird, dann ist

eine solche Versicherung sehr wünschens-wert. Aber auch die Höhe des Verdienstesund der damit einhergehende Lebensstan-dard sind ein Kriterium. Wer als prekär be-schäftigte Honorarkraft an einer Musik-schule ohnehin kaum über den Hartz-IV-Satz kommt, hat im Fall einer Berufsunfä-higkeit – davon abgesehen, dass er sich ei nesolche Versicherung gar nicht wird leistenkönnen – wenig zu verlieren. Wer hinge-gen mit seinem Einkommen eine Familieund womöglich ein Häuschen im Grünenunterhalten muss, für den kann eine Be-rufsunfähigkeit leicht zur wirtschaftlichenKatastrophe werden.

Warum nicht?

Für KünstlerInnen und Lehrkräfte ist essehr schwer, überhaupt eine Versicherungzu finden, die sie versichert. Dies stellt derVersicherungsmakler Helge Kühl im Han-delsblatt fest.1 Und falls es gelingt, eineVersicherung zu finden, sind die Kostenfür diese Berufe exorbitant. Die Versiche-rer teilen die Berufe in verschiedene Risi-koklassen ein. Diese Einteilung ist aus-schließlich am Risiko der Versicherung,zahlen zu müssen, orientiert. So kommtes, dass Musiker ebenso wie Schornstein -feger in die höchste Gefahrenklasse einge-

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Gewaltige Probleme

Gegen die finanzielle Katastrophebei Berufsunfähigkeit können Versicherungen schützen – eigentlich

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Jürgen Simon

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stuft werden. Dies ist nicht durch die Gefahren des Musikerberufs begründet –Musiker pflegen nicht von Dächern zu fal-len –, sondern der Tatsache geschuldet,dass Musiker bereits mit ganz geringen ge-sundheitlichen Problemen berufsunfähigwerden können. Diese Probleme sind oftso gering, dass sie – siehe unser obiges Bei-spiel mit dem entzündeten Finger – nichteinmal ohne Weiteres zweifelsfrei diagnos-tiziert werden können.In Heft 7/2013 der Zeitschrift Finanztestwurden verschiedene Versicherungen an-hand dreier Modellkunden getestet. Dabeiwurden vor allem die Versicherungsbedin-gungen, die Qualität der Anträge und na-türlich die Preise verglichen. Allerdingswurde nur in der niedrigsten Risikoklasseein Vertrag ohne Einschränkungen unter-sucht; bereits dort kostet eine Absiche-rung, die eine monatliche Rente von 2 000Euro erbringen würde, zwischen 1 000 und2 000 Euro im Jahr. Für die höchste Risiko -klasse wurden überhaupt keine Werte er-mittelt. Für alle übrigen Risikoklassenwurden nur Verträge mit einer Einschrän-kung der Laufzeit bis zum 60. Lebensjahrgetestet, um die Kosten in einem akzeptab -len Rahmen zu halten. Eine später eintre-tende Berufsunfähigkeit wäre dann nichtmehr versichert.

Sehr jung, sehr gesund!

Ein weiterer Kostenfaktor sind Alter undGesundheitszustand. Im Idealfall sollteman seinen Vertrag bereits zu Beginn desStudiums abschließen. Da die Versiche-rungen zumindest bei den guten Tarifen

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die Möglichkeit bieten, die Versicherungs-summe auch nachträglich bis zu einem gewissen Grad ohne weitere Gesundheits-prüfungen zu erhöhen, ist ein so frühzeiti-ger Abschluss nicht so abwegig, wie es zu-nächst erscheinen mag, denn mit steigen-dem Eintrittsalter steigen auch die Beiträ-ge enorm an.Auch der Gesundheitszustand spielt eineerhebliche Rolle dafür, ob überhaupt, mitwelchen Einschränkungen und zu welchenKonditionen man einen Vertrag abschlie-ßen kann. Selbst triviale Erkrankungen wieAkne oder Heuschnupfen können zu Ver-tragseinschränkungen oder Risikozuschlä-gen führen. Bei gravierenderen Vorerkran-kungen wie chronischer Bronchitis oderpsychischen Erkrankungen ist sogar mit ei-ner Ablehnung zu rechnen.Die Angaben zum Gesundheitszustand sindeiner der kritischsten Bereiche beim Ab-schluss einer Versicherung. Den Anträgensind umfangreiche Fragebögen zum Ge-sundheitszustand und zu Vorerkrankungenbeigefügt. Oft sind diese Fragen so detail-liert, dass sie ohne ärztliche Hilfe kaumausgefüllt werden können. Es ist durchausempfehlenswert, diesen Fragebogen mitden eigenen Ärzten durchzugehen. Denndie Versicherungen akzeptieren die einge-reichten Fragebögen in der Regel ohneweitere Nachfragen. Erst wenn der Ver -sicherungsfall eintritt, prüft die Versiche-rung sehr akribisch, ob die beim Vertrags-abschluss gemachten Angaben absolutkorrekt und vollständig waren. Es geht beiBerufsun fähigkeitsversicherungen schließ-lich um enorme Summen, die die Versi-cherungen bezahlen müssen.

Berufsunfähig!

