Maschinendiagnose an Industrie getrieben...MESSTECHNIK Maschinendiagnose an Industrie getrieben Teil...

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MESSTECHNIK Maschinendiagnose an Industrie getrieben Teil I: Grundlagen der Analyseverfahren In zunehmendem Maß ist die Verfügbarkeit und Zuver lässigkeit von Produktionsanlagen unmittelbar abhän gig von deren Komponenten wie z.B. Antriebssträngen. Allein ein Getriebe kann eine gesamte Anlage still set zen. Weiterhin ist bei modernen Produktionsanlagen ein Großteil des Kapitals in den Antriebssträngen ge bunden. Diese Kapitalbindung ist die Ursache dafür, dass Antriebsstränge häufig redundanzarm gestaltet werden. Darüber hinaus können Antriebe bei Fehlfunk tion ein enormes Gefährdungspotenzial für Mensch und Produkt darstellen. Heute erlauben exakte Signalanaly severfahren, Zustandswissen über Industriegetriebe aufzubauen. 1 Einleitung Die Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit von Produktionsanlagen ist in zunehmendem Maß unmittelbar abhängig von der Verfügbarkeit bzw. Zuverlässigkeit der Anlagenkomponenten. Antriebsstränge nelimen dabei eine Schlüsselrolle ein. Allein ein Getriebe verkör pert aufgrund der in den letzten Jahren zunehmenden Leistungs verdichtung häufig einen entscheidenden Teil des Fehler potenzials. Dazu kommt die Tatsache, dass in modernen Produk tionsanlagen ein Großteil des Kapitals in Antriebssträngen gebun den ist. Diese Kapitalbindung ist die Ursache dafür, dass Produk tionsanlagen häufig redundanzarm gestaltet werden. Darüber hi naus können Antriebe bei Fehlfunktion ein enormes Gefährdungs potenzial für Mensch und Technik darstellen. Diese Feststellungen führen zu der Erkenntnis, dass Antriebsstränge eine ganz besonde re Verfügbarkeits-, Zuverlässigkeits- und Sicherheitsrelevanz auf weisen. Daher ist Zustandswissen über Antriebe von besonderer Bedeutung. Exaktes Zustandswissen über Produktionsanlagen ermöglicht es, Unregelmäßigkeiten im Betrieb frühestmöglich zu erkennen, recht zeitig und langfristig - also planbar - Wartungs- und Instandset zungsmaßnahmen einzuleiten, Folgefehler und Fehlerwiederholun gen zu vermeiden. So lassen sich Anlagenausfälle auf ein Minimum reduzieren bzw. Stillstandszeiten für Wartungsmaßnahmen kurz halten. Ein qualifizierter Diagnoseservice erfordert jedoch mehr, als den Erwerb eines handelsüblichen Schwingungsmessgeräts. In erster Linie muss Personal aufgebaut und geschult werden, das die Mess technik bedient und die Messergebnisse interpretiert. Von den be treffenden Mitarbeitern muss man erwarten können, dass sie Grundkenntnisse auf den Gebieten Getriebetechnik, Akustik, Sys temtheorie, Elektronik und Informatik besitzen. Da die Maschinen diagnostik kein „fertig erforschter" Wissenschaftszweig ist, sondern ständig neue Erkenntnisse hinzukommen, muss man darüber hi naus von den Mitarbeitern ein gewisses Maß an Bereitschaft zur Weiterbildung verlangen. Dr.