Mahasi Sayadaw - Vipassana

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8/7/2019 Mahasi Sayadaw - Vipassana http://slidepdf.com/reader/full/mahasi-sayadaw-vipassana 1/320  GRUNDLAGEN DER VIPASSANA MEDITATION von Ehrw. Mahasi Sayadaw Englische Übersetzung U Maung Tha Noe Buddha Sasananuggaha Organization Mahasi Thathana Yeiktha Rangoon Deutsche Übersetzung aus dem Englischen Kurt Jungbehrens BGM 2009

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GRUNDLAGEN

DER

VIPASSANA MEDITATION

von

Ehrw. Mahasi Sayadaw

Englische Übersetzung U Maung Tha NoeBuddha Sasananuggaha Organization

Mahasi Thathana YeikthaRangoon

Deutsche Übersetzung aus dem EnglischenKurt Jungbehrens BGM 2009

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 Sabbadanam Dhammadanam jinatiDas Geschenk des Dhamma übertrifft alle Gaben

Seite

INHALT-ÜBERSICHT 1

Anmerkung des Übersetzers 2Vorwort 4Ruhe und Einsicht 5

Daseinsgruppen 5Wissen und Freiheit 7Die Rechte Methode 11Der Geist 15Welche Zeit? 16

Ursprung 18Wie sich Ergreifen erhebt 20Meditieren, genau jetzt 21Unentwegtes Arbeiten 23

Die Dinge fallen auseinander 25

Unbeständigkeit 27Wahrheitsfindung 30Letztlich Frieden 32Fortschritt 33Der Edle Pfad

Die junge Weberin 38Der dumme junge Mönch 39Die Göttin Uposatha 41Wahrheiten 43

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 Anmerkung des Übersetzers 

„Grundlagen der Vipassana Meditation“ beruht auf einer Serie von Vorträgen die der Ehrw. MahasiSayadaw während der Neujahrs-Feiertage im Jahr 1320 (1959) burmesischer Zeitrechnung hielt.Diese Vorträge erschienen erstmals in Buchform 1961 und erfreuten sich seither bei den Leserneiner solchen Beliebtheit dass es davon mehrere Auflagen gab. Dies ist ihre erste ÜbersetzunginsWie der Leser auf den folgenden Seiten sehen wird waren die Vorträge an Zuhörer aus der Laien-Anhängerschaft gerichtet – an Leute also welchen die Feinheiten der Vipassana-Praxis völlig neuwaren. Der Sayadaw gab sich daher grosse Mühe seine Sprache klar, leicht verständlich und direktauf den Punkt zu bringen. Er führte seine Zuhörer dabei Stufe um Stufe von so grundlegendenFacetten wie der Unterscheidung zwischen Ruhe- und Einsichts-Meditation zu so kompliziertenAspekten des Dhamma wie der Realität und den Vorstellungen, dem Bewusstseins- und Denk-Prozess, den Stufen der Geistes-Entwicklung und der Verwirklichung von Nibbana. Der Zuhöreroder in unserem Fall der Leser beginnt mit der ersten Lektion: was Einsicht ist und wie sieentwickelt wird. Er wird dann unterrichtet wie er sein Werk zu beginnen hat, wie er darinfortschreitet, wie er gegen Fallgruben auf dem Wege seiner Schulung auf der Hut sein soll und dannam wichtigsten von Allem, wie er erkennt wenn er „weiss“. Er wird begeistert, ermutigt und

bekommt das Gefühl als wäre er schon auf dem Weg zur Seeligkeit.

Buddhismus ist eine praktische Religion, eine Religion nach der man leben kann; nicht bloss einweiteres System metaphysischer Philosophie wie sich das die meisten der Aussenstehenden javorzustellen pflegen. Er untersucht die Krankheiten dieses Lebens der Empfindungen, entdeckt ihreUrsachen, beschreibt die Aufhebung der Ursachen und weist den Weg zur Befreiung von allemLeid. Jeder der Befreiung begehrt kann diesen Weg gehen. Er muss sich aber die Mühe machenSchritt für Schritt selbst voranzugehen. Keiner wird ihn aufnehmen und eine kostenlose Fahrt zum

Ewigen Frieden anbieten.

Du selbst musst dich bemühen.Buddhas weisen nur den Weg.Jene die den Pfad beschritten habenund meditieren werden frei sein vonder Fessel der Illusion.

Dhammapada 276

Was ist denn nun der Weg zur Befreiung? Der Buddha selber sagt uns in der Satipatthana Sutta dasses nur den Einen Weg gibt:

Den Weg zur Entwicklung von Achtsamkeit

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 Der Buddha selber (oder genauer der Bodhisatta) suchte nach dem Weg, fand ihn, durchschritt underlebte ihn selber, dann lehrte er ihn den Lebewesen.

„Genau so habe ich, ihr Mönche, einen uralten Weg gesehen, einen uraltenPfad, der von den gänzlich Erwachten einstiger Zeiten befolgt wurde, ihnhabe ich begangen und die Dinge welche ich dabei vollends erkannte, habeich den Mönchen, Nonnen, Männern und Frauen der Laien-Anhänger gesagt.“

Sam. ii 105

Der Ehrw. Mahasi Sayadaw seinerseits nahm den Weg auf der uns allen vom Buddha gewiesenwurde, verwirklichte den Dhamma und sprach dann zu seinen Schülern aus dieser Erfahrungheraus. Auch sie haben den Dhamma verwirklicht. Darüber sagt Sayadaw in seinen Vorträgen:

„Hier in der Zuhörerschaft sind viele Meditierende die diese Stufe desWissens erlangt haben. Ich spreche also nicht nur von meiner eigenenErfahrung allein. Nein, nicht mal von der Erfahrung von vierzig oder

fünfzig meiner Schüler. Es gibt nämlich Hunderte von ihnen.“

Eine charakteristische Eigenschaft der Lehre des Buddha ist ja dass es eine „Komm und sieh selbstSache“ (ehipassiko) ist. Millionen kamen und sahen vor schon gut über 2500 Jahren. Und auch inheutiger Zeit sind Hunderttausende gekommen und haben gesehen und Hunderttausende werdenihnen folgen, wie wir in den Meditations-Zentren rund um die Welt sehen können. Es liegt nur beidem Aspiranten zu erwachen und sich der Menge auf ihrem Marsch zur Befreiung anzuschliessen.

Dies Buch legt die Marschroute dar die vor ihm liegt. Wie der bekannte Gelehrte im Vorwort derburmesischen Ausgabe bemerkt, ist es nicht die Art von Buch die man nur um des Lesens willenliest, sondern es soll sein Führer sein, wenn er sich von einer Stufe höheren Wissens zur nächstenwagt.

Ich habe versucht alles in Englisch wiederzugeben was der Sayadaw in seinen burmesischenVorträgen zu sagen hatte. Aber ich habe weder eine wörtliche Übersetzung versucht noch habe ich

eine gekürzte freie Fassung erbracht. Ich habe aber die für die gesprochene Sprache so typischenWiederholungen vermieden und auch all die das Gedächtnis stützenden Verse unübersetzt gelassendie die Vorträge des Sayadaw begleiten. Davon also abgesehen habe ich die Worte des Sayadawbeibehalten und mich bemüht seinen einfachen, direkten und klaren Stil zu erhalten.

Für die Übersetzung der Pali-Texte die der Sayadaw in seiner Arbeit zitiert, habe ich hauptsächlich

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Vorwort

Heutzutage bedarf die Einsichts-Meditation keiner speziellen Einführung mehr. Alle sagen ja dass

sie gut ist. Vor 20 Jahren war aber noch das Gegenteil der Fall. Die Leute dachten dass Einsichts-Meditation für Mönche und Einsiedler gedacht war und nicht für sie. Als wir begannen Einsichts-Meditation zu lehren hatten wir damit unsere Schwierigkeiten. Die Situation hat sich jetzt abergeändert. Heute werden wir von den Leuten beständig gebeten Einsichts-Meditation zu lehren. Alswir aber begannen ihnen die einfachen Fakten der Einsichts-Meditation darzulegen scheinen siediese nicht recht würdigen zu können. Einige stehen sogar auf und gehen fort. Man sollte es ihnenaber nicht verübeln. Ihnen fehlen eben noch die Grundkenntnisse über Meditation sodass sie garnichts verstehen.

Manche denken dass Ruhe gleichbedeutend mit Einsicht ist. Sie hatten die Vorstellung dassEinsichts-Meditation nichts Anderes ist als Ruhe. So wie Einsichts-Meditation von einigen Leutenmit hochtrabenden Worten gelehrt wird, erweist sie sich in der Praxis aber nicht als durchführbar.Sie versetzen ihre Zuhörer in Verwirrung. Zum Nutzen dieser Leute werden wir die grundlegendenElemente der Einsichts-Meditation besprechen.

Mahasi Sayadaw

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Ruhe und Einsicht

Worüber meditieren wir? Wie entwickeln wir Einsicht? Das sind sehr wichtige Fragen.

Es gibt zwei Arten der Meditation: Meditation um Ruhe zu entwickeln und Meditation um Einsichtzu entwickeln. Über die zehn Kasina-Verfahren zu meditieren lässt nur Ruhe entstehen aber keineEinsicht. Auch Meditation über die zehn verfaulenden Dinge (zum Beispiel ein aufgequollenerLeichnam) erbringt nur Ruhe und keine Einsicht. Die zehn Objekte der Erinnerung (wie dieErinnerung an den Buddha, das Naturgesetz und Anderes) führen auch nur zur Ruhe und nicht zuEinsicht. Über die zweiunddreissig Körperteile: wie Haare, Nägel, Zähne, Haut, etc. zu meditierenführt ebenfalls nicht zu Einsicht. Dadurch wird nur Konzentration entwickelt.

Achtsamkeit bei der Ein- und Ausatmung entwickelt ebenfalls Konzentration. Aber man kann damitauch Einsicht entwickeln. Visuddhi Magga jedoch zählt dies zu den Konzentrations-Objekten, alsowerden wir es hier auch so halten.

Dann gibt es da die vier himmlischen Zustände: Liebende Güte, Mitgefühl, Mitfreude, Gleichmutund die formlosen Zustände die zu formlosen jhanas führen. Dazu gibt es die Meditation über das

Ekelhafte der Nahrung. All dies sind Objekte für die Konzentrations-Meditation.

Wenn ihr über die vier Elemente innerhalb eures Körpers meditiert nennt man das Analyse der vierElemente. Obwohl das eine Konzentrations-Meditation ist hilft sie auch Einsicht zu entwickeln.

All jene vierzig Objekte der Meditation dienen zur Entwicklung von Konzentration. Nur dieAtmung und die Analyse der Elemente haben mit Einsicht zu tun. Die Anderen werden keineEinsicht entstehen lassen. Wenn ihr Einsicht wollt müsst ihr euch weiter voran arbeiten.

Um also zu unserer Frage zurückzukommen: Wie entwickeln wir Einsicht? Da lautet die Antwort:Wir entwickeln Einsicht durch das Meditieren über die fünf Gruppen des Ergreifens. Die mentalenund materiellen Eigenschaften in den Lebewesen sind Gruppen des Ergreifens. Sie können durchBegehren mit Freude ergriffen werden, was dann „Ergreifen der Sinnes-Objekte“ genannt wird.Oder sie können fälschlich durch falsche Sichtweisen ergriffen werden, in diesem Fall wird es als„Ergreifen infolge falscher Ansicht“ bezeichnet. Ihr müsst darüber meditieren und sie so sehen wie

sie wirklich sind. Tut ihr das nicht, so ergreift ihr sie mit Begehren und falscher Einstellung. Sobaldihr sie seht wie sie sind, greift ihr nicht mehr nach ihnen. Auf diesem Wege entwickelt ihr Einsicht.Über die fünf Gruppen des Ergreifens werden wir noch im Detail sprechen.

Daseinsgruppen

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Was geschieht wenn ihr euch bückt? Es fängt mit der Absicht sich zu bücken an. Dann kommen dieFormen des Bückens eine nach der anderen. Schon in der Absicht sich zu bücken sind die viermentalen Daseinsgruppen wirksam. Der Geist der das Bücken beabsichtigt ist das Bewusstsein.

Wenn ihr an das Bücken denkt und euch dann bückt fühlt ihr euch dabei vielleicht glücklich oderunglücklich oder weder glücklich noch unglücklich. Bückt ihr euch glücklich gibt es einangenehmes Gefühl. Bückt ihr euch unglücklich oder im Zorn gibt es ein unangenehmes Gefühl.Bückt ihr euch weder glücklich noch unglücklich gibt es ein neutrales Gefühl. Wenn ihr also darandenkt euch zu bücken kommt die „Gefühls-Gruppe“ ins Spiel. Dann ist da die Wahrnehmung, dieGruppe welche das Bücken wahrnimmt. Und da ist der mentale Zustand der zum Bücken drängt. Esscheint als würde er sagen „Bücken! Bücken!“ Das ist das willentliche Handeln. So habt ihr alsomit der Absicht des Bückens, Gefühle, Wahrnehmung, willentliches Tun und Bewusstsein – allevier mentalen Daseinsgruppen. Die Bück-Bewegung ist eine Sache der Materie oder Form. Das istdie materielle Gruppe. So ergeben also die Bück-Absicht und das Bücken zusammen die fünf Daseinsgruppen.

Auch beim einmaligen Beugen eines Armes gibt es die fünf Daseinsgruppen. Ihr macht eineBewegung und die fünf Gruppen treten in Erscheinung. Ihr bewegt euch erneut und noch weitereder fünf Gruppen treten auf. Jede Bewegung ruft die fünf Gruppen hervor. Wenn ihr darüber nicht

richtig meditiert und sie nicht richtig erkannt habt, was dann geschieht müssen wir euch gar nichterst sagen; ihr wisst es schon selber.

Ihr denkt also „Ich beabsichtige zu beugen“ und „Ich beuge“, ist es nicht so? Alle machen das. Fragtdie Kinder, sie werden die gleiche Antwort geben. Fragt Erwachsene die nicht Lesen und Schreibenkönnen, ihr bekommt die gleiche Antwort. Fragt jemand der Lesen kann, wenn er sagt was er denktbekommt ihr auch da die gleiche Antwort. Wenn er aber belesen ist erfindet er vielleicht Antwortendie den Schriften entsprechen und redet von „Geist und Materie.“ Es ist aber nicht was er selbst

erfahren hat, sondern lediglich Erfindung um den Schriften zu entsprechen. In seinem Innerstendenkt er “Ich bin es der beabsichtigt zu beugen. Ich bin es der beugt. Ich bin es der die Bewegungbeabsichtigt. Ich bin es der bewegt.“ Er denkt aber auch: „Das war ich, das bin ich und das werdeich auch in Zukunft sein. Ich existiere immer.“ Dieses Denken wird als Ewigkeitsglaube bezeichnet.Keiner denkt „die Beuge-Absicht existiert nur jetzt.“ Gewöhnliche Leute denken immer: „DieserGeist hat schon zuvor existiert. Das selbe Ich das schon zuvor existierte beabsichtigt jetzt zubeugen.“ Und sie denken auch: „Dieses denkende Ich existiert jetzt und wird weiterhin existieren.“

Wenn ihr die Glieder bewegt oder beugt denkt ihr: „Es sind die gleichen Glieder die schonexistierten, die sich jetzt bewegen. Es ist das gleiche Ich das bereits existierte, das sich da bewegt.“Nach dem Bewegen denkt ihr erneut, „Diese Glieder, dieses Ich, existieren immer.“ Es kommt euchnicht in den Sinn dass sie ja vergehen. Auch dies ist Ewigkeitsglaube. Es ist das Anklammern an

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Was unbeständig ist haltet ihr für beständig und erfreut euch daran. Was gar kein Glück ist, keinePersönlichkeit, sondern nur Zusammengesetztes aus Geist und Materie haltet ihr für Glück oder fürPersönlichkeit und erfreut euch daran. Ihr geniesst sie und haftet an ihnen. Ihr haltet sie fälschlich

für ein Selbst oder ein Ich und haftet auch daran fest.

Wenn ihr also eure Glieder beugt, streckt oder bewegt, dann ist das Denken „Ich werde beugen“eine Anhäufung des Ergreifens. Das Beugen ist eine Anhäufung des Ergreifens. Das Denken „Ichwerde strecken“ ist Anhäufung des Ergreifens. Das Strecken ist Anhäufung des Ergreifens. DasDenken „Ich werde bewegen“ ist Anhäufung des Ergreifens. Das Bewegen ist Anhäufung desErgreifens. Wenn wir davon sprechen über das Zusammengesetzte des Ergreifens zu meditieren,dann meinen wir damit genau diese Dinge.

Das Gleiche geschieht beim Sehen, Hören, etc. Wenn ihr seht ist der Sitz des Sehens, das Auge,offenbar. Auch das gesehene Objekt ist es. Beide sind materielle Dinge. Sie können also nichtwahrnehmen. Wenn man jedoch versäumt während des Sehens zu meditieren, so ergreift man sie.Man denkt der ganze Körper mit den Augen ist beständig, glücklich, ein Selbst und ergreift ihn.Man denkt die ganze materielle Welt mit den gesehenen Objekten ist beständig, gut, glücklich, einSelbst und ergreift sie. So sind also die Form Auge und die Form sichtbare Objekte Daseinsgruppen

des Ergreifens.

Und wenn ihr seht, dann ist auch „das Sehen“ offenbar: Es sind die vier mentalen Daseinsgruppen.Das blosse Gewahrsein des Sehens ist die Daseinsgruppe Bewusstsein. Vergnügen oderMissvergnügen ist die Daseinsgruppe Gefühl. Das was das gesehene Objekt wahrnimmt ist dieDaseinsgruppe Wahrnehmung. Was die Aufmerksamkeit auf das Sehen richtet ist die Daseinsgruppewillentlichen Handelns. Sie bilden zusammen die vier mentalen Daseinsgruppen. Wenn jemandwährend des Sehens versäumt zu meditieren neigt er zu denken, dass Sehen „schon vorher existierte

und jetzt existiert.“ Oder wenn jemand gute Dinge sieht mag er denken „Sehen ist gut“. So denkenddenkt er wohl „Sehen ist gut.“ Und mit diesem Denken sucht er nach guten, seltsamen Dingen umsich am Sehen zu erfreuen. Man geht also hin um Shows und Filme anzusehen, was Geld, Schlaf und Gesundheit kostet, weil man ja denkt dass es gut sei das zu tun. Wenn man nicht denkt dass esgut ist wird man dafür kein Geld verschwenden oder seine Gesundheit beeinträchtigen. Zu denkendass „Ich“ es ist das da sieht oder sich erfreut, „Ich freue mich“, heisst mit Begehren und falscherAnsicht zu ergreifen. Weil sie also ergreifen wird gesagt dass Geist und Materie die sich im Sehen

manifestieren Aggregate des Ergreifens sind.

