Motivation, Volition, Handeln - Fachsymposium-Empowerment Motivation 6... · Die Bedürfnispyramide...

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Vorlesung im WS 2011/12 Motivation, Volition, Handeln Kognitive Ansätze: Erwartung-Wert-Theorien Prof. Dr. Thomas Goschke Professur für Allgemeine Psychologie 1

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Vorlesung im WS 2011/12

Motivation, Volition, Handeln

Kognitive Ansätze: Erwartung-Wert-Theorien

Prof. Dr. Thomas Goschke

Professur für

Allgemeine Psychologie

1

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3

Überblick und Lernziele

Kognitive Ansätze in der Motivationsforschung

Erwartung-Wert-Theorien

Motive

Leistungsmotivation

Risikowahl-Modell von Atkinson

Empirische Befunde zum Risikowahl-Modell

Kausalattributionen und Selbstbewertung

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4

Literaturempfehlungen

Rudolph, U. (2003). Motivationspsychologie. Beltz PVU. (Kap. 5 + 6)

Heckhausen, J. & Heckhausen, H. (2010). Motivation und Handeln (4. Aufl.). Berlin: Springer. (Kapitel 5 + 6).

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Ebenen der Verhaltenssteuerung

Reflexe und Instinkte

Angeborene Reaktionsprogramme, die in fixer Weise durch spezifische Reizbedingungen ausgelöst werden

Bedürfnis-

modulation

Modulation von Reaktionsdispositionen durch aktuell angeregte Bedürfnisse / Triebzustände

Assoziatives Lernen

Erfahrungsabhängige Bildung/Veränderung von Assoziationen zwischen Reizen, Reaktionen und deren Konsequenzen

Intentionale Handlungen

Motivation durch Erwartungen (antizipierte Konsequenzen) und Anreize (Bewertung der Konsequenzen) des Verhaltens; Zielgerichtetes Handeln

Volitionale Selbst-regulation

Antizipation zukünftiger Bedürfnisse

Metakognitive Strategien der Selbstkontrolle;

Unterdrückung konkurrierender Motivationstendenzen oder Gewohnheiten zugunsten langfristiger Ziele

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Instinkttheoret. Assoziationismus Aktivationstheoret.

McDougall

1908

Lorenz

1937, 1943

Tinbergen

1951

Thorndike

1898, 1911

Hull

1943, 1952

Spence

1956, 1960

Mowrer

1950, 1960

Miller

1948, 1959

Pawlow

1909/1927

Skinner

1938, 1953 Hebb

1949, 1953

Sokolov

1958

Berlyne

1960, 1967

Eysenck

1967

Ach

1910

Darwin

1859

Bindra

1959

Duffy

1932, 1962

Freud

1900, 1915

Lewin

1926, 1935

Murray

1938

McClelland

1953, 1961

Weiner

1972

Atkinson

1957, 1970

Heckhausen

1967, 1980

Kuhl,

1983, 1994

Tolman,

1932, 1952

Gollwitzer

1990

Moderne

Evolutionsps.

Moderne

Lerntheorien

Psychophysiologie

Biopsychologie

Willenspsych.

James

1890

Kognitive u.

Persönlichkeits-

psychol. Ansätze

Wundt

1874, 1896

Kognitive Ansätze

Volitionstheorien

Heider

1958

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Die „kognitive Wende“ in der Motivationspsychologie

40er- 50er Jahre

• Hull: Fokus auf Trieb und Gewohnheit

• Vorläufer kognitiver Ansätze:

- Hull/Spence: Anreize

- Spence: fragmentarische antizipatorische Zielreaktion

- Tolman: Erwartung (exepectancy)

- Mowrer: Erwartungsemotionen

- Bolles: Erwartungen über Reaktions-Folge-Kontingenzen

50er Jahre

• wachsende Unzufriedenheit mit Beschränkungen (neo)behavioristischer Ansätze

• Entstehung der Kognitiven Psychologie (z.B. Neisser,1967)

• Fokus auf mentale Repräsentationen und nicht direkt beobachtbare Prozesse der Informationsverarbeitung

• Erwartungen, Bewertungen und Ziele als motivierende Faktoren

• Wichtigster theoretischer Ansatz: Erwartung-Wert-Theorien

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Merkmale zielgerichteter Handlungen