Wenn ein Versicherter z. B. mit 50 Jahrenberufsunfähig wird und eine Rente von2 000 Euro im Monat bekommt, dann kos-tet das die Versicherung bis zum Renten-eintritt weit über 400 000 Euro. Da Versi-cherungen auch nach jahrelang hingezoge-nen Prozessen nicht mehr bezahlen müs-sen, als im Vertrag maximal vereinbart ist,häufig jedoch am Ende eines Prozesses einfür sie deutlich preiswerterer Vergleichsteht, lohnt es sich für sie, jeden Ansprucherst einmal abzuweisen. Hingegen stehtder Betroffene häufig ohne Einkommenund Unterstützung da, und die Zeit spieltden Versicherern in die Hände.2

Es muss sich also jeder Versicherte, der dieLeistung im Fall einer Berufsunfähigkeit inAnspruch nehmen will, darauf einstellen,umfangreiche Auseinandersetzungen mitseiner Versicherung führen zu müssen, so-fern er nicht gerade beide Arme und Beineeingebüßt hat. Solche Auseinandersetzun-gen können nicht nur langwierig und zer-mürbend sein – gerade in einer Zeit, in derman aufgrund der eingetretenen Berufs -unfähigkeit ohnehin stark belastet ist –, siekönnen auch extrem kostspielig werden.Nicht selten werden zahlreiche Gutachterbenötigt, und ohne Rechtsanwalt sind sol-che Auseinandersetzungen unmöglich zuführen.Für diesen Fall ist eine Rechtsschutzversi-cherung von enormer Bedeutung. Aller-dings lauern auch hier wieder einige Tü-cken. Rechtsschutzversicherungen tretennicht für Streitigkeiten ein, deren Ursachevor Vertragsabschluss liegt. Dies kann zu

Informationspaket

Wer sich einen Überblick über dieMöglichkeiten zur Absicherung ge-gen Berufsunfähigkeit verschaffenwill, kann ein umfangreiches Infor-mationspaket der Stiftung Waren-test erwerben. Die fünf Euro für dasPaket, das auch den Test aus Finanz-test 7/13 enthält, sind gut angelegt.

www.test.de/Themenpaket-Berufs-unfaehigkeitsversicherung-Alle-Tests-und-Infos-4474292-0

Berufsgruppe 1

akademische Berufeohne besondere Ge-fährdungen sowiePersonen mit abge-schlossener Berufs-ausbildung, die imInland mehr als 75 %im Büro arbeiten

Beispiele:Apotheker, Archi-tekt, Bankangestell-ter, Diplomfinanz-wirt, Unternehmens-berater, Steuerbera-ter, Rechtsanwalt,Psychologe

Prämienniveau:100 %

Berufsgruppe 2

einfache Büroarbei-ten und teilweisekörperliche, ma -nuelle oder kreativeTätigkeiten ohneGefährdungen

Beispiele:Buchbinder, Einzel-handelskaufmann,Gartenbauingenieur,Lehrer (nur mit ein-geschränkter Versi-cherungszeit), Uhr-macher, Zahntechni-ker, Sekretär, Droge-rist, Techniker

Prämienniveau:180 %

Berufsgruppe 3

überwiegend kör-perliche Tätigkeitenohne besondere Ge-fährdungen, etwahandwerkliche, pfle-gerische, künstleri-sche Berufe

Beispiele:Altenpfleger, Che-mielaborant, Hei-zungsmonteur, Kfz-Mechaniker, Schrei-ner, Möbelpolsterer,Musiker (teils nur Er-werbsunfähigkeits-schutz), Polizist

Prämienniveau:250 %

Berufsgruppe 4

Tätigkeiten, die zumeist körperlicheoder manuelle Ar-beit erfordern undbesondere Belastun-gen oder Gefähr-dungen beinhalten

Beispiele:Kokereiarbeiter,Fleischzerleger, Fuß-bodenleger, Schiffs-schlosser, Straßen -bau arbeiter, Schorn-steinfeger, Künstler,Krankengymnast

Prämienniveau:350 %

Berufsgruppe 5

gefahrvolle Tätig -keiten und Jobs inkünstlerischen odermedialen Bereichen,bei denen die Be-rufsunfähigkeit nurschwer oder garnicht überprüfbar ist

Beispiele:Rennfahrer, Berufs-sportler, Gesangs -solist, Fotomodell(teils Erwerbsunfä-higkeitsschutz), Türsteher

nicht versicherbar

Was haben Jobs in künstlerischen Bereichen und Türsteher gemeinsam?Beide gelten vielen Versicherern bezüglich einer Berufsunfähigkeitsversicherungals nicht versicherbar. Quelle: www.verbraucherforum-info.de

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Wer sich trotz aller Probleme mit demThema befassen möchte, der sollte sich aufalle Fälle mit dem Informationspaket derStiftung Warentest befassen (siehe Kasten),auch wenn der Test der Berufsunfähig-keitsversicherungen naturgemäß unvoll-ständig ist. So werden nur der Vertrags -abschluss und die Bedingungen getestet –wie sich die Unternehmen hingegen imSchadensfall verhalten, bleibt ungewiss. ImZweifelsfall sollte man sich bereits im Vor-feld und bei der Suche einer Versicherungqualifizierte und unabhängige Hilfe suchen,z. B. bei Verbraucherberatungen oder ei-nem unabhängigen Versicherungsmakler,der nicht auf Provisionsbasis, sondern ge-gen Honorar arbeitet. ))

1 www.handelsblatt.com/finanzen/vorsorge-versicherung/nachrichten/berufsunfaehigkeitsver-sicherung-warum-so-wenige-bu-versicherungen-bekommen/8681716-4.html2 Diese Verfahrensweise wird sehr anschaulichbeschrieben unter: www.handelsblatt.com/finan-zen/vorsorge-versicherung/nachrichten/berufsun-faehigkeit-wie-versicherer-invalide-abweisen/8809594.html3 „Deutlich mehr Leistungsfälle in der Berufsunfä-higkeit – Versichererkompetenz ist entscheidend(18.04.2013)“; www.morgenundmorgen.com/pressenews/pressemitteilungen4 www.handelsblatt.com/finanzen/vorsorge-versicherung/nachrichten/berufsunfaehigkeitsver-sicherung-ueberschaetzt-teuer-oder-wertlos/8681716.html5 ebd.

nichts nützt. Auch andere Versicherungenwie Erwerbsunfähigkeitsversicherungen,die im Prinzip ähnlich wie die Erwerbs-minderungsrente funktionieren, könnennicht als Ersatz für eine vollwertige Versi-cherung gegen Berufsunfähigkeit betrach-tet werden.