In gleicher Weise ergreift ihr beim Hören, Riechen, Schmecken, Berühren oder Denken. Um somehr greift ihr nach dem Geist der denkt, sich Vorstellungen macht und überlegt und haltet ihn fürdas Ich, das Ego. Die fünf Aggregate des Ergreifens sind also nichts Anderes als die mentalen-materiellen Dinge die sich an den sechs Sinnes-Pforten kundtun wann immer man sieht, hört, fühlt

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Der Buddha hat uns Richtlinien oder Anweisungen gegeben wie wir uns in Moral üben,Konzentration entwickeln und Weisheit erlangen können. Ihr dürft diese Linie nicht verlassen undreden oder handeln wie ihr wollt. Bezüglich der Meditation über die fünf Aggregate sind hier ein

paar Auszüge aus den sutten:

„Körperliche Form, ihr Mönche, ist unbeständig. Was unbeständig ist, ist unbefriedigend. Wasunbefriedigend ist, ist kein Selbst, ist nicht mein, das bin nicht ich, das ist nicht mein Selbst. Was esalso wirklich ist sollte man mit rechter Weisheit erkennen.“

Samyutta ii 19

Ihr müsst meditieren damit ihr erkennt dass diese veränderliche, unbefriedigende, wesenlose,materielle Gestalt wirklich unbeständig, äusserst leidensträchtig und ohne Selbst oder Ego ist. Ihrsolltet ebenso über Gefühle, Wahrnehmung, Tätigkeiten und Bewusstsein meditieren. Was nützt esdiese Aggregate als unbeständig, leidhaft und ohne Selbst anzusehen? Der Buddha sagt es uns:

„Alle Dinge so betrachtend wird der wohl belehrte Schüler der Edlen gleichgültig gegenübermaterieller Gestalt, gleichgültig für Gefühl.“

Sam.iii 68

Wer die unbeständige, leidhafte, wesenlose Natur der fünf Daseinsgruppen erkennt wird materiellerGestalt ebenso überdrüssig wie auch der Gefühle, der Wahrnehmung, der Tätigkeiten und desBewusstseins.

„Auf diese Weise gleichgültig, ist er ohne Leidenschaft.“ Er ist sozusagen am Edlen Pfad angelangt.

„Durch Leidenschaftslosigkeit ist er befreit.“

Sobald er den Pfad der Edlen der Leidenschaftslosigkeit erreicht hat langt er auch bei den vierFrüchten der Freiheit von Befleckungen an.

„In der Freiheit ersteht das Wissen: Ich bin befreit.“

Wenn ihr befreit seid wisst ihr selber dass ihr es seid. Mit anderen Worten, wenn ihr ein Arahatgeworden seid in dem die Befleckungen ausgelöscht sind, so wisst ihr dass ihr einer geworden seid.

All diese Auszüge sind aus der Yad anicca Sutta und es gibt zahlreiche Sutten dieser Art. Das ganzeKhandhavagga Samyutta ist eine Sammlung davon. Zwei Sutten sind besonders bemerkenswert:Silavanta Sutta und Sutavanta Sutta. In diesen beiden Sutten richtet der Ehrw. Maha Kotthika einige

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Der Ehrw. Sariputta antwortet:

„Die fünf Daseinsgruppen des Ergreifens, mein Freund Kotthika, sind die Dinge denen sich ein

Mönch moralischen Wandels gründlich zuwenden sollte, dass sie nämlich unbeständig sind,leidensträchtig, eine Krankheit, ein Geschwür, ein Stachel, Schmerz, Gebrechen, Fremdes, Fäulnis,Leere, wesenlos.“

Wofür ist es gut solcherart zu meditieren? In seiner Antwort fährt der Ehrw. Sariputta fort:

„Mein Freund, es ist tatsächlich möglich dass ein Mönch moralischen Wandels der sich alsogründlich mit diesen fünf Aggregaten beschäftigt die Früchte des Stromeintritts verwirklicht.“

Wenn du also ein in den Strom Eingetretener sein willst und niemals mehr in den vier niedrigenDaseinsebenen wiedergeboren werden möchtest dann musst du über die fünf Daseinsgruppenmeditieren um ihre Unbeständigkeit, Leidhaftigkeit und Wesenlosigkeit zu erkennen. Das ist abernicht alles. Du kannst auch ein Arahat werden. Der Ehrw. Kotthika fährt mit der Frage fort:

„Welchen Dingen, mein Freund Sariputta, sollte sich ein Mönch zuwenden der den Stromeintritt

erlangt hat?“

Der Ehrw. Sariputta antwortet dass es die gleichen fünf Aggregate des Ergreifens sind mit denensich der in den Strom Eingetretene als unbeständig, leidhaft und wesenlos gründlich beschäftigensollte. Das Resultat? Er schreitet voran zur Einmal-Wiederkehr. Worüber meditiert ein Einmal-Wiederkehrer? Wiederum über die gleichen fünf Aggregate des Ergreifens. Dann wird er zumNichtmehr-Wiederkehrer. Worüber meditiert ein Nichtmehr-Wiederkehrer? Wieder über die fünf Aggregate. Jetzt wird er ein Arahat. Worüber meditiert ein Arahat? Auch wieder über die fünf 

Aggregate. Daraus wird ganz klar dass die fünf Aggregate genau das ist worüber man meditierenmuss selbst wenn man ein Arahat geworden ist.

Was nützt es dem Arahat wenn er so meditiert? Wird aus ihm ein stiller oder ein allerhöchsterBuddha? Nein, weder noch. Er wird den Kreislauf seiner Wiedergeburten als ein Arahat beendenund in Nibbana eingehen. Der Arahat hat keine Befleckung mehr die noch nicht entfernt odergestillt wäre. Alle Befleckungen sind bereits ausgelöscht oder zur Ruhe gebracht. Er muss also

nichts entwickeln um übrig gebliebene Befleckungen auszumerzen oder noch tätige zu beruhigen.Er hat auch keinerlei moralische Gepflogenheiten, Konzentrationsfähigkeit oder Weisheit die nochzu vervollkommnen wären. All die moralischen Verhaltensweisen, Konzentration und Weisheit diezu perfektionieren wären sind bei ihm schon vollkommen. Er muss also nicht an derPerfektionierung von dem arbeiten was perfekt sein soll noch muss er das bereits Perfektioniertenoch weiter steigern. Die Praxis der Einsichts-Meditation bringt dem Arahat keinen solchen

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Also kehren sie zum Meditations-Zentrum zurück. Bei einigen jedoch hält diese Unruhe nicht sehrlange an. Nur mal vier, fünf oder zehn Tage. Recht bald gewinnt der häusliche Geist die Oberhandund sie sind mit ihrem häuslichen Leben glücklich und lassen sich bei den häuslichen Pflichten

nieder. Der Arahat aber kehrt niemals zu seinen alten Gewohnheiten zurück. Wenn er ohneMeditations-Praxis verschiedenen Sinnes-Objekten begegnet, resultiert daraus lediglich Unruhe.Nur wenn er sich in Einsichts-Meditation vertieft findet er Geistesfrieden. So erbringt dieMeditation über die fünf Aggregate des Ergreifens für den Arahat in dieser Welt ein günstigesUmfeld.

Erneut, sobald er mit ernsthafter Meditation lebt, erheben sich in ihm Achtsamkeit und Verständnisder Unbeständigkeit, des Leids und der Ich-Losigkeit. Das ist ein weiterer Gewinn. Ein Arahat in

dem Achtsamkeit und Verständnis beständig erstehen, von dem wird gesagt dass er sich in einemstetigen Lebenszustand befindet. Ein solcher kann sich zu jeglicher Zeit und so lange wie er eswünscht des Erlangens der Frucht erfreuen. Der Arahat lebt also um dieser beiden Vorteile willen inMeditation, für ein glückliches Umfeld in dieser Welt und achtsames Verständnis.

Das Obige sind die Antworten die der Ehrw. Sariputta in der Silavanta Sutta gibt. Die gleichenAntworten finden sich auch in der Sutavanta Sutta. Der einzige Unterschied besteht in den

Ausdrücken silavanta, „von moralischen Gepflogenheiten“ oder „tugendsam“ und sutavanta,„unterrichtet“ oder „gut-informiert“. Alle anderen Worte sind die Gleichen. Basierend auf diesenbeiden Sutten und noch anderen Sutten über die Daseinsgruppen wurde die Aussage getroffen:Einsichts-Wissen kommt von der Meditation über die fünf Aggregate des Ergreifens.

Und nun zurück zu dem Ergreifen das durch die sechs Sinnes-Tore ersteht.

Wenn die Leute sehen dann halten sie sich und andere für dauerhaft, dass sie schon vorher

existierten, jetzt existieren, in der Zukunft existieren und für immer existieren werden. Sie denkenvon sich dass sie glücklich, gut oder schön sind. Sie denken von sich dass sie lebende Wesenheitensind. Sie denken ebenso wenn sie hören, riechen, schmecken oder berühren. Dieses „Berühren“ istüber den ganzen Körper verbreitet, überall wo es Fleisch und Blut gibt. Und wo auch immerBerührung entsteht da erhebt sich Ergreifen. Das früher schon erwähnte Beugen, Strecken oderBewegen der Glieder sind alles Beispiele für Berührung. Das sind auch die Spannungsbewegungendes Hebens und Senkens des Bauches. Wir werden später im Detail darauf zurückkommen.

Wenn man denkt oder sich etwas vorstellt so denkt man, „Das Ich, das schon vorher existierte,denkt jetzt. Indem ich denke werde ich weiter existieren“ und so betrachtet man sich als dauerhaft,als ein Ich. Man sieht auch das Denken oder sich etwas Vorstellen als erfreulich und doch rechtschön an. Man hält dies für Glücklichsein. Wird einem aber gesagt dass das Denken verschwindenwird so kann er das nicht akzeptieren. Er ist nicht erfreut. Das ist so weil er daran haftet.

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Die rechte Methode

Wenn ihr meditiert dann müsst ihr richtig meditieren. Nur die richtige Methode kann Einsicht

herbeiführen. Wenn ihr die Dinge als dauerhaft anseht wie kann es da Einsicht geben? Wenn ihr sieals glückbringend, schön, als Seele, als Ego anseht wie kann da Einsicht erstehen?

Geist und Materie sind unbeständige Dinge. Über diese unbeständigen Dinge müsst ihr meditierenum sie zu sehen wie sie wirklich sind, nämlich unbeständig. Sie entstehen und vergehen und siebedrücken euch ständig, also sind sie doch schrecklich und bewirken Leiden. Ihr müsst meditierenum sie als das zu erkennen was sie sind, als Leiden. Es sind einfach Prozesse denen Wesenheit, eineSeele oder ein Selbst fehlt. Ihr müsst meditieren um zu sehen dass es keine Wesenheit, keine Seele,

kein Selbst gibt. Ihr müsst versuchen sie so zu sehen wie sie wirklich sind.

Jedes Mal also wenn ihr seht, hört, berührt oder wahrnehmt müsst ihr versuchen die mentalen undmateriellen Prozesse die sich durch die sechs Sinnes-Tore erheben so zu sehen wie sie wirklich sind.Wenn ihr seht so ist das Sehen eine Realität. Das müsst ihr als Sehen,Sehen notieren. Ebenso wennihr hört dann notiert Hören. Wenn ihr riecht notiert Riechen.Wenn ihr schmeckt notiert Schmecken.Wenn ihr berührt notiert  Berühren. Müdigkeit, Hitze, Schmerzen und dergleichen unerträgliche

unangenehme Empfindungen erstehen auch aus Kontakten. Notiert sie als   Müdigkeit, Hitze,Schmerz und so fort. Gedanken, Ideen können ebenfalls auftauchen. Notiert sie dann:  Denken,Vorstellen oder Freude, Entzücken, sobald sie sich erheben. Für den Novizen ist es aber schwer alledie durch die sechs Sinnes-Tore kommen zu bemerken. So muss er eben mit nur Wenigen beginnen.

So müsst ihr meditieren: Wenn ihr ein- und ausatmet ist die Art und Weise wie sich der Bauchbewegt besonders auffällig. Ihr beginnt damit diese Bewegung zu beobachten. Die Bewegung desHebens vermerkt ihr als  Heben. Die Bewegung des Senkens vermerkt ihr als Senken. Diese

Beobachtung des Hebens und Senkens kommt in den Texten der Schriften nicht vor. Leute die mitder Meditations-Praxis nicht vertraut sind sprechen darüber mit Verachtung: „Diese Sache mit demHeben und Senken hat mit den Schriften nichts zu tun. Das ist doch nichts.“ Mögen sie ruhigdenken dass das nichts ist nur weil es nicht in der Terminologie der Schriften dargelegt wird.

In der Theorie hat es aber durchaus Bedeutung. Das Heben ist real, das Senken ist real, das sichbewegende Luft-Element ist real. Wir haben die Alltags-Worte heben und senken nur ausBequemlichkeit verwendet. In der Terminologie der Schriften ist das Heben und Senken das Luft-Element. Wenn ihr den Bauch aufmerksam beobachtet wie er sich hebt und senkt, so ist daFestigkeit, Bewegung ist da und das Hervorbringen. Hier ist „Festigkeit“ Merkmal des Luft-Elements wie es wirklich ist, das heisst seine Merkmale, Eigenschaften und Erscheinungsweise zukennen. Wir meditieren um sie zu erkennen. Einsicht beginnt mit dem Bestimmen von Geist undMaterie. Um dies zu erlangen beginnt der Meditierende mit der Materie. Aber wie?

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Das bedeutet also: Einsicht beginnt mit dem analytischen Wissen von Geist und Materie.Bei den sieben Reinheiten perfektioniert ihr zuerst die Reinheit der Moral und die Reinheit desGeistes und dann beginnt ihr mit der Reinheit der Ansichten. Um das analytische Wissen von Geist

und Materie sowie der Reinheit der Ansichten zu erlangen müsst ihr über Geist und Materiemeditieren und sie über ihre Merkmale, Eigenschaften (Funktionen), Manifestationen undannähernde Ursache kennen lernen. Sobald ihr sie auf diese Weise kennt erlangt ihr das analytischeWissen von Geist und Materie. Wenn dann dieses Wissen deutlicher wird entwickelt ihr Reinheitder Ansichten.

„Sie an ihren Merkmalen zu erkennen“ heisst die Geist und Materie innewohnende Natur zukennen. „Sie an ihren Eigenschaften zu erkennen“ bedeutet ihre Funktion zu kennen. Manifestation

ist ihre Erscheinungsweise. Es ist nicht erforderlich in der Anfangsstufe der Meditations-Praxis dieannähernden Ursachen zu kennen. Wir fahren also damit fort die Merkmale, Funktion undErscheinungsweisen zu erklären.

In dem gerade erwähnten „Pfad der Reinheit“ und dem „Kompendium der Philosophie“ wird nichtdarauf hingewiesen dass über Geist und Materie je nach Bezeichnung, nach Anzahl, als materiellesTeilchen oder als unaufhörlich erstehende Prozesse zu meditieren ist. Es wird nur gezeigt dass über

sie gemäss ihren Merkmalen, Funktionen und Manifestationen zu meditieren ist. Das sollte mansorgfältig notieren. Ansonsten kann man zu Vorstellungen von Namen, Anzahl, Teilchen oderProzessen gelangen. Die Kommentare besagen dass ihr über Geist und Materie hinsichtlich ihrerMerkmale, Funktionen und Manifestationen meditieren sollt. Wenn ihr also über das Luft-Elementmeditiert so tut ihr dies hinsichtlich seiner Merkmale, Funktion und Manifestation. Was ist dasCharakteristische des Luft-Elements? Das Unterstützende ist seine innewohnende Natur. Es ist dasLuft-Element selbst. Was ist die Funktion des Luft-Elements? Es bewegt sich. Was ist seineManifestation? Es bringt hervor. Manifestation ist das was dem Intellekt des Meditierenden

erscheint. Wenn einer über das Luft-Element meditiert erscheint es seinem Intellekt als etwas dashervorbringt, schiebt und zieht. Das ist die Erscheinungsform des Luft-Elements. Wenn ihr über dasHeben und Senken des Bauches meditiert werden euch all die Festigkeit, die Bewegung, und dasHervorbringen klar. Sie sind das Merkmal, die Funktion und Manifestation des Luft-Elements.Dieses Luft-Element ist wichtig. Bei den Haltungen, dem Erfassen und Betrachten des Körpers,satipatthana-sutta, hat der Kommentator das Luft-Element betont. Hier folgt die Lehre des Buddha:

„Gacchanto va gacchami ti pajanati.“(Wenn er geht ist er gewahr „Ich gehe“)

Der Buddha lehrt uns beim Gehen achtsam zu sein. Wir notieren Gehen,Gehen, immer wenn wirgehen. Wie auf diese Weise durch Meditieren Wissen entwickelt wird erklärt der Kommentator:

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Ihr fragt vielleicht, „Sollen wir erst meditieren nachdem wir Eigenschaft, Funktion undManifestation erlernt haben?“ Nein, ihr müsst sie nicht erlernen. Wenn ihr darüber meditiert wiesich Geist und Materie erheben, dann kennt ihr auch die Eigenschaft, Funktion und Manifestation.

Wenn ihr über das Entstehen von Geist und Materie meditiert gibt es gar keinen anderen Weg als sieüber ihre Eigenschaft, ihre Funktion und Manifestation zu erkennen. Wenn ihr an einemregnerischen Tag zum Himmel empor schaut und einen Licht-Blitz seht, dann ist das helle Licht dieEigenschaft des Blitzes. Indem der Blitz aufleuchtet wird die Finsternis erhellt. Das Erhellen derFinsternis ist die Funktion des Blitzes, seine Arbeit. Ihr seht auch wie er ist, ob er lang, kurz,gekrümmt, kreisförmig, geradlinig oder gestreut ist. Ihr seht seine Eigenschaft, seine Funktion undManifestation, alle zugleich. Ihr seid vielleicht nicht in der Lage seine Helligkeit als seineEigenschaft zu bezeichnen, das Erhellen der Dunkelheit als seine Funktion und seine Form oder

Umrisse als seine Manifestation. Dennoch seht ihr sie aber.

