MAIS UND ELFENBEIN - WordPress.combesi wie Perlen an einer Schnur rei-hen. Ab 200 Dollar aufwärts...

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missio magazin 1/2015 39 missio magazin 1/2015 38 MAIS UND ELFENBEIN Vor den Toren des Nationalparks am unteren Sambesi leben die Menschen in einer Art Pufferzone für Mensch und Wildtier. Den Bauern dort soll der National- park, in den Safari-Touristen viel Geld tragen, ein besseres Leben ermöglichen. Aber viele sehen nur, dass ihnen Elefanten und Flusspferde die Ernte zerstören. EINE REPORTAGE VON BARBARA BRUSTLEIN MIT FOTOS VON JÖRG BÖTHLING vor ort sambia

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MAIS UND ELFENBEINVor den Toren des Nationalparks am unteren Sambesi leben die Menschen ineiner Art Pufferzone für Mensch und Wildtier. Den Bauern dort soll der National-park, in den Safari-Touristen viel Geld tragen, ein besseres Leben ermöglichen.Aber viele sehen nur, dass ihnen Elefanten und Flusspferde die Ernte zerstören.

EINE REPORTAGE VON BARBARA BRUSTLEIN MIT FOTOS VON JÖRG BÖTHLING

vor ort sambia

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Brücke in eineandere Welt: Nur in der

Trockenzeit ist Chiawa mitdem Auto erreichbar. Inder Krankenstation ver-

arztet KrankenschwesterLaika Nyadawo, 43,

kleinere Verletzungen (u.).Schwerer Verletzte

fahren die Lodgebetrei-ber in den nächsten

größeren Ort.

>> Heute Nacht haben sie abwech-selnd Wache geschoben. Nach ver-dächtigen Geräuschen gelauscht.Die ersten Stunden hat StarfredChimwanja, 56, übernommen. Da-nach seine Ehefrau Mebo. Seit Wo-chen geht das so. „Der Mais ist reif.Wenn wir heute abend schlafen ge-hen, ist das Feld morgen früh kahlgefressen“, sagt Starfred. Also liegenStarfred und seine Frau wach, be-waffnet mit einem Gewehr, umWarnschüsse abzugeben, und mitTrommeln, an die sich die nächtli-chen Eindringlinge längst gewöhnthaben: Elefanten, Stachelschweine,Flusspferde und Paviane, die demDuft der reifen Ähren aus dem Na-tionalpark am unteren Sambesi in dieAnsiedelungen der Bauern außerhalbdes Parks folgen. Und dort eine Spurder Verwüstung hinterlassen. DieBauern des Örtchens Chiawa, das in

der „game management area“, alsodem Gebiet der Wildbewirtschaf-tung rund um den Nationalpark liegt,sind nicht gut zu sprechen auf dieWildtiere. In ihren Augen schlägtdie Waage eindeutig zugunsten einerSeite aus: der der Tiere.

Noch ist Regenzeit. Nur einzelneSafari-Touristen sind da. Bei schlech-tem Wetter verwandeln sich dieungeteerten Straßen in Schlamm-löcher und sind auch für Allrad-fahrzeuge nicht passierbar. ZweiAutostunden trennen Chiawa beiguter Witterung von der sambischenHauptstadt Lusaka. Bei Regen ist eseine abgeschottete Welt für sich.

In ein paar Wochen, wenn dieRegenzeit vorbei und die Straßen be-fahrbarer sind, werden die Urlauberkommen und die Lodges füllen, diesich entlang des zäh fließenden Sam-besi wie Perlen an einer Schnur rei-hen. Ab 200 Dollar aufwärts kostetdort eine Übernachtung. Anreise perSchnellboot über den Sambesi.

Für viele hier sind die Besuchereine wichtige Einnahmequelle. Sofür Dasmat. Der Vierzigjährige mitder Kalaschnikow in den Händen istbei einer der Lodges angestellt undbegleitet Safari-Touristen auf ihrenTouren. Angesichts der derzeit nochleerstehenden Luxusbauten auf Stel-zen ist er in seinem Zweitjob be-schäftigt: „Ich schütze die Tiere vorden Menschen, das heißt, vor denWilderern. Und die Felder der Men-schen vor den Tieren.“

Wie gut das Wachmännern wieDasmat gelingt, die dafür von derZAWA, der sambischen Wildtier-

„WENN DER MAIS REIF IST, MÜSSENWIR IN DEN FELDERN SCHLAFEN,SONST ZERSTÖREN DIE TIEREUNSERE ERNTE.“ Ekrin Mpona, 43

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behörde bezahlt werden, ist bei denOrtsansässigen umstritten: „DreiTage lang hat ein wildgewordenerElefant in unserem Feld gewütet.Am dritten Tag, als alles kaputt war,hat ihn der ZAWA-Mann endlicherschossen“, sagt die Bäuerin EkrinMpona, 43. Sie steht inmitten ihresFeldes, in dem sie wie die FamilieChimwanja derzeit nächtens Wacheschiebt und zeigt auf die Überresteihrer Ernte – und mittendrin aufeinige riesige Knochen: die einesElefanten.

