Modellierungsansätze und neue Brennhilfsmittelkonzepte für ... · Kurzfassung Niedrigsinternde...
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Modellierungsansätze und
neue Brennhilfsmittelkonzepte für die
LTCC-Drucksintertechnologie
Dipl.-Ing. Björn Brandt
BAM-Dissertationsreihe • Band 136Berlin 2015
Impressum
Modellierungsansätze und neue Brennhilfsmittelkonzepte für die LTCC-Drucksintertechnologie
2015
Herausgeber:BAM Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung Unter den Eichen 8712205 BerlinTelefon: +49 30 8104-0Telefax: +49 30 8112029E-Mail: [email protected]: www.bam.de
Copyright © 2015 by BAM Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung
Layout: BAM-Referat Z.8
ISSN 1613-4249ISBN 978-3-9817149-7-5
Die vorliegende Arbeit entstand an der BAM Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung.
Modellierungsansätze und
neue Brennhilfsmittelkonzepte für die
LTCC-Drucksintertechnologie
Dissertation
zur Erlangung des akademischen Grades
Doktoringenieur (Dr.-Ing.)
vorgelegt der
Fakultät Maschinenwesen
der Technischen Universität Dresden
von Dipl.-Ing. Björn Brandt
geboren am 21.02.1985 in Berlin
Gutachter:
Prof. Dr.rer.nat.habil. Alexander Michaelis
Prof. Dr.-Ing. Andreas Roosen
Tag der Einreichung: 23. September 2014
Tag der Verteidigung: 05. Juni 2015
Kurzfassung
Niedrigsinternde Glas-Keramik-Komposite (LTCC, low temperature co-fired ceramics) werden erfolg-
reich als kompakte, mehrlagige Schaltungsträger in der Automobilindustrie und Hochfrequenztechnik
eingesetzt. Dazu werden sie mit Verfahren der Folien- und Multilayertechnik verarbeitet und gemeinsam
mit aufgedruckten Metallisierungen bei Temperaturen bis 900 °C co-gesintert. Besonders bei hohen
Anforderungen an die Reproduzierbarkeit der Sinterschwindung hat sich das Sintern mit axialer
Druckunterstützung etabliert, wodurch unter anderem die Schwindung in der Ebene der Einzelfolien
unterdrückt werden kann. Ziel der vorliegenden Arbeit war es, die LTCC-Drucksintertechnologie unter
zwei Gesichtspunkten weiterzuentwickeln:
Erarbeitung eines einfachen und praktikablen Verfahrens zur Modellierung und Simulation des
Verfahrens,
prozessintegrierte Erzeugung maßgeschneiderter, speziell dünnfilmfähiger Oberflächenstrukturen.
Für die Simulation der Sinterung wurde das Modell der Mastersinterkurve ausgewählt. Die Eignung des
Modells zur Beschreibung von LTCC-Werkstoffen wird zunächst ohne Druckunterstützung nach-
gewiesen. Dabei werden die Mastersinterkurven von frei gesinterten Pulverpresslingen und
Folienlaminaten, deren Schwindung in der Ebene unterdrückt ist, quantitativ gegenübergestellt.
Außerdem wird eine Methode vorgeschlagen und experimentell bestätigt, mit der die
Schwindungsfehlpassung von Werkstoffkombinationen bei druckloser Co-Sinterung von berechnet
werden kann. Die Modellierung der druckunterstützten Sinterung basiert auf thermomechanischen
Analysen eines verbreitet angewendeten, kommerziellen LTCC-Werkstoffs (DuPont GreenTape DP951)
im Druckbereich von 2 kPa bis 500 kPa. Die Auswertung der Messwerte und Entwicklung der
Mastersinterkurven erfolgt unter Berücksichtigung der Kriechverformung des Werkstoffs unter Druck
und wird durch grundlegende Untersuchungen zur für dieses Modell obligatorischen Bestimmung der
Aktivierungsenergie ergänzt. Mit einer konstanten Aktivierungsenergie von 400 kJ/mol werden
Mastersinterkurven für verschiedene Drücke aufgestellt und mit Anpassungsfunktionen modelliert. Die
mit Hilfe der Anpassungsfunktionen simulierten Sinterkurven stimmen gut mit den Messungen überein.
Das Modell wird als geeignet und praktikabel bewertet.
Die prozessintegrierte Erzeugung maßgeschneiderter Oberflächenstrukturen erfolgt über die im Druck-
sinterprozess eingesetzten Brennhilfsmittel. Zur Einstellung gewünschter Rautiefen auf den gesinterten
Oberflächen werden Opferfolien aus Al2O3 mit unterschiedlichen Partikelgrößenverteilungen und eine
Opferfolie aus hexagonalem BN vorgestellt, die über Rückstandsschichten auf der LTCC-Oberfläche die
Oberflächenstruktur bestimmen. Der Zusammenhang von Opferfolieneigenschaften und Oberflächen-
charakteristika wird an verschiedenen LTCC-Werkstoffen beschrieben. Die Rauheit einer
druckgesinterten LTCC-Oberfläche kann über die Partikelgröße der Opferfolien gezielt verändert
werden. Zur Herstellung dünnfilmkompatibler, rückstandsfreier Oberflächen im Drucksinterprozess
wird glasartiger Kohlenstoff als Brennhilfsmittel eingeführt. Damit wird eine Regelung des Sauerstoff-
partialdrucks während des Brandes erforderlich. Eine vollständige thermische Entbinderung der
Grünfolien ist aufgrund von Kohlenstoffrückständen auf den Partikeloberflächen erst oberhalb 500 °C
möglich. Einflüsse der Prozessparameter Druck und Haltezeit auf die resultierende Oberflächenstruktur
werden aufgeklärt und optimale Prozessfenster für die untersuchten Werkstoffe angegeben. Mit dem
entwickelten Verfahren können zum ersten Mal verschiedene LTCC-Substrate mit dünnfilmfähigen
Oberflächen nacharbeitsfrei durch Drucksintern hergestellt werden.
Die Ergebnisse zur Modellierung und Simulation leisten einen wertvollen Beitrag zur Einsparung von
Energie, Zeit und Kosten bei der Gestaltung von Drucksinterprozessen. Die erarbeiteten Brennhilfs-
mittelkonzepte können ressourcenaufwändige Nacharbeit teilweise ersetzen und eröffnen durch die
Dünnfilmeignung der Oberflächen neue Anwendungsgebiete der Drucksintertechnologie in der Sensor-
und Mikrosystemtechnik.
Summary
Low temperature co-fired ceramics (LTCC) have been successfully used for compact multilayer circuit
boards in the automotive industry and for high frequency applications. They are processed as green tapes
in multilayer technology and co-fired with printed metallization at temperatures up to 900 °C. Especially
if high reproducibility of the sintering shrinkage is crucial, pressure-assisted sintering is well
established. The in-plane shrinkage of the multilayer can be thereby suppressed and the shrinkage
tolerances are significantly reduced. The goal of this work was to further develop pressure-assisted
sintering technology regarding two aspects:
development of a simple and feasible method for modeling and simulation of the process,
fabrication of tailored LTCC-surfaces, in particular, those that are thin-film capable.
The master sintering curve approach is used for modeling and simulation. The adequacy of the approach
for the description of LTCC sintering is initially verified without consideration of external pressure. In
this context, master sintering curves of freely sintered powder compacts and multilayer laminates that
were sintered under constraint are quantitatively compared. A method for the calculation of the
shrinkage mismatch of freely sintered multi-material multilayer is proposed and experimentally verified.
The modeling of pressure-assisted sintering is based on thermo-mechanical analysis of a widely-used,
commercialized LTCC (DuPont GreenTape DP951) in the pressure regime of 2 kPa to 500 kPa. The
evaluation of the experimental data and the generation of the master sintering curves are carried out with
consideration of the creep deformation of the material. Furthermore, basic investigations concerning the
obligatory determination of the activation energy are presented. Master sintering curves for different
pressure levels are compiled with constant activation energy of 400 kJ/mol and modeled using five-
parametric logistic functions. Sintering curves calculated from the model functions are in good
agreement with experimental data. The approach is assessed to be adequate and feasible.
The fabrication of tailored surface structures is implemented by the adaptation of the setters used for
pressure-assisted sintering. Alumina release tapes with different particle size distributions and a
hexagonal boron nitride release tape are presented for the adjustment of the surface roughness. The
shape and structure of the residue layer left by the different release tapes on the sintered surface
determines the surface properties. The relation between release tape properties and surface
characteristics is described for several LTCC materials. A systematic surface roughness adjustment of
sinter-pressed LTCC-substrates is possible using the particle size distribution of the release tape. For the
fabrication of thin-film compatible surfaces, glassy carbon is introduced as setter material.
Consequently, the oxygen partial pressure must be controlled during sintering. A complete thermal
debinding of the green tapes is only possible at temperatures above 500 °C due to char on the particle
surfaces. The influences of the process parameters pressure and dwell time on the resulting surface
characteristics are elucidated. Using the glassy carbon setter, LTCC substrates with thin-film compatible
surfaces can be produced by pressure-assisted sintering without reworking for the first time.
The results concerning modeling and simulation contribute to the reduction of energy, time and costs in
the development process of pressure-assisted sintering regimes. The setter concepts introduced in the
work can make expensive reworking of surfaces redundant. Feasible fabrication of thin-film capable
surfaces by pressure-assisted sintering opens new fields of application in sensor and microsystems
technology.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung .......................................................................................................................................... 1
2 Stand der Technik ............................................................................................................................ 3
2.1 LTCC-Mehrlagentechnologie ..................................................................................................... 3
2.1.1 Werkstoffe und Sintermechanismen ................................................................................... 4
2.1.2 Technologische Prozesskette .............................................................................................. 5
2.1.3 Sinterung mit geometrischer Schwindungsbeschränkung und Druckunterstützung .......... 9
2.2 Sintermodelle ............................................................................................................................ 16
2.2.1 Kontinuumsmechanischer Ansatz .................................................................................... 16
2.2.2 Mastersinterkurve ............................................................................................................. 19
3 Materialien und Methoden ............................................................................................................ 25
3.1 Werkstoffauswahl und –eigenschaften ..................................................................................... 25
3.2 LTCC-Versatzaufbereitung und Foliengießen .......................................................................... 27
3.3 Grünkörperherstellung .............................................................................................................. 28
3.4 Dilatometrie und Thermomechanische Analyse ....................................................................... 29
3.5 Berechnung von Mastersinterkurven ........................................................................................ 30
3.6 Analyse der Entbinderung ......................................................................................................... 32
3.7 Druckunterstütztes Sintern ........................................................................................................ 33
3.8 Oberflächencharakterisierung ................................................................................................... 36
4 Ergebnisse und Diskussion ............................................................................................................ 39
4.1 Thermomechanische Analyse und Modellierung...................................................................... 39
4.1.1 Drucklose Sinterung ......................................................................................................... 39
4.1.2 Schwindungsfehlpassung bei druckloser Co-Sinterung ................................................... 41
4.1.3 Druckunterstützte Sinterung ............................................................................................. 45
4.2 Brennhilfsmittelentwicklung ..................................................................................................... 61
4.2.1 Opferfolien mit unterschiedlichen Partikelgrößenverteilungen ........................................ 61
4.2.2 Senkung der Entbinderungstemperatur ............................................................................ 64
4.2.3 Einsatz von Glaskohlenstoff ............................................................................................. 71
4.3 Oberflächencharakterisierung ................................................................................................... 80
4.3.1 Opferfolien mit unterschiedlichen Partikelgrößenverteilungen ........................................ 81
4.3.2 Opferfolie aus hexagonalem Bornitrid ............................................................................. 87
4.3.3 Glaskohlenstoff................................................................................................................. 89
4.3.4 Bewertung der technologischen Nutzbarkeit .................................................................... 91
4.4 Anwendungsbeispiel: Dehnungssensoren ................................................................................. 92
5 Zusammenfassung .......................................................................................................................... 93
6 Literaturverzeichnis ....................................................................................................................... 95
7 Anhang ............................................................................................................................................ 99
7.1 Verwendete Formelzeichen und Symbole ................................................................................ 99
7.2 Abkürzungsverzeichnis ........................................................................................................... 101
7.3 Abbildungsverzeichnis ............................................................................................................ 102
7.4 Tabellenverzeichnis ................................................................................................................ 108
7.5 Danksagung ............................................................................................................................. 109
1
1 Einleitung
Seit dem Durchbruch der Mikroelektronik in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts haben
zahlreiche technische Innovationen das tägliche Leben revolutioniert. Die Entwicklung elektronischer
Geräte ist geprägt durch eine kontinuierliche Miniaturisierung bei gleichzeitiger Steigerung der
Leistungsfähigkeit, des Funktionsumfangs und der Zuverlässigkeit. Einen beträchtlichen Anteil an
diesem Trend haben, neben der Fortentwicklung integrierter Schaltkreise, die modernen Verfahren zur
Einhausung und Verdrahtung der elektronischen Bauelemente (electronic packaging). Platzsparende und
robuste Schaltungen werden beispielsweise in Dickschicht-Hybridtechnik gefertigt. Dabei werden
integrierte und diskrete Schaltkreise mittels siebgedruckten Leiterbahnen und Widerständen auf
kompakten Schaltungsträgern vereint. Durch einen mehrlagigen Aufbau der Schaltungsträger lassen sich
die Maße komplexer Hybridschaltungen zudem effektiv verkleinern. Ein etabliertes Verfahren zur
Herstellung mehrlagiger Schaltungsträger ist die LTCC-Technologie (low temperature co-fired
ceramics). Dabei werden flexible glaskeramische Folien strukturiert, mit Leiterbahnen bedruckt und zu
einem Mehrlagensubstrat kombiniert. Die Zusammensetzungen der glaskeramischen Werkstoffe werden
so gewählt, dass sie gemeinsam mit der gedruckten Metallisierung gebrannt und in ein monolithisches
Bauteil überführt werden können (co-firing). Aufgrund der Möglichkeiten Werkstoffe mit
maßgeschneiderten Eigenschaftsprofilen zu entwickeln und der vielfältigen Verarbeitungsmöglichkeiten
der Folien kann diese Technologie für verschiedenste Anwendungen, sowohl für den Masseneinsatz als
auch für Speziallösungen, erfolgreich eingesetzt werden.
In der Automobilindustrie werden für elektronische Baugruppen im Motorraum, z.B. für die Getriebe-
steuerung oder Fahrdynamikregelung, erfolgreich LTCC-Schaltungsträger genutzt. Neben den Kosten
und der Einbaugröße begründet besonders die Zuverlässigkeit der Schaltungen unter den
anspruchsvollen Einsatzbedingungen die Auswahl der LTCC-Technologie für diesen Anwendungs-
bereich. Individuelle Gehäuselösungen für elektronische Module und Komponenten, beispielsweise
flache Kameramodule und LED-Gehäuse, sowie Gehäuse- und Schaltungsträgerkonzepte für die
Mikrosystem- und Sensortechnik sind weitere typische Einsatzgebiete der LTCC-Technologie. Durch
Kanäle und innere Hohlraumstrukturen in LTCC-Mehrlagensubstraten können auch Flüssigkeiten oder
Gase geleitet werden. Daraus ergeben sich weitere Anwendungsmöglichkeiten in der Mikrofluidik und
Mikroreaktorik.
Ein wesentliches Anwendungsgebiet von LTCC-Werkstoffen mit angepassten Eigenschaften für den
Radio- und Hochfrequenzbereich ist die drahtlose Kommunikation und Datenübertragung. Zum
Empfangen, Filtern und Senden von Signalen in den verschiedensten Frequenzbereichen für Mobilfunk
(GMS, UMTS), Bluetooth, GPS und WLAN werden Filter, Verstärker und Antennen in LTCC-
Technologie realisiert. Der Einsatz solcher Module in Mobiltelefonen und tragbaren Computern
generiert ein Markvolumen in Milliardenhöhe1. Ein modernes Frontend-Modul in LTCC-Technologie,
das alle notwendigen Filter- und Verstärkerfunktionen zum zeitgleichen Betrieb von WLAN und
Bluetooth in einem Mobiltelefon enthält, ist bereits kleiner als 5 × 5 mm² und dünner als 1,5 mm. Eine
GPS-Antenne beispielsweise ist sogar kleiner als 1 × 2 × 0,5 mm³. Die Entwicklung in diesem Bereich
ist damit jedoch keineswegs abgeschlossen. Mit der Erschließung neuer Frequenzbänder für den
Mobilfunk (long term evolution, LTE) und dem zunehmendem Einsatz von Techniken zur Nahfeld-
kommunikation (near field communication, NFC) steigt die Anzahl notwendiger Frequenzfilter in
Mobiltelefonen und anderen Endgeräten weiterhin an. Damit geht auch eine Forderung nach weiterer
Miniaturisierung der Schaltungsträger einher.
Die Herausforderung bei der Fertigung der verschiedensten Schaltungen in LTCC-Technologie ist die
Schwindung der glaskeramische Folien, die während des Brandes auftritt. Damit verbundenen sind
1 Informationsvortrag der Murata Manufacturing Co., Ltd.,
http://www.murata.com/cp-data/infomeeting/infomeeting2012.pdf, abgerufen am 26.05.2014
Einleitung
2 BAM-Dissertationsreihe
Toleranzen der Sintermaße und eine ungenaue Positionierung einzelner Strukturen auf dem gesinterten
Schaltungsträger. Optimal eingestellte Foliensysteme bieten zwar bei freier Sinterung gut
reproduzierbares Schwindungsverhalten, für die meisten marktrelevanten Anwendungen sind die
Schwindungstoleranzen jedoch zu hoch. Darum nutzen die führenden Hersteller von LTCC-
Komponenten, darunter Bosch, Murata und Kyocera, die Drucksintertechnologie. Durch die Aufgabe
von axialem Pressdruck während des Brandes wird die Schwindung in der Ebene der Einzelfolien
unterdrückt und die Schwindungstoleranz um den Faktor zehn verringert. Zudem ist die Ebenheit
gegenüber frei gesinterten Modulen, bzw. Schaltungsträgern deutlich verbessert. Nur mit diesem
Verfahren können die engen Spezifikationen der Automobilindustrie und die geringen Fertigungs-
toleranzen miniaturisierter und hochintegrierter Radio- und Hochfrequenzmodule zuverlässig erfüllt
werden.
Beim druckunterstützten Sintern werden jedoch die Oberflächeneigenschaften des Sinterteils
maßgeblich von den verwendeten Brennhilfsmitteln beeinflusst. Häufig werden nichtsinternde
Opferfolien als Trennlage zwischen LTCC und Pressplatte verwendet, die festgebundene Partikel-
rückstände auf der LTCC-Oberfläche hinterlassen. Üblicherweise werden diese Rückstände durch
Sandstrahlen oder andere abrasive Verfahren entfernt. Für Anwendungen mit spezifischen
Anforderungen an die Oberflächenqualität muss die gesinterte Oberfläche gegebenenfalls aufwendig
nachbearbeitet werden. Besonders für Spezialanwendungen in der Mikrosystem- und Sensortechnik
könnten neue Anwendungsgebiete erschlossen werden, wenn verschiedene Oberflächenstrukturen
gezielt im Drucksinterprozess einstellbar wären und damit eine aufwendige Nacharbeit entfiele. Von
besonderem Interesse ist die Erzeugung sehr glatter Oberflächen, die in Dünnfilmtechnik defektarm mit
Funktionsschichten beschichtet werden können. Ebenso nützlich sind Oberflächen mit angepasster
Rauheit, um eine optimale Fügung des LTCC-Moduls oder Sensors auf eine Montageplatte oder ein
Messobjekt zu begünstigen. Für die Prozessplanung zur Sinterung komplex strukturierter LTCC-Module
wären Simulationswerkzeuge hilfreich, die den Einfluss von Pressdruck und Temperatur auf die
Verdichtung beschreiben können. Bisher standen jedoch keine derartigen Werkzeuge zur Verfügung, so
dass die Optimierung der Prozessparameter nach dem Prinzip Versuch-und-Irrtum erfolgt.
Die vorliegende Arbeit soll einen Beitrag zur Entwicklung verlässlicher Simulationsverfahren zur
Beschreibung der druckunterstützten Sinterung von LTCC leisten. Als Ausgangspunkt für eine weitere
Implementierung des Konzepts wurde grundlegend untersucht, inwiefern das einfache und praktikable
Modell der Mastersinterkurve auf die druckunterstützte Sinterung von LTCC-Werkstoffen anwendbar
ist. Um die technologischen Einschränkungen bezüglich der Eigenschaften druckgesinterter LTCC-
Oberflächen zu überwinden, sollte zudem ein Verfahren erarbeitet werden, das eine nacharbeitsfreie
Herstellung dünnfilmfähiger LTCC-Substrate im Drucksinterprozess erlaubt. Dazu wurden neue Brenn-
hilfsmittelkonzepte realisiert. Ein Ansatz beruht auf der gezielten Einstellung der Oberflächenrauheit
durch Anpassen der Opferfolien. In einem zweiten Ansatz wurde ein Verfahren entwickelt, mit dem
unter Verwendung von Glaskohlenstoff eine Drucksinterung ohne Opferfolie möglich ist.
3
2 Stand der Technik
2.1 LTCC-Mehrlagentechnologie
Die Technologie zur Herstellung von Schaltungsträgern aus keramischen Mehrlagensubstraten hat ihren
Ursprung in den späten 1950er Jahren. In dieser Zeit wurden die grundlegenden Verfahren wie
Grünfolienverarbeitung, Stanzen und Füllen von vertikalen Durchkontaktierungen, sowie Laminieren
von Mehrlagensubstraten aus strukturierten Einzelfolien entwickelt [IMA2005, STE1965]. Zunächst
wurden Al2O3 und auch AlN, sogenannte high temperature co-fired ceramics (HTCC), als
Substratwerkstoffe eingesetzt, die mit W oder Mo metallisiert wurden. Die Co-Sinterung dieser
Werkstoffe erfordert eine wasserstoffhaltige Atmosphäre und Temperaturen über 1500 °C. Ein
Meilenstein in der Entwicklung der Mehrlagentechnologie waren die zu Beginn der 1980er Jahre von
IBM für Großrechner eingeführten mehrlagigen HTCC-Schaltungsträger. Die Entwicklung mehrlagiger
Schaltungsträger wurde durch eine parallele Fortentwicklung der Mehrlagentechnologie für andere
Produktgruppen, wie beispielsweise Kondensatoren oder Piezoaktuatoren, begleitet.
Eine zunehmend gewünschte Miniaturisierung der Schaltungen erforderte die Reduzierung der Leiter-
bahnabmessungen und machte eine Verwendung leitfähigerer Metalle wie Cu, Au und vor allem Ag
erforderlich. Damit mussten auch Substratwerkstoffe mit geringeren Sintertemperaturen eingesetzt
werden, um ein Aufschmelzen dieser Metalle bei der Co-Sinterung zu vermeiden. Bei der Verwendung
von Cu als Leiterbahnmaterial muss die Co-Sintertemperatur unter 1100 °C gesenkt und ein reduzierter
Sauerstoffpartialdruck in der Sinteratmosphäre gewährleistet werden. Mit Au und Ag ist eine Co-
Sinterung an Luft möglich. Metallisierungen aus Ag sind verhältnismäßig kostengünstig, wegen der
geringen Schmelztemperatur von 961 °C sind jedoch Substratwerkstoffe mit Sintertemperaturen bis
maximal 900 °C erforderlich. Derartige, als low temperature co-fired ceramics (LTCC) bezeichnete
Werkstoffe bilden die Basis moderner mehrlagiger Schaltungsträger für z.B. Hochfrequenzanwen-
dungen und Mikrosystemtechnik. Abbildung 2-1 zeigt einen typischen Aufbau eines Mehrlagensubstrats
als Schema mit Beispielstrukturen.
Abbildung 2-1: LTCC-Mehrlagensubstrat mit Beispielstrukturen
Stand der Technik
4 BAM-Dissertationsreihe
In den folgenden Abschnitten werden zunächst die Werkstoffkonzepte und Sintermechanismen
vorgestellt, die speziell für die LTCC-Technologie relevant sind und anschließend die üblichen
technologischen Schritte zur Herstellung eines Mehrlagensubstrats erläutert. Der letzte Abschnitt dieses
Kapitels stellt die speziellen technologischen Varianten – Sintern mit unterdrückter lateraler
Schwindung und druckunterstütztes Sintern – vor, die den Schwerpunkt dieser Arbeit bilden.
2.1.1 Werkstoffe und Sintermechanismen
Die Verwendung hochleitfähiger Edelmetalle als Leitermaterialien erfordert wegen deren niedrigen
Schmelztemperaturen den Einsatz niedrigsinternder, dielektrischer Substratwerkstoffe. Die Substrate
sollen ein möglichst dichtes Gefüge, sowie für die Anwendung erforderliche Werkstoffeigenschaften
aufweisen. Wichtige Kennwerte sind die Sintertemperatur, die thermische Ausdehnung und
Leitfähigkeit, mechanische Festigkeit, die Permittivität und der dielektrische Verlustfaktor. Für die
Anwendung als Schaltungsträger sollen Sintertemperatur, Permittivität und dielektrischer Verlustfaktor
möglichst gering sein. Festigkeit und thermische Leitfähigkeit sind idealerweise hoch. Die thermische
Ausdehnung ist bestenfalls an die Ausdehnung der auf dem Schaltungsträger platzierten Bauelemente
oder an die Ausdehnung der Montageplatte (mounting board) angepasst. Anwendungsbedingt können
auch der Elastizitätsmodul und die chemische Beständigkeit von großer Bedeutung sein. Seit den 1990er
Jahren ist eine kaum überschaubare Menge verschiedener LTCC-Stoffsysteme mit vielfältigen Eigen-
schaftskombinationen beschrieben worden. Einige davon sind kommerziell erhältlich, viele wurden nur
als Entwicklungsmuster in der Literatur beschrieben. Sebastian und Jantunen haben in einem umfang-
reichen Übersichtsartikel einen systematischen Überblick über die verschiedenen Systeme erarbeitet
[SEB2008]. Im Schaubild in Abbildung 2-2 sind die vier prinzipiellen Werkstofftypen dargestellt, die
durch Gemische von Glas- und Keramikpulvern hergestellt werden können. Eine große Anzahl
relevanter LTCCs sind sogenannte Glas-Keramik-Komposite oder Glaskeramiken.
Abbildung 2-2: Sintermechanismen und schematische Mikrostrukturen von Glas-Keramik-Pulver-
gemischen verschiedener Zusammensetzungen in Vol.-%, Einteilung nach [RAB2005]
Zur Herstellung von Glaskeramiken werden Glaspulver, bzw. Grünfolien aus reinem Glaspulver,
verwendet, die im Laufe der Sinterung nahezu vollständig kristallisieren, beispielsweise Cordieritglas
[SEB2008, KNI1993]. Glas-Keramik-Komposite basieren auf einer Mischung aus niedrigsinterndem
Glas- und Keramikpulver. Der Sintermechanismus wird stark von der Reaktivität der Glasphase und
Wechselwirkungen mit der Keramik beeinflusst. Zu Beginn der Sinterung, also mit Einsetzen des
Erweichens der Glasphase, findet eine Umordnung der Partikel statt. Es kann zu Lösungs- und
Stand der Technik
5
Ausscheidungsvorgängen kommen, die eine Kristallisation der Glasphase begünstigen oder unter-
drücken können. Davon ist abhängig, ob die letzte Phase der Verdichtung durch Festphasensintern oder
viskosen Fluss der Glasphase dominiert wird. Die genauen Abläufe sind systemabhängig und müssen
bei jeder stofflichen Änderung hinterfragt werden. Kristallisierende Systeme sind technologisch von
Bedeutung, da durch die Kristallisation die Deformationsneigung reduziert und die Formstabilität bei
nachträglichen Einbränden erhöht wird (re-firing Stabilität). Andererseits ist der Kristallinitätsgrad
abhängig vom Heizprofil. Es muss also zusätzlich sichergestellt werden, dass resultierende
Eigenschaften, wie beispielsweise thermische Ausdehnung, nicht durch Abweichungen des Heizprofils
die Zielwerte verfehlen.
Kommerzielle LTCCs weisen laterale Schwindungen im Bereich 9,5 % bis 15 % und Dicken-
schwindungen zwischen 10,3 % und 25 % [SEB2008] auf. Die Schwindungstoleranzen liegen
bestenfalls bei ± 0,15 % [NEE2003]. Als Kennwerte bei 1 MHz werden Permittivitäten zwischen 3,8
und 9,2 angegeben [SEB2008]. Die dielektrischen Verlustfaktoren gängiger LTCCs liegen bei dieser
Frequenz zwischen 7 × 10-4
und 6 × 10-3
[SEB2008]. Neben den mit diesen Werten charakterisierten
Systemen sind für die entsprechenden Anwendungen auch LTCCs mit höheren Permittivitäten über 20
oder geringeren Verlusten bis in den Gigahertzbereich verfügbar. Die thermische Leitfähigkeit von
LTCCs liegt im Bereich 2 W/(m∙K) bis 4,5 W/(m∙K) und ist damit besonders für Bauteile mit hohen
Leistungsdichten häufig zu gering. In diesen Fällen muss die Abwärme der Bauelemente über
thermische Vias abgeführt werden. Die Eigenschaften eines LTCC-Werkstoffs, auch thermische
Dehnung und mechanische Eigenschaften, lassen sich durch Änderungen der Zusammensetzung in
Maßen einstellen, bzw. maßschneidern.
2.1.2 Technologische Prozesskette
Der Aufbau keramischer Mehrlagensubstrate ist eine technologisch anspruchsvolle Prozesskette
verschiedenster Verfahren. In Abbildung 2-3 sind die grundlegenden Prozessschritte in der üblichen
Reihenfolge überblickartig als Fließschema zusammengefasst. Anhand dieser Darstellung werden die
einzelnen Verfahren näher erläutert.
Abbildung 2-3: Fließschema der Prozessschritte zur Herstellung keramischer Mehrlagensubstrate
Stand der Technik
6 BAM-Dissertationsreihe
Der Grundbaustein des Mehrlagensubstrats ist die Grünfolie. Prinzipiell kann der Folienguss über
verschiedenste Verfahren erfolgen, gängig ist das sogenannte doctor-blade-Verfahren. Hierbei wird ein
gießfähiger Schlicker mittels einer starren Schneide (doctor blade) auf einer Unterlage ausgestrichen.
Für kleine Ansätze kann dazu die Schneide, auch Gießrakel genannt, über der Unterlage bewegt werden
und ein zuvor dosiertes Schlickervolumen ausstreichen. Größere Schlickermengen werden eher über
einen Gießkasten auf eine Trägerfolie aufgetragen. Diese wird mit konstanter Geschwindigkeit bewegt
und zieht den Schlicker durch den Gießspalt. Um die Druckverhältnisse am Gießspalt bei veränder-
lichem Schlickervolumen im Gießkasten konstant zu halten, kann mittels Vorrakel ein konstantes
Schlickervolumen vor dem Gießspalt eingestellt werden. In Abbildung 2-4 ist eine Gießeinheit mit Vor-
und Gießrakel skizzenhaft dargestellt.
Abbildung 2-4: Schematischer Aufbau einer Foliengießeinheit
Der Gießschlicker enthält neben dem keramischen Pulver auch organischen Binder, Weichmacher und
weitere organische Additive. Alle diese Komponenten müssen in einem Lösungsmittel gelöst, bzw.
dispergiert werden. Obwohl Wasser als Lösungsmittel hinsichtlich Kosten und Umweltverträglichkeit
erhebliche Vorteile gegenüber organischen Lösungsmittelgemischen bietet, werden diese wegen ihrer
deutlich besseren Trocknungseigenschaft bevorzugt eingesetzt. Die Trocknung der Grünfolie ist mit
einer Dickenschwindung verbunden, die in Kombination mit der Höhe des Gießspaltes die Dicke der
getrockneten Grünfolie bestimmt. Mit dem doctor-blade-Verfahren können in Abhängigkeit der
technologischen Gegebenheiten Foliendicken zwischen einigen zehn Mikrometern und wenigen
Millimetern erzielt werden. Zur Gewährleistung einer geregelten und reproduzierbaren Trocknung
werden Foliengießanlagen mit einem Trocknungskanal ausgerüstet. Die Entwicklung von Folien-
gießschlickern und angepassten Gieß- und Trocknungsparametern ist für sich genommen ein breites und
anspruchsvolles Themengebiet und soll hier nicht weiter vertieft werden. Die in dieser Arbeit
verwendeten Schlickerrezepturen und Gießparameter werden in Abschnitt 3.2 vorgestellt. Foliengießen
kann, je nach Art der Schlickerzuführung und der Grünfolienhandhabung nach der Trocknung (z.B.
Aufrollen), als kontinuierliches oder diskontinuierliches Verfahren betrieben werden.
Nach der Trocknung wird das Grünfolienband zu Einzelfolien mit einer handhabbaren Größe,
beispielsweise 150 × 150 mm², konfektioniert. Da sich durch den Folienguss eine Orientierung der
Mikrostruktur einstellt, die eine richtungsabhängige Schwindung der Folie bewirkt, werden im
Mehrlagensubstrat aufeinanderfolgende Einzelfolien üblicherweise um 90° zueinander gedreht. Dadurch
werden die Schwindungsunterschiede weitestgehend ausgeglichen und eine Krümmung des Laminats
bei der Sinterung verhindert [CHI2011]. Aufgrund dieser Maßnahme muss bei allen folgenden
Prozessen die Gießrichtung der Einzelfolien beachtet werden. Um die genutzte Fläche der Einzelfolie
und den Durchsatz insgesamt zu erhöhen, werden Mehrlagensubstrate üblicherweise im Nutzen
gefertigt.
Stand der Technik
7
Die Einzelfolien werden mit Löchern für die Vias, Positioniermarken, Stapellöchern und Aussparungen
für Kanäle oder Kavitäten versehen. Dies kann sowohl durch Stanzen, als auch durch Laserschneiden
geschehen. Laserschneiden zeichnet sich durch eine größere Gestaltungsfreiheit bei den erzeugbaren
Formen aus. Einschränkungen durch eine Begrenzung der Anzahl möglicher Stanzwerkzeuge und
Rüstzeiten bei Werkzeugwechsel entfallen beim Laserschneiden. Beide Verfahren haben ihre
spezifischen Vorteile und auch Auswirkungen auf die Grünfolie. Während beim Laserschneiden die
thermische Belastung berücksichtigt werden sollte, stellt Stanzen eine starke lokale mechanische
Belastung der Grünfolie dar. In Abhängigkeit von den Grünfolieneigenschaften müssen die
Prozessfenster unter Umständen angepasst werden.
Im nächsten Schritt werden die Vias mit Metallpaste gefüllt. Dazu muss die Viafüllschablone mit Hilfe
der Positioniermarken exakt zur strukturierten Grünfolie ausgerichtet werden. Die Metallpaste wird
mittels Rakel, ähnlich wie beim Siebdruck, durch die Öffnungen in der Schablone in die Vias gedrückt.
Die Fließeigenschaften der Paste müssen entsprechend angepasst sein, um eine Füllung über die
komplette Grünfoliendicke zu ermöglichen. Zusätzlich sollte eine Kompatibilität der organischen
Bestandteile der Paste mit denen der Grünfolie gewährleistet sein, um unerwünschten
Lösungsvorgängen oder sogenanntem Ausbluten der Vias vorzubeugen.
Anschließend werden Leiterbahnstrukturen mittels Siebdruck aufgebracht. Widerstandspasten, sowie
löt- und bondbare Kontaktflächen sind in der Regel nur auf der obersten Lage vorhanden. Sie werden
auf bereits gesinterte Schaltungsträger gedruckt und nachträglich eingebrannt (post-firing). Da jede
zusätzliche Paste auf einer Einzelfolie ein eigenes Sieb erforderlich macht, müssen häufig mehrere Siebe
nacheinander auf einer Einzelfolie angewendet werden. Diese müssen alle zueinander und zu den Vias
ausgerichtet sein. Je kleiner und dichter die Strukturen auf der Einzelfolie sind, desto größer wird der für
die Positionierung erforderliche Aufwand. Imanaka fasst das Ziel des Siebdruckens und die
entscheidenden Einflussfaktoren wie folgt zusammen [IMA2005]: Um eine hohe Qualität des
Druckbildes zu erhalten, d.h. ein definiertes Pastenvolumen reproduzierbar in der richtigen Form präzise
an die richtige Stelle zu drucken, müssen vier Dinge optimal eingestellt sein:
1. Siebeigenschaften (Maschenweite und -richtung, Dicke der Beschichtung, Reinigungszustand),
2. Siebdruckparameter (Rakelgeschwindigkeit, Rakelwinkel, Rakelandruck),
3. Pasteneigenschaften (Viskosität, Schergeschwindigkeitsabhängigkeit, Partikelgröße),
4. Grünfolieneigenschaften (Rauheit, organische Bestandteile).
Nach dem Siebdruck werden die Einzelfolien in der geplanten Reihenfolge gestapelt. Hierbei muss
sichergestellt werden, dass übereinanderliegende Strukturen korrekt zueinander ausgerichtet sind.
Hilfreich sind hierzu Stapelbohrungen in den Einzelfolien oder spezielle Anlagen, sogenannte Stacker,
die die Einzelfolien stapeln, mit Hilfe optischer Systeme und Positionsmarken ausrichten und lokal
fixieren oder vorlaminieren . Die Verbindung der Einzelfolien zu einem Laminat erfolgt unter Druck
und erhöhter Temperatur (Thermokompression). Dabei kann der Druck uniaxial über eine beheizte
Pressform oder isostatisch durch eine temperierte Flüssigkeit aufgegeben werden. Isostatisches
Laminieren erfordert wasserdichtes Vakuumeinschweißen der Folienstapel, üblicherweise in
metallbedampfte Kunststoffbeutel. Typische Prozesstemperaturen beim Laminieren liegen zwischen
60 °C und 80 °C. Drücke im Bereich 20 MPa bis 30 MPa sind üblich, wobei bei komplex strukturierten
Bauteilen mit Kanälen oder größeren Kavitäten mit reduziertem Druck gearbeitet wird. Zur
Stabilisierung von Hohlraumstrukturen können Opferwerkstoffe wie Graphitfolien oder –pasten
eingelegt werden, die beim Entbindern mit ausgebrannt werden [MAL2009, MAL2012, MAL2011].
Generell können mehrere Laminierschritte zum Aufbau des vollständigen Laminats erforderlich sein.
Die Lamination nicht schwindender Opferfolie (release tape) als geometrische Schwindungsbeschrän-
kung zur Unterdrückung der lateralen Schwindung bei der Sinterung kann kombiniert mit der
Lamination der Einzelfolien oder anschließend als separater Prozessschritt durchgeführt werden.
Stand der Technik
8 BAM-Dissertationsreihe
Einzelfolien und Laminate können gegebenenfalls mittels Schneideinrichtung mit beheizter Klinge (Hot-
knife-Verfahren) zugeschnitten werden.
Der Ausbrand der organischen Additive aus der Grünfolie und den Siebdruckpasten (thermische Entbin-
derung) und die Co-Sinterung erfolgen üblicherweise in einem zusammenhängenden Heizzyklus. Dazu
werden programmierbare Kammeröfen oder Durchlauföfen verwendet. Der Ausbrand der Organik findet
im Temperaturbereich bis 600 °C statt. Je nach Bindersystem in der Grünfolie und Dicke des Laminats
werden in diesem Temperaturbereich langsame Heizgeschwindigkeiten sowie Haltezeiten vorgesehen.
Hersteller kommerzieller LTCC-Folien sprechen in der Regel Empfehlungen für die Gestaltung des
Heizprofils aus. Die Sinterung erfolgt dann bei Temperaturen zwischen 850 °C und 900 °C mit
Haltezeiten im Bereich von zehn Minuten bis einer Stunde. Typische LTCC-Co-Sinterungen mit Ag-
oder Au-Metallisierung erfolgen unter Luft und ohne zusätzlichen Pressdruck. Die Komplexität des
Heizprofils ist abhängig von der Größe und dem Aufbau des Mehrlagensubstrats. Einlagige Substrate
oder dünne Schaltungsträger können in einem Durchlaufofen prozessiert werden. Bei dickeren,
mehrlagigen Schaltungsträgern werden, speziell für die thermische Entbinderung, langsamere
Heizprofile gefahren und programmierbare Kammeröfen genutzt. In Abbildung 2-5 sind ein einfaches
Durchlaufofenprofil und ein komplexeres Kammerofenprofil beispielhaft gegenübergestellt.
Abbildung 2-5: Beispiele für Heizprofile zur Sinterung von LTCC-Schaltungsträgern
Das gesinterte Mehrlagensubstrat kann nun, wenn nötig, zusätzlich mit äußeren Funktionsschichten
bedruckt werden, die anschließend in weiteren Heizzyklen eingebrannt werden (post firing). Typische
Beispiele sind glasige Schutzfilme auf getrimmten Oberflächenwiderständen oder lötbare
Kontaktierungen, bzw. Haftvermittlerschichten. Rückstände von Opferfolien müssen gegebenenfalls
vorher durch Bürsten oder Sandstrahlen entfernt werden. Nach Abschluss der thermischen Prozesse
werden im Nutzen gefertigte Mehrlagensubstrate oder Module mit üblichen Trennverfahren vereinzelt.
Da LTCC-Module häufig Bestandteile komplexer Baugruppen sind, können verschiedenste Verfahren
der Aufbau und Verbindungstechnik folgen.