Wenn ihr über das Erstehen von Geist und Materie meditiert kennt ihr ebenso die Eigenschaften, dieFunktionen und Manifestationen, alles. Ihr müsst sie nicht erst erlernen. Einige gelehrte Personendenken dass ihr sie erst erlernen müsst bevor ihr meditiert. Aber nein, was ihr dabei erlernt sind nurBegriffe und keine Realitäten: Der Meditierende der das Erheben von Geist und Körperkontempliert kennt sie so als würde er sie mit eigener Hand berühren. Er muss darüber nichts

erlernen. Wenn ein Elephant vor euren Augen steht müsst ihr doch nicht erst das Bild einesElephanten ansehen.

Der Meditierende der über das Heben und Senken des Bauches meditiert kennt seine Festigkeit undseine Weichheit – seine Merkmale.

Er kennt die Einwärts- oder Auswärtsbewegung – seine Funktion. Er kennt auch das Hereinholenund Ausstossen – seine Manifestation. Wenn er diese Dinge so kennt wie sie wirklich sind muss er

sie dann erst erlernen? Nicht wenn er für sich die Verwirklichung wünscht. Wenn er aber anderebelehren will so muss er darüber Bescheid wissen.

Wenn ihr meditiert rechter Schritt, linker Schritt, so kennt ihr die Anspannung bei jedem Schritt –sein Merkmal. Ihr kennt die Bewegung – seine Funktion. Und ihr kennt auch das Voranbringen –seine Manifestation. Das ist angemessenes Wissen, rechtes Wissen.

Nun, damit ihr selbst wisst wie man die Eigenschaften etc. erkennt indem man einfach über dasmeditiert was sich erhebt, versucht es also durch Meditation. Ganz sicher habt ihr irgendwo ineurem Körper eine heisse Stelle, Schmerz, Müdigkeit, Quälendes. Das sind schwer zu ertragendeunangenehme Gefühle. Konzentriert euch mit dem Verstand auf dieses Unangenehme und notiert

 Heiß, Heiß oder Schmerz, Schmerz. Ihr werdet finden dass ihr eine unangenehme Erfahrung undSchmerzen durchlebt. Das ist die charakteristische Eigenschaft von Leid, durch eine unangenehme

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Während er   Heiß, Heiß, Schmerz, Schmerz meditiert steigt es in seinem Körper als etwasBedrückendes auf, als etwas nur sehr schwer zu Ertragendes. Es tritt so stark auf dass er stöhnenmuss.

Wenn ihr über das unangenehme Gefühl in eurem Körper meditiert während es aufsteigt dann kenntihr wie ein unerwünschtes tangibles Objekt erlebt wird – sein Charakteristisches, das Abklingendamit verbundener Zustände – seine Funktion und die physische Auswirkung – seineManifestation. Auf diese Weise erlangt der Meditierende Wissen.

Der Geist 

Ihr könnt auch über den Geist meditieren. Der Geist erkennt und denkt. Was also denkt und sichVorstellungen macht ist der Geist. Meditiert über diesen Geist als   Denken, Vorstellen, Überlegen,wann immer er sich erhebt. Ihr werdet finden dass es seine innere Natur ist auf das Objektzuzugehen und es zu erkennen. Das ist charakteristisch für den Geist. Wie also gesagt wird „derGeist hat die Eigenschaft zu erkennen.“ Jede Art des Geistes erkennt. Das Sehbewusstsein erkenntdas Objekt, wie auch das Bewusstsein des Hörens, Riechens, Schmeckens, Berührens und Denkens.

Wenn ihr in einer Gemeinschaft arbeitet habt ihr einen Führer. Bewusstsein ist der Führer der dasObjekt erkennt das an irgend einem der Sinnes-Tore erscheint.Wenn das sichtbare Objekt vor demAuge auftritt erkennt das Bewusstsein es als Erstes vor allen Anderen. Ihm folgen dann Gefühl,Wahrnehmung, Verlangen, Freude, Unbehagen, Bewunderung und so fort. Wenn das Hör-Objekt amOhr aufklingt wird es zuerst vom Bewusstsein erkannt. Das wird deutlicher wenn ihr denkt odereuch Vorstellungen macht. Wenn ein Gedanke auftaucht während ihr  Heben, Senken, etc. meditiertmüsst ihr diesen Gedanken notieren. Wenn ihr ihn im Augenblick seines Erscheinens notieren könnt

dann verschwindet er sofort. Könnt ihr das aber nicht werden einige seiner Begleiter wie Freudeund Verlangen ihm nachfolgen. Da erkennt der Meditierende dass Bewusstsein der Führer ist - seineFunktion.

„Den Dingen geht der Geist voran.“Dhammapada

Wenn ihr das Bewusstsein notiert wann immer es sich erhebt dann seht ihr sehr klar wie es alsFührer agiert, indem es sich jetzt diesem Objekt zuwendet und dann jenem.

Im Kommentar wiederum wird gesagt: „Bewusstsein manifestiert sich als Kontinuität.“ Währendihr Heben, Senken, etc. meditiert wandert der Geist manchmal fort. Ihr notiert ihn und er geht weg.Dann taucht ein anderes Bewusstsein auf. Ihr notiert es und es verschwindet. Wieder tritt ein

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Um zu zeigen dass man das Charakteristische, die Funktion und Manifestation der Dinge erkennenkann obwohl man mit ihnen noch keine Erfahrung gehabt hat haben wir bei den materiellenEigenschaften das Luft-Element ausgewählt und bei den mentalen Eigenschaften das unangenehme

Gefühl und das Bewusstsein. Ihr müsst nur über sie meditieren wenn sie auftreten. Das Gleiche giltfür alle anderen mentalen und materiellen Eigenschaften. Wenn ihr gleich bei ihrem Erscheinenüber sie meditiert werdet ihr Charakteristisches, ihre Funktion und ihre Manifestation, verstehen.Der Anfänger in der Meditations-Praxis kann über die mentalen-materiellen Objekte des Ergreifensmeditieren und sie lediglich über ihre Eigenschaften, Funktionen und Manifestationen verstehen.Auf der Anfangsstufe, mit dem analytischen Wissen von Geist und Materie und dem Wissen um dieBedingtheit welche für die Einsichts-Meditation von elementarer Bedeutung sind, ist es genug soviel zu verstehen. Wenn ihr bei dem wirklichen Einsichts-Wissen, wie dem Wissen von der

gründlichen Untersuchung, anlangt dann kennt ihr auch die Eigenschaft der Unbeständigkeit, derLeidhaftigkeit und Wesenlosigkeit.

Über welche Zeit?

Nun erhebt sich die Frage: Warum meditieren wir denn über die Objekte des Ergreifen? Undbezüglich der Zeit, über welche Zeit meditieren wir, die Vergangenheit, die Zukunft, die Gegenwartoder über eine unbestimmte Zeit?

Warum meditieren wir? Meditieren wir über die Objekte des Ergreifens um weltlichen Reichtum zuerlangen, Befreiung von Krankheit, Hellsichtigkeit, Levitation und dergleichen übernatürlicheKräfte? Einsichts-Meditation hat nichts davon zum Ziel. Es hat in der Tat Menschen gegeben die alsErgebnis ihrer Meditations-Praxis von schweren Krankheiten geheilt wurden. Zu Zeiten des Buddha

gab es Personen die durch Einsichts-Meditation Vollkommenheit erlangten und übernatürlicheKräfte besassen. Auch Menschen von Heute können über solche Kräfte verfügen wenn sieVollkommenheit erreichen. Aber das Erlangen solcher Kräfte ist  nicht das grundlegende Ziel derEinsichts-Meditation. 

Sollen wir über Phänomene meditieren die vergangen und vorüber sind? Oder über Phänomene dieerst noch kommen werden? Sollen wir über die gegenwärtigen Phänomene meditieren? Oder sollenwir über Phänomene meditieren die weder der Vergangenheit, der Zukunft oder der Gegenwartangehören die wir uns aber vorstellen können weil wir in Büchern von ihnen gelesen haben?

Die Antwort auf diese Fragen lautet: Wir meditieren um  nicht zu ergreifen und wir meditieren überdas was sich gerade erhebt.

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Das Wissen das ihr auf dem Wege über die Eigenschaften, Funktionen und Manifestationen erlangtindem ihr darüber meditiert was sich gegenwärtig tatsächlich erhebt ist praktische Einsicht. Ausdiesem praktischen Wissen heraus schliesst ihr auf die Unbeständigkeit, das Leidhafte und die

Wesenlosigkeit der Dinge in der Vergangenheit und Zukunft, bei Dingen die ihr nicht selbsterfahren habt. Das ist deduktive Einsicht.

„Beides (das Gesehene und das Nicht-Gesehene) als Eines zu erkennenindem man dem Objekt folgt ….“

-  Patisambhida 

Der Pfad der Reinheit erklärt diese Aussage wie folgt:

„... indem man dem erblickten Objekt nachfolgt, visuell beides (dasGesehene und das Nicht-Gesehene) gemäss der ihnen innewohnendenNatur als Eines erkennt: Wie dieses Eine (Gesehene), das als zusammenhängendgilt, in der Vergangenheit zerbrochen ist und auch in der Zukunft zerbrechen wird“

- Visuddhimagga 

„Das gesehene Objekt“ ist praktische Einsicht. Und „dem erblickten Objekt nachfolgen.....beideserkennend...in der Vergangenheit...in der Zukunft“ das ist deduzierende Einsicht. Vermerkt aberdass deduktive Einsicht nur nach der praktischen Einsicht möglich ist. Ohne erst das Gegenwärtigezu kennen kann keine Deduktion gezogen werden. Die gleiche Erklärung wird im Kommentar zumKathavatthu gegeben.

„Wenn man die Unbeständigkeit auch nur eines Gebildes sieht zieht man daraus Schlüssebezüglich der anderen, nämlich 'vergänglich sind alle Dinge des Lebens'.“

Warum meditieren wir nicht über vergangene oder künftige Dinge? Weil sie euch nicht dasVerständnis für die wahre Natur erbringen und euch nicht von Befleckungen läutern werden. Ihrerinnert euch nicht an eure vergangenen Existenzen. Selbst in der gegenwärtigen Existenz könnt ihreuch nicht an das Meiste in eurer Kindheit erinnern. Bei der Meditation über vergangene Dinge wiekönnt ihr erkennen wie die Dinge wirklich sind mit ihren Eigenschaften und Funktionen? An dieDinge der jüngeren Vergangenheit kann man sich ja erinnern. Indem ihr euch aber erinnert denktihr, „Ich sah, Ich hörte, Ich dachte. Ich war es der zu jener Zeit gesehen hat und Ich bin es der jetztsieht.“

Da habt ihr die Neigung zur „Ich“-Vorstellung. Und es kann auch Vorstellungen vonDauerhaftigkeit und Glück geben. Sich also an vergangene Dinge zu erinnern um darüber zumeditieren dient nicht unserem Ziel. Ihr habt sie ergriffen und dieses Ergreifen ist schwer

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 Mit Hilfe des erlernten Denkens über die Zukunft zu meditieren ist also nicht der rechte Weg dieDinge zu erkennen wie sie wirklich sind. Und es ist auch nicht der Weg um Befleckungen

auszumerzen.

Zeitlich unbestimmte Dinge haben nie existiert und werden nicht existieren. Sie existieren weder ineinem selbst noch in anderen. Sie werden nur durch Lernen und Denken vorgestellt. Sie klingenhochtrabend und haben den Anschein des Intellektuellen, wenn man es jedoch bedenkt findet manheraus dass es nur die Begriffe von Namen, Zeichen und Formen sind. Stellt euch vor jemandmeditiert, „Materie ist unbeständig, sie entsteht von Augenblick zu Augenblick und vergeht vonAugenblick zu Augenblick.“ Fragt ihn: Welche Materie ist es? Ist es Materie aus der Vergangenheit,

der Gegenwart oder der Zukunft? Ist es Materie in mir selbst oder in anderen? Wenn in mir selberist es dann Materie im Kopf, im Körper, den Gliedern, dem Auge, dem Ohr? Ihr werdet finden dasses nichts davon ist sondern ein blosser Begriff, eine Vorstellung. Wir werden also nicht über zeitlichunbestimmte Dinge meditieren.

UrsprungDas gegenwärtige Ereignis tritt aber genau jetzt an den sechs Sinnes-Toren auf. Es wurde noch nichtbefleckt; es ist wie ein unbeflecktes Stück Tuch oder Papier. Wenn ihr schnell genug seid genauwenn es erscheint darüber zu meditieren wird es nicht befleckt werden. Versäumt ihr aber es zunotieren so wird es befleckt. Ist es erst mal befleckt kann es nicht unbefleckt gemacht werden.Wenn ihr versäumt Geist oder Materie bei ihrem Auftreten zu notieren tritt Ergreifen dazwischen.Es gibt dann Ergreifen mit Begehren, Ergreifen mit sinnlichem Verlangen. Es gibt Ergreifen mit

falschen Vorstellungen, Ergreifen von falschen Ansichten, von Zeremonien und Ritualen, vonTheorien über ein Selbst. Was geschieht wenn Ergreifen stattfindet?

„Bedingt durch Ergreifen ist Werden; bedingt durch Werden ist Geburt; bedingt durchGeburt ist Alter und Sterben; Gram, Leid, Trauer, Verzweiflung und Wehklagen tretenin Erscheinung. So entsteht der Ursprung der gesamten Leidens-Masse.“

MI 333; S ii 1-2

Ergreifen ist also keine unbedeutende Sache. Es ist die Grundursache guter und schlechter Taten.Einer der ergreift arbeitet daran das zu vollbringen was er für gut hält. Jeder von uns tut das vondem wir denken dass es gut ist. Was lässt uns denken es sei gut? Es ist das Ergreifen. Andere mögendenken es sei schlecht. Aber für den Täter ist es gut. Wenn er denkt es ist nicht gut wird er esnatürlich nicht tun. Es gibt eine bemerkenswerte Passage in der Inschrift auf der Säule des Königs

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Sie kann auch gute Ergebnisse in künftigen Leben bewirken. So ist also Ergreifen, das rechteErgreifen, gut. Jene die auf solche Weise ergreifen begehen gute Taten wie Spenden darzubringen,die Gebote einzuhalten und führen so gutes kamma herbei. Was ist dann das Ergebnis? „Bedingt

durch Werden ist Geburt.“ Nach dem Tod werden sie erneut geboren. Wo werden sie geboren? Imguten Daseins-Bereich, in der Welt der Menschen und Götter. Als Menschen sind sie mit so gutenDingen ausgestattet wie langes Leben, Schönheit, Gesundheit, gute Abstammung, wie auch guteGesellschaft und Reichtum. Ihr könnt sie als „glückliche Menschen“ bezeichnen. Als Götter werdensie ebenfalls von einer Vielzahl von Göttern und Göttinnen begleitet und leben in wunderbarenPalästen. Sie sind erfüllt von Vorstellungen des Glücks und können, in einem weltlichen Sinn,glücklich genannt werden.

Aber aus der Sichtweise der buddhistischen Lehre sind diese glücklichen Menschen und Götter vomLeid nicht ausgeschlossen. „Bedingt durch Geburt sind Alter und Sterben.“ Obwohl als glücklicherMann geboren wird er alt werden, ein alter „glücklicher“ Mann. Seht euch all die „glücklichen“alten Leute auf dieser Welt an. Sobald sie über siebzig oder achtzig sind ist mit ihnen nicht mehralles in Ordnung. Graue Haare, abgebrochene Zähne, Energie gänzlich verbraucht, einfach zu nichtsmehr gut! Mit all ihrem Reichtum und grossen Namen, können diese alten Männer und Frauenglücklich sein? Dann sind da die Krankheiten des Alters. Sie können nicht gut schlafen, nicht gutessen, sie haben Schwierigkeiten beim Hinsetzen oder Aufstehen. Und schliesslich müssen siesterben. Der Reiche, der König oder ein Mächtiger, eines Tages stirbt er. Er hat dann nichts auf daser sich verlassen kann. Freunde und Verwandte umgeben ihn zwar, aber gerade wie er da auf seinemTotenbett liegt schliesst er seine Augen und stirbt. Sterbend geht er ganz alleine fort zu eineranderen Existenz. Es muss ihn wirklich schwer treffen sich von seinem ganzen Reichtum zutrennen. Wenn er nicht ein Mensch mit guten Taten ist wird er sich um seine künftige ExistenzSorgen machen.

Auch grosse Götter müssen sterben; sie werden davon nicht verschont. Eine Woche bevor siesterben erscheinen ihnen fünf Zeichen. Die nie welkenden Blumen welche sie tragen beginnen zuverblassen. Ihre Kleidung die sich nie abnützt erscheint jetzt abgetragen. Schweiss bricht in ihrenAchselhöhlen aus, etwas ganz Ungewöhnliches. Ihre Körper die immer jung erscheinen sehen jetztalt aus. Sie, die nie in ihrem göttlichen Leben Überdruss empfanden fühlen sich jetzt gelangweilt.Wenn also diese fünf Zeichen auftreten erkennen sie sofort ihren nahenden Tod und geraten sehr inAngst. In den Tagen des Buddha erschienen Sakha, dem König der Götter, selber diese Anzeichen.Äusserst erschrocken dass er sterben und seine Herrlichkeit verlieren würde ging er Hilfe suchendzum Buddha. Der Buddha legte ihm dhamma dar und er wurde ein In-den-Strom-Eingetretener. Deralte Sakha starb und ein neuer Sakha wurde wieder geboren. Er hatte Glück dass der Buddha da warum ihn zu retten. Wäre der Buddha nicht gewesen hätte es für den grossen alten Gott Unheilbedeutet.

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Menschliches und göttliches Leben sind Leiden im Vergleich mit dem Glück des todlosen Nibbana;verglichen jedoch mit den Leiden der niedrigeren Bereiche ist menschliches oder göttliches Lebentatsächlich als glücklich zu betrachten.

Rechtes Ergreifen lässt also gute Taten erstehen. Ebenso gebiert falsches Ergreifen schlechte Taten.Indem sie denken dass es gut sei so zu handeln töten manche, stehlen, rauben und fügen anderenUnrecht zu. Als Ergebnis werden sie in einem schlechten Bereich wieder geboren: In der Hölle, imBereich der Tiere, im Bereich der Geister. Wiedergeburt in der Hölle ist wie der Sprung in eingrosses Feuer. Selbst ein grosser Gott kann nichts gegen Höllenfeuer ausrichten. In den Tagen desBuddha gab es eine grosse Mara-Gottheit namens Dusi. Er verachtete den Buddha und dieMitglieder des heiligen Ordens. Eines Tages verursachte er den Tod eines Arhats. Als Folge dieser

grausamen Tat starb der grosse Gott und wurde in der Avici-Hölle wieder geboren. Dort angelangtwar er der Gnade der Wächter des Fegefeuers ausgeliefert. Jene Menschen die andere in dieser Weltquälen wird eines Tages das gleiche Geschick ereilen das dem grossen Gott Dusi zuteil wurde.Dann nach einer langen Leidenszeit in der Hölle werden sie als Tiere oder Geister wieder geboren.

