Mann Lukacs

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I JUDITH MARCUS-TAR THOMASMANN UND GEORGLUKACS BEZIEHUNG, EINFLUSS UND "REPRÄSENTATIVE GEGENSÄTZLICHKEIT" Mit einem Vorwort von Istvan Hermann @ 1982 BÖHLAU VERLAG KÖLN WIEN . t)...... ,:; f , i '" l \. .'

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untersuchung über das verhältnis thomas mann und györgy lukács

Transcript of Mann Lukacs

I JUDITH MARCUS-TAR THOMASMANN UND GEORGLUKACS BEZIEHUNG,EINFLUSSUND "REPRSENTATIVEGEGENSTZLICHKEIT" Mit einem Vorwort von Istvan Hermann @ 1982 BHLAU VERLAG KLN WIEN . t)...... ,:;, ~ - \ f , i'"l\..' CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek JJ:[arcu8-Tar,Judith: Thomas Mann und Georg Lukacs: Beziehung,Einfluu. "Reprsentative Gegenstzlichkeit" Judith Marcus-Tar.Mit.e.Vorw.von Istvan Herrnalill.Kln; Wien; Bhlau,1982. (Literatur und Leben; N.F.,Bd. ISBN 3-412-01781-7 NE:GT Vorwortbertragen von Endre Kiss In Gemeinschaft mit demCorvinaKiad6, Budapest DasVerkaufs.recht dieses 'Werkesgeh.rt dem Verhig Corvina Kiad6,Bl1dapest frdie sozialistischen J,nder und dem Bhlau Verla,gKG,Kln,Wien frdie J,itnderdesWestens Alle Rechte vorbehalten Ohne schriftliche Genehmigung desVerlages ist es nicht gestattet, das "Werkunter Verwendung mechanischer, elektronischer und anderer Systeme in irgendeiner Weise zuverarbeiten undzuverbreiten.InsbesonderevorbehaltensinddieRechteder VervielfltigullgauchvonTeilendes'Verkesanf photomechanischemoder hnlichemW e g ~ ) .dertontechnischen'Wiedergabe,desVortrags,derFunk- und Fernsehsendungen,derSpeicherunginDal,enveral'beitungsanlagen,derbersetzung und der literarischen oder anderweitigen Bearbeitung. Copyright :;)1982by .TudithMarcus-Tar ISBN 3-412-01781-7 Printed in Uungary DruckereiZrlnyi,Budapest IHNALTSVERZEICHNIS Vorwort7 Einleitung22 ...... .,4 ~" ~.. .. .. ....... ~ .. .... .. ....... " Die geistigeNhe:Darstellung einesWechselverhltnisses..27 Achtung und Distanz: Darstellung der persnlichen Beziehung41 Der Zauberberg :Zeitroman oder Roman seiner Zeit...... .54 Anmerkungen..................................... ..159 Bibliographie........................................ .195 5 VORWORT DiehiervorliegendeStudie behandeltdieGeschichteeinerVerbindung,ber die bisher schon fast eine kleine Bibliothek geschriebenwurde.Dasmagvielleichtfrvieleberrasehendsein,denn GeorgLukacsund'ThomasManntrafen siehpersnliehinsgesamt zweimal:1922inWienund1955inWeimar.Nichteinmalihr Briefwechselistumfangreich,{JuellenmaterialfrdieseI,iteratur sindalleindiepersnlichenuerungenThomasMannssowiedie uerstbedeutendenund inhaltsvoI1enArbeitenvonLukacsber Thomas Mann. DiesesBuch von Judith Marcus-Tar stellt meiner Meinungnach trotzdemeinenernstzunehmendenSchritt vorwrtsdarbeider Erschlieung der Berhrungspunkte sowie der unleugbaren geistigen GegenstzedieserBeziehung.Esgehtberdiebisherigeundvon der Verfasserin selbst grndlich aufgearbeitete und erluterte Literatur desThemas hinaus.Und das in erster Linie deshalb,weilsie nicht blo13ein einziger Moment dieser VerbindUIlg in Betracht zieht und sichdavorhtet,eineLegende irgendwelcherArtzuschaffen oder garzuuntersttzen.Davonsind schonberdieVerbindung GeorgLukacs-Thomas1\:lanngenugvorhanden.Diebekannteste vonihnenbesagt,diesesVerhltnisknpfesichseitensThomas MannsausschJiemichandieGe."JtaltNaphtasimZauberberg.Wie bekannt, erscheint Naphta im Roman als Widerpart des abstrakten HumanistenSettembrini,einesErziehersUIlddesgeistigenVaters vonHansOastorp.Naphta vertritt einegeselJschaftskrltische,"jesuitische"Betrachtungs- undArgumentationsweise.In seinerGestalt tauchen mit knstlerischer Spontaneitt Motive auf, die spter zum Verrat der Schreibkundigen(wie es Julien Benda formulierte), zumKokettierenmit demFaschismusundletztenEndesbiszum Sichllnterwerfen unter den Ii'aschismus fhrten. Ein hervorragender VertreterderungarischenPublizistik,GyrgyBalint,stelltein seinerAnalysedesGegensatzeszwischenSettembrini undNaphta, bereitsvordemzweitenWeltkriegdie:Frage:Settembriniund Naphta bereiten sich im Homan auf das Duell vor, und Naphta kehrt die \\laffe gegen sich selbst. Was aber wre geschehen, wenn Naphta das nicht getan hittte? \Venn er das DueUmit dem Humanisten tatschlich ausgetragen htte? In der gesellschaftliehen und kulturellen 7 Atmosphre desvordringendenFaschiRmuswar dieseFrage durchausberechtigt.DieLegende,ilachderLukli.csdasModendes geistigenAntlitzesvonNaphta W ~ 1 rund dieinderzuge..c;pitztesten Form von Karoly Kerenyl formuliert wurde,enthlt frden heutigen Leserzweifellosberraschende Elemente.Lul{llcSwarnmlich 1922,alsihn Thornas Mann kennenlernte, schon seit einigen Jahren Kommunist, er lebte als Ex-Volkskommissar der Ungo,rischen RterepuhlikdesJahres1919inderEmigrationinWien.Hinterder LegendestecktjedocheineuerstinteressanteTendenz.A]sK{Lraly KeronyijeneFormulierungwhlte,daNaphta dermarxistische ,Jesuit soi,und alsCl'auf den Irrationalismus seines Gedankengangeshinwies,wollteereigentlichdiekommunistischeund faschistische Denkweise geistig miteinander verknpfen. Der wahre Gehalt dieser Legende ist folglicheine gedankliche Verbindung von "totalitren"Gesellschaftssystemen,diehier'l'homas zugeschriehen wird. EinVerdienstderStudievonJudithMareus-Tar ist geradedie WiderlegungdieserLegendebeziehungsweisedie Erschlieung des hinter ihr auffindbaren relativen 'Vahrheitsgehaltes. Die Verfasserin leugnet keinesfalls, da Thomas Mann bis zuletzt sehr tief und resolut aufbrgerliehemStandpunktverharrte.Sieweiaber sehrwohl, wiescharfundbestimmtMannselber den"Faschismus undden Kommunismusvoneinanderunterschied.Esgengthier,aufeine TagebuchnotizvonThomasMannhinzuweisen:"Reineundder Kommunismus",vordemersichumderSehnheitundFreiheit willenngstigt, unddem er doch seinWerk zum Opferzu bringen intieferMenschheitslustbereitist.,FaschismusoderKommunismusich drehe die Hand nioht um', Unsinn.Gewiwre-der KommunismusnichtmeineLebensluftgewesen,abererhttemichlelassen,michniehtviehischerschlagen,erundichhi1tteden menschheitlichenWillenineinandergeehrt.DerKampf einersich erwhlt glaubendenKh1SsegegenanderemaggrlicheUngereehtigkeiten. Aber der Kampf einerderhageladenen Kleillbrgermasse, gegen denGeist selbst - das ist das unvergleichlichJ;JntsetzlichereundEkelhaftere."