-lng. Rainer Wirth ist Leiter der Abteilung MesstedDiik/Masci/rnrndiagnose der Flender ESATEngineering & Service Antriebstechnik GmbH in 44625 Herne Von besonderer Bedeutung ist die Diagnosetechnik. Preisgüns tige handelsübliche Maschinendiagnosegeräte sind häufig auf spe zielle Diagnoseaufgaben zugeschnitten und genügen mitunter nicht allen Anforderungen, wenn das Diagnoseobjekt eine gewis se Komplexität aufweist. Insofern erfordert die Auswahl der Diagnosetechnik schon konkrete Verfahrens- sowie Hardware kenntrasse. Der vorliegende Beitrag erläutert Grundlagen zur Entstehung von Schwingungen und Möglichkeiten der Signalanalyse. Der Teil II im Novemberheft wird die Signalidentifikation anhand von Fallbei spielen erläutern. 2 Diagnoseverfahren Für die Zustandsbestimmung von Maschinen oder Komponenten steht mittlerweile eine Reihe von Messverfahren zur Verfügung, die alle ihre Berechtigung haben. Es ist immer abhängig vom konkre ten Problem und von der konkreten Anlage, welches Verfahren für welche Aufgabe besonders geeignet ist. Einen grundsätzlichen, all gemein anwendbaren Favoriten für die Maschinendiagnose gibt es nicht. Dennoch gibt es Verfahren, die sich dadurch auszeichnen, dass sie mit verhältnismäßig wenig Aufwand verhältnismäßig viele Infor mationen bereitstellen. Die Geräuschanalyse, die Schwingungs- Kennwertüberwachung und die Schwingungs-Tiefendiagnose ba sieren darauf, dass alle Veränderungen am Diagnoseobjekt Verän derungen in den Kraftumsetzungsprozessen nach sich ziehen, die in irgendeiner Form als Schwingungen messbar werden. Die Ge räuschanalyse wird überwiegend aus Gründen des Arbeitsschutzes angewandt. Natürlich kann durch die frequenzselektive Analyse des Luftschalls auch mehr oder weniger zuverlässig auf die Schwin gungsursache geschlossen werden. Die Überwachung von Schwin gungskennwerten zeigt Unregelmäßigkeiten an, jedoch in der Re gel, ohne dass diese exakt nach Schadensart und -ort spezifiziert werden können. Die Schwingungs-Tiefendiagnose dagegen ermöglicht die Analyse von Frequenz und Signalform und somit die Zuordnung zur Schwingungsursache. Schwingungs-Tiefendiagnose bedeu tet, • die Maschinenschwingung und den Körperschall am Gehäuse, • die relative Wellenschwingung, d.h. die radiale bzw. axiale Aus lenkung der Welle, • die Drehungleichförmigkeit der Welle, d. h. die Änderung der Winkelgeschwindigkeit oder • die Torsionsschwingung der Welle zu erfassen. Die Maschinenschwingungs- und Körperschallanalyse nutzt den Vorteil, dass die Wirkungen verschiedener Primärereignisse, die an unterschiedlichen Stellen auftreten, im Gehäuse zusammenlaufen, wodurch im Idealfall nur ein Sensor pro Getriebe benötigt wird. Unterhalb einer Mindestdrehzahl versagt die Körperschallanalyse, weil aufgrund des spezifischen drehzahlabhängigen Frequenzgangs der Erregerfunktion keine für Schalltransport geeigneten Schwin gungen erzeugt werden. Dagegen erfasst die Wellenschwingungsanalyse Ereignisse we sentlich näher am Ort ihrer Entstehung. Man benötigt hier aber ei ne wesentlich größere Anzahl von Sensoren. Dem steht der Vorteil gegenüber, dass auch bei sehr' niedrigen Drehzahlen noch eine Wälzlager- und Zahnraddiagnose möglich ist.