Handlungs-Effekt-Antizipationen und Zielrepräsentationen

• Antizipation von Handlungseffekten und alternativen Zielen

• Subjektive Einschätzungen der Erreichbarkeit von Zielen

Affekt-Antizipation und Bewertung von Zielen

• Antizipation der affektiven Konsequenzen von Zielzuständen

• Bewertung der Attraktivität von Zielen

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Sensoren

Effektoren

Reize Reaktionen

Bildung von Zielen / Auswahl

von Handlungen aufgrund

von Bewertungen

antizipierter Effekte

Repräsentation erwarteter

Handlungseffekte

Aktionx Effektx

Aktiony Effekty

Aktionz Effektz

Aktionx Effektx

(Lotze, 1852; James, 1890; Prinz, 1998;

Goschke, 2004; Haggard, 2005; Hommel, 2001)

Intentionale Handlungssteuerung Effekt-Antizipation und Zielrepräsentationen

Erlernte

Assoziationen

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Arten von Erwartungen

Situation Handlung Ergebnis Folgen

Tätigkeits-

spezifische-

Vollzugsanreize

Anreize künftiger

Zustände

Nach Heckhausen, 1989; Rheinberg, 1997

S H

S E

E F H E

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Verschiedene Erwartungen: Beispiele

Situations-Ergebnis-Erwartung

• Welches Ergebnis ist zu erwarten, wenn ich nicht handle?

- Wie wahrscheinlich ist es, eine Prüfung zu schaffen, ohne sich darauf vorzubereiten?

Situations-Handlungs-Erwartung

• Kann eine Handlung in einer Situation ausgeführt werden?

- Habe ich bis zur Prüfung noch genügend Zeit, um mir die Literatur zu beschaffen und sie durchzuarbeiten?

Handlungs-Ergebnis-Erwartung

• Kann ich das Ergebnis durch eigenes Handeln beeinflussen?

- Wie wahrscheinlich ist es, durch Lernen eine gute Note zu erlangen?

Ergebnis-Folge-Erwartung

• Wird ein Handlungsergebnis auch die erwünschten Folgen nach sich ziehen?

- Steigern gute Noten wirklich die Chance auf einen guten Job?

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Erwartungen im erweiterten kognitiven Motivationsmodell (nach Heckhausen & Rheinberg, 1980)

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Erscheint das Ergebnis durch die Situation bereits festgelegt?

nein

Kann ich das Ergebnis durch eigenes Handeln beeinflussen?

ja

Sind mir die möglichen Folgen des Ergebnisses wichtig genug?

ja

Zieht das Ergebnis auch die gewünschten Folgen nach sich?

ja

Handeln!

ja Tue nichts!

nein Tue nichts!

nein Tue nichts!

nein Tue nichts!

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Anreize

Ziel des Verhaltens ist die Maximierung positiver und Minimierung negativer Affekte (These des Hedonismus)

Motivation durch antizipierte Affekte

• reale oder vorgestellte Situationen, die mit der Antizipation positiver bzw. negativer Affekten einhergehen Annäherungs- bzw.

Meidungstendenzen

Anreize = Aspekte einer Situation, die mit positiven oder negativen Affekten assoziiert sind und einen Motivationszustand anregen können

• Angeborene Anreize: Schmerzreize, Nahrung

• Erlernte Anreize: durch Assoziation mit angeborenen Anreizen

• Tätigkeitszentrierte Anreize: intrinsische Motivation

• Ergebniszentrierte Anreize: extrinsische Motivation

Motivation = ergibt sich aus Interaktion von situativen Anreizen und personenseitigen Bedürfnissen, Motiven und Erwartungen

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Das Grundmodell kognitiver Motivationstheorien

Nach: Rheinberg, 1995

Person (Motive, Ziele, Erwartungen)

Situation (Anreize; Gelegenheiten)

Motivation Verhalten

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Überblick und Lernziele

Kognitive Ansätze in der Motivationsforschung

Erwartung-Wert-Theorien

Motive

Leistungsmotivation

Risikowahl-Modell von Atkinson

Empirische Befunde zum Risikowahl-Modell

Kausalattributionen und Selbstbewertung

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Historische Wurzeln von Erwartung-Wert-Theorien