(ThomasMann:Gesammelte .Berlin 1955, XII. Bd., S.109.) Diese Aufzeiehnung von ThomasMann bringt sehr deutlieh zum Ausdruck,da er inder proletarischenGesellschaftdieVerwirklichungderAchtungvorder Menschheiterblickt,undgeradediesesMoment,diesehumanistische Tendenz, verbindet ihnmitdenen, dieabweiehend von ihm-marxistischdenkenunddennochfrdieIjjhredesMenschenund dermenschlichenKulturmitdem15rgcrtumgemeinsaminsFeld ziehen.DiewahreLage wird in demBuehvon .Tudith Marcus-Tar minutiserIat.Darausergibtsieh,daesihrsozusagen mit rein philologischen Mitteln eine Atmosphre zuerzeugen, in der siehtrotzden voneinanderabweichenden Weltbildern die gemeinsamenindenKonzeptionen vonGeorgLukaesund Thomas Mannzeigenalsje zuvor. InVerbindungmitderPhnomenologiedesGeistesvonRegel stellte Lululcsfest,da die Phnomenologie,Goethes Faust und die IX.SymphonieBeethovens letzten EndesAusdtekeeinunddesselben'WeltbildesinjeunterschiedlichenhomogenenMediensind. Der Verfasser dieser Einleitung riskierte vor etwa anderthalb .TahrzehntendieAnnahme,dazwischendemLub1csschenWerk,der Epik Thomas Manns sowie derMusikBela Bart6ks eine ganz hnlicheBeziehungbestehe.DamalswurdediesinfolgenderJi'orm :"Alleinin derTtigkeit ThomasManns,Beh1]3art6ksund Lukacs'tauchtderromantischeAntikapitalismusineiner Form und mit einem Inhalt auf, da dieser Antikapitalismus zeitignichtauchtraditionswidrigist.Ganzim EigentmlichkeitdieserdreiSchpferbestehtdarin,dasiedas historiAchNeueinsichaufnehmell,mitderTradition aber nicht brechen.Beiihnen bildendieTradition,derPrzedenzfallundder Blick in die Zukunft eine Binheit." (I. RermaIlIl : Apolga1"i dekadendaproblemai[ProblemederbrgerliehenDekadenz J.Budapest Hl7,S. SoknnenwiralsoderMeinungsein,dadieBeziehungenzwischen Georg Lukacs und Thomas Mann keineswegs akzidentiell,zuoder nur philologisch waren. Jene philologischen Beziehungen, die Judith Marcus-Tar zwischen den frhenBssays von Lukacs und dem 'PotZinVenedigerschlounddiespteraufgrunddesvonihr verfaten Artikels auchin die internationale Lukacs-Literatur aufgenommenwurden, fgensich in einen uerst tiefengeistigenZusammenhang. WorinaberhestehtdiesergeistigeZusammenhang ~BinenTeil vonihm stellt offensichtlichdIeTatsache dar,da sowohlThomas MannwieauchGeorgLukacsnach "WegenundMglichkeitender modernenKunst suchten,wobeisiesehrtief auf konluet-humanistische Traditionen zurckblickten.DIerussische Literatur, Goethe undSchiller,GottfriedKeller,dasallessindThemen,dieinden RomanenundBssaysvon'rhomasMallIlebensoauftauchen,wie imLukacsschen Lebenswerk.ThomasMannsagteeinmal,dadie Menschheitwie ein Fechter ist,der mindestens einmalnanh hinten treten mu, um sich nach vorn sehwingen zu knnen. Diese Attitde \} 8 isteinzweifellosgemeinsamermethodischerundbiszueinem gewissenGradeallgemein-geistigerZugbeiThomasMannund GeorgLuM,cs.Jene philologischenBeziehungenund geradedas ist unser eigentlichesThema - hingegen, diezwischen beiden in diesem]3uchgeklrtwerden,weisenauchauf einesehrtiefegeistige Verbindunghin.DiesekannsowohlzwischendemjungenGeorg I.JukacsunddemjungenThomasMannalsauchinvernderter FormzwischendemMarxistenGeorgLukacsunddemspteren Thoma.'lMann aufgedeckt werden. be?'dengemeinsamen geistigen Boden desj ~ t n g e n GeorgL1J,!cacsund ThomasMann WelcheswardergemeinsameGedanke,dersowohldenjungen GeorgLukacsalsauchThomusManngepackthat,jasogarzur fhrendenTendenzihrerFrhwerke'wurde?Siegingeneinen scheinbarvlligunterschiedlichenEntwicklungsweg.BeiThomas ",fannziehter sichvon den Buddenbroo7csber die frhenNovellen biszurKniglichenHoheitsowiezurKriegsperiodehin,whrend .er bei Georg Lukacs mit dp,ssenerster groenmonographlschen Arbeit(Amoderndramajejlodesenektrtenete[DieGeschichteder Entwicklungdesmodernen Dramas],1911)begann und ber seine Essaybnde zu der umHJl7fertig gewordenen sogenannten Heidelberger .sthetik fiihrte.Die gesellschaftlichenVerhltnisse waren fr Thomas:ManninMnchenganzanderealsfrGeorgLukacsin Budapest.ThomasMannmuteingewissemSinneseinenGedankenstoff sichselbstberlassenaufarbeitenundzurknstlerischen Heifebringen, whrend den jungen Lukacsjene resolut brgerlichdemokratischeunddasalteUngarnleidenschaftlichablehnende I-CinstelhmggewaltigbeeinfLute,die frEndre Ady sowiedieihm entwachsenen geistigenStrmungencharakteristischwar. DieheidenSchpferhattenabereinegemeinsamel1Jrkenntnis, diesietrotzderGrenzen,der sozialenVerhltnisse und der unterschiedlichen Probleme vereinte.Ihr Problem 'war,ob inder modernenZeitdieKunstberhauptnocheineMglichkeithabe.Um Knstlerzuwerden,musichjedervomAlltagingespenstische Weiteentfernen.GrundbedingungknstlerischenSchaffenswar nmlichinjenerPeriodeschonebenjeneVielfaltkomplizierter Vermittlungen, die berufen waren, durch die Schein wirklichkeit das wabre'WesenderWirklichkeitwiderspiegelnzulassen.DieZeit war die Periode desImperialismus.Inihr sindbereitsallepatriarchalischen Beziehungen aufgelst, ist jede Unmittelbarkeit zerstrt, DieVermitt,lungenknnennatrlichunterschiedlichsein,jeder muaber inerster Liniezur Kenntnis nehmen,daman in dieser Zeit ohnedieethischeHaltungderKunst derknstlerischenAufgabe nicht einmalnahekommen kann. DiesesProblementfaltetsichmit,tausendfarbigemReizim LebenswerkThomasManns,vonHannoderBuddenbrooksberdio LektionendesDoktorberbeininKniglicheHoheitmit,seinor ironisch-spielerischen Konfrontierung der Wirklichkeit bis zu Tonio Krger.DieVermittlungenerscheinenteilsauf derEbenedesGofhls,teilsaufderderIroniebeziehungsweisedesDenkens,Das Frhwerk'1'homasMannsistabermitjenemaufschreiendenGedanken beinahe erfllt: Die Probleme der modernen Kunst, und des modernenLebenssinduerstschwerlsbar,undohneethische Sicherheit und Entschlossenheit ist es fast unmglich und hoffnungslos,auchnur irgend etwasanzufangen.Amschrfstendrckt dies dasDrama FiorenzavonThomasMannaus.PicodellaMirandola spricht hier mit dem Kardinal Giovanni de' Medicidavon, auf welche Art der Auftritt Savonarolas richtig beurteilt werden kann. Pico sagt folgendes:"Aber mir ist, als fragte ich schon,obwir eigentlich in einerZeit derVorurteilslosigkeit leben 1 Und wenn dem soist,wiesolldieseVorurteilslosigkeitGrenzenhaben ~SolldieFreigeisterei zur Religion, die Unmoral zu einer Spielart des Fanatismus werden ~Ich lehne dasab!, ..Ist die Moralunmglichgemacht, ist sielcherlichworden- nun!DadasLcherlicheinFlorenzdie Gefahr der Gefahren ist, so wrde der mir der Tapferste scheinen, der sich selbstvordieserGefahrnicht frchtet.Diesmtezummindestenin Erstaunen setzen.Aber wer Fiorenza in Erstaunen setzt, hat esbereitshalbgewonnen .... Ach,ihr liebenHerren,dieSnde hat sehr an Reiz eingebt, seitdem das Gewissen abgeschafft wurde I Blicktumeuch:a.llesisterlaubt,odernichtsschndetdoch;es gibt keine Huchlosigkeit, vor der sich uns noch die Haare strubten. Heutzutagewimmelt esvon Gottesleugnern und solchen,die sagen, daChristusseineWundermit Hilfe der Gestirnevollfhrthabe. Aber wer hat es bislang gewagt, sich gegen Kunst und Schnheit zu erheben?Rede ich lsterlich ~versteht mich wohl.Ich lobe diejenigensehr,diesichderSchnheitannahmen,solangesiedieSache einigerwenigerwarunddieMoraldummundunangefochtenauf ihremStuhle sa.Aber seitdem dieSchnheit einGeschreiderffentlichenGassengewordenist,beginntdieTugendimPreisezu steigen. Lat euch eine feine kleine