Eigentlich wünschenswert,aber…

Eigentlich ist eine Berufsunfähigkeitsversi-cherung eine der wenigen Versicherungen,die jeder haben sollte. „Wer jünger als 52Jahre ist, sollte sich unbedingt privatschützen. Das empfehlen Verbraucher-schützer, Versicherungsberater und Politi-ker in ungewohnter Einigkeit.“4 Leider istdie Realität alles andere als befriedigend.Die Versicherer verkaufen eifrig Versiche-rungen gegen Berufsunfähigkeit, aber die-jenigen, die diese Versicherungen am drin-gendsten benötigen, bleiben außen vor;entweder sie bekommen gar keinen Ver-trag oder die Versicherung ist so teuer, dasssie nicht finanzierbar ist. Und der Eintrittdes Versicherungsfalls stellt die Versicher-ten erst recht vor enorme bis unüberwind-bare Schwierigkeiten. Hier wäre die Politikgefordert, einen Ersatz für die abgeschaffteBerufsunfähigkeitsrente zu schaffen, dennoffensichtlich ist die private Versiche-rungswirtschaft nicht willens und in derLage, eine faire und für alle bezahlbareAbsicherung gegen eines der ganz großenRisiken zu schaffen – es wird geschätzt,dass ca. 40 Prozent der heute 20-Jährigenirgendwann einmal in ihrem Berufslebenberufsunfähig werden.5

Problemen führen, wenn die Rechtsschutz -versicherung erst nach dem Abschluss derBerufsunfähigkeitsversicherung erfolgt,denn in diesem Fall gilt in der Regel derAbschluss der Berufsunfähigkeitsversiche-rung als „schadenauslösendes Ereignis“.Auch bei einem Wechsel der Rechts-schutzversicherung kann es zu Problemenkommen, zumindest, wenn der Wechselnicht nahtlos erfolgt.

Alternativen

Wer sich keine „richtige“ Berufsunfähig-keitsversicherung leisten kann, sucht even-tuell eine preiswertere Alternative. Aller-dings sind diese Alternativen in den sel-tensten Fällen ein wirklich guter Ersatz füreine gute Berufsunfähigkeitsversicherung.Bereits die Begrenzung der Laufzeit stelltein nicht unerhebliches Risiko dar. Nochproblematischer ist die gerne als Alternati-ve angebotene Unfallversicherung mit spe-zieller Gliedertaxe. Solche Versicherungenzahlen im Falle eines Unfalls mit bleiben-den Schäden einen vorher festgelegten Be-trag zur Abfederung der Unfallfolgen. FürMusikerInnen gibt es dabei spezielle„Gliedertaxen“, die z. B. bereits beim Ver-lust eines einzigen Fingergliedes die volleEntschädigung zahlen. Allerdings ist derNutzen einer solchen Versicherung relativgering angesichts der Tatsache, dass laut ei-ner Untersuchung des Analysehauses Mor-gen & Morgen nur ca. 10 Prozent der Fällevon Berufsunfähigkeit durch einen Unfallversursacht werden.3 Das bedeutet um -gekehrt, dass in 90 Prozent der Fälle vonBerufsunfähigkeit eine Unfallversicherung

Jürgen Simon ist Cellist im Brandenbur -gischen Staatsorchester Frankfurt (Oder).

Erfolg beim 72. Versuch

„Wie mühselig die Suche nach einer Berufsunfähigkeitsversicherung sein kann, zeigtein Beispiel, das letztlich aber von Erfolg gekrönt war. Ein Vater aus Hameln suchte fürseinen 25-jährigen Sohn einen Vertrag. Der Sohn ist Musiker, spielt Trompete und Kla-vier, unterrichtet und arbeitet als freier Musiker. 72 Angebote forderte der engagierteVater für seinen Sohn per Internet an. 71 Mal kam kein Angebot oder der Antrag wur-de später abgewiesen. Erst der 72. Versicherer, Gerling, nahm den jungen Mann an.Statt 1 000 Euro monatlich bot Gerling zwar nur 750 Euro Rente an, aber mit Erhö-hungsoption. Auf die gewünschte Vertragslaufzeit von 40 Jahren ließ sich aber auchGerling nicht ein, bot aber immerhin 33 Jahre. Bei Ende der Vertragslaufzeit wird derMusiker 60 Jahre alt sein.“

Quelle: www.test.de/Berufsunfaehigkeitsversicherung-Viele-sehr-gute-Angebote-fuer-wenige-1190550-2190643

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)) „Musikunterricht für jedes Alter in Ih-rem Wohnzimmer. Klavier, Akkordeon,Gitarre. Keine Verträge.“ – Seit geraumerZeit stolpere ich über diese regelmäßig imörtlichen Kleinanzeiger geschaltete An-nonce. Der Inserent wirbt mit Vertragsfrei-heit, was dem Kunden höchstmöglicheFreiheit suggeriert und dem Inserenten ei-nen Status zuweist, der dem des Musik-lehrers im 19. Jahrhundert ähnelt: „einMiethling“, dem man „abdanken“ kann zujeder Stunde.1 Wem dient diese (vermeint -liche) Freiheit? Sollte sich der Instrumen -tallehrer als Freiwild verstehen? – Wer sei-nen Beruf professionell ausüben will (dasheißt mit der Intention, davon zu leben!),der muss sich professionell aufstellen.Kurzum: Dreh- und Angelpunkt einer pro-fessionellen Lehrtätigkeit ist ein Unter-richtsvertrag, der die wichtigsten Punktezwischen Lehrkraft und Schülern/Elternregelt. Auch wenn mündliche Vereinba-rungen rechtlich wirksam sind, lassen sichim Streitfall schwerlich Nachweise erbrin-gen, was vereinbart wurde. Sinnvoll ist es,auf Musterverträge zurückzugreifen. Solchestellt die Vereinte Dienstleistungsgewerk-schaft ver.di bereit (http://musik.verdi.de/musikschulen/freiberuflich/mustervertrae-ge). Bei Mitgliedschaft im Deutschen Ton-künstlerverband DTKV (www.dtkv.org)kann man über den jeweiligen Landesver-band gegen eine geringe Gebühr Verträgebekommen.2 In beiden Fällen ist man z. B.bei veränderter Rechtssprechung auf dersicheren Seite, da diese Verträge entspre-chend modifiziert werden. Wer einen indi-viduellen Vertrag erstellen möchte, solltediesen rechtlich prüfen lassen.