Ganz allgemein erfordert der Aufbau eines LTCC-Mehrlagensubstrates eine sorgfältige Planung vom
ersten Entwurf an. Dabei ist nicht nur auf die Implementierung der gewünschten Funktionen zu achten,
sondern auch auf die effiziente technologische Umsetzbarkeit. So kann durch eine umsichtige
Gestaltung der einzelnen Lagen die Anzahl der notwendigen Siebe, und damit die Anzahl der
Arbeitsschritte und Fehlerquellen, signifikant reduziert werden. Viele LTCC-Ausrüster geben deswegen
Gestaltungsrichtlinien aus, deren Einhaltung eine wirtschaftliche Fertigung und enge Toleranzen
befördern. Eine prozessbegleitende Qualitätskontrolle während und nach jedem Prozessschritt ist
obligatorisch, da bereits kleine Prozessabweichungen bei der Bearbeitung einer Einzelfolie zum
Ausschuss der gesamten Mehrlagensubstrats führen können.
Stand der Technik
9
2.1.3 Sinterung mit geometrischer Schwindungsbeschränkung und Druckunterstützung
Die lateralen Schwindungstoleranzen bei freier Sinterung eines Mehrlagensubstrates bewirken eine nicht
zu vernachlässigende Unsicherheit bezüglich der Position einzelner Strukturen auf den gesinterten
Lagen. Needes beschreibt für einen Punkt auf der Diagonalen eines 200 × 200 mm²-Substrates im
Abstand von 5 mm von der Ecke einen Unsicherheitsradius von 205 µm [NEE2003]. Diese aus der
Schwindungstoleranz resultierende Positionsunsicherheit limitiert die Größe des Nutzens, in dem
einzelne Mehrlagensubstrate mit definierter Genauigkeit gefertigt werden können, bzw. erfordert eine
Mindestgröße der Strukturen, zu der die Unsicherheit vergleichsweise vernachlässigbar ist. Unabhängig
von dieser Betrachtung führen ein hoher Volumenanteil von Metallisierung im Laminat oder die Co-
Sinterung von Dielektrika mit anderen Funktionskeramiken häufig zum Verzug des Mehrlagensubstrats
aufgrund von Schwindungsfehlpassungen. Durch eine Unterdrückung der lateralen Schwindung, also
der Schwindung in der Ebene der Einzelfolien, lassen sich diese Effekte verringern, bzw. ganz
verhindern. Generell spricht man von Sinterung mit Schwindungsbeschränkung (constrained sintering),
wenn die Schwindungsgeschwindigkeit durch extern aufgebrachte mechanische Spannungen gegenüber
der freien Schwindungsgeschwindigkeit verringert, bzw. verändert ist. Dies kann unerwünscht sein,
beispielsweise wenn Leiterbahnstrukturen die Schwindung von LTCC-Folien beeinflussen, oder aber
gezielt genutzt werden um eben Substrate ohne laterale Schwindung herzustellen (zero shrinkage-
Verfahren). Durch die Beschränkung der Schwindung in einer Ebene vergrößert sich die Schwindung in
der verbleibenden Raumrichtung. Dies hat wesentliche Konsequenzen für die Gestaltänderung vom
Grün- zum Sinterkörper. In Abbildung 2-6 sind die Geometrien der Sinterkörper aus würfelförmigen
Grünkörpern bei richtungsunabhängiger Schwindung (isotrop) und lateral vollständig unterdrückter
Schwindung (zero shrinkage) gegenübergestellt.
Abbildung 2-6: Schematische Darstellung der Geometrieänderung eines würfelförmigen Grünkörpers
nach der Sinterung mit 40 % isotroper Volumenschwindung (links), bzw. 40 % Volumenschwindung nur
in z-Richtung bei Unterdrückung der lateralen Schwindung mittels geometrischer Schwindungs-
beschränkung (rechts)
Für die Mehrlagentechnologie hat die Unterdrückung der lateralen Schwindung entscheidende Vorteile.
Beim Entwurf der Schaltungen auf den einzelnen Lagen müssen keine Schwindungen und damit auch
keine Schwindungstoleranzen berücksichtigt werden. Da die Schwindung nur in Dickenrichtung auftritt,
kommt es nicht zu Fehlpassungen zwischen Lagen verschiedener Werkstoffe, deren Schwindungs-
verhalten sich unterscheidet, solange die thermischen Ausdehnungskoeffizienten angepasst sind. Um
diese Vorteile tatsächlich ausnutzen zu können, muss das Verfahren so gestaltet sein, dass die
Schwindung in einer Ebene vollständig unterdrückt wird. Verschiedene Ansätze sind dazu möglich:
Laminieren der Grünfolien auf starre, nichtschwindende Substrate (tape-on-substrate),
beidseitiges Laminieren nichtschwindender Opferfolien (release tape),
Stand der Technik
10 BAM-Dissertationsreihe
Kombination von Grünfolien mit Schwindungen in getrennten Temperaturbereichen (self-
constrained sintering),
Herstellung von mehrlagigen Grünfolien mit innenliegender Lage aus nichtschwindender
Refraktärkeramik (HeraLock®-Prinzip),
uniaxial druckunterstütztes Sintern (pressure-assisted sintering oder sinter-forging),
Kombinationen dieser Verfahren.
Schwindungsbeschränkungen durch Grünfolienkombination oder nach dem HeraLock®-Prinzip sind
interessant, weil sie im Vergleich zu freier Sinterung keine weiteren Brennhilfsmittel oder spezielle
gerätetechnische Ausstattung erfordern. Die Kombination getrennt schwindender Grünfolien wurde
experimentell realisiert [RAB2005]. Um Krümmungen des Mehrlagensubstrates zu vermeiden, werden
symmetrische Laminate aufgebaut, wobei zunächst der innenliegende Werkstoff dichtsintert und von
den äußeren Lagen in der Ebene festgehalten wird. Die laterale Schwindung der äußeren Lagen wird
dann entsprechend von dem bereits dichten und möglichst vollständig kristallisierten Kern unterdrückt.
Da bei diesem Verfahren die Werkstoffe hinsichtlich ihres Schwindungs- und Kristallisationsverhaltens
optimiert werden müssen, sind die Möglichkeiten zur Einstellung anderer physikalischer Eigenschaften
begrenzt. Aus diesem Grund hat sich dieser Ansatz industriell nicht durchgesetzt. Beim HeraLock®-
Prinzip (W.C. Heraeus GmbH) besteht eine Grünfolie aus drei nass-in-nass aufeinander vergossenen
Folien. Die Lagenstruktur ist ebenfalls symmetrisch. Bei der Sinterung schwinden nur die äußeren
LTCC-Lagen, die innere Lage aus Refraktärkeramik schwindet nicht und stellt die geometrische
Schwindungsbeschränkung dar. Die Poren der inneren Lage werden von der erweichten Glasphase der
LTCC-Lagen infiltriert, sodass insgesamt eine dichte Mikrostruktur entsteht. Die laterale Schwindung
der kommerziellen Folie beträgt 0,2 % mit einer Toleranz von ± 0,02 % und 32 % Dickenschwindung
[RAB2005]. Der Aufbau von Mehrlagensubstraten mit innenliegender Metallisierung ist mit diesen
Folien prinzipiell möglich, wobei es zu Schwindungsfehlpassungen mit Metallpasten kommen kann. Da
die Metallisierung nicht an der lateralen Schwindung gehindert wird, können z.B. radial schwindende
Vias den Wandkontakt verlieren. Am Markt wird genau ein LTCC-System, dass nach diesem Prinzip
gesintert wird, angeboten. Damit sind zwar verschiedene Anwendungen gut realisierbar, aufgrund der
festgelegten Materialeigenschaften des gesinterten Substrats und der begrenzten Auswahl an
angepassten Siebdruckpasten ist der Anwendungsbereich jedoch stark eingeschränkt.
Eine freie Auswahl des LTCC-Werkstoffs ist bei der Verwendung starrer Substrate oder Opferfolien
möglich. Während die nichtsinternden Substrate Bestandteil des späteren Bauteils sind, also auch
Metallisierungen und andere Funktionen aufweisen können, sind Opferfolien reine Prozesshilfsmittel,
die nach der Sinterung entfernt und verworfen werden müssen. Die nichtgesinterte Opferfolie hinterlässt
in der Regel fest haftende Partikelrückstände auf den gesinterten LTCC-Oberflächen, die je nach
Anforderungen an die Oberflächenqualität, mittel Sandstrahlen oder anderen abrasiven Verfahren
entfernt werden müssen. Starre, dichte Substrate können nur auf einer Seite des LTCC-Laminats
angewendet werden, damit eine Entgasung bei der Entbinderung des Grünfolienlaminats gewährleistet
ist. Dadurch ist der Aufbau asymmetrisch. Durch die Zugspannungen, die während der Sinterung der
LTCC entstehen, können Krümmungen des gesamten Schaltungsträgers auftreten [OLL2010]
(Abbildung 2-7 links). Die thermischen Ausdehnungskoeffizienten von Substrat und gesintertem LTCC
müssen angepasst sein, um Rissbildung bei der Abkühlung zu vermeiden. Generell nimmt die
Wirksamkeit einer Schwindungsbeschränkung mit der Entfernung zur Grenzfläche ab. Bei
asymmetrischen Laminaten entsteht dadurch mit steigender LTCC-Dicke ein zunehmend trapezförmiger
Querschnitt. Bei symmetrischen Laminaten, z.B. bei der Verwendung nichtsinternder Opferfolien,
bilden sich aus demselben Grund im Querschnitt konkave Kanten aus (Abbildung 2-7 rechts).
Stand der Technik
11
Abbildung 2-7 links: Durchbiegung und trapezförmiger Querschnitt eines LTCC-Laminats mit
Schwindungsbeschränkung durch ein starres Substrat (tape-on-substrate), schematisch
rechts: konkave Kantenwölbung eines symmetrischen Laminats mit geometrischer Schwindungsbe-
schränkung durch Opferfolien, schematisch
Mohanram, Lee, Messing und Green haben die schwindungsbeschränkte Sinterung von LTCC an zwei
kommerziellen Systemen untersucht [MOH2006]. Auf der Grundlage thermomechanischer Analysen
wurden die Zugspannungen, die durch die geometrische Schwindungsbeschränkung entstehen, nach
Gleichung (2.7) berechnet. Mohanrams Ergebnisse sind in Abbildung 2-8 aufgetragen. Mit steigender
Temperatur nehmen die Zugspannungen zunächst aufgrund steigender Schwindungsgeschwindigkeit zu.
Die maximalen Zugspannungen liegen im Bereich zwischen 80 kPa und 100 kPa. Weitere Temperatur-
erhöhung führt zu einer zunehmenden Erweichung der Glasphase in den LTCCs. Mit der sinkenden
Viskosität nehmen auch die Zugspannungen ab. Der Temperaturverlauf der Zugspannung wirkt sich auf
die Verdichtung des schwindungsbeschränkt gesinterten Teils aus. Im rechten Teil in Abbildung 2-8
sind die von Mohanram und Kollegen bestimmten Sinterdichten freier und schwindungsbeschränkt
gesinterter Teile verglichen. An dieser Darstellung ist sowohl der Einfluss der Schwindungsbe-
schränkung, als auch der Einfluss der Heizgeschwindigkeit auf die Verdichtung zu beobachten. Die
untersuchten Werkstoffe zeigen in beiden Fällen unterschiedliches Verhalten. An diesem Beispiel wird
deutlich, wie schwierig verallgemeinerbare Aussagen zum Sinterverhalten von LTCC-Werkstoffen
getroffen werden können. Heratape CT2000 zeigt eine mit der Heizgeschwindigkeit abnehmende
Sinterdichte. Die Ursache hierfür ist eine Kristallisation der Glasphase, die eine weitere Sinterung
blockiert. Langsame Heizgeschwindigkeiten begünstigen die Kristallisation bei niedrigeren
Temperaturen und führen somit zu verringerten Sinterdichten. Die Kristallisation von DP951 setzt erst
bei höheren Temperaturen und folglich bereits hoher Dichte ein. Dadurch wird kein
heizgeschwindigkeitsabhängiges Sinterverhalten an DP951 beobachtet. Die Zugspannungen durch die
geometrische Schwindungsbeschränkung führen bei CT2000 zu einer deutlichen Reduzierung der
Sinterdichte. Sie wirken der hydrostatischen Sinterspannung entgegen und verlangsamen, bzw.
blockieren die Sinterung. Chang, Jean und Hung beschreiben denselben Zusammenhang, der als
repräsentativ für die meisten LTCC-Zusammensetzungen verstanden werden kann [CHA2009]. Die
Unabhängigkeit der Sinterdichte von einer Schwindungsbeschränkung bei DP951 ist eher eine
Ausnahme. Die Ursache ist die Verschiebung des Zugspannungsmaximums zu niedrigen Temperaturen
durch die charakteristische Temperaturabhängigkeit der Viskosität der bleihaltigen Glasphase. Während
der Sinterung wird die laterale Schwindung bei zunächst noch hoher Viskosität der Glasphase wirksam
beschränkt. Durch das starke Absinken der Viskosität bei zunehmender Temperatur sintert das Gefüge
von DP951 trotzdem nahezu dicht. Ganz allgemein führt eine Unterdrückung der lateralen Schwindung
durch geometrische Schwindungsbeschränkung jedoch zu einer schlechteren Verdichtung und damit
einer porösen Mikrostruktur.
Stand der Technik
12 BAM-Dissertationsreihe
Abbildung 2-8 links: resultierende ebene Zugspannungen bei Sinterung mit geometrischer Schwin-
dungsbeschränkung ohne Pressdruck für zwei LTCCs, Daten aus [MOH2006],
rechts: Vergleich der Sinterdichten der zwei LTCCs nach freier (isotroper) und schwindungsbe-
schränkter Sinterung (zero shrinkage) mit verschiedenen Heizgeschwindigkeiten, Daten aus
[MOH2006]
Ein bewährtes Verfahren zur Gewährleistung einer vollständigen Verdichtung bei schwindungsbe-
schränkter Sinterung ist die Anwendung von uniaxialem Pressdruck [RAB2005, CHA2009, HIN2007].
Beim druckunterstützten Sintern (pressure-assisted sintering oder sinter-forging) erhöht sich die
Schwindungsgeschwindigkeit in Dickenrichtung gegenüber freier Sinterung und die Verdichtung der
Mikrostruktur wird unterstützt. Prinzipiell lässt sich durch Druckunterstützung eine Unterdrückung der
lateralen Schwindung auch ohne geometrische Schwindungsbeschränkung realisieren. Die dafür
erforderlichen Presskräfte führen jedoch häufig bereits zu starker Kriechverformung des Sinterteils, so
dass tatsächlich nur die Kombinationen aus Opferfolie und Druckunterstützung, bzw. starrem Substrat
und Druckunterstützung technologisch relevant sind. Der Aufbau des Sinterstapels für die
druckunterstützte Sinterung ist in Abbildung 2-9 gezeigt. Dichte Druckplatten aus SiC, werden
verwendet, um die punktuell durch Pressstempel aufgebrachte Last gleichmäßig über die Fläche des
LTCC-Substrats zu verteilen. Poröse SiC-Platten mit eingearbeiteten Belüftungskanälen werden
zwischen Druckplatte und LTCC-Teil eingestapelt, um den Gasaustausch des LTCC-Teils mit der
Umgebung zu ermöglichen, der für die thermische Entbinderung erforderlich ist. Die Opferfolie wirkt
beim druckunterstützten Sintern gleichzeitig als geometrische Schwindungsbeschränkung und als
Trennlage zwischen LTCC und porösem SiC zur Verhinderung eines Ansinterns der LTCC an die
Brennhilfsmittel.
Abbildung 2-9: Aufbau des Sinterstapels für die druckunterstützte Sinterung von LTCC-Substraten mit
Opferfolien
Stand der Technik
13
Hintz zeigt in seiner Dissertation, dass die laterale Restschwindung verschiedener LTCC-Werkstoffe bei
Pressdrücken bis 1,0 MPa typischerweise 0,4 % bis 0,1 % beträgt (Abbildung 2-10 links). Zu den
Heizprofilen werden keine expliziten Angaben gemacht. An DP951 wurde ab 300 kPa viskoses Fließen
und ab 500 kPa Expansion in lateraler Richtung beobachtet. Die Rohdichte des Sinterteils kann durch
Druckunterstützung gegenüber freier Sinterung erhöht werden, da die Restporosität verringert wird
(Abbildung 2-10 rechts). Niedrigere Heizraten führen auch bei druckunterstützter Sinterung zur
Verringerung der maximalen Schwindungsrate und zu deren Verschiebung zu niedrigeren
Temperaturen. Der Einfluss von Lösungs- und Kristallisationsvorgängen auf die Dickenschwindung
bleibt bestehen [HIN2007].
Abbildung 2-10 links: Laterale Schwindung verschiedener kommerzieller LTCC-Werkstoffe bei druck-
unterstützter Sinterung mit verschiedenen Pressdrücken, Daten aus [HIN2007]
rechts: Sinterdichte von DP951 nach freier Sinterung und schwindungsbeschränkter Sinterung mit und
ohne Pressdruck, Daten aus [HIN2007]
Wie in Abschnitt 2.2.1 beschrieben ist, kann der für eine vollständige Unterdrückung der lateralen
Schwindung erforderliche Pressdruck kontinuumsmechanisch berechnet werden (2.6). Der erforderliche
Pressdruck ergibt sich aus der relativen Längenänderungsgeschwindigkeit, der uniaxialen Viskosität und
der viskosen Poissonzahl des Werkstoffs. Durch eine einfache Umformung lässt sich der erforderliche
Pressdruck auch als Funktion des hydrostatischen Sinterdrucks ausdrücken. Keine dieser Größen ist über
die Temperatur, bzw. über die relative Dichte konstant. Folglich ist auch der optimale Pressdruck über
die Sinterung veränderlich. In Abbildung 2-11 sind berechnete Druckverläufe für drei LTCC-Werkstoffe
zusammengefasst. In allen drei Beispielen steigt der erforderliche Pressdruck nach Sinterbeginn mit
steigender Temperatur zunächst an, durchläuft ein Maximum und sinkt dann wieder ab. Huang und Jean
haben für Al2O3-gefülltes Borosilikatglas (BSG) bei 780 °C ein Maximum des erforderlichen
Pressdrucks von 210 kPa ermittelt. In ihrer Arbeit beschreiben sie auch eine Ausdehnung des
Sinterkörpers in lateraler Richtung bei konstant hohem Druck. Diese Kriechverformung findet bei
konstantem Volumen statt. Der Verlauf der relativen Dichte über der Temperatur verändert sich im
untersuchten Druckbereich bis 98 kPa nicht [HUA2004]. Mohanram und Kollegen haben die
erforderlichen Pressdrücke für DP951 und Heratape CT2000 berechnet. Die Kurvenverläufe korrelieren
mit den Verläufen der schwindungsbeschränkenden Zugspannungen in Abbildung 2-8. Die
erforderlichen Pressdrücke sind jedoch höher als die Zugspannungen. Das Druckmaximum für DP951
liegt bei 731 °C und beträgt 152 kPa. Für Heratape CT2000 wird bei 815 °C ein erforderlicher
Pressdruck von 131 kPa angegeben [MOH2006]. Bei hohen Temperaturen sinken die erforderlichen
Stand der Technik
14 BAM-Dissertationsreihe
Pressdrücke auf wenige Kilopascal ab. Zuo, Aulbach und Rödel haben den Verlauf des erforderlichen
Pressdrucks für einen weiteren kommerziellen LTCC-Werkstoff (Ceramtape GC, Ceramtec AG,
Marktredwitz, Deutschland) in einer speziellen Anlage experimentell über die in-situ Messung der
isothermen, radialen Schwindung einer zylindrischen Probe bestimmt. Für den 20 mm hohen
Grünkörper steigt der erforderliche Pressdruck von 300 kPa bei der Gründichte auf 1800 kPa bei 92 %
relativer Dichte und fällt dann zum Ende der Sinterung wieder auf 300 kPa [ZUO2004].
Abbildung 2-11: Verlauf des zur vollständigen Unterdrückung der lateralen Schwindung erforderlichen
Pressdrucks über der Temperatur für verschiedene LTCC, Datenquellen im Diagramm
In einer eher technologiebezogenen Veröffentlichung demonstrieren Hintz, Thust und Polzer, dass auch
unter Anwendung eines konstanten Drucks die Sinterung von DP951 ohne konkave Kantenwölbung
oder sichtbare Kriechverformung möglich ist. In Abbildung 2-12 sind die Kanten von sechslagigen
DP951-Mehrlagensubstraten gezeigt, die mit geometrischer Schwindungsbeschränkung gesintert
wurden. Ohne Druckunterstützung bildet sich die bekannte konkave Kantenwölbung aus (vgl.
Abbildung 2-7). Druckunterstützte Sinterung mit konstanten 69 kPa führt in diesem Beispiel zu einer
geraden Kante ohne messbare Schwindung der Mittellage. Ein Pressdruck von 690 kPa führt zu
deutlicher Kriechverformung mit lateraler Expansion des Mehrlagensubstrats [HIN2002].
Abbildung 2-12: Kantenform von sechslagigen DP951-Substraten nach schwindungsbeschränkter
Sinterung ohne und mit konstantem Pressdruck, Fotos aus [HIN2002]
Stand der Technik
15
Die Bewertung experimentell ermittelter Verläufe des erforderlichen Pressdrucks sollte immer unter
Berücksichtigung der Dicke des Prüfkörpers erfolgen. Cho zeigte, dass die laterale Schwindung der
mittleren Lage von Mehrlagensubstraten, also die Ausprägung der konkaven Kantenwölbung, vom
Pressdruck und der Gründicke des Laminats abhängt [CHO2011]. In Abbildung 2-13 sind Ergebnisse
aus Chos Arbeit aufgetragen, wobei die konstanten Lasten zur besseren Vergleichbarkeit mit anderen
Arbeiten in Kilopascal umgerechnet wurden. Bei gleichem Pressdruck treten bei dickeren Laminaten
höhere laterale Schwindungen auf. Diese Dickenabhängigkeit ist ein möglicher Grund, warum die von
Zuo vorgestellten Drücke deutlich höher sind als die berechneten Werte in Abbildung 2-11. Trotzdem
scheint es im Druckbereich zwischen 78,5 kPa und 88,3 kPa einen konstanten Pressdruck zu geben, bei
dem das untersuchte Material – eine experimentelle LTCC-Zusammensetzung – unabhängig von der
Dicke mit vollständig unterdrückter lateraler Schwindung gesintert werden kann. Zudem ist erkennbar,
dass dickere Laminate tendenziell stärker zu lateraler Expansion (negative Schwindungswerte) durch
Kriechverformung neigen.
Abbildung 2-13: Schwindung der Mittellage von LTCC-Substraten mit verschiedenen Gründicken bei
unterschiedlichen konstanten Pressdrücken, Daten aus [CHO2011]
Die Druckunterstützung ermöglicht, bzw. erfordert eine Senkung der Sintertemperatur. Dies ist
beispielweise bei der Co-Sinterung von Funktionskeramiken vorteilhaft, da dadurch der Anteil an
Sinteradditiven reduziert werden kann, welche in der Regel die Funktionseigenschaften verschlechtern.
LTCC-Werkstoffe mit hoher Kriechneigung müssen bei reduzierter Temperatur gesintert werden, um
eine Deformation zu verhindern. Bei niedrigeren Sintertemperaturen finden jedoch unter Umständen
Kristallisationsvorgänge nicht statt, die bei freier Sinterung beabsichtigt sind, um die Formstabilität bei
nachträglichen Einbränden zu gewährleisten. In solchen Fällen müssen die Drucksinterprofile sorgfältig
angepasst werden, um gleichzeitig die Vorteile der geringen Schwindungstoleranz und der re-firing-
Stabilität nutzen zu können.
Nach dem gegenwärtigen Stand der Technik erfolgt die Entwicklung optimierter Drucksinterprofile
mangels geeigneter Berechnungs-, bzw. Simulationsverfahren nach dem Prinzip Versuch und Irrtum.
Zudem sind bislang keine technologischen Möglichkeiten beschrieben, die Oberflächeneigenschaften
der gesinterten Substrate prozessintegriert einzustellen.
Stand der Technik
16 BAM-Dissertationsreihe
2.2 Sintermodelle
Vor der Erläuterung der Modellierungsansätze sind zunächst einige Bemerkungen zum Sprachgebrauch
erforderlich. Beim Verfassen der Arbeit ist bewusst auf die Verwendung von Anglizismen und
englischen Fachtermini verzichtet worden. Um den Bezug zur englischsprachigen Literatur oder dem
informellen Sprachgebrauch der wissenschaftlichen Gemeinschaft herzustellen, sind einschlägige
englische Begriffe gegebenenfalls mit genannt. Insbesondere für den folgenden Themenkomplex ist die
sorgfältige Unterscheidung von Schwindung (shrinkage) und relativer Längenänderung (strain) zu
beachten. Die relative Längenänderung ist eine geeignete Größe, um Expansion und Schrumpfung
mittels Vorzeichen vor dem Wert eindeutig zu beschreiben. Schwindung beschreibt in der Keramik, aber
auch in anderen Fachgebieten, vorrangig negative Längenänderungen. Schwindungswerte werden häufig
in Prozent und ohne Vorzeichen angegeben. Eine Expansion wird folglich als negative Schwindung
angegeben. Da sowohl die Verwendung von prozentualen Angaben, sowie die nicht intuitive
Verwendung negativer Werte für Berechnungen suboptimal sind, werden für Berechnungen in erster
Linie relative Längenänderungen betrachtet. Diese Argumentation gilt analog für die zeitlichen
Ableitungen dieser Größen.
2.2.1 Kontinuumsmechanischer Ansatz
Der kontinuumsmechanische Ansatz zur Beschreibung der Sinterung von Werkstoffen unter Last basiert
auf dem Hookeschen Gesetz für linear elastische Festkörper. Sinternde Werkstoffe zeigen unter Last
neben unmittelbarer elastischer Verformung jedoch auch zeitabhängige Verformung durch viskoses
Fließen oder Kriechen. Da bei der Sinterung der Beitrag der elastischen Verformung vernachlässigbar
gering ist und die beobachteten Deformationen auf viskoses Fließen oder Kriechen zurückzuführen sind,
wird üblicherweise rein viskoses Materialverhalten betrachtet [HUA2004, SCH1985, BOR1985,
TZE2002, GRE2008]. Dazu wird der linear elastische Ansatz entsprechend der von Scherer und
Rekhson vorgestellten elastisch-viskoelastischen Entsprechung umgeschrieben (elastic-viscoelastic
analogy) [SCH1982]. Für isotropes Materialverhalten erhält man die allgemeinen konstitutiven
Gleichungen (2.1) bis (2.3).
εx=εfrei+ (1
Ep
) [σx-νp(σy+σz)] (2.1)
εy=εfrei+ (1
Ep
) [σy-νp(σx+σz)] (2.2)
εz=εfrei+ (1
Ep
) [σz-νp(σx+σy)] (2.3)
Die Gleichungen beschreiben die Abhängigkeit der Dehn-, bzw. relativen Längenänderungs-
geschwindigkeit in einer Raumrichtung ε von der lastfreien, isotropen Längenänderungsgeschwindigkeit
des Materials εfrei, der uniaxialen Viskosität des Materials Ep, der viskosen Poissonzahl νp und den
mechanischen Spannungen in den drei Hauptrichtungen σx,y,z. Die Richtungen entsprechen den Achsen
eines 3-dimensionalen kartesischen Koordinatensystems. Die Gleichungen gelten, wenn die zwei
Grundannahmen Isotropie und Linearität erfüllt sind. Isotropie bedeutet, dass εfrei (und damit νp) in allen
Richtungen gleich ist. Linearität liegt vor, wenn sich die Längenänderungsgeschwindigkeit linear mit
der aufgebrachten Last verändert. In diesem Fall könnten Ep, εfrei und νp als charakteristische
Werkstoffkennwerte verstanden werden. Wenn man zur Beschreibung der druckunterstützten Sinterung
mit idealer geometrischer Schwindungsbeschränkung zusätzlich annimmt, dass die Längenänderungs-
geschwindigkeiten und auch die Spannungen in der x-y-Ebene gleich null sind, erhält man die
vereinfachte Gleichung (2.4).
Stand der Technik
17
εz= εfrei +σz
Ep
(2.4)
Sollen laterale Längenänderungen berücksichtigt werden, ist es sinnvoll anzunehmen, dass die
Längenänderungsgeschwindigkeiten in x- und y-Richtung gleichgroß sind (transversal isotroper Fall).
Dazu setzt man in Gleichung (2.1) oder (2.2) wieder σx= σy= 0 und εx = εy = εlateral ein und erhält die
laterale Längenänderungsgeschwindigkeit bei unvollständiger Schwindungsbehinderung (2.5).
εlateral= εfrei -νpσz
Ep
(2.5)
Aus dieser Darstellung kann durch Nullsetzen von εlateral die notwendige uniaxiale Spannung, also der
notwendige Pressdruck, für eine vollständige Schwindungsbeschränkung (zero shrinkage) σzs
hergeleitet werden (2.6).
σzs = εfrei -Ep εfrei
νp
(2.6)
Eine vollständige Unterdrückung der lateralen Schwindung ohne uniaxiale Kraft (σz = 0) ist
technologisch auch über eine Schwindungsbeschränkung durch starre Substrate oder nichtsinternde
Opferfolien möglich (vgl. Abschnitt 2.1.3). Um die aus der geometrischen Schwindungsbeschränkung
resultierenden Zugspannungen in der Ebene zu berechnen, setzt man in Gleichung (2.1) σx= σy. Unter
Annahme transversaler Isotropie, erhält man die ebene Zugspannung σx aus Gleichung (2.7)
σx= −Ep εfrei
1 − νp
(2.7)
Zur Berechnung des hydrostatischen Sinterdrucks ∑ werden in den allgemeinen konstitutiven
Gleichungen σx= σy= σz = ∑ und εx = εy= εz = 0 gesetzt. Man erhält Gleichung (2.8).
Σ =Ep εfrei
1-2νp
(2.8)
Es wird deutlich, dass zur kontinuumsmechanischen Beschreibung der Sinterung für den isotropen Fall
zwei Werkstoffkennwerte (Ep und νp) und eine freie Längenänderungsgeschwindigkeit bestimmt werden
müssen. Geeignete Verfahren zur Bestimmung der uniaxialen Viskosität sind beispielsweise
diskontinuierliches Sinterpressen (discontinuous sinter-forging, DSF) [OLL2006] oder Dilatometrie mit
zyklischer Belastung (cyclic loading dilatometry, CLD) [MOH2004]. Praktikable Methoden zur
Bestimmung der viskosen Poissonzahl haben Ollagnier, Guillon und Rödel [OLL2007] und Mohanram
et al. [MOH2005a] vorgestellt. Die experimentelle Bestimmung der Kennwerte zeigt, dass diese über die
gesamte Sinterung nicht konstant sind. Die Viskosität reiner Gläser, ohne Kristallisation, nimmt mit
steigender Temperatur nach einem Arrhenius-Ansatz ab. Sinternde, poröse Festkörper zeigen zusätzlich
eine Abhängigkeit der Viskosität von der Dichte, bzw. Porosität, und von der Korngröße [MIK1990].
Für LTCC-Werkstoffe ist die Viskosität nur eine Funktion von Dichte und Temperatur, solange keine
Kristallisation auftritt [MOH2004]. Bei konstanter Dichte nimmt die Viskosität mit steigender
Temperatur ab. Isotherm steigt die Viskosität mit zunehmender Dichte um bis zu zwei Größen-
ordnungen [MOH2005b, XIE2005]. Abbildung 2-14 zeigt beispielhaft den Verlauf der Viskosität von
DP951 über der relativen Dichte bei verschiedenen Temperaturen.
Stand der Technik
18 BAM-Dissertationsreihe
Abbildung 2-14: Viskosität von DP951 in Abhängigkeit von relativer Dichte und Temperatur, isotherme
CLD, Hinweis: Ordinate ist logarithmisch skaliert, Daten aus [MOH2005b]
Die viskose Poissonzahl zeigt ebenfalls eine Abhängigkeit von der relativen Dichte. In Abbildung 2-15
sind die Verläufe für drei verschiedene LTCCs gegenübergestellt.
Abbildung 2-15: Viskose Poissonzahlen verschiedener LTCC als Funktion der relativen Dichte, Werte
für Ceramtape GC aus [OLL2007], Werte für DP951 aus [MOH2005a]
Für DP951 und BAM397 wurden Messwerte nach dem von Monhanram vorgestellten Verfahren im
dynamischen Heizregime bestimmt. Die Methode beruht auf dem Vergleich der Schwindungs-
geschwindigkeiten einer frei gesinterten Probe und lastfrei mit geometrischer Schwindungsbe-
schränkung gesinterten Probe. Die Kurvenverläufe zeigen eine Zunahme der viskosen Poissonzahl mit
der relativen Dichte. Für Ceramtape GC wurden die Messwerte isotherm bei 840 °C durch DSF
bestimmt [OLL2007]. Dadurch wird nur die Abhängigkeit von der Dichte betrachtet. Ausgehend von
0,17 bei einer relativen Dichte von 0,75 wird νp mit zunehmender Dichte zunächst kleiner und steigt bei
hohen relativen Dichten auf über 0,5 an. Ollagnier, Guillon und Rödel schreiben die anfängliche
Abnahme der viskosen Poissonzahl einer Ausrichtung von Poren in Folge der Krafteinwirkung des
Messverfahrens zu. Diese eingebrachte Anisotropie erkläre auch Werte von νp< 0,5, die mit der
isothermen Theorie nicht vereinbar sind [OLL2007]. In diesem Zusammenhang diskutieren sie
Schwächen des von Mohanram vorgestellten Ansatzes, bei dem isotrope Schwindung der frei
gesinterten Probe angenommen wird und keine mikrostrukturellen Unterschiede zwischen frei
gesinterter und mit Schwindungsbeschränkung gesinterter Probe betrachtet werden. Einerseits ist es
Stand der Technik
19
folgerichtig, bei isotroper Modellierung diese Unterschiede nicht zu betrachteten. Andererseits führen
externe Spannungen durch Last oder Schwindungsbehinderung nachweisbar zu Anisotropie im Gefüge
und dem Werkstoffverhalten [OLL2007, OLL2008, BOC1997], die bei Nichtbeachtung durchaus zu
falschen Berechnungsergebnissen führen können. Folglich wäre ein anisotroper Modellierungsansatz
notwendig.
Der anisotrope Ansatz zur Beschreibung der Sinterung kann ebenfalls mittels elastisch-viskoelastischer
Entsprechung aus den konstitutiven Gleichungen für den linear elastischen Festkörper abgeleitet werden
[CHA2009, BOR2006]. Zur Nutzung dieser Gleichungen müssen freie Schwindungsgeschwindigkeiten,
uniaxiale Viskositäten und viskose Poissonzahlen für die verschiedenen Richtungen bestimmt werden.
Dadurch erhöht sich die Zahl der zu bestimmenden Größen im allgemeinen anisotropen Fall auf 12 (9
Kennwerte und 3 freie Schwindungsgeschwindigkeiten), bei transversaler Isotropie auf 7 Kennwerte (5
Kennwerte und 2 freie Schwindungsgeschwindigkeiten) [BOR2006]. Die experimentelle Bestimmung
dieser richtungsabhängigen Kenngrößen ist jedoch sehr aufwendig und anspruchsvoll, es mangelt an
etablierten Methoden [WON2007]. Daher wird der isotrope Ansatz, trotz der bekanntermaßen zu starken
Vereinfachung, deutlich öfter angewendet.
2.2.2 Mastersinterkurve
Das Konzept zur Erstellung einer Mastersinterkurve (MSC, master sintering curve) wurde von Su und
Johnson vorgestellt [SU1996] und basiert auf dem kombinierten Sinterphasen-Modell von Hansen et al.
(combined-stage sintering model) [HAN1992a]. Das kombinierte Sinterphasen Model in
Gleichung (2.9) beschreibt die Sinterung mit nur einer Gleichung als kontinuierlichen Prozess über alle
drei Sinterphasen. Dabei ist L die Länge des sinternden Körpers, γ die Oberflächenenergie des
sinternden Werkstoffs, Ω das Atomvolumen, 𝑘B die Boltzmann-Konstante, T die absolute Temperatur,
G die mittlere Partikelgröße, Dv und Db die Diffusionskoeffizienten für Volumendiffusion (v) und
Grenzflächendiffusion (b, für boundary) und δ die Breite der Grenzfläche zwischen zwei Partikeln. Die
Parameter Γv und Γb sind zusammengefasste Skalierungsfaktoren und beziehen sich auf den im Index
angegebenen Diffusionsmechanismus.
-dL
Ldt=
γΩ
𝑘BT∙ (
ΓvDv
G3
+ΓbδDb
G4) (2.9)
Die Verdichtung bei der Sinterung erfolgt durch Diffusion. Diese ist temperaturabhängig. Für die
Diffusion in Festkörpern gilt bezüglich des Diffusionskoeffizienten D(T) der Arrhenius-Ansatz in
Gleichung (2.10).
D(T)=D0∙ exp (-Q
RT) (2.10)
Dabei ist D0 eine Konstante für das betrachtete System, Q die Aktivierungsenergie und R die
Gaskonstante. Unter der Annahme, dass nur ein Diffusionsmechanismus für die Sinterung maßgeblich
ist, lässt sich Gleichung (2.9) weiter vereinfachen. Geht man von isotroper Schwindung aus, gilt der in
Gleichung (2.11) beschriebene Zusammenhang zwischen linearer Schwindungsgeschwindigkeit und
Sintergeschwindigkeit, ρ steht für die relative Dichte. Damit kann Gleichung (2.9) in Gleichung (2.12)
überführt werden.
-dL
Ldt=
dρ
3ρdt (2.11)
dρ
3ρdt=
γΩΓD0
𝑘BTGn exp (−Q
RT) (2.12)
Stand der Technik
20 BAM-Dissertationsreihe
Es wird angenommen, dass die Partikelgröße und Γ nur von der relativen Dichte ρ abhängig sind. Je
nach Diffusionsmechanismus ist n = 3 für Volumendiffusion oder n = 4 für Grenzflächendiffusion.
Gleichung (2.12) enthält nun temperaturabhängige und dichteabhängige Größen, sowie einige
Konstanten. Nach Umstellen von Gleichung (2.12) und Sortieren entsprechend der Abhängigkeiten
erhält man Gleichung (2.13). Durch Integration der linken Seite erhält man die dichteabhängige
Funktion Φ(ρ) (2.14). Die Integration der rechten Seite ergibt die sog. Mastervariable Θ[t,T(t)] (2.15).
𝑘BGn
3γΩΓD0ρdρ =
1
Texp (-
Q
RT) dt (2.13)
Φ(ρ) =𝑘B
3γΩD0
∫Gn
Γρ
ρ
ρ0
dρ (2.14)
Θ[t,T(t)]= ∫1
Texp (-
Q
RT)
t
0
(2.15)
Nach Su und Johnson kann Φ(ρ) als charakteristische Funktion betrachtet werden, die die Einflüsse der
mikrostrukturellen Entwicklung auf die Sinterkinetik während der Verdichtung quantifiziert [SU1996].
Der Zusammenhang von Dichte ρ und Φ(ρ) wird als Mastersinterkurve definiert.
Bei vollständiger Unterdrückung der lateralen Schwindung, im Gegensatz zu isotroper Schwindung,
entfällt der Faktor 3 in Gleichung (2.11), da nur die Schwindung in einer Raumrichtung zur Verdichtung
führt. Dadurch ändert sich zwar die dichteabhängige Funktion Φ(ρ) entsprechend um den Faktor 3, die
grundlegenden Zusammenhänge des Modells bleiben jedoch unverändert. Somit erscheint eine
Anwendung des Modells auf schwindungsbeschränkte Sinterung mit vollständig unterdrückter lateraler
Schwindung prinzipiell sinnvoll.
Praktisch wird die MSC anhand einer Reihe dilatometrischer Messdaten mit verschiedenen Heizge-
schwindigkeiten entwickelt. Die Temperatur-Zeit-Profile der Messungen werden gemäß
Gleichung (2.15) in Θ[t,T(t)] umgerechnet. Die Auftragung der gemessenen relativen Dichten ρ über
Θ[t,T(t)] mit bekannter oder anderweitig ermittelter Aktivierungsenergie Q resultiert in
übereinanderliegenden Kurvenverläufen. Die damit beschriebene Kurve ist die MSC für den
untersuchten Werkstoff. Dabei ist zu beachten, dass eine MSC nur für den Werkstoff mit genau den
Grünkörpereigenschaften gilt, der mit der Messreihe charakterisiert wurde. Abbildung 2-16 zeigt einen
Datensatz von Sinterkurven für Al2O3, sowie die dazugehörige Auftragung der relativen Dichten über Θ
aus der Originalarbeit von Su und Johnson.
Stand der Technik
21
Abbildung 2-16 links: Dilatometrische Sinterkurven für Al2O3, Daten aus [SU1996]
rechts: Verlauf der daraus abgeleiteten Mastersinterkurve, Daten aus [SU1996]
Der Verlauf der MSC kann mit einer geeigneten Funktion nachgebildet werden. Mit dieser Funktion
kann dann die relative Dichte für beliebige Temperatur-Zeit-Profile berechnet werden. Typische
Funktionsformen sind in den Gleichungen (2.16) und (2.17) gezeigt. Gleichung (2.16) ist eine
sigmoidale Funktion mit fünf anpassbaren Parametern a, b, c, ρ0 und log(Θ0), wie sie z. B. Zhang und
Eitel erfolgreich für MSCs von LTCCs und Piezoelektrika verwendet haben [ZHA2013].