Wie Ergreifen entsteht

Ergreifen ist also schrecklich. Es ist aber auch sehr wichtig. Wir meditieren um vom Ergreifen loszu kommen, um damit ein Ende zu machen. Wir meditieren damit wir nicht mit Begehren oderfalschen Vorstellungen ergreifen, dass wir etwas nicht als beständig oder glücklich erfassen, alsSelbst, Ego oder Ich. Jene die versäumen zu meditieren ergreifen immer wenn sie sehen, hören,fühlen oder wahrnehmen. Fragt euch doch selber ob ihr ergreift. Die Antwort wird nur zu deutlichsein.

Lasst uns mit dem Sehen anfangen. Angenommen ihr seht etwas Schönes. Was denkt ihr dabei? Ihrseid davon entzückt und erfreut, nicht wahr? Ihr würdet nicht sagen „Ich will es nicht sehen, nichtanschauen.“ Tatsächlich denkt ihr ja „Was für ein schönes Ding! Einfach lieblich!“ Mit strahlendemLächeln freut ihr euch darüber. Zugleich denkt ihr aber auch dass es von Bestand ist. Ob dasgesehene Objekt nun ein menschliches Wesen ist oder eine unbelebte Sache so denkt ihr dass esschon zuvor existiert hat, dass es jetzt existiert und für immer existieren wird. Obwohl es nicht euchgehört nehmt ihr mental davon Besitz und erfreut euch daran. Ist es ein Kleidungsstück so zieht ihres im Geist an und freut euch. Sind es ein Paar Sandalen zieht ihr auch sie im Geist an. Wenn es einmenschliches Wesen ist macht ihr es euch im Geist zu Nutze und freut euch auch darüber.

Das Gleiche passiert wenn ihr hört, riecht, schmeckt oder berührt. Ihr geniesst es bei jederGelegenheit. Bei den Gedanken ist die Spannweite eurer Freude noch weit grösser. Ihr seid von

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Ihr haltet euch selbst wie auch andere für ein Ego das schon das ganze Leben lang gelebt hat. InWirklichkeit gibt es so etwas aber gar nicht. Da lebt nichts das ganze Leben lang, nur Geist undMaterie erheben sich fortgesetzt nacheinander. Ihr haltet diesen Geist und diese Materie für eine

Person, für ein Ego und ergreift sie. Wir meditieren daher um nicht mit falschen Vorstellungen zuergreifen.

Wir müssen aber über die Dinge meditieren wenn sie auftauchen. Nur dann sind wir fähig dasErgreifen zu verhindern. Ergreifen kommt vom Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Berühren undDenken. Es kommt von sechs Orten – durch sechs Tore. Können wir an Dingen haften die wir nichtsehen können? Nein. Können wir uns an etwas klammern das wir nicht hören können? Nein. DerBuddha stellte selber diese Fragen:

„Nun, was denkst du, Sohn des Malunkya? Hinsichtlich der Formen die mit demAuge wahrzunehmen sind, die du nicht gesehen hast, die du nie zuvor gesehenhast, die du jetzt nicht siehst und auch in Zukunft nicht zu sehen begehrst - hastdu für solche Formen irgend ein Interesse, eine Leidenschaft, eine Zuneigung?“„Nicht so, mein Herr.“

- S.N.iv.72

Was sind denn jene Formen die ihr nie gesehen habt? Städte, Dörfer und Länder in denen ihr niewart, Männer und Frauen die dort leben und andere Anblicke. Wie könnte man sich denn in Männerund Frauen verlieben die man niemals sah? Wie könntet ihr daran haften? Ihr klammert euch alsonicht an Dinge die ihr nie gesehen habt. In dieser Hinsicht entstehen keine Befleckungen. Ihr müsstüber sie nicht meditieren. Dinge aber die ihr seht sind eine ganz andere Sache. Befleckungenkönnen entstehen, das heisst, wenn ihr zu meditieren versäumt um zu verhindern dass sie entstehen.

Das Gleiche gilt auch für Dinge die man gehört, gerochen,geschmeckt, berührt und bedacht hat.

Meditiert gleich jetzt

Wenn ihr versäumt über gerade entstehende Phänomene zu meditieren und somit ihre wahre Naturder Unbeständigkeit, der Leidhaftigkeit und der Wesenlosigkeit nicht erkennt könnt ihr sie janochmal durchleben und lasst so die Befleckungen sein. Das ist ein Fall latenter Befleckungen. Weilsie aus Objekten entstehen bezeichnen wir sie als „Objekt-latent.“ Woran klammern sich die Leuteund warum klammern sie sich daran? Sie klammern sich an Dinge oder Personen die sie gesehenhaben; weil sie erkannt haben dass sie versäumten bei deren Auftreten darüber zu meditieren istirgendwie Anhaften entstanden. Befleckungen sind in allem latent was immer wir sehen, hören,

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Gemäss den Schriften ausgedrückt meditiert ihr sobald der Prozess an der Augen-Pforte endet undbevor der anschliessende Prozess an der Geistes-Pforte beginnt. Wenn ihr ein sichtbares Objekterblickt läuft der Prozess wie folgt ab: Zuerst seht ihr das auftauchende Objekt. Das ist der Sicht-

Prozess. Dann überprüft ihr das gesehene Objekt. Das ist der Rückschau-Prozess. Dann setzt ihr diegesehenen Formen zusammen und erkennt die Gestalt oder das Material. Das ist der Form-Prozess.Als Letztes wisst ihr dann das Namens-Konzept. Das ist der Namens-Prozess. Bei Objekten die ihrnie zuvor gesehen habt sodass ihr deren Namen nicht kennt findet dieser Namens-Prozess nichtstatt. Bei diesen vier Prozessen, wenn der Erste, der Sicht-Prozess, stattfindet, seht ihr diegegenwärtige Form, die Realität, wie sie sich erhebt. Wenn der Zweite oder Rückschau-Prozessabläuft blickt ihr auf die vergangene Form, das gesehene Objekt, zurück – wiederum Realität. Beidebeachten Realität, das gesehene Objekt. Noch gibt es keinen Begriff. Der Unterschied liegt in der

gegenwärtigen Realität und der vergangenen Realität. Beim dritten Prozess gelangt ihr zumKonzept der Form und beim vierten zum Konzept der Begriffe. Die dann folgenden Prozesse sindalle verschiedene Konzepte. Sie sind alle den Menschen gemeinsam die keine Einsichts-Meditationpraktizieren.

Beim Prozess des Sehens gibt es 14 Gedanken-Momente. Auch wenn weder Sehen, Hören nochDenken stattfindet setzt sich das Lebens-Kontinuum fort. Es ist identisch mit dem Wiedergeburts-Bewusstsein. Es ist das Bewusstsein das sich fortsetzt wenn ihr in tiefem Schlaf liegt. Wenn einsichtbares oder irgend ein derartiges Objekt auftaucht wird das Lebens-Kontinuum angehalten unddas Seh-Bewusstsein, etc., entsteht. Sobald das Lebens-Kontinuum endet entsteht ein Gedanken-Moment der das Bewusstsein auf das Objekt richtet das ins Gesichtsfeld kommt. Wenn dies endeterhebt sich Seh-Bewusstsein. Wenn dieses wieder endet erhebt sich das aufnehmende Bewusstsein.Dann kommt das untersuchende Bewusstsein. Dann das Bewusstsein welches bestimmt ob dasgesehene Objekt gut ist oder nicht. Dann erhebt sich sieben Gedanken-Momente lang entsprechendder getroffenen Zuordnung heftiges moralisches oder unmoralisches bewusstes Erfassen. Wenn dies

endet resultieren daraus zwei Gedächtnisinhalte. Wenn diese enden kommt das Abgleiten in dasLebens-Kontinuum, so wie in Schlaf fallen. Von der Zuwendung auf das Objekt bis zumMemorieren gibt es 14 Gedanken-Momente. Sie alle manifestieren sich als Seh-Bewusstsein. Soalso läuft der Seh-Prozess ab. Wenn jemand wohl-erfahren in der Einsichts-Meditation ist dann tritt,nachdem sich dem Seh-Prozess folgend das Lebens-Kontinuum erhoben hat, Einsichts-Bewusstseinauf, das auf das „Sehen“ zurückblickt. Ihr müsst versuchen zu so unmittelbarer Meditation in derLage zu sein. Wenn ihr dazu fähig seid erscheint dies eurem Intellekt als würdet ihr über Dingemeditieren wenn sie gesehen werden, gerade wenn sie sich erheben. Diese Art der Meditation wirdin den Sutten als „Meditation über die Gegenwart“ bezeichnet.

„Er nimmt die gegenwärtigen Dinge wahr während sie hier und jetzt entstehen.“

-M.iii.227

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Diese Auszüge aus den Sutten zeigen deutlich dass wir über gegenwärtige Zustände meditierenmüssen. Wenn ihr versäumt über das Gegenwärtige zu meditieren erhebt sich Ergreifen aus demLebens-Kontinuum. Dieses Bewusstsein entsteht um auf das soeben Gesehene zurück zu blicken.

Die beteiligten Denk-Momente sind: Wahrnehmendes Bewusstsein 1, Erfassen 7, undregistrierendes Bewusstsein 2 – insgesamt 10 Denk-Momente. Jedes Mal wenn ihr denkt oderüberlegt finden diese drei Bewusstseins-Arten und zehn Denk-Momente statt. Dem Meditierendenerscheinen sie aber nur als ein Denk-Moment. Dies stimmt mit den Erklärungen in Bezug auf dasWissen von der Auflösung im Patisambhidamagga und Visuddhimagga überein. Wenn ihr über dasErfassen hinaus meditieren könnt gelangt ihr nicht bei Begriffen an und könnt bei der Realität –dem gesehenen Objekt – verbleiben. Das ist aber nicht sehr leicht für den Anfänger.

Wenn ihr versäumt schon beim Wahrnehmen zu meditieren gelangt ihr zum Form-Prozess undNamen-Prozess. Dann tritt Ergreifen auf. Wenn ihr erst nachdem Ergreifen stattfindet meditiert wirdes nicht verschwinden. Daher instruieren wir euch unmittelbar zu meditieren noch ehe Begriffe sicherheben.

Die Prozesse beim Hören, Riechen, Schmecken und Berühren muss man in ähnlicher Weiseverstehen.

Wenn ihr beim Denken an der Geistes-Pforte versäumt unmittelbar zu meditieren treten nach demGedanken weitere Prozesse auf. Also meditiert ihr sofort damit sie nicht entstehen mögen.Manchmal, während ihr notiert  Heben, Senken, Sitzen, Berühren, kann ein Gedanke oder eine Ideedazwischen auftreten. Ihr notiert dies im Moment des Entstehens. Ihr notiert und es endet genau da.Manchmal ist der Geist dabei abzuwandern. Ihr notiert es und er beruhigt sich. Mit den Worteneiniger Meditierenden „er ist wie ein ungezogenes Kind das sich benimmt wenn ihm 'Ruhe!'zugerufen wird.“

Wenn ihr also in dem Augenblick notiert wo ihr seht, hört, berührt oder wahrnehmt erhebt sich keinanschliessendes Bewusstsein das Ergreifen herbeiführt.

„Ihr werdet ganz einfach nur den Anblick des Gesehenen haben,den Ton des Gehörten, die Wahrnehmung des Verspürten und dieVorstellung des wahrgenommenen Objektes.“

Wie dieser Auszug aus der Malunkya-Sutte zeigt ist da nur der blosse Anblick, der blosse Ton, dieblosse Sinnes-Wahrnehmung, die reine Vorstellung. Ruft sie im Gedächtnis auf und nur die voneuch wahrgenommene reine Natur erscheint. Kein Ergreifen. Der Meditierende der über allesmeditiert, was immer da auftaucht, schon während es in Erscheinung tritt, sieht wie alles entsteht

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In den Tagen des Buddha gab es Leute die den Pfad und seine Früchte schon nach dem Anhören nureines Verses erlangten. Heutigen Tages könnt ihr aber nicht mehr mit solchen Dingen rechnen.Damals lehrte ja der Buddha selbst und er kannte die innere Einstellung seiner Zuhörer sehr gut.

Die Zuhörer ihrerseits waren Menschen mit untadeligem Wandel. Heute jedoch ist der Lehrer einegewöhnliche Person die das Wenige predigt das sie erlernt hat. Sie kennt nicht die Einstellung ihrerZuhörer und man wird schwerlich sagen können dass die Zuhörer Männer und Frauen untadeligenWandels sind. Wären sie das gewesen hätten sie schon in den Tagen des Buddha Befreiung erlangt.Wir können also nicht garantieren dass ihr in nur einer Sitzung besondere Kenntnisse erwerbenwerdet. Wir können lediglich sagen dass ihr das sehr wohl könnt wenn ihr hart genug daran arbeitet.

Und wie lange müssen wir denn arbeiten? Das Verständnis für Vergänglichkeit, Leid und Nicht-

Selbst beginnt mit der Erfahrung des Untersuchens. Aber es kommt nicht sofort. Ihm geht Reinheitdes Geistes voraus, Reinheit der Ansichten, die Reinheit des Transzendierens der Zweifel. Aus derEbene des Meditierenden von Heute gesprochen kann eine besonders begabte Person dieses Wissenin zwei oder drei Tagen erlangen.

Die Meisten werden fünf, sechs oder sieben Tage benötigen. Sie müssen aber mit Eifer arbeiten.Wer dabei nachlässt wird es nicht schaffen selbst wenn fünfzehn oder zwanzig Tage vergangen sind.Ich werde also am Anfang über ernsthaftes Arbeiten sprechen.

Einsicht-Meditation ist unentwegte Arbeit. Meditiert immer wenn ihr seht, hört, riecht, schmeckt,berührt oder denkt ohne etwas auszulassen. Den Anfängern ist es jedoch ziemlich unmöglich alleszu notieren. Beginnt also mit einigen. Es ist leicht die Bewegungs-Form im Heben und Senken desBauches zu beobachten.Wir haben darüber ja schon gesprochen. Notiert ohne Unterlass  Heben,Senken, Heben, Senken. Sobald eure Achtsamkeit und Konzentration stärker werden fügt nochSitzen und Berühren hinzu und notiert also weiter:  Heben, Senken, Sitzen, Berühren.Während ihr

fortfahrt zu notieren können Gedanken auftauchen. Notiert auch sie:  Denken, Planen, Wissen, etc.Sie sind Hindernisse. Solange ihr sie nicht los seid habt ihr keine Reinheit des Geistes und werdetauch kein klares Verständnis für die Geist-Materie Phänomene haben. Lasst sie also nicht herein.Notiert sie und werdet sie los.

Wenn unerträgliche Gefühle wie Müdigkeit, Hitze, Schmerz oder Juckreiz im Körper auftreten sokonzentriert euch darauf und notiert: Müde, Müde, oder Heiss, Heiss, gleich während sieauftauchen. Wenn sich Verlangen erhebt die Glieder zu strecken oder zu beugen notiert auch dies:

Verlangen zu beugen, Verlangen zu strecken. Wenn ihr dann streckt oder beugt sollte jedeBewegung notiert werden: Strecken, Strecken, Beugen, Beugen. Genau so wenn ihr euch erhebt,notiert jede Bewegung. Wenn ihr geht, notiert jeden Schritt. Wenn ihr euch nieder setzt, notiert es.Legt ihr euch hin, notiert es ebenso.

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Sehr selten tauchen noch beliebige Gedanken auf. Wenn das geschieht seid ihr fähig sie imAugenblick ihres Erscheinens zu notieren und sie vergehen noch im selben Moment in dem ihr sienotiert. Das notierte Objekt, wie das Heben und Senken, und der notierende Geist scheinen zeitlich

gut aufeinander eingestimmt zu sein. Ihr notiert ohne Mühe. Dies sind Anzeichen dafür dass eureAchtsamkeit und Konzentration stark geworden sind. Mit anderen Worten ihr habt Reinheit desGeistes entwickelt.

Die Dinge fallen auseinander

Ab jetzt erscheinen jedes Mal wenn ihr notiert das notierte Objekt und der notierende Geist als zweiseparate Dinge. Es wird euch bewusst dass die materielle Form wie das Heben und Senken eineSache ist und der mentale Zustand der notiert eine andere. Gewöhnlich scheinen ja die materielleForm und der Geist der wahrnimmt nicht getrennt zu sein. Sie scheinen ein und dasselbe zu sein.Euer Bücher-Wissen sagt euch dass sie getrennt sind aber nach eurem persönlichen Gefühl sind sieEines. Wackelt mit dem Zeigefinger. Seht ihr den Geist der zu Wackeln beabsichtigt? Könnt ihrzwischen dem Geist und dem Wackeln unterscheiden? Wenn ihr ehrlich seid wird die Antwort Neinsein. Für den Meditierenden jedoch dessen Achtsamkeit und Konzentration gut entwickelt sind istdas Objekt der Aufmerksamkeit und das Gewahrsein desselben so verschieden wie eine Wand undder Stein der nach ihr geworfen wird.

Der Buddha benützte das Gleichnis vom Edelstein und dem Faden (D.i.72). So, wie wenn ihr auf eine Kette Lapislazuli blickt und wisst: Die Edelsteine sind auf einen Faden aufgefädelt; das sinddie Edelsteine und das ist der Faden. So weiss auch der Meditierende: Das ist die materielle Form

und jenes das Bewusstsein das ihrer gewahr ist, das von ihr abhängt und mit ihr verwandt ist. DerKommentar sagt dass das Bewusstsein hier das Einsichts-Bewusstsein ist, Einsichts-Wissen das diematerielle Form beobachtet. Der Lapislazuli ist die materielle Form und der Faden ist dasbeobachtende Bewusstsein. Der Faden durchdringt den Edelstein so wie das Einsichts-Bewusstseindie materielle Form.

Wenn ihr notiert  Heben, so ist das Heben eine Sache und das Bewusstsein ist eine Sache; esexistieren nur diese beiden. Wenn ihr notiert Senken, ist das Senken eines, das Bewusstsein eines;

nur diese beiden existieren. Dieses Wissen wird euch von selbst klar. Wenn ihr beim Gehen denFuss hebt ist eines das Heben, das andere ist das Bewusstsein; nur diese beiden existieren. Wenn ihrihn vorwärts schiebt, ist das Schieben das Bewusstsein. Wenn ihr ihn absetzt, ist das Absetzen dasBewusstsein. Nur Materie und Bewusstsein existieren, sonst nichts.