Vertragsinhalte

Beide genannten Varianten an Musterver-trägen ähneln sich in ihren Grundzügen.Folgende Aspekte werden ge regelt:) Personalien der Vertragspartner) Unterrichtsfach, -form, -ort und -dauerje Einheit) Vertragsbeginn und Laufzeit („auf unbe-stimmte Dauer“ oder „befristet auf ein Un -terrichtshalbjahr“ mit automatischer Ver-längerung bei Nichtkündigung)) Kündigungsmodalitäten (da der Gesetz-geber nur sehr kurze Kündigungsfristen alsMindestfristen vorsieht, ist es ratsam, län-gere Fristen zu vereinbaren, also z. B. „sechsWochen zum Quartalsende“)) Probezeit (ist für beide Vertragsseitensinnvoll; innerhalb der Probezeit kann mitWochenfrist gekündigt werden)) Ferienregelung) Honorar und seine Fälligkeit (üblich istinzwischen, von einem Jahres- oder Halb-jahreshonorar auszugehen, das in zwölf bzw.sechs gleichen Raten zu zahlen ist, fällig z. B.am 1., 10. oder 15. eines Monats)) Zahlweise (bar, Dauerauftrag oder Last-schrift, zum SEPA-Verfahren siehe musik-schule ))DIREKT 1/2014, S. 5; an dieser Stel-le des Vertrags werden auch die Bankdatender Zahlungspflichtigen erfasst)) Unterrichtsausfall (sicherlich der schwie-rigste Punkt: beide Musterverträge gehenvon einer Honorarfortzahlung von sechsWochen im Krankheitsfall aus, was erfah-rungsgemäß bei vielen Zahlungspflichtigenauf Widerstand stößt; auch wird hier gere-gelt, wie mit kurzfristigen Absagen oderUnterrichtsverlegungen umzugehen ist)

) Möglichkeiten und Modi einer Honorar-erhöhung („nach billigem Ermessen“, dasheißt man hat einen Gestaltungsspielrauminnerhalb der Grenzen einer angemessenenund gerechten Preisfindung)) Regelung bei ansteckenden Krankheiten(der Schüler hat sich zu verpflichten, zuHause zu bleiben, wenn er so krank ist,dass er den Lehrer anstecken könnte).Die DTKV-Verträge verlangen darüber hi-naus vom Schüler, dass er eine Erlaubniseinholt, wenn er bei Veranstaltungen Drit-ter öffentlich auftritt. Außerdem wird vomSchüler regelmäßiger Unterrichtsbesuchverlangt bei angemessenem Übepensum.Sinnvoll ist, wie es beispielsweise der Lan-desverband Bayern im DTKV vorsieht,eine Unterschriftszeile, in der sich Schülerund Erziehungsberechtigte dazu bereit er-klären, Ton- und/oder Bildaufnahmen undihre Nutzung z. B. für Imagebroschürenoder im Internet zu gestatten. Dies spartviel Arbeit, müsste man sonst doch jeweilsdirekt vor einzelnen Veranstaltungen Ein-verständniserklärungen einholen.Der Mustervertrag von ver.di ist insgesamtknapper gehalten und verweist auf „um-seitig abgedruckte“ AGB als allgemeineUnterrichtsbedingungen. Diese Zweitei-lung findet sich in der Praxis häufig, wer-den so doch regelmäßig wiederkehrendeBedingungen auf eine zweite Seite „ausge-gliedert“ zugunsten eines kürzeren Ver-tragstextes. Die Verträge des Tonkünstler-verbands sind entsprechend länger und et-was detaillierter. Grundsätzlich gilt: AlleVertragsdetails mit dem angehenden Ver-tragspartner gründlich durchsprechen undgegebenenfalls erläutern!

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Wie viel Geldkann ich verlangen?Unterrichtsvertrag und finanzielle Organisationfür selbstständige Instrumentalpädagogen

Reinhild Spiekermann

Im Dezember 2013 begann unsere Artikelserie zur Selbstständigkeit von InstrumentalpädagogInnen mit dem Basisartikel„Ich mache mich selbstständig – aber wie?“ Im Februar wurden unter der Überschrift „Professionell von Anfang an“ dieBereiche Management und Organisation erläutert. Im dritten Teil geht es um vertragliche und finanzielle Aspekte.