Neuigkeit ins Ohr sagen, Meister 1011 Angelo; die Moralist wieder mglich ... "(Thomas Mann: Gesammelte Werke.Berlin1955, Bd.IX, S.332.) Injener Zeit,alssich indenliterarischen SalonsdieAuffassung verhreitete,dawennmalldieAussageknstlerischgenugziseliert,deren Gehalt vlligneutral seinknne,hatte esauerordentlicheBedeutung,wennjemandhehauptete:dieMoralistwieder mglich.Whrend die ganze kapitalistische Gesellschaft mit Militarismus und Brokratismusbelastet dem ersten 'Weltkriegzusteuerte, strmten die literarischen Salons dia.'le von Thomas Mann Schmarotzertumgenannte,uerlichgeschniegelte,art.istischverfeinerte und gleichzeitiginhaltlich sterileStimmung aus.Auf brgerlichem Boden war vielle.ichtThomas Mann einer der ersten,der die innere Leere,dieDekadenzsowiedieWertlosigkeitimWesendieses Schmarotzertums klar erblickte. AlsThomas Mann eine in dieser Problematik der seinen hnliche EinstellungbeimfrhenLukacszuentdeckenmeinte,hatteer zweifellos recht. Georg Lukacs entdeckte nicht zufllig Kierkegaard fr sich, der einige J'ahrzehnte frherdenethischen vViderstandgegen die zerstrerische und alltgliche Wirklichkeit des Kapitalismus philosophischreprsentierte.EswarvorallemdasLebenKierkegaards,dasauf Georg Lukacs in diesem Sinne wirkte. Dieses Leben charakterisierte Lukacs so:"Er wutesozu leben,dajede seiner Lebensregungensichzueiner groen,mit statuenhaftel'Gewiheit erschautenundzuEndegefhrtenGesterundete,undstarhso, da der Tod zur rechten Zeit kam, als er ihn wnschte und wie er ihn wnschte."(Georg Lukacs: Die Heeleund dieFormen.Neuwied und BerUn1971,S.62.) Und geradedeshalbwurde frLukacsdasLebendesdnischen Denkerssobeispielgebend,dennvonSrenKierkegaardkonnte man sagen:"SeineTragdie:er wollteleben,wasman nicht lehen kann."(A.a.0., S.61.) C,.corg Lukacs zog also essayistisch die J!'olgerung, da die ethische HaltungdereinzigrealeKontrapunktgegenberderbestehenden ungarischenGesellschaftist,dieberhaupteinenAusgangspunkt frdieknstlerischeArbeitbietenkann.DiehisherigeGeschichte der Kunst cnthielt zumTeildas sthetische und Ethische inihrer Einheit,zumTeilbedurfte siederBetonung dieserethischenHaJtungnicht in demMae,wieesimangehendenzwanzigstenJahrhundert der ]'all war. I!}rbetonte essosehr, da das Ethischewie ausdem vorigenZih1tersichtlich warfr ihn als lebensfremde und sozusagenmitderMystikzusammenhngendeTendenzerscheint. Er ruft sogar Christus alsZeugen:"Christus sprach:,Sojemand zu mir kommt und nicht hasset seinen Vater, Mutter, Weib, Kind, Bruder,Schwester,auehdazuseineigenLeben,derkannnichtmehr meinJnger sein.'Ich denkejetzt garnichtandiepsychologische Seiteder Knstlertragdie, fr mich ist dieseKonstellationeinfach eineTatsache:eineunmenschliche,WllnSiewollen,hieristaber nichtmehrvonMenschlichkeitdieRede.. ,AuchdieechteEthik (denkenSie nur an Kant!) ist widerl11enschlich."("Von der Armut amGeiste - Ein Gesprch und einBrief" in Neue BltterIl (1912), Nr. 5-6, S.82.)Obdurch die Distanz von der Wirklichkeit oder ob umdenPreiseinermodernenAskese,jeneethischeundtragische Lebensfhrungmuunbedingtverwirklichtwerden,dieinder Epoche richtunggebend werdenkann.Das erklrt gerade jene Tatsache,dadieseethische Konzeptionund zwar inuerst hohem Maeauf dieNovellenvonThomasMannwirkte.Nicht nur die amAnfangdesJahrhundertsberdieKniglicheHoheitverfate Studie von Georg Lukacs machte Thomas Mann auf ihn aufmerksam, sondernauchdieserinderZeitfastvlligalleinstehendeund nur mit dem seinen parallele Gedankenkreis. IndiesemBuchentfaltetsichdeutlichdiesephantastisehtiefe und gleichzeitigsehr prohlematischeSeelenverwandtschaft.Inder FragederEthikentdecktendiesebeidenMenschentatschlich zur gleichen Zeit,dadieEthikinderGegenwart wiedermglich ist.LukacsgreiftsogarnochaufdiemittelalterlicheMystik,auf MeisterEckart,SusoundCusanuszurck,umseineethisehen Problemezulsen,diese,ethisoheWeItsichthistorischzurechtfertigen.ZumHauptheldenvonThomasMannwirdSavonaroJa, derinderschnheitstrunkenenundschwelgendenStadt.Florenz pltzlichdieRevolutionerstehenltunddersogardengrof3en Lorenzo,LorenzoMagnifico,geistig besiegt. Esistunzweifelhaft,dadie Unterschiede mindestens so scharf sind.Sowohl GeorgLukaes alsauch rrhomasMann beschwren die Mystik,denIrrationalismusherauf,undbeidetunesgeradeim ZeichenderEthik,und siekmpfen dagegenwiegegen einen Dmon.Dieser Dmon ersteht imbrgerlichen Denken ganz notwendigalseine Art mystischer Kontrapunkt alldessen,was prosaische und auf den ersten Augenblick rational-brgerliche Wirklichkeit ist. Die Frage ist aber, wer auf welche Art den Dmon bekmpft. DieThomasMannscheVariantediesesKampfesistinmehrerer Hinsicht interessant.ThomasManndurchlebtletzten]1Jndesden Dmonjederzeit - deshalberscheint Naphta bei ihm in Zauberberg, und deshalb schliet spter Adrian Leverkhn ein Bndnis mit dem Teufel.Er erlebt denDmon in seinereigenenPerson,daswendet 12 13 aer l'lIetzscneszu.J::iegenemanaber keinen lrrtum. DieseHinwendung,wieer dasindenBetracht'ungeneinp>8Unpolitischendarlegt, bedeutetnieundunter keinenUmstndeneineNeigungzurblondenBestie,aberauchkeineLobpreisungdesbermenschen.Im spteren schrieb er folgendesber diese eingentmliehe Beziehung: einem'Worte:ichsah in Nietzsehe vor allemdenSelbstberwinder;ichnahmnichtswrtlichheiihm,ichglaubteihmfast nichts und gerade diesgabmeinerLiebe zu ihm das Doppelsehichtig-Passionierte,gabihrdie'lIefe.Sollteichesetwa,ernst'nehmen,wennerdenHedonismusinderKunstpredigte?\tVenner BizetgegenWagnerausspielte?WaswarmirseinMachtphiloso11hemunddie,BlondeBestie'?BeinaheeineVerlegenheit. Verherrlichung desLebensauf Kosten desGeistes,dieseLyrik, die im deutschenDenkensomilicheFolgen gehabt hat - esgabnur eineMglichkeit,siemirzuassimilieren:alsIronie ... "(Thomas :GesammelteWerke.Berlin1955,Bd.12,S.395.)DieBekmpfungdesIrrationalismus gelangalsoThomas Mann,indemer dessen smWche Probleme erlebte und den IirationaHsmus mit einer ironischen 'Wendung in ihm selbst sowie in dem Kunstwerk knstler11::0hvernichtete. InderEntwicklungvonGcorgLukacsgabesjederzeiteine Linie,die entgegen demIrrationalismus den Goetheschen und KellerschenErziehungsromanalsdasIdealdesgroenRomansdes 19.Jahrhundertsbetrachtete.Allerdingsstandaufderanderen Seite immer mehrDostojewski.SeineGestalt schaltete sichinjene irrationalistische Linie ein, die, angefangenvondem hellenistischen Neuplatonismus, das Prosaische des irdischen Lebens durch die 'Welt derzukompensierensuchte.DieLinieGoethe-Kellerwar aber trotzdem vorhanden, und das Interesse von Thomas Mann ebendiesemKampfmitdemDmonischen.DenndieserKampf zwischendemDmonischenundRationalenwurdebeimjungen Lukacs fr das Ethische und die Kultur gefochten. Und wie Thomas Oswald Spengler mit Ekel von sich wies,von dem er schrieb, erverteidigescheinbardieKultm,steheaberinderTatfrdie