„Die Leute haben den Elefantengebraten und vier Tage lang ein Festgefeiert“, sagt Fr. Paul Sakala. „Ja,das ist schrecklich. Aber man mussdiese Menschen verstehen: Sie sindseit jeher hier und müssen von ihrerErnte leben.“ Fr. Paul, 55, ist vor vierJahren aus Lusaka hierher versetztworden, mitten hinein in diese Ge-gend, in der Mensch und Wildtierkoexistieren sollen. Seine Unter-kunft am Sambesi mietet er bei sei-ner Nachbarin, der Chefin des Chia-wa-Clans, Christine Mambo.

Eine Traube von Besuchern stehtwartend vor dem Domizil der Stam-meschefin. Die 64-jährige thront einpaar Meter vor ihrer Haustür aufeinem weißen Plastikstuhl, linksund rechts neben ihr ihre Berater.Die Wartenden sind wohlgenährteWeiße in Khakihosen und halboffe-nen Hemden. „Investoren aus Zim-babwe oder Südafrika“, mutmaßt Fr.Paul, dem der Andrang bei seinereinflussreichen Nachbarin vertrautist. „Das Land hier gehört den Clans.Ohne die Unterschrift der Chefinwird nichts verkauft.“

Bevor die Investoren in spe vor-sprechen dürfen, müssen sie die tra-ditionelle Respektsbezeugung absol-vieren. Einer der Berater führt dabeidie korrekten Bewegungen vor, derBesucher ahmt die Verrenkungennach. Christine Mambo sitzt schwei-gend in der Mitte und betrachtet dieVorführung ohne mit der Wimperzu zucken. „Das hier ist eine Weltfür sich“, erklärt Fr. Paul. „Wer sich

den Leuten Arbeit. Da würde ich insGespräch kommen“.

18000 Menschen leben in undum Chiawa, auf dem Land ihrerVorfahren. Dazu gehört auch derNationalpark, aus dem sie weichenmussten. „Ausländer kommen hier-her, um unsere Elefanten zu sehen.Aber sie sehen nicht den Schaden,den sie anrichten“, sagt die Clan-chefin und fügt hinzu: „Aber ohne

die Parks gäbe es gar keine Wildtie-re mehr in unserem Land. Wie sollman den Leuten sagen, sie sollenaufhören zu wildern, wenn mandamit schnelles Geld verdient?“Auch die Regierung will mitverdie-nen: 2010 hatte Sambia eine be-schränkte Öffnung für den Elfen-beinmarkt gefordert – und wardamit gescheitert. Ein Erfolg derForderung wäre für den Bestand der

Elefanten fatal gewesen. Tierschüt-zer atmeten auf.

Was also tun, damit Wildtierund Mensch rund um die National-parks koexistieren können? Elektro-zäune für die Felder müssen her,meinen einige und fordern von derRegierung, sie bereitzustellen. In Fr.Pauls Augen ist das auch keineLösung: „Im Einzelfall ist das gut.Aber die Leute vergessen, dass sie

den uralten Regeln nicht beugt,geht mit leeren Händen.“ Das wol-len die Ausländer ganz offensichtlichnicht, denn einer nach dem anderentritt vor und absolviert die geforder-ten Übungen. Wird sich der Besuchfür sie lohnen? Die Chefin sagt:„Alle wollen Lodges bauen, und im-mer längs des Sambesi. Davon habenwir wirklich genug. Im Landes-inneren fehlt uns Infrastruktur und

Flurschaden und nobleLodges: In den game

management areas(GMA), den Gebieten

mit Wildtierbewirtschaf-tung, dürfen die Anwoh-ner für den Eigenbedarf

und Touristen teilsTrophäen jagen. Dem

illegalen Wildern fallenimmer noch zu viele

Tiere zum Opfer.

Knochen im Maisfeld:Die verbrannten Über-reste eines Elefanten.

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„MIR TUN DIE MENSCHEN HIER AUF-RICHTIG LEID.SIE KOMMEN AUF KEI-NEN GRÜNEN ZWEIG.“ Davie Visser, 55

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Zweig, und das hat mehrere Grün-de.“ Vissers Blick streift von der Te-rasse hinter seinem Haus über dieweiten Felder, auf denen sein Maisin vollem Korn steht. Auf der ande-ren Seite des Sambesi, auf den maneine atemberaubende Aussicht hat,liegt Simbabwe, seit drei Generatio-nen Heimat für seine Familie. BisRobert Mugabe sein Land konfis-zierte, seine Familie und ihn ausdem Haus jagen ließ.