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Geschäfts- und Privatkonto

Wie organisiere ich meine beruflichen fi-nanziellen Angelegenheiten? Steuerberaterempfehlen, von Anfang an zusätzlich zumprivaten Girokonto ein Geschäftskonto zueröffnen, um privaten und beruflichenGeldverkehr getrennt zu verwalten. Alleinwegen der Aufbewahrungspflicht von be-trieblichen Belegen von derzeit zehn Jah-ren ist das sinnvoll. Goetz Buchholz emp-fiehlt in seinem Ratgeber Selbstständige,sich jedoch genau zu überlegen, in wel-chem Umfang voraussichtlich Buchungenerfolgen werden, denn ein zusätzlichesGeschäftskonto kostet Geld: eine Grund-gebühr von einigen Euro monatlich zu-züglich Beträge für jede Einzelbuchung. Inden Geschäftsbedingungen von Geldins -tituten finden sich häufig Regelungen, diedie gewerbliche Nutzung eines privatenGirokontos untersagen. Da die Instrumen-tallehrkraft als Solo-Selbstständige aberkein Gewerbe treibt, könnte es ein Ge-spräch mit der Hausbank wert sein, ob manfür freiberufliche Einnahmen nicht einzweites Girokonto eröffnet und den Geld-verkehr im Rahmen einer Monatspauscha-le abwickelt.Sollte es sich um eine überschaubare An-zahl an Buchungen handeln, kann manauch das vorhandene Privatgirokonto nut-zen. Das Finanzamt interessiert lediglicheine nachvollziehbare, geordnete Darle-gung von Betriebseinnahmen und -aus -gaben, also eine sogenannte Einnahmen-Überschuss-Rechnung, die man durchausanhand des eigenen Girokontos erstellenkann. Ob das Finanzamt aber damit aucherfahren soll, was und in welchen Ge-schäften ich per EC-Karte kaufe oder inwelchen Abständen ich Bargeld in welcherHöhe abhebe, das muss jeder für sich ent-scheiden. Wichtig ist nur, eine lückenlose,

zeitlich und inhaltlich geordnete Auf-zeichnung (mit Belegen) aller Geschäfts-vorfälle anzulegen.Wie verwalte ich die Zahlungen von Schü-lerInnen? Mehrere Versionen sind denk-bar: Nutze ich ein Geschäftskonto meinerHausbank, kann ich über deren Software(Abo-Verfahren) im Rahmen von Online-Banking alles abwickeln, auch Lastschrift-einzüge.Alternativ kann ich eine einfache Buchhal-tungssoftware benutzen (z. B. die auch vomFinanzamt empfohlene Freeware Easy Cash& Tax für Windows, www.easyct.de), dieüber ein ELSTER-Plugin direkt in daselektronische Steuererklärungssystem desFinanzamts (ELSTER, www.elster.de) ein-gegeben werden kann. Hiermit ist aller-dings kein Lastschriftverfahren möglich.Oder ich ordne berufliche Ein- und Aus-gaben direkt einem von mir individuell gestalteten Tabellenprogramm zu (z. B. alsExcel-Tabelle) und übertrage die relevan-ten Daten von Hand in mein ELSTER-Formular.3 Abzuwarten bleibt, inwieweit„Elster in die Wolke fliegt“ und sich mit ei-nem Smartphone relevante Belege abfoto-grafieren lassen, um dann per App in einerElsterBox der ElsterCloud ein unkörperli-ches, digitales Dasein zu fristen.4 Nostalgi-ker greifen aber auch immer noch auf die„Zwei-Schuhkarton-Variante“ zurück, dieeinmal im Jahr das große Sortieren, Ab-heften und In-digitale-Daten-Verwandelnverursacht und gleich dem Frühjahrsputzkathartische Wirkung zeigen kann.

Kalkulation der Honorare

Zuletzt: Wie kalkuliere ich meine Honora-re? Wie viel Geld kann ich für welche Un-terrichtsleistung verlangen? Vielleicht dieschwierigste Frage, auf die keine allgemeingültige Antwort gegeben werden kann,

hängt dies doch von vielen Faktoren ab.5

Zu empfehlen ist eine gründliche Recher-che der Situation vor Ort (Preisstruktur vonPrivatanbietern, Musikschulen, sonstigenBildungseinrichtungen, unter Umständenauch vom Musikalienhandel). Anhalts-punkte bieten weiterhin Honorarumfragen,wie sie die Regionalverbände des DTKVunternehmen, oder auch eine umfassendeDatenbank der mediafon mit Beispiel -honoraren aus unterschiedlichsten freienBerufen (www.mediafon.net > Honorare/Verträge > Honorarumfrage Solo-Selbst-ständige, als Stichwort Musikschule, Inst ru -mentallehrer oder Musiklehrer eingeben).Bei mediafon findet sich mit Stand vomJanuar 2013 auch eine Vergleichsrechnung,was freie Instrumentallehrkräfte verdienenmüssten, wenn sie einem Angestellten imTVöD gleichgestellt wären (www.media-fon.net > Honorare/Verträge > Honorar-umfrage für alle Branchen > Musikschu-len: Honorar- und Gehaltstabellen). ))

1 Michael Roske: „Umrisse einer Sozialgeschichteder Instrumentalpädagogik“, in: Christoph Richter(Hg.): Instrumental- und Vokalpädagogik 1:Grundlagen (= Handbuch der Musikpädagogik,Bd. 2), Kassel 1993, S. 158-196, hier: S. 176.2 Wer eine private Musikschule gründen möchte:musikschule intern bietet zum Preis von 100 Euro(zzgl. MwSt.) derzeit zwei Musterverträge an:Freier-Mitarbeiter-Vertrag für Honorarkräfte bzw.Unterrichtsvertrag für Schüler, www.musikschule-intern.de/?page_id=2203 Selbstständige müssen ELSTER benutzen, Papier -formulare sind für sie nicht mehr zugelassen.4 vgl. z. B. www.mgm-tp.com/oeffentliche-auftraggeber/kompetenzbereiche/elsterbox5 vgl. Stefan Lindemann: Marketing und Manage-ment für Musikpädagogen, Kassel 2002, S. 46-55.

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Literatur

Goetz Buchholz: Der Ratgeber Selbst -ständige, mediafon, Berlin 2011

Stefan Lindemann: Marketing undManagement für Musikpädagogen,Bosse, Kassel 2002 (Neuauflage ge-plant für Juli 2014)

Michael Roske: „Umrisse einer Sozial -geschichte der Instrumentalpädago-gik“, in: Chr. Richter (Hg.): Instrumen -tal- und Vokalpädagogik 1: Grund -lagen, Bärenreiter, Kassel 1993

Reinhild Spiekermann ist Studiengangs-leiterin für instrumentalpädagogischeStudiengänge an der Hochschule für Musik Detmold.

