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Major Depression, Borderline-Persönlichkeitsstörung und körperliche Erkrankungen - Späte Folgen früher Traumata
Dr. med. Kai G. Kahl Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Zusammenfassung: Klinische und epidemiologische Studien zeigen, dass traumatische Lebensereignisse während vulnerabler Entwicklungsperioden das Risiko für die Entwicklung körperlicher Erkrankungen beeinflussen. In diesem Zusammenhang wurde auf die erhöhte Prävalenz von kardiovaskulären Erkrankungen und Diabetes mellitus Typ 2 bei Patienten mit einer Vorgeschichte von Traumata während der Kindheit hingewiesen. Diabetes Mellitus Typ 2 und kardiovaskuläre Erkrankungen sind typische Folgekrankheiten eines Metabolischen Syndroms. Eine umfassende Erklärung für diese Assoziation steht bislang aus. Präklinische Studien weisen aber auf die Rolle persistierender endokriner Anpassungsprozesse infolge ungünstiger Umgebungsbedingungen hin: Maternale Deprivation und ungünstiges Brutpflegeverhalten wurden mit einer Veränderung der Aktivität des Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Systems und der Entwicklung metabolischer Erkrankungen in Zusammenhang gebracht.
Aversive Umgebungsbedingungen während der Kindheit und Adoleszenz werden von der überwiegenden Mehrzahl der Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung berichtet. Hierzu zählen beispielsweise emotionale Vernachlässigung, sowie körperliche und sexuelle Traumatisierung. Patienten mit Borderline-Persöpnlichkeitsstörung tragen ein hohes Risiko für die Entwicklung weiterer psychischer Störungen wie Major Depression, Posttraumatische Belastungsstörung und Essstörungen. Dagegen ist über die Entwicklung körperlicher Erkrankungen bei diesen Patienten wenig bekannt.
Veränderungen der Körperzusammensetzung gehen der Entwicklung kardiovaskulärer Erkrankungen und Diabetes Mellitus Typ 2, beides Folgeerkrankungen eines Metabolischen Syndroms, häufig voraus. Veränderungen der Körperzusammensetzung umfassen eine Veränderung der regionalen Fettverteilung mit Zunahme des Viszeralen Fettgewebes, und eine Abnahme der Knochendichte. Viszerales Fettgewebe gilt als unabhängiger Risikofaktor für die Entwicklung eines Metabolischen Syndroms und dessen Folgeerkrankungen, eine Knochendichteminderung als Risikofaktor für die Entwicklung von Osteoporose und pathologischen Frakturen. Die Bildung viszeralen Fettgewebes und die Veränderung des Knochenstoffwechsels werden durch endokrine und immunologische Faktoren beeinflusst, die im Rahmen psychischer Störungen verändert sein können.
Vor diesem Hintergrund war es das Ziel der vorliegenden Untersuchungen, die regionale Verteilung des Fettgewebes und die Knochendichte bei Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung, Major Depression, und bei komorbiden Patienten
mit Borderline-Persönlichkeitsstörung und Major Depression zu bestimmen. Darüber hinaus wurden Parameter des Glukose- und Knochenstoffwechsel, sowie endokrine und immunologische Faktoren systematisch erhoben.
Wir fanden bei komorbiden Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung und Major Depression eine Dysregulation des Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-System mit Hyperkortisolismus, einem veränderten molaren Kortisol-Dehydroepiandrosteron-Quotienten, und höhere Konzentrationen pro-inflammatorischer Zytokine (TNF-α und Interleukin-6). Diese Befunde sprechen dafür, dass die endokrinen und immunologischen Veränderungen bei komorbiden Patienten ähnlich sind wie bei Patienten mit schwerer depressiver Episode ohne komorbide Borderline-Persönlichkeitsstörung.
Die Knochendichte war bei älteren Patienten mit Major Depression (Durchschnittsalter 43 Jahre) erniedrigt. Bei komorbiden Patienten fanden wir vergleichbare Knochendichteminderungen im Mittel schon 15 Jahre früher. Bei komorbiden Patienten (Borderline-Persönlichkeitsstörung und Major Depression) und Vorgeschichte einer Anorexia Nervosa war die Knochendichteminderung am stärksten ausgeprägt. Zusätzlich beobachteten wir bei diesen Patienten eine Erniedrigung des Osteoklasten-inhibierenden Zytokins Osteoprotegerin. Die immunologischen Veränderungen korrelierten mit den Parametern des Knochenumbaus, was auf eine pathogenetische Rolle hindeutet.