Vernichtungderselben,betrachteteerjenenLukacsschenKampf, der in nicht wenigen Zgen dem seinen glich,notwendigerweise mit groer Sympathie. Diese Sympathie lieaber Thomas JYfannkeine11 Augenblick vergessen,dadieser Kampf verschiedene Etappen hat und da sein Ausgangkeineflwegssicherist,denn dt1sDmonische beiIJukacsja selbstbeiThomas 1\1anndieOberhand gewinnen. JenerdmonischeZug,derentwederinbekmpfterFormoder alsKontrapunktbei'l'homasMannwieauchbeiGeol'gLulnlcs fest."ltellbarwar,verstrktesiehnotwendigerweisewhrenddes erstenWeltkriegesundindenJahrendanach.InwelchemMae das geschah,zeigt jener spter bereute Irrtum Thomas Manns: sein lohpreisendes Buch ber Friedrich den Groen. Und obwohl Lukacs geradegegenber demDmonischenden Eintritt indiekommunistischeParteiwhlte,ginginseinerIdeologienochjahrelangder innereKampfgegenirrationalistischeTendenzenweiter.Dieser Kampf kulminierteschlieliehheiihminderZerstrungderVernunft, bei Thomas Mannim Doktor }lTaustus, der ebenfalls erst nach dem zweitenWeltkrieg erschien.Sowird verstndlich, da Thomas Mann, als er 1922 mit Lukacs persnlich zusammentraf und im Laufeeinesmehrstiindigen Gesprchesber das Ende der brgerlichen Kunst,berdieUnlsbarkeitdesKnstJerproblemssprach,das eigenartige Gefhl hatte: "Solange er sprach,hatte erreeht", aber danaehbliebeine unsagbare Klte zurek. Heute steht esbereitszweifellosfest,dadieserallgemeineEindruck- inseinerAbstraktheit- uerststark zujenemgeistigen Portrt beitrug,welchesThomasManninNaphtazeichnete.darfabernichtvergessen,daungeachtetdessen,da ManntatschlichoftauchvonlebendigenPersonenparodistisehe Beschreibungen gabesin diesemFall nichtum die unmittelbare ParodieeinerPersongeht.Inder NovelleTristanentdecktebeispielsweiseder FreundeskreisdesDiehtersmitRecht,dadieGestaltSpinellseigentlicheineKarikaturvonArthurRolitscherist. Dn,sbedeutetaberkeineswegs,daThomasMannseinereigenen knstlerischen Vision untreu gewesen wre."So gehen Knstler mit einer Philosophie um - sie,verstehen' sieauf ihre Art, eine emotiouelle Art: dennnur zu emotionellen,zu Leidenschafts-Ergebnissen brauchtdieKunstja zukommen,nichtzumoralischen,wozudie Philosophie,alseineLehrerin,siehjederZeitangehaltenfhlte. Mochte sie auch keine staatlich besoldete ,Universitts-Philosophie', mochte sieauch,niemandem untertan' seineswar doch zu wnschen,daihremoralischenErgebnissemglichstmitderherrschendenMoralimAbendlandalsoderchristlichcn- bereinstimmten,dasiealsWeishcitsergebnisdcmreligisenErgebnis entsprachen und esbesttigen."(Thomas Mann: Gesamrnelte Berlin1955,Bd.10,S.327-328.)ThomasMannsiehtalsoganz klar,wie im Verhltnis Philosophieund Kunst gerade das dasWe14 15 sentliolle ist, da die Kunst mit jener Philosophie vllig ungebunden umgeht,inderenZeichensieschafftoderdievieJleichtihrenGegel1Fltand hildet. Das Buch Von Judith Marcus-Tal' ber die Beziehung Georg LukacsThomas Mann beweist fast unwiderlegbar: ThOlnas Mann hat diekonkret politischenSchriftenvon Lukacs berhaupt nicht gelesen,folglichschildert er in Naphta keinesfalls irgendeiuen marxistischen Jesuiten. Gewi ist aber auch, daihm der erste anregendeFunkezurZeichnungdesgeistigenAntlitzesderNaphtaGestaltdurc11jeneserwhnteGesprchgekommenseinmochte. AufgrunddesBeweismaterialsdiesesBuchesgiltalsebensounwiderlegbar,daMannzueinem'['eilderuBerenZgeNaphtas LukacsalsVorbilddiente.Xhnlicheswar auchbeiderGestalt des l\![ynherPeeperkornder Fall.AlsHauptmanndieAhnlichkeitseiner Person mit der VonPeeperkorn erkannte,schrieb Thomas Mann: Es ging allein um die bernahme gewisser Zlige, und nicht die ganze HauptmannseheGestalterschienaufsolchevVeiseimRoman. Dasbeziehtsichauchauf dasXuBerevonLukacs.ber dievon Judith Marcus-Tar :dtierte Aussage Von Lukacs hinaus, nach welcher er sein AuBeres ebenso gerne Thomas Mann berlassen htte, wie man einemFreunde eineZigarre gernberlt,hat er,wasdasModell derNaphta-Gestaltbetrifft,whrendeinesGesprchesmitdem Verfasser dieser Einleitung hinzugefgt: daraus entsteht aber wir klieh kein bel, geschweige denn Zorn, "da mich Thomas Mann fr unschnhielt". SelbstinHinsichtaufdieuerenZgekommtdiei\![othode knstlerischerGestaltungnaturgemzurGeltung.Lukacswar, um nur ein Beispiel zu nennen, keinMensch,der sich wie ein Dandy kleidete,er war in dieser BeziehUllg eher unordentlich,nur dieVerhltnisseder lllegalitt haben ihmbeigebracht,damanauf seine Kleidungaufpassenmu.WasfernerdieBiogra:t>hiedesTal.mud studierendenundspterzumJesuitenwerdendenNaphtabe trifft,unterscheidet sie sich Btal'kvonder Lukacs',der in grobLir gerlichemHauseaufgewachsenwarundimberhmtenevangeli schenGymnasiumderStadt studierthatteund sichniemitjdi soherKabbahodergarmitjesuitischenIdeeneingehenderbe fate.(EsgabinseinemLebeneineeinzigePeriodevonzweibis dreiMonaten,alssichLukacsAnfangderzehnerJahredesJahr hundertsder jdischenMystik zuwandte.) Wir knnen also die Folgerung ziehen: Thomas Mann drckte, als er djeGestalt Naphtas schuf,einonin ihm selbst und in Lukacs,ja sogar inder ganzenzeitgenssischendeutschenIntelligenz stattfindendenKampf aus.Das Wesentliche dieser Frage besteh1i nicht darin,inwieweitdieFigur dieses osteuropischen Jesuiten mit der von Lukacsbereinstimmt,sonderninderBekmpfungjenesgutargumentierendenDmons,derindieserZeitnichtnurdiebeiden behandeltenPersnlichkeiten,sondernMartinHeideggerebenso wie auch Max Horkheimer, Walter Benjamin und Theodor W. Adornobeschftigte. Lukdc8und Thoma8 1}[annin der"moralisch guten" Zeit DasHtselwurdeaufbrgerlicherGrundlagesehrlangenicht verstanden,wie esnmlich mglich ist, da schpferische Gestalten mitunterschiedlicher,vomKlassenstandpunktausimGrundesogargegenstzlicherWeltanschauungeinanderselbstnochinden dreiigerJahrenuersthochschtzten.AuchhiergibtesMomente, die auf den ersten Blick ins Auge springen.Luka,es,um nur einBeispielzunennen,schreibt,daesSchriftsteller gibt,diedas imperialistischeZeitalterwiebereinemfurchteinHendenAbgrunderleben,der sichunterihnendrohendauftut.Esgibtaber auchZeitgefhrten,diedieseSchriftstellerblonachahmen.Die ersterenerlebendasGrauen,whrenddieletzterenineinemmit allem Luxus, mit Musik-undSpielrumenausgestatteten, aber ber diesem Abgrund gebauten Hotel leben , im Grand H otel.Abgrund und hier ber dieExistenz desAbgrundes klagen.Auch dieser Gedanke hat seine Parallele in einer Beschrei bung Thomas M.anns. Settembrini sagt:"HabenSieje eine Schiffreise gemacht, Tenente, oder Sie,Ingenieur?...IchbinerinnertdurchdieseHschen,diesegefrbten Eier andasLebenauf soeinem groen Dampfer,beileeremHorizontseit\Vochen,insalzigerWstenei,unterUmstnden,deren vollkommene Bequemlichkeit ihre Ungeheuerlichkeit nur oberflchlich vergessen lt, whrend in den tieferen Gegenden desGemtes das Bewutsein davon als ein geheimes Grauen leise fortnagt .... Ich erkenne den Geist wieder, in demman an Bord einer solchen Arche dieFestederterrafermapiettvollandeutet."