Menschen mit Demenz in der Gesellschaft - EURAC … · Aktiv und selbstbestimmt mit Demenz in einer...

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www.agp-sozialforschung.de 1 25.10.2014 Aktiv und selbstbestimmt mit Demenz in einer sorgenden Gesellschaft Prof. Dr. habil Thomas Klie Freiburg Gemeinsam Demenz begegnen … Bozen 25. Oktober 2014

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Aktiv und selbstbestimmt mitDemenz in einer sorgenden

GesellschaftProf. Dr. habil Thomas Klie

Freiburg

Gemeinsam Demenz begegnen …Bozen

25. Oktober 2014

www.agp-sozialforschung.de 225.10.2014

Aktiv & Selbstbestimmt?

• Können/dürfen wir die Prämissen unserer modernen Leistungsgesellschaft auf Menschen mit Demenz übertragen?

– Braucht es (zumindest) ein anderes Verständnisses von Aktivität ?

• Ist das Leitbild der Selbstbestimmung anthropologisch angemessen, wenn es um Vulnerabilität und Verwiesenheit auf Hilfe geht?

– Wie können wir Autonomie (wieder) anders denken ?

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Würde und Teilhabe

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1. Menschenwürde

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Johann Christoph Friedrich von Schiller

(1759 – 1805)

Nicht mehr davon,Ich bitt Euch.Zu essen gebt ihm und ein Dach –Habt Ihr die Blöße erst bedecktDann ergibt sich die Würde von selbst

Menschenwürde

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Im Grund genommen beginnt die ganze feinfühlige, die Menschenwürde achtende Auseinandersetzung mit dem anderen damit, dass wir ihm einen fundamentalen Respekt entgegenbringen

Richard Sennett

Würde und Respekt

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Die zwei Seiten der Würde

• Privatheit

– Mein Leben leben dürfen

– Bei mir sein können

– Respekt vor meinenGrenzen erleben

– Abwehr von Übergriffen, auch fürsorglichen

– Nicht Objekt werden

– Nicht gläsern sein

– Geheimnisse haben dürfen

• Zugehörigkeit

– Sich als Teil der für einenrelevanten Gesellschaft / Gemeinschaft erleben

– Wertschätzung in sozialerInteraktion erfahren

– Bedeutsam sein

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Kultur und Demenz

• Eine Gesellschaft, die sich nicht um Respektvor Hochbetagtenbemüht, hat keineKultur

(6. Altenbericht der Bundesregierung)

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Menschenwürde und soziale Beziehung

Würde ist kein Zustand, sondern eine soziale Beziehung, die nicht das leiseste Schwanken im Gleichgewicht zwischen Selbstachtung und der durch die anderen erfahrenen Bestätigung zulässt (Le Breton 2003)

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2. Teilhabe

• Das dem Menschensubjektiv elementarbedeutsame an gesellschaftlicherTeilhabe ermöglichen

• Auch für Menschen mitDemenz

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Teilhabe an ….

• Am Arbeitsleben• Am politischen Leben• Am Verkehr• Am Konsum• Am kulturellen Leben• Am gesellschaftlichen Leben• Am Leben der Familie• Am religiösen Leben

• An dem, was Menschen elementar bedeutsam ist

• Auch unter Bedingungen von Vulnerabilität

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Demenz und BRK

• Menschen mit Demenz sind Menschen mit Behinderungen

– Nicht reduziert auf Pflege

– Nicht gleichgesetzt mit Alter

– Ausgestattet mit Rechten

– Behindert durch Gesellschaft

• Herausforderung für Gesellschaft mit Demenzleben zu lernen

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Zivilisiertheit & Teilhabe

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Mit Demenz leben Lernen

• Praktisch

– Verstehen

– Kommunizieren

– respektieren

• Paradigmatisch

– Teilhabeorientierung

– Nicht pathologisieren

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Teilhabe & Begegnungen

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Teilhabe bei Demenz durch Pflege ?

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ländl. Regionen

Netzwerk

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Engagement gefragt

• Neue Bedeutung einerzivilgesellschaftlichenSichtweise

• Demenzfragen: nichtdelegationsfähig an Staat,Markt und Familie

• Gleichzeitig: keineFunktionalisierung und Instrumentaliserung derFreiwilligen

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Teilhabe: Meine oder Deine Freiheit?

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Teilhabe: Nicht selbstverständlich

• Rückzug– Aus Arbeit, Gesellschaft

• Scham– Achtungsverlust– Unsicherheit

• Pathologisierung– Medikalisierung– Distanzierung

• Dämonisierung– witchcraft

• Ausgrenzung– Sozial– physisch

• Pflegefall– Reduktion

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Teilgabe

• „Teilgabe meint, dass jedes Mitglied einer Gesellschaft seinen Beitrag zur Gestaltung des gesellschaftlichen Miteinanders in allen Fragen, die sein Leben betreffen, leisten kann. “ M. Gronemeyer

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3. Rückzug

• Recht auf Weltferne(Sloterdijk)

• Demenz als ein Weg ausdem Leben(R.Gronemeyer)

• Bedeutung innererWelten

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4.Who cares?