In den Untersuchungen zur regionalen Fettverteilung beobachteten wir die ausgeprägteste Zunahme des viszeralen Fettdepots bei komorbiden Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung und Major Depression. Bei diesen Patienten war auch die relative Insulinresistenz am stärksten ausgeprägt. Das Adipozytokin Interleukin-6 korrelierte mit der Menge des viszeralen Fettgewebes und mit der relativen Insulinresistenz, was auf eine Rolle dieses Zytokins bei der Entwicklung von Insulinresistenz und Diabetes Mellitus hinweist.
Zusammengefasst weisen unsere Ergebnisse darauf hin, dass aversive Lebensbedingungen während der Kindheit und Adoleszenz das Risiko für die Entwicklung von Osteoporose und Folgeerkrankungen eines Metabolischen Syndroms erhöht. Darüber hinaus bestätigen unsere Ergebnisse, dass auch Patienten mit Major Depression ein höheres Risiko für die Entwicklung von Osteoporose und Folgeerkrankungen eines Metabolischen Syndroms haben. Dieses Risiko ist bei komorbidem Vorliegen einer Borderline-Persönlichkeitsstörung allerdings deutlich erhöht.
Ausgehend von unseren Ergebnissen lassen sich klinische Konsequenzen ableiten: 1) Traumatisierung während der Kindheit oder Adoleszenz ist ein relevanter Risikofaktor für die Entwicklung körperlicher Erkrankungen. 2) Patienten mit Borderline-Persönlichkeitststörung, die allgemein als „schwierige Patienten“ gelten, sind eine Gruppe mit besonders hohem Risiko für metabolische Erkrankungen.
Diesem Umstand sollte in Hinsicht auf die medizinische Versorgung dieser Patienten Rechnung getragen werden. 2) Metabolische Veränderungen sollten früher detektiert werden. Dies erfordert ein regelmäßiges Monitoring für metabolische Veränderungen und die interdisziplinäre Behandlung von Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung und Patienten mit Major Depression.
Späte Folgen früher Traumata - Major Depression, Borderline Persönlichkeitsstörung und
körperliche Erkrankungen -
Dr. Kai G. Kahl
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Agenda
Traumata und deren FolgenPatienten mit Vorgeschichte einer Traumatisierung haben erniedrigte Knochendichte und ausgeprägte InsulinresistenzZusammenfassung
Psychische Folgen von Traumatisierung
• Erhöhtes Risiko für• Borderline
Persönlichkeitsstörung• PTBS• Major Depression• Substanz-assoziierte
Störungen• Essstörung• Paranoide
Persönlichkeitsstörung• Selbstunsichere
Persönlichkeitsstörung
Soziale Folgen von Traumatisierung- Prävalenz traumatischer Ereignisse -
0
5
10
15
20
25
Sexueller Missbrauch Körperliche Gewalt EmotionaleVernachlässigung
InsgesamtMännerFrauen
• Schlechtere Schulbildung
• Niedrigeres Einkommen• Häufiger Scheidung• Frauen: häufiger
sexuelle Gewalterfahrung
• Männer: Häufiger körperliche Gewalterfahrung
%
National Comorbidity SurveyN= 5877
Goodwin 2004; Psychological Medicine
Körperliche Folgen von Traumatisierung- epidemiologische Daten -
1 3 5 7 9 11
Sexuell
er Miss
brauch
Körperl
iche G
ewalt
Emotionale
Vernach
lässigung
AutoimmunArthritisHypertonusSchlaganfallDiabetesHerzerkrankung
OR
National Comorbidity SurveyN= 5877Retrospektive Erhebung
Goodwin 2004; Psychological Medicine
Agenda
Traumata und deren FolgenPatienten mit Vorgeschichte einer Traumatisierung haben erniedrigte Knochendichte und ausgeprägte InsulinresistenzZusammenfassung
DiabetesMellitus
ArteriellerHypertonus
Insulinresistenz Syndrom
Pro-inflammatorischeZytokine (TNF-α, IL-6)
StresshormonsystemKortisol
AlkoholZigaretten
Drogen
AktivitätErnährung
Einflussfaktoren auf das Insulinresistenz-Syndrom (Metabolisches Syndrom)
Zentrale Aspekte des Insulinresistenz-Syndroms (metabolisches Syndroms)
- Die Rolle von Insulin und Kortisol -
Insulinresistenz: Erniedrigte Glukoseaufnahme in Insulin-abhängigen Geweben trotz Insulin
American Diabetes Association 1997