Gleichung (2.17) ist eine Boltzmann-Sigmoidfunktion in allgemeiner Schreibweise. Guillon und Langer
haben diese Funktion bei Feld-aktivierter Sinterung von Al2O3 angewendet [GUI2010]. Es gibt nur vier
anpassbare Parameter: A1, A2, die der minimalen und maximalen relativen Dichte entsprechen, x0 und
eine sog. Zeitkonstante d. Die Parameter log(Θ0) und x0 der beiden Ansätze entsprechen einander und
werden als Zentrumsvariable (center) bezeichnet.
𝜌 = ρ0+a
[1+exp (log(Θ) -log(Θ0)
b)]
c (2.16)
𝜌 = 𝐴1+𝐴1 − 𝐴2
[1+exp (log(Θ) -𝑥0
d )]
(2.17)
Abbildung 2-17 zeigt Berechnungen einer mit Gleichung (2.17) erzeugten MSC aus der Arbeit von
Guillon und Langer. Hier wurde die Verdichtung von Al2O3 bei feldaktivierter Sinterung mit 50 MPa
Druck für eine Heizgeschwindigkeit von 75 K/min und eine Haltezeit bei 1200 °C berechnet. Zur
Erzeugung der MSC wurden Messungen mit Heizgeschwindigkeiten von 35 K/min bis 150 K/min
durchgeführt. Die berechnete Heizgeschwindigkeit liegt also innerhalb dieses Heizgeschwindig-
keitsbereichs. Die Übereinstimmung der aus der MSC berechneten Verdichtung und experimentellen
Werten in diesem Beispiel ist sehr gut.
Stand der Technik
22 BAM-Dissertationsreihe
Abbildung 2-17: Vergleich zwischen Experiment und mittels MSC berechneter Schwindungskurve für
Al2O3 bei feld-aktivierter Sinterung mit 75 K/min und 50 MPa Druck, zeitlicher Nullpunkt markiert den
Beginn der Haltezeit bei 1200 °C, Daten aus [GUI2010]
Eine zentrale Voraussetzung für der Erzeugung von MSCs ist die Kenntnis oder Bestimmung der
richtigen Aktivierungsenergie Q zur Berechnung des Θ[t,T(t)] aus den Messwerten. Dabei bedeutet
richtig keinesfalls, dass es sich hierbei um eine tatsächliche Materialeigenschaft handelt. Die Größe Q
sollte vielmehr als anpassbarer Parameter des Modells verstanden werden, besonders wenn das
untersuchte Sinterverfahren Zustände erzeugt, die in der grundlegenden Herleitung der Modell-
gleichungen nicht berücksichtig sind. Das gilt z. B. für jede Form der Druckunterstützung, elektrische
Felder, oder auch viskoses Fließen des Sinterwerkstoffs. Der beste Wert für Q ist der Wert, bei dessen
Verwendung die Abweichungen der einzelnen Messkurven voneinander minimal werden. In der
praktischen Anwendung des Konzeptes wird Q typischerweise durch iterative Verfahren zur
Minimierung der Abweichung der MSC ermittelt. Das bedeutet, die Aktivierungsenergie wird durch
Probieren bestimmt. Für jede getestete Energie wird ein Maß für die Güte der MSC ausgewertet, z. B.
der Mittelwert der Residuenquadrate [SU1996, ZHA2013, BLA2006] oder die Summe der
quadratischen Fehler [GUI2010, BRA2013a]. Abbildung 2-18 zeigt beispielhaft die typische Auftragung
zur Bestimmung der Aktivierungsenergie aus Guillons und Langers Arbeit zur Anwendbarkeit der MSC
bei Feld-Aktivierter Sinterung. Su und Johnson haben bereits diskutiert, dass bei diesem statistischen
Verfahren eine große Datenbasis, d. h. viele Testwerte für Q, empfehlenswert sind. Des Weiteren
können die Sinterkurven von Werkstoffen bei relativen Dichten über 0,95 deutlich voneinander
abweichen, z. B. bei ausgeprägtem Kornwachstum. In diesen Fällen wird empfohlen, keine Daten, die
bei hohen Dichten gewonnen wurden, für die Bestimmung von Q zu verwenden [SU1996].
Stand der Technik
23
Abbildung 2-18: Bestimmung der Aktivierungsenergie Q durch Minimeren der Summe der
quadratischen Fehler, Daten aus [GUI2010]
Einen weiterentwickelten Ansatz zur Beschreibung der MSC haben Kiani, Pan und Yeomans vorgestellt.
Dabei werden die experimentellen Schwindungsdaten nicht mit einer kontinuierlichen Sigmoidfunktion
approximiert, sondern abschnittsweise von sog. Formfunktionen (shape functions) [KIA2006]. Die
Bestimmung von Q erfolgt ebenfalls numerisch durch Einsetzen und Minimieren der Abweichungen der
Einzelkurven zueinander. Ein Vorteil des Ansatzes ist, dass für jeden Abschnitt eine andere
Aktivierungsenergie bestimmt werden kann. Dies ermöglicht die Modellierung von Werkstoffen, deren
Sinterung durch Phasen mit verschiedenen Sintermechanismen charakterisiert ist. Darüber hinaus kann
aus den Formfunktionen auch abschnittsweise die volumetrische Schwindungsgeschwindigkeit
abgeleitet werden, die wiederum für Finite-Elemente-Simulation der Sinterdeformation genutzt werden
kann. Kiani, Pan und Yeomans modellieren mit ihrem Ansatz erfolgreich die Sinterung von ZnO und
rostfreiem Stahlpulver, wobei für den Stahl drei Aktivierungsenergien verwendet werden [KIA2006].
Blaine, Park und German beschreiben eine linearisierte Form der MSC [BLA2009]. Dabei gehen sie von
der in Gleichung (2.18) dargestellten Sigmoidfunktion aus. Sie definieren ein Verdichtungsverhältnis Φ
(densification ratio, Gleichung (2.19) und leiten daraus die linearisierte Form in Gleichung (2.20) ab.
Dabei ist Θref der Wert der Mastervariablen Θ bei ρ = (ρ0+1)/2. Der Parameter n ein anpassbarer
Exponent und gleichzeitig die Steigung der linearisierten MSC. Die Aktivierungsenergie Q zur
Berechnung der Mastervariablen Θ wird auch in diesem Ansatz numerisch durch Minimierung des
Mittelwerts der Residuenquadrate bestimmt.
𝜌 = ρ0+1- ρ0
1+exp [−ln(Θ) -a
b]
(2.18)
Φ ≡𝜌 − 𝜌0
1 − 𝜌= (
Θ
Θref)
𝑛
(2.19)
ln Φ = n∙ln (Θ
Θref
) = n∙( ln Θ -ln Θref) (2.20)
Als Vorteil dieses Ansatzes wird die relative Einfachheit, mit der die Parameter n und Θref direkt aus der
Auftragung der linearisierten MSC abgeleitet werden können, angeführt. Dadurch kann das aufwendige
Anpassen einer Sigmoidfunktion umgangen werden [BLA2009]. Abbildung 4-6 zeigt eine linearisierte
MSC für eine W-Ni-Fe-Legierung mit 88 Gew.-% Wolfram aus der Arbeit von Blaine, Park und
German. Die entsprechenden Modellparameter sind eingezeichnet.
Stand der Technik
24 BAM-Dissertationsreihe
Abbildung 2-19: Linearisierte MSC für eine 88 Gew.-% Wolfram-Legierung, Daten aus [BLA2009]
Die Beschreibung von druckunterstützen Sinterprozessen mit dem MSC-Ansatz wurde zuerst von An
und Johnson durchgeführt. In ihrer ersten Veröffentlichung zu diesem Themenkomplex zeigen sie, dass
für die druckunterstützte Sinterung von Al2O3 eindeutige MSCs für die einzelnen untersuchten Last-
stufen existieren und dass daraus eine Masteroberfläche für druckunterstützte Sinterung (pressure-
assisted master sintering surface, PMSS) konstruiert werden kann [AN2002]. Methodisch wird dabei für
jede Laststufe eine MSC erzeugt und diese werden anschließend durch mehrfache Regression zu einer
Fläche zusammengesetzt. Mit Hilfe der PMSS können relative Dichten für verschiedene Drücke und
Heizregime vorausberechnet werden. Im umgekehrten Fall ist die PMSS auch anwendbar, um
verschiedene Prozessparametersätze zu selektieren, die eine erwünschte relative Dichte des
Sinterkörpers erzeugen. In weiteren Arbeiten wurden die mikrostrukturelle Entwicklung von Al2O3 bei
der Drucksinterung mit der PMSS korreliert [AN2005], sowie PMSS für Si3N4 und verschiedene
Pulvermetallsysteme erzeugt [AN2007, AN2013]. Su und Johnson haben das MSC-Konzept
ursprünglich für einphasige Werkstoffe entwickelt, wobei Q die Aktivierungsenergie für den
dominierenden, die Verdichtung vorantreibenden Diffusionsmechanismus war [SU1996]. Dennoch
konnte das Modell erfolgreich auf mehrphasige Systeme wie LTCC [MOH2005b], niedrigsinternde
NiCuZn-Ferrite [BRA2013a], eine Si3N4-Y2O3-Al2O3 Pulvermischung [AN2007] und Mischungen aus
Co-, Cu- und Fe-Pulver [AN2013] angewendet werden. An vermutet, dass das MSC-Modell anwendbar
ist, so lange ein Mechanismus dominierend ist, dem eine konstante Aktivierungsenergie zugeschrieben
werden kann [AN2013].
Reiterer und Ewsuk haben verschiedene Ansätze zur Sintermodellierung verglichen [REI2009]. Als
großen Vorteil des MSC-Ansatzes führen sie die einfache Anwendbarkeit an. Der experimentelle
Aufwand ist verglichen mit anderen Methoden gering und es muss nur ein Parameter (Q) bestimmt
werden. Sie betonen die verbreitete und erfolgreiche Nutzung des Konzepts für verschiedene
Materialklassen und Heizregime. Die fehlende Berücksichtigung von Spannungen wird als Nachteil des
Modells herausgestellt. Dadurch könne es nicht unabhängig in einen Finite-Elemente-Code
implementiert und auf komplexe Geometrien angewendet werden [REI2009]. In Anbetracht der
einfachen planaren Geometrien, die bei druckunterstütztem Sintern relevant sind, überwiegen die
Vorteile des Modells den Nachteil deutlich. Unter Berücksichtigung der Komplexität des
Sintermechanismus, der experimentellen Möglichkeiten und einer möglichst zeitnahen technologischen
Nutzbarkeit eines Modells wurde für diese Arbeit der MSC-Ansatz zur Modellierung der
druckunterstützten Sinterung von LTCC ausgewählt.
25
3 Materialien und Methoden
In diesem Kapitel werden Werkstoffe, Verarbeitungstechnologien, Messmethoden und Auswerte-
verfahren vorgestellt, die zur Erarbeitung der in Kapitel 4 dargestellten Ergebnisse genutzt wurden.
3.1 Werkstoffauswahl und –eigenschaften
Im Verlauf des Promotionsvorhabens wurden verschiedene LTCC-Werkstoffe und keramische
Rohstoffe untersucht und verarbeitet. In diesem Abschnitt werden die Werkstoffe kurz vorgestellt und
deren Auswahl für die Untersuchung begründet. Die Erläuterungen werden durch eine Übersicht der
stofflichen Zusammensetzungen, Phasenbestände und Verwendungen in Tabelle 3-1 am Ende des
Abschnitts ergänzt.
Die Anwendbarkeit des MSC-Modells wurde an LTCC-Entwicklungsmustern überprüft, die zur Zeit der
Erstellung dieser Arbeit in verschiedenen Forschungsvorhaben entwickelt und verwendet wurden. Der
Einfluss des Formgebungsverfahrens auf die Modellparameter wurde an BAM396 untersucht. Diese
Zusammensetzung wurde für eine Anwendung als Dehnungssensor hinsichtlich eines niedrigen
Elastizitätsmoduls und relativer hoher thermischer Ausdehnung entwickelt und enthält Quarz statt Al2O3
als Dispersphase [BRA2013b]. Aus der Glasphase kann Celsian kristallisieren, wobei diese Phasen-
umwandlung bei druckunterstützter Sinterung weitestgehend unterdrückt wird. BAM396 erwies sich
wegen seiner ausführlich untersuchten und für kommerzielle LTCC-Zusammensetzungen repräsen-
tativen Sintereigenschaften für grundlegende Untersuchungen besonders geeignet.
Ein Verfahren zur Berechnung der Schwindungsfehlpassung aus MSC-Daten wurde an einem co-
gesinterten Mehrlagensubstrat aus BAM474 und niedrigsinterndem NiCuZn-Ferrit validiert. NiCuZn-
Ferrit sollte in einem interdisziplinären Forschungsvorhaben zur Implementierung eines Transformators
zur LED-Steuerung in ein LTCC-Modul integriert werden. Dazu wurde BAM474 als angepasstes
Dielektrikum entwickelt [RAB2012]. Dabei handelt es sich um ein nichtkristallisierendes Glas-
Keramik-Komposit aus Alumoborosilikatglas mit Quarz und Al2O3 als kristallinen Dispersphasen. Über
die Zusammensetzung wurden das Sinterverhalten und die thermische Ausdehnung speziell an NiCuZn
angeglichen. Die Eigenschaften von NiCuZn-Ferrit sind von Mürbe und Töpfer umfassend untersucht
worden [MUE2006, MUE2005]. Im Laufe des Vorhabens ergab sich die Frage nach dem Einfluss des
Heizprofils auf die Schwindungsfehlpassung der beiden Werkstoffe, so dass es naheliegend war, das
Berechnungsverfahren auf genau dieses System anzuwenden.
Für die umfassende thermomechanische Analyse (TMA) und Entwicklung einer PMSS wurde das
kommerzielle GreenTape DP951 (DuPont Limited, Bristol, UK) ausgewählt. Dabei handelt es sich um
ein Glas-Keramik-Komposit mit Al2O3, aus dessen Glasphase Anorthit auskristallisieren kann. Diese
Kristallisation findet jedoch bei den im Drucksinterprozess angewendeten Temperaturen nicht statt. Im
Vergleich zu anderen LTCC-Werkstoffen sinkt die Viskosität von DP951 bei Temperaturen über 800 °C
stark ab. Dies führt bei freier Sinterung zu einer erhöhten Toleranz gegenüber Vorschädigung aus der
Grünkörperherstellung und gegenüber Rissbildung aufgrund von Schwindungsfehlpassungen mit z.B.
Metallisierungsstrukturen. Aufgrund dieses robusten Sinterverhaltens und der umfangreichen Auswahl
an angepassten Metallpasten (Leit- und Widerstandspasten) wird DP951 von vielen Firmen und
Arbeitsgruppen im Bereich Mikrosystemtechnik und Sensortechnik eingesetzt. Beim druckunterstützten
Sintern tritt durch das Absinken der Viskosität bereits bei vergleichsweise niedrigem Pressdruck lateral
expansives Verhalten auf, d.h. das Sinterteil wird zerdrückt und fließt seitlich unter den Pressstempeln
weg (vgl. Abbildung 2-10) [HIN2007]. Die Erstellung eines Drucksinterprofils zur Herstellung eines
strukturierten Moduls ohne radiale Schwindung unter Erhalt der Strukturen ist für DP951
anspruchsvoller als für andere LTCC-Werkstoffe mit höherer Viskosität im Bereich der
Sintertemperatur. Die Untersuchungen wurden gleichwohl an DP951 durchgeführt, da der Werkstoff
eine große Relevanz für technische Applikationen und die angewandte Forschung hat.
Materialien und Methoden
26 BAM-Dissertationsreihe
Zur Entwicklung von Opferfolien, mit denen sich die Oberflächenqualität der Sinterteile anpassen lässt,
wurden zwei verschiedene Al2O3-Pulver und hexagonales BN-Pulver verwendet. Als grobkörniges
Al2O3-Pulver wurde Martoxid MR23 (Martinswerk GmbH, Bergheim, Deutschland) mit einer Reinheit
von 99,8 % genutzt. Die feine Kornfraktion wurde aus 99,8 %igem Almatis A16 SG (Almatis Inc.
Leetsdale, USA) hergestellt. Alle Ausgangspulver wurden mahltechnologisch weiterbehandelt und
charakterisiert. Die Verschlickerung und das Foliengießen sind in Abschnitt 3.2 erläutert.
Für die Herstellung von LTCC-Oberflächen ohne Opferfolienrückstände im Drucksinterprozess wurde
eine neuartige Technologievariante unter Verwendung von glasartigem Kohlenstoff (glassy oder
vitreous carbon) als Brennhilfsmittel entwickelt. Die Werkstoffeigenschaften von Glaskohlenstoff
unterscheiden sich aufgrund der fullerenartigen Molekularstruktur (Abbildung 3-1) deutlich von
Graphit. Glasartiger Kohlenstoff wird nicht durch Glasschmelzen benetzt und kann dadurch ohne
Trennlage als Unterlage, bzw. Pressplatte für LTCC angewendet werden. Glaskohlenstoff des Typs
Sigradur G (HTW Hochtemperaturwerkstoffe GmbH, Thierhaupten, Deutschland) wurde in Form von
100 × 100 × 3 mm³-Platten bezogen (Abbildung 3-1) und für die verschiedenen Sinterexperimente
zugeschnitten. Der Werkstoff zeichnet sich durch eine hohe Oberflächengüte, Korrosionsbeständigkeit
und geringe thermische Ausdehnung aus. Laut Herstellerangaben2 beträgt die mittlere thermische
Ausdehnung im Bereich 20 °C bis 200 °C nur 2,6 × 10-6
K-1
. Im Datenblatt wird eine Sauerstoff-
beständigkeit bis 600 °C, sowie eine Beständigkeit in inerter Atmosphäre bis 3000 °C ausgewiesen.
Vorversuche haben ergeben, dass bereits ab 500 °C in normaler Luft eine Verschlechterung der
Oberflächengüte durch oberflächliche Oxidation eintritt. Die Prozessanpassungen, die zur Verwendung
von Glaskohlenstoff vorgenommen wurden, werden in den Abschnitten 3.7 und 4.2.3 ausführlich
erläutert.
Abbildung 3-1 links: Glaskohlenstoffplatte im Lieferzustand
rechts: schematische Darstellung der fullerenartigen Molekularstruktur von glasartigem Kohlenstoff,
Abbildung aus [HAR2004]
Die Oberflächenstrukturen, die durch Anwendung der verschiedenen Opferfolien entstehen, sowie die
Prozessvariante mit glasartigem Kohlenstoff wurden an drei LTCC-Werkstoffen untersucht. Wegen der
verbreiteten Anwendung und allgemeinen Relevanz kam DP951 in Betracht. BAM397 wurde
ausgesucht, weil eine maßgebliche Motivation für die Entwicklung eines Verfahrens zur Drucksinterung
ohne Opferfolienrückstände die geplante Anwendung dieses Werkstoffs als Dünnfilmsensorsubstrat war.
Repräsentativ für LTCC-Zusammensetzungen mit üblichen Sintereigenschaften aber ohne
Kristallisationsneigung wurde BAM186 ausgewählt. Dieser Werkstoff enthält neben nicht-
kristallisierendem Borosilikatglas Al2O3 als kristalline Dispersphase.
2 Internetauftritt des Herstellers: http://www.htw-germany.com/technology.php5?lang=de&nav0=2&nav1=16,
abgerufen am 13.05.2014
Materialien und Methoden
27
Tabelle 3-1: Übersicht verwendeter Werkstoffe
Bezeichnung stoffliche Zusammensetzung
(anorganische Komponenten) Verwendung
Phasenbestand
nach Sinterung
BAM186 Al2O3,
Glas
(SiO2, B2O3, K2O)
LTCC Al2O3,
Glas
BAM397 Quarz (SiO2),
Glas Heraeus 69250
(SiO2, BaO, Al2O3, SrO, CaO,
MgO, K2O, B2O3, PbO)
LTCC Quarz,
Celsian
(Ba[Al2Si2O8]),
Restglas
DP951 Al2O3,
Glas
(Al2O3, SiO2, PbO, CaO, B2O3)
LTCC Al2O3,
Anorthit
(CaAl2Si2O8),
Restglas
BAM474 Al2O3,
Quarz,
Glas
(SiO2, Al2O3, B2O3, SrO, MgO,
BaO, CaO,)
LTCC Al2O3,
Quarz,
Glas
NiCuZn NiCuZn
Bi2O3
Ferrit NiCuZn
Bi2O3
A16 Al2O3 Opferfolie Al2O3
MR23 Al2O3 Opferfolie Al2O3
hexBN BN Opferfolie BN
Glaskohlenstoff C Pressstempel
3.2 LTCC-Versatzaufbereitung und Foliengießen
Die Aufbereitung der LTCC-Versätze erfolgte als Versatzmischmahlung. Dazu wurden Pulvermengen
der Glasfritte und kristallinen Rohstoffe entsprechend der Zusammensetzung des Versatzes eingewogen
und als Mischung im Attritor bis zum Erreichen der gewünschten Partikelgrößenverteilung (PGV)
gemahlen. Durch fortlaufende Probennahme und Analyse im Lasergranulometer (Malvern Mastersizer
2000) wurde die Entwicklung der PGV prozessbegleitend überwacht. Nach dem Mahlen wurden die
Versätze sprühgetrocknet (Niro Atomizer). Mit demselben Verfahren wurden die Pulverfraktionen für
die verschiedenen Opferfolien hergestellt.
Die Aufbereitung der gießfähigen Schlicker erfolgte in zwei Dispergierstufen. In der ersten Dispergier-
stufe wurde der Feststoff im Lösungsmittel mit Dispergator und Korundmahlkörpern in einer Kugel-
mühle aufgeschlossen. Nach 4 h bis 24 h wurde in der zweiten Dispergierstufe eine zuvor aufbereitete
Binder-Weichmacher-Lösung zugegeben und weitere 12 h bis 24 h gemahlen. Für die meisten Schlicker
wurde ein Lösungsmittelgemisch (LMG) aus Ethanol, Methylethylketon (MEK) und Cyclohexanon
verwendet. Der Binder war entweder Polyvinylbutyral (PVB), Polycarbonat (PC) oder Polyacrylat (PA)
mit Benzylbutylphthalat (BBP) oder Dibutylphthalat (DBP) als Weichmacher. Bei der Verschlickerung
Materialien und Methoden
28 BAM-Dissertationsreihe
mit Polycarbonat (PC) erübrigte sich die Zugabe von Weichmacher, da der Binder-Ausgangsstoff
weichmachende Monomere enthielt. Als Dispergator wurde Rhodafac®
RE-610, ein Polyetherphosphat,
verwendet. In Tabelle 3-2 sind die verschiedenen Schlickerzusammensetzungen aufgelistet. Die
Trennung von Schlicker und Mahlkörpern erfolgte mittels einer Vakuumsiebeinheit. Dabei wurden
gleichzeitig Gelanteile und nicht aufgeschlossene Feststoffagglomerate abgetrennt. Gegebenenfalls
wurde die Viskosität des Schlickers durch Verdampfen von Lösungsmittel im Rotationsverdampfer
erhöht. Für die Opferfolienentwicklung wurden vor dem Gießen Schlickerproben genommen und im
Viskosimeter hinsichtlich der rheologischen Eigenschaften charakterisiert (Anton Paar Physica MCR
300, Oszillation, koaxialer Zylinder).
Die Gießschlicker wurden mit einer Gießgeschwindigkeit von 24 m/h im doctor-blade-Verfahren auf
eine 50 µm dicke PET-Trägerfolie vergossen und über Nacht ohne zusätzliche Heizung in der
Foliengießanlage (Netzsch, Selb, Deutschland) getrocknet. Nach der Trocknung wurden die Grünfolien
auf einem Lichtkasten auf Gießfehler untersucht und mit einer Fotoschere zur weiteren Verarbeitung in
150 ×150 mm² Abschnitte konfektioniert.
Tabelle 3-2: Übersicht Schlickerzusammensetzungen und Foliendicken
Feststoff Binder Weichmacher Dispergator Lösungsmittel Foliendicke / µm
BAM397 PVB DBP Rhodafac LMG 100 - 110
BAM397 PA DBP Rhodafac LMG 100 - 110
BAM397 PC BBP - MEK/Cyclohexanon 100 - 110
BAM186 PA DBP Rhodafac LMG 95
Korund PC BBP - MEK/Toluol 110-120
Korund 1-3 PA DBP Rhodafac LMG 190
Al2O3
(Opferfolien) PA DBP Rhodafac LMG 80 - 85
hexBN PVB DBP Rhodafac Toluol/Ethanol 75
3.3 Grünkörperherstellung
Aus den Grünfolien wurden nach de n in Abschnitt 2.1.2 vorgestellten Verfahren Prüfkörper und
Testsubstrate hergestellt. Zur Erprobung der verschiedenen Opferfolien und Entwicklung der
druckunterstützten Sinterung mit glasartigem Kohlenstoff wurden aus DP951, BAM397 und BAM186
verschiedene Laminate durch isostatische Thermokompression für 10 min bei 70 °C mit 25 MPa Druck
hergestellt (Laminierpresse ILS-6A, Keko Equipment, Zuzemberk, Slowenien). Die Opferfolien wurden
jeweils in einem zweiten Laminierschritt mit denselben Prozessparametern aufgebracht. Mit einer
Schneideinrichtung mit beheizter Schneide (CM-14MR, Keko Equipment, Zuzemberk, Slowenien)
wurden die Laminate zugeschnitten. Die Testsubstrate für die Opferfolienentwicklung waren
70 × 70 mm² groß. Für die Prozessentwicklung mit Glaskohlenstoff wurden verschiedene Laminat-
größen hergestellt.
Als Proben für dilatometrische Messungen zur Erstellung der MSCs von BAM397, BAM474 und
NiCuZn wurden ~ 5 mm dicke Laminate aus den Grünfolien aufgebaut. BAM474 und NiCuZn wurden
für 10 min mit 26 MPa bei 75 °C isostatisch laminiert. BAM397 wurde mit denselben Parametern
Materialien und Methoden
29
laminiert wie die Testsubstrate für die Opferfolien. Mit der Heißschneideinrichtung wurden ~ 15 mm
lange Prüfkörper zugeschnitten und mit einer Mikrometerschraube genau vermessen. Zur Untersuchung
des Einflusses des Formgebungsverfahrens auf die Parameter der MSC wurde aus dem aufbereiteten
BAM397- Pulverversatz ein 50 × 5 × 5 mm³ Stab mit 60 MPa uniaxial trocken gepresst. Mit einem
Skalpell wurden ~ 5 mm lange Stücke für die dilatometrischen Messungen abgeschnitten. Die
Herstellung eines Kombinationslaminats aus BAM474 und NiCuZn zur Validierung der berechneten
Schwindungsfehlpassungen erfolgte durch isostatische Lamination für 10 min bei 75 °C und 26 MPa
von 8 Lagen NiCuZn (~ 800 µm) zwischen BAM474 (jeweils ~ 130 µm).
Prüfkörper für die thermomechanische Analyse (TMA) wurden aus einem vierlagigen DP951-Substrat
mit beidseitig laminierter Opferfolie (Ceramtape A, CeramTec GmbH, Marktredwitz, Deutschland)
gefertigt. Das Mehrlagensubstrat wurde zunächst ohne Opferfolie isostatisch laminiert. Mit einer
Mikrometerschraube wurde die Gründicke zu 1,0 mm bestimmt. In einem zweiten Schritt wurde die
Opferfolie beidseitig mit denselben Parametern laminiert. Für die Auswertung der Messungen wird
davon ausgegangen, dass die Gründicke durch den zweiten Laminierschritt nicht verändert wurde. Es
gilt für alle Schwindungsmessungen L0 = 1000 µm. Mittels Hot-Knife wurde das grüne Laminat in
2 × 2 mm², bzw. 5 × 5 mm² große Prüfkörper getrennt. Messungen mit Lasten bis einschließlich 100 kPa
wurden an 25 mm² Prüfkörpern durchgeführt. Für höhere Lasten, 300 kPa und 500 kPa, mussten
aufgrund der limitierten Maximallast des Messgeräts Messungen an 4 mm² Prüfkörper vorgenommen
werden.
3.4 Dilatometrie und Thermomechanische Analyse
Die Schwindungsmessungen an BAM397, BAM474 und NiCuZn für die Erstellung der MSCs wurden
mit einem horizontalen Schubstangendilatometer DIL802 (Bähr-Thermoanalyse GmbH, Hüllhorst,
Deutschland) durchgeführt. BAM397 wurde mit 5 K/min, 8 K/min und 10 K/min bis 890 °C geheizt.
Für BAM474 und NiCuZn wurden als Heizraten 1 K/min, 2 K/min, 5 K/min und 10 K/min verwendet.
Die Anpresskraft der Schubstange wurde ausgehend von der Federkonstante der Anpressfeder und dem
eingestellten Federweg zu > 0,4 N abgeschätzt.
Als thermomechanische Analyse (TMA) wird die Messung der Längenänderung von Körpern unter
konstanter oder dynamischer Last als Funktion der Temperatur bezeichnet. Die Messungen wurden mit
einem TMA 801 (Bähr-Thermoanalyse GmbH, Hüllhorst, Deutschland) durchgeführt. Der schematische
Aufbau des Messgeräts ist im linken Teil von Abbildung 3-2 dargestellt. Sowohl die Lastaufbringung,
als auch die Längenmessung erfolgen über die vertikal verlaufende Schubstange. Die minimale Last auf
den Prüfkörper beträgt 0,05 N (5,01 g). Über einen Linearmotor können Kräfte bis 2,5 N aufgebracht
werden. Der Prüfkörper wird über einen Präzisionsofen mit Widerstandsheizelement geregelt aufgeheizt.
Die Probentemperatur ist durch ein Thermoelement direkt messbar. Rechts in Abbildung 3-2 ist ein
eingelegter Prüfkörper mit aufsitzender Schubstange und ausgerichtetem Thermoelement dargestellt.
Zur Entwicklung einer PMSS für DP951 wurden für die Laststufen 2 kPa, 10 kPa, 25 kPa, 50 kPa,
100 kPa, 300 kPa und 500 kPa Messungen mit jeweils 5 K/min, 8 K/min und 10 K/min durchgeführt.
Dabei wurde der Druck vom Beginn der Messung bis zur Maximaltemperatur von 950 °C konstant
gehalten. Bei allen Messungen wurde bis 600 °C eine Heizgeschwindigkeit von 5 K/min eingehalten,
um eine vollständige Entbinderung der Prüfkörper zu gewährleisten. Die Temperaturregelung erfolgte
über das Ofenthermoelement, die Auswertung der Längenänderung erfolgte in Bezug auf die
Probentemperatur. Das Ergebnis einer TMA ist ein Datensatz aus Zeit t, Probentemperatur T(t) und
relativer Längenänderung ΔL(T) (3.1).
∆L(T )=L(T)-L0
L0
(3.1)
Materialien und Methoden
30 BAM-Dissertationsreihe
Abbildung 3-2 links: Schematischer Aufbau des TMA80
rechts: Fotografie eines eingelegten LTCC-Mehrlagenprüfkörpers (hellblau, DP951) mit Opferfolie,
aufgesetzter Schubstange und Probenthermoelement im Al2O3-Messsystem
3.5 Berechnung von Mastersinterkurven
Zur Berechnung der Mastersinterkurven (MSCs) wurden die Rohdaten aller TMA-Messungen, bzw.
Dilatometermessungen, nach demselben Verfahren korrigiert und aufbereitet. Zunächst wurden alle
Daten für T < 600 °C abgeschnitten und t|T=600 °C = 0 s gesetzt. Anschließend wurden die Längen-
änderungsdaten gemäß Gleichung (3.2) korrigiert. Dadurch wird die relative Längenänderung aller
Prüfkörper bei 600 °C auf null gesetzt.
∆Lkorr(T) = ∆L(T)-∆L|T=600 °C (3.2)
Anschließend erfolgte die Berechnung der linearen Längenänderungsgeschwindigkeit ∂∆L ∂t⁄ durch
numerische Differentiation. Anhand des Kurvenverlaufs wurde überprüft, ob der Prüfkörper bei der
Messung gestaucht wurde. Die Längenänderungsgeschwindigkeit nimmt bei einem nichtgestauchten
Prüfkörper zunächst betragsmäßig zu, durchläuft ein Betragsmaximum (Minimum im Kurvenverlauf)
und fällt anschließend auf null. Durch ein lokales Maximum der Kurve (Betragsminimum der
Längenänderungsgeschwindigkeit) ist eine Stauchung deutlich identifizierbar. An dieser Stelle nimmt
die Längenänderungsgeschwindigkeit durch die pressdruckinduzierte Kriechverformung betragsmäßig
wieder zu. In Abbildung 3-3 sind die relative Längenänderung und die abgeleitete Längen-
änderungsgeschwindigkeit eines gestauchten Prüfkörpers über der Temperatur aufgetragen. Die
Temperatur, bei der ein lokales Betragsminimum der relativen Längenänderungsgeschwindigkeit
auftritt, wird als Stauchtemperatur definiert. Wurde in einem Datensatz eine Stauchung des Prüfkörpers
nachgewiesen, so wurden alle Daten oberhalb der Stauchtemperatur verworfen.
Materialien und Methoden
31
Abbildung 3-3: Relative Längenänderung und relative Längenänderungsgeschwindigkeit von DP951 bei
druckunterstützter Sinterung mit geometrischer Schwindungsbeschränkung bei 100 kPa und 5 K/min mit
Definition der Stauchtemperatur, TMA 801
Im nächsten Schritt wurden Rohdichten und relative Dichten aus den Längenänderungsdaten berechnet.
Bei Prüfkörpern, die eine geometrische Schwindungsbehinderung aufwiesen (TMA-Messungen), konnte
die laterale Schwindung vernachlässigt werden. Die Berechnung der Rohdichte ρroh erfolgte unter
Berücksichtigung der Gründichte des Werkstoffs ρgrün nach Gleichung (3.3).
ρroh
= ρgrün
∙(1+∆Lkorr)-1
(3.3)
Für Prüfkörper ohne geometrische Schwindungsbeschränkung (siehe Abschnitte 4.1.1 und 4.1.2) wurde
transversale Isotropie angenommen ein Anisotropiefaktor k definiert (3.5).
εy= εx= εlateral = εz
k (3.4)
Die Rohdichte konnte so ausgehend von der Gründichte aus den Längenänderungsbeiträgen der lateralen
und der Dickenschwindung berechnet werden (3.5).
ρroh
= ρgrün
∙(1+𝜀𝑧)-1
∙(1+𝜀lateral)-2
(3.5)
Da die laterale Schwindung messtechnisch nicht erfasst werden konnte, wurden Anisotropiefaktoren für
die verschiedenen Werkstoffe aus der entsprechenden Gründichte ρgrün, der Rohdichte der gesinterten
Probe ρsinter und der maximalen linearen Schwindung εtotal gemäß Gleichung (3.6) bestimmt.
k =-εtotal
1- √ρ
grün
(1+εtotal)∙ρsinter
(3.6)
Die Berechnung der Rohdichte von Prüfkörpern ohne geometrische Schwindungsbeschränkung erfolgte
dann ausgehend von der Gründichte und unter Berücksichtigung des Anisotropiefaktors gemäß
Gleichung (3.7).
Materialien und Methoden
32 BAM-Dissertationsreihe
ρroh
= ρgrün
∙(1+∆Lkorr)-1∙ (1+
∆Lkorr
k)
-2
(3.7)
Die relative Dichte ρ ist in jedem Fall das Verhältnis aus Rohdichte zu Reindichte ρrein (3.8).
ρ =ρ
roh
ρrein
(3.8)
Zur Berechnung der Mastervariablen Θ muss zunächst die Aktivierungsenergie Q bestimmt werden. Es
wurde für jede Laststufe, also für drei Messungen mit verschiedenen Heizgeschwindigkeiten, eine
Aktivierungsenergie bestimmt. Dazu wurde eine Berechnungsschleife in der Software Origin 9.0
(OriginLab Corporation, Northampton, USA) implementiert. Die Schleife erzeugt zunächst ausgehend
von einer frei wählbaren Minimalenergie Qmin, einer frei wählbaren Maximalenergie Qmax und einem frei
wählbaren Energieinkrement ΔQ eine Menge von zu testenden Aktivierungsenergien Qi. So können
z. B. in 10 kJ/mol-Schritten Energien von 100 kJ/mol bis 500 kJ/mol definert werden. Für die drei
Messungen einer Laststufe wird jeweils Θ[t,T(t)] mit der Energie Qi gemäß Gleichung (2.15) berechnet.
Anschließend wird ein neuer Datensatz erzeugt, der alle Θ[t,T(t)] und die dazugehörigen relativen
Dichten der drei Messungen beinhaltet. Die Zuordnung ρrel(Θ) wird gezeichnet. Wenn eine
Mastersinterkurve existiert und die verwendete Qi die richtige Aktivierungsenergie ist, liegen alle drei
Kurven übereinander. Anderenfalls bleiben sie als Einzelkurven erkennbar. Für jede Qi wird an die
Auftragung ρrel(Θ) eine fünfparametrische logistische Funktion (3.9) angepasst. Die Summe der
quadratischen Fehler wird jeweils ausgewertet. Nach dem Durchlauf dieser Berechnungsschleife wird
als Aktivierungsenergie Q die Energie Qi gewählt, bei der die Fehlersumme minimal ist. Für diese
Energie beschreibt die Anpassungsfunktion in Gleichung (3.9) den Verlauf der Mastersinterkurve für die
entsprechende Laststufe. Die fünfparametrische logistische Funktion wurde gewählt, weil damit der
Verlauf der Messdaten besser abgebildet wird, als z. B. mit den Sigmoidfunktionen, die in Abschnitt
2.2.2 vorgestellt wurden. Sie enthält neben den Konstanten ρmin und ρmax, die der Gründichte ρgrün und
der Sinterdichte des Werkstoffs entsprechen, eine Zentrumsvariable Θ0 und zwei anpassbare Parameter h
und s.
𝜌 = ρmin
+ρ
max− ρ
min
[1+ (log Θ log Θ0
)-h
]
s (3.9)
3.6 Analyse der Entbinderung
Das Entbinderungsverhalten von LTCC-Grünfolien wurde anhand des temperaturabhängigen
Masseverlustes charakterisiert. Dazu wurden symmetrische thermogravimetrische Analysen (TGA)
durchgeführt. Eine Prinzipskizze des Aufbaus der Messeinrichtung (TAG 24, Setaram Instrumentation,
Caluire, Frankreich) ist in Abbildung 3-4 dargestellt. Es handelt sich um ein symmetrisches Wägesystem
mit zwei Öfen. Auf einer Seite wird die Probe geheizt und der Masseverlust über der Temperatur
aufgezeichnet. Auf der anderen Seite wird eine Blindprobe, die keinen Masseverlust aufweist, mit
identischen Bedingungen geheizt. An dieser Blindprobe wird der Einfluss des statischen Auftriebs
bestimmt. Der ermittelte Massenverlust ist entsprechend korrigiert.
Materialien und Methoden
33
Abbildung 3-4: Prinzipskizze des Aufbaus der symmetrischen TGA
Das Ergebnis der TGA ist der relative Massenverlust der Probe, bezogen auf die Ausgangsmasse m0, als
Funktion der Temperatur ∆m(T) (3.10). Um Proben mit unterschiedlichen absoluten Masseverlusten
hinsichtlich ihres Temperaturverhaltens direkt vergleichen zu können, wird der normierte Massenverlust
∆mnorm(T) ausgewertet (3.11).
∆m(T)=m(T)-m0
m0
(3.10)
∆mnorm(T)=∆m(T)
∆mT=600°C
∙100 % (3.11)
3.7 Druckunterstütztes Sintern
Die druckunterstützte Sinterung von LTCC-Substraten mit verschiedenen Opferfolien und
Glaskohlenstoffplatten erfolgte in einer LTCC-Sinterpresse (PHP-603, ATV Technologie GmbH,
Vaterstetten, Deutschland). Dabei handelt es sich um einen regelbaren Kammerofen, in dessen
Quarzglasmuffel vertikale Presstempel einer 50 kN-Hydraulikpresse eingefahren werden können. Ein
schematischer Aufbau ist in Abbildung 3-5 gezeigt. Die Quarzglasmuffel mit 230 mm innerem
Durchmesser wird von Widerstandsheizstrahlern beheizt und kann mit verschiedenen Prozessgasen
gespült werden. Die Anlage ist über eine serielle Schnittstelle mit einem Messrechner verbunden, so
dass Prozessdaten wie Heizleistung, Ofentemperatur, Probentemperatur an zwei Stellen und Presskraft
kontinuierlich über den Sinterprozess aufgezeichnet werden können.
Materialien und Methoden
34 BAM-Dissertationsreihe
Abbildung 3-5: Schematischer Aufbau der Sinterpresse bei Blick von der Ofentür in die Quarzglasmuffel
Am hinteren Ende der Quarzglasmuffel befindet sich der Prozessgasauslass. Dort werden die Spülgase
und die Entbinderungsprodukte abgesaugt. Über ein dünnes Metallrohr kann an dieser Stelle die
Ofenatmosphäre beprobt und mittels eines Sauerstoffanalysators (SGM7, Zirox Sensoren und Elektronik
GmbH, Greifswald, Deutschland) hinsichtlich des Sauerstoffgehalts charakterisiert werden. Über eine
serielle Schnittstelle kann der Sauerstoffgehalt in der Ofenatmosphäre über den gesamten Sinterprozess
von einem Messrechner aufgezeichnet werden.