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  • MESSTECHNIK

    Maschinendiagnose an IndustriegetriebenTeil I: Grundlagen der Analyseverfahren

    In zunehmendem Maß ist die Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit von Produktionsanlagen unmittelbar abhängig von deren Komponenten wie z. B. Antriebssträngen.Allein ein Getriebe kann eine gesamte Anlage still setzen. Weiterhin ist bei modernen Produktionsanlagenein Großteil des Kapitals in den Antriebssträngen gebunden. Diese Kapitalbindung ist die Ursache dafür,dass Antriebsstränge häufig redundanzarm gestaltetwerden. Darüber hinaus können Antriebe bei Fehlfunk

    tion ein enormes Gefährdungspotenzial für Mensch undProdukt darstellen. Heute erlauben exakte Signalanalyseverfahren, Zustandswissen über Industriegetriebeaufzubauen.

    1 EinleitungDie Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit von Produktionsanlagen istin zunehmendem Maß unmittelbar abhängig von der Verfügbarkeitbzw. Zuverlässigkeit der Anlagenkomponenten. Antriebssträngenelimen dabei eine Schlüsselrolle ein. Allein ein Getriebe verkör

    pert aufgrund der in den letzten Jahren zunehmenden Leistungsverdichtung häufig einen entscheidenden Teil des Fehlerpotenzials. Dazu kommt die Tatsache, dass in modernen Produktionsanlagen ein Großteil des Kapitals in Antriebssträngen gebunden ist. Diese Kapitalbindung ist die Ursache dafür, dass Produktionsanlagen häufig redundanzarm gestaltet werden. Darüber hinaus können Antriebe bei Fehlfunktion ein enormes Gefährdungspotenzial für Mensch und Technik darstellen. Diese Feststellungenführen zu der Erkenntnis, dass Antriebsstränge eine ganz besondere Verfügbarkeits-, Zuverlässigkeits- und Sicherheitsrelevanz aufweisen. Daher ist Zustandswissen über Antriebe von besonderer

    Bedeutung.Exaktes Zustandswissen über Produktionsanlagen ermöglicht es,

    Unregelmäßigkeiten im Betrieb frühestmöglich zu erkennen, rechtzeitig und langfristig - also planbar - Wartungs- und Instandsetzungsmaßnahmen einzuleiten, Folgefehler und Fehlerwiederholungen zu vermeiden. So lassen sich Anlagenausfälle auf ein Minimumreduzieren bzw. Stillstandszeiten für Wartungsmaßnahmen kurzhalten.

    Ein qualifizierter Diagnoseservice erfordert jedoch mehr, als denErwerb eines handelsüblichen Schwingungsmessgeräts. In ersterLinie muss Personal aufgebaut und geschult werden, das die Messtechnik bedient und die Messergebnisse interpretiert. Von den betreffenden Mitarbeitern muss man erwarten können, dass sieGrundkenntnisse auf den Gebieten Getriebetechnik, Akustik, Systemtheorie, Elektronik und Informatik besitzen. Da die Maschinendiagnostik kein „fertig erforschter" Wissenschaftszweig ist, sondernständig neue Erkenntnisse hinzukommen, muss man darüber hinaus von den Mitarbeitern ein gewisses Maß an Bereitschaft zurWeiterbildung verlangen.

    Dr.-lng. Rainer Wirth ist Leiter der Abteilung MesstedDiik/Masci/rnrndiagnoseder Flender ESATEngineering & Service Antriebstechnik GmbH in 44625 Herne

    Von besonderer Bedeutung ist die Diagnosetechnik. Preisgünstige handelsübliche Maschinendiagnosegeräte sind häufig auf spezielle Diagnoseaufgaben zugeschnitten und genügen mitunternicht allen Anforderungen, wenn das Diagnoseobjekt eine gewisse Komplexität aufweist. Insofern erfordert die Auswahl derDiagnosetechnik schon konkrete Verfahrens- sowie Hardwarekenntrasse.

    Der vorliegende Beitrag erläutert Grundlagen zur Entstehungvon Schwingungen und Möglichkeiten der Signalanalyse. Der Teil IIim Novemberheft wird die Signalidentifikation anhand von Fallbeispielen erläutern.

    2 DiagnoseverfahrenFür die Zustandsbestimmung von Maschinen oder Komponentensteht mittlerweile eine Reihe von Messverfahren zur Verfügung, diealle ihre Berechtigung haben. Es ist immer abhängig vom konkreten Problem und von der konkreten Anlage, welches Verfahren fürwelche Aufgabe besonders geeignet ist. Einen grundsätzlichen, allgemein anwendbaren Favoriten für die Maschinendiagnose gibt esnicht.