Blaise Pascal (1623-1662)

• Bei der Auswahl eines Ziels sollte der erwartete Wert des Handlungsziels und die Wahrscheinlichkeit, das Ziel zu erreichen, berücksichtigt werden

Ökonomische Entscheidungstheorie (von Neumann & Morgenstern, 1944); Edwards, 1962)

• Rationale Entscheidungsregel: Wähle das Ziel, bei dem das Produkt von möglichem Gewinn und Gewinnwahrscheinlichkeit maximal ist Erwartung X Wert

Psychologische Ansätze: Kurt Lewin (1935); Lewin, Dembo, Festinger & Sears (1944)

• Verhalten = Funktion von Person und Situation

• Motivation beruht auf Einschätzung der Valenz (Anreiz, Wert) und Erreichbarkeit (Potenz, Erfolgswahrscheinlichkeit) von Zielen

• Weiterentwicklungen: Feather (1959); Vroom, (1964); Atkinson (1957); Heckhausen (1963) u.a.

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Erwartung und Wert

Erwartung (Erfolgswahrscheinlichkeit)

• Einschätzung der Wahrscheinlichkeit, ein Ziel erreichen zu können

• Beruht auf Wissen über Zusammenhänge zwischen Ereignissen, Handlungen und deren Konsequenzen

Wert (Valenz)

• Subjektiver Anreiz eines Ziels

• Beruht auf emotionaler Bewertung eines vorgestellten Zielzustands Affekt-Antizipation

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Erwartung x Wert

Wette 1: 12 €, wenn Sie aus 4 Karten eine bestimmte Karte ziehen

Wette 2: 200 €, wenn Sie aus 36 Karten eine bestimmte Karte ziehen

Für welche Alternative entscheiden Sie sich?

Wahrscheinlich-keit

Wahrscheinlich-keit x Wert

Erwarteter durchschnittlicher Gewinn

Wette 1 1/4 = .25 .25 x 12 3,00 €

Wette 2 1/36 = 0.0278 .0278 x 200 5,56 €

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Erwartung x Wert

Erfolgs-erwartung

Wert/ Anreiz

E x W

0,1 0,1 0,01

0,1 0,9 0,09

0,9 0,1 0,09

0,5 0,5 0,25

0,9 0,9 0,81

Wert M

otivation (

ExW

)

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Erwartungs-Wert-Theorien: Vier Anmerkungen

Subjektive Erfolgserwartung ≠ objektive Erfolgswahrscheinlichkeit! • Wahrscheinlichkeit eines Handlungsergebnisses kann falsch eingeschätzt

werden

Subjektiver Anreiz ≠ objektiver Nutzen! • Menschen können sich im Irrtum darüber befinden, welche emotionalen

Konsequenzen das Eintreten eines Ereignisses für sie haben wird

Erwartungen und Werte müssen nicht immer bewusst sein! • Verhalten, das einer Erwartung x Wert-Regel genügt, ist auch bei Tieren

(Fische, Vögel) beobachtet worden, die vermutlich nicht über bewusste Repräsentationen von Erfolgswahrscheinlichkeiten und Anreizen verfügen

Menschen weichen in ihrem Verhalten mehr oder weniger stark von einer optimalen Erwartung-Wert-Regel ab

• Z.B. impulsives oder habituelles Verhalten

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Subjektive Voraussage von Ereignissen und objektive Auftretenswahrscheinlichkeit

38 Irwin, 1953

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Überblick und Lernziele

Kognitive Ansätze in der Motivationsforschung

Erwartung-Wert-Theorien

Motive

Risikowahl-Modell von Atkinson

Empirische Befunde zum Risikowahl-Modell

Kausalattributionen und Selbstbewertung

43

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Motive

Wovon hängt es ab, ob eine Person ein Ziel als erstrebenswert ansieht?

Warum sind bestimmte Zielzustände für manche Personen erstrebenswert, während andere diesen Zielen gleichgültig gegenüber stehen oder sie sogar zu vermeiden versuchen?