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Der Meditierende versteht selber was die Kommentare sagen: „Sie sind vergänglich in dem Sinnedass sie nicht mehr sind nachdem sie entstanden waren.“ Dieses Wissen bekommt man nicht ausBüchern noch von den Lehrern. Man versteht selber. Das ist wahres Wissen. Anzunehmen wasandere Leute sagen ist Glauben. Es sich einzuprägen ist Lernen. Es ist nicht Wissen. Wissen müsstihr aus eurer eigenen Erfahrung schöpfen. Das ist dabei das Wichtige. Einsichts-Meditation istKontemplation damit ihr selber wisst. Ihr meditiert, seht selber und wisst – nur das allein istEinsicht.

Bezüglich der Kontemplation über Vergänglichkeit sagt der Kommentar:„ ... das Unbeständige ist zu verstehen.“„ … Vergänglichkeit ist zu verstehen.“

„ … wie Vergänglichkeit erkannt wird ist zu verstehen.“

Vishuddhimagga, i. 281

Der kurzen Aussage folgt diese Erklärung:Hier bedeutet das 'Unbeständige' die fünf Anhäufungen. Ihr müsst wissen dass die fünf Anhäufungen unbeständig sind. Vielleicht versteht ihr es nicht aus eurer eigenen Erfahrung aber ihrsolltet wenigstens soviel wissen. Und nicht nur das. Ihr solltet wissen dass alle Leid bedeuten undalle ohne Selbst sind. Wenn ihr wenigstens das wisst könnt ihr mit Einsichts-Meditation beginnen.Dieses durch Lernen erworbene Wissen wird in der Culatanhasankhaya-Sutta so ausgedrückt:

„Wenn, oh Herr der Devas, ein Mönch gehört hat, 'alle Zustände sind nichtgeeignet daran festzuhalten!' so versteht er die ganze Wahrheit.“

M.i. 318

Zu „verstehen“ heisst über Geist und Materie zu meditieren und dessen gewahr zu sein. Es ist dasgrundlegende Einsichts-Wissen des Analytischen Wissens von Geist und Materie und das Wissenvom Erkennen der Bedingtheit. Wenn ihr also gelernt habt dass Geist und Materie alle unbeständigsind, leidhaft und ohne Selbst, könnt ihr anfangen über die Analyse von Geist und Materie zumeditieren. Dann könnt ihr zu höherem Wissen, wie dem Untersuchenden-Wissen, weitergehen.

„Indem er alle Zustände versteht erfasst er sie alle.“

Die geringste Qualifikation die von einem Anfänger in Einsichts-Meditation also gefordert wird ist,dass er von der unbeständigen, leidhaften und wesenlosen Natur von Geist und Materie gehört odergelernt haben muss. Buddhisten in Burma haben das schon seit ihrer Kindheit.

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Von dem Tage an wo ihm der Name gegeben wurde beginnen die Leute ihn Master Red zu nennen.Wir können aber nicht sagen der Name hat damit begonnen zu existieren. Der Name hat einfachkeine Existenz. Lasst uns das herausfinden.

Ist der Name Master Red in seinem Körper, auf seinem Kopf, an seiner Seite, in seinem Gesicht?Nein, er ist nirgends. Die Leute sind nur übereingekommen ihn Master Red zu nennen, das ist alles.Wenn er stirbt, stirbt dann mit ihm auch der Name? Nein. Solange ihn die Leute nicht vergessenwird der Name weiterleben. Daher wird gesagt, „ein Name oder Nachname wird nie vernichtet“.Nur wenn die Leute ihn vergessen wird der Name Master Red verschwinden. Er ist aber damit nichtvernichtet. Sollte ihn jemand wiederherstellen, so taucht er wieder empor.

Denkt an die Bodhisatta Namen in den Jatakas: Vessantara, Mahosadha, Mahajanika, Vidhura,Temiya, Nemi. Diese Namen waren in den Zeiten der betreffenden Geschichten bekannt gingenaber für Millionen von Jahren verloren bis der Buddha sie wieder herstellte. Vor vier asankheyyasund hunderttausend kalpas waren die Namen Dipankara Buddha und Sumedha, der Einsiedler, gutbekannt. Dann gingen sie der Nachwelt verloren. Unser Buddha stellte sie aber wieder her und wirkennen diese Namen jetzt wieder. Sie werden so lange bekannt sein wie die Lehre des Buddhabekannt ist. Wenn die Lehre des Buddha von der Erde verschwunden ist werden auch diese Namenvergessen sein. Würde aber ein künftiger Buddha erneut von ihnen sprechen würden sie wiederbekannt werden. Vorstellungen und Namen sind also nur Konventionen. Sie existieren gar nie. Siehaben nie existiert und werden nie existieren. Sie entstehen nie, also können wir auch nicht sagen„sie vergehen“. Noch können wir sagen dass sie unbeständig sind. Jeder Begriff ist so: OhneExistenz, kein Werden, kein Vergehen, also keine Unbeständigkeit.

Man kann von Nibbana, obwohl es eine Realität ist, nicht sagen dass es wandelbar ist weil es nie

entsteht oder vergeht. Es ist als beständig anzusehen weil es für immer währenden Frieden steht.

Vergänglichkeit

Andere Realitäten als Nibbana, Geist und Materie waren am Anfang nicht. Sie treten erst ins Daseinwann immer sich Ursachen erheben. Nachdem sie entstanden sind vergehen sie. Daher sagen wir

diese Realitäten des Geistes und der Materie sind vergänglich. Nehmt zum Beispiel das Sehen. AmAnfang gibt es kein Sehen. Wenn aber das Auge gut ist, ein Objekt auftaucht, Licht vorhanden ist,wird eure Aufmerksamkeit davon angezogen – wenn also diese vier Dinge zusammentreffen danngibt es Sehen. Sobald es entstanden ist vergeht es auch wieder. Nichts davon verbleibt. Also sagenwir Sehen ist vergänglich. Einer gewöhnlichen Person fällt es nicht sehr leicht zu erkennen dass

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Dabei wird das Verschwinden des Bewusstseins sehr deutlich. Wenn euer Geist abwandert währendihr Heben,Senken, notiert so notiert ihr Wandern. Indem ihr es notiert gibt es den wandernden Geistnicht mehr. Er ist weg. Der wandernde Geist hat zuvor nicht existiert, er entstand nur gerade eben.Beim Notieren ist er unverzüglich entschwunden. Also sagen wir er ist vergänglich. Das Vergehenvon unangenehmen Gefühlen ist auch ganz offenkundig. Wenn ihr damit fortfahrt zu notieren...  Heben, Senken... erscheint irgendwo im Körper Müdigkeit, Hitze oder Schmerz. Wenn ihr euchdarauf konzentriert und notiert  Müdigkeit, Müdigkeit, etc. verschwindet sie manchmal ganz undmanchmal wenigstens für die Dauer des Notierens. Sie ist also vergänglich. Der Meditierendeerkennt ihre charakteristische Eigenschaft der Vergänglichkeit indem er Entstehen und Vergehennotiert.

Dieses Erkennen der flüchtigen Natur der Dinge ist Betrachtung der Vergänglichkeit. Es kommt auseurer eigenen Erfahrung. Blosses Reflektieren darüber ohne es persönlich zu erfahren ist keinwahres Wissen. Ohne zu Meditieren werdet ihr nicht wissen welche Dinge auftauchen und welcheDinge verschwinden. Ihr habt dann nur Buch-Wissen. Das mag ja löbliches Tun sein bringt aberkein wirkliches Einsichts-Wissen.

Wirkliches Einsichts-Wissen ist das was ihr aus eigener Erfahrung selbst wisst indem ihr über dieDinge meditiert während sie entstehen und vergehen. In der Zuhörerschaft hier gibt es eine MengeMeditierender die bei dieser Stufe des Wissens angelangt sind. Ich spreche also nicht nur vonmeiner eigenen Erfahrung. Nein, auch nicht von der Erfahrung von vierzig oder fünfzig meinerSchüler. Es gibt da nämlich Hunderte. Anfänger haben vielleicht noch nicht so klares Wissen. Es isteben nicht ganz leicht. Es ist aber auch nicht zu schwer zu erreichen. Wenn ihr fest genug an eucharbeitet wie wir es lehren könnt ihr es haben. Tut ihr das nicht, dann eben nicht. Höhere Bildung,Qualifikationen, Ehrungen sind alle das Ergebnis harter Arbeit. Ohne Fleiss kein Preis. Auch dasEinsichts-Wissen des Buddha muss erarbeitet werden.

Wenn dann eure Konzentration an Schärfe zunimmt werdet ihr bei einem einzigen Akt des Beugensoder Streckens der Glieder eine grosse Zahl von Gedanken sehen können. Und auch eine grosseZahl Gedanken die nacheinander aufsteigen wenn ihr beabsichtigt zu beugen oder zu strecken. Diegleiche Anzahl ist auch zu sehen wenn ihr einen Schritt macht. Beim Zwinkern eines Auges erhebtsich ebenfalls eine grosse Zahl an Gedanken. Ihr müsst all diese fliessenden Gedanken notierenwenn sie aufsteigen. Wenn ihr ihnen keinen Namen geben könnt so notiert einfach nur Gewahr,Gewahr . Ihr werdet sehen dass jedes Mal vier, fünf oder zehn Gedanken nacheinander erstehen

immer wenn ihr Gewahr notiert. Manchmal wenn das Gewahrsein genügend flink ist muss das WortGewahr gar nicht mehr notiert werden. Den Gedanken nur mit eurem Intellekt zu folgen reicht dannaus.

Jetzt erhebt sich ein Gedanke, jetzt ist der Geist dessen gewahr. Jetzt entsteht ein anderer Gedanke,

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Wenn Müdigkeit aufsteigt notiert ihr Müde und sie ist weg. Sie kommt wieder, ihr notiert sie erneutund wieder ist sie fort. Diese Art des Vergehens wird mit höherer Einsicht um so klarer. Müde,notiert, fort; müde, notiert, fort - sie verschwindet, eine nach der anderen. Es gibt keine Verbindungzwischen der einen Müdigkeit und der nachfolgenden. Genau so ist es beim Schmerz. Schmerz,notiert, fort; Schmerz, notiert, fort – jeder Schmerz verschwindet bei seinem Notieren. Ein Schmerzmischt sich nicht mit einem anderen. Jeder Schmerz ist vom anderen verschieden.

Für gewöhnliche Leute gibt es keine Unterbrechung der Müdigkeit oder des Schmerzes. Es scheinteuch als würde Müdigkeit oder Schmerz eine lange Zeit beständig anhalten. Tatsächlich aber hältMüdigkeit oder Schmerz nicht lange an: Eine Müdigkeit und dann die nächste, ein Schmerz und dernächste, nur sehr kurze, sehr getrennte Stücke. Der Meditierende sieht dies beim Notieren.

Wenn ihr  Heben notiert erfolgt das Heben allmählich und vergeht in kleinen Schritten. Wenn ihrSenken notiert setzt das Senken ein und vergeht in kleinen Schritten. Gewöhnliche Leute welchediese Fakten nicht kennen sehen das Heben und Senken nur in der absurden Form des Bauches. Ausihrer eigenen Erfahrung heraus denken sie dass auch die Meditierenden nur die absurde Form desBauches sehen und einige sprechen dies auch aus. Bitte sprecht nicht blosse Vermutungen aus.Versucht es und seht es selbst. Wenn ihr fest genug arbeitet werdet ihr es selbst herausfinden.

Wenn ihr notiert  Bewegen seht ihr ganz klar wie es sich bewegt und vergeht, bewegt und vergeht,eine Bewegung nach der anderen. Ihr versteht jetzt die Feststellung in den Schriften dass sichRealitäten wie Geist und Materie nicht von Ort zu Ort bewegen. Gewöhnliche Leute denken es seidie gleiche Hand die sich bewegt, die vor dem Beugen war und nach dem Beugen sein wird. Siedenken die gleiche Hand bewegt sich nach innen und aussen. Für sie ist es eine unveränderlicheHand. Das ist so weil sie die Kontinuität der Materie nicht durchschaut haben, auf welche WeiseMaterie in Folge entsteht. Es ist so weil ihnen das Wissen fehlt um hindurch zu blicken.

Vergänglichkeit wird durch Kontinuität verborgen, so wird gesagt. Es ist verborgen wenn man nichtüber das meditiert was entsteht und vergeht.

Visuddhimagga sagt: „Weil das Entstehen und Vergehen keine Beachtung findetwird die charakteristische Vergänglichkeit nicht offenbar,solange sie durch Kontinuität verborgen ist.“

Vis. Xxi. 781

Nachdem der Meditierende jegliches Entstehen beobachtet erscheinen ihm alle mentalen undmateriellen Dinge als separate, gebrochene Teile und nicht als ganze, ungebrochene Dinge. Aus derFerne sehen Ameisen wie eine Linie aus, näher dran seht ihr aber jede einzelne Ameise. DerMeditierende sieht die Dinge als gebrochene Teile, die Kontinuität kann diese Tatsache nicht vor

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„Für einen, Meghiya, der die Vergänglichkeit wahrgenommen hatist auch die Erkenntnis des Nicht-Selbst offenbar.“

- And.iii 169

Wie wollt ihr etwas, von dem ihr sehr gut wisst dass es fähig ist zu entstehen und zu vergehen, alseuer Selbst, Ego oder eure Wesenheit annehmen? Die Leute klammern sich an die Selbst-Vorstellung weil sie denken dass sie schon das ganze Leben die selbe Person waren. Sobald es euchaus eurer eigenen Erfahrung heraus klar ist dass das Leben nur aus Dingen zusammengesetzt ist dieunaufhörlich entstehen und vergehen werdet ihr nicht mehr an einer Selbst-Vorstellung festhalten.

Einige starrköpfige Personen sagen dass diese Sutta nur für Meghiya allein gedacht war. Das sollte

man aber nicht sagen. Wir fürchten dass dann andere kommen und behaupten dass das was derBuddha sagte für die Menschen seiner Zeit bestimmt war und nicht für uns die wir heute leben.Aber seine Aussage ist nicht nur in dieser Sutta allein zu finden. In der Sambodhi sutta sagt derBuddha:

„Einem, ihr Mönche, der die Vergänglichkeit wahrgenommen hatist auch die Erkenntnis des Nicht-Selbst offenbar.“

- Ang. iii 165

Und wenn einer Vergänglichkeit erkannt hat erkennt er auch das Leidhafte. Der Meditierende derdurchschaut wie die Dinge entstehen und vergehen kann sehen wie diese beiden Ereignisse,Entstehen und Vergehen, ihn bedrückt haben. Im Kommentar zur Sambodhi sutta wird gesagt:

„Wenn die Eigenschaft der Vergänglichkeit erkannt ist wird auch dieEigenschaft des Nicht-Selbst gesehen, weil, sobald eines der drei

Merkmale erkannt wurde, auch die beiden anderen erkannt werden.“

Daher ist es sehr wichtig dieses Merkmal Vergänglichkeit zu verstehen.

Wahrheitsfindung

Lasst mich in diesem Zusammenhang eine Geschichte aus meiner eigenen Lehr-Erfahrung erzählen.

Sie handelt von einem Meditierenden aus meinem Heimat-Dorf Hseipkhun im Distrikt Shwebo.Dieser war einer meiner Vettern. Er war eine der ersten drei Personen die im Dorf Einsichts-Meditation aufnahmen. Die drei einigten sich darauf zunächst für die Dauer einer Woche zumeditieren. Sie gaben sich dabei grosse Mühe. Aber sie hatten zur Einsiedelei Zigarren und Betel-Prieme mitgenommen um täglich eines davon zu geniessen. Als sie jedoch zurückkehrten brachten

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Nach ein paar Tagen des Ausruhens kamen sie erneut für eine weitere Woche Meditation. MeinVetter erreichte dann die Stufe des Wissens von der Auflösung. Obwohl er notierte, Heben, Senken,Sitzen, konnte er die Form des Bauches nicht sehen und sein Körper war scheinbar verschwundenso dass er ihn mit der Hand berühren musste um zu sehen ob er noch da sei, so erzählte er mir. Undimmer wenn er hinblickte oder etwas sah schien sich alles aufzulösen und zu zerbrechen. DerBoden auf den er schaute löste sich auf und auch die Bäume. Es war alles konträr zu seinenbisherigen Vorstellungen von den Dingen und er begann zu überlegen.

Er hatte nie gedacht dass so äusserliche, jahreszeitlich hervorgebrachte, grobe Materialien wie Erde,Bäume, Balken, etc. sich unaufhörlich auflösen könnten. Er hatte gedacht dass sie nur nach einerbeträchtlichen Zeitspanne vergehen würden. Sie waren doch recht dauerhaft, dachte er. Nun aber, da

das Einsichts-Wissen mit der Meditation an Schwung gewann erschien ihm das Entstehen undVergehen der Phänomene ganz von selbst ohne dass er speziell darüber meditiert hätte. Sievergingen, zerbrachen, direkt vor ihm. Das war alles das Gegenteil seines früheren Glaubens. Warvielleicht seine neue Sichtweise falsch? Versagten womöglich seine Augen?

Also fragte er mich. Und ich sagte es ihm. Das Vergehen und Zerbrechen das er in Allem sah warwahr. Als seine Einsicht schärfer und schneller wurde schienen die Dinge vor ihm zu entstehen undzu vergehen ohne dass er darüber meditierte. Sie waren alle wahr, erklärte ich ihm. Später erzählte

er mir nochmals von seinen eigenen Erkenntnissen als er in der Einsicht Fortschritte machte. Heuteweilt er nicht mehr unter uns; er ist seit Langem tot.

Wenn Einsichts-Wissen wirklich scharf geworden ist gewinnt es die Oberhand über falscheGlaubens-Vorstellungen und Gedanken. Ihr seht dann die Dinge in ihrem wahren Licht, alsunbeständig, Leid bedingend, Nicht-Selbst. Ein ungeschulter Geist oder blosse Überlegungen ohneMeditation können euch keine wirkliche Einsicht in die Natur der Dinge erbringen. Nur Einsichts-

Meditation kann das ermöglichen.

Sobald ihr sie als vergänglich erkennt seht ihr wie sie euch mit ihrem Entstehen und Vergehenbelasten, wie ihr aus ihnen keine Freude gewinnen könnt, wie sie niemals Zuflucht sein können, wiesie jeden Augenblick vergehen können, wie beängstigend sie sind, wie sie Leid bedeuten, etc.