    Dennoch gibt es Verfahren, die sich dadurch auszeichnen, dasssie mit verhältnismäßig wenig Aufwand verhältnismäßig viele Informationen bereitstellen. Die Geräuschanalyse, die Schwingungs-Kennwertüberwachung und die Schwingungs-Tiefendiagnose basieren darauf, dass alle Veränderungen am Diagnoseobjekt Veränderungen in den Kraftumsetzungsprozessen nach sich ziehen, diein irgendeiner Form als Schwingungen messbar werden. Die Geräuschanalyse wird überwiegend aus Gründen des Arbeitsschutzesangewandt. Natürlich kann durch die frequenzselektive Analysedes Luftschalls auch mehr oder weniger zuverlässig auf die Schwingungsursache geschlossen werden. Die Überwachung von Schwingungskennwerten zeigt Unregelmäßigkeiten an, jedoch in der Regel, ohne dass diese exakt nach Schadensart und -ort spezifiziertwerden können.

    Die Schwingungs-Tiefendiagnose dagegen ermöglicht dieAnalyse von Frequenz und Signalform und somit die Zuordnungzur Schwingungsursache. Schwingungs-Tiefendiagnose bedeutet,• die Maschinenschwingung und den Körperschall am Gehäuse,• die relative Wellenschwingung, d. h. die radiale bzw. axiale Auslenkung der Welle,• die Drehungleichförmigkeit der Welle, d. h. die Änderung derWinkelgeschwindigkeit oder• die Torsionsschwingung der Wellezu erfassen.

    Die Maschinenschwingungs- und Körperschallanalyse nutzt denVorteil, dass die Wirkungen verschiedener Primärereignisse, die anunterschiedlichen Stellen auftreten, im Gehäuse zusammenlaufen,wodurch im Idealfall nur ein Sensor pro Getriebe benötigt wird.Unterhalb einer Mindestdrehzahl versagt die Körperschallanalyse,weil aufgrund des spezifischen drehzahlabhängigen Frequenzgangsder Erregerfunktion keine für Schalltransport geeigneten Schwingungen erzeugt werden.

    Dagegen erfasst die Wellenschwingungsanalyse Ereignisse wesentlich näher am Ort ihrer Entstehung. Man benötigt hier aber eine wesentlich größere Anzahl von Sensoren. Dem steht der Vorteilgegenüber, dass auch bei sehr' niedrigen Drehzahlen noch eineWälzlager- und Zahnraddiagnose möglich ist.

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    Formelzeichen Bedeutung

    Xj Amplitude der Trägerschwingung

    in Amplitude der Modulationsschwingung

    ,/t Frequenz der Trägerschwingung

    A Frequenz der Modulationsschwingimg

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    ter Systeme und somit ein Einheitsimpulsübertragungsverhaltenmit der Funktion /;(/). Das heißt, werden sie der Wirkung einesEinheitsimpulses (Dirac-Stoß) ausgesetzt, so werden für die Struktur typische Reaktionen ausgelöst, die unabhängig davon sind, zuwelchem Zeitpunkt dies geschieht.

    Die messtechnische Ermittlung des Einheitsimpulsübertra-gungsverhaltens ist nicht möglich, weil es nicht möglich ist, einenDirac-Stoß zu erzeugen. In Bild 3 ist die Impulsantwort eines Wälzlageraußenrings des Typs 23026 auf einen realen Stoßimpuls dargestellt. Die Anregung erfolgte durch Anschlagen mit einem sehrharten Gegenstand, um einen möglichst hochfrequenten Impuls zuerzeugen und somit auch hohe Eigenfrequenzen zum Schwingenanzuregen.

    Auch die Impulsantwort hat einen Frequenzgang (Bild 4), deraus meist sehr schmalen Eigenfrequenzbereichen der schwingfähigen Struktur besteht. Die nunmehr auftretenden Frequenzen sindalso sowohl Bestandteil des Stoßimpulses als auch Bestandteil desEinheitsimpulsübertragungsverhaltens des zum Schwingen angeregten Systems.