(ThomasMann: GesammwlteWerke.BerUn1955,Bd.2,S.504-505.) ber solche,frdieLebenswerkezwarwichtjgen,frunsaber jetztwenigerbedeutendenParallelenhinausistdasVerstndnis jenerEinstellungwesentlich,wiesichLukacsnotwendigerweise Thomas Mann nherte. Wie bekannt, war die Einschtzung von Tho masManninderArbeiterbewegungkeineswegseindeutig.Inder "Ballade von der Billigung der Welt" charakterisiert Bertolt Brecht 16 17 Thomas Mann als typisch brgerlichen und gewinnschtigen Schriftsteller. Der Lukacssche Standpunkt siegte wirklich als Resultat von Kmpfen innerhalb der kommunistischenBewegung. Hinter diesem Standpunktlagabereineuersttiefegeschichtsphilosophische Konzeption. Es ist nicht mglich, diese Konzeption hier vollstndig darzustellenbeziehungsweisezubeweisen.Statt dessenseianein schon ersehienenesBuch(1.Hermann : DieGedankenwelt vonGeorg 1978) hingewiesen. Eine krzere Charakterisierung dieser geschichtsphiJosophischenKonzeptionscheinthier trotzdem angebracht.EsgehtnmlichumdietheoretischeKonzeptionder Volksfrontpolitik. Die Volksfrontpolitik, zu deren Vorbereitern auch Lukacs gehrt, verkndet dasBndnisder Kommunisten und des Proletariats mit allenantifaschistischenSchichtenundmitjederantiimperiaJistischenIdeologie. Andersistdasnicht vorstellbaralsnurdurchelie AnnahmedestiefenWiderspruchsindergesamtgeschichtlichen Entwicklung desBrgertums.Einerseitsentstandjenebourgeoise Schicht,welchediehumaneIdeenweltdesfortschrittlichenBrgertums praktisch und theoretisch verleugnete. Diese Bourgeoisie ist verantwortlich dafr,dainderkapitalistischenGeseHschaftder Ba,schismus entstehenkonnte und zeitweilig sogardenSiegerrang DieBourgeoisiezogideologischgegendenRationalismusdesBrgertums frdenIrrationalismus zu ]j'elde, whrend knstlerisch die gegendenl{'eallsmuAgerichtetenunddemIrrationalismusRaum berlassenden H,ichtungen dieInteressen der Bourgeoisie vertraten. Andererseitsaber existierte infortschrittlichenbrgerlichenGedankenaucheinOitoyenausdruck.DiesesCitoyenpathos,berdessenVorhandenscinauchThomasManninVerbindungmit seinem sprach, bewahrt die groen brgerlichen Ideale von-Freiheit,Gleichheit und Brderlichkeit. Diesem Cit.oyenpatl1os sind die groe realistische Kunst des19. Jahrhunderts und auch die Verteidigung derVernunft,der moderne Rationalismus zu verdanken.AufdjesemitCitoyenpathoserflltenbrgerlichenSchichten so11mansiehalsoimKreisdesBrgertums gegenden:Faschismus sttzeil. DiesesCitoyenpathos erklrt,warum im Laufe des19.JahrhundertsdiebrgerlicheLiteratur sogewaltigeKunstwerke,ja sogar ganze literarischeStrmungen zu schaffenvermochte. Lukacs wurde in den sozialistischen Lndern wegen dieser Auffassungmehrmals angegriffen,denn er bekannte sich 7.Uder Konzeption: Das Citoyenpathos bildet eine uerst wertvolle Grundlage fr die Literatur des 19.Jahrhunderts;er fgteaber gleichzeitig hInzu: Dieses Citoyenpathos existiert aber auch noch iin20. Jahrhundert. Rinter Thomas Mann,hinter seinemWerk,wiedasLukacsinseinerStudie"Auf der Suchenachdem Brger" zumAusdruckbringt,steht dasselbe Citoyenpathos.AufdieserGrundlagewirdjeneknstlerischeLeistung mglich, die bereits in eiuer sehr frhen und italienischen ]'orm erkannte und erkennen lie,an das Dmonische, gegen das Thomas lVIannzeit seinesLebenskmpfte,verkrpert sieh reprsentativ im Faschismus. Soist esberhaupt keinZufall,dader erste,derinM ario'Und derZau,bel'erohne Zweifel die knstlerische Darstellung der ZaubermittelunddesDmonIschendesFascllismusentdeckte,geradeLukacs war. AuerderLukacsschenVolksfronttheoriegabesinnerhalbder ArbeiterbewegungaucheineandereTheorie.IhrWesenbestand entweder inder vlligenAblehnungdesCitoyen-BourgeoIs-Wider_ spruchesoder inder Herabschtzung der Bedeutung dieses'Viderspruches beziehungsweise jene Behauptung, da im 20. Jahrhundert dieEntstehungdesCitoyenpathosnichtmehrmglichsei.Daher kommtes,da whrend in der Arbeiterbewegung und in den sozialistischenStaatendasLebenswerkvonThomasMannsehrviele geradewegender darinverkrpertenbrgerlichenEinstellungablehnen,sichLukacsundalljene,diehnlichwieLuln1csdenken und dachten,mit der grten Ehre zudiesem Lebenswerk hinwenden. Sowird fr diese Schicht beinahe symbolhaft, was der sterbendeAdrianLeverkhnseinemFreundSerenusZeit bIomsagt:Die IX. Symphonie muzurckgenommenwerden. GeorgLukacsundThomasMannkmpftenbeidefrdieAufrechterhaltungderWerteundderBedeutungderIX.Symphonie. Die IX. Symphonie und insbesondere den von ihr vertretenen Inhalt wolltenvieleimLaufedes20.Jahrhundertszurcknehmen.Vor allemwolltedasderFaschismus,dernichteinmaldenGedanken deshumanenund vontieferBrderlichkeitsidee erflltenOptimismusertragenkonnte,derausdemBeethovenschenWerk strmte. Inhaltlich gesehen- vielabstrakterund komplizierterwollteer aberauchdiedogmatisch-marxistischeRichtungzurcknehmen, denndieIX.Symphonie verkrperte und verkrpert eigentlichdie echteAusstrmung,IrmdiationdesCitoyenpathos.'l'rotzdieser Zurcknahmenaber bliebdieIX.Symphonie erhalten. Der Leser versteht gewi,da eshier nicht nur um die IX. Symphonie,sondernebenfallsumjenekontinuierlicheEntwicklung der K uJtur,derKunst und dermenschlichenRatio geht,anderen UnvernichtbarkeitzuglaubendieGrundlagejedeswahrenRuma18 19 nismus ist.Obesein sich ausdem Citoyenpathos nhl'ender Humanismus ist oder ein auf der theoretischen Grundlage der dialektischmaterialistischenMethodikdesMarxismusstehender,istunter diesemAspektgleichgltig.Sowirdverstndlich,da13sichunter denen,dieLukacsanllichseines70.Geburtstagesin einerFestbegrten,auerArthur Baumgarten, J. D. Bernal,Pletro Pascal,AdamSchaff undAnnaSeghersauchThoma.'l Mannbefand.Der vorhinerrterteGedankewird vielleicht gerade durchjenenzudieserGelegenheitgeschriebenenBriefThomas Mannsamklarstenausgedrckt:"MeinGlckwunl'lchzuGeorg Lukacs'70Geburtstag mu kurz seinesist der einesberforderten alten Mannes. Aber ich willaussprechen,daich den Menschen Lukacs hochachte der Opfer wegen, die er seinen berzeugungen gebracht,desstrengenLebens,dasersichauferlegthat.Undaussprechenwillich,daichdiegleicheHochachtunghabefrseine geistige Arbeit, mit der ich zum erstenmal in Berhrung kam durch seinenfrhenEssayband DieSeeleund dieF'ormen,einWerkvon auerordentlichersthetischerSensibilitt.Seitdemhabeichsein kritisches Werk mit Aufmerksamkeit, Respekt und sehr zu meinem Nutzenverfolgt.\eVasvor allemdaranmeineSympathie erregt,ist der Sinn fr Kontinuitt und Tradition, von dem es geleitet ist, und demesgroenteilsseinDaseinverdankt.Denngeradezuvorzugsweise gilt seine Analyse lterem literarischem Kulturgut, in dem er belesenist,wiederkonservativsteHistorikerundmitdemerdie neue Welt seines Glaubens in Verbindung zu bringen, ihren WissensundLerneifer dafrzuerweckensucht.Da er dabeivornehmlich diegeselJschaftskrltischenElementedieserLeistungenderbrgerliohenKulturaufsuohtundaufzeigt,istrechtundbllligundverringertkeineswegsmeineWertsohtzungeinesMittlerwerkeszwischendenSphrenundZeitaltern,dasmirinspiriertsoheintvon einer Idee, welche heute vielerorts in beklagenswert geringen Ehren steht:derIdeoderBildung."