Zwei Ursachen:

• Intraindividuelle Schwankungen von Bedürfnissen oder Trieben

• Interindividuell unterschiedlich stark ausgeprägte Motive

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Motive

Murray (1938):

• Bereitschaft, unter bestimmten Umständen in spezifischer Weise zu reagieren

Rheinberg (2000):

• Intraindividuell konstante, interindividuell variierende Personenmerkmale, die für die Bevorzugung von Anreizklassen (z.B. Macht, Leistung) verantwortlich sind und durch Anreize in einer Situation angeregt werden

Heckhausen (1989):

• Situationsübergreifende Disposition, Zielzustände einer bestimmten Thematik (z.B. Leistung, Macht, Anschluss) positiv oder negativ zu bewerten („Wertungsdisposition“) und bestimmte Klassen von Zielen anzustreben bzw. zu vermeiden

Murray, H. A. (1938). Explorations in personality. New York: Oxford University Press. Rheinberg, F. (2002). Motivation. Stuttgart: Kohlhammer. Heckhausen, H. (1989). Motivation und Handeln (2. Aufl.). Heidelberg: Springer.

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Motive

Motive sind Konstrukte zur Erklärung von

• intraindividueller Stabilität im Verhalten:

- Warum verhält sich eine Person in verschiedenen Situationen ähnlich?

• interindividueller Variabilität im Verhalten

- Warum verhalten sich verschiedene Personen in ähnlichen Situationen unterschiedlich (z.B. leistungs- vs. machtorientiert)?

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Motive, Motivation und Affektantizipation

Motivationszustände sind eng mit Emotionen verknüpft

Emotionen signalisieren, ob Zielerreichung gefährdet ist oder man ihr näher kommt (Dörner: „Lageberichte“ über den aktuellen Motivationszustand)

Motivation beruht auf antizipierten Affektveränderungen

• Z.B. antizipierte Freude/Stolz beim Gedanken an einen Erfolg

• Z.B. antizipierte Trauer/Scham beim Gedanken an einen Misserfolg

Motive beeinflussen, welche Affekte durch Ziele einer bestimmten Thematik ausgelöst werden, d.h. wie erstrebenswert ein Ziel erscheint

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Motive und Anreize

Anreize = Aspekte einer Situation, die Möglichkeiten zur Erreichung motivthematischer Ziele signalisieren

anreizhaltige Situationsaspekte haben einen „Aufforderungscharakter“ (Lewin, 1926) und ziehen Aufmerksamkeit auf sich

Motive werden durch (tatsächliche oder vorgestellte) Anreize angeregt

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Motiv als Dispositionskonstrukt

Ob sich Motive im Verhalten ausdrücken, hängt davon ab

• ob ein Motiv durch situative Anreize angeregt wird

• ob die Situation Gelegenheiten zur Verfolgung motivspezifischer Ziele enthält

• ob das Motiv kurz zuvor bereits befriedigt wurde („Sättigung“)

Wie sich Motive im Verhalten ausdrücken, hängt davon ab

• welche Handlungen im Verhaltensrepertoire der Person sind

• welche Handlungen sie als zieldienlich betrachtet

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Motiv vs. Motivation

Motiv („trait“)

• persönliche Disposition, Zielzustände einer bestimmten Thematik (z.B. Leistung, Macht, Anschluss) positiv oder negativ zu bewerten

Motivation („state“)

• Zustand, in dem personenseitige Motive durch situative Anreize angeregt werden

• Aktuelle Tendenz, ein Ziel durch eigenes Verhalten anzustreben oder zu vermeiden

Ausrichtung des Denkens u. der Aufmerksamkeit auf das Ziel

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Das Grundmodell kognitiver Motivationstheorien

Nach: Rheinberg, 1995

Person (Motive, Erwartungen)

Situation (Anreize; Gelegenheiten)

Motivation Verhalten

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Klassifikation von Motiven

• Ein bzw. zwei grundlegende Motive (Freud: Libido vs. Destrudo)

• Viele verschiedene Motive (Cattell, McDougall, Murray)

• Hierarchie von Motiven (Maslow)