„Krankheit (Leid) im Sinne von erschreckend.“

Ihr habt gedacht, „Dieser Körper wir nicht so bald vergehen. Er wird recht lange Zeit vorhalten.“Also nahmt ihr ihn als grosse Zuflucht an. Aber jetzt wo ihr meditiert findet ihr nur einunaufhörliches Entstehen und Vergehen vor. Wenn für die mentalen und materiellen Dinge dievergangen sind keine neuen entstehen stirbt man. Und das kann jeden Augenblick geschehen. Aus

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Nur wenn etwas zu sehen ist dann seht ihr. Ihr könnt aber auch nicht umhin es zu sehen. Ihr hörtwenn es etwas zu hören gibt. Ihr fühlt euch nur glücklich wenn es dafür einen Grund gibt. Ihr machteuch Sorgen wenn es Ursache zu Besorgnis gibt. Gibt es eine Ursache so gibt es eine Wirkung.Daran könnt ihr nichts ändern. Es gibt kein Wesen das lebt und tut was es will. Es gibt kein Selbst,kein Ego, kein Ich, sondern nur Prozesse des Entstehens und Vergehens.

Ganz klar zu verstehen ist das Wichtigste bei der Einsichts-Meditation. Natürlich werden euch imLaufe eures Trainings Zustände der Freude und der Ruhe begegnen und auch strahlendes Licht.Aber sie sind nicht wichtig. Wichtig ist nur das Verständnis der Vergänglichkeit, des Leids und desNicht-Selbst. Diese Merkmale werden euch klar gemacht wenn ihr einfach wie erläutert fortfahrt zumeditieren.

Letztlich Frieden 

Ihr macht euch die Dinge selber klar und glaubt nicht was andere euch sagen. Wenn irgend welchevon euch Anfängern noch kein auf diese Weise selbst erarbeitetes Wissen haben so müsst ihreinsehen dass ihr diese Stufe noch nicht erreicht habt. Arbeitet weiter daran. Wenn andere es könnendann könnt auch ihr es. Es wird nicht sehr lange dauern. Das Wissen kommt zu euch während ihr

meditiert. Nur wenn ihr ganz sicher wisst dass alle Objekte vergänglich, leidhaft und Nicht-Selbstsind werdet ihr an den Sinnes-Objekten nicht als dauerhaft, beglückend, schön und gut festhalten.Noch werdet ihr an ihnen als Selbst, Seele oder Ich haften. Alles Ergreifen wird abgelegt. Waspassiert dann? Nun, alle Befleckungen sind durch den Pfad der Edlen zu Ende gebracht undNibbana ist verwirklicht.

„Einer der nach nichts greift sehnt sich nicht nach Dingen.

Einer der sich nicht nach Dingen sehnt ist in sich zur Ruhe gekommen.“- M. ii. 318

Wann immer ihr dann meditiert habt ihr keine Bindung an das Objekt das ihr notiert. Also entstehtkein Ergreifen. Ihr greift nicht nach dem was ihr seht, hört, riecht, esst, berührt oder das euchbewusst ist. Jedes scheint zu seiner Zeit zu erstehen und dann zu vergehen. Sie manifestieren sichals unbeständig. Es gibt nichts an dem zu haften wäre. Sie bedrücken uns mit ihrem Entstehen undVergehen. Sie sind alle unbefriedigend, leidhaft. Da ist nichts an dem man als glücklich, gut oder

schön festhalten könnte. Sie erstehen und vergehen wie es ihrer Natur entspricht, also gibt es nichtsdas lebt und andauert an dem man als Selbst, Seele oder Ich festhalten könnte. Sie alle werden euchganz klar gemacht und damit wird alles Ergreifen abgelegt. Dann verwirklicht ihr Nibbana durchden Edlen Achtfachen Pfad. Wir werden das im Lichte der Bedingten Entstehung und derDaseinsgruppen erklären.

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Indem er sie nicht ergreift macht er auch keinerlei Bemühung sich an ihnen zu erfreuen. Da erdieser Bemühung widersteht erhebt sich kein kamma „Werden“ genannt. Da kein kamma entstehtgibt es keine neue Geburt. Wenn es keine neue Geburt gibt entfällt auch der Anlass für Alter, Tod,Gram, etc. Auf diese Weise verwirklicht man durch den Pfad der Einsicht augenblicklich Nibbanaimmer wenn man meditiert. Die Verwirklichung durch den Edlen Pfad werden wir später erklären.

In der früher zitierten Silavanta sutta erklärte der Ehrw. Sariputta wie ein Mönch moralischenWandels, wenn er über die fünf Daseins-Gruppen als vergänglich, als Leid, als Nicht-Ich meditiert,ein in den Strom Eingetretener (sotapana) werden kann. Wenn ein in den Strom Eingetretener

meditiert kann er ein Einmal-Wiederkehrer (sakadagami) werden; wenn Einmal-Wiederkehrer dannein Nie-Wiederkehrer (anagami); wenn Nie-Wiederkehrer ein Arahat. Die vier Edlen Früchte des inden Strom Eintretens, der Einmal-Wiederkehr, der Nie-Wiederkehr und der Arahat-Schaft bedeutenhier Nibbana durch die vier Edlen Pfade zu verwirklichen.

Fortschritt

Um auf den Edlen Pfad zu gelangen beginnt man mit dem Pfad der Einsicht. Und der Pfad derEinsicht fängt mit dem analytischen Wissen von Geist und Materie an. Dann erlangt man Wissendurch Erkennen der Bedingtheit. Weiter arbeitend gewinnt man dann das Wissen des Untersuchens.Hier erfreut man sich daran über die Dinge zu reflektieren, sie zu untersuchen und Leute mitbeachtlichem Bildungsstand verbringen damit häufig eine lange Zeit. Wenn ihr nicht reflektierenund untersuchen wollt so fahrt einfach fort zu meditieren. Euer Gewahrsein wird jetzt leicht undflink. Ihr seht deutlich wie die notierten Dinge sich erheben und verschwinden. Ihr seid beim

Wissen vom Entstehen und Vergehen angelangt.

Auf dieser Stufe fällt das Notieren leicht. Lichterscheinungen, Gefühle der Freude und Ruhephasentreten auf. Indem man zuvor unbekannte Erfahrungen durchläuft ist man von Freude und Glückerregt. In den Anfangsstufen seiner Arbeit musste der Meditierende grosse Mühe auf sich nehmenden Geist nicht hierhin und dorthin abwandern zu lassen. Dieser ist aber gewandert und er war dielängste Zeit nicht in der Lage zu meditieren. Nichts schien in Ordnung zu sein und manche musstensehr hart darum ringen. Aber mit festem Vertrauen auf seine Lehrer, mit guten Vorsätzen und

Entschlossenheit hat man all diese schwierigen Stufen durchlaufen. Man ist jetzt beim Wissen vomEntstehen und Vergehen angelangt. Auf dieser Stufe ist alles in Ordnung. Das Notieren ist leicht undohne Mühe. Es ist gut zu notieren und strahlende Lichter treten auf. Begeisterung ergreift denMeditierenden und bewirkt eine Art Gänsehaut bei ihm. Körper und Geist sind beide entspannt under fühlt sich wohl. Die Objekte die zu notieren sind gelangen wie von selbst bei seiner Achtsamkeit

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Das Training beim Meditieren ist wie das Erklimmen eines Berges. Ihr fangt an der Basis an. Baldwerdet ihr müde. Ihr befragt Leute die von oben kommen und sie antworten mit ermutigendenWorten wie „es ist jetzt schon näher“. Müde klettert ihr weiter und kommt sehr bald zu einemRastplatz im Schatten eines Baumes wo eine kühle Brise weht. All eure Müdigkeit ist daverschwunden. Die schöne Szenerie rundum fasziniert euch. Ihr werdet erfrischt um weiter zuklettern. Das Wissen vom Entstehen und Vergehen ist euer Rastplatz während ihr höheres Einsichts-Wissen erklimmt.

Meditierende die diese Stufe des Wissens noch nicht erreicht haben verlieren vielleicht dieHoffnung. Tage sind vergangen und noch kein Hauch von Einsicht. Da werden sie oft entmutigt.Einige verlassen das Meditations-Zentrum mit dem Gedanken dass Meditation letztlich nichts

bringt. Sie haben das „Nibbana des Meditierenden“ nicht entdeckt. Wir Lehrer müssen also dieNeulinge dazu bewegen zum Zentrum zu kommen in der Hoffnung dass sie zumindest diesesWissen erlangen werden. Und wir fordern sie auf sich anzustrengen um dies bald zu erreichen. Mitunserer Beratung haben die Meisten Erfolg. Ein weiteres Anfeuern brauchen sie nicht. Sie sind jetztvoller Vertrauen und Entschlossenheit weiter zu arbeiten bis das höchste Ziel erreicht ist.

Von diesem „Nibbana des Meditierenden“ wird häufig als amanusi rati – nicht-menschliches oderübermenschliches Entzücken gesprochen. Ihr könnt aus verschiedenen Dingen alle möglichen Arten

von Freude gewinnen: Aus Bildung, Reichtum, Familienleben, etc. aber all diese Freuden werdendurch das „Nibbana des Meditierenden“ übertroffen. Ein Meditierender erzählte mir einmal dass ersich allen Arten weltlicher Freuden hingegeben hatte, aber keine erbrachte die Freude die er aus derMeditation gewann. Er konnte einfach nicht ausdrücken wie köstlich es war.

Aber ist das schon alles? Nein, ihr müsst weiter arbeiten und mit dem Notieren fortfahren. Dann,indem ihr voran kommt werden Formen und Eigenschaften nicht mehr manifest und ihr findet dass

sie ständig vergehen. Was auch erscheint, es verschwindet in dem Moment wo ihr es wahrnehmt.Ihr notiert Sehen, es verschwindet schnell. Ihr notiert Hören, es verschwindet. Beugen, Strecken,wieder verschwindet es ganz flink. Aber nicht nur das auftauchende Objekt sondern auch dasGewahrsein davon verschwindet mit ihm in paarweiser Folge. Das ist das Wissen von derAuflösung.

Jedes Mal wenn ihr notiert verschwinden sie flink. Wenn ihr lange Zeit davon Zeuge wart machensie euch Angst. Es ist das Wissen vom Furcht-Erregenden. Ihr seht das Unzulängliche dieser Dinge

die ständig vergehen. Es ist das Wissen vom Bedrückenden. Wenn ihr dann weiter meditiert werdetihr ihrer müde. Es ist das Wissen vom Widerwillen.

„All diese Dinge so sehend schenkt der wohl unterrichtete Schüler derEdlen materiellen Formen keine Beachtung, Gefühlen keine Beachtung.“

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 Ihr hieltet eure Wahrnehmung für gut. Aber jetzt verschwindet auch sie wenn ihr sie notiert. Ihrfühlt dafür ebenso Abscheu.

Willentliche Handlungen sind für all euer körperliches, mentales und verbales Tun verantwortlich.Zu denken, „Ich sitze, erhebe mich, Ich gehe, Ich handle“ bedeutet an willentlichem Tun zu haften.Auch dies habt ihr für gut gehalten. Wo ihr sie jetzt verschwinden seht fühlt ihr euch davonabgestossen.

Ihr habt euch am Denken erfreut. Wenn Neuankömmlingen im Meditations-Zentrum gesagt wirddass sie sich nicht in Nachdenken über Dinge verfangen sondern ständig notieren sollen sind sie

darüber überhaupt nicht erfreut. Jetzt seht ihr wie Gedanken und Ideen auftauchen undverschwinden und ihr seid auch ihrer müde.

Das Gleiche passiert an euren Sinnes-Toren. Was immer an den sechs Toren auftaucht ist jetzt eineSache für die ihr Abscheu und Überdruss empfindet. Manche verspüren sogar extreme Abscheu,andere immerhin ein beachtliches Mass davon.

Dann erheben sich die Triebe die abzulegen sind. Sobald ihr ihrer überdrüssig seid wollt ihr sie

natürlich loswerden. „Sie kommen und gehen unablässig. Sie sind nicht gut. Es ist gut wenn sie alleenden.“ Das ist das Wissen vom Verlangen nach Befreiung. Da, wo „sie alle enden“ ist Nibbana.Befreiung zu wünschen heisst sich nach Nibbana zu sehnen. Was muss man tun wenn man Nibbanawünscht? Man arbeitet noch angestrengter und fährt fort zu meditieren. Das ist das Wissen vomNachdenken. Indem ihr mit besonderer Anstrengung arbeitet werden euch die MerkmaleVergänglichkeit, Leid und Nicht-Selbst um so klarer; besonders deutlich ist Leiden.

Nach dem Nachdenken kommt ihr zum Wissen von der Gleichgültigkeit gegenüber allenGestaltungen. Der Meditierende ist jetzt recht entspannt. Ohne grosse Anstrengung seinerseitsverläuft das Notieren glatt und recht gut. Er setzt sich zum Meditieren hin und stimmt sich auf denBeginn ein. Dann läuft alles seinen Weg wie ein Uhrwerk; sobald es aufgezogen ist tickt es vonselbst weiter. Etwa eine Stunde lang nimmt er an seiner Haltung keine Veränderung vor und setztseine Arbeit ohne Unterbrechung fort.

Vor diesem Wissen mag es wohl Störungen gegeben haben. Euer Geist kann sich einem gehörten

Ton zugewandt haben und dadurch gestört sein. Eure Gedanken wandern weg und die Meditationwird gestört. Unangenehme Gefühle wie Müdigkeit, Hitze, Schmerzen, Jucken treten auf und störeneuch. Jetzt müsst ihr mit allem nochmal beginnen. Dann aber geht alles gut; es gibt keine Störungenmehr. Ihr hört vielleicht Geräusche aber ihr ignoriert sie und notiert weiter. Was immer auchauftaucht ihr notiert es ohne gestört zu werden. Der Geist wandert nicht mehr ab. Angenehme

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An so einem heissen Sommertag wie diesem wäre es sehr schön dieses Wissen erlangt zu haben.Während andere Leute unter der starken Hitze stöhnen wird sich der Meditierende der ernsthaft mitdiesem Wissen arbeitet der Hitze überhaupt nicht bewusst. Der ganze Tag scheint im Nu verflogenzu sein. Das ist in der Tat sehr gutes Einsichts-Wissen. Dennoch gibt es da Gefahren wieübermässige Besorgtheit, Ehrgeiz oder Anhaften. Wenn diese nicht abgelegt werden können wird eskeinen Fortschritt geben. Sobald sie aber abgelegt sind ist das Wissen vom Edlen Pfad zuverwirklichen. Wie?

Der Edle Pfad

Jedes Mal wenn ihr notiert Heben, Senken, Sitzen, Berühren, Sehen,Hören, Beugen, Strecken und sofort ist damit Bemühen verbunden. Das ist das rechte Bemühen des Edlen Achtfachen Pfades. Dannist da eure Achtsamkeit. Es ist rechte Achtsamkeit. Und es gibt eure Konzentration die das notierteObjekt durchdringt und auch darauf fixiert bleibt. Das ist rechte Konzentration. Diese drei werdenkonzentrative Bestandteile des Pfades genannt. Dann gibt es anfängliche Zuwendung die zusammenmit Konzentration auf das notierte Objekt gerichtet wird. Es ist die Anwendung der begleitendenFaktoren auf das Objekt. Ihr Merkmal ist das „Anheben“ dieser Faktoren zum Objekt(abhiniropanalakkhana) laut den Kommentaren. Das ist rechtes Denken. Dann wird realisiert dass

das auf solche Weise behandelte Objekt Bewegung ist, Nicht-Erkennen, Sehen, Erkennen,Unbeständigkeit und so fort. Das ist rechte Sicht. Rechtes Denken und rechte Sicht bildenzusammen die Weisheits-Komponente des Pfades. Die drei Moral-Komponenten: rechte Rede,rechtes Handeln und rechter Lebensunterhalt wurden perfektioniert ehe ihr Einsichts-Meditationaufnehmt: Wenn ihr die Gebote einhaltet. Ausserdem, bezüglich des notierten Objektes kann eskeine falsche Rede, falsches Tun oder falschen Unterhalt geben. Immer wenn ihr notiertperfektioniert ihr also auch die Moral-Komponenten des Pfades. 

Die acht Bestandteile des Edlen Pfades sind in jedem Gewahrsein zugegen. Sie sind Bestandteil desEinsicht-Pfades der sich öffnet wenn das Anhaften abgetan ist. Ihr müsst diesen Pfad allmählichbereiten bis ihr das Wissen vom Gleichmut gegenüber den Gestaltungen erlangt. Wenn diesesWissen gereift und erstarkt ist kommt ihr ganz zu Recht am Edlen Pfad an. Das geht so: Wenn dasWissen vom Gleichmut gegenüber den Gestaltungen gereift und erstarkt ist verläuft euer Notierenschärfer und schneller. Während ihr so notiert und flink gewahr werdet verfallt ihr ganz plötzlich inden Frieden der Nibbana ist. Es ist ziemlich seltsam. Ihr habt zuvor kein Wissen davon. Wenn es

eintrifft könnt ihr noch nicht darüber reflektieren. Erst nachdem es eingetroffen ist könnt ihrnachdenken. Dann wisst ihr was geschehen ist. So verwirklicht ihr Nibbana durch den Edlen Pfad.

Wenn ihr also Nibbana verwirklichen wollt ist es ganz wichtig Freiheit von den Anhaftungen zuerarbeiten. Bei gewöhnlichen Menschen entstehen überall Anhaftungen: Beim Sehen, beim Hören,

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Zusammenfassend:

Wie wird Einsicht entwickelt?Einsicht wird entwickelt durch Meditationüber die fünf Daseinsgruppen des Ergreifens.

Warum und wann meditieren wir über dieseDaseinsgruppen?Wir meditieren über die Daseinsgruppen immerwenn sie sich erheben um nicht daran zu haften.

Wenn wir versäumen über Geist und Materie zumeditieren entsteht Anhaften.

Wir haften an ihnen als beständig, gut und als Ego.

Wenn wir fortfahren über Geist und Materie zumeditieren enden die Anhaftungen.

Es ist klar zu sehen dass alles vergänglich undleidbringend ist; blosse Vorgänge.

Sobald Anhaften endet ersteht der Pfad, er führt zu Nibbana.

Das, nun, sind die Elemente der Einsichts-Meditation.

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 Die junge Weberin

Und jetzt einige Worte der Ermutigung.