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)) Es gibt viele Arten, Musik zu machen.Ob in einem Gefängnischor, in einer Früh-erziehungsgruppe, in einer Samba-Bandvon Behinderten und Nicht-Behinderten,in einer Rockband im Altenheim oder ein-fach mit Freunden jammen – alle verbin-det die Freude an der Musik und an dergemeinsamen musikalischen Erfahrung. Esspielt keine Rolle, ob die Musik gut klingt;ob die Beteiligten Notenlesen können; obsie musikalisch „begabt“ sind, „normal“oder verhaltensauffällig; ob sie Klassik,Rock oder World Music spielen. Das einzi-ge, was zählt, ist, dass die Beteiligten Spaßhaben, sich persönlich und musikalischausdrücken und entwickeln können, sichals Teil einer Gemeinschaft erfahren. Dannsind sie Teil von Community Music.

Eine Annäherung

Community Music ist eines der interna -tional erfolgreichsten musikpädagogischenKonzepte der vergangenen Jahre, das nunauch in Deutschland bekannter wird.1 ImEngland der 1960er Jahre als Teil der Al-ternativkultur des Community Arts Move-ments entstanden, das sozial Benachteilig-ten Zugang zu Kultur ermöglichen wollte,ist Community Music seit fast 20 Jahrenein wichtiges Konzept in der internationa-len Musikpädagogik. Was hat CommunityMusic so populär gemacht? Sicher die pä-dagogischen Ideale: Inklusion, kulturelleTeilhabe und soziale Gerechtigkeit. ImMittelpunkt von Community Music stehtdie Idee, jedem Menschen Zugang zu Mu-sik zu ermöglichen. Die individuellen Inte-ressen und Möglichkeiten sind Ausgangs-

punkt für musikalische Aktivitäten. Es gehtnicht um Perfektion, sondern um Spaß amMusikmachen. Es geht auch um eine mu-sikalische Gemeinschaft, als deren Teil mansich erfährt und in der man sich musikalischund persönlich weiterentwickeln kann.Wie kann Community Music diese Idealeverwirklichen? Durch Improvisation, leichtspielbare Musik und Lernen durch Hörenbzw. Imitation. Musikalische Vielfalt istwichtig, gleichgültig, ob Popsongs oderSamba gespielt werden. Die Gemeinschaftstützt den Einzelnen. Jeder beteiligt sichso am Musikmachen, wie es seine momen-tanen Fähigkeiten erlauben. Lehrerin oderEnsembleleiter haben nur eine vermitteln-de Aufgabe, als Facilitator oder Coach. Je-der kann irgendwann selbst diese Rolleübernehmen, wenn er entsprechende Fä-higkeiten hat.

Ein Konzept und seine Ideen

Die Ideen von Community Music sinddoch nicht neu, oder? Stimmt, sie warenalle schon mal da. Und trotzdem: Die spe-zifische Kombination von Prinzipien, Me-thoden und Zielen ist sicherlich etwasNeues. Deshalb noch einmal ein genauererBlick auf das, was Community Musickennzeichnet:) Inklusion: Jeder ist willkommen, darfMusik machen, Teil eines Ensembles sein.Es sind keine Vorkenntnisse, besonderenBegabungen oder Fähigkeiten erforderlich(hospitality, inclusion).) Kulturelle Teilhabe: Jedem Menschensoll ein Zugang zu Musik ermöglicht wer-den, unabhängig von seinen finanziellen

Möglichkeiten und seinem kulturellen oderethnischen Hintergrund (participation).) Soziale Gerechtigkeit: Wenn alle Men-schen, die wollen, gemeinsam Musik ma-chen, wird musikalisch Teilhabegerechtig-keit verwirklicht. Community Music willversuchen, die Gesellschaft zu verändern.Musik hat für Community Music auch po-litische Dimensionen. Durch Konzerte mitMusik unterschiedlicher Kulturen kannz. B. auf die Situation einzelner Migran-tengruppen aufmerksam gemacht werden.Die Integration von älteren Menschenoder Behinderten in Ensembles kann ge-samtgesellschaftliche Möglichkeiten auf-zeigen. Besetzung oder Repertoire von En-sembles können auf die Gesellschaftsstruk -tur in bestimmten Stadtteilen hinweisenund durch inklusive Aktivitäten Diskrimi-nierung überwinden helfen (social justice).) Persönlichkeitsentwicklung: Musikma-chen dient nicht nur dem Erwerb musika-lischer Kompetenzen, sondern auch dempersönlichen Wachstum. Selbstwirksam-keit als Teil eines Ensembles oder im indi-viduellen Musizieren zu erfahren, ist wich-tig (personal growth).) Musikalisierung der Gesellschaft: Jederverfügt grundsätzlich über musikalischeFähigkeiten. Sie werden aber oft nicht ent-wickelt. Musik und Musikmachen sollenwieder ein natürlicher Teil des individuel-len und gesellschaftlichen Lebens sein(cultural democracy).Community Music ist in manchem denIdealen des Laienmusizierens nicht unähn-lich, auch Elementarer Musikpädagogik(EMP) verwandt. Die Musikethnologiehatte ebenfalls Einfluss auf Community

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Community Music

Ein internationales Konzepterobert Deutschland

Alexandra Kertz-Welzel

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Music. Es geht bei Community Music vorallem um elementare Formen des Musizie-rens: Improvisation, vereinfachte Fassun-gen von Musik verschiedener Kulturen(z. B. Samba), unproblematische Arrange-ments von Pop- oder Folksongs usw., diedie Teilhabe aller und eine Differenzie-rung nach verschiedenen Leistungsniveausermöglichen. Informelles Lernen, Lernendurch Hören bzw. Imitation und gegebe-nenfalls ein Verzicht auf Notenschrift un-terstützen dies. Der Lehrer agiert nicht alsallwissender Experte, sondern als Vermitt-ler und Lernpartner. Jeder kann irgend-wann diese Rolle übernehmen. Ebenfallswichtig für Community Music: Konzertebzw. Auftritte. Man will Teil des kulturel-len Lebens z. B. eines Stadtteils sein und esbeeinflussen.