(GeorgLuMcs.ZumsiebzigstenGeburtstag.Berlin1955,S.141.) Die gegenseitigeund Hoohaohtung,wieersiohtliohIst,war nicht nur einemenschlicheundkeineswegsinersterLinie einege genseitigemenschlicheSympathie,sondernsieberuhteaufeiner iiuerst tiefen theoretischen Grundlage.Ausvon Thomas Mann zitiertenWortenwirdauohklar,dadiesegegenseitigeHochaohtungz"wischendenbeidenschpferischenGestaltenzustande kam, trotzdem,javielleichtsogargeradeweiljedervonihnenfestauf demvonihmzurckgelegtenweltanschaulichenWegbeharrte. AufgrundvonzweieinanderinwesentlichenPunktenwiderspre20 chenden Weltbildernkam hier alsoeingeistiges Bndnis zustande, dessenMottodie Bildungwar.Und wenn der Leser aus demBuoh, ausdenfeinenundprzisenphilologisohenAnalysenvonJudith Marcus-Tar dazukommt,das Aufeinandertreffen vonGegenstzen sowiedieaufgrund vongegenstzlichen Weltansohauungenentstehendengeistigen Bndnisse wertzuschtzen, erfllt dieses Buch seine Missionauf eine vielseitige und gehaltvolle Weise. 18tvanHermann EINLEITUNG Georg Lukaos wurde oft und von den verschiedensten Standpunkten ausnachgerhmt,da er unter den DenkernunseresJahrhundertseinerdereinflureichstenwar.Sein1911erschienenesBuch DieSeeleund die]j'ormenhatte einenmagebendenAnteilander neu einsetzenden Debatte mit der Philosophie und der persnlichen Tragik Kierkegaards. Diedarauffolgende HeidelbergerZeitbrachte ..einenengenpersnlichenundgeistigenKontaktmitMaxWeber - zubeiderseitigemNutzen.MaxWebersolleinmalausgerufen haben:"WennichmitLukacsgesprochenhabe,dannhabeich nochtagelangdarbernachzudenken."lArnoldderweltbekannte Kunstsoziologe, nannte LukacsseinenLehrer undgeistigen "Mentor".Auer ihmsollenvielejunge BudapesterIntellektuelle, Mitgliederdessogenannten"SonntagIlkreises"(1915-1919),entscheidendeAnregungenvonLukacsempfangenhaben.Hauser sFrach im Namen jener "groen Generation"(KarIMannheim, Bela Balazs, Frederick Antal u.a.)alsermeinte,Lukacs war "vom AnfangbiszumEndeihrbedingungslosanerkannterLeiter'"ihr Lehrer...Mehr oder weniger(standen)alleunter demEinfluvon Lukacs".2 SeitdemErscheinenvonund Klassenbewutsein(1923)ist dasLukacsscheGedankengutbeiderAuseinandersetzung mit dem :M:arxismusnicht wegzudenken.Generationen von PhilosophenundSoziologen,vonErnstBloch,Waltel'Benjamin.undderFrankfurterSchule(MaxHorkheimerundTheodor W.Adorno)biszuLucienGoldmann,.JrgenHabermasundden "Neuen Linken", haben seine Schriften gelesen, sie interpretiert und reinterpretiert oder aus ihnen gelernt. EswardieBindungandieLiteratur,dievonfrhenJugendjahrenbiszuden letzten Wochcnvor seinemTodelanges Lebenbegleitethat.JeneBindungmanifestiertesichinSchule machendenmethodologischen Schriften, in den groensthetischen Fragmenten bzw. der marxistischen 1\sthetik und inliteraturhistorischenundkritischenArbeiten.Ja, sogarimschriftstellerischen Eigenwerk schlug sie sich nieder:"Von der Armut am Geiste", 1912indenNeuen Bltternerschienenwar.Esgehrtalso zudemkomplexenLukacs-Bild,wennwirderFragenachgehen, was esmit dem Einflu Lukacs' auf die Literatur seiner Epoche auf 22 Schriftstellernunseres ,Jahrhunderts steht. Zwei Begebenheiten werden unweigerlich in jeder noch sokurzen Lukacs-BiographiealsModelljenesVerhltnissesangefhrt:der berhmte (undin mancher Darstellung berchtigte)"Expressionismus"-StreitzwischenAnnaSeghersundLukacsb7.w.Lukacsund Brecht,unddieRolle,dieThomasMannals"Schutzengel"von Lukacs spielte,zuerst in der Zeit seiner Wiener Haft (1919),spter inderbedrngtenSituationderbevorstehendenAusweisungaus sterreich(Briefan Dr.Seipel,1929).Dieoft erwhnte Beziehung Lukacs'zumGeorge-KreisberuhtaufeinemIrrtum,entstanden ausderTatsache,daein Mitglied desGeorge-Kreises,der Germa,nist :.!!,'riedrichGundolf,zugleicherZeitwieLukacsfterGastdes Max-WeberschenHausesinHeidelberg.war.SoverwiesLukacs dieseBehauptungmitRechtindenBereichderLegende.Fast unbekanntbliebdiemenschlicheund geistigeBeziehungzwischen LukacsunddemdeutschenDichterundDramatikerPaulErnst. Erstder1974verffentlichteBriefbandPaulErnstGeorg LuMcs.DokumenteeinerFreundschaftmachtesichtbar,aufwelcheWeisebeide aufeinander eingewirkt haben. Freilich: kein Briefband mit dem Titel"Thomas Mann und Georg Lukacs. Dokumente einer Freundschaft" wird je 7.usammengestellt werdenknnen.EsgabkeinenunmittelbarenDialogoderDisput zwischendemDichterThomasMannundseinemKritikerGeorg Lukacs. Das Briefmaterial war von vornherein sprlich, wie Lukacs es selbst zugab, und auch das sei "grtenteils ein Opfer der Zeitumstnde"geworden.WohlfanddieTatsache,dal3eseineBeziehung gab,nmlichdie7.wischenderZauberberg-FigurNaphtaundder lebendenPersonGeorgLukacs,zurGengeErwhnung.Diese Identifikation wurde so weit getrieben, da Lukacs bemerken mute: Es sei rgerlich, aber auch komisch, da es Kritiker gebe, die seine Sachen von Naphta her bzw. aus dem Roman Der Zauherberg heraus verstehen und interpretieren wollen.(Es soll damit nicht gesagt werden.daeineMonographieberdieseseineThemaeinerRechtfertigungbedrfe;selbstwennsichlediglichbestimmenliee, Lukacshabezueinerderinteressantesten,merkwrdigstenund komplexestenRomanfigurendesMannschenCEuvre,der Figur Leo Naphtas im Zauberberg,Modellgestanden,sowre schondieseAnlehnungeinergrndlichenAnalysewert.Immerhin:wirverfgen, von sporadischen Hinweisen, anregenden Bemerkungen undAnstzen oder"Klatschgeschichten"abgesehen,berkeinesolohe Analyse.) 23 Die'fatsaehebleibt:EI::lgibtbisheutekeineinzigesBuch,das dieBeziehungzwischendemdeutschenDichterunddemungarischen marxistischen Philosophen und Literaturhistoriker zum ma hat. Das vorliegende Werk will dem nachhelfen und die Art und TragweitederBeziehunguntersuchenunddarlegen,diezwischen ThomasMannundGeorgLukacs,dem"grtenbrgerliehen Schriftsteller seiner Zeit"(Lukacs)und dem groen revolutionren Theoretiker und "Ex-Brger" hestand.Eine Gesamtdarstellung der Beziehungen hat ];lOchauf sich zu warten. Das Buch ist also nur als Teilwennauchalswesentlicher- derDarstellungdesWechselverhltnisseszuverstehen.ZurgleichenZeitwilleszuweiteren Studien anregen. Wieangedeutet,istdieLiteraturzumThema sehrsprlich,oft wenigobjektiv und imallgemeinennichtausreichend.Ausdiesem GrundwurdedieSekundrliteraturniehtreichlichherangezogen. VielmehrliegtderArbeitdieDurchsichtallerdichterischenund essayistischenWerkevonThomasMannzugrunde;vondemLebenswerkGeorgLukacs'wurdenhauptschlichdieFrhwerke herangezogen, ferner die literaturkritischen \Verke, in denen Thomas Mann erwhntwird.AlszustzlicheQuellendienendieBriefbnde