Wenn der Buddha lehrte meditierten seine Zuhörer während er sprach und sie gewannen dabeiEinsicht. Ihre Zahl war in der Tat gross: „Vierundachtzigtausend nach jedem Vortrag“ lautKommentar. Einige die das gelesen hatten bemerkten: „Es scheint doch recht leicht zu sein Einsichtzu erlangen. Wir aber arbeiten hier angestrengt und sind noch nicht fähig irgend etwas zu erreichen.Warum gibt es einen solchen Unterschied?“

Ihr müsst hier berücksichtigen dass der Kommentar lediglich von dem Ereignis berichtet und alssolcher bezüglich der Qualifikationen der Zuhörer keine Details nennt. Der Lehrer selbst war derBuddha und kein anderer. Seine Zuhörer waren Leute die Vollkommenheiten erlangt hatten. AlsBeispiel lasst uns eine Geschichte betrachten.

Einmal lehrte der Buddha bei Alavi, dem heutigen Allahabad. Sein Thema war Todes-Gewahrsein.Er sagte seinen Zuhörern daran zu denken „Mein Leben ist nicht von Dauer aber mein Tod. Mein

Leben wird mit dem Tod enden. Unvermeidlich ist mein Tod. Ungewiss ist mein Leben. Der Tod istgewiss.“ Dann kehrte er nach Savatthi zurück.

Unter den Hörern bei Alavi war ein sechzehn Jahre altes Mädchen, eine Weberin. Von da abentwickelte sie Todes-Gewahrsein. Drei Jahre später kam der Buddha erneut nach Alavi. Als derBuddha zwischen seinen Zuhörern sass sah er das Mädchen auf sich zukommen. Er fragte, „JungeFrau, wo kommst du her?“ Das Mädchen antwortete, „Ich weiss nicht, mein Herr.“ „Wo gehst du

hin?“ fuhr er fort. „Ich weiss nicht, mein Herr“ war die Antwort. „Du weisst es nicht?“ „Oh doch,mein Herr“ „Weisst du es?“ „Nein, mein Herr.“

Die Leute waren voller Verachtung für das Mädchen. Das Mädchen erwies sich als respektlosgegenüber dem Buddha, so dachten sie. Der Buddha bat daher das Mädchen ihre Antworten zuerklären. Da sagte sie: „Ihr Herr, der Buddha, gebt euch nicht mit Alltagsgeschwätz ab. Als ihr michalso fragtet woher ich komme wusste ich sofort dass ihr mich nach etwas Bedeutsamen fragtet. Ihrfragtet mich von welcher vergangenen Existenz ich gekommen war. Das weiss ich nicht und ich

habe auch so geantwortet. Als Ihr mich fragtet wo ich hingehe habt ihr die nächste Existenz gemeintzu der ich gehe. Auch das weiss ich nicht und ich habe so geantwortet. Dann habt ihr gefragt ob ichnicht weiss dass ich sterben muss. Ich weiss dass ich sterben muss, also habe ich gesagt dass ich esweiss. Dann habt ihr gefragt ob ich weiss wann ich sterben werde. Das weiss ich nicht und ich habenein gesagt.“ Der Buddha sagte: „Gut gemacht (sadhu)“ zu ihren Antworten.

Ih ll h i d di S f d S Ei i l I d h ?

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Ihr solltet versuchen zumindest die Stufe des Strom-Eintritts zu erlangen. Ist das schon genug?Wenn ihr diese Stufe erreichen könntet wäre ich glücklich. Laut dem Buddha jedoch müsst ihr aneuch arbeiten bis ihr die Früchte der Arahatschaft erringt.

Doch nun zurück zu der jungen Weberin: Am Ende der Belehrung durch den Buddha gelang ihr derStrom-Eintritt. Ganz klar gewann sie Einsicht als Folge ihres Todes-Gewahrseins das sie drei Jahrelang entwickelt hatte. Wir können daraus schliessen dass es viele Leute gab die wie sie waren.

Während sich der Buddha beim Jeta Hain in Savatthi aufhielt gab es jeden Tag Zusammenkünfte wodie Lehre vorgetragen wurde. Am Abend kamen die Bürger von Savatthi sauber gekleidet dorthinbrachten Blumenspenden und Weihrauch mit um den dhamma zu hören. Das Gleiche mag sich

begeben haben während der Buddha im Bambus Hain von Rajagaha weilte. Indem sie also dendhamma hörten müssen sie mit Meditation begonnen haben so wie sie die Einhaltung der Geboteauf sich genommen hatten. Selbst heute noch hören die Leute einem Meditations-Lehrer zu undbeginnen zu praktizieren. Damals war es ja der Buddha selber der die Lehre darlegte. Sie konntengar nicht anders als Meditation zu üben. Und es waren eben diese Leute die vorher seine Redengehört hatten und Einsicht erlangten.

Das waren damals Mönche, Nonnen, Laien-Anhänger, männliche und weibliche Schüler, alle Typen

von Menschen. Diese Leute die die Gelegenheit hatten dem Buddha zuzuhören müssen Männer undFrauen mit grossen Fähigkeiten gewesen sein. Und wenn der Buddha lehrte dann tat er das auf eineWeise die den Fähigkeiten der Zuhörer angepasst war. Das ist sehr wichtig.

Der beschränkte junge Mönch

Es gab einmal den jüngeren Panthaka der nicht mal in vier Monaten einen 44-Silben Vers erlernenkonnte. Sein Bruder, der ältere Panthaka, verlor die Geduld mit ihm und schickte ihn fort. DerBuddha nahm ihn bei sich auf, gab ihm ein Stück Tuch und wies ihn an es zu gebrauchen währender wiederholte „Unreines entfernen, Unreines entfernen!“ Der Mönch tat wie ihm geheissen wurde,erkannte die Natur von Geist und Materie in ihm und wurde ein Arahat. Er benötigte dafür wohlhöchstens zwei oder drei Stunden. Er erlangte deshalb so leicht Einsicht weil ihm ein Meditations-Objekt gegeben wurde das seiner Veranlagung entsprach.

Ein Schüler des Ehrw. Sariputta meditierte vier Monate lang vergeblich über die Fäulnis der Dinge.Also brachte ihn der Ehrw. Sariputta zum Buddha der mit seinen übernatürlichen Fähigkeiten einengoldenen Lotus hervorbrachte und diesen dem Mönch gab. Es zeigte sich dass der Mönch infünfhundert Existenzen hintereinander ein Goldschmied gewesen war. Er liebte schöne Dinge undhatte kein Interesse an faulen Dingen. Als er nun den goldenen Lotus sah war er fasziniert und

H t i i i M dit ti L h i ht i i d V l d M dit ti N li

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Heute wissen einige Meditations-Lehrer nicht wie sie der Veranlagung des Meditations-Neulingsentsprechend lehren sollen. Sie gebrauchen Worte die nicht für ihn passen. Das Ergebnis ist, dieNeulinge gehen entmutigt heim. Einige wissen aber sehr wohl wie sie zu reden haben. Ihre Schüler,die beabsichtigt hatten nur einige Tage im Meditations-Zentrum zu verbringen, wurden so weit

ermutigt dass sie dort blieben bis sie Einsicht erlangt hatten. Es ist sehr wichtig dem Verständnis desZuhörers angemessen zu lehren. Da ist es also kein Wunder dass Tausende von Leuten am Endeeiner Lehrrede des Buddha Einsicht gewannen.

Hier unter unseren Zuhörern können Ein oder Zwei sein die Fähigkeiten erlangt haben wie dieLeute in den Tagen des Buddha. Dann gibt es jene die nach Tagen und Monaten der Übung gereiftsind. Diese Wenigen erlangen vielleicht Einsicht während sie jetzt dem dhamma zuhören. Wenn es

 jetzt nicht gelingt dann werdet ihr sie aber bald gewinnen wenn ihr weiter arbeitet. Jene die noch niezuvor meditiert haben, haben jetzt die richtige Methode kennen gelernt. Wenn ihr damit zugeeigneter Zeit zu arbeiten beginnt werdet auch ihr sie erlangen. Ob ihr nun Einsicht erlangt odereinfach gute Taten vollbracht habt, ihr alle werdet in den sechs himmlischen Welten geboren wennihr sterbt. Dort werdet ihr den Edlen Himmelswesen begegnen die schon seit den Tagen des Buddhadort sind. Ihr werdet Anathapindika, Visakha und andere treffen. Da könnt ihr sie befragen was sievom Buddha gelernt und praktiziert haben. Es wäre doch wunderbar den dhamma mit guten Wesenin der himmlischen Sphäre zu diskutieren.

Wenn ihr aber in der himmlischen Welt gar nicht geboren werden wollt sondern einfach nur indieser Menschen-Welt, dann werdet ihr hier geboren. Einmal, vor so etwa 25 oder 30 Jahren, lud einchinesischer Hausherr einige Mönche zu einem Fest in seinem Heim in Moulmein ein. Nach demMahl sprach der Mönch der den Vorsitz hatte den Dank für diese Einladung aus. Es sagte dass derchinesische Gastgeber als Ergebnis seiner guten Tat die Mönche zu speisen in den himmlischenWelten geboren würde wo das Leben voller Freuden sei mit herrlichen Palästen und wunderschönenGärten. Die Mönche befragten dann den chinesischen Gastgeber. „Nun, Hausherr, möchtest du nichtin der himmlischen Welt geboren werden?“ „Nein“ erwiderte dieser. Überrascht fragte der Mönch„warum?“ „Ich möchte nirgendwo anders sein. Ich will nur einfach in meinem eigenen Haus, anmeinem eigenen Ort sein.“ „Nun gut“ sagte der Mönch „dann wirst du in deinem eigenen Haus, andeinem eigenen Ort geboren werden.“ Der Mönch hatte recht. Sein kamma wird ihn dorthin führenwo er sein will.

„Das Streben, Mönche, eines Mannes von Moralwird verwirklicht infolge der Reinheit.“

Auch ihr Zuhörer hier verfügt über reine Tugend. Zu einer Zeit wo die meisten Leute in Rangoonsich bei diesem Neujahrs-Fest vergnügen weilt ihr hier um verdienstvolle Werke zu tun,abgeschieden vom Festtrubel, einige von euch tragen die gelbe Robe und üben sich in Meditation.Einige respektieren den Feiertag und meditieren. Euer moralischer Wandel ist also rein.Wenn ihr

Diese wohlhabenden Leute in anderen Ländern können gute Buddhisten aus Burma gewesen sein

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Diese wohlhabenden Leute in anderen Ländern können gute Buddhisten aus Burma gewesen sein.Hier gibt es so viele Leute die Gutes tun. Es gibt jedoch nicht genügend wohlhabende Eltern um sieim nächsten Leben zu empfangen. Also müssen sie woanders geboren werden. Werdet ihr aber dortgeboren und seid bloss ein Weltling dann müsst ihr die Religion eurer dortigen Eltern annehmen.

Das ist sehr wichtig.

Um also Beständigkeit in eurem religiösen Glauben zu erlangen müsst ihr jetzt daran arbeiten. Ihrmüsst also versuchen eine Stufe zu erreichen auf der euer Glaube an den Buddha, die Lehre und denOrden niemals schwankt. So eine Stufe ist der Strom-Eintritt. Seid ihr erst mal ein in den StromEingetretener dann wird euer Glaube an die Drei Juwelen niemals schwanken, gleich in welchemLand ihr geboren werdet.

Heutzutage ist es nicht sehr gut in der Menschen-Welt geboren zu werden. Das Leben ist kurz,Krankheiten sind reichlich vorhanden, verwirrende Ideologien und Gefahren allenthalben. Wenn ihrdaher nicht in der Menschen-Welt geboren werden wollt so werdet ihr in der Welt derHimmelswesen geboren. Auch wenn ihr Pfad und Frucht noch nicht erlangt hattet so werden euchdoch eure guten Taten und die Einhaltung der Gebote dorthin bringen wo immer ihr sein wollt. Habtihr aber Pfad und Frucht schon erreicht um so besser.

Es ist nicht so schwer in die Himmels-Welt zu gelangen. Ein Indaka von Rajagaha gab (dem Orden)nur einen Löffel Reis zum Geschenk und wurde im Tavatimsa Himmel geboren. Unsere Dayakasund Dayikas in Myanmar machen weitaus reichere Geschenke als nur einen Löffel voll Reis. Wasdie Gebote betrifft so hat schon ihre zeitweise Einhaltung Leute in die Himmels-Welt gebracht.Manche haben den Fasttag nur einen halben Tag lang gehalten und wurden im Himmel geboren. Ihraber habt die Fasttage sehr gut eingehalten und sehr gut Meditation praktiziert. Wenn ihr wolltkönnt ihr sehr leicht in die Himmels-Welt gelangen. Warum denn nicht? Sobald ihr dort seid befragtdie Edlen Himmelswesen über die Lehre des Buddha und besprecht den dhamma mit ihnen. Tutdas, ich bitte euch darum.

Uposatha die Göttin

Zur Zeit des Buddha gab es ein Mädchen Uposatha genannt bei Saketa das in der Region Kosala inZentral Indien liegt. Sie lebte gemäss der Lehre des Buddha und wurde eine in den Strom

Eingetretene. Als sie starb wurde sie im Tavatimsa-Himmel geboren. Sie lebte dort in einemherrlichen Palast. Eines Tages begegnete ihr der Ehrw. Moggalana während er durch die Himmels-Welten reiste. Die Mönche jener Tage verfügten über vollkommenes höheres Wissen und hattenübernatürliche Kräfte erlangt. Sie konnten zu den Himmels-Welten reisen oder diese mit ihremhimmlischen Auge sehen oder mit ihrem himmlischen Gehör hören. Heute aber sind keine Mönche

Er konnte ihre Geschichten natürlich auch erfahren ohne zu ihnen zu gehen Aber er wollte ihre

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Er konnte ihre Geschichten natürlich auch erfahren ohne zu ihnen zu gehen. Aber er wollte ihreGeschichten direkt von ihnen selbst hören. Als er sich dorthin begab kam er in die Nähe desPalastes der Göttin Uposatha die ihn aus ihrem Palast heraus begrüsste. Moggalana fragte sie,„Junge Göttin, eure Pracht ist wie der Glanz des Planeten Venus. Welche guten Taten habt ihr

vollbracht um diese Pracht und dieses gute Leben zu verdienen.“ Die Göttin antwortete:„Ich war eine Frau bei Saketa, Uposatha genannt. Ich habe der Lehre des Buddha zugehört, warvoller Glauben an seine Religion und wurde eine Laien-Schülerin die bei den Drei Juwelen Zufluchtnahm.“

Euer Vertrauen auf die Drei Juwelen: den Buddha, die Lehre und den Orden zu setzen heisst„Zuflucht nehmen.“ Ihr tut das indem ihr die Formel wiederholt:

„Ich nehme Zuflucht beim Buddha,Ich nehme Zuflucht bei der Lehre,Ich nehme Zuflucht beim Orden.“

Der Buddha kennt die Gesetze der Natur. Nachdem er selbst Nibbana verwirklicht hatte, das Endealler Leiden wie Altern, Krankheit und Tod, legte er die Lehre dar damit die Lebewesen wie er dieNibbana-Seligkeit erfahren können. Wenn man die Lehre des Buddha befolgt kann man die vier

niederen Daseins-Ebenen vermeiden und von allem Leiden befreit werden. Mit diesem Glaubennehmt ihr beim Buddha Zuflucht. Wenn ihr krank seid müsst ihr an den Arzt glauben. Ihr müsst ihmvertrauen. „Dieser Doktor ist ein Experte. Er kann mich von meiner Krankheit heilen.“ In dergleichen Weise setzt ihr euer Vertrauen auf den Buddha in dem Wissen dass ihr von allem Leidbewahrt werdet indem ihr seine Lehre befolgt. Heutzutage scheinen aber einige die Bedeutung derZufluchts-Formel nicht zu kennen. Sie wiederholen sie nur weil ihre Eltern oder Lehrer sie dazuveranlassen. Das ist aber nicht das Richtige. Ihr müsst die Bedeutung kennen, sie im Geistebedenken und dann die Formel langsam wiederholen. Wenn ihr das nicht so häufig tun könnt soversucht es wenigstens immer mal wieder.

Wenn ihr sagt „Ich nehme Zuflucht bei der Lehre“ glaubt ihr an die Lehre des Buddha: Die Lehrevon Pfad, Frucht und Nibbana. Ihr bestätigt euren Glauben dass die Ausübung dieser Lehren euchvor den vier niederen Daseins-Ebenen und all dem Leiden im Kreislauf der Wiedergeburtenbewahren wird.

Wenn ihr sagt: „Ich nehme Zuflucht beim Orden“ glaubt ihr an die Bruderschaft der Edlen die durchdie Ausübung der vom Buddha dargelegten Lehre Pfad und Frucht schon verwirklicht haben oderdabei sind Pfad und Frucht zu erlangen. Ihr bestätigt euren Glauben dass das Vertrauen in denOrden euch zur Freiheit von den niederen Daseins-Stufen und vom Kreislauf der Wiedergeburtenführen wird.

Die Göttin Uposatha hatte noch weitere gute Taten vollbracht. Sie fuhr fort: „Ich war von Moral

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Die Göttin Uposatha hatte noch weitere gute Taten vollbracht. Sie fuhr fort: „Ich war von Moraldurchdrungen. Ich gab Almosen und hielt Fasttage ein.“

Jene die den Buddhismus nicht kennen machen sich über die Einhaltung von Fasttagen lustig und

sagen häufig „Ihr fastet und hungert. Das ist alles.“ Sie wissen nichts von guten und schlechtenTaten. Sie wissen nicht wie durch das Überwinden des Verlangens zu essen, das ja Gier beinhaltet,positives Bewusstsein entwickelt wird. Sie wissen zwar schon dass Fasten bei kranken Menschengut sein kann und loben es dann. Sie verstehen lediglich gegenwärtiges materielles Wohlergehensind aber völlig unwissend was den Geist und die Weiterexistenz nach dem Leben betrifft. DenFasttag einzuhalten dient dazu schlechte Dinge am Entstehen zu hindern und gute Dinge zuentwickeln, wie Selbstbeherrschung und Duldsamkeit im Leiden, bei Tag und bei Nacht. „Die

Arahats, die Edlen leben und vermeiden dabei stets schlechte Dinge wie Töten, Stehlen, Sex,Falschheit, starke Getränke und Essen zur unrechten Zeit. Ich will ihrem Beispiel einen Tag langfolgen und ihnen damit Ehre erweisen.“ So denken die guten Leute wenn sie den Fasttag einhalten.Wenn ihr Hunger verspürt haltet ihr euch unter Kontrolle und versucht euch von der BefleckungHunger zu befreien. Das ist ein edles Tun. Indem sich in eurem Geist edle Taten erheben wird diesergeläutert. Es ist wie Fasten und das Reinigen des Darms wenn ihr krank seid. Wenn euer Geist reinist so gibt es beim Tod eine reine Kontinuität des Bewusstseins. Wir sagen dann „als Mensch oderHimmelswesen geboren werden.“

Wahrheiten

Die Göttin Uposatha fuhr fort „dass ich hier im Palast lebe ist das Resultat von Selbstbeherrschungund Freigiebigkeit.“ Selbstbeherrschung ist hierbei sehr wichtig. Sogar in dieser Welt, wenn es beieuren Ausgaben keine Beschränkungen gibt werdet ihr arm. Wenn es in eurem Tun keineSelbstbeherrschung gibt so werden euch Krankheiten befallen oder ihr werdet in Verbrechenverwickelt. Enthaltsamkeit ist für das nächste Leben wichtig weil es das Herz läutern kann. DassFreigiebigkeit einen in die Himmelswelten bringen kann ist unter Buddhisten allgemein bekannt.