Der Ablauf eines Brennprogramms wird über eine speicherprogrammierbare Steuerung gesteuert, bzw.
geregelt. Die Brennprogramme für die druckunterstützte Sinterung der LTCC-Substrate mit
verschiedenen Opferfolien sind in Tabelle 3-3 zusammengefasst. Bei allen Programmen wurde die
Ofenmuffel kontinuierlich mit 600 l/h Pressluft gespült um die Entbinderungsprodukte auszutreiben und
einen stabilen Temperaturgradienten über den gesamten Prozess sicherzustellen. Pro Werkstoff wurden
sechs Substrate in einem Durchlauf gesintert. Der in Abschnitt 2.1 vorgestellte Sinterstapel wurde mit
sechs Ebenen, d. h. mit sieben porösen SiC-Platten aufgebaut. Mit zwei frei positionierbaren
Thermoelementen wurde die Temperatur in der Mitte und am Rand der mittleren SiC-Platte überwacht.
Nach der Sinterung wurde die Opferfolie durch Bürsten unter fließendem Wasser entfernt. Diese
Reinigung wurde so lange durchgeführt, bis keine Veränderung der Oberfläche durch weiteres Bürsten
erkennbar war.
Tabelle 3-3: Brennprogramme für die druckunterstützte Sinterung der LTCC-Substrate mit
verschiedenen Opferfolien
LTCC Entbinderung Sinterung Pressdruck Abkühl-
geschwindigkeit
DP951 2 K/min bis 550 °C,
1 h Haltezeit bei 350 °C
5 K/min bis 830 °C,
20 min Haltezeit
100 kPa bis Ende
Haltezeit
-2 K/min
BAM186 2 K/min bis 500 °C 5 K/min bis 850 °C,
15 min Haltezeit
200 kPa bis Ende
Haltezeit
-5 K/min
BAM397 2 K/min bis 550 °C,
1 h Haltezeit bei 350 °C
5 K/min bis 850 °C,
30 min Haltezeit
200 kPa bis Ende
Haltezeit
-2 K/min
Materialien und Methoden
35
Zur Erzeugung von Oberflächen ohne Opferfolienrückstände wurden Glaskohlenstoffplatten als
Brennhilfsmittel für die druckunterstütze Sinterung verwendet. Da die Glaskohlenstoffplatten dicht sind,
kann der Gasaustausch für die thermische Entbinderung nur über die Unterseite des Substrats erfolgen.
Mithin wurde glaskohlenstoffseitig auf das Einstapeln von porösen SiC-Platten verzichtet. Ein
schematischer Aufbau eines Sinterstapels mit Glaskohlenstoffplatte ist in Abbildung 3-5 dargestellt.
Abbildung 3-6: Aufbau des Sinterstapels bei druckunterstützter Sinterung mit Glaskohlenstoff
Die Dichtheit der Glaskohlenstoffplatte erfordert eine Anpassung der Brennprogramme zur Gewähr-
leistung einer vollständigen Entbinderung. Die Ergebnisse der Untersuchungen zur Optimierung der
thermischen Entbinderung werden in den Abschnitten 4.2.2 und 4.2.3 vorgestellt und diskutiert.
Aufgrund der Sauerstoffempfindlichkeit der Glaskohlenstoffplatte bei Temperaturen über 500 °C
erfolgte die Sinterung der Substrate unter Stickstoffspülung. Hinsichtlich des Einflusses von
Sintertemperatur, Haltezeit und Pressdruck wurden zahlreiche Sinterexperimente durchgeführt. In
Tabelle 3-4 sind die Brennprogramme zusammengefasst, die zur Sinterung der in Abschnitt 4.3.3
charakterisierten Substrate angewandt wurden.
Tabelle 3-4: Brennprogramme für die druckunterstützte Sinterung von LTCC-Substraten mit Glas-
kohlenstoffplatten, Entbinderung mit 1500 l/h Pressluftspülung, Sinterung mit 1750 l/h Stickstoffspülung
LTCC Entbinderung Sinterung Pressdruck Abkühl-
geschwindigkeit
DP951 7 K/min bis 500 °C,
1 h Haltezeit
25 K/min bis 830 °C,
20 min Haltezeit
300 kPa
bis Ende Haltezeit
-2 K/min
bis 700 °C
-5 K/min
bis 500 °C
BAM186 5 K/min bis 500 °C,
1 h Haltezeit
5 K/min bis 900 °C,
10 min Haltezeit
300 kPa
bis Ende Haltezeit
-10 K/min
BAM397 5 K/min bis 500 °C,
1 h Haltezeit bei
8 K/min bis 750 °C,
5 K/min bis 850 °C,
5 min Haltezeit,
5 K/min bis 860 °C,
2 min Haltezeit
1 MPa
bis Ende Haltezeit
-10 K/min
Materialien und Methoden
36 BAM-Dissertationsreihe
3.8 Oberflächencharakterisierung
Die Oberflächen der druckunterstützt gesinterten LTCC-Substrate wurden elektronenmikroskopisch
untersucht und hinsichtlich ihrer Rautiefe und prozessrelevanten Oberflächenqualität für Dünnfilm-
beschichtungen charakterisiert. Für die einzelnen Untersuchungsverfahren wurden die gesinterten
70 × 70 mm² Substrate mit einem Glasschneider in kleinere Abschnitte getrennt. Dabei wurde
mindestens ein 5 mm breiter Streifen am Rand des Substrats verworfen. Um die Oberflächen für die
Abbildung im Rasterelektronenmikroskop (REM) leitfähig zu machen, wurde jeweils ein Abschnitt pro
Substrat mit Kohlenstoff bedampft. Die Abbildungen wurden an einem Zeiss Gemini Supra 40
Feldemissions-REM (Carl Zeiss AG, Oberkochen, Deutschland) mit einem In-Lens-Detektor
aufgenommen.
Von einem zweiten Abschnitt jedes Substrats wurden gemäß DIN EN ISO 4287 der arithmetische
Mittenrauwert, bzw. die mittlere Rauheit Ra, sowie die gemittelte Rautiefe Rz bestimmt. Die Messungen
wurden an einem stationären Rauheitsmessplatz des Typs Hommel-Etamic T8000 (Jenoptik AG, Jena,
Deutschland) durchgeführt. An jedem Substratabschnitt wurden vier Messstrecken aufgenommen und
daraus jeweils die Kennwerte abgeleitet. Für die Ergebnisauswertung wurden die Kennwerte eines
Substrats arithmetisch gemittelt und die Standardabweichung berechnet. Zur Bewertung der Signifikanz
von Unterschieden zwischen Probengruppen wurden softwaregestützt Varianzanalysen (ANOVA) der
Einzelmessungen durchgeführt (Origin 9.0, OriginLab Corporation, Northampton, USA).
Für eine Bewertung der Eignung einer Oberfläche für Dünnfilmprozesse ist die Betrachtung der
Rauheitskennwerte nicht ausreichend. Darum wurde mit Testbeschichtungen die prozessrelevante
Oberflächenqualität der verschiedenen Substratoberflächen untersucht. Ein Abschnitt jedes Substrats
wurde mittels Magnetron-Sputtern mit 1 µm Titan beschichtet. Ein weiterer Abschnitt jedes Substrats
wurde mit einem 50 nm dünnen Chromfilm beschichtet. Magnetron-Sputtern ist ein Plasmabe-
schichtungsverfahren, bei dem durch Beschuss mit Argon-Ionen Metallatome aus einem Target, hier
Titan oder Chrom, gesputtert werden. Die Metallatome kondensieren dann auf dem Substrat zu einer
Schicht. Die Schichtdicke ergibt sich aus der Prozesszeit und einer targetspezifischen Sputter-
geschwindigkeit. In der genutzten Sputteranlage kann eine Fläche von ca. 10 × 10 mm² homogen
beschichtet werden. In darüberhinausgehenden Bereichen sind Schwankungen der Schichtdicke
beobachtet worden. Um eine gute Homogenität der Schichten auf den Substraten zu gewährleisten,
wurden die Substrate in zwei Gruppen aufgeteilt, die die optimal beschichtbare Fläche nicht
überschreiten. Das bedeutet, es wurden zwei Durchläufe mit Ti-Target, und zwei Durchläufe mit Cr-
Target durchgeführt, um alle Substrate zu beschichten. Bei jedem Durchlauf wurde ein kommerzielles
Dünnfilm-Substrat aus Al2O3 (Rubalit 710, CeramtecAG, Plochingen, Deutschland) als Referenz
mitbeschichtet.
Zur Bewertung der Schichtqualität, und damit der prozessrelevanten Oberflächenqualität eines
Substrates, wurde der Flächenwiderstand R/ der Beschichtung gemessen. Der Flächenwiderstand einer
dünnen Schicht ist ihr spezifischer Widerstand ρ bezogen auf die Schichtdicke d (3.12). Die
physikalische Einheit des Flächenwiderstands ist wie die des elektrischen Widerstandes 1 Ω. Zur
Verdeutlichung des Unterschiedes zwischen elektrischem Widerstand und Flächenwiderstand werden
Flächenwiderstände häufig in der Einheit Ω/ angegeben. Obwohl diese Schreibweise nicht normgerecht
ist, ist sie zur unmissverständlichen Ergebnisdarstellung sehr praktikabel und wird deshalb auch in
dieser Arbeit angewendet.
R/ =ρ
d (3.12)
Die Widerstandsmessung wurde als Vier-Leiter-Messung durchgeführt. Dabei wird über zwei
Elektroden ein konstanter Strom aufgegeben und über zwei kollinear dazwischen angeordneten
Messspitzen die Spannung gemessen. Durch diese Messanordnung treten nur vernachlässigbare
Materialien und Methoden
37
Übergangswiderstände an der Grenzfläche Schicht/Messspitze auf. In Abbildung 3-7 ist der Messaufbau
schematisch dargestellt. Im Gegensatz zur Vier-Spitzen-Methode nach Valdes wird nicht der
Spannungsabfall zwischen den inneren Elektroden gemessen [VAL1954]. Das verwendete Messgerät,
ein Digitalmultimeter Typ Fluke 8846A (Fluke Deutschland GmbH, Glottertal, Deutschland), gibt im
Vier-Leiter-Modus direkt den elektrischen Widerstand zwischen den inneren Messspitzen aus. Dieser
Messwert muss in den Flächenwiderstand umgerechnet werden.
Abbildung 3-7: Prinzipskizze zum Aufbau der Vier-Leiter-Messung zur Bestimmung des Flächenwider-
standes
Dazu wird zunächst das Potential betrachtet, das sich in der dünnen, quasi unendlich ausgebreiteten
Schicht aufgrund des aufgeprägten Gleichstroms einstellt. Nach Smits kann das Potential φ an einem
Punkt einer solchen Schicht mit Gleichung (3.13) beschrieben werden [SMI1958]. Dabei sind r1 und r2
die Abstände des Punktes zu den Elektroden des Dipols.
φ = I R/
2π∙ln (
r1
r2) (3.13)
Für das Potential φi an einer inneren Elektrode des verwendeten Messkopfes gilt dann Gleichung (3.14).
φi=
I R/
2π∙ln (
q + p
q) (3.14)
Die Spannung zwischen den beiden inneren Elektroden entspricht der Potentialdifferenz Δφ und kann
ausgehend vom Ansatz in Gleichung (3.15) als Gleichung (3.18) geschrieben werden.
∆φ = I R/
2π[ln (
q + p
q) − ln (
q
q+p)] (3.15)
= I R/
2π[ln(q +p)-ln(q)]-[ln(q) -ln(q +p)] (3.16)
= I R/
2π[2 ln(q +p)- 2 ln(q)] (3.17)
Materialien und Methoden
38 BAM-Dissertationsreihe
∆φ = U = I R/
π∙ln (
q + p
q) (3.18)
Stellt man Gleichung (3.18) nach dem Flächenwiderstand um und setzt die Definition des elektrischen
Widerstandes ein (3.19), erhält man Gleichung (3.20). Dieser Zusammenhang erlaubt die Berechnung
des Flächenwiderstandes aus der Vier-Leiter-Messung des Schichtwiderstandes.
R = U
I (3.19)
R/ =𝜋
ln (𝑞 + 𝑝
𝑞 )⋅ R
(3.20)
Die Abstände der Messspitzen des verwendeten Messkopfes betrugen q = 100 µm und p = 400 µm.
Daraus ergibt sich ein Umrechnungsfaktor von 1,95 für den genutzten Messkopf. Auf den
Referenzsubstraten wurden Flächenwiderstände von 0,66 ± 0,02 Ω/ für 1 µm Ti und 6,1 ± 0,2 Ω/ für
50 nm Cr bestimmt.
39
4 Ergebnisse und Diskussion
In diesem Kapitel werden zunächst die Ergebnisse der thermomechanischen Analyse und Modellierung
vorgestellt und diskutiert. Im zweiten Abschnitt folgt die Erläuterung der Ergebnisse der
Brennhilfsmittelentwicklung. Die mit den entwickelten Brennhilfsmitteln erzeugten Oberflächen werden
im dritten Abschnitt charakterisiert.
4.1 Thermomechanische Analyse und Modellierung
Ausgehend von den Ergebnissen der Modellierung der drucklosen Sinterung von LTCC-Prüfkörpern
wird in diesem Abschnitt die Berechnung der Schwindungsfehlpassung in Kombinationslaminaten
vorgestellt sowie die Untersuchung und Modellierung der druckunterstützten Sinterung erörtert.
4.1.1 Drucklose Sinterung
Bei der Erstellung einer Mastersinterkurve (MSC) ist neben den erforderlichen Schwindungsmessungen
die Aktivierungsenergie Q die entscheidende zu ermittelnde Größe. In Abschnitt 2.2.2 wird die
Bestimmung der Aktivierungsenergie erläutert. Dabei wird darauf hingewiesen, dass eine MSC nur
Gültigkeit für genau den Werkstoff mit seinen mikrostrukturellen Eigenschaften im Grünzustand hat, für
den sie erzeugt wurde. Folglich wirken sich verschiedene Formgebungsverfahren direkt auf die
resultierende MSC eines gegebenen Werkstoffs aus. Um diesen Einfluss mit Bezug zur LTCC-
Technologie zu quantifizieren, wurden vergleichend MSCs für Pulverpresslinge und Grünfolien-
Mehrlagensubstrate aus BAM397 erstellt. Dabei war zu klären, inwiefern die Unterschiede, die sich
durch veränderte Formgebung und Sinterung mit geometrischer Schwindungsbeschränkung ergeben,
tatsächlich signifikant sind.
Aufgrund der Formgebungsverfahren stellen sich bereits Unterschiede in der Gründichte ein. Das mit
60 MPa uniaxial verpresste BAM397-Pulver weist nach dem Ausbrand der Presshilfsmittel eine
geometrisch bestimmte relative Gründichte von 0,55 auf. Die BAM397-Grünfolie (siehe Abschnitt 3.2)
wurde mit 25 MPa quasi-isostatisch zu einem Mehrlagensubstrat laminiert (siehe Abschnitt 3.3) und ist
mit einer relativen Dichte von 0,51 im ausgebrannten Grünzustand vergleichsweise poröser. Von beiden
Grünkörper-Typen wurden jeweils mit 5 K/min, 8 K/min und 10 K/min die Schwindungskurven im
Horizontaldilatometer (DIL802, Bähr-Thermoanalyse GmbH, Hüllhorst Deutschland) aufgenommen
und wie in Abschnitt 3.5 beschrieben ausgewertet. Dabei wurde für die trockengepressten Prüfkörper
transversale Isotropie angenommen. Tatsächlich weisen uniaxial trockengepresste Grünkörper aufgrund
von Dichtegradienten komplexere Richtungsabhängigkeiten der Schwindung auf. Diese sind jedoch für
die zu Grunde liegende Fragestellung unwesentlich gering und deshalb in der Betrachtung
vernachlässigt. Die Ergebnisse der Bestimmung der Aktivierungsenergien, sowie die Verläufe der
angepassten Modellfunktionen im Vergleich zu den Messwerten, sind in Abbildung 4-1 dargestellt. Die
Parameter der Modellfunktionen sind in Tabelle 4-1 zusammengefasst.
Sowohl die Kurvenverläufe, als auch der Vergleich der Parameter zeigen signifikante Unterschiede
zwischen Pulverpressling und Mehrlagensubstrat. Die Aktivierungsenergie zur Sinterung des
Pulverpresslings ist 50 kJ/mol niedriger als für das Mehrlagensubstrat, wobei das Minimum nicht
deutlich ausgeprägt ist. Mohanram, Messing und Green haben ebenfalls Aktivierungsenergien an
uniaxial gepressten LTCC-Versätzen bestimmt (40 MPa) und Ergebnisse zwischen 200 kJ/mol und
350 kJ/mol erhalten [MOH2005b]. Die Ergebnisse liegen in der zu erwartenden Größenordnung.
Aufgrund der abweichenden Aktivierungsenergien von Pulverpressling und Mehrlagensubstrat liegen
die Wertebereiche für die daraus berechnete Mastervariable Θ nicht aufeinander. Der Vergleich der
center-Variablen log(Θ0) zeigt, dass die Mastervariable für den Pulverpressling wegen der geringeren
Aktivierungsenergie um rund 10³ s/K zu höheren Werten verschoben ist. Die anpassbaren Parameter s
und h unterscheiden sich ebenfalls stark.
Ergebnisse und Diskussion
40 BAM-Dissertationsreihe
Abbildung 4-1 links: Bestimmung der Aktivierungsenergie zur Sinterung für BAM397 Pulverpresslinge
und Mehrlagensubstrate mit geometrischer Schwindungsbeschränkung (links),
rechts: MSCs für den quasi-isotrop schwindenden Pulverpressling und das nur in Dickenrichtung
schwindende Mehrlagensubstrat (Multilayer)
Tabelle 4-1: Parameter der MSC-Modellfunktionen für BAM397-Pulver und -Mehrlagensubstrat mit
geometrischer Schwindungsbeschränkung
Q / (kJ/mol) ρmin ρmax log(Θ0) s h S.d.q.F.
Pulverpressling 370 0,54 1,03 -17,49 2,34 -27,13 0,23
Mehrlagensubstrat 420 0,51 0,97 -20,28 0,56 -77,05 0,19
Die an die Messwerte für den Pulverpressling angepasste Modellfunktion beschreibt den Verlauf bei
relativen Dichten über 0,97 qualitativ nicht zufriedenstellend. Das starke Abflachen der Messwerte wird
von der Modellfunktion nicht abgebildet. Unabhängig davon ist bei relativen Dichten über 0,8 ein vom
erwarteten linearen Verlauf der Verdichtungskurve in diesem Bereich abweichender Kurvenverlauf
erkennbar. Die Pulverpresslinge erfahren hier offenbar eine Verformung unter der Last der Schubstange
des Dilatometers. Eine nachträgliche Analyse der Anpresskraft der Schubstange ergab eine Last auf die
Probe von mehr als 0,4 N. Bei den verwendeten Prüfkörpern mit einem Querschnitt von 25 mm² ergibt
diese einen Pressdruck von mehr als 16,5 kPa. Das gewünschte quasi-isotrope Schwindungsverhalten
wurde hier durch die Messmethode offenbar gestört. Das Mehrlagensubstrat mit geometrischer
Schwindungsbeschränkung zeigt bei diesem Pressdruck noch kein Querfließen und dadurch ungestörte
Verdichtungskurven. Aufgrund des Anpressdrucks wird die Temperatur für den Sinterbeginn anhand
dieser Messungen unterschätzt. Die maximale Schwindungsgeschwindigkeit und die finale Dichte
werden überschätzt. Dennoch zeigen die Experimente, dass LTCC-Formkörper mit geometrischer
Schwindungsbeschränkung hinsichtlich ihrer Geometrie deutlich toleranter gegenüber äußeren Lasten
sind als freie Pulverpresslinge.
Als Ergebnis dieser Vorstudie wird festgehalten, dass MSCs für BAM397 gefunden und mit der in
Gleichung 3.5 vorgestellten Anpassungsfunktion beschrieben werden können. Durch verschiedene
Formgebungsverfahren werden signifikant unterschiedliche MSCs erzeugt. Darüber hinaus sind
Messgeräte mit ungeregelter Lastaufbringung ungeeignet für die präzise Aufnahme von Schwindungs-
kurven von LTCC.
Ergebnisse und Diskussion
41
4.1.2 Schwindungsfehlpassung bei druckloser Co-Sinterung
Die typische Anwendung einer Mastersinterkurve ist die Berechnung der relativen Dichte eines
Sinterteils für verschiedene Heizregime. Eine beschränkte Betrachtung eines einzelnen Werkstoffs, der
ungehindert schwinden kann ist für die LTCC-Technologie jedoch nicht von großem Nutzen. Reale
Bauteile werden als Werkstoffkombinationen gesintert. Der häufigste Fall ist die Co-Sinterung einer
Kombination aus dielektrischem LTCC und Metallisierungsstrukturen. Noch anspruchsvoller ist die
Kombination aus zwei keramischen Werkstoffen, z.B. einem Dielektrikum und einem Ferrit (siehe
Abschnitt 2.1). Da hierbei sowohl die Sintereigenschaften der einzelnen Werkstoffe, als auch die
Prozessgestaltung einen großen Einfluss auf das Ergebnis der Co-Sinterung haben, ist eine Modellierung
dieser Prozesse zu Zwecken des Verständnisses und der Optimierung von besonderem Interesse. Im
Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde deshalb das Potential des MSC-Modells zur Bearbeitung von
Co-Sinterproblemen untersucht.
Werkstoffe, die co-gesintert werden sollen, werden über ihre Zusammensetzung so aufeinander
eingestellt, dass die Unterschiede im Schwindungsverhalten minimal sind. Dennoch treten, besonders
bei druckloser Sinterung, Schwindungsfehlpassungen auf, die zu Spannungen im kombinierten
Mehrlagensubstrat führen. Diese können die Mikrostruktur beeinflussen oder sogar die Zerstörung des
Mehrlagensubstrats bewirken. Um den Einfluss des Heizregimes auf die Schwindungsfehlpassung in
einem Kombinationslaminat zu simulieren, wurde eine Methode entwickelt, relative Längenänderungen
für beliebige Heizregime aus Mastersinterkurven zu berechnen.
Die Mastersinterkurve ermöglicht die Berechnung der relativen Dichte zu jedem Zeitpunkt im
Heizregime. Um daraus die relative Längenänderung, bzw. die lineare Schwindung zurückzurechnen,
wird derselbe Zusammenhang genutzt, der schon zur Auswertung der Schwindungsmessungen
vorgestellt wurde. Durch Umstellen von Gleichung (3.5) erhält man Gleichung (4.1), die dann nach εz
aufgelöst werden muss.
(1+εz
k)
2
∙(1+εz)=ρ
grün
ρ∙ρrein
. (4.1)
Zur Lösung der Gleichung wird sie in der allgemeinen Form (4.2) geschrieben.
εz3+ aεz
2+ bεz+ c = 0 (4.2)
Dabei gelten die Zuordnungen (4.3) bis (4.5).
a = 1 + 2k (4.3)
b = 2k + k2 (4.4)
c = k2 −k
2∙ ρ
grün
ρ ∙ ρrein
(4.5)
Die Substitution (4.6) in Gleichung (4.2) ergibt die reduzierte kubische Gleichung (4.7).
εz = y −a
3 (4.6)
Ergebnisse und Diskussion
42 BAM-Dissertationsreihe
y3 + (3b − a2
3) y + (
2a3
27−
3ab
3+ c) = 0 (4.7)
Die Diskriminate von Gleichung (4.7) ist positiv für den Wertebereich relevanter Dichtewerte. Das
bedeutet, es existieren eine reale und zwei komplexe Lösungen. Die reale Lösung wird mit der
Cardanischen Formel analytisch gefunden [MER2004]. Durch Rücksubstitution erhält man die relative
Längenänderung εz. Führt man diese Berechnung für zwei Werkstoffe durch, kann die
Schwindungsfehlpassung Δε mit Gleichung (4.8) berechnet werden. Dabei sind die eingesetzten
Längenänderungen bei Sinterexperimenten negativ.
∆ε =(εz,1 − εz,2)∙100% (4.8)
Bei der Auswertung der so berechneten Schwindungsfehlpassungen sollte beachtet werden, dass es sich
hierbei um einen Vergleich der freien Schwindungen der Partnerwerkstoffe handelt. In einem realen
Kombinationslaminat beeinflussen sich die Werkstoffe wechselseitig durch ihr unterschiedliches
Schwindungsverhalten. Eine derartige Wechselwirkung ist in diesem Ansatz nicht berücksichtigt.
Dennoch hat diese Methode einen deutlichen Vorteil gegenüber experimentellen Verfahren. Besonders
bei hohen Heizgeschwindigkeiten ist der Übergang von Heizen zu Halten durch die Temperaturregelung
der Öfen nicht scharf und schwer reproduzierbar. Folglich ist die vergleichende Auswertung von
experimentellen Schwindungsdaten erschwert durch die Abweichungen des tatsächlichen Heizregimes
einzelner Experimente. Die berechneten Daten lassen sich hingegen exakt gegenüberstellen.
Die vorgestellte Methode wurde anhand eines Kombinationslaminats aus BAM474 (LTCC) und
NiCuZn (Ferrit) verifiziert. Mastersinterkurven beider Werkstoffe wurden aus Schwindungskurven von
Folienlaminaten erstellt. Für eine vollständige Verdichtung war eine Haltezeit bei 900 °C notwendig.
Abbildung 4-2 zeigt die Bestimmung der Aktivierungsenergien und den Verlauf der MSCs für beide
Werkstoffe. Für den Ferrit wurde eine Aktivierungsenergie von 680 kJ/mol bestimmt. Die
Aktivierungsenergie für BAM474 beträgt 540 kJ/mol. Diese im Vergleich zu BAM397 hohen
Aktivierungsenergien erscheinen in Verbindung mit der höheren Sintertemperatur konsistent. Die MSCs
weisen nur geringe Abweichungen zu den Messwerten auf.
Abbildung 4-2 links: Bestimmung der Aktivierungsenergie für LTCC (BAM474) und Ferrit (NiCuZn)
rechts: MSCs für LTCC und Ferrit
Ergebnisse und Diskussion
43
In Abbildung 4-3 ist links der Vergleich von berechneter und gemessener Verdichtung beider
Werkstoffe bei 1 K/min dargestellt. Die Sinterkurve der LTCC wird sehr gut von der MSC-Berechnung
wiedergegeben. Der Verlauf der berechneten Sinterkurve des Ferrits weicht im Temperaturbereich
zwischen 865 °C und 895 °C etwas von den Messwerten ab, konvergiert jedoch wieder vor Beginn der
Haltezeit. Dieser Effekt ist bei höheren Heizgeschwindigkeiten deutlich geringer. Insgesamt kann die
Verdichtung beider Werkstoffe gut mit den erzeugten MSCs simuliert werden.
Im rechten Teil von Abbildung 4-3 sind relative Längenänderungen über der Zeit gezeigt, die mit dem
vorgestellten Verfahren aus den MSCs berechnet wurden. Dabei wurde für beide Werkstoffe jeweils
derselbe Temperatur-Zeit-Datensatz verwendet. Bereits in dieser Darstellung wird der Einfluss der
Heizgeschwindigkeit auf die Schwindungsfehlpassung deutlich. Mit zunehmender Heizgeschwindigkeit
nähern sich die Kurven an, das heißt, die Schwindungsfehlpassung nimmt ab.
Abbildung 4-3 links: Vergleich berechneter und gemessener Sinterkurven für LTCC (BAM474) und
Ferrit (NiCuZn) bei 1 K/min,
rechts: aus MSC berechnete lineare Schwindungskurven von LTCC und Ferrit bei verschiedenen
Heizgeschwindigkeiten, die Ellipsen markieren den Übergang zur Haltezeit
Der Verlauf der mittels Gleichung (4.8) errechneten Schwindungsfehlpassung Δε ist im linken Teil von
Abbildung 4-4 als Funktion der der Temperatur und der Haltezeit für verschiedene Heizgeschwin-
digkeiten aufgetragen. Im Laufe der Sinterung wechselt Δε zweimal das Vorzeichen. Gemäß der
Definition in Gleichung (4.8) bedeutet ein positives Vorzeichen, dass die Schwindung der LTCC
geringer ist als die des Ferrits. Im Kombinationslaminat führt dies zu Druckspannungen in den LTCC-
Lagen und Zugspannungen im Ferrit. Die LTCC wirkt als geometrische Schwindungsbeschränkung für
den Ferrit. Bei Temperaturen über 800 °C wird Δε negativ und durchläuft ein Minimum. In dieser Phase
der Sinterung nehmen Zugspannungen in den LTCC-Lagen zu und der Ferrit wirkt als geometrische
Schwindungsbeschränkung und gerät unter Kompression. Im weiteren Verlauf kehrt sich das
Vorzeichen erneut um. Zugspannungen im Ferrit sind anzunehmen. Zum Ende der Sinterung konvergiert
Δε gegen null. Bei höheren Heizgeschwindigkeiten verschiebt sich das Minimum von Δε (Zug-
spannungsmaximum in LTCC) zu höheren Temperaturen, der Betrag verringert sich. Das Maximum von
Δε wird ab 5 K/min in die Haltezeit verschoben und ist nicht mehr von einer weiteren Erhöhung der
Heizgeschwindigkeit beeinflusst. Insgesamt lässt sich die Schwindungsfehlpassung durch eine Erhöhung
der Heizgeschwindigkeit verringern. Durch die Verschiebung des Zugspannungsmaximums in den
LTCC-Lagen zu höheren Temperaturen können die Spannungen besser relaxieren, da die Viskosität der
Glasphase der LTCC mit zunehmender Temperatur sinkt. Folglich wird die Wirkung des Ferrits als
geometrische Schwindungsbeschränkung in diesem Stadium reduziert. Dadurch ist eine bessere
Ergebnisse und Diskussion
44 BAM-Dissertationsreihe
Verdichtung des Kombinationslaminats mit erhöhter lateraler Schwindung bei höheren Heizgeschwin-
digkeiten zu erwarten. Im rechten Teil von Abbildung 4-4 sind laterale Schwindungen von kombinierten
Mehrlagensubstraten bei verschiedenen Heizgeschwindigkeiten aufgetragen. Die beschriebene
Reduktion der Schwindungsbeschränkung wird durch die zunehmende laterale Schwindung mit zu-
nehmender Heizgeschwindigkeit bestätigt. Der Vergleich der berechneten Längenänderungen
(Abbildung 4-3) mit den gemessenen (Abbildung 4-4) zeigt, dass die tatsächlichen Schwindungen
geringer sind als berechnet. Die Ursache sind die rechnerisch nicht berücksichtigten Wechselwirkungen
der kombinierten Werkstoffe. Die Berechnungen zeigen, dass eine Schwindungsfehlpassung vorliegt,
die eine geometrische Schwindungsbeschränkung darstellt. Dadurch ist die laterale Schwindung des
realen Mehrlagensubstrats verringert.
Abbildung 4-4 links: Berechnete lineare Schwindungsfehlpassung von LTCC (BAM474) und Ferrit
(NiCuZn) bei verschiedenen Heizgeschwindigkeiten,
rechts: gemessene laterale Schwindung der kombinierten Mehrlagensubstrate in Abhängigkeit von der
Heizgeschwindigkeit
Abbildung 4-5: Mikrostrukturen der kombinierten Mehrlagensubstrate bei verschiedenen Heiz-
geschwindigkeiten, REM LEO Gemini 1530 VP
Ergebnisse und Diskussion
45
Die erhöhte Schwindung bei höheren Heizgeschwindigkeiten ist mit einer Verringerung der Porosität im
Gefüge verbunden. Die Mikrostrukturen in Abbildung 4-5 zeigen, dass die Porosität in der LTCC-Lage
bei 10 K/min gegenüber 1 K/min sichtbar reduziert ist. Im Ferrit ist eine Veränderung der Mikrostruktur
nicht erkennbar.
Die anhand der Berechnungen zu erwartenden Effekte werden im Experiment bestätigt. Auf der
Grundlage berechneter Längenänderungen lassen sich qualitative Aussagen über die Schwindungs-
behinderung und Spannungszustände bei der Co-Sinterung von Werkstoffverbunden treffen. Schwin-
dungsberechnungen basierend auf MSC-Simulationen stellen somit eine nützliche Erweiterung des
Anwendungsgebiets des MSC-Modells dar.
4.1.3 Druckunterstützte Sinterung
In diesem Abschnitt werden die Ergebnisse der thermomechanischen Analyse (TMA) von DP951
vorgestellt und die Entwicklung einer PMSS aus diesen Daten nachvollzogen. Dazu werden zunächst die
Rohdaten analysiert und der Einfluss des Messverfahrens diskutiert. Die Bestimmung und Auswahl der
Aktivierungsenergie bei druckunterstützter Sinterung wird ausführlich erörtert. Abschließend wird an
zwei Beispielen die Anwendbarkeit, bzw. Übertragbarkeit des modellierten Sinterverhaltens auf andere
Geometrien und andere Heizregime überprüft.
Eine Auswahl korrigierter Rohdaten der TMA (vgl. Abschnitt 3.5) für drei Laststufen mit jeweils drei
Heizgeschwindigkeiten ist in Abbildung 4-6 dargestellt. Die Abbildung zeigt eine breite Kurvenschar,
an der die prinzipiellen Einflüsse von Heizgeschwindigkeit und Pressdruck zu beobachten sind. Mit
zunehmender Heizgeschwindigkeit wird die Schwindung im zweiten Sinterstadium zu höheren
Temperaturen verschoben. Bei gleichen Temperaturen sind die Längenänderungen bei langsamem
Heizen entsprechend größer als bei schnellem Heizen. Zu Beginn und zum Ende der Sinterung liegen
die Kurven einer Laststufe eng beieinander. Bei gleichen Heizgeschwindigkeiten verschiebt ein höherer
Pressdruck die Schwindung zu niedrigeren Temperaturen. Vergleicht man Längenänderungen bei
gleichen Temperaturen, sind die Werte bei höherem Pressdruck erwartungsgemäß ebenfalls erhöht.
Abbildung 4-6: Relative Längenänderung von DP951 bei druckunterstützter Sinterung mit geome-
trischer Schwindungsbeschränkung für verschiedene Drücke und Heizgeschwindigkeiten, TMA 801
Ergebnisse und Diskussion
46 BAM-Dissertationsreihe
Folgerichtig führt ein höherer Pressdruck zu höherer maximaler Schwindung, wie in Abbildung 4-7 im
Detail erkennbar ist. Bei quasi-druckloser Sinterung mit 2 kPa wird unabhängig von der Heizgeschwin-
digkeit eine lineare Schwindung von weniger als 32 % erreicht. Ein Pressdruck von 10 kPa führt zu
einer erhöhten Schwindung von 33,5 %. Bei höherem Druck, ab 25 kPa, beginnen die maximalen
Schwindungswerte um mehr als 1 % zu streuen. Für eine Heizgeschwindigkeit von 10 K/min ist keine
Erhöhung der Schwindungsgeschwindigkeit erkennbar, während bei 8 K/min die maximale Schwindung
um mehr als 1,5 % erhöht ist. Zwei Tatsachen sprechen dagegen, dass es sich hierbei um einen
Heizgeschwindigkeitseffekt handelt. Erstens liegt die maximale Schwindung für die langsamste
Heizgeschwindigkeit zwischen den beiden schnelleren Heizgeschwindigkeiten, und zweitens ist die
Reihung der Schwindungswerte bezogen auf die Heizgeschwindigkeiten bei 50 kPa genau umgekehrt.
Vielmehr ist die Streuung der maximalen Schwindungen eine Folge des Pressdrucks. Die Schwindungs-
messungen wurden im dynamischen Heizregime bis 900 °C durchgeführt. Bei diesen Temperaturen
erweicht die bleihaltige Glasphase von DP951 stark. Bei Pressdrücken über 25 kPa verformen sich die
Prüfkörper unter der Last. Dadurch ist die Streuung der Schwindungswerte erhöht. Generell sind
Messungen an DP951 mit höherem Druck bei Temperaturen über 850 °C schlechter reproduzierbar, als
bei geringerem Druck bis 25 kPa. Dieser Effekt ist bei der durchgeführten Messreihe aus zwei Gründen
besonders ausgeprägt: Wie bereits betont, zeichnet sich DP951 durch eine sehr niedrige Viskosität der
Glasphase bei hohen Temperaturen aus. Zusätzlich ist das Aspektverhältnis der Prüfkörper gegenüber
technologisch relevanten Bauteilgeometrien stark überhöht. Die Prüfkörper haben ein Höhe-zu-Breite-
Verhältnis von 1:5. Damit sind sie, bezogen auf ihre Fläche, deutlich höher als LTCC-Bauteile, die z. B.
im 4″-Nutzen gefertigt werden (Aspektverhältnis ≈ 1:100). Dieses ungünstige Aspektverhältnis erhöht
die Deformationsneigung zusätzlich.
Abbildung 4-7: Maximale Dickenschwindung der D951 TMA-Proben bei den verschiedenen Heizge-
schwindigkeiten in Abhängigkeit vom Druck
Die Deformation eines Prüfkörpers im Dilatometer ist an Änderungen im Verlauf der relativen Längen-
änderungsgeschwindigkeit (zeitliche Ableitung der relativen Längenänderung) gut identifizierbar. Das
Stauchen des Prüfkörpers durch die im Dilatometer aufgebrachte Last in der letzten Sinterphase zeigt
sich als Abflachen des Kurvenverlaufs, im ausgeprägten Fall sogar als lokales Extremum (vgl.
Abbildung 3-3).
Ergebnisse und Diskussion
47
Abbildung 4-8 zeigt die Verläufe der relativen Längenänderungsgeschwindigkeit von DP951 bei
verschiedenen Pressdrücken und einer Heizgeschwindigkeit von 5 K/min. Ab 830 °C flachen die
Kurvenverläufe leicht ab. Dies indiziert einen geringen Anstieg der Längenänderungsgeschwindigkeit
bei dieser Temperatur, der durch eine Kriechverformung des Prüfkörpers (seitliches Wegfließen)
verursacht wird. In der dargestellten Messreihe setzt die Kriechverformung bei 10 kPa Pressdruck bei
niedrigeren Temperaturen ein, als beispielsweise bei 50 kPa. Eine klare Abhängigkeit der
Kriechtemperatur vom Druck lässt sich von diesen Daten nicht ableiten. Es ist anzunehmen, dass die
Kriechtemperatur mit zunehmendem Druck sinkt. Bei den geringen Kriechverformungen im
beobachteten Experiment ist dieser Effekt jedoch von der begrenzten Messgenauigkeit und der bereits
diskutierten Abweichungen der einzelnen Experimente überlagert. Kristallisation kann als Ursache für
die Änderung der Längenänderungsgeschwindigkeit ausgeschlossen werden. Mittels Differenz-
Thermoanalyse wurde der Beginn der Kristallisation von DP951 mit konstanter Heizgeschwindigkeit
von 5 K/min bei 886 °C nachgewiesen. Bei 10 K/min beginnt die Kristallisation erst bei 907 °C.
Abbildung 4-8: Relative Längenänderungsgeschwindigkeit von DP951 bei druckunterstützter Sinterung
mit geometrischer Schwindungsbeschränkung mit 5 K/min unter verschiedenen axialen Drücken
Der Einfluss des Pressdrucks auf die Temperatur und den Betrag der maximalen Schwindungs-
geschwindigkeit ist teilweise in Abbildung 4-8 erkennbar, eine detailliertere Auswertung ist in
Abbildung 4-9 dargestellt. Die maximale Schwindungsgeschwindigkeit nimmt mit zunehmendem Druck
leicht zu. Eine Erhöhung der Heizgeschwindigkeit von 5 K/min auf 10 K/min führt zu einer signi-
fikanten Erhöhung der maximalen Schwindungsgeschwindigkeit von weniger als 0,03 %/s auf mehr als
0,05 %/s. Dabei erhöht sich die Temperatur, bei der die maximale Schwindungsgeschwindigkeit auftritt,
mit steigender Heizgeschwindigkeit um bis zu 20 K. Bei Drücken bis 100 kPa ist keine eindeutige
Druckabhängigkeit dieser Temperatur erkennbar. Bei höherem Druck tritt die maximale Schwindungs-
geschwindigkeit bei deutlich niedrigeren Temperaturen auf.