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Murrays Liste von psychogenen Bedürfnissen

n Abasement Erniedrigung

n Achievement Leistung

n Affiliation sozialer Anschluß

n Aggression Aggression

n Autonomy Unabhängigkeit

n Counteraction Widerständigkeit

n Defendance Selbstgerechtigkeit

n Deference Unterwürfigkeit

n Dominance Machtausübung

n Exhibition Selbstdarstellung

n Harmavoidance Leidvermeidung

n Infavoidance Mißerfolgsmeidung

n Nurturance Fürsorglichkeit

n Order Ordnung

n Play Spiel

n Rejection Zurückweisung

n Sentience Sinnhaftigkeit

n Sex Sexualität

n Succorance Abhängigkeit

n Understanding Verstehen (Einsicht)

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Primäre („biologische“) vs. sekundäre („soziale“) Motive

Primäre Motive

Hunger

Durst

Ausscheidung

Konstante Körpertemperatur

Sauerstoff (Atmung)

Schlaf

Vermeidung von Schmerz

Sexualität

Neugier und Exploration

Leistung

Kompetenz

Anschluss/ Intimität

Macht

Selbstachtung

u.a.

Sekundäre Motive

• Auch biologische Motive sind in ihren Ausdrucksformen durch kulturelle Einflüsse und Lernerfahrungen beeinflusst

• Auch soziale Motive können als evolutionäre Anpassungen an grundlegende Erfordernisse des Überlebens und der Fortpflanzung betrachtet werden

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Physiologische Bedürfnisse

Selbstachtung

Soziale Bindungen

Sicherheit

Selbst-

verwirklichung

Die Bedürfnispyramide nach Maslow

Abraham H. Maslow (1908-1970):

Vertreter der humanistischen Psychologie

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Physiologische Bedürfnisse

(physiological needs) :

Hunger

Durst

Sexualität

Diese Bedürfnisse dienen der Homöostase

(Aufrechterhaltung des physiologischen

Gleichgewichts)

Die Bedürfnispyramide nach Maslow

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Sicherheits-Bedürfnisse

(safety needs):

Sicherheit und Schutz vor Schmerz,

Furcht, Angst und Ungeordnetheit,

Bedürfnis nach schützender Abhängigkeit,

nach Ordnung, Gesetzlichkeit und

Verhaltensregelung

Die Bedürfnispyramide nach Maslow

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Soziale Bindungs-Bedürfnisse

( needs for belongingness and love):

Bedürfnisse nach Liebe,

nach Geborgenheit, nach

sozialem Anschluss, nach

Identifikation

Die Bedürfnispyramide nach Maslow

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Selbstachtungs-Bedürfnisse

(esteem needs):

Bedürfnisse nach Leistung,

nach Geltung,

nach Zustimmung

Die Bedürfnispyramide nach Maslow

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Selbstverwirklichungs-Bedürfnisse

(self-actualization needs):

Selbsterfüllung in der

Realisierung der eigenen

angelegten Möglichkeiten

und Fähigkeiten, Bedürfnis

nach Verstehen und Einsicht

Die Bedürfnispyramide nach Maslow

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Physiologische Bedürfnisse

Selbstachtung

Soziale Bindungen

Sicherheit

Selbst-

verwirklichung

1. Höhere Bedürfnisse stellen jüngere

evolutionäre Entwicklungen dar.

2. Je höher Bedürfnisse sind, umso weniger

wichtiger sind sie für das Überleben

3. Höhere Bedürfnisse sind für die Person

weniger dringlich.

4. Auf einem höheren Bedürfnisniveau zu

leben, bedeutet längeres Leben, weniger

Krankheit, besseren Schlaf, usw.

5. Befriedigung höherer Bedürfnisse führt zu

mehr Glück und innerem Reichtum

Die Bedürfnispyramide nach Maslow

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Motive als evolutionäre Anpassungen

Motive sind stammesgeschichtliche Anpassungen an grundlegende

Erfordernisse des Überlebens und der Fortpflanzung

• Streben nach Kompetenz, positiven Beziehungen und Macht betrifft grundlegende

adaptive Anforderungen an sozial organisierte Lebewesen

Die psychobiologischen Systeme, die Motiven zugrunde liegen,

haben vermutlich teilweise eine genetische Basis:

• Grundmotive sind in vielen Kulturen vorhanden

• Homologe Motivsysteme bei nichtmenschlichen Primaten

Die individuelle Ausprägung und der Ausdruck von Motiven hängt

von kulturellen Einflüssen und Lernerfahrungen ab

• z.B. Hunger: Nahrungsvorlieben, Tischsitten etc.