In Sambia, auf der anderen Seitedes Flusses, pachtete er fruchtbaresLand und fing an, seine Existenz vonNeuem aufzubauen. „Auch ich habedie Flusspferde Nacht für Nacht inmeinen Feldern“ sagt er. „Und seit

die Paviane keine natürlichen Feindewie Leoparden und Löwen mehrhaben, ist es entsetzlich mit ihnen ge-worden.“ Trommeln, der Gestankvon brennendem Chili, Plastik oderAutoreifen – es gibt nichts, was dieBauern nicht schon probiert und wo-ran sich die Tiere nicht gewöhnt hät-ten. „Sie haben uralte Routen, die sieseit jeher laufen. Man kann sie dazubringen einen anderen Weg zu wäh-len. Aber der führt dann oft durch dasFeld des Nachbarn. Also muss mander Tatsache in die Augen schauen:Wir leben hier mit Tieren und wer-den immer einen Teil der Ernte ver-lieren“, sagt er und fügt hinzu: „Eskommt noch etwas anderes hinzu:

Was ich hier aufgebaut habe, hätteein Ortsansässiger nicht geschafft.Warum? Weil beim ersten Erfolgseine Verwandten vor der Tür stehenund die Aufteilung der Gewinne for-dern.“ Fr. Paul nickt, als der Farmerdas sagt. Vier Jahre hier haben ihn ge-lehrt, dass er für kleine Fortschrittedankbar sein muss. „Meine Hoff-nung ist, dass es der nächsten oderübernächsten Generation gelingt,dass nicht mehr nur wenige vomTourismus der Reichen in den Parksprofitieren und die anderen billige Ar-beitskräfte sind und ums täglicheÜberleben ringen. Und dass wir dabeidie Wildtiere überleben lassen.“ Einegroße Herausforderung für die Leutevon Stammeschefin Mambo. Nichtvon ungefähr bauen chinesische Fir-men im Eiltempo Straßen: Kupferund Gold liegen in den Hügeln Sam-bias. Auch auf dem Land, das StarfredChimwanja und seiner Frau Mebogehört. Eine Unterschrift auf einemKaufvertrag und die Nachtwachenim Maisfeld wären Geschichte. Wasdas für die Wildtiere bedeutet, stehtauf einem anderen Blatt.

„Das schrecklichste Raubtier istder Mensch“, sagt Davie Visser undlässt den Blick über den breitenStrom hinweg streifen, hinüber nachSimbabwe. <<

sich in ihren Dörfern einzäunen las-sen wie in einem Zoo“, sagt er. Allzuweit hergeholt ist das nicht: EinigeLodges bieten den Besuchern Jeep-touren zu den Anwohnern an. „Siebestaunen uns wie Tiere“, findetMuseto Isaiah, der am örtlichen Ge-richt beschäftigt ist und dem Dorfratangehört. „Aber das sind Kleinigkei-ten, die uns ärgern. Das Schlimmsteist, dass es im Grunde um den Aus-verkauf unseres Landes geht. DieRegierung will das Konzept desStammeslandes abschaffen. Dannwären wir ungeschützt“, sagt er.

„Mir tut die hiesige Bevölkerungaufrichtig leid“, sagt Davie Visser,55. „Sie kommen auf keinen grünen

Die Elfenbeinwilderei dezimierte Afrikas Elefanten im Jahr-zehnt zwischen 1979 und 1989 von über einer Million auf

rund 600.000 Tiere. Heute gilt nur ein Bestand von rund 130.000 Tieren alsgesichert. Da Japan und China 1999 und 2008 Ausnahmen vom internationa-len Handelsverbot erwirkten, nahm das blutige Geschäft mit den Stoßzähnenwieder zu. Sambias Vorstoß von 2010, etwa 100 Tonnen Elfenbein nach Asienzu exportieren, scheiterte. Wildtierschützer atmeten auf. Mit 20 Nationalparks(65.000 Quadratkilometer Fläche) und 36 „game management areas“ , Gebie-ten mit Wildtierbewirtschaftung (167.000 Kilometer Fläche) widmet Sambiarund 40 Prozent seiner Fläche der Bewahrung der Wildtiere.Sambia ist das Beispielland beim Afrikatag 2015. Ursprünglich wurde die Akti-

on im Jahr 1890/91 von Papst Leo XIII.ins Leben gerufen, um die immer nochfortbestehende Sklaverei in Afrika zubekämpfen. Heute wird mit der Kollek-te am 4. und 6. Januar 2015 vor allemin die Ausbildung kirchlicher Mit-arbeiter investiert, die sich um dasWohl der Menschen in den verschiede-nen Ländern Afrikas kümmern. missioMünchen arbeitet seit vielen Jahrenmit der Kirche in Sambia zusammen.Informationen zum Afrikatag gibt esim Internet auf www.missio.com undbei Dr. Michael Krischer, Tel.: 089-5162-247 und [email protected]

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Ernte hinter Elektro-zaun: In den Gebietenrund um den National-

park zerstören Wildtieredie Maisfelder der Bau-

ern. Verschiedene NGO´sfinanzieren Elektrozäune.Die wiederum sind teuer

und umstritten.

„MEINE HOFFNUNG IST, DASS DIENÄCHSTE GENERATION EINEN WEGFINDET, MENSCH UND TIER DASLEBEN ZU ERMÖGLICHEN.“Fr. Paul Sakala