Ergebnisse und Diskussion
48 BAM-Dissertationsreihe
Abbildung 4-9 links: Maximale Schwindungsgeschwindigkeit von DP951 bei druckunterstützter
Sinterung mit geometrischer Schwindungsbeschränkung bei verschiedenen Heizgeschwindigkeiten und
axialen Drücken,
rechts: Temperaturen, bei denen die maximalen Schwindungsgeschwindigkeiten auftreten
Dieses Ergebnis ist relevant für die Implementierung einer schwindungsgeschwindigkeitsgeregelten
Sinterung im Drucksinterprozess. Im hier betrachteten Temperaturbereich unterhalb 800 °C ist eine
Regelung über den Pressdruck offensichtlich nicht sinnvoll, da die Heizgeschwindigkeit einen
signifikant größeren Einfluss auf die Schwindungsgeschwindigkeit hat. Höhere Drücke im
Megapascalbereich werden wahrscheinlich einen größeren Einfluss auf die Schwindungsgeschwin-
digkeit haben, verstärken jedoch auch die Kriechverformung der sinternden Teile. In Abbildung 4-10
sind Stauchtemperaturen (vgl. Abschnitt 3.5) für DP951 und BAM186 als Maß für den Druckeinfluss
auf die Kriechverformung aufgetragen. Das bleihaltige DP951 kriecht generell bei niedrigeren
Temperaturen als beispielsweise bleifreies BAM186. An beiden Werkstoffen ist eine Erniedrigung der
Stauchtemperatur mit steigendem Pressdruck beobachtbar. Bei einer Heizgeschwindigkeit von 5 K/min
senkt eine Druckerhöhung von 100 kPa auf 300 kPa die Stauchtemperatur von BAM186 von 930 °C auf
900 °C. Der gleiche Fall führt bei DP951 zu einer Erniedrigung der Stauchtemperatur von 900 °C auf
837 °C. Bei konstantem Druck führen schnellere Heizgeschwindigkeiten zu höheren Stauchtempe-
raturen.
Für Drücke bis einschließlich 50 kPa tritt kein ausgeprägtes Stauchen der DP951-Prüfkörper auf,
obwohl anhand der Längenänderungsgeschwindigkeit an allen diesen Proben eine geringe Kriech-
verformung beobachtet wurde. Die bedeutet nicht, dass bei Drücken unter 50 kPa nur vernachlässigbare
Kriechverformung auftritt und in jedem Fall gleich gute Sinterergebnisse erzielt werden. In
Abbildung 4-11 sind keramographische Anschliffe der Kanten entsprechender Prüfkörper dargestellt,
die zeigen, dass es in diesem Druckbereich deutliche Unterschiede in der lateralen Schwindung gibt.
Wie in Abschnitt 2.1.3 beschrieben, führt eine quasi-drucklose Sinterung mit geometrischer
Schwindungsbeschränkung (2 kPa) zu einer konkaven Wölbung der Kanten. Durch eine Beaufschlagung
mit niedrigem Pressdruck (10 kPa) während der Sinterung wird dieser Effekt reduziert. Bei höheren
Drücken (ab 50 kPa) ist eine konvexe Wölbung der Kanten durch Kriechverformung und Fließen des
Sinterteils zu beobachten. Für die untersuchte Prüfkörpergeometrie ist bei 5 K/min ein konstanter
Pressdruck von 25 kPa optimal, um die laterale Schwindung vollständig zu unterdrücken und
gleichzeitig laterale Expansion zu verhindern.
Ergebnisse und Diskussion
49
Abbildung 4-10: Stauchtemperaturen von DP951 und BAM186 bei verschiedenen Heizgeschwindig-
keiten und Drücken
Abbildung 4-11: Kantenverformung der TMA-Proben nach druckunterstützter Sinterung mit
geometrischer Schwindungsbeschränkung bei verschiedenen Drücken mit 5 K/min, DP951,
lichtmikroskopische Aufnahmen
Ergebnisse und Diskussion
50 BAM-Dissertationsreihe
Die Kriechverformungen ab 830 °C sind ungünstig für die Ermittlung der Aktivierungsenergie für die
Erzeugung der MSCs. Da diese Verformungen zu Abweichungen der maximalen Schwindung führen,
vergrößern sie die Summe der quadratischen Fehler der Messungen einer Probengruppe bei der
Bestimmung der Aktivierungsenergie. Im ungünstigen Fall wird dadurch das Minimum der Fehler-
summe über der Energie verschoben, so dass eine falsche Aktivierungsenergie bestimmt wird. Um
diesen Effekt zu verhindern, wurden zur Bestimmung der Aktivierungsenergien für DP951 nur Daten bis
zu einer relativen Dichte von 0,9 berücksichtigt. Der Verlauf der relativen Längenänderungs-
geschwindigkeit über der relativen Dichte in Abbildung 4-12 zeigt, dass bis zu einer relativen Dichte
von 0,9 noch keine Kriechverformung der Prüfkörper auftritt. Die Auftragung zeigt außerdem, dass bei
gleicher Heizgeschwindigkeit ein dichteabhängiger Einfluss des Pressdrucks auf die Längenänderungs-
geschwindigkeit nachweisbar ist. Bei relativen Dichten über 0,7 ist die Sintergeschwindigkeit bei
gleichen Dichten bei höherem Druck leicht erhöht.
Abbildung 4-12: Relative Längenänderungsgeschwindigkeit von DP951 in Abhängigkeit von der
relativen Dichte bei druckunterstützter Sinterung mit geometrischer Schwindungsbeschränkung
Ausgehend von den korrigierten Rohdaten der TMA wurden die Verdichtungskurven für die
verschiedenen Heizregime und Lastniveaus berechnet. Abbildung 4-13 zeigt beispielhaft die relativen
Längenänderungen und die umgerechneten Verdichtungskurven bei druckunterstützter Sinterung mit
2 kPa und verschiedenen Heizgeschwindigkeiten. Bis zu einer relativen Dichte von 0,9 ist die Verdich-
tungskurve bei höheren Heizgeschwindigkeiten zu höheren Temperaturen verschoben. Die Kurven-
verläufe für 5 K/min und 8 K/min verlaufen entsprechend diesem Trend bis zum Ende des Sinter-
experiments bei 950 °C, wobei mit 5 K/min 91,6 % relative Dichte erreicht werden und mit 8 K/min nur
90,8 %. Die 10 K/min Kurve weicht oberhalb der 0,9-Grenze vom erwarteten Verlauf ab und schneidet
die 8 K/min Kurve.
Ergebnisse und Diskussion
51
Abbildung 4-13 links: Schwindungskurven von DP951 bei druckunterstützter Sinterung mit geo-
metrischer Schwindungsbeschränkung bei 2 kPa und verschiedenen Heizgeschwindigkeiten, TMA 801,
rechts: aus den Schwindungsdaten berechnete relative Dichte als Funktion der Temperatur
Mit den Werten bis 0,9 relative Dichte wurde eine Aktivierungsenergie von 400 kJ/mol für die quasi-
drucklose Sinterung von DP951 mit 2 kPa bestimmt (Abbildung 4-14 links). Mit dieser Energie wurde
die MSC für den gesamten Dichtebereich angepasst. Im rechten Teil von Abbildung 4-14 ist der Verlauf
der MSC im Vergleich zu den Messwerten dargestellt. Die mit Gleichung (3.9) modellierte Kurve gibt
den Messwerteverlauf sehr gut wieder, bis zu einer relativen Dichte von 0,85 sind Modell und
Experiment deckungsgleich.
Abbildung 4-14 links: Bestimmung der Aktivierungsenergie für die quasi-drucklose Sinterung (2 kPa)
von DP951 mit geometrischer Schwindungsbeschränkung
rechts: MSC von DP951 für 2 kPa mit geometrischer Schwindungsbeschränkung
Mit demselben Datensatz und der Aktivierungsenergie von 400 kJ/mol wurde der von Blaine, Park und
German vorgestellte Ansatz einer linearisierten MSC nachvollzogen (vgl. Abschnitt 2.2.2). Die
Auftragung in Abbildung 4-15 zeigt, dass die zu Grunde liegenden Gleichungen und Umrechnungen für
DP951 keinen linearen Verlauf ergeben.
Ergebnisse und Diskussion
52 BAM-Dissertationsreihe
Abbildung 4-15: Auftragung einer Schwindungskurve von DP951 als linearisierte MSC mit Bestimmung
von Θref nach [BLA2009], Heizgeschwindigkeit 5 K/min
Ursächlich für die Nichtlinearität ist die Form der Sigmoidfunktion, von der der Blaine-Ansatz ausgeht.
Diese Funktion ist zur Anpassung an die Verdichtungskurven von DP951 nicht geeignet. Dieses
Ergebnis unterstreicht, wie wichtig die Auswahl einer geeigneten Anpassungsfunktion für die Erstellung
einer genauen MSC ist. Damit wird zudem die Verwendung der in Gleichung (3.9) eingeführten
Anpassungsfunktion für LTCC gerechtfertigt.
Mit der MSC in Abbildung 4-14 ist gezeigt, dass die Messmethode und das Auswerteverfahren adäquat
sind. Im nächsten Schritt soll nun die PMSS für DP951 entwickelt werden. Dazu muss zunächst erläutert
werden, welche Aktivierungsenergie für die Modellierung der Messwerte der verschiedenen Laststufen
verwendet wird. Damit die MSCs der einzelnen Laststufen in einem sinnvollen Zusammenhang
zueinander stehen, d.h. denselben Wertebereich für Θ aufweisen, sollte für alle Datensätze dieselbe
Aktivierungsenergie verwendet werden. Betrachtet man Q als echte Aktivierungsenergie für die
Sinterung, ist es folgerichtig, einen konstanten Wert einzusetzen. Bei der druckunterstützten Flüssig-
phasensinterung von LTCC sollte Q jedoch eher als anpassbarer Parameter des Modells verstanden
werden, der für die verschiedenen Probengruppen der einzelnen Laststufen durchaus unterschiedliche
Werte annehmen kann. Dies hat allerdings zur Folge, dass die MSCs der verschiedenen Laststufen
unsystematisch in unterschiedlichen Wertebereichen von Θ liegen und somit nicht zu einer PMSS
zusammengefasst werden können.
Die Annahme einer über den gesamten Lastbereich konstanten Aktivierungsenergie wäre also
erforderlich, um eine PMSS entwickeln zu können. Um zu prüfen inwiefern diese Annahme zulässig ist,
wurde der Einfluss des Pressdrucks auf die Aktivierungsenergie zur initialen Sinterung der Glasphase
untersucht. Dazu wurden die ersten 3,5 % Schwindung ausgewählter TMA-Proben klassisch nach Cutler
ausgewertet [CUT1969]. Die Auftragung ln (ΔL
L0Τ2) gegen
1
Τ, wobei T die absolute Temperatur ist, ergibt
für sinternde Gläser über einen begrenzten Temperaturbereich eine Gerade mit der Steigung (−Q
R).
Diese Methode kann auch für gefüllte Glassysteme angewendet werden. Li und Jean haben mit dieser
Auswertung zeigen können, dass die Aktivierungsenergien für die Sinterung von reinem BSG-Glas,
sowie die freie und schwindungsbeschränkte Sinterung von Al2O3-gefülltem BSG-Glas (LTCC) ähnlich
sind [LIN2002]. Daraus schlussfolgern sie, dass der dominierende Sintermechanismus – viskoses
Fließen des BSG – in allen drei Systemen gleich ist.
Ergebnisse und Diskussion
53
In Abbildung 4-16 ist die entsprechende Auftragung für die Sinterung von DP951 bei drei verschiedenen
Laststufen und zwei Heizgeschwindigkeiten dargestellt. Die Messdaten folgen einem linearen Verlauf
und bestätigen damit die Anwendbarkeit dieser Methode auf das Materialsystem. In Tabelle 4-2 ist die
Auswertung der Steigungen zusammengefasst. Die Aktivierungsenergie für die initiale Sinterung der
DP951 Glasphase ist unabhängig von Pressdruck und Heizgeschwindigkeit und beträgt 358 ± 5 kJ/mol.
Ausgehend von diesem Ergebnis erscheint es angebracht und berechtigt, eine konstante Aktivierungs-
energie für die MSCs der verschiedenen Laststufen zu suchen.
Abbildung 4-16: Bestimmung der Aktivierungsenergie zur Sinterung von DP951 aus TMA-Rohdaten
Tabelle 4-2: Auswertung der angepassten Geraden aus Abbildung 4-16
Heizge-
schwindigkeit
/ K∙min-1
uniaxialer
Druck / kPa
Anstieg der
angepassten
Geraden
QCutler / kJ∙mol-1
QCutler / kJ∙mol-1
Mittelwert
(Standardabweichung)
5 2 -43411 361
358
(5,5)
5 25 -43873 365
5 50 -43044 359
10 2 -42063 350
Eine Bestimmung der Aktivierungsenergien mittels des MSC-Berechnungsalgorithmus ergibt jedoch
wie erwartet unterschiedliche Aktivierungsenergien für die einzelnen Laststufen. Die Vernachlässigung
der Daten bei relativen Dichten über 0,9 führt im Vergleich zum gesamten Datensatz zur Reduzierung
der Fehlersummen der einzelnen Laststufen, jedoch nicht zu einer Annäherung der verschiedenen
Aktivierungsenergien. Eine Aufstellung der Aktivierungsenergien ist in Tabelle 4-3 gezeigt.
Ergebnisse und Diskussion
54 BAM-Dissertationsreihe
Tabelle 4-3: Aktivierungsenergien und quadratische Fehlersummen (S.d.q.F.) aus MSC-Berechnungen
Druck / kPa Q0,9 rel Dichte /
kJ∙mol-1 S.d.q.F. bei Q0,9 rel Dichte
S.d.q.F. bei
Q0,9 rel Dichte = 400 kJ∙mol-1
2 400 0,002 0,002
10 350 0,011 0,015
25 560 7 × 10-4
0,022
50 450 6,6 × 10-4
0,004
100 460 0,003 0,009
300 360 0,004 0,009
500 490 0,018 0,030
Die Werte liegen zwischen 360 kJ/mol und 560 kJ/mol. Die Fehlersummen sind im Vergleich zur
einschlägigen Literatur bei allen Lasten niedrig. Das bedeutet, dass bei einzelner Betrachtung jeder
Laststufe sehr gut angepasste MSCs erstellt werden können. Eine Zusammenfassung dieser MSCs zur
PMSS ist jedoch nicht möglich. Zur Vereinheitlichung des Θ-Wertebereichs wurde Q = 400 kJ/mol
gesetzt. Mit dieser Aktivierungsenergie sind die Fehlersummen bei allen Laststufen noch immer sehr
niedrig (Tabelle 4-3). Zudem entspricht dieser Wert der Energie der 2 kPa Messreihe, bei der Einflüsse
durch Kriechverformung am geringsten sind und liegt nahe bei den 358 kJ/mol aus der Cutler-
Auswertung.
Die deutlichste Erhöhung der Fehlersumme bei der Verwendung von Q = 400 kJ/mol gegenüber der
optimalen Aktivierungsenergie tritt bei der 25 kPa Messreihe auf, wobei die Fehlersumme mit 0,022
noch immer sehr gering ist. Die Güte der MSC mit der gesetzten Aktivierungsenergie ist in
Abbildung 4-17 veranschaulicht. Hier sind gemessene Dichten den berechneten Dichten für die drei
Heizgeschwindigkeiten gegenübergestellt. Als Heizregime wurden die realen Heizdaten der
Experimente den Berechnungen zugrunde gelegt. Die Übereinstimmung von Modell und Experiment
sind in allen drei Fällen sehr gut. Hinsichtlich der Sinterkinetik gibt es keine Abweichungen zwischen
berechnetem und gemessenem Kurvenverlauf. Die berechneten Kurvenverläufe sind bis 90 % relative
Dichte deckungsgleich mit den Messwerten. Die Abweichungen des Modells im letzten Sinterstadium
sind nicht größer als die Abweichungen einzelner Experimente untereinander.
Ergebnisse und Diskussion
55
Abbildung 4-17: Vergleich von berechneter und gemessener Verdichtung bei 25 kPa und drei Heiz-
geschwindigkeiten
Betrachtet man die Differenzen der berechneten relativen Dichten aus den MSCs mit Q = 400 kJ/mol,
bzw. Q = 560 kJ/mol bezogen auf die Temperatur, stellt man fest, dass diese sich hauptsächlich im
zweiten Sinterstadium unterscheiden. Die Abweichungen der berechneten Dichten ist kleiner als 1 %. In
Abbildung 4-18 ist die mit Gleichung (4.9) berechnete Dichtedifferenz ∆ρMSC für drei Heizgeschwindig-
keiten über der Temperatur aufgetragen
∆ρMSC
= (ρMSC 560 kJ/mol
− ρMSC 400 kJ/mol
)∙100 % (4.9)
Die MSC mit 560 kJ/mol ergibt bei 5 K/min niedrigere Dichten als die 400 kJ/mol-MSC. Mit zu-
nehmender Heizgeschwindigkeit sind die 400 kJ/mol-Dichten betragsmäßig größer. In Anbetracht der
Präzision des Modells insgesamt, sowie der Reproduzierbarkeit der Schwindungsmessungen können die
maximalen Differenzen als gering eingeschätzt werden, besonders da sie zur Maximaltemperatur gegen
null konvergieren. In Bezug auf die Güte der MSC ist der durch die Cutler-Auswertung motivierten
Annahme einer konstanten Aktivierungsenergie nicht zu widersprechen. Eine konstante Energie von
400 kJ/mol erweist sich als geeignet, gut angepasste MSCs für alle Laststufen zu erstellen.
Ergebnisse und Diskussion
56 BAM-Dissertationsreihe
Abbildung 4-18: Differenz der mit Q = 400 kJ/mol und Q = 560 kJ/mol simulierten Dichten über der
Temperatur für drei Heizgeschwindigkeiten
Die entsprechenden MSCs für alle betrachteten Laststufen sind in Abbildung 4-19 in einem Diagramm
vergleichend dargestellt. Auf die Darstellung der Kurven für 300 kPa und 500 kPa wurde aus Gründen
der Übersicht verzichtet. In der Darstellung ist der allgemeine Druckeinfluss auf die Sinterung sehr
deutlich erkennbar, da Einflüsse der Heizgeschwindigkeit nicht mit abgebildet werden. Höhere Drücke
verschieben die Verdichtung zu geringeren Werten der Mastervariablen, d.h. kürzeren Zeiten, bzw.
niedrigeren Temperaturen. Die Sinterdichte nimmt mit steigendem Druck erwartungsgemäß zu. Mit
50 kPa uniaxialem Druck kann eine vollständige Verdichtung der Prüfkörper ohne laterale Schwindung
erreicht werden, wobei bei dieser Last bereits eine konvexe Kantenwölbung durch Kriechverformung
auftritt (vgl. Abbildung 4-11).
Abbildung 4-19: MSCs für DP951 bei druckunterstützter Sinterung mit geometrischer Schwindungs-
beschränkung bei verschiedenen Drücken
Ergebnisse und Diskussion
57
Die Parameter der Anpassungsfunktion der einzelnen MSCs (3.9) sind in Tabelle 4-4 zusammengefasst.
Zusätzlich sind die Fehlersummen der MSCs bei Anwendung auf den gesamten Dichtebereich
eingetragen. Aufgrund der Streuung der Sinterdichten in den Experimenten sind die Fehlersummen
durch Abweichungen im letzten Sinterstadium höher als in Tabelle 4-3. Im Vergleich zur Literatur (vgl.
Abbildung 2-18) sind auch diese Werte niedrig. Die Zentrumsvariable log(Θ0) ist im Prinzip konstant
über den betrachteten Lastbereich. Für s und h lassen sich keine Druckabhängigkeiten ableiten.
Tabelle 4-4: Parameter der MSC-Modellfunktionen für druckunterstützte Sinterung von DP951 mit
geometrischer Schwindungsbeschränkung bei verschiedenen Drücken
Druck ρmin ρmax log(Θ0) s h S.d.q.F.
2 kPa 0,62 0,92 -20,62 1,166 -37,6 0,01
10 kPa 0,62 0,95 -20,66 1,189 -36,1 0,03
25 kPa 0,62 0,97 -20,65 1,254 -35,0 0,05
50 kPa 0,62 1,00 -20,59 1,096 -36,1 0,04
100 kPa 0,62 1,00 -20,49 0,837 -41,5 0,01
Mit Hilfe der MSCs können nun für äquidistante Θ-Werte Dichten für alle Laststufen berechnet werden.
Wertetripel aus Druck, relativer Dichte und Mastervariable können gebildet werden. Diese Wertetripel
werden als dreidimensionaler Oberflächenplot gezeichnet um die PMSS darzustellen. In Abbildung 4-20
ist die PMSS für DP951 gezeigt. Ausgehend von der PMSS können Isolinien gleichen Drucks, bzw.
gleicher Mastervariablen betrachtet werden. Diese zweidimensionale Darstellung ist etwas
übersichtlicher und ermöglicht die Erörterung der allgemeinen Zusammenhänge von Druck,
Mastervariable und relativer Dichte. In Abbildung 4-21 sind Isolinien für konstante relative Dichten und
konstante Werte der Mastervariablen über dem Druck aufgetragen. Bei höherem Pressdruck sinkt die
zum Erreichen einer bestimmten Dichte notwendige Sintertemperatur, bzw. -dauer. Das bedeutet
natürlich auch, dass bei gleichem Sinterprofil und höherem Druck höhere relative Dichten erzielt
werden. Diese Aussagen erscheinen zunächst trivial und entsprechen den experimentellen Erfahrungen.
Durch Auswertung der Isolinien sind die Beobachtungen nun zusätzlich systematisch quantifizierbar. Es
ist beispielweise in beiden Darstellungen erkennbar, dass der Druckeinfluss generell ab 100 kPa stark
zunimmt. Die Erniedrigung der erforderlichen Sintertemperatur bzw. -dauer zum Erreichen einer
bestimmten Dichte verstärkt sich mit zunehmender Dichte, besonders deutlich oberhalb 90 % relativer
Dichte. Aufgrund der stetig abnehmenden Sintergeschwindigkeit ab 75 % relativer Dichte (vgl.
Abbildung 4-12) liegen die Θ-Isolinien mit zunehmenden Werten enger beieinander. Eine vollständige
Verdichtung wird mit 300 kPa bereits bei logΘ = -20 erzeilt, während bei 100 kPa bis logΘ = -18
gesintert werden muss. Aus diesem Vergleich wird erneut deutlich, dass bei druckunterstützter Sinterung
die Sintertemperatur mit zunehmendem Pressdruck reduziert werden kann bzw. reduziert werden sollte,
um eine Verquetschung durch Kriechverformung zu verhindern.
Ergebnisse und Diskussion
58 BAM-Dissertationsreihe
Abbildung 4-20: 3 d-Darstellung der PMSS für DP951 mit geometrischer Schwindungsbeschränkung
Abbildung 4-21 links: Isolinien der PMSS für konstante relative Dichten
rechts: Isolinien der PMSS für konstante Werte der Mastervariablen Θ
Bei der Diskussion dichteabhängiger Effekte sollte beachtet werden, dass die Daten im dynamischen
Heizregime mit konstanter Heizgeschwindigkeit aufgenommen wurden. Das bedeutet, dass eine
Zunahme der Dichte, bzw. der Verlauf von Θ, immer mit einer Temperaturerhöhung verknüpft ist.
Damit geht bei DP951 auch eine Erniedrigung der Viskosität der Glasphase einher. Dieser
Zusammenhang gilt prinzipiell für alle LTCC-Systeme, solange keine Kristallisation stattfindet.
Dynamische Messungen sind aus technologischer Sicht besonders interessant, da sie die realen
Fertigungsprozesse besser abbilden als isotherme Messungen. Um den Dichteeinfluss auf die
Sinterkinetik isoliert vom Einfluss der Viskosität beschreiben zu können, ist eine Ergänzung der
vorliegenden Messreihe um isotherme Versuche bei verschiedenen Drücken und Temperaturen
empfehlenswert. Ebenso wäre eine vergleichende Untersuchung einer weniger stark erweichenden
LTCC-Zusammensetzung interessant, um eine Verallgemeinerbarkeit der beobachteten Effekte
einschätzen zu können.
Ergebnisse und Diskussion
59
Die PMSS wurde mit dem Ziel erstellt, die Verdichtung von LTCC-Teilen bei druckunterstützter
Sinterung für verschiedene Prozessparameter vorausberechnen zu können. Die Darstellung in
Abbildung 4-20 und die Verläufe der Isolinien zeigen, dass die PMSS eine komplexe Form hat, die nicht
ohne erheblichen Aufwand modellierbar ist. Für die technologische Nutzung ist es zunächst erforderlich,
die Berechnungen auf Prozesse mit konstantem Pressdruck, d.h. die einzelnen MSCs, zu beschränken. In
Abbildung 4-22 sind beispielhaft die berechnete und die gemessene Verdichtung für zwei Sinter-
experimente mit konstantem Pressdruck gegenübergestellt. Im Beispiel (A) wurde ein Laminat mit den
Maßen 2 × 2 ×1 mm³ mit 100 kPa Pressdruck und 5 K/min konstanter Heizgeschwindigkeit mit
geometrischer Schwindungsbeschränkung gesintert. Zur Simulation der Verdichtung wurde die anhand
eines 5 × 5 ×1 mm³-Prüfkörpers entwickelte MSC aus Tabelle 4-4 verwendet. An diesem Beispiel soll
die Übertragbarkeit der MSC auf Sinterteile mit verändertem Aspektverhältnis demonstriert werden. Im
Experiment wurde eine Stauchtemperatur von 813 °C ermittelt, bei der die Auftragung der Messwerte
endet. Durch das hohe Höhe-zu-Breite-Verhältnis von 1:2 ist die Stauchtemperatur niedriger als in
Abbildung 4-10. Bei dieser Temperatur wird eine relative Dichte 92 % erreicht. Die berechnete
Verdichtung auf der Grundlage der realen Heizdaten ist bis zu 80 % relative Dichte deckungsgleich mit
den gemessenen Daten. Mit steigender Temperatur wird die Verdichtung mit dem Modell leicht
überschätzt. Die Abweichungen der berechneten relativen Dichte bei 813°C beträgt + 1,3 % und liegt
damit im Bereich der experimentellen Streuung (vgl. Abbildung 4-7). Die Übereinstimmung von Modell
und Experiment ist insgesamt gut und belegt die Übertragbarkeit der MSC auf Sinterteile mit
geändertem Aspektverhältnis.
In Beispiel (B) in Abbildung 4-22 wurde ein Heizregime mit isothermer Haltezeit bei 865 °C und
konstantem Pressdruck von 2 kPa mit der MSC aus Tabelle 4-4 mit realen Heizdaten simuliert und der
gemessenen Verdichtung gegenübergestellt. Die Prüfkörpergeometrie wurde nicht verändert. Bis zum
Beginn der Haltezeit kann das Experiment als Wiederholungsmessung verstanden werden. Die
Parameter unterscheiden sich nicht von der 5 K/min-Messung, die der MSC zugrunde liegt.
Erwartungsgemäß entspricht die Berechnung der Messung sehr genau. Im Laufe der Haltezeit wird eine
stärkere Verdichtung errechnet als experimentell auftritt. Nach 30 min wird die relative Dichte 1,2% zu
hoch berechnet. Auch dieser Fehler ist im Vergleich zur experimentellen Streuung akzeptabel. Durch
diesen Versuch wird jedoch eine grundlegende Schwäche des Modells deutlich. Die MSC berücksichtigt
den temperaturabhängigen Einfluss der Viskosität nicht. Wie bereits diskutiert, sinkt die Viskosität der
Glasphase bei konstanter Heizgeschwindigkeit und ohne Kristallisation kontinuierlich. Solange die
Temperatur stetig steigt, sinkt die Viskosität auch als Funktion der Zeit stetig. Dadurch ist jede Messung
mit konstanter Heizgeschwindigkeit von einer stetigen Viskositätsabnahme überlagert. Dieser
systematische Einfluss geht bei der Anpassung der Modellfunktion mit ein. In isothermen Phasen des
Heizregimes bleibt die Viskosität über die Zeit weitestgehend konstant. Dadurch ist die reale
Verdichtung geringer als die berechnete. Andererseits ist anzuführen, dass der hier modellierte
Werkstoff DP951 überdurchschnittlich stark erweicht und der dadurch entstehende Fehler des Modells
nach 30 min isothermer Schwindung mit 1,2 % trotzdem gering ist. Es ist anzunehmen, dass für LTCC
mit besserer Drucksintereignung, d.h. geringerer Viskositätsabnahme mit der Temperatur, nur
unwesentliche Abweichungen der Verdichtung während der Haltezeit auftreten.
Ergebnisse und Diskussion
60 BAM-Dissertationsreihe
Abbildung 4-22: Vergleich zwischen modellierter und experimenteller Schwindung,
(A) druckunterstützte Sinterung mit 100 kPa, geändertes Aspektverhältnis des Prüfkörpers,
(B) druckunterstützte Sinterung mit 2 kPa und Haltezeit bei 865 °C
Zusammenfassend kann anhand der beiden Beispiele festgestellt werden, dass trotz der Einfachheit des
Modells eine Berechnung der Verdichtung mit guter Übereinstimmung mit experimentellen Daten
möglich ist. Die Sinterkinetik des ersten und zweiten Sinterstadiums ist sehr genau modellierbar. In
Bezug zu den experimentell beobachteten Unterschieden der Schwindungskurven durch Kriech-
verformung sind die Abweichungen des Modells von den Messdaten im dritten Sinterstadium
akzeptabel. Die starke Kriechneigung des Modellwerkstoffs lässt hier keine genauere Modellierung zu.
Der MSC-Ansatz hat großes Potenzial, als nützliches Planungs- und Optimierungshilfsmittel in der
LTCC-Technologie verwendet zu werden. Verglichen mit anderen Modellierungsansätzen ist der
experimentelle Aufwand zur Ermittlung der Eingangsdaten als gering zu bewerten. In dieser Arbeit
wurde gezeigt, dass zur Beschreibung verschiedener Laststufen die Bestimmung einer Aktivierungs-
energie ausreichend ist. Damit reduziert sich die Anzahl der notwendigen Messungen erheblich. Geht
man davon aus, dass die Aktivierungsenergie, die bei drei Heizgeschwindigkeiten und geringstem Druck
ermittelt wurde, zu gut angepassten MSC für alle Laststufen führt, könnte ein Werkstoffmodell für fünf
Lastniveaus mit nur sieben Messungen erzeugt werden: drei Messungen zur Bestimmung von Q und vier
weitere Messungen bei verschieden Lasten. Dazu wäre die Erarbeitung und Validierung einer Methode
zur schnellen und zuverlässigen Bestimmung der geeigneten Aktivierungsenergie lohnend.
Allgemein geben die Ergebnisse dieses Themenkomplexes Anlass zu weiterführenden Arbeiten auf dem
Gebiet der MSC-Modellierung von Drucksinterprozessen. Wie bereits angedeutet, ist eine Untersuchung
und Modellierung des isothermen Sinterverhaltens angezeigt, um einerseits die Viskositätseffekte von
den Dichteeffekten zu trennen, und andererseits um isotherme Prozessschritte genauer berechnen zu
können. Weiterhin ist die Implementierung mehrphasiger MSCs sehr sinnvoll. Dadurch sollten eine
Kombination von Prozessschritten mit unterschiedlichem Pressdruck, sowie eine genauere Beschreibung
der letzten Sinterphase möglich sein. Mit der Aussicht auf die Verfügbarkeit der notwendigen
Anlagentechnologie, d.h. Sinterpressen mit in-situ Schwindungsmessung, ist eine Überführung der hier
angewendeten und vorgeschlagenen Methoden auf Prüfkörper mit realteilnahen Abmessungen und
Proportionen geplant.
Ergebnisse und Diskussion
61
4.2 Brennhilfsmittelentwicklung
In Kapitel 2.1 werden Verfahren zur Sinterung von LTCC ohne laterale Schwindung (zero shrinkage-
Verfahren) beschrieben. Dabei verbleibt bei der Verwendung von nicht sinternden Opferfolien ein fest
haftender Rückstand auf der LTCC-Oberfläche zurück, der die Oberflächeneigenschaften des Sinterteils
bestimmt und in der Regel in einem nachgeschalteten Prozessschritt entfernt werden muss. Die
Entwicklung von Verfahren, die eine nacharbeitsfreie Erzeugung von gewünschten Oberflächen-
strukturen und –eigenschaften im Drucksinterprozess ermöglichen, erfordert die Bereitstellung
geeigneter Brennhilfsmittel. Zur Einstellung der Oberflächenrauheit der Sinterteile wurden Al2O3-
Opferfolien mit verschiedenen Partikelgrößen entwickelt. Im folgenden Abschnitt 4.2.1 werden die
Ergebnisse vorgestellt.
Um rückstandsfreie Oberfläche beim Drucksintern zu erzeugen, muss die Opferfolie ersetzt werden. Ein
originärer Ansatz dieser Arbeit zur druckunterstützten Sinterung ohne Opferfolie ist der Einsatz von
Glaskohlenstoff als Brennhilfsmittel. Besonders kritisch bei diesem Verfahren ist die Oxidation des
Glaskohlenstoffs an Luft bei Temperaturen über 400 °C. Die Möglichkeiten, durch Prozessanpassungen
die Entbinderungstemperatur der Grünfolien unter 400 °C zu senken, und damit die erforderliche
Anwesenheit von Sauerstoff auf diesen Temperaturbereich zu begrenzen, wurden umfassend untersucht
und werden in Abschnitt 4.2.2 ausführlich erläutert. Die Ergebnisse der notwendigen Anpassungen des
Drucksinterprozesses für eine Verwendung von Glaskohlenstoff werden in Abschnitt 4.2.3 erläutert.
4.2.1 Opferfolien mit unterschiedlichen Partikelgrößenverteilungen
Um bei der Untersuchung des Einflusses der Partikelgröße der Opferfolie auf die Oberflächen-
eigenschaften gesinterter LTCC-Substrate Effekte durch stoffliche Unterschiede möglichst ausschließen
zu können, empfiehlt sich die Herstellung der verschiedenen Pulverfraktionen aus einem Rohstoff. Dazu
ist das Mahlen im Attritor ein gängiges Verfahren zur Zerkleinerung der keramischen Pulver. Die
Mahlkurve vom Al2O3-Rohstoff MR23 in Abbildung 4-23 zeigt, dass ab 6 h Mahldauer die
charakteristischen Kennwerte der Partikelgrößenverteilung (PGV) d90 und d97 durch weiteres Mahlen
nicht verringert werden. Die mittlere Partikelgröße d50 und auch der Wert für d10 sinken bei
fortgeführtem Mahlen langsam weiter. Dies führt zu einer Verbreiterung der (PGV) bei unverändertem
Grobanteil des Pulvers. Für feinere Pulver mit d97 < 1,6 µm muss ein anderer Rohstoff verwendet
werden. Als feinste Fraktion für die Opferfolienentwicklung wurde 2 h gemahlenes A16 verwendet. Die
PGV des Ausgangspulvers weist einen ausgeprägten Grobanteil auf, der sich durch zweistündiges
Mahlen effektiv reduzieren lässt. Das derart vorbehandelte Pulver ist mit d97 = 1,26 µm und d50 = 0,4 µm
feiner und enger verteilt als z.B. MR23 nach achtstündigem Mahlen.
Für die Herstellung von Opferfolien mit sukzessive abnehmenden Partikelgrößen, wurden vier
Pulverfraktionen ausgewählt. Die granulometrischen Kennwerte der Pulver sind in Tabelle 4-5
zusammengestellt. Die Bezeichnung der Pulver setzt sich aus der Rohstoffbezeichnung und der
Mahldauer zusammen. Die mittels Laserbeugung gemessenen PGVen der Pulverfraktionen sind in
Abbildung 4-24 dargestellt. Alle Pulver zeigen eine gleichmäßige, monomodale Häufigkeitsverteilung
der Partikelgrößen. Das Spektrum der betrachteten Partikelgrößen reicht von 100 nm bis 10 µm.
Alle Pulver wurden mit den in Kapitel 3.2 vorgestellten Parametern verschlickert und vergossen.
Aufgrund der Unterschiede in den spezifischen Oberflächen der Pulver ist die Wirkung der organischen
Additive, besonders des Dispergators, unterschiedlich ausgeprägt. Die Gießviskosität skaliert deutlich
mit der Partikelgröße des Pulvers (Abbildung 4-25). Je feiner das Pulver ist, desto größer ist seine
Oberfläche. Bei konstantem Volumenanteil von Dispergator im Schlicker wird die Feststoffoberfläche
des feinen Pulvers nicht so wirksam belegt, wie die kleinere Oberfläche im groben Pulver. Folglich ist
die Gießviskosität erhöht. Die Herstellung nutzbarer Folien ist mit allen ausgewählten Pulverfraktionen
möglich. Unter Anwendung der in Abschnitt 3.2 vorgestellten technologischen Parameter beträgt die
Foliendicke 85 ± 5 µm für alle Partikelgrößen.
Ergebnisse und Diskussion
62 BAM-Dissertationsreihe
Abbildung 4-23: Mahlkurve von MR23 im Attritor, Partikelgrößenbestimmung mittels Laserbeugung,
Malvern Mastersizer 2000
Tabelle 4-5: Charakteristische Partikelgrößen der aufbereiteten Al2O3-Pulver für die Opferfolien-
entwicklung, Laserbeugung, Malvern Mastersizer 2000
Bezeichnung d50 / µm d90 / µm d97 / µm
MR23 0,5 h 2 3,78 4,91
MR23 2 h 1,27 2,1 2,6
MR23 5 h 0,8 1,4 1,7
A16 2 h 0,4 0,83 1,26
Abbildung 4-24: Partikelgrößenverteilungen der Pulver für die Opferfolienentwicklung, Laserbeugung,
Malvern Mastersizer 2000
Ergebnisse und Diskussion
63
Abbildung 4-25: Gießviskositäten der Opferfolienschlicker in Abhängigkeit von der Partikelgröße,
Oszillationsmessung mit koaxialem Zylinder und Schergeschwindigkeit = 25 s-1
, Anton Paar Physica
MCR 3000
Die Entwicklung einer Opferfolie mit erhöhter Packungsdichte durch eine bimodale PGV brachte
ambivalente Ergebnisse. Mittels Laserlichtbeugung lässt sich der bimodale Charakter der Folie nicht
nachweisen. Die Mischung der A16 2h-Fraktion mit der MR23 0,5 h-Fraktion resultiert in einer breiten,
monomodalen PGV. Abbildung 4-26 zeigt die PGV der bimodalen Folie im Vergleich zu den PGVen
der Ausgangspulver vor der Mischung. Der Feinanteil der A16 2 h-Fraktion ist nicht mehr nachweisbar.
Im REM-Bild in Abbildung 4-26 ist erkennbar, dass die feinen und groben Partikel in der Mischung
Agglomerate bilden. Feine Partikel lagern sich auf den Oberflächen der groben Partikel an, so dass keine
Primärkornverteilung mehr ermittelt werden kann. Hinsichtlich der dichten Packung einer aus diesen
Partikeln erzeugten Folie ist diese Konstellation sehr ungünstig. Zur Erhöhung der Packungsdichte sollte
der Feinanteil des Pulvers in den Zwickeln zwischen den groben Partikeln angeordnet sein. Durch die
gleichmäßige Belegung der groben Partikel wirkt der Feinanteil stattdessen eher wie ein Abstandshalter
und verringert dadurch die Packungsdichte. Die beobachtete Wechselwirkung ist nicht nur auf die
dargestellten Pulver beschränkt. Der Austausch von A16 2h gegen andere feine Korundfraktionen,
Ceralox (Sasol North America Inc., USA) oder TM-DAR (Taimai Chemicals Co. Ltd., Japan), liefert
ähnliche Ergebnisse.
Die Verschlickerung von Pulvergemischen mit bimodal verteilten Partikelgrößen ohne Agglomerat-
bildung ist durch gemeinsames Dispergieren der Pulverfraktionen nicht möglich. Ein alternativer Ansatz
wäre, die Pulverfraktionen zunächst einzelnen zu dispergieren und dabei jeweils eine vollständige
Belegung der Partikeloberflächen mit Dispergator zu erreichen, um eine Agglomeratbildung bei der
Mischung der Dispersionen zu verhindern. Dazu wären Untersuchungen angezeigt, welche
Dispergatoren und Dispergatorkonzentrationen hierzu geeignet sind. Darüber hinaus müsste erarbeitet
werden, zu welchem Zeitpunkt im Prozess und in welcher Form das Einbringen der Binder-
Weichmacher-Lösung erfolgen sollte. Aufgrund des Umfangs und experimentellen Aufwands einer
solchen Studie, wurde von einer weiteren Bearbeitung der Problematik im Rahmen dieser Arbeit
abgesehen.
Ergebnisse und Diskussion
64 BAM-Dissertationsreihe
Abbildung 4-26 links: Partikelgrößenverteilung der bimodalen Pulvermischung im Vergleich zu den
eingesetzten Pulvern, Laserbeugung, Malvern Mastersizer 2000,
rechts: repräsentatives Partikelagglomerat aus entbinderter bimodaler Opferfolie, REM Zeiss Supra 40,
InLens-Detektor
4.2.2 Senkung der Entbinderungstemperatur
Das Entbinderungsverhalten einer LTCC-Grünfolie wird maßgeblich von dem verwendeten Binder
bestimmt. Die Temperaturabhängigkeit des Masseverlusts ist eine Folge der stofflichen Eigenschaften
des Binders, darunter Kettenlänge und Bindungsverhältnisse. Tabelle 4-6 zeigt die relativen
Masseverluste der untersuchten LTCC-Folien. Die Volumenanteile der Binder in den Folien und die
Dichten der Binder sind ähnlich. Folglich liegen die Masseverluste im selben Bereich um 25 %.