• z.B. individuelles Leistungsstreben in verschiedenen Kulturen

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Soziale Basismotive

Anschlussmotiv

• Bestreben, positive Beziehungen zu anderen aufzunehmen, aufrecht zu erhalten oder gestörte Beziehungen wieder herzustellen

Machtmotiv

• Bestreben, auf andere Einfluss zu nehmen und sich dadurch stark und bedeutsam zu fühlen

Leistungsmotiv

• Leistungsmotiv: Bestreben, eine Sache besonders gut zu machen, etwas Anspruchsvolles zu schaffen und stolz auf das Geschaffte und die eigene Kompetenz sein zu können

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Definition des Leistungsmotivs

Leistungshandeln: Verhalten, an das ein Gütestandard angelegt wird (McClelland et al., 1953)

• sachimmanent (Gelingen oder Misslingen)

• autonom (Vergleich mit eigener früherer Leistung)

• sozial (Vergleich mit den Leistungen anderer)

Leistungsmotiv: Disposition „die eigene Tüchtigkeit in jenen Tätigkeiten zu steigern oder hoch zu halten, in denen man einen Gütemaßstab für verbindlich hält und deren Ausführung deshalb gelingen oder misslingen kann“ (Heckhausen, 1965)

McClelland: LM spiegelt generalisierte Belohnungserwartung für Leistung/Erfolg bzw. generalisierte Bestrafungserwartung für Misserfolg

Leistungmotiv wird durch die Antizipation von leistungsbezogenen Affekten (Stolz vs. Scham) angeregt

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Evolutionäre Funktion des Leistungsmotivs

Lebewesen, deren körperlichen und geistigen Fähigkeiten weitgehend auf Lernprozessen beruhen, müssen Verhaltensmöglichkeit aktiv erproben, üben und verbessern

• Funktion des Spiels; kleinkindliche Freude am „Selber machen“, Lernen und Aufgaben meistern (Karl Bühler: „Funktionslust“)

Leistungsmotiv als „hedonistisch verankerter Selbstoptimierungsmechanismus“ (Rheinberg & Fries, 2001)

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Natur und Kultur des Leistungsmotivs

Genetische Prädisposition ist plausibel

• Das Bestreben, Kompetenzen zu erwerben und Dinge gut zu können brachte vermutlich einen Selektionsvorteil mit sich

Aber: Individuelle Ausprägung des Leistungsmotivs hängt von Sozialisationsbedingungen ab

• Z.B. Förderung der Selbständigkeit des Kindes

Ausprägung und Ausdrucksformen des Leistungsmotivs variieren je nach Normen, Werte, Erziehungspraktiken einer Kultur

Individuelles Leistungsmotiv = Ergebnis der Interaktion von Natur und Kultur!

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Wie kann man Motive messen?

Gefahr zirkulärer Definitionen:

• Leistungshandeln als Indikator für Leistungsmotiv

• Leistungsmotiv als Erklärung für Leistungshandeln

Motive müssen unabhängig vom zu erklärenden Verhalten gemessen werden

• Motiv-Fragebögen

• projektive Verfahren (z.B. Thematischer Apperzeptionstest (TAT); Murray (1938)

Idee projektiver Tests:

• Motive drücken sich im Verhalten aus, ohne dass Person befragt werden muss

• Motive manifestieren sich in Fantasievorstellungen („Projektionen“), die Probanden in mehrdeutigen Situationen produzieren

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Thematischer Apperzeptionstest (TAT)

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Ein Bild aus dem TAT von Heckhausen (1963) zur Erfassung des Leistungsmotivs

Probanden sollen zu mehrdeutigen Bild eine Geschichte aufschreiben und folgende Punkte berücksichtigen:

• Was geschieht hier? Wer sind die Personen?

• Was denken, fühlen und wollen die beteiligten Personen?

• Wie es zu der Situation gekommen?

• Wie wird die Situation weitergehen?