    In der Diagnosepraxis treten Stoßimpulse nicht einzeln auf, sondern als Stoßimpulsfolge. Hinzu kommen Störungen. Die Faltungder Stoßimpulsfolgefunktion mit dem Einheitsimpulsübertragungs-verhalten ergibt für Wälzlageraußenringschäden ein typisches Zeitsignal (Bild 5). Hier erkennt man relativ gleich starke Stoßanregungen. Jede Stoßanregung repräsentiert das Passieren der Außenringunregelmäßigkeit durch einen Wälzkörper.

    Die Stoßimpulsfolge ihrerseits kann jedoch auch wieder ein moduliertes Signal sein. Dies ist immer dann der Fall, wenn sich derSchaden in Relativbewegung zur Lastzone des Wälzlagers befindet.Bild 6 zeigt ein für einen umlaufenden Schaden (Wälzlagerinnenringschaden) typisches Zeitsignal. Die schwingungserregendeStoßimpulsfolge ist ihrerseits amplitudenmoduliert. Die Modulationsfrequenz entspricht hier der Drehfrequenz der Welle. Stoßim-pulsförmige Kraftanregungen äußern sich mit extrem hoher Amplitude, jedoch ist die Signalenergie gering.

    3.3 SchwingungsausbreitungSowohl harmonische als auch stoßimpulsförmige Schwingungsanregungen äußern sich - mit unterschiedlicher Intensität - sowohlauf der Welle als auch im Lagergehäuse bzw. allen mechanisch verkoppelten Komponenten. Im Gehäuse stellen harmonische Schwingungen einen additiven Anteil am Gesamtsignal dar, d. h, sie überlagern sich den sonstigen Signalen durch Superposition. Sie versetzen den Massenschwerpunkt der Maschine in Oszillation.

    Die Wirkung eines Stoßimpulses pflanzt sich im homogenen Material als Welle fort. Man unterscheidet drei Grundformen von Wellen, die in festen Körpern auftreten:• die Longitudinalwelle,• die Transversalwelle und

    • die Biegewelle.Bei der reinen Longitudinalwelle fallen Schwingungs- und Aus

    breitungsrichtimg zusammen. Sie existiert im allseitig unbegrenzten Raum. Die Schwingungsrichtung der Transversalwelle liegt dagegen rechtwinklig zur Ausbreitungsrichtimg. Die Biegewelle hatfür Schwingungsvorgänge an Maschinen eine besonders große Bedeutung. Eine Biegewelle ist gekennzeichnet durch eine seitlicheVerschiebung, gekoppelt mit der Schräglage eines Querschnitts desbetrachteten Körpers. Die besondere Bedeutung der Biegewelleliegt darin, dass ihre Ausbreitungsgeschwindigkeit frequenzabhängig ist.

    Stoßimpulse breiten sich vorwiegend als Oberflächenbiegewelleaus. Eine Oszillation des Massenschwerpunkts der Maschine findetnicht zwangsläufig statt.

    4 Maschinenschwingungs- und KörperschallanalyseBei der Maschinenschwingungs- und Körperschallanalyse geht esdarum, die an der Gehäuseoberfläche messbaren Schwingungenanhand charakteristischer Eigenschaften so hinreichend zu beschreiben, dass eine Zuordnung zu Schwingungsauslösenden Ereignissen - den Primärereignissen - möglich ist. Die mechanischenSchwingungen werden in elektrische Signale umgewandelt, möglicherweise bereits analog gefiltert, digitalisiert und Hegen so in derRegel zunächst als Zeitdatensätze vor. Zur Analyse der Schwingun-

    5: Zeitsignal einesWälzlageraußenringschadens

    rt* jtfrw

    0.05 0.1 0.15 0.2

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    6: Zeitsignal eines Wälzlagerinnenringschadens

    Ififiüi^ |7:Zeitsignal und Amplitudenspektrum eines harmonischen Signals

    iWWWWWli i i8:Zeitsignal und Spektrum bei Superposition zweier harmonischer Signale

    9:Zeitsignal und Spektrum beiModulation zweier harmonischer Signale

    jwwwwwwwvij I i10: Abbrucheffekte der FFT

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    11: Abbrucheffekte der FFT beiderVerwendung von Fensterfunktionen

    gen bedient man sich Methoden und Verfahren der Signalanalyse.Mittels verschiedener angepasster Algorithmen werden Merkmale