InternationaleCommunity Music

Die Faszination von Community Music inder internationalen Musikpädagogik hatverschiedene Gründe. Ein Grund mag dieübertriebene Leistungsorientierung inmanchen Ländern sein. In der amerika -nischen Schulband- und Schulorchester-kultur geht es z. B. vor allem um Perfek -tion. Leistungsschwache SchülerInnen sindin vielen Ensembles nicht willkommen.Auch im Instrumental- oder Gesangs -unterricht, z. B. in China, stehen die Vor-bereitung auf erfolgreiche Wettbewerbs-teilnahmen oder Aufnahmeprüfungen imVordergrund. Wenn es nur um musikali-sche Spitzenleistungen geht, werden äs-thetische, therapeutische oder soziale As-

pekte von Musik oft ausgeblendet. Com-munity Music bietet hier ein Alternativ-konzept.Lee Higgins, englischer Community Musi-cian und Professor für Musikpädagogik,nennt in seinem Buch Community Musicin Theory and Practice (2012) einige typi-sche Beispiele für Community Music:Nachmittagsprogramme für ukrainischeJugendliche, die nach der Schule durchMusikunterricht, Tanzangebote oder Thea-terproben vor einem Abrutschen ins kri-minelle Milieu geschützt werden sollen;Ensembles für verhaltensauffällige Kinderin Schulen im israelischen Haifa; Trom-melgruppen in Schottland für Menschenmit psychischen Problemen, die in ihrenAktivitäten unterschiedliche Phasen durch -laufen (von Kleingruppen-Sessions in Kli-nikräumen und unter Aufsicht von Mit -arbeitern über das Musikmachen in vonallen besuchten Klinikräumen bis hin zurÖffnung der Gruppe für neue Mitgliederund neue Orte des Musikmachens); einTheaterprojekt in Liverpool, bei dem Ju-gendliche aus Müll Instrumente herstellenund damit musizieren; Bands oder Or-chester in brasilianischen Dörfern, bei de-nen alle mitmachen dürfen; multiethni-sche Jugendfestivals in Mazedonien; sozialbenachteiligte Kinder in Australien erstel-len mit Hilfe der Software jam2jam eigeneKompositionen; per Skype werden, von ei-ner amerikanischen Universität aus koor-diniert, behinderte und nicht-behinderteMusiker weltweit unterrichtet und musi-zieren gemeinsam; Workshops für Song -writing, Rap oder Trommeln in englischenJugendzentren.

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Community Music vollzieht sich abernicht nur in Gruppen oder Ensembles.Auch Einzelunterricht kann von Prinzi-pien oder Methoden von Community Mu-sic geprägt sein. Eine Schülerin kann mitihrer Lehrerin ihre Fähigkeiten in einerbestimmten Art der Improvisation oder ei-nem bestimmten musikalischen Genreverbessern. Vielleicht will sie später in ih-rem Ensemble mehr Verantwortung über-nehmen. Ein klarer Gesellschafts- oderGemeinschaftsbezug des Musikmachensist auch typisch für Community Music.Keine Frage, die als Community Music be-schriebenen musikalischen Aktivitätensind faszinierend. Sie zeigen auf, was Mu-sik bewirken kann. Allerdings wird auchklar, dass Community Music nicht un -prob lematisch ist. Das wird in der interna-tionalen Musikpädagogik oft übersehen.Musikalische Professionalisierung und sys-tematischer Kompetenzerwerb spielen beiCommunity Music oft nur eine unter -geordnete Rolle. Naive Vorstellungen vonder persönlichkeitsverändernden Machtder Musik scheinen einem kritischen Be-trachter manchmal wirklichkeitsfremd.Die heilende Wirkung des musikalischenGemeinschaftserlebnisses ist auch nichtunproblematisch. Und trotzdem: Commu-nity Music ist ein interessantes Konzeptfür Deutschland.

Warum Community Musicin Deutschland?

Natürlich gibt es Community Music schonin Deutschland.2 Es gibt Ensembles, in de-nen Behinderte und Nicht-Behinderte ge-

Gutes Beispiel fürCommunity Music

Im Herbst 2013 startete das Education-Projekt „Vokalhelden“ der Berliner Phil-harmoniker, das langfristig Lebensräumefür das Singen und das gemeinsame Mu-sikmachen schaffen möchte. In verschie-denen Stadtteilen Berlins wurden undwerden weiterhin Standorte für die Chor-Proben der „Vokalhelden“ eröffnet. Mitdiesem Projekt sollen Kooperationen undnachbarschaftliches Miteinander sowieder Bereich der kulturellen Bildung undChancengleichheit gefördert werden.