Tabelle 4-6: Masseverluste von LTCC-Grünfolien mit verschiedenen Bindern nach thermischer
Entbinderung
Bindersystem in der Grünfolie Gesamtmasseverlust / %
Polyvinylbutyral 21,2
Polyacrylat 25,8
Polycarbonat 25,9
Zur Erhöhung der Gestaltungsfreiheit bei der Konzipierung eines Sinterprozesses hinsichtlich
Atmosphärensteuerung, z.B. bei der Verwendung von sauerstoffempfindlichen Brennhilfsmitteln, oder
der Notwendigkeit einer reduzierenden Atmosphäre bei speziellen Werkstoffen oder Metallisierungen,
wäre eine vollständige Entbinderung der Grünfolien bis 400 °C wünschenswert. Tatsächlich verbleibt
bei den verfügbaren Bindern nach einer thermischen Behandlung unter synthetischer Luft bis 400 °C
und anschließender Sinterung in inerter Atmosphäre (Stickstoff) eine Restmenge Kohlenstoff-
verbindungen in der Grünfolie. Diese führt zur Ausbildung einer Sinterblockade und zur Verfärbung der
Sinterteile. In Abbildung 4-27 sind derart verfärbte Teile und die dazugehörigen Versuchsbedingungen
beispielhaft gezeigt.
Ergebnisse und Diskussion
65
Abbildung 4-27: Entbinderung von LTCC-Grünfolien bis 400 °C,
links: Atmosphärenbedingungen und Temperaturprogramm,
rechts: unvollständig entbinderte LTCC-Substrate mit Verfärbung (schwarzer Kern) und Sinterblockade,
LTCC BAM397
Die thermogravimetrische Analyse (TGA) ermöglicht eine genauere Beschreibung der Vorgänge beim
Ausbrand der organischen Additive. In Abbildung 4-28 ist die thermische Entbinderung von BAM397-
Grünfolien mit verschiedenen Bindern als normierter Masseverlust dargestellt. Die Masseverlustkurven
der Entbinderung der PA-Folie und der PVB-Folie lassen sich in vier Segmente einteilen. Im ersten
Segment, bis zu einem normierten Masseverlust von 40 %, liegen sie direkt aufeinander. Im zweiten
Segment, bis ca. 85 % normiertem Masseverlust, verlaufen die Kurven etwas flacher, d.h. die
Masseverlustgeschwindigkeit ist verringert. Diese Verringerung ist bei der PA-Folie stärker ausgeprägt,
so dass die Masseverlustkurve im Vergleich zur PVB-Folie in diesem Segment um ca. 40 K zu höheren
Temperaturen verschoben ist. Im jeweils dritten Segment unterscheidet sich der Kurvenverlauf von PA-
und PVB-Folie deutlich. Die Masseverlustgeschwindigkeit der PA-Folie nimmt oberhalb 80 %
normiertem Masseverlust wieder leicht zu. Bei der PVB-Folie verringert sich die Masseverlust-
geschwindigkeit noch weiter. Die Kurvenverläufe kreuzen sich. Bei kontinuierlichem Heizen mit
5 K/min ist ein normierter Masseverlust von 97 % für die PA-Folie bei 385 °C erzielbar, die PVB-Folie
muss bis 412 °C erwärmt werden. Im letzten Segment bis 100 % normiertem Masseverlust verlaufen die
Kurven wieder deckungsgleich mit deutlich verringerter Verlustgeschwindigkeit. Der phasenweise
Ablauf der Entbinderung der PA- und PVB-Folie ist eine Folge der Zusammensetzung der Binder. Beide
Binder sind 3:1 Gemische aus jeweils zwei Polyacrylaten, bzw. zwei Polyvinylbutyralen. Die jeweiligen
thermischen Eigenschaften dieser Bestandteile spiegeln sich in den Kurvenverläufen wider. Der
Masseverlust der Grünfolie mit PC-Binder weist einen weniger komplexen Verlauf auf. Mit hoher
Verlustgeschwindigkeit wird die Folie bis 270 °C bereits zu 95 % entbindert. Dann sinkt die
Verlustgeschwindigkeit abrupt und die Masseverlustkurve verläuft mit einem Anstieg entsprechend dem
vierten Segment der Verlustkurven der PA- und PVB-Folie. Obwohl der PA-Binder und besonders der
PC-Binder zu einem großen Teil unter 400 °C umgesetzt werden können, wird eine vollständige
Entbinderung nicht unterhalb 600 °C erreicht. In der Einsatzgrafik in Abbildung 4-28 ist gezeigt, wie die
Verlustkurven unabhängig vom ursprünglichen Binder deckungsgleich mit geringer Verlustgeschwin-
digkeit entlang einer scheinbaren Grenzkurve verlaufen. Es wird deutlich, dass weniger als 2 % der
Gesamtmasse der zu entbindernden Organik als Restmenge in der Folie ausreichen, um Verfärbungen
und Sinterblockaden zu verursachen.
Ergebnisse und Diskussion
66 BAM-Dissertationsreihe
Abbildung 4-28:Thermische Entbinderung von LTCC-Grünfolien (BAM 397) mit verschiedenen Bindern
mit Vergrößerung der letzten 10 % Masseverlust. TGA, Heizgeschwindigkeit 5 K/min.
Für die erschwerte Entbinderung in der letzten Phase ist die Gegenwart von Feststoffoberflächen
maßgeblich. Abbildung 4-29 zeigt, wie das Vorhandensein, bzw. das Fehlen verschiedener Bestandteile
der Grünfolie die thermische Entbinderung beeinflussen. Der reine Binder (PC) und eine PC-Grünfolie
ohne anorganischen Feststoff sind bei 300 °C komplett in volatile Kohlenstoffverbindungen umgesetzt.
Wenn die Grünfolie Feststoff enthält (BAM397), erfolgt der Masseverlust bei niedrigeren
Temperaturen. Die Ursache hierfür ist eine katalytische Wirkung der oxidischen Feststoffoberfläche
(hier SiO2) auf die Zersetzung der Bindermoleküle, wie sie bereits Masia et al. beschrieben haben
[MAS1989]. Es werden jedoch nur 96 % bis 97 % der Organik mit hoher Verlustgeschwindigkeit bis
300 °C als volatile Spezies ausgetrieben. Die verbleibende Masse kann erst mit deutlich geringerer
Verlustgeschwindigkeit bei höheren Temperaturen umgesetzt werden. Durch eine Verringerung der
Heizgeschwindigkeit oder das Einbringen einer Haltezeit wird der asymptotische Verlauf des letzten
Segments der Masseverlustkurve nicht verändert.
Abbildung 4-29: Thermische Entbinderung einzelner Grünfolienkomponenten. Feststoff BAM 397,
Binder QPAC 40 (Polycarbonat), Weichmacher BBP, TGA, Heizgeschwindigkeit 5 K/min
Ergebnisse und Diskussion
67
Abbildung 4-30 zeigt, dass bei geringeren Heizgeschwindigkeiten die Entbinderung zu niedrigeren
Temperaturen verschoben ist. Unabhängig von der Heizgeschwindigkeit laufen alle Masseverlustkurven
oberhalb 98 % mit deutlich reduzierter Verlustgeschwindigkeit entlang der scheinbaren Grenzkurve. Bei
einer isothermen Haltezeit bei 94 % normiertem Masseverlust (340 °C) werden noch 4 % umgesetzt, ein
vollständiger Masseverlust erfolgt jedoch nicht. Durch weiteres Heizen auf 400 °C wird ebenfalls keine
weitere Entbinderung erreicht. Erst oberhalb 400 °C wird der verbleibende Restkohlenstoff gemäß dem
Verlauf der scheinbaren Grenzkurve ausgetrieben.
Abbildung 4-30: Thermische Entbinderung von LTCC-Grünfolie bei verschiedenen Heizgeschwindig-
keiten. Feststoff BAM 397, Binder Polyacrylat, TGA, Haltezeit (HZ) bei 340 °C
Durch die Wahl des Bindersystems und die Gestaltung des Temperaturprogramms kann die thermische
Entbinderung nur bis maximal 98 % des gesamten Masseverlusts beeinflusst werden. Unabhängig vom
Ausgangsbinder und der Prozessführung verbleibt Restkohlenstoff in der Grünfolie, der offenbar auf den
Feststoffoberfläche gebunden ist und erst bei Temperaturen deutlich oberhalb 400 °C ausgetrieben
werden kann. Eine solche Adsorption von niedermolekularen Kohlenstoffverbindungen aus der Pyrolyse
der organischen Binder auf Feststoffoberflächen wurde für PVB und verschiedene Oxide, darunter
Al2O3, auch von Masia et al. beobachtet [MAS1989]. Yan, Cannon und Shanefield beschreiben die
Bildung von Restkohlenstoff in AlN-Folien mit PVB oder PC-Binder durch die Wechselwirkung von
volatilen Pyrolyseprodukten mit der Pulveroberfläche [YAN1993, YAN1998]. Der Effekt wird als
durch die Gasphase vermittelter Verkohlungsrückstand (gas phase mediated char) bezeichnet.
In einer vergleichenden Untersuchung von LTCC-Folie mit Quarz- und Glaspulveroberflächen und
Al2O3-Folien (Korund) mit verschiedenen Partikelgrößen, bzw. unterschiedlichen spezifischen Feststoff-
oberflächen, wurde untersucht, inwieweit Größe und Chemie der Feststoffoberfläche den Verlauf der
scheinbaren Masseverlustgrenzkurve verändern. Die spezifischen Oberflächen der verschiedenen Pulver
sind in Tabelle 4-7 zusammengefasst.
In Abbildung 4-31 ist die Entbinderung von Folien aus LTCC und Korundpulver mit etwa gleicher
spezifischer Oberfläche dargestellt. Zwei verschiedene Binder, PC und PA, werden betrachtet. Die PC-
Folien beider Feststoffe weisen den Hauptteil des Masseverlusts bei ca. 100 K geringeren Temperaturen
auf als die PA-Folien. Ab einem normierten Masseverlust von 96 % knicken die Kurvenverläufe der PC-
Folien ab und verlaufen entlang der Grenzkurven. Die Lage der jeweiligen Grenzkurve ist, wie bereits in
Abbildung 4-28 gesehen, nicht abhängig vom Binder in der Folie. Die Grenzkurve für die Korundfolien
Ergebnisse und Diskussion
68 BAM-Dissertationsreihe
(grüne Linien in Abbildung 4-31) verläuft etwas oberhalb der Kurve für die LTCC-Folien (schwarze
Linien). Die Folien mit PA-Binder entbindern mit steilem Anstieg bis 98 % (LTCC), bzw. 99 %
(Korund). Obwohl die Partikeloberflächen der beiden Korundfolien nicht genau übereinstimmen,
verlaufen beide Masseverluste entlang derselben scheinbaren Grenzkurve. Die Oberflächenchemie des
Pulvers bestimmt also die Lage und den Verlauf der scheinbaren Grenzkurve für den Masseverlust, d.h.
die Entbinderungscharakteristik des auf der Oberfläche adsorbierten Verkohlungsrückstandes. Welcher
Massenanteil des Binders als Verkohlungsrückstand zurückbleibt, d.h. ab welchem Masseverlust der
Kurvenverlauf der Grenzkurve folgt, ist abhängig von der Zusammensetzung und dem Pyrolyse-
mechanismus des Binders.
Tabelle 4-7: Spezifische Oberfläche (BET) der Feststoffe
Pulver BAM 397 Korund Korund 1 Korund 2 Korund 3
spezifische Oberfläche / (m²/g) 7,3 7,5 1,95 3,1 10,2
Abbildung 4-31: Thermische Entbinderung von Korund- und LTCC-Grünfolien mit verschiedenen
Bindern im Vergleich, LTCC: BAM 397, TGA, Heizgeschwindigkeit 5 K/min
Der Einfluss der spezifischen Oberfläche des Feststoffs wird durch den Vergleich von Folien mit
gleichem Feststoff, gleichem Binder und identischer Schlickerrezeptur deutlich. In Abbildung 4-32 sind
die TGA-Ergebnisse für drei entsprechende Korund-Folien gezeigt. Der relative Gesamtmasseverlust
aller drei Folien beträgt 13 %. Das Pulver Korund 3 weist die größte spezifische Oberfläche auf und hat
bei einer beliebigen Temperatur, z.B. 450 °C, den größten Masseanteil an gasphasenvermitteltem
Verkohlungsrückstand gebunden. Der Masseverlust von Korund 2 mit der mittleren spezifischen
Oberfläche verläuft entsprechend zwischen den anderen beiden Kurven. Je größer die Feststoff-
oberfläche ist, desto größer ist die Masse an gasphasenvermitteltem Verkohlungsrückstand, die auf der
Oberfläche adsorbiert wird.
Ergebnisse und Diskussion
69
Abbildung 4-32: Einfluss der spezifischen Oberfläche auf die Endphase der thermischen Entbinderung
von Korund-Grünfolien, Binder Polyacrylat, TGA, Heizgeschwindigkeit 5 K/min
Zur Validierung der Ergebnisse und Schlussfolgerungen aus der TGA wurden Proben von drei Folien
bis 400 °C unter Luft entbindert und mittels Schmelzaufschlussverfahren auf ihren Restkohlenstoff-
gehalt untersucht. In Abbildung 4-33 sind die Ergebnisse der Restkohlenstoffanalyse den TGA-
Ergebnissen gegenübergestellt. Der prozentuale Restkohlenstoffgehalt bezieht sich auf die Gesamtmasse
der bei 400 °C entbinderten Probe, der normierte Masseverlust auf den Gesamtmasseverlust bei 600 °C.
Der Vergleich relativer Restkohlenstoffgehalte verschiedener Versätze ist unter Umständen irreführend,
da die Dichte des Feststoffs einen wesentlichen Einfluss auf die relativen Werte hat. Im Falle von LTCC
und Korund ist die Dichte des LTCC-Versatzes mit 2,95 g/cm³ deutlich geringer als die Dichte des
Korunds mit 3,96 g/cm³. Der absolute Restkohlenstoffgehalt in der LTCC-Probe ist also tatsächlich
höher als der absolute Restkohlenstoffgehalt in den Korund-Proben. Qualitativ werden die Ergebnisse
der TGA durch die Restkohlenstoffanalyse bestätigt. Das LTCC-Pulver bindet mehr Verkohlungs-
rückstand als das Korundpulver. Das grobe Korundpulver Korund 1 bindet weniger Verkohlungs-
rückstand als das feinere Pulver Korund 2, aufgrund der geringeren Oberfläche.
Abbildung 4-33: Normierter Masseverlust und Restkohlenstoffgehalt im Vergleich, TGA mit Heizge-
schwindigkeit 5 K/min, Kohlenstoffanalysator ELTRA CS-800
Ergebnisse und Diskussion
70 BAM-Dissertationsreihe
Um die Ergebnisse der TGA mit der Restkohlenstoffanalyse durch Schmelzaufschluss besser ins
Verhältnis setzen zu können, wurde am Beispiel des feinen Korundpulvers Korund 2 der Restkohlen-
stoffgehalt aus den Rohdaten der TGA berechnet. In Abbildung 4-43 sind die Ergebnisse der beiden
Verfahren gegenübergestellt. Beide Verfahren liefern Werte in derselben Größenordnung. Der Abfall
des Kohlenstoffgehalts über der Temperatur ist sehr steil. Der berechnete Restkohlenstoffgehalt aus der
TGA bezieht sich auf einen Messwert aus dem dynamischen Heizregime der Messung. Bei der
Entbinderung der Folien für die Restkohlenstoffanalyse wurde ein Kammerofen verwendet, der eine
nicht zu vernachlässigende thermische Trägheit, besonders nach Erreichen der Maximaltemperatur von
400 °C, aufweist. Eine Umsetzung von Kohlenstoff zu Beginn der Abkühlphase, und damit eine
Abnahme des Restkohlenstoffgehalts in der Probe, ist sehr wahrscheinlich. Unter Berücksichtigung
dieses technologischen Einflusses und der Steilheit des Kurvenverlaufs kann die Übereinstimmung der
Ergebnisse der beiden Verfahren als gut eingeschätzt werden.
Abbildung 4-34: Vergleich der Restkohlenstoffgehalte von Korund 2 aus der TGA und dem Schmelzauf-
schlussverfahren
Aus den Ergebnissen kann abgeleitet werden, dass eine Senkung der für die vollständige Entbinderung
unter Luft notwendigen Temperatur unter 400 °C nicht möglich ist, da Pyrolyseprodukte des Binders
durch die Gasphase vermittelt als Verkohlungsrückstand an den Feststoffoberflächen adsorbieren.
Höhere Temperaturen als 400 °C sind zur Umsetzung des Rückstandes in volatile Spezies erforderlich.
Eine rückstandsfreie Entbinderung bis 400 °C ist durch Ausbrand der Folie in reinem Sauerstoff
möglich. Abbildung 4-35 zeigt das Ergebnis eines Entbinderungsversuchs von PC-gebundenem LTCC
unter reinem Sauerstoff und die dazugehörenden Versuchsbedingungen. Das LTCC-Substrat ist dicht
gesintert und weist keinerlei Verfärbungen auf. Entsprechend gute Ergebnisse werden auch mit PA-
gebundenen LTCC-Folie unter reinem Sauerstoff erzielt. Welcher Mechanismus genau die Entbinderung
unter reinem Sauerstoff verbessert, konnte nicht ermittelt werden. Es ist davon auszugehen, dass sowohl
der Mechanismus der Zersetzung der Bindermoleküle, als auch die Stabilität der rückstandsbildenden
Kohlenstoffspezies unter den stark oxidierenden Bedingungen in reinem Sauerstoff verändert ist.
Inwiefern die Anwendung von reinem Sauerstoff für die Entbinderung eine technologische Alternative
darstellt, muss im Einzelfall unter Kriterien der Oxidationsstabilität der anorganischen
Versatzkomponenten und ggf. vorhandener Metallisierungen bewertet werden.
Ergebnisse und Diskussion
71
Abbildung 4-35: Entbinderung von LTCC-Grünfolie bis 400 °C unter reinem Sauerstoff,
links: Atmosphärenbedingungen und Temperaturprogramm,
rechts: vollständig entbindertes LTCC-Substrat, LTCC BAM397
4.2.3 Einsatz von Glaskohlenstoff
Glaskohlenstoff soll anstelle von nichtsinternder Opferfolie als Brennhilfsmittel im Drucksinterprozess
eingesetzt werden, um rückstandsfreie LTCC-Oberflächen herzustellen. Ziel der Entwicklung war es
zunächst besonders glatte Oberflächen für anschließende Dünnfilmbeschichtungen zu erzeugen. Dazu
wurde Glaskohlenstoff mit hoher Oberflächengüte verwendet. Ab 400°°C beginnt der Glaskohlenstoff
im Kontakt mit Sauerstoff oberflächlich zu oxidieren. Dadurch wird die Oberflächengüte einer
Glaskohlenstoffplatte beeinträchtigt. Eine vollständige Entbinderung der Grünfolien ist jedoch, wie im
Abschnitt 4.2.2 beschrieben, bis 400 °C an Luft nicht möglich. Bei druckunterstützter Sinterung ist die
thermische Entbinderung durch die aufliegenden Brennhilfsmittel zusätzlich erschwert.
Abbildung 4-36: Ergebnisse von Drucksinterexperimenten zur Ermittlung der niedrigsten Entbin-
derungstemperatur, 70 × 70 mm² BAM397-Substrate mit Opferfolien, ATV LTCC-Sinterpresse
Ergebnisse und Diskussion
72 BAM-Dissertationsreihe
Abbildung 4-36 zeigt die Verfärbungen von BAM397-Testsubstraten durch Verkohlungsrückstände im
Gefüge bei Entbinderung unter Pressluft-Spülung bis 400 °C, bzw. bis 450 °C, und anschließender
Sinterung unter Stickstoffspülung. Bei Umschalten auf Stickstoffspülung ab 400 °C sind LTCC-Substrat
und untergelegte Opferfolien schwarz verfärbt. Bei Umschaltung ab 450 °C bleibt eine Graufärbung im
Testsubstrat zurück, die entsprechend dem Verlauf der Belüftungskanäle in der SiC-Waffelplatte
strukturiert zu sein scheint. Untergelegte Opferfolien weisen nach dem 450 °C-Experiment keine
Verfärbungen auf.
Zur Verwendung von Glaskohlenstoff bestehen demnach zwei Möglichkeiten zur Prozessführung.
Kompakte, robuste Grünkörper können ohne aufgelegte Glaskohlenstoffplatte und ohne Druck zunächst
bis beispielsweise 600 °C ausgebrannt und dabei vollständig entbindert werden. Anschließend wird das
ausgebrannte Teil abgekühlt und die Brennhilfsmittel werden aufgelegt. Die druckunterstützte Sinterung
kann nun mit einem angepassten Temperatur-Zeit-Druck-Profil komplett unter Stickstoffspülung
durchgeführt werden. Diese Verfahrensweise setzt voraus, dass das ausgebrannte, oder bereits leicht
angesinterte Teil, der mechanischen Belastung beim Aufsetzen der Brennhilfsmittel standhält. Für
LTCC-Module mit Kavitäten, feinen Strukturen oder besonders dünne Substrate ist dieses Verfahren
nicht geeignet. Für derartige Sinterteile ist das Entbindern und Sintern in einem zusammenhängenden
Prozess notwendig. Dazu wurde die optimale Umschalttemperatur zum Wechsel von Pressluft- auf
Stickstoffspülung zu 500 °C bestimmt. Abbildung 4-37 zeigt die Prozessbedingungen zur kombinierten
Entbinderung und druckuntertstützten Sinterung unter Stickstoffspülung für BAM397. Im Beispiel wird
mittels eines Stickstoffdurchflusses von 1750 l/h ein Restsauerstoffgehalt von weniger als 600 ppm in
der Muffel eingestellt. Der Restsauerstoff ist einerseits ausreichend, um gasphasenvermittelte
Verkohlungsrückstände aus dem Gefüge des Sinterteils zu lösen, andererseits gering genug, um die
oberflächliche Oxidation der Glaskohlenstoffplatte auf ein tolerierbares Maß zu reduzieren.
Abbildung 4-37: Prozessbedingungen zur druckunterstützten Sinterung von BAM397 mit
Glaskohlenstoff
Durch den Verschluss des Prozessgasauslasses der LTCC-Sinterpresse wird die Rückdiffusion, bzw. der
Rückstrom, von Sauerstoff aus der Umgebung in die Ofenmuffel wirkungsvoll verringert und der
Restsauerstoffgehalt kann bei gleichem Spülgasfluss auf weniger als 300 ppm reduziert werden. Eine
Verfärbung des Sinterteils tritt hierbei ebenfalls nicht auf. Die Haltbarkeit der Glaskohlenstoffplatte
wird dadurch verbessert. Eine unbenutzte Glaskohlenstoffplatte kann unter diesen Bedingungen vier- bis
Ergebnisse und Diskussion
73
fünfmal wiederverwendet werden, bevor die Oberflächenschädigungen durch Oxidation und
Handhabung der Platte so groß werden, dass sie Spuren auf dem gesinterten Substrat hinterlassen.
Ist eine Glaskohlenstoffplatte entsprechend verschlissen, kann sie durch Polieren und Läppen
wiederaufbereitet werden. Bei größeren Platten, z. . 100 × 100 mm², ist die gleichmäßige Aufbereitung
der Oberfläche sehr anspruchsvoll. Abbildung 4-38 illustriert ein typisches Problem. Während die
Politur mit kolloidalem SiO2 in der Mitte der Plattenoberfläche noch nicht abgeschlossen ist und
Restrauheiten das Oberflächenbild prägen, ist der Rand der Platte bereits zu lange poliert und es bildet
sich ein Relief auf der Oberfläche. Die Oberflächen kleinerer Teile aus Glaskohlenstoff können mit
gängigen keramographischen Poliermethoden und Diamantsuspension als Poliermittel bis auf
Waferqualität präpariert werden (Abbildung 4-38 rechts).
Abbildung 4-38: Verschiedene Oberflächen von Glaskohlenstoffplatte nach Wiederaufbereitung,
Lichtmikroskop, bläuliche Einfärbung durch Differential-Interferenz-Kontrast
Bei der druckunterstützten Sinterung von LTCC mit Glaskohlenstoff als Brennhilfsmittel verbleiben
keine Rückstände auf den Substratoberflächen. Die Glaskohlenstoffplatte kann nach dem Brennprozess
problemlos von den Sinterteilen getrennt werden, ein Festsintern tritt nicht auf. Welche Struktur auf der
LTCC-Oberfläche ausgebildet wird, ist bei der Verwendung von Glaskohlenstoff stärker abhängig von
den Prozessparametern des Brennvorgangs, als bei der Verwendung von Opferfolien. Das Verfahren ist
sehr empfindlich gegenüber Verunreinigung, z. B. durch Berührung mit der bloßen Hand. Verunreini-
gungen der Glaskohlenstoffplatte oder der Oberfläche des Grünteils führen zu Ätzvorgängen an der
Glaskohlenstoffoberfläche während der Sinterung. Dadurch werden die Oberflächen der Glaskohlen-
stoffplatte und des Sinterteils in den verunreinigten Bereichen stark aufgeraut. Die Glaskohlenstoffplatte
muss dann vor der nächsten Verwendung poliert werden, das Sinterteil ist in der Regel Ausschuss.
Bezogen auf ihre Wirkungsweise als geometrische Schwindungsbeschränkung unterscheidet sich die
Glaskohlenstoffplatte in wesentlichen Punkten von Opferfolien. Dadurch wirken sich Veränderungen
von Parametern des Drucksinterprozesses bei der Verwendung von Glaskohlenstoff als Brennhilfsmittel
in erheblich höherem Maße auf die Ausbildung der Substratoberfläche aus, als bei der Verwendung von
Opferfolien. Neben dem erläuterten Einfluss der Atmosphärensteuerung auf Entbinderung und
Verkohlungsrückstände im Gefüge und der Empfindlichkeit gegenüber Verunreinigungen, hat bei dieser
Prozessvariante der Pressdruck einen großen Einfluss darauf, in welchem Maße die Glas-
kohlenstoffplatte als Schwindungsbeschränkung wirksam wird. Opferfolien bilden bei der Lamination
mit dem LTCC-Teil einen innigen Kontakt durch Verzahnung der Partikel an der Grenzfläche aus.
Dadurch sind die Reibkräfte an der Grenzfläche so hoch, dass eine effektive Schwindungsbehinderung
auch ohne zusätzlichen axialen Druck gewährleistet ist. Die Glaskohlenstoffplatte zeichnet sich durch
eine sehr gute Oberflächenqualität mit geringer Rauheit und schlechter Benetzbarkeit durch die LTCC-
Glasphase aus. Ohne zusätzlichen Pressdruck sind die Reibkräfte an der Grenzfläche Glaskohlen-
stoff / LTCC so gering, dass keine Schwindungsbehinderung eintritt – die LTCC-Oberfläche gleitet
Ergebnisse und Diskussion
74 BAM-Dissertationsreihe
beim lateralen Schwinden am Glaskohlenstoff entlang. Durch axialen Pressdruck kann die Reibkraft, die
der lateralen Schwindung entgegenwirkt, erhöht werden, bis eine effektive Schwindungsbehinderung
eintritt. In diesem Fall wird der zweite wesentliche Unterschied der Glaskohlenstoffplatte zu Opferfolien
wirksam. Bei der Glaskohlenstoffplatte handelt es sich um ein starres Brennhilfsmittel. Im Gegensatz zu
Opferfolien, die Druckspannungen durch Partikelbewegung und -umordnung teilweise abbauen können,
werden an der Glaskohlenstoffoberfläche keine Spannungen relaxiert, so dass die Scherkräfte an der
Grenzfläche zum LTCC nur durch Gleiten der Oberfläche abgebaut werden können. Bei hinreichend
großen Reibkräften, hervorgerufen durch den axialen Pressdruck, wird ein Gleiten der LTCC-
Oberfläche völlig unterdrückt und die Glaskohlenstoffplatte wirkt wie ein starres Substrat. Die Sinterung
auf starren Substraten führt, wenn nicht zum Bruch, zu Porenwachstum durch Diffusion [BOR1985].
Durch diese Defektagglomeration werden die Zugspannungen zeitabhängig abgebaut. Diesen von
Bordia und Raj für keramische Schichten auf starren Substraten beschriebenen Effekt beobachtete
Ollagnier auch für die Sinterung von LTCC [OLL2008]. Gefügebilder aus Ollagniers Arbeit sind in
Abbildung 4-39 dargestellt. Gegenüber der freien Sinterung sind die Poren in einem mit Opferfolie
gesinterten LTCC-Gefüge bei verringerter Anzahl sichtbar vergrößert. Bei geometrischer
Schwindungsbehinderung durch starre Substrate ist dieser Effekt noch deutlicher ausgeprägt. Hier sind
die Poren erheblich in der Anzahl verringert und deutlich größer [OLL2008].
Abbildung 4-39: Ausbildung der Porosität in LTCC nach Sinterung mit unterschiedlicher geometrischer
Schwindungsbeschränkung,
a) freie Sinterung,
b) Schwindungsbeschränkung durch Opferfolie,
c) Schwindungsbeschränkung durch starres Substrat, REM-Bilder aus[OLL2008]
Ergebnisse und Diskussion
75
Abbildung 4-40: Oberfläche von BAM397-LTCC mit ausgeprägtem Porenwachstum nach
druckunterstützter Sinterung mit Glaskohlenstoffplatte, REM Zeiss Supra 40, InLens-Detektor
Die Porenstruktur in Abbildung 4-39 c) gleicht auffallend der Form und Verteilung der Oberflächen-
poren auf dem mit Glaskohlenstoffplatte druckgesinterten BAM397-Substrat in Abbildung 4-40. Mit
zunehmendem axialen Pressdruck auf die Glaskohlenstoffplatte wird die laterale Schwindung durch die
steigenden Reibkräfte verstärkt behindert. Die Grenzfläche wird im Sinne ihrer Schwindungstoleranz
immer starrer. Es kommt zur beschriebenen Spannungsrelaxation durch Defektagglomeration.
Abbildung 4-41: Oberflächen von DP951-Substraten nach druckunterstützter Sinterung mit Glaskohlen-
stoff und unterschiedlichen Pressdrücken und Haltezeiten, REM Zeiss Supra 40, SE-Detektor
Sehr deutlich wird der Zusammenhang aus oberflächlichem Porenwachstum und Höhe des Pressdrucks
in Abbildung 4-41. Die abgebildeten Substrate aus DP951 wurden mit 0,3 MPa und 10 MPa für 20 min,
bzw. 60 min bei 830 °C gesintert. Die Heizgeschwindigkeit nach der Entbinderung betrug 25 K/min. Bei
niedrigem Pressdruck wird eine geschlossene glasige Brennhaut gebildet. Dispersphasenpartikel und
vereinzelte Oberflächenporen unterbrechen die Brennhaut. Insgesamt ähnelt diese Oberfläche der
Oberfläche eines frei gesinterten Substrats. Die bei 10 MPa gesinterte Oberfläche weist eine starke
Zerklüftung durch Defektagglomeration auf. Da die Ausbildung dieser Defektstruktur durch viskoses
Fließen der Glasphase Zeit benötigt, hat auch das Temperatur-Zeit-Profil des Brennregimes einen
Ergebnisse und Diskussion
76 BAM-Dissertationsreihe
Einfluss auf die gesinterte Oberfläche. Längere Haltezeiten, bzw. langsame Heiz- und
Kühlgeschwindigkeiten ermöglichen mehr Spannungsabbau durch Porenwachstum. Bei schnellerer
Prozessführung kann das Porenwachstum unterdrückt werden. Die nicht abgebauten Spannungen
können dann zum Bruch der erstarrten Glasphase führen. Bei hohem Druck und langen Haltezeiten
entstehen stark zerklüftete Oberflächen mit Porentiefen bis über 10 µm.
In Abbildung 4-42 ist ein weiteres stark zerklüftetes Substrat aus DP951 in der Draufsicht und im
Querschliff dargestellt. Das Substrat wurde mit 5 K/min auf 850 °C geheizt und 15 min gesintert. Der
Pressdruck betrug 0,7 MPa. Man erkennt deutlich, wie stark die LTCC-Oberfläche durch das Aufpressen
der Glaskohlenstoffplatte eingeebnet wurde, sowie eine massive Schädigung der Oberfläche durch die
Riesenporen. Der Porenraum ist durch den Formschluss der Glasphase mit der Glaskohlenstoffplatte und
das dichte Gefüge von der Prozessatmosphäre getrennt. In den Poren sind sphärische Partikel erkennbar,
die sich im SE-Kontrast – besonders in Abbildung 4-41 – durch einen helleren Grauton abheben. Zudem
ist im Querschliff gut zu beobachten, wie sich längliche Al2O3-Partikel quer zur Oberfläche, also in
Richtung der Zugspannungen, ausgerichtet haben.
Abbildung 4-42:links: Oberfläche von DP951 nach druckunterstützter Sinterung mit Glaskohlenstoff,
Sekundärelektronen-Kontrast,
rechts: Querschliff einer mit Glaskohlenstoff druckgesinterten Oberfläche von DP951, Rückstreu-
elektronen-Kontrast, JEOL Mikrosonde JXA-8900 RL
Ob und inwieweit stoffliche Veränderungen der LTCC-Glasphase durch den Kontakt mit Glaskohlen-
stoff auftreten oder durch die mechanischen Spannungen bei hohen Reibkräften ausgelöst werden,
wurde beispielhaft an DP951 mittels Elektronenstrahlmikroanalyse untersucht (Abbildung 4-43 bis
Abbildung 4-45). In den folgenden Abbildungen sind die Konzentrationen von Al, Si und Pb auf der
Oberfläche, bzw. im Gefüge als Fehlfarben kartiert. Die Fehlfarben stellen das Ergebnis der
wellenlängendispersiven Analyse (WDX-Analyse) der von der Probe emittierten charakteristischen
Röntgenstrahlung in relativen Einheiten (Rel. Einh.) als Funktion des Ortes auf der Probe dar. Dabei
steht rot für eine sehr hohe Konzentration des jeweiligen Elements an diesem Ort. Dabei liegen die
Stoffe nicht unbedingt elementar, sondern in verschiedenen Oxidationsstufen vor.
Ergebnisse und Diskussion
77
Abbildung 4-43: Elementverteilung an der Oberfläche von frei gesintertem DP951, REM-Bild mit SE-
Kontrast, WDX-Analyse, JEOL Mikrosonde JXA-8900 RL
Abbildung 4-44: Elementverteilung an der Oberfläche von DP951 nach druckunterstützter Sinterung mit
Glaskohlenstoff, REM-Bild im SE-Kontrast, WDX-Analyse, JEOL Mikrosonde JXA-8900 RL
Ergebnisse und Diskussion
78 BAM-Dissertationsreihe
Abbildung 4-45: Elementverteilung am Querschliff von DP951 nach druckunterstützter Sinterung mit
Glaskohlenstoff, REM-Bild im SE-Kontrast, WDX-Analyse, JEOL Mikrosonde JXA-8900 RL
Als Blindprobe wurde die Elementverteilung auf der Oberfläche eines frei gesinterten DP951-Substrats
kartiert (Abbildung 4-43). Im REM-Bild im SE-Kontrast oben links in Abbildung 4-43 ist die
Dispersphase in dunklem grau und die Glasphase in hellem grau dargestellt. Eine vergleichende
Betrachtung des REM-Bildes und der drei Elementkartierungen ergibt, das Si und Pb sehr gleichmäßig
in der Glasphase verteilt sind. Die Verteilungskarten von Si und Pb sind nahezu deckungsgleich. Die
Glasphase enthält wenig bis kein Al. Die Dispersphase enthält kein Si und kein Pb, dafür höchste
Konzentrationen von Al.
Die mit Glaskohlenstoff druckgesinterte Oberfläche in Abbildung 4-44 ist durch ausgeprägtes
Porenwachstum stark geschädigt. Die Dispersphase ist im REM-Bild kaum erkennbar. Dafür fallen
vereinzelte, sehr helle Bereiche an den Rändern großer Poren auf. Die Si-Verteilung in der Glasphase ist
sehr gleichmäßig. Anhand der Verteilung ist erkennbar, dass die erhabenen, glatten Oberflächenbereiche
eine geschlossene Glasschicht bilden. Die homogene Si-Verteilung wird nahezu ausschließlich durch
Poren, nicht durch Dispersphase unterbrochen. In den Porenbereichen werden hohe Al-Konzentrationen
gemessen, so dass angenommen werden kann, dass die Dispersphase auf dem Grund der Poren an der
Oberfläche vorliegt. Die auffallend hellen Bereiche können einer Anreicherung an Pb in diesen
Bereichen zugeschrieben werden. Die Pb-Verteilungskarte zeigt eine homogen verteilte Konzentration
im Bereich der Glasphase, die jedoch nicht deckungsgleich mit der Si-Verteilung ist. Dies deutet auf
eine vereinzelte Verarmung der Glasphase an Pb hin. An den markanten hellen Stellen im REM-Bild ist
die Pb-Konzentration stark erhöht. Ein modellhafter Erklärungsansatz basiert auf dem hohen
Dampfdruck von elementarem Blei, bzw. Bleioxid (PbO). Der Gewichtsanteil von PbO in DP951
beträgt ca. 9 Gew-% [BIE2010]. Daraus kann ein Stoffmengenanteil von PbO in der Glasphase von
weniger als 5 mol-% abgeschätzt werden. Nach Vogel ist demnach davon auszugehen, dass Blei in der
Oxidationsstufe Pb2+
als Netzwerkwandler im Glas wirkt [VOG1979]. Es ist vorstellbar, dass in
Anwesenheit von Kohlenstoff Pb2+
zu elementarem Pb reduziert wird. Dieses sublimiert aufgrund seines
hohen Dampfdrucks. Der Bleidampf wird bei fortschreitender Sinterung durch den Formschluss von
Ergebnisse und Diskussion
79
Glasphase und Glaskohlenstoff in den Riesenporen eingeschlossen. Dort kondensiert er beim Abkühlen
zu den beobachteten sphärischen Bleipartikeln.
Eine entsprechende Analyse am Querschliff derselben Probe in Abbildung 4-45 zeigt, dass es sich bei
diesem Phänomen nur um einen oberflächlichen Effekt handelt, der im Gefüge nicht beobachtet wird.
Die Pb-Verteilung im Gefüge ist homogen ohne Konzentrationsspitzen und deckungsgleich mit der Si-
Verteilung. Die Al-Verteilung beschreibt die Verteilung der Dispersphase im Gefüge. Die REM-Bilder
des Anschliffs der Oberfläche (Abbildung 4-45 und Abbildung 4-42 rechts) belegen, dass die erhabenen,
stark geglätteten Bereiche nicht von Partikeln der Dispersphase unterbrochen werden, die Porengründe
hingegen Partikel an der Oberfläche aufweisen. Da die Pb-Konzentrationsspitzen ein Nebeneffekt der
Oberflächenschädigung zu sein scheinen – bei weniger stark gestörten Oberflächen werden sie nicht
beobachtet – und die geschädigten Oberflächen durch die Prozessgestaltung zu vermeiden sind, wurde
der Effekt nicht weiter untersucht.
Zur Erzeugung einer hohen Oberflächenqualität durch druckunterstütze Sinterung mit Glaskohlenstoff
als Brennhilfsmittel müssen die Prozessparameter für einen gegebenen LTCC-Werkstoff hinsichtlich
folgender Kriterien eingestellt werden: Der Pressdruck muss in Kombination mit der Sintertemperatur
hoch genug und die Haltezeit lang genug sein, um trotz lateral unterdrückter Schwindung ein dichtes
Gefüge zu erzeugen. Hinsichtlich einer guten Oberflächenqualität sollte der Pressdruck entweder so
niedrig wie möglich gewählt werden, um einer Spannungsrelaxation durch Defektagglomeration
vorzubeugen, oder gerade so hoch eingestellt werden, dass der glättende Effekt durch Einebnung der
Oberfläche den schädigenden Effekt des Porenwachstums kompensiert. Sintertemperatur und Haltezeit
müssen entsprechend angepasst werden. Abhängig von den Sintereigenschaften des LTCC-Werkstoffs
können sich diese Kriterien gegenseitig ausschließen. In einem solchen Fall müssen entweder
Kompromisse bezüglich des Gefüges oder der Oberflächenqualität eingegangen werden.
Ein besonders wirkungsvoller Kompromiss bei der Sinterung von DP951 mit Glaskohlenstoff als
Brennhilfsmittel ist in Abbildung 4-46 veranschaulicht. Die Herstellung eines ebenen Substrats ohne
laterale Schwindung mit den Oberflächeneigenschaften eines frei gesinterten Substrats durch bloße
einseitige Lamination von Opferfolie ist nicht möglich. Im oberen Teil der Abbildung ist der als edge
curl bezeichnete Effekt erkennbar. An den Kanten des asymmetrisch aufgebauten Substrats löst sich die
LTCC-Folie von der Opferfolie. Dadurch wird in diesem Bereich auch laterale Schwindung möglich.
Entsprechend ist die Dickenschwindung an dieser Stelle gegenüber kantenfernen Bereichen reduziert.
Das gesinterte Substrat ist an den Kanten nach oben aufgeworfen und verdickt. Durch Auflegen einer
Glaskohlenstoffplatte kann der edge curl-Effekt schon bei geringem Druck – im Beispiel 4,5 kPa –
wirksam unterdrückt werden. Die Oberflächeneigenschaften des Substrats entsprechen denen eines frei
gesinterten Substrats. In der Abbildung ist deutlich erkennbar, dass das Gefüge nur vereinzelt
geschlossene Poren aufweist und keinerlei Deformation der Kanten auftritt. Die notwendigen geringen
Drücke können bei hinreichend kleinen Substraten durch Beschweren der Kohlenstoffplatte mit
statischen Massen erzeugt werden. Für ein 50 × 50 mm² Substrat werden 1,15 kg zur Erzeugung von
4,5 kPa benötigt. Ein entsprechender Aufbau wäre sogar zur Sinterung im Tunnelofen geeignet. In
diesem Beispiel wird die Sinterung von DP951-Einzelfolien betrachtet. Um bei dickeren, mehrlagigen
Substraten eine ebenso deformationsfreie Kante zu erhalten sind müssten entsprechend höhere Drücke
eingestellt werden.