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    12: Darstellung eines Spektrums im Beschleunigungs-, Geschwindigkeits- und Wegdiagramm

    OrisJnalsignal

    .

    lik 111111ffl fllllH i\

    ISpektrum

    1 i i 1 i

    13: Bildung des Hüllkurvenspektrums

    i'

    Ilüllkurve

    lUJJiillLUilli}—

    IFfüllkurvenspclctrum

    0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 HO 150 160 170 180 190 200

    Frequenz in Hz

    14: Hüllkurvenspektrum eines Außenringschadens

    (Kennwerte) extrahiert, die in der Lage sind, einzelne Signaleigenschaften hinreichend exakt zu beschreiben, um auf die Eigenschaften der ursprünglichen mechanischen Schwingungen rückschließen zu können. Die interessierenden Schwingungseigenschaftensind

    • die Signalform,• die Frequenz und• die Signalenergie, charakterisiert durch die Amplitude.

    Die beiden für die Maschinendiagnose interessierenden dominierend auftretenden Signalformen sind harmonische und stoßimpuls-förmige Form.

    4.1 Analyse harmonischer SignaleHarmonische Signalanteile sind im Amplitudenspektrum des Signals unmittelbar nachweisbar. Man bildet das Amplitudenspektrummit Hilfe der schnellen Fouriertransformation (FFT, Fast FourierTransformation), einem zeitoptimierten Algorithmus der diskretenFouriertransformation [2], Die FFT interpretiert Signale grundsätzlich als additives Gemisch von sinusförmigen Einzelsignalen, wobeijede Spektrariinie ein Maß für die Amplitude sowie die Häufigkeitdes Auftretens einer Frequenzkomponente im betrachteten Zeitfenster ist.

    Eine einfache Sinusschwingung, die im betrachteten Zeitfensterganzzahlig vorhanden ist, wird im Amplitudenspektrum als eine Linie abgebildet (Bild 7). Dabei entspricht die Höhe der Frequenzlinie der Höhe der Zeitsignalamplitude, d. h. der maximalen Elonga-tion. Genauso verhält es sich mit additiv verknüpften Sinusschwingungen. Für jede im Zeitfenster ganzzahlig enthaltene Sinusschwingung wird im Amplitudenspektrum eine Linie bei der zugehörigen Frequenz abgebildet (Bild 8).

    4.2 Analyse amplitudenmodulierter harmonischer SignaleAmplitudenmodulierte Signale werden durch den Algorithmus derFFT als additiv verknüpft interpretiert [3]:

    x(t) = .iTcos(2tt/:,./ + (pT)[i +xuCos(2jtfwt +

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    Löst man beide Integrale für eine Sinusschwingungfür die Schwinggeschwindigkeit:

    V(,) =MFür den Schwingweg ergibt sich analog:

    Vit) _ a(t)8(0 =

    2kS \iirf

    findet man

    (7)

    (8)

    Die Frequenz/steht in Gleichung 7/8 im Nenner. Das hat zurFolge, dass hochfrequente Signalanteile bei der Verwendung derSchwinggeschwindigkeit gegenüber der Schwingbeschleunigimgunterbewertet werden. Dieser Effekt verstärkt sich bei der Verwendimg des Schwingwegs (Bild 12).

    4.5 Analyse von StoßimpulsfolgenDer Nachweis von Stoßimpulsfolgen gelingt zuverlässig in einemsogenannten Hüllkurvenspektrum. Dabei wird zunächst die Hüllkurve (auch Einhüllende genannt) des Zeitsignals extrahiert. Dieskann auf verschiedene Weisen erfolgen. Die analoge Gleichrichtungund anschließende Tiefpassfilterung ist dabei ebenso geeignet wiedie digitale Gleichrichtimg, Datenreduktion und Tiefpassfilterungoder die Hüllkurvenextraktion mittels der Hilberttransformation [1].Auf eine Datenreduktion sollte jedoch nicht verzichtet werden. Anschließend wird das Amplitudenspektrum der Hüllkurve mittelsFFT in gewohnter Weise gebildet.