Gehirn
Brust
Immunsystem Leber
Fett
Muskel
Glukose
Insulin
Kortisol
Zytokine
VEGF
Freie FS
Depression und Trauma- Dysregulation des HHNS und Hyperkortisolismus -
ANCOVA: p< .05
Kahl et al., Biol Psychiatry 2005, in press
0 60 120 180 2400
100
200
300
400*
DepressionKontrollen
Zeit (min)
Kor
tisol
(nm
ol/L
)
Daten kontrolliert für Alter,BMI, Aktivität, Rauchen
Affektive Erkrankungen u. Metabolisches Syndrom- inflammatory response syndrome -
ANCOVA: p< .05Daten kontrolliert für Alter,BMI, Aktivität, Rauchen
0 60 120 180 2400
1
2
3
4
5 *
Zeit (min)
TNF-α
(pg/
ml)
0 60 120 180 2400
250
500
750
1000
KontrollenDepression
*
Zeit (min)
VEG
F (p
g/m
l)Depression und Trauma
- Dysbalance pro- und antiinflammatorischer Zytokine -
Kahl et al., Biol Psychiatry 2005, in press
Insulinresistenz im akuten Schub einer Depression bei Patienten mit Vorgeschichte von Traumatisierung
Lieb, Rexhausen, Kahl et al. 2004; Psychiatry Res
Gehirn
Brust
Immunsystem Leber
Fett
Muskel
Glukose
Insulin
Kortisol
Zytokine
VEGF
Freie FS
Aktivierung des Stress-Systems und relativer Hyperkortisolismus in Abhängigkeitvon „Anspannungszuständen“ bei Patienten mit BPS
Fett ist nicht gleich Fett- Die Rolle von viszeralem Fettgewebe -
Verschiedene Fettgewebskompartimente …
Subkutanes FettgewebeRetroperitonelaes FettgewebeViszerales Fettgewebe
… haben unterschiedliche metabolische EigenschaftenViszerales Fett: „Goldstandard“zur Abschätzung metabolischer Risiken
Björntorp et al., 1991; Wajchenberg, Endocrine Reviews 2000
Viszerales Fett- Wie führt viszerale Adipositas zu Insulinresistenz? -
Zytokine
TNF-α ↑IL-6 ↑
MuskelInsulin-
Wirkung
LeberGlukoneo-genese ↑
Pankreasß-Zell-Inhibition
Insulin-resistenz
Leptin ↑Adiponectin
LPL-Aktivität ↑ ↑LipolyseLDL ↑ ↑
Psychische Erkrankungen u. Metabolisches SyndromVergrößertes viszerales Fettgewebe ist ein Prädiktor für die Entstehung
eines Metabolischen Syndroms
0
1000
2000*
KontrolleBorderlineDepressionDepression/BPS
Visz
eral
es F
ett (
mm
2 )
*ANCOVA: p< .05
Normalgewichtige junge Frauen <30Jfür RF gematchtBPS Patienten mitmultiplen Traumata
Kahl et al., Psychosomatic Medicine, 2005
1,2 1,7 1,7 2,4
Relative Insulinresistenz
Erniedrigte Knochendichte bei depressiven Patienten mit Vorgeschichte von Traumatisierung
1
1,1
1,2
1,3
1,4
Knochendichte (g/cm2)
Gesunde
Depression (30J)
Depression (43J)
Borderline (26J)
Borderline/Depression(27J)
**
Agenda
Traumata und deren FolgenPatienten mit Vorgeschichte einer Traumatisierung haben erniedrigte Knochendichte und ausgeprägte InsulinresistenzZusammenfassung
Traumatisierung und das Konzept des „epigenetischen Programmierens“
Traumatisierung• körperlich• sexuell• emotionale
Vernachlässigung
Anhaltende Veränderungder Aktivität endokriner (und immunologischer)Systeme.StressintoleranzAnfälligkeit für metabolische Erkrankungen erhöht.
Erhöhtes Risiko für BPS, PTSD, Depression, Essstörung,Suchterkrankungen
Verändertes Gesundheitsverhalten
Eine integrierende Zusammenfassung
Genetische Vulnerabilität
Lebensstil Sozialisation,Traumata
Borderline-Persönlichkeitsstörung
Major Depression
Viszerales Fett ↑Insulinresistenz
Aktivierter OsteoklastKnochendichte ↓
MetabolischesSyndrom
Folgekrankheiten: Diabetes MellitusMyokardinfarkt
Folgekrankheiten:pathologische Frakturen
ZytokindysregulationTNF-α ↑; IL-6 ↑
HPAS-DysregulationGlukokortikoide ↑
Osteoporose
Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit
Klinik für Psychiatrieund PsychotherapieDiana BraackmannWiebke GreggersenFritz HohagenKai G KahlOliver KornMichaela KütherSebastian RudolfUlrich SchweigerValerja Sipos
Klinik für Innere MedizinHorst L FehmKerstin OltmannsAchim Peters
Institut für RadiologieBeate StöckelhuberClaudia Bergmann-Köster
Institut für Klinische ChemieLeif Dibbelt
Die Arbeitsgruppe „Selfish Brain“