von'l'homasMann,zahlreichesoziologischeWerke,Memoirender Zeitgenossen, Zeitdokumente und Zeitschriften. Letztlich,an Wichtigkeit aber in erster Linie, interessierten uns. die Materialien, die im Thomas-Mann-ArchivderEidgenssischenTechnischenHochsehule in Zrich und im Georg-Lukaes-Archiv der Ungarischen AkademiederWissenschafteninBudapestaufbewahrtsind.Ohnedie Sichtung diesesMaterialshtte das Buch nicht geschrieben werden knnen. AuchdieMethodedersogenanntenoralhistorywurdebentzt. Das Gesprch mit Georg Lukaes, weiter diebei Katja Mann warenhehstaufschlureichundntzlich;ehemaligeFreunde, BekannteoderWeggenossenLukacs',u.a.derKunstsoziologe Arnold Hauser, der ungarische Maler und Illustrator Tibor Gergely, der ehemalige Weimarer Staatsbeamte und sptere Dekan der New School forSocial Research in New York,Hans vonStaudinger, uer Philosophund,TugendfreundErnstBloch(durchProf.Michael Landmann vermittelt), konnten bezglich der Frhperiode Lukacs' befragt werden und gaben manche wertvollen Informationen. Nieht minderlehrreichundbereichernd sind dieGesprchegewesen,die mit denAngehrigen,besondersmitDr.Ferenc Janossy,in Budapest gefhrt wordensind. AUdieseForschungs ttigkeitliefertegengendBe\veismaterial 24 frdasVorhandenseinweltanschaulicher,literariseherundpersnlicherBeziehungen,dieeingegenseitigesGebenundNehmen insicheinschlieen.Dadie"geistigeNhe",vonderLukacs sprach3,wirklich vorhanden war -, besonders inder frhen Periode derbeiden,aberauchnoch in der Sptperiodeist heutevoll dokumentierbar. Das vorliegende Buch hat sich die Aufgabe gestellt, einige Aspekte der 'l'homas Mann-GeorgLukacs-Beziehung,wiez.B. dasModellverhltnisLukaes'zuderNaphta-Figur,eingehendzubearbeiten und durchzuleuchten, andere, mehr erahnte als erforschte Probleme einerLsungzuzufhrenundsodieGrundlageeinerobjektivwissenschaftlichenMann-Lukacs-Monographiezuschaffen. ZuerstgebeicheinebersichtderIIterarischen\Vechselwirkung und der persnlichen Beziehung.Die Darstellung ist ehronologisch, aber mit dem Schwerpunkt auf der Fruhperiode der beiden Mnner. DarauffolgtdieAnalysederNaphta-FigurausdemRomanDer Zauberberg,der eigentlichden AbschluderFrhperiode vonThomasMannbildet.IndiesemZusammenhangmubetontwerden, da Thomas Mann zur Zeit der Arbeit am Zauberberg die politischen Schriften Lukacs', der inzwischenKommunist geworden war,nicht kannte. Wie Thomas Mann in einem bisher unverffentlichten Brief an Fierre Paul Sagave erklrte: "IchhabewederindenzwanzigerJahrennochberhauptje etwasPolitisches,sondernnurLiteraturkritischesvonLukacs gelesen.undKlassenbewutseinwarundistmirunbekannt.Und KadSchmittkenneichberhauptnurvomHrensagen...Wahrscheinlich sollte man denken,daichzur Zeit des Zauberbergs die."leDinge studiert haben msse. Manches darin, wiedas Freimaurerwesenoder etwa Jesuiten-Erziehung, ist auch studiert. Aber das meiste ist aus der Luft gegriffen. Sie war ja voll davon,und vorbereitend war das alles schon in den,Betrachtungeneines Unpolitischen' durchgeackert worden. "4 DieseBriefstelleuntersttztmeineAnnahmeunddenAusgangspururt meiner Darstellung des Verhltnisse.'l zwischen Thomas Mann und Georg Lukacs. Wie der Dichter Lukacs einschtzte, beruht das auf dessen Frhschriften,d.h.den vormarxistischenSehriften. Als ich meine Annahme mitteilte,antwortete er: "Schauen Sie, da binich sicher,da Sie in dieser Sache recht haben.Daswillichgar nichtbestreiten.Demgemstellt sichdie Frage wieder,ob und inwiefernThomas Mann bemerkt hat, da es Dinge gab - und man darf nicht vergcssen, da auch der junge Lukacsin Die Seeleund dieFormen viel weiter entfernt war VOll 25 der brgerlichenAuffassungalsesThomasMannjefertig brachte-,beidenenichdieGrenzendesBrgerlichenberschritten hatte. Dasallein isthier und jetzt dasProblem... 5 DasProblem,dassichfrLukacsindieserFormprsentierte, bildetdenInhaltdiesesBuches.DasZauberberg-Kapitelwird, glaube ich,klarmachen,daThomasMannbeimLesenvonDie Seeleund dieFormenwohlaufging,in welcher Form der junge Lu"die Grenzen desBrgerlichen berschritten" DIEGEISTIGENHE: DARSTELLUNGEINESWEOHSELVERHLTNISSES Eine DarstellungWechselverhltnisses zwischen einem Dichter und einem Kritiker solltenotwendigerweisezur Voraussetzung haben,dader Dichter sich vonden :H;insichten"seines"Kritikers auf irgendeinevVeisebeeinflussenlie ,sei esinderFormderverwandeltenSelbstbetrachtungodereinerzuknftigenKorrektur an irgflndeinem Aspekt des dichterischen Werkes. Bei einem Dichter wieThomasMann kommtvon vornhereinnur diezuerst erwhnte Annahme in Frage.Andererseitsmte vorausgesetzt werden,d}1 Gefhl,Intellekt,GeistoderPhantasiedesKritikerssichandem WerkdesDichtersinbesonderemMaeentzndenundausdieser "Begeisterung" hochgradig einfhlende und inspirierte Aus]egungen geborenwerden:dasberhmteBeispielderdeutschenLiteraturgeschichteistwohlFriedrichSchlegels"poetische"Interpretation 'lallGoethesW ilhelmMeister.DiesePoetisierungderSacheder Werkinterpretation ist es,worauf der junge Essayist Georg Lukacs hinwies,alser in"berWesenundFormdesEssays"folgendes sagte:"Es gibt...eineKunstwissenschaft;esgibtabernocheine ganzandereArt der uerungmenschlicher Temperamente, deren AusdrucksmittelzumeistdasSchreiben ber die Kunst ist. "6 In diesem Sinne nennt Lukacs den Glauben der meisten Menschen, dieSchriftender Kritiker"seiennur geschrieben,um Bcher und Bilderzuerklren,ihrVerstndniszuerleichtern",einenIrrtum 20).AnstattvonBchernoderBildernals"wesenlosenund hbschenOrnamentengroenLebens"zusprechen,redendie Kritiker eigentlich"von denletztenFragendesLebens"und sagenetwasber sich,d.h."vom InnerstendesInnern",aus.Solch eineAnsichtvonderkritischenTtigkeitschlietinsichdieIdee der Integritt,derabsolutenWahrheit und derSchonungslosigkeit allen Seiten gegenber. Nicht zuletzt ist wohl eine innere VerwandtzwischendemObjektderkritischenTtigkeitunddem "Aussagenden"selbst unerllich. EineengeBeziehungzwischendemKnstlerunddemKritiker ist schon von Anfang an vorhanden, wie esLukacs in seinem Essay "Platonismus,PoesieunddieFormen:HudolfKassner"erklrt. Hier spricht er von den "zwei Haupttypen aller in der Kunst lebendenMenschen"und definiertsiealsden schaffenden Knstler und 27 denKritikerbzw.denDichterdenPlatoniker. "polareGegenstze"darstellen,ergnzensiesich Lukacs,und fhrtfort: "DerDichtersprichtimmerbersich,gleichgltig,waserbe;der Platonikerwagtesnie,lautbersichnachzudenken, nurdurchdieWerkederanderenkannerseineigenesLeben erleben, durch das Verstndnis der anderen nhert er sich sejnem Selbst."