    In Bild 13 erkennt man, dass das Spektrum des Originalsignalsnicht in der Lage ist, die Stoßimpulswiederholfrequenz von zirka52 Hz exakt abzubilden. Es werden dagegen Höherharmonischedargestellt, die ihrer Amplitude nach jedoch verhältnismäßig kleinsind. Im Hüllkurvenspektrum dagegen ist die Abbildung der Stoßimpulswiederholfrequenz von =52 Hz eindeutig. Die Harmonischendieser Frequenz sind die Folge der konkreten nichtharmonischenSignalform der Hüllkurve.

    4.6 Analyse von Stoßimpulsfolgen modulierterPrimärereignisseStoßimpulsfolgen treten - abhängig von deren Ursache - auch am-plitudenmoduliert auf. Dies hat zwei Einschränkungen zur Folge:• Erstens wird eine Vielzahl von Spektrallinien mit abgebildet, diesich lediglich aus der Amplitudenmodulation ergeben - das sindneben der Träger- und der Modulationsschwingung auch die Seitenbänder.

    • Zweitens führt die Amplitudenmodulation zu einer scheinbarenAmplitudenverkleinerung, die bei vergleichender Bewertung zu berücksichtigen ist.

    In Abschnitt 3.2 wurde das Zeitsignal eines Wälzlageraußenringschadens dargestellt. Das zugehörige Hüllkurvenspektrum(Bild 14) zeigt Spektrallinien bei der Außenringüberrollfrequenzund deren Harmonischen.

    Ebenfalls wurde in Abschnitt 3.2 ein Zeitsignal dargestellt, daseinen Wälzlagerinnenringschaden repräsentiert. Es handelt sichdabei um ein Wälzlager mit feststehendem Außenring und permanenter Lastrichtung. Somit stehen Lastzone und Innenringschadenin Relativbewegung. Die Relativbewegung entspricht der Rotationder Welle und deren Frequenz somit der Drehfrequenz der Welle.Folglich erfolgt eine Modulation der Stoßanregimg mit der Drehschwingung der Welle. Die Modulationsfrequenz entspricht derDrehfrequenz. Das dazugehörige Hüllkurvenspektrum (Bild 15)zeigt die entstehenden Effekte:• Die durch den Innenringschaden erzeugte Stoßanregung wirddurch eine entsprechende Spektrallinie bei der Innenringüberroll-frequenz repräsentiert.• Der Tatsache, dass die Stoßanregung nichtharmonischen Charakter aufweist, wird durch eine Anzahl Harmonischer Rechnung getragen.

    • Als Modulationsschwingung fungiert die Rotation der Welle mitder Drehfrequenz. Sie äußert sich in Form von Seitenbändern zuden Innenringlinien.• Die Rotation der Welle führt zusätzlich zu einer Drehfrequenzlinieund dazugehörigen Harmonischen.

    Die Amplitude umlaufender Schäden wird - wie bereits erwähnt -gegenüber der Amplitude nichtumlaufender Schäden vermindertabgebildet. Der Faktor für die Amplitudenverminderung entspricht

    i|i^iijlli,i]i4lfl, U*...„.,.li U.1..I J.li.u.ji.,1.. I.Frequenz in Hz

    15: Hüllkurvenspektrum eines Innenringschadens

    16: Kinematisch bedingte Diskontinuität beieinem Wälzkörperschaden aneinemRillenkugellager

    am spielfreien nicht vorgespannten Wälzlager der Kreiskonstantenk. Bei der vergleichenden Amplitudenbewertung ist die Kenntnisder Schadensart daher von besonderer Bedeutung.