Ergebnisse und Diskussion
80 BAM-Dissertationsreihe
Abbildung 4-46 oben: Schwindungsdeformation von DP951-Einzelfolien nach druckloser Sinterung mit
geometrischer Schwindungsbeschränkung durch Opferfolie auf der Unterseite
unten: Schwindungsdeformation von DP951-Einzelfolien nach druckunterstützter Sinterung mit Opfer-
folie auf der Unterseite und aufgelegter Glaskohlenstoffplatte (unten)
4.3 Oberflächencharakterisierung
In diesem Kapitel werden die Oberflächeneigenschaften von LTCC-Substraten präsentiert und
diskutiert, die durch druckunterstütztes Sintern mit verschiedenen Brennhilfsmitteln erzielbar sind. Die
Ergebnisse der Untersuchungen von Struktur, Rautiefe und prozessrelevanter Oberflächenqualitäten der
verschiedenen LTCC-Werkstoffe werden zunächst nach den unterschiedlichen Brennhilfsmitteln
geordnet vorgestellt. Anschließend werden die verschiedenen Ansätze vergleichend diskutiert.
Bevor jedoch auf die Eigenschaften druckgesinterter Oberflächen eingegangen wird, betrachten wir
zunächst die Oberflächenmerkmale von frei gesinterten LTCC-Substraten und des Referenzsubstrats. In
Abbildung 4-47 sind die Oberflächen vergleichend dargestellt. Die LTCC-Werkstoffe weisen
oberflächlich eine glasige Brennhaut auf, die von kristallinen Partikeln durchstoßen wird. Das
Rubalit 710-Substrat zeigt eine von Korngrenzen geprägte Oberflächenstruktur, wie sie für Al2O3
charakteristisch ist. Die aus dieser Oberflächenstruktur resultierenden Rautiefen und Dünnfilm-
beschichtbarkeiten sind in Tabelle 4-8 zusammengefasst.
Abbildung 4-47: Übersichtsaufnahmen von Oberflächen frei gesinterter LTCC-Substrate und des
Referenzsubstrats Rubalit 710, REM Zeiss Supra 40, InLens-Detektor
Ergebnisse und Diskussion
81
Tabelle 4-8: Oberflächeneigenschaften von frei gesinterten LTCC-Substraten und dem Referenzsubstrat
Rubalit 710, Standardabweichungen in Klammern
Substrat Rautiefe Rz / µm mittlere Rauheit Ra / µm Flächenwiderstand R/ / Ω/
*
50 nm Cr
DP951 2,52 0,31 2,6 (0,30)
BAM397 1,46 0,16 3,7 (0,1)
Rubalit 710 0,74 0,09 6,1 (0,2)
* Flächenwiderstände von Dünnfilmen, Vier-Leiter-Messung
Die Rautiefen der LTCCs liegen im typischen Bereich. Das hier untersuchte DP951-Substrat weist
höhere Rauheitskennwerte auf als das BAM397-Substrat. Diese Reihung ließe sich durch Anpassung der
Brennprogramme beeinflussen. Das BAM397-Substrat wurde bewusst bei etwas höherer Temperatur
und verlängerter Haltezeit gesintert als für die vollständige Verdichtung erforderlich ist, um die
Ausbildung einer möglichst glatten Brennhaut zu fördern. Das DP951-Substrat wurde gemäß den
Herstellervorgaben mit einem Brennprogramm gesintert, dass einem Durchlaufofenprozess
nachempfunden ist und eher für hohen Durchsatz als für optimale Oberflächenqualität konzipiert ist.
Durch entsprechende Erhöhung der Sintertemperatur und Verlängerung der Haltezeit ist eine Senkung
der Kennwerte für DP951 zu erwarten. Rubalit 710 ist ein Standardsubstrat für Dünnfilmprozesse und
zeichnet sich durch seine hohe Oberflächengüte aus. Dementsprechend niedrig sind die
Rauheitskennwerte des Referenzsubstrats.Der Flächenwiderstand der 50 nm dünnen Cr-Schicht ist auf
beiden LTCC-Substraten geringer als der Flächenwiderstand auf dem Referenzsubstrat. Die glasige
Brennhaut der LTCC-Oberflächen erlaubt eine homogenere Schichtbildung als die durch Korngrenzen
unterbrochene Rubalit 710-Oberfläche. Die Haftfestigkeit der Dünnfilme auf den LTCC-Substraten ist
jedoch geringer als auf dem Referenzsubstrat. Mehrschrittige Beschichtungsprozesse, z. B. die
Strukturierung von amorphen Kohlenstoffschichten mittels Lift-Off-Verfahren, führen mitunter zur
teilweisen Ablösung der Dünnfilme von den glasigen LTCC-Oberflächen.
4.3.1 Opferfolien mit unterschiedlichen Partikelgrößenverteilungen
Die Verwendung von Al2O3-Opferfolien als geometrische Schwindungsbeschränkung resultiert nach
druckunterstützter Sinterung und nassem Bürsten der gesinterten Substrate in festhaftenden
Oberflächenrückständen auf allen untersuchten LTCC-Werkstoffen. In Abbildung 4-48 sind
Übersichtsaufnahmen der LTCC-Substrate dargestellt, die mit der gröbsten Opferfolie MR23 0,5 h
druckgesintert wurden. Auf allen drei Werkstoffen haftet eine geschlossene Schicht aus Al2O3-Partikeln.
Unterschiede in den Schichten sind nicht erkennbar. Der darunterliegende Werkstoff ist vollständig von
den Opferfolienrückständen bedeckt. In den Detailaufnahmen in Abbildung 4-49 wird deutlich, dass die
Substrate aufgrund ihrer Oberflächenstruktur nicht mehr zu unterscheiden sind. An den Rückständen ist
die Partikelgrößenverteilung der Opferfolie gut nachvollziehbar. Von Partikel unter 1 µm bis zu großen
Partikeln mit mehreren Mikrometern Durchmesser ist das Primärkorn klar zu erkennen.
Die Rückstandsschichten der feinsten Opferfolie A16 2h auf den verschiedenen Substraten zeigen
hingegen Unterschiede. Bereits in den Übersichtsaufnahmen in Abbildung 4-50 ist zu beobachten, dass
die Rückstandsschicht auf DP951 unregelmäßig verteilte Fehlstellen von mehreren Mikrometern
aufweist. Auch auf BAM397 ist die Rückstandsschicht nicht vollständig geschlossen. Die Größe der
Fehlstellen ist gegenüber den Rückständen auf DP951 geringer. Auf dem BAM186 ist die Rückstands-
schicht frei von Fehlstellen. Im Gegensatz zu den anderen Substraten können auf BAM186 dichte
Partikelagglomerate gefunden werden. Diese erscheinen in den Übersichtsaufnahmen als dunkle Punkte.
Ergebnisse und Diskussion
82 BAM-Dissertationsreihe
Abbildung 4-48: Übersichtsaufnahmen von Oberflächen druckgesinterter LTCC-Substrate, Opferfolie
MR23 0,5 h, REM Zeiss Supra 40, InLens-Detektor
Abbildung 4-49: Detailaufnahmen von Oberflächen druckgesinterter LTCC-Substrate, Opferfolie MR23
0,5 h, REM Zeiss Supra 40, InLens-Detektor
Abbildung 4-50:Übersichtsaufnahmen von Oberflächen druckgesinterter LTCC-Substrate, Opferfolie
A16 2h, REM Zeiss Supra 40, InLens-Detektor
In den Detailaufnahmen in Abbildung 4-51 sind diese Agglomerate auf dem BAM186 Substrat deutlich
sichtbar. Die Bereiche zwischen den Agglomeraten scheinen gleichmäßig und geschlossen zu sein. Das
Primärkorn der Opferfolie ist hier erkennbar. Auf dem DP951-Substrat ist die Rückstandsschicht
zwischen den Fehlstellen bei erkennbarem Primärkorn ebenfalls geschlossen. An den Fehlstellen liegt
die LTCC-Oberfläche frei. Deren Struktur an diesen Stellen unterscheidet sich von der frei gesinterten
Oberfläche. Auf dem druckgesinterten Substrat sind deutlich abgegrenzte Partikel von mehreren
Ergebnisse und Diskussion
83
Mikrometern Größe sichtbar. Die glasige Brennhaut von DP951 ist hier nicht ausgebildet. An den
Rändern der Fehlstellen wird deutlich, dass die Rückstandsschicht nur ein bis zwei Partikellagen dick
ist. Besonders deutlich ist die Dicke der Rückstandsschicht auf dem BAM397-Substrat sichtbar. Die
Partikel der A16 2h-Opferfolie hinterlassen auf diesem Werkstoff keine dichte Schicht, sondern stecken
mit variierenden Abständen in der glasigen Brennhaut der LTCC. Der Rückstand kann als
diskontinuierliche Monolage aus Opferfolienpartikeln beschrieben werden.
Abbildung 4-51: Detailaufnahmen von Oberflächen druckgesinterter LTCC-Substrate, Opferfolie
A16 2 h, REM Zeiss Supra 40, InLens-Detektor
Abbildung 4-52: Übersichtsaufnahmen von Oberflächen druckgesinterter LTCC-Substrate, Opferfolie
bimodal, REM Zeiss Supra 40, InLens-Detektor
Die Opferfolie aus der Mischung zweier Pulverfraktionen (bimodale Opferfolie) hinterlässt eine
Rückstandsschicht, die in der Übersicht auf allen drei LTCC-Substraten gleich aussieht
(Abbildung 4-52). Die LTCCs sind mit einer geschlossenen Schicht aus kleinen Partikeln bedeckt, in der
die groben Partikel der MR23 0,5 h-Fraktion vereinzelt und markant vorliegen. Interessanterweise sind
keine Agglomerate in den Detailaufnahmen in Abbildung 4-53 erkennbar. Die großen Partikel sind
nicht, wie in Abbildung Abbildung 4-26 (Seite 64) beobachtet, oberflächlich mit Partikeln der feinen
Fraktion belegt. Es ist anzunehmen, dass die bei der granulometrischen Untersuchung beobachteten
Agglomerate bei der Aufbereitung des Foliengießschlickers in der Kugelmühle aufgelöst wurden und
die Primärpartikel im Schlicker erfolgreich redispergiert werden konnten. Die in der raster-
elektronenmikroskopischen Analyse an ausgebranntem Pulver beobachteten Agglomerate haben sich
demnach nach dem Ausbrand der Folienprobe beim Handhaben des Pulvers neu formiert. An der
Grenzfläche zu LTCC-Substraten sind hingegen die deagglomerierten Primärpartikel gebunden und
nachweisbar. Die Schicht aus feinen Partikeln ist auf dem DP951 und dem BAM397-Substrat vereinzelt
Ergebnisse und Diskussion
84 BAM-Dissertationsreihe
unterbrochen und die LTCC-Oberfläche ist erkennbar. Auf dem BAM186-Substrat sind keine
Fehlstellen in der Schicht zu beobachten. Die deutlichen Unterschiede in der Schichtausbildung auf den
verschiedenen LTCCs und die Agglomeratbildung auf BAM186, die bei reiner A16 2h-Opferfolie
auftreten, sind in den REM-Aufnahmen in Abbildung 4-53 nicht feststellbar.
Abbildung 4-53: Detailaufnahmen von Oberflächen druckgesinterter LTCC-Substrate, Opferfolie
bimodal, REM Zeiss Supra 40, InLens-Detektor
Die Rauheitskennwerte der Opferfolien sind in Abbildung 4-54 als Funktion der Partikelgröße der
Opferfolie dargestellt. Die bimodale Opferfolie ist in dieser Darstellung nicht berücksichtigt, da eine
Einreihung der Partikelgröße nicht eindeutig möglich ist. Die gemittelte Rautiefe und die mittlere
Rauheit der Oberflächen steigen stetig mit zunehmender Partikelgröße der verwendeten Opferfolie. Die
Rautiefe liegt knapp eine Größenordnung über der mittleren Rauheit. Die Varianzanalyse (ANOVA) der
Rautiefen ergibt keinen signifikanten Unterschied der Mittelwerte der verschiedenen Substrate für
gleiche Opferfolien. Bei den groben Opferfolien ergibt die ANOVA der mittleren Rauheiten einen
signifikanten Unterschied zwischen BAM397 und BAM186 mit MR23 2 h, sowie eine signifikant
höhere mittlere Rauheit von DP951 gegenüber den anderen beiden Substraten mit MR23 0,5 h-
Opferfolie. Die gemittelten Rautiefe von BAM186 mit A16 2h-Opferfolie scheint als einzige von dem
stetigen Verlauf der Rautiefen abzuweichen. Auffällig ist auch die deutlich höhere Standardabweichung
dieses Kennwertes im Vergleich zu den anderen BAM186-Substraten.
Abbildung 4-54: Rautiefe und mittlere Rauheit verschiedener LTCC-Substrate nach druckunterstützter
Sinterung mit Al2O3-Opferfolien verschiedener Partikelgrößen, taktile Messung, Hommel-Etamic T8000
Ergebnisse und Diskussion
85
Die Analyse der einzelnen Messstrecken, aus denen die Rauheitskennwerte abgeleitet wurden, zeigt,
dass die markanten Agglomerate auf dem A16 2h –Substrat die Ursache für die Standardabweichung der
Rautiefe, und damit den erhöhten Mittelwert sind. Von den vier ausgewerteten Messstrecken, ergeben
zwei ein Rz < 1,5 µm. Diese Werte liegen dicht bei den Werten für DP951 und BAM397 und passen
sehr gut in den stetigen Kurvenverlauf. Die zugrundeliegenden Messtrecken erfassen jedoch keine
Agglomerate. Zwei weitere Messstrecken weisen deutliche Maxima in der Profilhöhe auf, die durch
Überfahren von Agglomeraten mit der Tastspitze des Messgeräts entstehen. In der Folge sind die
Rautiefen aus diesen Messungen deutlich höher. Abbildung 4-55 zeigt beispielhaft eine Messstrecke mit
markanten Maxima (oben) und eine Messtrecke, die kein Agglomerat erfasst hat (unten). Die mittlere
Rauheit wird von diesen scharfen Maxima nur geringfügig erhöht.
Abbildung 4-55: Messstrecken zur Bestimmung der Rauheitskennwerte auf BAM186 mit A16 2 h-
Opferfolie mit resultierenden Kennwerten, Hommel-Etamic T8000
oben: Messtrecke erfasst Agglomerate auf der Oberfäche,
unten: Messtrecke ohne Agglomerate, taktile Messung,
Eine derartige Agglomeratbildung wurde nur auf BAM186 mit A16 2 h-Opferfolie beobachtet. Diese
Opferfolie unterscheidet sich von den anderen hinsichtlich des verwendeten Rohstoffes. Die MR23
Opferfolien (Martinswerk) und die A16 Opferfolie (Almatis) bestehen beide aus Al2O3 der Reinheit
99,8 %. Beide Rohstoffe wurden vor dem Foliengießen mit demselben Verfahren gemahlen.
Unterschiede in der Reaktivität der Pulver durch unterschiedliche Oberflächenladungen o. Ä. sind nicht
bekannt, können jedoch nicht ausgeschlossen werden. Der Substratwerkstoff BAM186 unterscheidet
sich besonders durch die Reaktivität seiner Glasphase von den beiden anderen untersuchten LTCCs. Die
BAM186-Glasphase enthält mit einem Massenanteil von 0,3 Ma.-% nur eine sehr geringe Menge Al2O3
und neigt als einzige untersuchte Glasphase nicht zur Rekristallisation. Es ist davon auszugehen, dass
die Kombination der Glasphaseneigenschaften von BAM186, insbesondere die Löslichkeit von Al2O3,
und der Oberflächeneigenschaften der A16-Partikel das Fließverhalten der Glasphase dahingehend
beeinflussen, dass in Bereichen niedriger Packungsdichte der Partikel in der A16-Opferfolie ein tieferes
Eindringen der Glasphase erfolgt, als bei DP951 und BAM397. Nach dem Erstarren der Glasphase beim
Abkühlen bilden diese tief infiltrierten Bereiche als feste Agglomerate in der Opferfolie. Durch
Abbürsten der losen Partikel von der gesinterten Substratoberfläche können sie nicht abgelöst werden
und verbleiben als vereinzelte Erhebungen auf der Oberfläche. Abgesehen von diesem unerwarteten
Effekt bei einer Substrat/Opferfolie-Paarung, kann zusammenfassend festgestellt werden, dass durch die
Ergebnisse und Diskussion
86 BAM-Dissertationsreihe
Verwendung von Opferfolien mit verschiedenen Partikelgrößen die Struktur und Oberflächenrauheit von
druckgesinterten LTCC-Substraten wesentlich beeinflusst werden kann. Dabei ist eine Reduzierung der
mittleren Rauheit bis auf 100 nm durch die Verwendung feinkörniger Opferfolie mit Partikelgröße
d50 = 0,4 µm und d90 = 0,83 µm möglich. Opferfolien mit größeren Partikeln mit d90 = 3,78 µm erzeugen
Rautiefen über 2,5 µm. Die verschiedenen Opferfolien erzeugen auf den unterschiedlichen LTCC-
Werkstoffen Oberflächen, die sich hinsichtlich ihrer Rauheitskennwerte entweder statistisch nicht
signifikant oder allenfalls geringfügig unterscheiden.
Die Annahme, dass durch eine Senkung der Oberflächenrauheit direkt die prozessrelevante
Oberflächenqualität für Dünnfilmbeschichtungen verbessert wird, kann nicht bestätigt werden. Die
Ergebnisse der Bestimmung der Flächenwiderstände der Testbeschichtungen in Abbildung 4-56 zeigen
keinen eindeutigen Trend. Die Flächenwiderstände der Ti-Schichten aller untersuchten Substrate liegen
zwischen 0,5 Ω/ und 1,6 Ω/. Unter Berücksichtigung der Standardabweichungen kann festgestellt
werden, dass die Flächenwiderstände der Ti-Schicht auf BAM397 für A16 2 h, MR23 5 h und MR23 2 h
gleich sind, wobei der Mittelwert auf dem MR23 5 h-Substrat am niedrigsten ist. Der Flächenwiderstand
der Schicht auf dem MR23 0,35 h-Substrat ist signifikant höher. Auf BAM186 ist der Flächen-
widerstand mit A16 2 h-Oberfläche am niedrigsten, nimmt dann mit zunehmender Partikelgröße der
Opferfolie erst zu, dann wieder ab und ist auf der gröbsten Oberfläche am höchsten. Die Substrate mit
der gröbsten Opferfolie weisen die vergleichsweise höchsten Flächenwiderstände der Ti-Schicht auf.
Insgesamt wird der Flächenwiderstand der 1 µm dicken Ti-Schicht durch die Variation der Opferfolie
und der Substratwerkstoffe nur geringfügig beeinflusst. Verglichen mit dem Flächenwiderstand der Ti-
Schicht auf dem Referenzsubstrat von 0,66 Ω/ sind die Werte auf den LTCC-Substraten im Mittel
doppelt so hoch, wobei auf BAM186 mit der feinkörnigsten Opferfolie der Zielwert nahezu erreicht
wird.
Abbildung 4-56: Flächenwiderstände von 1 µm Ti-Beschichtungen und 50 nm Cr-Beschichtungen auf
verschiedenen, mit Al2O3-Opferfolien verschiedener Partikelgrößen druckunterstützt gesinterten LTCC-
Substraten, Vier-Leiter-Messung
Die mit 50 nm Schichtdicke deutlich dünnere Cr-Schicht zeigt wesentlich größere Schwankungen des
Flächenwiderstandes auf den verschiedenen Substrat/Opferfolie-Kombinationen. Die ermittelten Werte
liegen zwischen 10,5 Ω/ und 43,4 Ω/. Die DP951-Substrate weisen einen stetigen Anstieg des
Flächenwiderstandes mit zunehmender Partikelgröße der Opferfolie von 21,9 Ω/ bis 35,7 Ω/ auf. Im
Gegensatz dazu ist der Flächenwiderstand der Cr-Schicht auf den BAM397-Substraten auf der
feinkörnigsten Oberfläche mit 26,5 Ω/ am höchsten und sinkt dann mit zunehmender Partikelgröße der
Opferfolie auf 10,5 Ω/ bei MR23 2 h. Der Wert für die gröbste Opferfolie ist wieder leicht erhöht. Auf
BAM186 zeigt der Flächenwiderstand mit 43,4 Ω/ ein ausgeprägtes Maximum auf der MR23 5 h-
Ergebnisse und Diskussion
87
Oberfläche. Die Standardabweichung der Flächenwiderstände ist für DP951 mit 4 Ω/ auf der gröbsten
Oberfläche am größten. Auf den BAM397-Substraten sind die Standardabweichungen der Flächen-
widerstände kleiner als 1 Ω/, mit Ausnahme der feinkörnigen Oberfläche mit einer Standardabweichung
des Flächenwiderstandes von 3,5 Ω/. Auch BAM186 zeigt mit 3,7 Ω/ die größte Standardabweichung
des Flächenwiderstandes auf der feinkörnigen Oberfläche. Insgesamt weisen die Cr-Schichten auf
BAM186 die größten Standardabweichungen des Flächenwiderstandes auf.
Die in den AbbildungenAbbildung 4-54 undAbbildung 4-56 nicht eingeordneten Ergebnisse der mit
bimodaler Opferfolie erzeugten Oberflächen sind in Tabelle 4-9 zusammengefasst. In Übereinstimmung
mit den Befunden der REM-Untersuchung sind die Rautiefen und mittleren Rauheiten der drei LTCCs
nach ANOVA nicht signifikant unterschiedlich. Sie liegen mit Rz ≈ 2,35 und Ra ≈ 0,28 auf dem Niveau
der Kennwerte der groben MR23 0,5 h-Opferfolie. Die Flächenwiderstande der Ti-Schichten auf DP951
und BAM186 liegen mit ca. 1,35 Ω/ ebenfalls auf dem Niveau der grobkörnigen Oberflächen. Auf
BAM397 weist die Schicht einen geringeren Flächenwiderstand auf. Die 50 nm dünnen Cr-Schichten
haben auf DP951 und BAM186 ebenfalls gleiche Flächenwiderstände von ca. 30 Ω/ auf. BAM397
weist mit ca. 10 Ω/ einen deutlich niedrigeren Flächenwiderstand der Cr-Schicht auf. Wodurch diese
bessere Beschichtbarkeit, bei gleichen Rauheitskennwerten und elektronenoptisch nicht unterscheidbarer
Oberflächenstruktur, hervorgerufen wird, ist bislang ungeklärt. Der geringe Flächenwiderstand der Cr-
Schicht auf dem Referenzsubstrat von 6,1 Ω/ wird nicht erreicht. Über die Partikelgröße der Opferfolie
kann die prozessrelevante Oberflächenqualität für Dünnfilme nicht zuverlässig eingestellt werden.
Tabelle 4-9: Oberflächeneigenschaften von LTCC-Substraten nach druckunterstützter Sinterung mit
bimodaler Al2O3-Opferfolie, Standardabweichungen in Klammern
Substrat Rautiefe Rz / µm mittlere Rauheit Ra / µm Flächenwiderstand R/ / Ω/
*
1 µm Ti 50 nm Cr
DP951 2,41 (0,11) 0,28 (0,01) 1,38 (0,02) 27,08 (1,89)
BAM186 2,29 (0,22) 0,27 (0,02) 1,34 (0,03) 29,49 (1,77)
BAM397 2,35 (0,35) 0,28 (0,02) 1,11 (0,05) 11,27 (2,31)
* Flächenwiderstände von Dünnfilmen, Vier-Leiter-Messung
4.3.2 Opferfolie aus hexagonalem Bornitrid
Die Opferfolie aus hexagonalem Bornitrid erzeugt durch das leichte Abscheren des Werkstoffs bei der
Reinigung der gesinterten Substrate eine Rückstandsschicht, die sich deutlich von den Rückstanden von
Al2O3-Opferfolien unterscheidet. In Abbildung 4-57 sind die Oberflächen von DP951 und BAM186 in
der Übersicht gezeigt. Es sind keine Partikel der Opferfolie oder freie LTCC-Oberfläche erkennbar. Die
Rückstandsschicht ist geschlossen und wirkt recht gleichmäßig, wobei vereinzelt Defekte mit
Dimensionen im einstelligen Mikrometerbereich zu beobachten sind. Im Detail in Abbildung 4-58 sieht
man, dass die BN-Partikel regelrecht verschmiert sind. Die Schmierschicht ist jedoch nicht glatt
geschlossen, sondern sichtbar strukturiert. DP951 und BAM186 unterscheiden sich hinsichtlich der
Größe dieser Strukturelemente. Die Oberfläche von DP951 wirkt gröber. Kompakte Bereiche mit
Durchmessern von mehreren Mikrometern sind erkennbar. Auf BAM186 sind eher kleinere Erhebungen
beobachtbar, die feiner verteilt auf der Oberfläche zu finden sind. Ursächlich für diese
Strukturunterschiede ist vermutlich die Beschaffenheit der LTCC-Oberfläche unter der Schmierschicht.
Die Al2O3-Partikel in DP951 sind größer als die Partikel in BAM186. REM-Bilder der Mikrostruktur
von DP951 zeigen Partikel mit Durchmessern bis zu 10 µm. Lasergranulometrische Analysen der PGV
Ergebnisse und Diskussion
88 BAM-Dissertationsreihe
von BAM186 ergaben kugeläquivalente Partikeldurchmesser von d90 = 2,3 µm bzw. d97 = 2,9 µm. Bei
der Verzahnung von LTCC-Folie und Opferfolie beim Laminieren dringen gröbere Partikel der LTCC-
Folie tendenziell weiter in die Opferfolie ein als feine, und umgekehrt. Folglich wechselwirkt die
Opferfolie bei der Reinigung des gesinterten Substrats mit groben Partikeln stärker als mit feinen. Es ist
gut vorstellbar, dass die Struktur der Schmierschicht auf dem DP951-Substrat durch die Bedeckung
hervorstehender Al2O3-Partikel entsteht. Auf dem feinkörnigeren BAM186 ist die Schmierschicht
entsprechend feiner strukturiert.
Abbildung 4-57: Übersichtsaufnahmen von Oberflächen druckgesinterter LTCC-Substrate, Opferfolie
hexBN, REM Zeiss Supra 40, InLens-Detektor
Abbildung 4-58: Detailaufnahmen von Oberflächen druckgesinterter LTCC-Substrate, Opferfolie
hexBN, REM Zeiss Supra 40, InLens-Detektor
Tabelle 4-10: Oberflächeneigenschaften von LTCC-Substraten nach druckunterstützter Sinterung mit
hexBN-Opferfolie, Standardabweichungen in Klammern
Substrat Rautiefe Rz / µm mittlere Rauheit Ra / µm Flächenwiderstand R/ / Ω/
*
1 µm Ti 50 nm Cr
DP951 6,13 (0,39) 0,55 (0,06) 0,73 (0,04) 14,44 (1,53)
BAM186 1,9 (0,53) 0,23 (0,02) 0,59 (0,02) 7,68 (0,15)
* Flächenwiderstände von Dünnfilmen, Vier-Leiter-Messung
Die Rauheitskennwerte und Flächenwiderstände der Testbeschichtungen auf den Substraten in
Abbildung 4-13 geben die strukturellen Unterschiede wieder. Die grobe DP951-Oberfläche weist sehr
Ergebnisse und Diskussion
89
hohe Rautiefen über 6 µm auf, während die Rautiefe der BAM186-Oberfläche im Mittel kleiner als
2 µm ist. Die mittlere Rauheit des DP951-Substrats ist gegenüber den Al2O3-Opferfolien ebenfalls
deutlich erhöht. Der Kennwert des BAM186-Substrats liegt auf dem Niveau der Substrate, die mit
gröberen Al2O3-Opferfolien gesintert wurden. Die Flächenwiderstände der Testbeschichtungen sind
hingegen auf beiden hexBN-Testsubstraten geringer als auf den Subtraten mit Al2O3-Opferfolien, wobei
die Flächenwiderstände auf BAM186 kleiner sind als auf DP951. Auf dem BAM186-Substrat ist der
Flächenwiderstand der Cr-Schicht annähernd so niedrig wie auf dem Referenzsubstrat, der
Flächenwiderstand der Ti-Schicht ist im Vergleich sogar geringer.
Die Diskrepanz zwischen hohen Rauheitskennwerten und niedrigen Flächenwiderständen zeigt, wie
wichtig eine umfassende Evaluation der prozessrelevanten Oberflächen zur Bewertung von
Substratoberflächen ist. Die hexBN-Opferfolie hinterlässt eine Rückstandsschicht, die verhältnismäßig
große Unebenheiten aufweist, jedoch eine defektarme Kondensation von metallischen Dünnfilmen
erlaubt. Die reine Betrachtung der Flächenwiderstände auf den Testsubstraten legt eine gute Eignung der
hexBN-Opferfolie zur Herstellung von LTCC-Substraten für die Dünnfilmtechnologie nahe. Dazu muss
jedoch noch die Haftung verschiedener Dünnfilme auf der Rückstandsschicht, sowie die Haltbarkeit der
Oberfläche bei Ätzprozessen zur Dünnfilmstrukturierung und Ähnlichem nachgewiesen werden.
4.3.3 Glaskohlenstoff
Die Anwendung geeigneter Sinterparameter (siehe Tabelle 3-4, Seite 35), insbesondere Pressdruck,
Haltezeit- und Temperatur, resultiert in LTCC-Oberflächen, wie sie in Abbildung 4-59 dargestellt sind.
Die verschiedenen Substratwerkstoffe weisen unterschiedliche Oberflächenmerkmale auf. Die
Oberfläche des DP951-Substrats hat große Ähnlichkeit mit der frei gesinterten Oberfläche in
Abbildung 4-47. In ausgedehnten Bereichen ist die glasige Brennhaut ungestört ausgebildet und wird
vereinzelt von Partikeln der Dispersphase durchstoßen. Im Vergleich zur frei gesinterten Oberfläche
sind mehr Oberflächenporen erkennbar, das Substrat ist jedoch durch die druckunterstützte Sinterung
deutlich ebener und weist lateral keine Schwindung auf (zero shrinkage). Auf der Oberfläche des
BAM397-Substrats sind glatte, durch die Glaskohlenstoffplatte eingeebnete Bereiche erkennbar. Diese
sind unterbrochen von unregelmäßig geformten Vertiefungen mit deutlich ausgeprägten Konturen und
kleineren runden Poren. Die BAM186-Oberfläche wirkt in der Übersicht feinkörniger als die anderen
beiden Substrate. Eine glasige Brennhaut oder eingeebnete Bereiche sind in dieser Darstellung nicht
erkennbar. Die Vertiefungen in der Oberfläche ähneln in Größe, Form und Verteilung denen auf dem
BAM397-Substrat, wobei die Konturen deutlich weniger scharf sind.
Abbildung 4-59: Übersichtsaufnahmen von Oberflächen druckgesinterter LTCC-Substrate, Brennhilfs-
mittel Glaskohlenstoff, keine Opferfolie, REM Zeiss Supra 40, InLens-Detektor
Ergebnisse und Diskussion
90 BAM-Dissertationsreihe
In der Detailansicht der Oberflächen in Abbildung 4-60 bestätigt sich der Eindruck aus den
Übersichtsbildern. DP951 und BAM397 ähneln sich in den glatten Bereichen, die durch die Glasphase
gebildet werden und in Größe und Verteilung der runden Poren. Glatte, glasige Bereiche sind auf
BAM186 eher in den Vertiefungen erkennbar. Die erhabenen Bereiche zeigen eine feinkörnige Struktur.
In dieser Darstellung wird der Unterschied der Korngrößenverteilung der Dispersphasen von DP951 und
BAM186 ziemlich deutlich, der in Abschnitt 4.3.2 diskutiert wurde und zur unterschiedlichen
Ausprägung der Oberflächen bei der Sinterung mit hexBN-Opferfolie führt.
Abbildung 4-60: Detailaufnahmen von Oberflächen druckgesinterter LTCC-Substrate, Glaskohlenstoff,
keine Opferfolie, REM Zeiss Supra 40, InLens-Detektor
Die Oberflächenkennwerte der Testsubstrate sind in Tabelle 4-11 zusammengefasst. Die Rauheits-
kennwerte von DP951 sind wie bei den hexBN-Substraten gegenüber BAM186 erhöht, wobei die
Rautiefen nach druckunterstützter Sinterung mit Glaskohlenstoff gegenüber hexBN-Opferfolie für beide
LTCCs nur halb so groß sind. Die taktilen Kennwerte von BAM397 liegen auf dem Niveau von
BAM186. Die Flächenwiderstände der Testbeschichtungen sind auf allen drei Substraten auf dem
Niveau des Referenzsubstrats. DP951 weist nach druckunterstützter Sinterung mit Glaskohlenstoff
strukturell und in Bezug auf die Rauheitskennwerte dieselbe Oberfläche auf, wie nach freier Sinterung.
Als einziger Unterschied sind die Oberflächenporen der druckgesinterten Variante herauszustellen. Die
höheren Flächenwiderstände auf den druckgesinterten DP951-Substraten sind demnach auf diese Poren
zurückzuführen, die durch Unterbrechung der Oberfläche die Schichtqualität mindern.
Tabelle 4-11: Oberflächeneigenschaften von LTCC-Substraten nach druckunterstützter Sinterung mit
Glaskohlenstoff, ohne Opferfolie, Standardabweichungen in Klammern
Substrat Rautiefe Rz / µm mittlere Rauheit Ra / µm Flächenwiderstand R/ / Ω/
*
1 µm Ti 50 nm Cr
DP951 2,53 (0,14) 0,36 (0,04) 0,61 (0,02) 5,95 (0,37)
BAM186 0,8 (0,08) 0,09 (0,01) 0,57 (0,01) 5,15 (0,06)
BAM397 0,87 (0,13) 0,06 (0,01) 0,80 (0,02) 6,43 (0,08)
* Flächenwiderstände von Dünnfilmen, Vier-Leiter-Messung
Die druckgesinterten Oberflächen des BAM397 und BAM186-Substrats unterscheiden sich in den
Rauheitskennwerten und der Struktur von frei gesinterten Oberflächen. Die Rauheitskennwerte der
druckgesinterten Varianten sind geringer. Sie liegen auf dem Niveau des Referenzsubstrats. Im
Ergebnisse und Diskussion
91
Gegensatz zur frei gesinterten Variante, treten bei mit Glaskohlenstoff druckgesintertem BAM397 keine
Haftungsprobleme strukturierter Dünnfilme auf. In Abschnitt 4.4 werden Anwendungsbeispiele
vorgestellt, die belegen, dass diese Prozessvariante zur nacharbeitsfreien Herstellung von lateral
schwindungsfreien Dünnfilmsubstraten aus LTCC geeignet ist.
4.3.4 Bewertung der technologischen Nutzbarkeit
Die im Abschnitt 4.3 präsentierten Ergebnisse zeigen, dass durch die Wahl geeigneter Brennhilfsmittel,
bzw. durch die gezielte Anpassung dieser, eine Vielzahl verschiedener Substratoberflächen mit
unterschiedlichsten Leistungsmerkmalen direkt im Drucksinterprozess erzeugt werden kann. Abhängig
vom Mechanismus der Oberflächenausbildung ist die Wirkungsweise der Brennhilfsmittel im
Wesentlichen unabhängig vom Substratwerkstoff (Al2O3-Opferfolien), oder stark von den Sinter- und
Gefügeeigenschaften beeinflusst (Glaskohlenstoff, hexBN-Opferfolie). Unabhängig davon ermöglichen
die vorgestellten technologischen Varianten neue Anwendungskonzepte, die bisher nicht oder nur durch
intensive Nachbearbeitung der druckgesinterten Substrate umsetzbar waren. Ein besonders
eindrucksvolles Beispiel ist die Herstellung von dünnsten LTCC-Substraten (50 µm) mit sehr guter
Ebenheit ohne laterale Schwindung und einer homogen dünnfilmbeschichtbaren Seite. Diese
Kombination von Leistungsmerkmalen konnte bisher nur durch aufwendiges Schleifen und Polieren
druckgesinterter Substrate erzeugt werden. Die Anwendung von Glaskohlenstoff als Brennhilfsmittel
macht bei Einstellung geeigneter Prozessparameter die Nacharbeit überflüssig. Die unterschiedlichen
Brennhilfsmittel können anforderungsspezifisch kombiniert werden. Das bedeutet, ein LTCC-Substrat
kann mit einer dünnfilmfähigen Oberseite und einer durch geeignete Rauheit fügeoptimierten Unterseite
in einem Schritt hergestellt werden. Hierzu werden Anwendungsbeispiele, die im Rahmen dieser Arbeit
realisiert wurden, in Abschnitt 4.4 vorgestellt.
Der hohe technologische Nutzwert einer gezielten Brennhilfsmittelentwicklung wird bewusst, wenn die
erarbeiteten Ansätze konsequent weitergedacht werden. Die Experimente mit bimodaler und hex-BN-
Opferfolie haben gezeigt, dass man als Anwender zur Darstellung einer geometrischen Schwindungs-
beschränkung für LTCC nicht auf monomodal verteile Al2O3-Grünfolien beschränkt ist. Durch die
Nutzung, bzw. Entwicklung von Grünfolien aus verschiedensten nicht sinternden Pulvergemischen
könnten Oberflächen erzeugt werden, die sich stofflich gänzlich von LTCC unterscheiden. Diese
Trennung von Oberflächen- und Volumeneigenschaften eines Bauteils ist in verschiedensten
technischen Gebieten ein erfolgreiches Konzept zur Funktionsintegration bzw. Leistungssteigerung von
Halbzeugen oder Bauteilen.
Nach bisherigem Stand der Technik war eine Herstellung von LTCC-Substraten mit dünnfilmfähiger
Oberfläche im Drucksinterprozess nicht möglich. Durch die Verwendung von Glaskohlenstoff als
Brennhilfsmittel wird diese technologische Einschränkung überwunden. Die Anwendung von
Glaskohlenstoff ist jedoch nicht notwendigerweise nur als glatte Platte möglich. Es ist bereits ein
Forschungsvorhaben geplant, in dem untersucht wird, inwiefern strukturierte Glaskohlenstoffmatrizen
zur prozessintegrierten Formgebung von LTCC (Sinterprägen) einsetzbar sind. Denkbar sind hier
zunächst Kanäle, Stege, sowie 2-dimensionale Erhebungen und Vertiefungen, die z.B. den Einbau von
LTCC-Modulen oder -Mikrosystemen in übergeordnete Baugruppen erleichtern oder die Positionierung
und Fügung von Integrierten Schaltkreisen, Fluidik-Anschlüssen oder anderen Bauteilen auf dem
gesinterten LTCC-Substrat erleichtern, bzw. verbessern.
Mit den erarbeiteten Brennhilfsmittelkonzepten ist die Voraussetzung geschaffen, LTCC-Oberflächen
im Drucksinterprozess strukturell, stofflich und durch prozessintegrierte Formgebung gemäß den
Anforderungen der Anwendung anzupassen. Der Nutzwert der Drucksintertechnologie wird damit
wesentlich über die Beschränkung der lateralen Schwindung und Erzeugung einer hohen Ebenheit
erweitert. Eine innovative Nutzung der erläuterten Gestaltungsfreiheit ermöglicht darüber hinaus die
Entwicklung innovativer Anwendungskonzepte der LTCC-Technologie.
Ergebnisse und Diskussion
92 BAM-Dissertationsreihe
4.4 Anwendungsbeispiel: Dehnungssensoren
Im Rahmen des BMBF-geförderten Verbundforschungsvorhabens nanoDMS (FKZ: 13N10919) wurden
einige der beschriebenen Technologievarianten bereits erfolgreich zur Entwicklung innovativer
Sensoren eingesetzt. Ziel des Vorhabens war es, Dehnmessstreifen (DMS) mit einem neuartigen, hoch-
empfindlichen Dünnfilm als Resistor auf LTCC-Substraten zu entwickeln und daraus Drucksensoren
und Wägezellen aufzubauen. Neben den stofflichen Anforderungen an das LTCC-Substrat – möglichst
niedriger Elastizitätsmodul und möglichst hoher thermischer Ausdehnungskoeffizient – waren eine gute
Beschichtbarkeit der Oberseite und eine gute Fügbarkeit der Unterseite zu gewährleisten. Die DMS
sollten u. a. flächig auf metallische Biegebalken gefügt werden und sind im Einsatz einer
Biegespannung ausgesetzt. Dadurch war eine hohe Ebenheit der Substrate erforderlich. Um die
Deformation der metallischen Trägerstruktur unverändert auf die Resistorschicht zu übertragen, sollten
die Substrate möglichst dünn ausgeführt werden.
Zur Erfüllung des Anforderungsprofils wurden 100 µm dünne Substrate aus BAM397 durch
druckunterstützte Sinterung mit Glaskohlenstoff als Brennhilfsmittel hergestellt. Im Laufe des Projektes
konnten Substratdicken bis 50 µm bereitgestellt werden. Diese bogen sich jedoch aufgrund von Schicht-
spannungen und dem geringen Elastizitätmodul von BAM397 im Beschichtungsprozess zu stark. Die
Dehnungsempfindlichkeit der Resistorschicht ist abhängig von der Homogenität der Substratoberfläche.