Cover-Story: Es gehe um Untersuchung von Fantasie und Vorstellungsfähigkeit

Inhaltsanalytische Auswertung (Häufigkeit von motivspezifischen Inhalten)

Murray (1938): „Eine Person sagt bei der Interpretation einer mehrdeutigen Situation

gewöhnlich ebenso viel über ihre eigene Persönlichkeit aus wie über das Ereignis“ 76

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TAT und Leistungsmotiv

McClelland, Atkinson, Clark & Lowell (1953)

• Entwicklung eines standardisierten Auswertungsverfahrens für TAT-Geschichten

• Inhaltsanalyse: Auszählung von leistungsthematischen Inhalten

Zwei Komponenten des Leistungsmotiv

• Hoffnung auf Erfolg: Neigung, Stolz über erbrachte Leistungen zu empfinden (Annäherungskomponente)

• Furcht vor Misserfolg: Neigung, Scham bei Mißerfolg zu empfinden (Meidenkomponente)

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Inhaltskategorien: „Hoffnung auf Erfolg“

Bedürfnis nach Leistung und Erfolg (B)

• z.B. „Er will einen neuen Apparat konstruieren.“

Instrumentelle Tätigkeit zur Zielerreichung (I)

• z.B. „Der Schüler denkt konzentriert über die Aufgabe nach.“

Erfolgserwartung (E)

• z.B. „Er ist sicher, dass seine Arbeit ein Erfolg wird.“

Lob infolge guter Leistung (L)

• z.B. „Der Meister klopft ihm anerkennend auf die Schulter.“

Positiver Gefühlszustand (G+)

• z.B. „Die Hausaufgabe macht ihm Spaß.“

Erfolgsthema (Th)

• überwiegend erfolgsgerichteter Inhalt der Geschichte

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Inhaltskategorien: „Furcht vor Misserfolg“

Bedürfnis nach Misserfolgsmeidung (Bm)

• z.B. „Er hofft, dass der Meister von dem Fehler nichts merkt.“

Instrumentelle Tätigkeit zur Vermeidung eines Misserfolgs (Im)

• z.B. „Der Schüler versteckt sich, um nicht aufgerufen zu werden.“

Misserfolgsungewissheit oder Erfolgsgewissheit (Em)

• z.B. „Wenn es diesmal nicht gelingt, bin ich blamiert“

Kritik und Tadel (T)

• z.B. „ Um die Prüfung zu bestehen, musst Du Dich mehr anstrengen.“

Negative Gefühle (G-)

• z.B. „ Dass mir auch dieser Fehler passieren musste.“

Misserfolg (M)

• z.B. „Der Lehrling hat das Werkstück verdorben.“

Misserfolgsthema (Thm)

• überwiegend misserfolgsgetönter Inhalt der Geschichte 79

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Beispiele für TAT-Geschichten

Anschluss-Intimität Macht Leistung

Die beiden Frauen sind nicht nur

Kommilitonen, sie sind auch schon

seit Jahren die besten Freundinnen.

Sie kennen sich schon seit der

Grundschule, wo sie immer alles

zusammen gemacht haben. Eine der

beiden ist mit ihren Eltern

weggezogen, und so verloren sie

sich für lange Jahre aus den Augen,

worüber beide traurig waren. Der

Zufall wollte es, dass sie in

derselben Stadt ein Chemiestudium

aufnahmen. Als sie sich in der ersten

Vorlesung wiedersahen, waren sie

überrascht und glücklich.

Anna verspürte ein Grollen im

Bauch. Nun ist sie doch dieser alten

Schachtel ausgeliefert und muss

sich von ihr prüfen lassen. Sie weiß,

dass Dr. Müller sie hasst und

genüsslich durchfallen lassen wird.

Es ist ja auch kein Wunder. Anna hat

seit Monaten eine Affäre mit dem

Ehemann von Dr. Müller – ein

berühmter Fernsehstar – aber nicht

aus Liebe, sondern um der miesen

Kröte eins auszuwischen. Anna ahnt

nicht, dass Dr. Müller längst

dahinter gekommen ist und schon an

dem Gift arbeitet, dass Anna

umbringen wird.