    Besondere kinematische oder auch prozessbedingte Zusammenhänge erfordern spezielle Diagnosemethoden. So liefern Diskontinuitäten in der Anregung auch bei determinierter Ursache scheinbare Aussetzer im Schwingungssignal. In Bild 16 handelt es sich umeinen Wälzkörperschaden an einem Rillenkugellager. Zu den bereits beschriebenen Effekten, die bei Schäden zu beobachten sind,wo die Lastzone umläuft, kommt hier ein weiterer. Da die Wälzkörper Kugeln sind, sind sie in der Lage, sich derart zu bewegen, dassder Wälzkörperschaden zeitweise nicht in Kontakt mit den Wälzlagerlaufbahnen kommt. So entstehen Aussetzer in der Stoßanregung, die sich über mehrere Sekunden erstrecken können. Bei einer Kurzzeitmessung liefe man Gefahr, dass die Signalerfassung gerade in einem solchen Aussetzer stattfindet. Somit wäre der Scha

    den nicht detektiert worden.

    Auch eine lange Messzeit und eine arithmetische Signalmittelung würden zu einer Unterbewertung der diskontinuierlich auftretenden determinierten Signalanteile führen. Jedoch können dieAuswirkungen derartiger Diskontinuitäten abgeschwächt werden.Dies geschieht, indem man• der Untersuchung ein hinreichend großes Zeitfenster zugrundelegt und• den durch Mittelung entstehenden Informationsverlust durch eine sogenannte Maximalwertselektion ausgleicht.

    Die Maximalwertselektion erfolgt durch die Fensterung des Zeitsignals, die Bildung von Einzelspektren und die Ermittlung der Ma-xima für jede Frequenz aus allen Einzelspektren. Sie ist in vielenSignalanalysatoren und Signalanalyseprogrammen fest implementiert. Auf diese Art und Weise ist die Abbildung von schädigungsspezifischen Spektralanteilen durch eine repräsentative Linie imHüllkurvenspektrum mit hoher Zuverlässigkeit erfolgreich, wenn• das gesamte Zeitfenster so groß gewählt wird, dass der Schadenmindestens einmal auftritt, und• die der Frequenzanalyse zugrunde gelegten Einzelzeitfensterklein genug gewählt werden, um den Schaden mindestens einmalmöglichst ungedämpft zu erfassen.

    Aus einer Untersuchung [1] geht hervor, dass die ergänzendeAnwendung der Maximalwertselektion grundsätzlich zur Erhöhungder Diagnosezuverlässigkeit beiträgt. Sie ist besonders für die De-tektion von Käfig- und Wälzkörperschädigungen geeignet.

    Gleichzeitig erfordert die Interpretation eines maximalwertselektierten Spektrums jedoch eine sehr große Sorgfalt, weil auch diskontinuierliche Anregungen, die nicht im Zusammenhang mit Primärereignissen aus dem Wälzlager stehen, ungedämpft abgebildetwerden. Insofern ist das Verfahren lediglich als ein die Mittelungergänzendes Verfahren zu empfehlen.

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    5 ZusammenfassungDie unterschiedlichen mechanischen Phänomene in Industriegetrieben, die aus dem Normalbetrieb oder aus Schädigungsprozessen resultieren, haben unterschiedliche Auswirkungen auf dasmessbare Schwingungssignal. Die exakte Kenntnis der Signalentstehung sowie die Beherrschung der Signalanalyse sind unverzichtbare Grundlagen für die Interpretation der Messergebnisse. Die Effizienz des Einsatzes von Mess- oder Diagnosegeräten ist daher immer von der Qualifikation des Bedieners abhängig.

    Literaturhinweise:

    11} Wirth, R.: Einflüsse aufdie Zuverlässigkeit vonSchwingungsdiagnoseverfah-renan Wälzlagern.Dissertation, THZittau 1994[2] Cooley, W. W; Tukey, J. W: AnAlgorithmfor theMachineCalculation ofCom-plex Fourier Series. Mathematics of Computalion, Vol. 19 (1965), No. 90,pp 297-301[3] Sturm, A.;Förster, R.; Hippmann, N.; Kinsky, D.: Wälzlagerdiagnose an Maschinen,und Anlagen. Verlag TÜV Rheinland, Köln 1986

    Sonderdruck aus antriebstechnik 37 (1998) Nr. 10