Auf Siliciumwafern erreichen diese Schichten einen Verstärkungsfaktor (relative Widerstandsänderung
der Schicht bei definierter Dehnung) von bis zu 30 [KOP2009, KOP2012]. Zum Vergleich:
Handelsübliche Polyimid-DMS mit Resistoren aus NiCr oder Konstantan-Metallfolie haben
Verstärkungsfaktoren in der Größenordnung um 2 [HAN1992b]. Auf den druckgesinterten BAM397-
Substraten konnten Schichten mit Verstärkungsfaktoren bis 15 abgeschieden werden. Die Rückseite der
Substrate wurde mit grober Opferfolie hergestellt. Auf den Biegebalken wurden die DMS mit
konventionellem DMS-Adhesiv gefügt. Dabei traten keine Haftungsprobleme auf. Die Drucksensoren
wurden mit einem innovativen Sinterverfahren unter Verwendung einer niedrigsinternden Silberpaste
bei 280 °C und 20 MPa axialem Druck gefügt. Dazu wurden die Substratrückseiten zuvor mit einem
haftvermittelnden Dünnfilm-Schichtsystem metallisiert. Diese Sensoren weisen gegenüber Sensoren, die
mit typischen Zinn-Silber-Goldloten gefügt wurden, eine dreifache Überlastfähigkeit auf.
Abbildung 4-61 zeigt die entwickelten Demonstratoren einer Wägezelle und eines Drucksensors mit
LTCC-Dünnfilm-DMS.
Abbildung 4-61: Wägezellen-Biegebalken (links) und Drucksensor (rechts) mit Dünnfilm-
Dehnungssensoren auf LTCC-Substraten mit maßgeschneiderten Oberflächen
An den Demonstratoren konnten gute Leistungsmerkmale (darunter Empfindlichkeit, Genauigkeit,
Reproduzierbarkeit der Messergebnisse) bestimmt werden. Die Ergebnisse des Forschungsvorhabens
belegen den hohen technologischen Nutzwert der in dieser Arbeit dargestellten Brennhilfsmittel- und
Prozessentwicklungen
93
5 Zusammenfassung
Zur Weiterentwicklung der Drucksintertechnologie für niedrigsinternde Glas-Keramik-Komposite bzw.
LTCC wurden in der vorliegenden Arbeit Ansätze zur Modellierung der Verdichtung vorgestellt und
bewertet, sowie neue Brennhilfsmittelkonzepte zur prozessintegrierten Einstellung von Ober-
flächeneigenschaften der Sinterteile erarbeitet. Für verschiedene LTCC-Werkstoffe und einen
niedrigsinternden NiCuZn-Ferrit wurden Mastersinterkurven (MSCs) erstellt und mit Anpassungs-
funktionen modelliert. Ein Vergleich der ermittelten Modellparameter für die nominell drucklose
Sinterung von Pulverpresslingen und Folienlaminaten desselben Werkstoffs (BAM397) ergab, dass das
Formgebungsverfahren einen signifikanten Einfluss auf die Gestalt und den Verlauf der MSC hat. Für
eine anwendungsorientierte Modellierung kommen nur Folienlaminate als Probekörper in Betracht. Als
neue Anwendungsmöglichkeit des MSC-Modells wurde ein Rechenweg vorgestellt, der es ermöglicht,
bei isotropem Verhalten die mittels MSC simulierte Verdichtungskurve in den Verlauf der linearen
Schwindung umzurechnen. Ausgehend von derart simulierten Schwindungskurven wurde der Verlauf
der Schwindungsfehlpassung in einem Kombinationslaminat aus BAM474-LTCC und NiCuZn-Ferrit
während der Sinterung für verschiedene Heizregime simuliert. Das Ergebnis, eine Verringerung der
Schwindungsfehlpassung durch Erhöhung der Heizrate, konnte experimentell sowohl durch
Schwindungsmessungen als auch anhand von Mikrostrukturuntersuchungen bestätigt werden. Die
Modellierung der druckunterstützten Sinterung des kommerziellen LTCC-Werkstoffs DP951 erfolgte
auf der Grundlage von TMA-Messdaten unter der Berücksichtigung der während der Messungen
auftretenden Kriechverformungen. Um die MSCs der verschiedenen untersuchten Pressdrücke (2 kPa
bis 500 kPa) zu einer PMSS (Masteroberfläche) kombinieren zu können, wurde eine über den
untersuchten Druckbereich konstante Aktivierungsenergie von 400 kJ/mol bestimmt. Die
Übereinstimmung von simulierter und experimentell ermittelter Verdichtung im dynamischen
Heizregime ist sehr gut. Bei Haltezeiten wird die Verdichtung vom Modell überschätzt. Das Modell in
Kombination mit der Kenntnis des Kriechverhaltens aus der TMA-Analyse erlaubt eine umfassende und
systematische Beschreibung des Sinterverhaltens von LTCC bei Druckunterstützung und eine
zuverlässige Voraussage der Verdichtung im dynamischen Heizregime und bei konstantem Druck. Für
die Simulation wechselnder Pressdrücke und zur genaueren Beschreibung der Verdichtung während
Haltezeiten sind Anpassungen des Grundmodells notwendig.
Bei der Drucksinterung unter Verwendung nichtsinternder Opferfolien wird die Oberflächenstruktur der
gesinterten LTCC-Substrate durch Rückstände dieser Opferfolien bestimmt. Zur Untersuchung des
Einflusses der Opferfolieneigenschaften auf die resultierenden Oberflächenstrukturen wurden
verschiedene Opferfolien entwickelt. Anhand von Al2O3-Folien mit verschiedenen Partikelgrößen-
verteilungen konnte gezeigt werden, dass die Oberflächenrauheit eines gesinterten LTCC-Bauteils über
die Partikelgröße der Opferfolie gezielt verändert werden kann. Kleinere Partikel führen zu niedrigerer
Rauheit. Die erzielbaren Rautiefen sind unabhängig vom darunterliegenden LTCC-Werkstoff und
reichen von 1 µm für kleine Partikelgrößen bis über 2,5 µm für Opferfolien mit d90 = 3,78 µm. Die
mittlere Rauheit skaliert bei Verwendung der entwickelten Al2O3-Folien entsprechend im Bereich
100 nm bis 300 nm. Eine Verbesserung der Dünnfilmeignung der gesinterten Oberflächen durch
Verringerung der Al2O3-Partikelgröße in der Opferfolie ist nicht möglich. Die im Rahmen dieser Arbeit
entwickelte hexBN-Opferfolie erzeugt Rückstände, die beim Abbürsten nach der Drucksinterung
abscheren und eine verschmierte Schicht bilden. Die resultierende Oberflächenstruktur ist abhängig von
der Partikelgrößenverteilung der Dispersphase des darunterliegenden LTCC-Werkstoffs. Kleinere
Partikel führen zu niedrigerer Rautiefe und verbesserter Dünnfilmeignung. Der Flächenwiderstand eines
50 nm dünnen Cr-Films auf einem feinkörnigen Substrat (BAM186, d90 = 2,3 µm) liegt mit 7,7 Ω/ dicht
beim Referenzwert für Al2O3-Dünnfilmsubstrate (6,6 Ω/).
Rückstandsfreie LTCC-Oberflächen mit sehr guter Dünnfilmeignung wurden unter Verwendung von
Glaskohlenstoff als Pressplatte anstelle von Opferfolie hergestellt. Wegen der Sauerstoffempfindlichkeit
Zusammenfassung
94 BAM-Dissertationsreihe
des Glaskohlenstoffs wurde im Rahmen der Entwicklung dieses Sinterverfahrens systematisch
untersucht, ob die Entbinderungstemperatur von Grünfolien auf 400 °C gesenkt werden kann. Dabei
wurde festgestellt, dass die letzte Phase der Entbinderung, konkret 2 % bis 4 % des gesamten
Masseverlusts, unabhängig vom Bindersystem (PA, PC oder PVB) und dem Heizregime erfolgt.
Ursächlich für dieses Verhalten sind Kohlenstoffrückstände auf den Partikeloberflächen, deren
Ausbrand an Luft Temperaturen bis 600 °C erfordert. Der untersuchte LTCC-Versatz (BAM397) bindet
mehr Rückstände als reines Al2O3-Pulver. Feine Pulver binden aufgrund ihrer größeren Oberfläche mehr
Kohlenstoffrückstand als grobe. Eine vollständige Entbinderung bis 400°C ist unter reinem Sauerstoff
möglich. Um eine vollständige Entbinderung zu gewährleisten und gleichzeitig die Oxidation der
Glaskohlenstoffplatte zu verhindern, wurde für die Drucksinterung mit Glaskohlenstoff folgendes
Verfahren entwickelt: Entbinderung unter Pressluftspülung bis 500 °C mit Haltezeit und anschließende
Sinterung unter reduziertem Sauerstoffpartialdruck (< 300 ppm). Zur Ausbildung glatter,
dünnfilmfähiger LTCC-Oberflächen in diesem Prozess müssen Sintertemperatur, Pressdruck und
Haltezeit werkstoffspezifisch so angepasst werden, dass eine Schädigung durch Oberflächenporen
vermieden wird. Die Oberflächenporen entstehen und wachsen vermutlich zur Relaxation von
Zugspannungen, die im LTCC-Gefüge an der Grenzfläche zum Glaskohlenstoff auftreten. Geeignete
Sinterparametersätze wurden für die Modellwerkstoffe DP951, BAM397 und BAM186 gefunden. Die
Dünnfilmeignung der Oberflächen wurde mit 50 nm Cr-Beschichtungen nachgewiesen. Der
Flächenwiderstand der Beschichtungen ist auf allen drei Testsubstraten geringer als 6,6 Ω/ und damit
auf dem Niveau von Al2O3-Dünnfilmsubstraten. Mit diesem Sinterverfahren konnten zum ersten Mal
dünne, leistungsfähige LTCC-Dehnmessstreifen mit Dünnfilmresistor ohne Nacharbeit der Oberfläche
hergestellt werden.
Die in der vorliegenden Arbeit dargestellten Ergebnisse leisten einen wertvollen Beitrag zur
Verbesserung und Weiterentwicklung der Drucksintertechnologie. Durch den Einsatz der beschriebenen
Modellierungskonzepte kann die Gestaltung optimaler Drucksinterparameter zeit- und materialsparender
durchgeführt werden. Zudem verbessert die Auseinandersetzung mit dem Modell das Verständnis des
Werkstoffverhaltens im Drucksinterregime und trägt dadurch zu einer Verringerung der Versuchsanzahl
und damit zu einer Verkürzung von Entwicklungszeiten bei. Ausgehend von den vorgestellten
Brennhilfsmittelkonzepten kann das Einsatzgebiet der Drucksintertechnologie maßgeblich erweitert
werden. Durch die gezielte Einstellung gewünschter Oberflächeneigenschaften während der Sinterung
reduzieren sich die Nacharbeitskosten erheblich und bisher nicht verfügbare Eigenschafts-
kombinationen, wie beispielsweise Dünnfilmsubstrate mit geringsten Bauteildicken, werden überhaupt
erst möglich.
95
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99
7 Anhang
7.1 Verwendete Formelzeichen und Symbole
εfrei - Längenänderungsgeschwindigkeit bei freier, isotroper Schwindung
εlateral - relative Längenänderungsgeschwindigkeit in der x-y-Ebene
εx/y/z - relative Längenänderungsgeschwindigkeit in x/y/z-Richtung
νp - viskose Poissonzahl
ρ - spezifischer Widerstand
ρ - spezifischer Widerstand
a - allgemeine Variable
A1 - allgemeine Variable
A2 - allgemeine Variable
b - allgemeine Variable
c - allgemeine Variable
d - Schichtdicke
D0 - Diffusionskonstante für ein System
d10…97 - Partikeldurchmesser, der größer ist als 10…97 % der Partikel
Db - Diffusionskoeffizient für Grenzflächendiffusion
Dv - Diffusionskoeffizient für Volumendiffusion
EP - uniaxiale Viskosität
G - mittlere Partikelgröße
h - anpassbarer Parameter der MSC-Modellfunktion
I - elektrische Stromstärke
k - Anisotropiefaktor
kB - Boltzmann-Konstante
L - Länge
L0 - Ausgangslänge
m - Masse
m0 - Ausgangsmasse
p - Abstand von Messelektroden
q - Abstand von Messelektroden
Q - Aktivierungsenergie
R - ideale Gaskonstante
R - ohmscher Widerstand
R/ - Flächenwiderstand
Ra - arithmetischer Mittenrauwert
Anhang - Verwendete Formelzeichen und Symbole
100 BAM-Dissertationsreihe
Rz - mittlere Rautiefe
s - anpassbarer Parameter der MSC-Modellfunktion
T - Temperatur
U - elektrische Spannung
γ - Oberflächenenergie
Γb - zusammengefasster Skalierungsfaktor für Grenzflächendiffusion
Γv - zusammengefasster Skalierungsfaktor für Volumendiffusion
δ - Grenzflächenbreite
ΔL - relative Längenänderung (Messwerte)
ΔLkorr - korrigierte relative Längenänderung (Messwerte)
Δm - relativer Masseverlust
Δmnorm - normierter Masseverlust
Δε - Schwindungsfehlpassung
Δφ - Potentialdifferenz
Θ - Mastervariable
Θ0, x0 - Parameter der MSC-Modellfunktion, center-Variable
Θref - Kennwert einer linearisierten MSC
ρ - relative Dichte
ρ0 - anpassbarer Modellparameter
ρgrün - Gründichte
ρmax - Sinterdichte der MSC Modellfunktion
ρmin - Gründichte der MSC-Modellfunktion
ρrein - Reindichte
ρroh - Rohdichte
ρsinter - Rohdichte der gesinterten Probe
σx/y/z - mechanische Spannung in x/y/z-Richtung
σzs - zur vollständigen Unterdrückung der lateralen Schwindung erforderlicher
Pressdruck
Φ - Verdichtungsverhältnis
φ - Potential
Ω - Atomvolumen
𝜀lateral - relative Längenänderung in der x-y-Ebene
𝜀total - maximale relative Längenänderung
𝜀x/y/z - relative Längenänderung in x/y/z-Richtung
Σ - hydrostatischer Sinterdruck
Anhang - Abkürzungsverzeichnis
101
7.2 Abkürzungsverzeichnis
ANOVA - statistische Varianzanalyse (analysis of variance)
BBP - Benzylbutylphthalat
BSG - Borosilikatglas
CLD - Dilatometrie mit zyklischer Belastung (cyclic
loading dilatometry)
DBP - Dibutylphthalat
DSF - diskontinuierliches Sinterpressen (discontinuous
sinter-forging)
HTCC - high temperature co-fired ceramics
LMG - Lösungsmittelgemisch
LTCC - low temperature co-fired ceramics
MEK - Methylethylketon
MSC - Master-Sinterkurve (master sintering curve)
PA - Polyacrylat
PC - Polycarbonat
PGV - Partikelgrößenverteilung
PMSS - Master-Drucksinteroberfläche (pressure-assisted
master sintering surface)
PVB - Polyvinylbutyral
REM - Rasterelektronenmikroskop
S.d.q.F. - Summe der quadratischen Fehler
TGA - Thermogravimetrische Analyse
TMA - Thermomechanische Analyse
WDX - wellenlängendispersive Analyse
Anhang - Abbildungsverzeichnis
102 BAM-Dissertationsreihe
7.3 Abbildungsverzeichnis
Abbildung 2-1: LTCC-Mehrlagensubstrat mit Beispielstrukturen ....................................................... 3
Abbildung 2-2: Sintermechanismen und schematische Mikrostrukturen von Glas-Keramik-
Pulvergemischen verschiedener Zusammensetzungen, Einteilung nach [RAB2005]..4
Abbildung 2-3: Fließschema der Prozessschritte zur Herstellung keramischer Mehrlagensubstrate ... 5
Abbildung 2-4: Schematischer Aufbau einer Foliengießeinheit ........................................................... 6
Abbildung 2-5: Beispiele für Heizprofile zur Sinterung von LTCC-Schaltungsträgern ....................... 8
Abbildung 2-6: Schematische Darstellung der Geometrieänderung eines würfelförmigen
Grünkörpers nach der Sinterung mit 40 % isotroper Volumenschwindung (links),
bzw. 40 % Volumenschwindung nur in z-Richtung bei Unterdrückung der
lateralen Schwindung mittels geometrischer Schwindungsbeschränkung (rechts) ..... 9
Abbildung 2-7 links: Durchbiegung und trapezförmiger Querschnitt eines LTCC-Laminats mit
Schwindungsbeschränkung durch ein starres Substrat (tape-on-substrate),
schematisch
rechts: konkave Kantenwölbung eines symmetrischen Laminats mit geometrischer
Schwindungsbeschränkung durch Opferfolien, schematisch .................................... 11
Abbildung 2-8 links: resultierende ebene Zugspannungen bei Sinterung mit geometrischer
Schwindungsbeschränkung ohne Pressdruck für zwei LTCCs, Daten aus
[MOH2006],
rechts: Vergleich der Sinterdichten der zwei LTCCs nach freier (isotroper) und
schwindungsbeschränkter Sinterung (zero shrinkage) mit verschiedenen
Heizgeschwindigkeiten, Daten aus [MOH2006] ....................................................... 12
Abbildung 2-9: Aufbau des Sinterstapels für die druckunterstützte Sinterung von LTCC-Substraten
mit Opferfolien .......................................................................................................... 12
Abbildung 2-10 links: Laterale Schwindung verschiedener kommerzieller LTCC-Werkstoffe bei
druckunterstützter Sinterung mit verschiedenen Pressdrücken, Daten aus
[HIN2007] rechts: Sinterdichte von DP951 nach freier Sinterung und
schwindungsbeschränkter Sinterung mit und ohne Pressdruck,
Daten aus [HIN2007] ................................................................................................. 13
Abbildung 2-11: Verlauf des zur vollständigen Unterdrückung der lateralen Schwindung
erforderlichen Pressdrucks über der Temperatur für verschiedene LTCCs,
Datenquellen im Diagramm ....................................................................................... 14
Abbildung 2-12: Kantenform von sechslagigen DP951-Substraten nach schwindungsbeschränkter
Sinterung ohne und mit konstantem Pressdruck, Fotos aus [HIN2002] .................... 14
Abbildung 2-13: Schwindung der Mittellage von LTCC-Substraten mit verschiedenen Gründicken
bei unterschiedlichen konstanten Pressdrücken, Daten aus [CHO2011] ................... 15
Abbildung 2-14: Viskosität von DP951 in Abhängigkeit von relativer Dichte und Temperatur,
isotherme CLD, Daten aus [MOH2005b] .................................................................. 18
Abbildung 2-15: Viskose Poissonzahlen verschiedener LTCC als Funktion der relativen Dichte,
Werte für Ceramtape GC aus [OLL2007], Werte für DP951 aus [MOH2005a] ....... 18
Abbildung 2-16 links: Dilatometrische Sinterkurven für Al2O3, Daten aus [SU1996]
rechts: Verlauf der daraus abgeleiteten Mastersinterkurve, Daten aus [SU1996] ..... 21
Anhang - Abbildungsverzeichnis
103
Abbildung 2-17: Vergleich zwischen Experiment und mittels MSC berechneter Schwindungskurve
für Al2O3 bei feld-aktivierter Sinterung mit 75 K/min und 50 MPa Druck,
zeitlicher Nullpunkt markiert den Beginn der Haltezeit bei 1200 °C,
Daten aus [GUI2010] ................................................................................................. 22
Abbildung 2-18: Bestimmung der Aktivierungsenergie Q durch Minimeren der Summe der
quadratischen Fehler, Daten aus [GUI2010] ............................................................. 23
Abbildung 2-19: Linearisierte MSC für eine 88 Gew.-% Wolfram-Legierung,
Daten aus [BLA2009] ................................................................................................ 24
Abbildung 3-1 links: Glaskohlenstoffplatte im Lieferzustand
rechts: schematische Darstellung der fullerenartigen Molekularstruktur von
glasartigem Kohlenstoff, Abbildung aus [HAR2004] ............................................... 26
Abbildung 3-2 links: Schematischer Aufbau des TMA80
rechts: Fotografie eines eingelegten LTCC-Mehrlagenprüfkörpers (hellblau,
DP951) mit Opferfolie, aufgesetzter Schubstange und Probenthermoelement im
Al2O3-Messsystem ..................................................................................................... 30
Abbildung 3-3: Relative Längenänderung und relative Längenänderungsgeschwindigkeit von
DP951 bei druckunterstützter Sinterung mit geometrischer Schwindungs-
beschränkung bei 100 kPa und 5 K/min mit Definition der Stauchtemperatur,
TMA 801 ................................................................................................................... 31
Abbildung 3-4: Prinzipskizze des Aufbaus der symmetrischen TGA ................................................ 33
Abbildung 3-5: Schematischer Aufbau der Sinterpresse bei Blick von der Ofentür in die
Quarzglasmuffel ........................................................................................................ 34
Abbildung 3-6: Aufbau des Sinterstapels bei druckunterstützter Sinterung mit Glaskohlenstoff ...... 35
Abbildung 3-7: Prinzipskizze zum Aufbau der Vier-Leiter-Messung zur Bestimmung des
Flächenwiderstandes .................................................................................................. 37
Abbildung 4-1 links: Bestimmung der Aktivierungsenergie zur Sinterung für BAM397
Pulverpresslinge und Mehrlagensubstrate mit geometrischer
Schwindungsbeschränkung (links),
rechts: MSCs für den quasi-isotrop schwindenden Pulverpressling und das nur in
Dickenrichtung schwindende Mehrlagensubstrat (Multilayer) ................................. 40
Abbildung 4-2 links: Bestimmung der Aktivierungsenergie für LTCC (BAM474) und Ferrit
(NiCuZn)
rechts: MSCs für LTCC und Ferrit ............................................................................ 42
Abbildung 4-3 links: Vergleich berechneter und gemessener Sinterkurven für LTCC (BAM474)
und Ferrit (NiCuZn) bei 1 K/min,
rechts: aus MSC berechnete lineare Schwindungskurven von LTCC und Ferrit bei
verschiedenen Heizgeschwindigkeiten, die Ellipsen markieren den Übergang zur
Haltezeit ..................................................................................................................... 43
Abbildung 4-4 links: Berechnete lineare Schwindungsfehlpassung von LTCC (BAM474) und
Ferrit (NiCuZn) bei verschiedenen Heizgeschwindigkeiten, rechts: gemessene
laterale Schwindung der kombinierten Mehrlagensubstrate in Abhängigkeit von
der Heizgeschwindigkeit ........................................................................................... 44
Abbildung 4-5: Mikrostrukturen der kombinierten Mehrlagensubstrate bei verschiedenen
Heizgeschwindigkeiten, REM LEO Gemini 1530 VP .............................................. 44
Anhang - Abbildungsverzeichnis
104 BAM-Dissertationsreihe
Abbildung 4-6: Relative Längenänderung von DP951 bei druckunterstützter Sinterung mit
geometrischer Schwindungsbeschränkung für verschiedene Drücke und
Heizgeschwindigkeiten, TMA 801 ............................................................................ 45
Abbildung 4-7: Maximale Dickenschwindung der D951 TMA-Proben bei den verschiedenen
Heizgeschwindigkeiten in Abhängigkeit vom Druck ................................................ 46
Abbildung 4-8: Relative Längenänderungsgeschwindigkeit von DP951 bei druckunterstützter
Sinterung mit geometrischer Schwindungsbeschränkung mit 5 K/min unter
verschiedenen axialen Drücken ................................................................................. 47
Abbildung 4-9 links: Maximale Schwindungsgeschwindigkeit von DP951 bei druckunterstützter
Sinterung mit geometrischer Schwindungsbeschränkung bei verschiedenen
Heizgeschwindigkeiten und axialen Drücken,
rechts: Temperaturen, bei denen die maximalen Schwindungsgeschwindigkeiten
auftreten ..................................................................................................................... 48
Abbildung 4-10: Stauchtemperaturen von DP951 und BAM186 bei verschiedenen
Heizgeschwindigkeiten und Drücken ........................................................................ 49
Abbildung 4-11: Kantenverformung der TMA-Proben nach druckunterstützter Sinterung mit
geometrischer Schwindungsbeschränkung bei verschiedenen Drücken mit
5 K/min, DP951, lichtmikroskopische Aufnahmen ................................................... 49
Abbildung 4-12: Relative Längenänderungsgeschwindigkeit von DP951 in Abhängigkeit von der
relativen Dichte bei druckunterstützter Sinterung mit geometrischer
Schwindungsbeschränkung ....................................................................................... 50
Abbildung 4-13 links: Schwindungskurven von DP951 bei druckunterstützter Sinterung mit
geometrischer Schwindungsbeschränkung bei 2 kPa und verschiedenen
Heizgeschwindigkeiten, TMA 801,
rechts: aus den Schwindungsdaten berechnete relative Dichte als Funktion der
Temperatur ................................................................................................................ 51
Abbildung 4-14 links: Bestimmung der Aktivierungsenergie für die quasi-drucklose Sinterung
(2 kPa) von DP951 mit geometrischer Schwindungsbeschränkung
rechts: MSC von DP951 für 2 kPa mit geometrischer Schwindungsbeschränkung .. 51
Abbildung 4-15: Auftragung einer Schwindungskurve von DP951 als linearisierte MSC mit
Bestimmung von Θref nach [BLA2009], Heizgeschwindigkeit 5 K/min .................. 52
Abbildung 4-16: Bestimmung der Aktivierungsenergie zur Sinterung von DP951 aus
TMA-Rohdaten .......................................................................................................... 53
Abbildung 4-17: Vergleich von berechneter und gemessener Verdichtung bei 25 kPa und drei
Heizgeschwindigkeiten .............................................................................................. 55
Abbildung 4-18: Differenz der mit Q = 400 kJ/mol und Q = 560 kJ/mol simulierten Dichten über
der Temperatur für drei Heizgeschwindigkeiten ....................................................... 56
Abbildung 4-19: MSCs für DP951 bei druckunterstützter Sinterung mit geometrischer
Schwindungsbeschränkung bei verschiedenen Drücken ........................................... 56
Abbildung 4-20: 3 d-Darstellung der PMSS für DP951 mit geometrischer Schwindungs-
beschränkung ............................................................................................................. 58
Abbildung 4-21 links: Isolinien der PMSS für konstante relative Dichten
rechts: Isolinien der PMSS für konstante Werte der Mastervariablen Θ ................... 58
Anhang - Abbildungsverzeichnis
105
Abbildung 4-22: Vergleich zwischen modellierter und experimenteller Schwindung,
(A) druckunterstützte Sinterung mit 100 kPa, geändertes Aspektverhältnis des
Prüfkörpers,
(B) druckunterstützte Sinterung mit 2 kPa und Haltezeit bei 865 °C ........................ 60
Abbildung 4-23: Mahlkurve von MR23 im Attritor, Partikelgrößenbestimmung mittels
Laserbeugung, Malvern Mastersizer 2000 ................................................................ 62
Abbildung 4-24: Partikelgrößenverteilungen der Pulver für die Opferfolienentwicklung,
Laserbeugung, Malvern Mastersizer 2000 ................................................................ 62
Abbildung 4-25: Gießviskositäten der Opferfolienschlicker in Abhängigkeit von der Partikelgröße,
Oszillationsmessung mit koaxialem Zylinder und Schergeschwindigkeit = 25 s-1
,
Anton Paar Physica MCR 3000 ................................................................................. 63
Abbildung 4-26 links: Partikelgrößenverteilung der bimodalen Pulvermischung im Vergleich zu
den eingesetzten Pulvern, Laserbeugung, Malvern Mastersizer 2000,
rechts: repräsentatives Partikelagglomerat aus entbinderter bimodaler Opferfolie,
REM Zeiss Supra 40, InLens-Detektor ..................................................................... 64
Abbildung 4-27: Entbinderung von LTCC-Grünfolien bis 400 °C,
links: Atmosphärenbedingungen und Temperaturprogramm,
rechts: unvollständig entbinderte LTCC-Substrate mit Verfärbung (schwarzer
Kern) und Sinterblockade, LTCC BAM397 .............................................................. 65
Abbildung 4-28: Thermische Entbinderung von LTCC-Grünfolien (BAM 397) mit verschiedenen
Bindern mit Vergrößerung der letzten 10 % Masseverlust. TGA,
Heizgeschwindigkeit 5 K/min. .................................................................................. 66
Abbildung 4-29: Thermische Entbinderung einzelner Grünfolienkomponenten. Feststoff BAM 397,
Binder QPAC 40 (Polycarbonat), Weichmacher BBP, TGA,
Heizgeschwindigkeit 5 K/min ................................................................................... 66
Abbildung 4-30: Thermische Entbinderung von LTCC-Grünfolie bei verschiedenen
Heizgeschwindigkeiten. Feststoff BAM 397, Binder Polyacrylat, TGA, Haltezeit
(HZ) bei 340 °C ......................................................................................................... 67
Abbildung 4-31: Thermische Entbinderung von Korund- und LTCC-Grünfolien mit verschiedenen
Bindern im Vergleich, LTCC: BAM 397, TGA, Heizgeschwindigkeit 5 K/min ...... 68
Abbildung 4-32: Einfluss der spezifischen Oberfläche auf die Endphase der thermischen
Entbinderung von Korund-Grünfolien, Binder Polyacrylat, TGA,
Heizgeschwindigkeit 5 K/min ................................................................................... 69
Abbildung 4-33: Normierter Masseverlust und Restkohlenstoffgehalt im Vergleich, TGA mit
Heizgeschwindigkeit 5 K/min, Kohlenstoffanalysator ELTRA CS-800 ................... 69
Abbildung 4-34: Vergleich der Restkohlenstoffgehalte von Korund 2 aus der TGA und dem
Schmelzaufschlussverfahren ..................................................................................... 70
Abbildung 4-35: Entbinderung von LTCC-Grünfolie bis 400 °C unter reinem Sauerstoff, ................. 71
Abbildung 4-36: Ergebnisse von Drucksinterexperimenten zur Ermittlung der niedrigsten
Entbinderungstemperatur, 70 × 70 mm² BAM397-Substrate mit Opferfolien,
ATV LTCC-Sinterpresse ........................................................................................... 71
Abbildung 4-37: Prozessbedingungen zur druckunterstützten Sinterung von BAM397 mit
Glaskohlenstoff .......................................................................................................... 72
Anhang - Abbildungsverzeichnis
106 BAM-Dissertationsreihe
Abbildung 4-38: Verschiedene Oberflächen von Glaskohlenstoffplatte nach Wiederaufbereitung,
Lichtmikroskop, bläuliche Einfärbung durch Differential-Interferenz-Kontrast ....... 73
Abbildung 4-39: Ausbildung der Porosität in LTCC nach Sinterung mit unterschiedlicher
geometrischer Schwindungsbeschränkung,
a) freie Sinterung,
b) Schwindungsbeschränkung durch Opferfolie,
c) Schwindungsbeschränkung durch starres Substrat, REM-Bilder aus[OLL2008] . 74
Abbildung 4-40: Oberfläche von BAM397-LTCC mitausgeprägtem Porenwachstum nach
druckunterstützter Sinterung mit Glaskohlenstoffplatte, REM Zeiss Supra 40,
InLens-Detektor ......................................................................................................... 75
Abbildung 4-41: Oberflächen von DP951-Substraten nach druckunterstützter Sinterung mit
Glaskohlenstoff und unterschiedlichen Pressdrücken und Haltezeiten, REM Zeiss
Supra 40, SE-Detektor ............................................................................................... 75
Abbildung 4-42: links: Oberfläche von DP951 nach druckunterstützter Sinterung mit
Glaskohlenstoff, Sekundärelektronen-Kontrast,
rechts: Querschliff einer mit Glaskohlenstoff druckgesinterten Oberfläche von
DP951, Rückstreuelektronen-Kontrast, JEOL Mikrosonde JXA-8900 RL ............... 76
Abbildung 4-43: Elementverteilung an der Oberfläche von frei gesintertem DP951, REM-Bild
mit SE-Kontrast, WDX-Analyse, JEOL Mikrosonde JXA-8900 RL ........................ 77
Abbildung 4-44: Elementverteilung an der Oberfläche von DP951 nach druckunterstützter
Sinterung mit Glaskohlenstoff, REM-Bild im SE-Kontrast, WDX-Analyse,
JEOL Mikrosonde JXA-8900 RL .............................................................................. 77
Abbildung 4-45: Elementverteilung am Querschliff von DP951 nach druckunterstützter Sinterung
mit Glaskohlenstoff, REM-Bild im SE-Kontrast, WDX-Analyse, JEOL
Mikrosonde JXA-8900 RL ........................................................................................ 78
Abbildung 4-46 oben: Schwindungsdeformation von DP951-Einzelfolien nach druckloser
Sinterung mit geometrischer Schwindungsbeschränkung durch Opferfolie auf der
Unterseite unten: Schwindungsdeformation von DP951-Einzelfolien nach
druckunterstützter Sinterung mit Opferfolie auf der Unterseite und aufgelegter
Glaskohlenstoffplatte (unten) .................................................................................... 80
Abbildung 4-47: Übersichtsaufnahmen von Oberflächen frei gesinterter LTCC-Substrate und des
Referenzsubstrats Rubalit 710, REM Zeiss Supra 40, InLens-Detektor ................... 80
Abbildung 4-48: Übersichtsaufnahmen von Oberflächen druckgesinterter LTCC-Substrate,
Opferfolie MR23 0,5 h, REM Zeiss Supra 40, InLens-Detektor ............................... 82
Abbildung 4-49: Detailaufnahmen von Oberflächen druckgesinterter LTCC-Substrate, Opferfolie
MR23 0,5 h, REM Zeiss Supra 40, InLens-Detektor ................................................ 82
Abbildung 4-50: Übersichtsaufnahmen von Oberflächen druckgesinterter LTCC-Substrate,
Opferfolie A16 2h, REM Zeiss Supra 40, InLens-Detektor ...................................... 82
Abbildung 4-51: Detailaufnahmen von Oberflächen druckgesinterter LTCC-Substrate, Opferfolie
A16 2 h, REM Zeiss Supra 40, InLens-Detektor ....................................................... 83
Abbildung 4-52: Übersichtsaufnahmen von Oberflächen druckgesinterter LTCC-Substrate,
Opferfolie bimodal, REM Zeiss Supra 40, InLens-Detektor ..................................... 83
Abbildung 4-53: Detailaufnahmen von Oberflächen druckgesinterter LTCC-Substrate, Opferfolie
bimodal, REM Zeiss Supra 40, InLens-Detektor ...................................................... 84
Anhang - Abbildungsverzeichnis
107
Abbildung 4-54: Rautiefe und mittlere Rauheit verschiedener LTCC-Substrate nach druck
unterstützter Sinterung mit Al2O3-Opferfolien verschiedener Partikelgrößen,
taktile Messung, Hommel-Etamic T8000 .................................................................. 84
Abbildung 4-55: Messstrecken zur Bestimmung der Rauheitskennwerte auf BAM186 mit A16 2 h-
Opferfolie mit resultierenden Kennwerten, Hommel-Etamic T8000 oben:
Messtrecke erfasst Agglomerate auf der Oberfäche, unten: Messtrecke ohne
Agglomerate, taktile Messung, .................................................................................. 85
Abbildung 4-56: Flächenwiderstände von 1 µm Ti-Beschichtungen und 50 nm Cr-Beschichtungen
auf verschiedenen, mit Al2O3-Opferfolien verschiedener Partikelgrößen
druckunterstützt gesinterten LTCC-Substraten, Vier-Leiter-Messung ...................... 86
Abbildung 4-57: Übersichtsaufnahmen von Oberflächen druckgesinterter LTCC-Substrate,
Opferfolie hexBN, REM Zeiss Supra 40, InLens-Detektor....................................... 88
Abbildung 4-58: Detailaufnahmen von Oberflächen druckgesinterter LTCC-Substrate, Opferfolie
hexBN, REM Zeiss Supra 40, InLens-Detektor ........................................................ 88
Abbildung 4-59: Übersichtsaufnahmen von Oberflächen druckgesinterter LTCC-Substrate,
Brennhilfsmittel Glaskohlenstoff, keine Opferfolie, REM Zeiss Supra 40,
InLens-Detektor ......................................................................................................... 89
Abbildung 4-60: Detailaufnahmen von Oberflächen druckgesinterter LTCC-Substrate,
Glaskohlenstoff, keine Opferfolie, REM Zeiss Supra 40, InLens-Detektor .............. 90
Abbildung 4-61: Wägezellen-Biegebalken (links) und Drucksensor (rechts) mit Dünnfilm-
Dehnungssensoren auf LTCC-Substraten mit maßgeschneiderten Oberflächen ....... 92
Anhang - Tabellenverzeichnis
108 BAM-Dissertationsreihe
7.4 Tabellenverzeichnis
Tabelle 3-1: Übersicht verwendeter Werkstoffe ............................................................................ 27
Tabelle 3-2: Übersicht Schlickerzusammensetzungen und Foliendicken ...................................... 28
Tabelle 3-3: Brennprogramme für die druckunterstützte Sinterung der LTCC-Substrate mit
verschiedenen Opferfolien ......................................................................................... 34
Tabelle 3-4: Brennprogramme für die druckunterstützte Sinterung von LTCC-Substraten mit
Glaskohlenstoffplatten, Entbinderung mit 1500 l/h Pressluftspülung, Sinterung
mit 1750 l/h Stickstoffspülung .................................................................................. 35
Tabelle 4-1: Parameter der MSC-Modellfunktionen für BAM397-Pulver und -
Mehrlagensubstrat mit geometrischer Schwindungsbeschränkung ........................... 40
Tabelle 4-2: Auswertung der angepassten Geraden aus Abbildung 4-16 ...................................... 53
Tabelle 4-3: Aktivierungsenergien und quadratische Fehlersummen (S.d.q.F.) aus MSC-
Berechnungen ............................................................................................................ 54
Tabelle 4-4: Parameter der MSC-Modellfunktionen für druckunterstützte Sinterung von
DP951 mit geometrischer Schwindungsbeschränkung bei verschiedenen Drücken . 57
Tabelle 4-5: Charakteristische Partikelgrößen der aufbereiteten Al2O3-Pulver für die
Opferfolienentwicklung, Laserbeugung, Malvern Mastersizer 2000 ........................ 62
Tabelle 4-6: Masseverluste von LTCC-Grünfolien mit verschiedenen Bindern nach
thermischer Entbinderung .......................................................................................... 64
Tabelle 4-7: Spezifische Oberfläche (BET) der Feststoffe ............................................................ 68
Tabelle 4-8: Oberflächeneigenschaften von frei gesinterten LTCC-Substraten und dem
Referenzsubstrat Rubalit 710 ..................................................................................... 81
Tabelle 4-9: Oberflächeneigenschaften von LTCC-Substraten nach druckunterstützter
Sinterung mit bimodaler Al2O3-Opferfolie ................................................................ 87
Tabelle 4-10: Oberflächeneigenschaften von LTCC-Substraten nach druckunterstützter
Sinterung mit hexBN-Opferfolie ............................................................................... 88
Tabelle 4-11: Oberflächeneigenschaften von LTCC-Substraten nach druckunterstützter
Sinterung mit Glaskohlenstoff, ohne Opferfolie ....................................................... 90
Anhang - Danksagung
109
7.5 Danksagung
Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der
BAM Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung. Für die freundliche Zusammenarbeit und
Unterstützung während dieser Zeit bedanke ich mich bei den Kolleginnen und Kollegen, allen voran den
Mitarbeitern des Fachbereichs Technische Keramik.
Vielen Dank an Prof. Dr. rer. nat. Alexander Michaelis für die Übernahme des Erstgutachtens und an
Prof. Dr.-Ing. Andreas Roosen für die Übernahme des Zweitgutachtens.
Mein ganz besonderer Dank gilt Dr. Torsten Rabe für die Betreuung der Arbeit und die zeitlichen
Freiräume, die mir zum Abfassen der Dissertation eingeräumt wurden.
Für unentbehrliche Unterstützung bei der experimentellen Arbeit, speziell der Versatzaufbereitung und
dem Foliengießen, bedanke ich mich bei Wolfgang Güther.
Ein Teil der Arbeit wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert (FKZ
13N10919). Für die Anschlussfinanzierung aus Mitteln der Abteilung Werkstofftechnik der BAM danke
ich Dr. Pedro Dolabella-Portella.
Darüber hinaus ein herzliches Dankeschön an
Dr. Stefan Reinsch vom Fachbereich Glas für thermogravimetrische Messungen,
Dr. Ralf Müller vom Fachbereich Glas für die Genehmigung den TMA 801 zu nutzen,
Matthias Weise vom Fachbereich Oberflächenmodifizierung und -messtechnik für Dünnfilm-
beschichtungen
Sigrid Benemann vom Fachbereich Oberflächenanalytik und Grenzflächenchemie für zahlreiche
REM-Aufnahmen
Theodor Moelders für die Politur der Glaskohlenstoffplatten,
Dr. Marion Gemeinert und Petra Kuchenbecker für Korrekturen.
Die Möglichkeit, eine Forschungsarbeit in einem so angenehmen und wohlwollenden Umfeld
anzufertigen, wie ich es erlebt habe, erscheint mir als Privileg, für das ich aufrichtig dankbar bin.