• „dass dein Leiden auch mein Leiden, dein Glück auch mein Glück ist, ist Voraussetzung für eine bessere Welt“ M.

Gronemeyer

• Zukunftsfrage im demographischen Wandel

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In Sorge um die Sorge

• Wird für mich gesorgt sein?

• Haben meine Kinder eine Zukunft?

• Sorgenbarometer der Deutschen

– Alter und Pflege ganz „oben“

• Nicht zur Last fallen wollen

– Bereitschaft zum Lebensverzicht

• Sorge um die Würde und Personalität

– Meritokratischer Würdebegriff

– „so will ich nicht enden“

– Recht auf den eigenen Tod

• Vertrauen auf Professionalisierung:– Pädagogik der Kindheit

– Pflege

→ Errungenschaft und Gefahr

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Sorge?

Ein betulicher, altmodischer Begriff?Neue Aktualität

Vorausschauende Anteilnahme des Menschen an seiner Umwelt und sich selbstdie Sorge um den anderen und das Glück des anderen als zentrale Dimension der Existenz „Die einfache Sorge ist aller Dinge Anfang“ (Albert Camus)die soziale und gesellschaftliche Bezogenheit des Menschen gehört zum Kern menschlicher Existenz (Hannah Arendt) Wer seine Person gestaltet, dessen Leben wird wahr (Selbstverantwortlichkeit). Wer sein Land mitgestaltet, dessen Leben wird ganz (Mitverantwortlichkeit) (Andreas Kruse ).

Überwindung einer ökonomisierten Sichtweise des Lebens und der Gesellschaft

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Caring Community

Eine sich sorgendeGemeinde, Kommune, sorgt sich Um Zukunftsfähigkeit

Um Kinder

Um Integration

Um Werte

Um Spiritualität

Um den Anderen

Um Vulnerable

Um Sterbende und Trauernde

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Gemeinschaften?

• Gemeinschaften, in denen gesorgt wird

– Familie

– Nachbarschaften

– Freundeskreise

– Selbstorganisation und Assoziierung

– Glaubensgemeinschaften

– Kommune• Kreis, Gemeinde, Sublokale

Einheiten, Quartier

• soziales Miteinander und gegenseitige Verantwortung

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Drei Ebenen einer subsidiär angelegten Gesellschaftsordnung

• Die selbsttätige und eigeninitiative Person

• Die haltende und unterstützende Sozialwelt

• Der gewährleistende und regulierende Staat

• “Führe Dein eigenes Leben!”

• “Kümmere Dich um DeinenNächsten”

• “Verstehe Dich auf das Allgemeine!”

Bude 2006

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SubsidiaritätOrdnungsprinzip und Resultat zugleich

Subsidiarität setzt voraus, dass eineübergreifende Gesamtaufgabe auf eine Vielfalt von Akteuren und Trägern verteilt ist, die sichergänzen, um zur Erfüllung derGesamtaufgabe das ihnenGemäße beizutragen

Einfache Bilder von konzentrischenKreisen der Verantwortungwerden unserer modernen, funktional ausdifferenziertenGesellschaft nicht mehr gerecht.

Der Rückgriff auf das Subsidiaritätsprinzip verlangt nacheiner Debatte über Fairness: auf dem Weg in die “geteilte Sorge”

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Staat Markt

Assoziationen

(Dritter

Sektor)

Primäre

Netze

(Informeller

Sektor)

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Subsidiarität: Erinnerung an Grundlagen der Solidarität

• Solidarität: Nicht (allein) pragmatischund rational – Auch die Logik der Zeitbanken wird

scheitern

• Die Ethik der Subsidiarität ankert in der “Güte der unbegrenztenVerantwortlichkeit”(Levinas), die in der familialen Erfahrung ihrenUrspung hat, aber in der Beziehungzum fremden Nächsten ihreBewährung findet (Bude)– Bedeutung der Sozialisation

• Bricht sich mit– Der Dominanz von Marklogiken,– Umfassenden

Sozialstaatserwartungen, – Machtstrukturen der

Sozialadministration

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Organisierte Solidarität?

• Kleine Lebenskreise– Familien

– Nachbarschaftliche Solidarität

– Wahlverwandtschaften

• Selbstorganisation– Selbsthilfe

– Genossenschaft

– Verein

• Verbandlich / staatlich organisiert– Ehrenamt

– Freiwilliges Engagement

– Freiwilligendienst

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Sorgende Gemeinschaft?

• Hilfemix als Gemeinschaft?

– Auf Zeit?

• Familien in Nachbarschaften als Gemeinschaft?

– i.S. örtlicher Solidarität

• (Wahl-) Verwandtschaften

– Wohnprojekte

– Genossenschaften

• Wohngemeinschaften/Wohn-gruppen als Gemeinschaft?– Neue Formen von familialer,

freundschaftlicher Solidarität

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