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Recken und strecken: Chordirigent Simon Halsey, umgeben von vielen „Vokalhelden“

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meinsam Musik machen. Es gibt Sozial -arbeiter, die mit straffällig gewordenen Jugendlichen musikpädagogisch arbeiten.Und es gibt Musiktherapeutinnen, die mitverhaltensauffälligen Kindern in SchulenTrommelworkshops gestalten. Und doch:Das musikpädagogische Konzept Commu-nity Music fehlt. Es fehlen oft musikpäda-gogische Prinzipien und Methoden, umInklusion, soziale Gerechtigkeit und kul -turelle Teilhabe in Instrumentalunterrichtund Ensembles zu verwirklichen. Com-munity Music bietet dies. Durch musika -lische und methodische Vielfalt wird Men-schen aller gesellschaftlichen Schichtenund Begabungsvarianten ein Zugang zuMusik ermöglicht.3 Community Musicverbindet Musikpädagogen, Musikthera-peuten, Sozialarbeiterinnen und Instru-mentallehrer durch gemeinsame Ziele undMethoden. Wer sich um die Ideale vonCommunity Music bemüht, wird zumCommunity Musician.4

Um Community Music als musikpädago-gisches Konzept in Deutschland zu etab-lieren, wurde im Februar 2013 an derLudwig-Maximilians-Universität (LMU)in München im Rahmen eines internatio-nalen Symposiums5 das Munich Commu-nity Music Center (MCMC)6 gegründet.Das MCMC versteht sich als Vermittlerund Koordinator zwischen internationalerund deutscher Community Music. DurchForschungsprojekte soll das internationaleKonzept Community Music in einer fürDeutschland sinnvollen Weise weiterent-

wickelt werden. Das geschieht auf theore-tisch-konzeptioneller Ebene genauso wieauf praktischer Ebene, z. B. durch Ab-schlussarbeiten von Studierenden zu ver-schiedenen Community-Music-Projekten.Das MCMC arbeitet zudem im BereichNetworking an einer deutschlandweitenDatenbank zu Community-Music-Akti -vitäten, um die entsprechenden Projektemiteinander zu vernetzen und ihnen dieVerbindung zu internationaler Communi-ty Music zu ermöglichen. Im Hinblick aufdie Praxis bietet das MCMC Auftrittsmög-lichkeiten und unterstützt bei Projekten.Zudem finden am MCMC Fortbildungenstatt, in deren Mittelpunkt das KonzeptCommunity Music steht.Community Music bietet neue musikpä-dagogische Perspektiven.7 In einem En-semble, in dem Behinderte und Nicht-Be-hinderte zusammenspielen, sich ältere undjüngere Menschen treffen, wird ein Idealvon Inklusion und Teilhabe praktiziert, dasgesamtgesellschaftlich erst noch Realitätwerden muss. Wenn jeder Musikmachenund persönliche Ziele erreichen kann, ver-ändert dies etwas. Musikmachen im Sinnevon Community Music hat gesellschaft -liche Relevanz. Um Community Music inDeutschland etablieren zu können, ist dieMithilfe jeder einzelnen Musikpädagogin,jedes einzelnen Musikpädagogen notwen-dig, die es wagen, vielleicht ungewohnteWege zu gehen und sich mit CommunityMusicians auf der ganzen Welt verbundenzu fühlen. ))

1 Allgemeine Informationen zu Community Musicsind hier zu finden: www.communitymusic.musikpaedagogik.uni-muenchen.de/index.html2 Alexandra Kertz-Welzel: „Internationalizingand localizing: Shaping community music inGermany“, in: International Journal of Commu-nity Music 6, Nr. 3 (2013), S. 263-272.3 Informationen zu Methoden der Improvisationund Community Music sind hier zu finden:Lee Higgins/Patricia Shehan Campbell: Free to bemusical. Group improvisation in music, Lanham2010.4 Es gibt auch Studiengänge für CommunityMusic, z. B. am Liverpool Institute for PerformingArts, www.lipa.ac.uk/index.aspx5 Videos der Präsentationen des Community MusicSymposiums 2013 unter http://videoonline.edu.lmu.de/de/sommersemester-2013/44886 Website des Munich Community Music Center:www.musikpaedagogik.uni-muenchen.de/mcmc_deutsch/index.html7 weitere Informationen zu Community Musicin einem Beitrag der neuen musikzeitung unterwww.nmz.de/artikel/gegenentwurf-zur-hochkultur

musikschule )) DIREKT 2.201412

musikschule )) DIREKT erscheintalle zwei Monate als Supplementzu üben & musizieren

Redaktion: Anja Bossen und Rüdiger BehschnittLayout: Rüdiger BehschnittGrafik: Nele Engler

Alexandra Kertz-Welzel ist Professorinfür Musikpädagogik an der Ludwig- Maximilians-Universität in München.Sie ist seit mehr als 20 Jahren als Klavier-pädagogin tätig und unterrichtete inDeutschland und in den USA.

Community Music – die berufliche Realität

Community Musicians arbeiten in unterschiedlichen Bereichen: Musikschulen, Kulturzentren, Ganztagsschulen, Theaterinitiativen,Volkshochschulen, Jugendzentren, Heimen etc. Sie arbeiten mit Kleinkindern, älteren Menschen, Jugendlichen, Erwachsenen, Behin-derten, sozial Benachteiligten. Sie veranstalten Workshops, Proben, Konzerte, Festivals. Sie gründen und leiten Ensembles, unterrich-ten und vermitteln Musik. Sie sind in der freien Projektarbeit tätig, werden aber auch von Kulturreferaten, Musikschulen oder Stiftun-gen bezahlt. Community Musicians verbinden Instrumentalpädagogik, soziale Arbeit, Musiktherapie und Kulturmanagement. Com-munity Musicians werben Gelder ein, überzeugen Verantwortliche von ihren Visionen, wollen das kulturelle Leben von Stadtteilenverändern. Dazu brauchen Community Musicians Mut, Durchhaltevermögen und Kompetenzen in verschiedenen Bereichen. Ein Stu-dent der Community Music muss z. B. an der University of Chichester (England) folgende Module belegen: World Music, Improvisa tionand Composition, Outreach, Advanced Improvisation and Composition. Ein Community Musician muss musikalisch vor allem in Im-provisation gut sein, aber auch mit Menschen umgehen und sie motivieren können („Outreach“). Besonderer Wert wird auch auf Fä-higkeiten im Projektmanagement gelegt. Community Musicians sind Musiker, Manager und Pädagogen. Wenn sie ihre Arbeit gut ma-chen, können sie vielen Menschen helfen und die Gesellschaft verändern.