Dr. Maertens und ihre Assistentin

überprüfen noch einmal ihre

Ergebnisse, dann sind sie sich

sicher: Das jahrelange Arbeiten hat

sich gelohnt. Als erste haben sie

einen Impfstoff gegen AIDS

synthetisieren können. Die vielen

Entbehrungen und die Rückschläge,

die sie in Kauf nehmen mussten,

verlieren jetzt ihre Bedeutung.

Wichtig ist nur, dass sie es geschafft

haben. Sie sind Stolz auf ihre

Leistung

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Messung des Leistungsmotivs

Validierung des TAT

• Probanden bearbeiteten den TAT in entspannter Atmosphäre oder nach Anregung des Leistungsmotivs (z.B. durch oder Misserfolgs-Rückmeldung in einer Aufgabe)

Nach Anregung des Leistungsmotivs produzierten Probanden mehr leistungsbezogene Inhalte:

• Bedürfnis, ein Leistungsziel zu erreichen

• Erfolgs-/Misserfolgserwartungen

• Positive oder negative Gefühlszustände

• Instrumentelle Aktivitäten zur Zielerreichung

• Hindernisse auf dem Weg zum Ziel

• Hilfreiche Unterstützung

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Messung des Leistungsmotivs

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Gütekriterien und Probleme des TAT

Aufwand: hoch

Objektivität: Übereinstimmung ist bei trainierten Auswertern zufriedenstellend (Inter-Rater-Korrelationen > .80)

Split-Half-Reliabilität: Gering, da verschiedene Bilder sehr verschiedenen motivthematischen Bezug haben

Re-Test-Reliabilität: Gering bis mässig (Retestintervall von 3-5 Wochen: zwischen .40 und .60)

Situative Einflüsse: Instruktionsseffekte (Winter & Stewart (1977)

• Sich in ehemalige Testsituation hineinversetzen und möglichst ähnliche Geschichten schreiben: .61

• Sich nicht darum kümmern, ob Geschichten ähnlich sind: .58

• Möglichst neuartige Geschichten schreiben: .27

State oder trait?

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Validität des TAT

Kann von den produzierten Inhalten tatsächlich auf Motive geschlossen werden?

Geringe Korrelationen mit Motiv-Fragebögen: mangelnde Validität oder Unabhängigkeit von impliziten Motiven und expliziten Zielen?

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Meta-Analyse zum Zusammenhang von projektiven Tests und Motiv-Fragebögen

Analyse von 105 Studien zum Leistungsverhalten (Spangler, 1992)

Ergebnis: Kennwerte für das Leistungsmotiv, die mittels projektiver Tests (TAT) und über Selbstbeurteilung (Fragebögen) gemessen wurden, korrelierten über Studien hinweg nur schwach (r = .09)

Eine gängige Interpretation: TAT erfüllt nur unzureichende Gütekriterien für einen Motivtest

• Mäßige innere Konsistenz: geringe Korrelationen der Motivwerte für verschiedene Bilder

• Mäßige zeitliche Stabilität und Retest-Reliabilität

• Ungeklärte Validität: Spiegeln Inhalte der Geschichten wirklich die Motive der Person?

Spangler (1992). Validity of questionnaire and TAT measures of need of

achievement: Two meta-analyses. Psychological Bulletin, 112, 140-154.

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Alternative Interpretation

Alternative Interpretation der geringen Korrelation von TAT und Fragebögen (McClelland et al., 1989)

• Beide Instrumente erfassen unterschiedliche Arten von Motiven

• Fragebögen: "explizite" (bewusste, verbalisierbare) Ziele (motivationales Selbstbild; self-attributed motives)

• TAT: "implizite" (unbewusste) Motive

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Semi-projektive Verfahren: Das Multi-Motiv-Gitter

JA NEIN

Man ist froh, den anderen getroffen zu haben

Hier Einfluß haben wollen

Sich hier den Erfolg zutrauen

An mangelnde spezielle Fähigkeiten denken

Die Macht anderer befürchten

Man fürchtet, den anderen zu langweilen

Sokolowski, K., Schmalt, H.-D., Langens, Th. & Puca, R. M. (2000). Assessing achievement, affiliation, and power

motives all at once - the Multi-Motive Grid (MMG). Journal of Personality Assessment, 74, 126-145. 88