(S.48) DerDichter,durchdessenVerstndnisder"Platoniker"Lukacs sich seinemSelbst nherte,war vor allem'l'homas Manu.ber die Grndesolcheinergeistigen"Wahlverwandtschaft"hat wohl nachgedacht und ist zu der Feststellung gelangt: "Jeder Platoniker spricht seinebedeutsamsten Worte aus,wenn er berDichter schreibt. Und vielleicht gibteseine mystische .die bestimmt,welchemKritiker dieser oder jener Dichterzugeordnetseinwird,berdenerso .sprechenkann." [Hervorh.v.Verf.](S.59) DieseFeststellungknnte wohlalsMottofreineDarstellungdes Verhltnisses desKritikers Lukacs zu Thomas Mann dienen. Fast genau vierzig Jahre spter sprach der MarxistLukacsverstndlicherweisenichtmehrvon"mystischerGesetzmigkeit"; vielmehrversuchteerdiemarxistischeGcsetzmigkeitnachzuweisen,dieihn"zwang",denihmzu .LIl\;Hl;tn warnochGymnasiast,alsichdieersten,entscheidenden Eindrcke seinesSchaffenserhielt.Das,Tonio Krger'-Problem zusammenmitIbsensEpiloghat diewichtigstenMotivemeiner jugendlichenProduktionzentraldeterminiert ...nichtderdirekteBezugwardasAusschlaggebende...sonderndieganze AtmosphrederProblemstelhmgen'1mdLsungen."[Hervorh.v. Verf.}? Das "Tonio-Krger-Problem", auf das sich Lukacs bezieht,war das einer dem"normalen","gewhnlichen"Leben notwendig entfremdetenKunstundeincsKnstlerturns,demheuteeinewirkliche KunstnurdurchVerzichtaufdieZugehrigkeitzumbanalgewordenenbrgerlichenLebensbereichmglichist.Lukacswidmet einen Essay dieser Sehnsucht des "verirrtenBrgers" Thomas Mann, derseinerMeinungnach inallseinenFrhwerken"auf derSuche nach dem Brger" war, nach einer "heilen Welt", inder man ehrlicher Knstler und Brger zugleichsein konnte, einerGoetheschen Welt also.Dicse Suche charakterisiertaberauchdieessayistischen BestrebungendesjungenLukacs.Ja,mansprichtoftvondem gemeinsamenNenner,auf denman die verschiedenen Lebens- und Denkpha.'lenvonLukacsbringenknnte:dieSehnsuchtnachder LsungderProblemeeiner"aus denFugen geratenenWelt".Das gemeinsameProblem 1stbeibeidendieFragenach"Literaturam Ende einer Kultur".Allein,esbleibtnichtbei derGemeinsamkeit derProblemstellung.ThomasMannundGeorgLukacshabenseit 1908bzw.1909ber"dasProblematischederI,age"nachgedacht. Lukacs'Essaysammlung,Ergebnisseines er1911 unter dem Titel Die Seete und die Formen. Thomas Mann Unternehmenauf,demer inseinenNotizendenprovisoTitel"Geist und Kunst"gab,und verffentlichtelediglich einFragmentunterdemTitel"DerKnstlerundderLiterat" (1913).Im Vorwort steht: "Eine groe Abhandlung ber GeistundKunst,Kritik undPlastik,ErkenntnisundSchnheit,WissenundSchpferturn,ZivilisationundKultur,VernunftundDmoniewurdevorJahren ertrumt und entworfen. Der Gegenstand fhrte ins unddieessayistischeDisziplindesVerfassersreiCH"eratethepeop1e,comes...tothefoUowingconclusion... : sinceour'"peopleareincapableofunitingandunwillingto unite free]y,theymust be united involuntarily." ...[Hervorh.v. Verf.]218 ThomasMannkonntenatrlichdenBrief nicht kennen;trotzdem integrierteeralldasinseinemjesuitischenRevolutionr,wasfr einensolchenTypcharakteristischseinsollte.SogarBakunins Folgerungboterselbstzugednchtundgestaltet:"Thisis the first... step towards the Jesuit system", schreibt Bakunin, und "it isadesperate step", wellman eskonsequent durchfhren mu, sogarzurSelbstzerstrungundzuderAufopfe1'lmgderanderen (S..Nach demerstenWeltkrieg,inder Zeitder Weimarer Republik, manchealthergebrachtenVerknpfungenundAssoziationenwiederaktuell:EsgabvielejdischePolitikerundfhrende Persnlichkeiten,derenRolleundCharakteristikasichzusolcher Typisierung eigneten.Harry Graf Kessler schrieb1918nach einem . Besuchbei HugoHnaseinseIn'l'agebuch:"Derberwiegende Eindruck,denHaasemacht,ist dereinergroenGeschmeidigkeit beifundamentalerHrte,dieeiserneFaustimGummihandschuh. Einkleiner,verbissener,etwasjesuitischerJudemitklugen,harten Augen."[Hervorh.v.Verf.]219 DiesesBeispielunterstreichtwiederunsereBehauptung,da dieKombination,dieamEndeeineGestaltundeinenTypwie Naphtaergab,keineswegssokhn,ein- understmaligwar,wie manesimallgemeinenannahmund ThomasMann selbst glauben wollte.WieerjedochdievorgefundenenMaterialien,Vorbilder undAnregungendichterischbewltigt,umgeformtundinsein Werkintegrierthat,bleibtdasEinmaligeundEinzigartigean dieserGestalt. Thomas Mannsmeisterhafte Verwendung aller vorhandenen und verfgbarenDetailsergabschlielichinvielerAugendenTypdes jesuitischenMenschen.So gingendieseGestalt und diesesKonzept nicht nur ins ffentliche Bewutsein ein, sondern halfen in manchen .Fllen- und sogar in manchen wissenschaftlichenAbhandlungen-KonzeptdesJesuitischenerhellen.WennineinerHezension einesJesuiten-Buches steht,dazu den insAugestechenden CharakteristikaeinesJesuitenfolgendeEigenschaftenzurechnen sind:"dmonartige Anpassungsfhigkeit" , dieunvornehme Kunst, "sichbeiVornehmenundGewaltigenmit...Leistungen...einzuschmeicheln", das Bedrfnis nach "unbedingter Autoritt",nach "Kadavergehorsam",ferner"Doppeigesichtigkeit" ,"unterwrfige Demut beiunbndigemStolz"und"Internationalitt der Institution",so,habenwirhierentwedereineabsolutebereinstimmung in derCharakteristik einesJesuiten oder eine AneignungdesThomasMannschenEntwurfsdurchdenRezensentenvorUnS.220 IndernochheutemagebendenStudievonReneFlp-Miller erleuchten sogar Naphta-Zitate die Diskussion der Verpflichtungen und Ideologieder Jesuiten.221 DieWahrscheinlichkeit ist gro,da sichindieBeschreibungderPersnlichkeitdasNaphta-Bildeingeschoben hat, bewut oder unbewut. Wir denken dabei an bereinstimmungenwieLoyolas"geringeHerkunft"und"rigorose Selbstbildung" ,mitunermdlichemFleiundeisernemWillen gepaart,haben nach It.Flp-Miller zu seinem Erfolg beigetragen . Wir hrenauch, daULoyolas Krankheit dieQuelle seiner Reflexionen war; da er asketisch war, aber nicht lebensfremd und fr gutes Essen und fr Bequemlichkeit etwas brig hatte. Seine Ambitionen und sein Mut, sein Organisationstalent ebenso wie seine"fanatische Natur" machten Loyola zu einem idealen Ordensgrnder. Auch die Aussage,Loyolaverlangtefr \'fleinePersonAnonymittinder Gemeinschaft,hrtsichwieeintZauberberg-Passagean.Esfehlt (121 120 nicht einmaldieBetonung der ursprnglichabenteuerlichenNatur Loyolas,dieeraberdurch"Selbstvergewaltigung"und"Selbstzucht"besiegthatte. MaxFrischschreibtnacheinerBegegnungmitBreoht:"Es gibtauchmaterialistische Jesuiten", und fgt hinzu: "DieDoktrin ber,DasZielheiligtdieMittel'produzierthnlicheZge, auchwenndasZielganzoppositionellist. "222UndLeszek Kolakowski,derpolnischemarxistische(Exil-)Philosoph,untersuchtineinemumfangreichenEssay,wiehaltbareinekompromittierte moralische Losungwie dieobengennante seinkann.223 Es scheint, duBAnziehungskraft undAktualittdieserGedankenverbindungenmitderZeitnichtnachlassen;derGrunddafrmag in der hnlichkeit der historischen Situationen liegen.Immer,wenn sozialeund politischeUmwlzungeneineallgemeineVerschrfung derAuseinandersetzungenumAlternativenmitsich erneutsichdieDiskussionumdie"Alternativedes gegenberLsungversprechendenSystemen.Lsungenoder -- sindabermitdem"Glaubenan moralischenWert"verbunden(S.229),224derebenfallszwangsweise aus der theologischenSphre stammt. IndiesemZusammenhang OVUlJ