Sie sagte „Ich kannte die Edlen Wahrheiten.“ Diese müssen den edlen Anhängern vertraut sein oderihnen bekannt gemacht werden. Sobald ihr diese Wahrheiten selber versteht werdet ihr zu einemEdlen. Es sind: die Wahrheit vom Leid, die Wahrheit von der Ursache des Leides, die Wahrheit vomEnde des Leides und die Wahrheit vom Pfad der zum Ende des Leides führt. Das ist der wichtigste

Teil der Lehre.

„Die Edlen Wahrheiten zu kennen“ heisst aber nicht sie bloss vom Hörensagen zu kennen sondernsie selber zu verwirklichen. Ihr solltet sie gut verstehen, aufgeben was aufzugeben ist, das Ende undden Pfad in euch selbst verwirklichen. So heisst es im Kommentar.

Während ihr meditiert kann es kein Begehren nach dem Objekt geben über das ihr meditiert. Das ist

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g j gVerstehen mittels Aufgeben. Beim Nachdenken wird sich kein Begehren nach Objekten erheben beiwelchen ihr gesehen habt dass sie unbeständig sind, unbefriedigend und Nicht-Ich. Es wurdeausgelöscht. So versteht ihr beim Meditieren. Wenn ihr den Edlen Pfad und Nibbana realisiert so

wird sich bezüglich des Pfades niemals Begehren erheben. Mit dem Strom-Eintritt ist jeglichesgrobe Begehren das in die niederen Daseinsbereiche führen kann abgetan. Mit der Nicht-mehr-Wiederkehr ist alles Begehren nach Sinnenlust abgelegt und mit der Arahatschaft alle Arten vonBegehren.

Wenn ihr notiert dann wird hinsichtlich des notierten Objektes keine Befleckung, kein kamma undalso kein Leid entstehen. Sie sind alle ausgelöscht. Ein solches Ende des Leides wird mit jedem

Akt des Notierens erfahren. So erkennt ihr die Wahrheit (von der Beendigung). Im Augenblick derVerwirklichung des Edlen Pfades erkennt ihr Nibbana. Das ist jetzt offenbar.

Jedes Mal wenn ihr meditiert erhebt sich die rechte Ansicht bezüglich der wahren Natur von Geistund Materie. Sobald es rechte Ansicht gibt erstehen auch ihre Begleiter wie rechtes Denken. Wirhaben uns schon oben damit beschäftigt. Die acht Bestandteile des Pfades zu verwirklichen heisstden Pfad zu verwirklichen. Das ist wie ihr während des Meditierens Verständnis entwickelt. ImAugenblick der Verwirklichung des Edlen Pfades erheben sich die acht Pfadglieder und Nibbana

wird erkannt. Derjenige welcher bei Pfad und Frucht angelangt ist kann darüber nachdenkend sehenwie der Edle Pfad zustande kam. Er sieht es. Auch das ist Verstehen.

Wenn ihr versteht dass Geist und Materie Leiden sind, wenn ihr Begehren aufgegeben habt, dieUrsache des Leidens, wenn ihr das Ende des Leidens verwirklicht habt und wenn ihr die achtPfadglieder in euch erworben habt dann können wir sagen dass ihr die vier Wahrheiten kennt. Wennalso die Göttin Uposatha sagte dass sie die vier Edlen Wahrheiten kennt so meinte sie dass sie denPfad der Einsicht und den Edlen Pfad aus ihrer eigenen Erfahrung kennt. Mit anderen Worten siewar eine in den Strom Eingetretene.

Sobald ihr die vier Wahrheiten kennt dann kennt ihr auch die dhammas der Edlen. Wir zeigenAuszüge aus den sutten.

„... der wohl-unterrichtete edle Schüler, der die Edlen sieht,der mit dem dhamma der Edlen geschickt umzugehen weiss“

Wenn ihr kein Edler seid so werdet ihr nicht mit rechter Weisheit wissen was für eine Person einEdler ist. Jene die niemals im Orden ordiniert waren werden nicht aus persönlicher Erfahrungwissen wie sich ein Mönch verhält und wie er lebt. Jene die niemals begonnen haben zu meditierenwerden nicht wissen wie sich ein Meditierender verhält und wie er lebt. Nur wenn ihr selbst ein

Wenn ihr versucht eine der sieben Klassen, wie die Grundlagen der Achtsamkeit, in euch zu

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gerarbeiten so lernt ihr aus eigener Erfahrung zu verstehen. Das ist wahres Verstehen. Nur vonHörensagen zu lernen reicht dafür nicht aus.

„Wenn ein Mönch geht so ist er sich bewusst 'Ich gehe'.“ Wenn also ein Meditierender, der anstrebtein Edler zu werden, geht so notiert er entweder Gehen, Gehen, Gehen oder Heben, Vor, Absetzen.Wenn er so geht ersteht Achtsamkeit immer wenn er notiert und auch Wissen welches das notierteObjekt erkennt. Ihr wisst dabei wie die Absicht zu gehen, die materielle Form des Gehens und dasGewahrsein dessen entsteht und vergeht. Achtsamkeit und Wissen die sich erheben immer wenn ihrnotiert begründen die Entwicklung der Achtsamkeit auf dem Wege der Körperbetrachtung.

„Er ist gewahr 'Ich verspüre ein schmerzhaftes Gefühl'“ Der Meditierende notiert  H eiss ,Heiss oderSchmerz, Schmerz immer wenn Hitze oder Schmerz auftritt. So ist er achtsam und weiss wie sichGefühle erheben und dann vergehen. Das ist Entwicklung der Achtsamkeit auf dem Wege derBetrachtung der Gefühle.

„Er ist sich eines leidenschaftlichen Gemütes bewusst.“ Immer wenn Gedanken oder Ideen sicherheben notiert der Meditierende   Anhaften, Freude, etc. So ist er achtsam und weiss wie sieerstehen und vergehen. Das ist Entwicklung der Achtsamkeit auf dem Wege der Betrachtung des

Geistes.

„Einer in dem sinnliches Verlangen existiert ist gewahr: 'In mir ist sinnliches Verlangen'.“ DerMeditierende notiert Verlangen, Freude,etc. ist achtsam und weiss wie die Neigung zu sinnlichemVerlangen entsteht und vergeht. Das ist Entwicklung der Achtsamkeit auf dem Wege derBetrachtung mentaler Faktoren.

Jene von euch die hier geübt und meditiert haben erlangten Verständnis durch eigene Erfahrung. Ihrwerdet geschickt im dhamma der Edlen, den vier Grundlagen der Achtsamkeit. Zugleich unterziehtihr euch auch den vier äussersten Anstrengungen. Indem ihr notiert bemüht ihr euch Übles dasaufgestiegen ist abzulegen oder das Aufsteigen jener Übel zu verhindern die noch nichtaufgestiegen sind, oder jene guten Taten der Einsicht und des Pfades zu entwickeln die sich nochnicht erhoben haben, oder das bereits bestehende Einsichts-Wissen zu vermehren. Dabei sind auchdiese vier Fähigkeiten betroffen: Wenn ihr arbeitet müsst ihr euch entweder auf Willen, Tatkraft,Nachdenken oder Vernunft verlassen. Die fünf geistigen Fähigkeiten: Vertrauen, Willenskraft,

Achtsamkeit, Sammlung und Wissen sind ebenso dabei. Die fünf geistigen Kräfte sind das Gleichewie die fünf Fähigkeiten. Die sieben Erleuchtungs-Faktoren: Achtsamkeit, Erwägen der Lehre,Willenskraft, Freude, Ruhe, Versenkung und Gleichmut wirken in euch wenn ihr notiert. Dass auchder Edle Achtfache Pfad:

Rechte Erkenntnis

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Um nun zur Geschichte der Göttin Uposatha zurückzukehren, sie sagte „Ich habe die fünf Geboteeingehalten. Ich war eine Laien-Schülerin des Gotama Buddha. Oft habe ich von Nandana gehörtund wollte dort sein. Das Ergebnis ist, ich wurde hier in Nandana geboren.“

Nandana ist der Name eines Gartens in der Himmels-Welt. In jenen Tagen sprachen die Leute soviel über Nandana wie sie das heute über Amerika oder Europa tun. Uposatha hörte die Leute überden Himmels-Garten reden und wünschte sich dort geboren zu werden. Also wurde sie da geboren.Doch jetzt war sie dort unglücklich. Sie wurde unzufrieden mit ihrem Geschick. Sie erzählteMoggalana „Ich habe versäumt die Worte des Buddha zu befolgen. Nachdem ich meinen Geistdieser doch bescheidenen Ebene zugewandt habe bin ich jetzt von Reue erfüllt.“

Der Buddha hat uns über das Leben gelehrt: Welche Form es auch annimmt, es ist nicht gut, es istbloss Leiden. Er sagte uns für das Ende des Leidens zu arbeiten. Doch Uposatha hatte die Lehre desBuddha ausser Acht gelassen und sich nach einem Leben in der Himmels-Welt gesehnt. Jetzterkannte sie dass sie sich geirrt hatte.

Da könnt ihr fragen „Nun gut, warum denn das Ende des Leidens nicht in der Himmels-Welterarbeiten?“ Weil es nicht leicht ist dort zu arbeiten. Die Himmels-Wesen singen ständig, tanzen

und sind vergnügt. Es gibt nicht einen einzigen ruhigen Ort wie in der Menschen-Welt. Nun, selbstin dieser Welt der Menschen könnt ihr Meditierenden wenn ihr nach Hause zurückkehrt nicht gutarbeiten, oder? Also strengt euch hier und jetzt an.

Der Ehrw. Moggalana heiterte sie mit diesen Worten auf „Sorge dich nicht, Uposatha. DerErleuchtete hat erklärt dass du eine in den Strom Eingetretene bist die Besonderes vollbracht hat.Du bist vom schlechten Daseinsbereich befreit.“

Die junge Göttin ist noch in Tavatimsa. Sie war dort nicht lange nach der Rechnung der Himmels-Welt. Ein Jahrhundert hier entspricht dort einem Tag. Seit der Zeit des Buddha bis Heute sind es2500 Jahre, was nach dem Tavatimsa-Kalender nur 25 Tage sind. Sie ist also noch keinen Monat alt.Wenn ihr jetzt besondere Einsicht erlangt, so werdet ihr in vierzig, fünfzig, sechzig Jahren in derHimmels-Welt geboren, trefft diese Göttin und diskutiert mit ihr über den dhamma. Wenn ihr keineEinsicht erlangt habt so seid nicht entmutigt. Wenigstens werdet ihr in der Himmels-Welt geboren.Befragt dann die edlen Himmels-Wesen, hört euch ihre Lehren an und beachtet was sie lehren.

Dann werdet ihr Pfad und Frucht erlangen. Die Körperlichkeit der Himmels-Wesen ist sehr rein.Das Bewusstsein welches in Abhängigkeit von dieser reinen Stofflichkeit ersteht ist scharf undflink. Wenn ihr euch daran erinnert worüber ihr während eurer menschlichen Existenz meditierthabt so werdet ihr das Entstehen und Vergehen von Geist und Materie verstehen und Pfad undFrucht in kürzester Zeit erreichen.

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Es gibt zahlreiche Götter und Göttinen wie Uposatha die jetzt in der Welt der Himmels-Wesen lebendie zur Zeit des Buddha dhamma geübt haben. Es gibt Götter wie Gopika die ursprünglich Fraudann als Gott geboren wurde. Sie alle praktizierten dhamma genau wie ihr. Es ist sehr ermutigend.

Das ist der uralte Pfad. Der Pfad den die Edlen beschritten haben. Ihr müsst wissen dass auch wirdiesem Pfad folgen. Jedes Mal wenn ihr notiert wandelt ihr auf diesem Pfad. So wie ein Wanderermit jedem Schritt seinem Ziel näher kommt, nähert ihr euch Nibbana mit jedem Notieren.

Wenn Pfad und Frucht nach zehntausend Notierungen zu erreichen wären und ihr jetzt eintausenddavon schon hättet dann würdet ihr weitere neuntausend benötigen um sie zu erreichen. Hättet ihrbereits neuntausend Notierungen wären nur noch tausend erforderlich. Hättet ihr schon 9999 dann

wäre genau die nächste Notierung der Pfad-Eintritt. Je mehr ihr notiert um so näher kommt ihr demPfad.

Mögt ihr in der Lage sein die fünf Daseinsgruppen des Ergreifens stets zu notieren wann immer siean den sechs Pforten auftreten, mögt ihr das Vergängliche, Leidbringende und Wesenlose in ihnenerkennen, mögt ihr in eurer Einsicht voranschreiten und mögt ihr Nibbana erkennen, das Ende allenLeides!

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I. Buch

Vipassanā-Meditation

nach Tonaufzeichnungen von

Ehrw. Chanmyay SayadawAshin Janakabhivamsa

Dhamma-Vorträge imBlue Mountains Insight Meditation Centre 

Australien1998

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Inhalt

Vorwort zur deutschen Übersetzung iv 

1. Praktische Vipassanā-Meditation 1 

2. Gehmeditation und alltägliche Verrichtungen  11 2.1 Gehmeditation 11 2.2 Alltägliche Verrichtungen 17 3. Vier Schutzbetrachtungen und Anleitungen 21 3.1 Vier Schutzbetrachtungen 21 3.2. Anleitungen für die Vipassanā-Meditation 26 

3.2.1 Geistiges Benennen26

 3.2.2 Sitzmeditation 27 3.2.3 Gehmeditation 29 3.2.4 Achtsamkeit während den tägl. Verrichtungen 30 3.2.5 Schmerzen und Geduld 31 3.2.6 Das Beobachten von geistigen Vorgängen 31 3.2.7 Anleitung zu den Einzelgesprächen 32 4. Samatha- und Vipassanā-Meditation 35 5. Warum praktizieren wir Vipassanā-Meditation? 43 6. Die Wichtigkeit der Achtsamkeit 52 7. Die fünf geistigen Fähigkeiten 62 7.1 Welches sind die fünf geistigen Fähigkeiten? 62 7.2 Das Ausbalancieren der fünf geistigen Fähigkeiten 69 8. Wie funktioniert Vipassanā-Meditation?  79 9. Die vier Arten der Wahrheit 89 10. Bedingte Entstehung 99 10 1 Darlegung 99

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Vorwort zur deutschen Übersetzung

Diese hervorragende Abhandlung über Vipassanā-Meditation habe ichim Internet auf der interessanten Seite des Blue Mountains InsightMeditation Centre (http://www.meditation.asn.au) gefunden. Eshandelt sich um die Niederschrift der Dhammavorträge, die der Ehrw.Chanmyay Sayadaw 1998 in diesem Zentrum gehalten hat.

Obwohl sich viel im Text wiederholt, da es sich um eineAufzeichnung verschiedener mündlicher Vorträge handelt, halte ichsie für außerordentlich profund. Neulinge auf diesem Gebiet könnensich einen Überblick über die buddhistische Befreiungsmethode

verschaffen und Leute, die mit dieser Materie vertraut sind, könnenihre Kenntnisse vertiefen. Die Art wie der Ehrw. Chanmyay Sayadawhier lehrt, motiviert und erzeugt tiefes Verständnis beim Lesenden.Dieses Verständnis erzeugt das notwendige Vertrauen für dasBeschreiten sowie echter Fortschritte auf dem Pfad.

Es gibt auch englische Audiovorträge von ihm unter:

http://www.dhammatorg.de

Für die Revision des Textes möchte ich mich bei Gudrun und Arwed  bedanken, ohne ihre Hilfe wäre diese Abhandlung wahrscheinlich

nicht zur Veröffentlichung gekommen.Die hier überarbeitete deutsche Fassung besorgte Ven. Ariya Ñani,eine langjährige Schülerin von Chanmyay Sayadaw, nachdem sie auchdie englische Niederschrift nochmals überarbeitet hatte

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1 Praktische Vipassanā-Meditation

1. Praktische Vipassanā-Meditation

Wenn man Samatha- oder Vipassanā-Meditation üben möchte, ist esnötig, die eigene Sittlichkeit durch das Einhalten von mindestens fünf der buddhistischen Verhaltensregeln reinzuhalten. Die Läuterung der Sittlichkeit ist eine wichtige Grundlage für die Meditation, da sie dieEntwicklung sowohl von Sammlung als auch von Einsicht unterstützt.Es ist besser, die acht Regeln einzuhalten, damit mehr Zeit für dieMeditation bleibt. Falls nur die fünf Regeln eingehalten werden, mussfür das Abendessen und dessen Zubereitung zusätzlich Zeitaufgewendet werden.

Es gibt drei Übungsgebiete im Buddhismus. Erstens gibt es dieSchulung von sīla oder Sittlichkeit, sīlasikkhā, die durch das Einhaltender acht Regeln im Meditationsretreat erfüllt wird. Die zweite ist dieSchulung von Sammlung,  samādhisikkhā, und die dritte ist dieSchulung von Weisheit, Einsicht oder Erleuchtung,

 paññāsikkhā. Unter diesen drei Übungsfeldern oder   sikkhā ist sīlasikkhā die grundlegende Erfordernis für alle diejenigen, die denGeist entwickeln und sowohl Sammlung als auch Einsicht oder Weisheit erzielen möchten.

Sīla bedeutet das Zügeln unserer Handlungen und Sprache. WennHandlungen und Sprache durch die Einhaltung der acht Regelngeläutert sind, ist die Sittlichkeit gereinigt. Im Buddhismus sprechen

wir von kāyakamma, körperlichen Handlungen, vacīkamma, verbalenHandlungen und manokamma, geistigen Handlungen. Mano heißtGeist oder geistig, kamma bedeutet Handlung oder Tat. BeimEinhalten der acht Regeln sind kāyakamma und vacīkamma durch die

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unglücklich fühlen, der Geist ist betrübt, und man ist unfähig, sich gutauf das Meditationsobjekt zu konzentrieren. Ein klarer und glücklicher Geist hilft dem Meditierenden, einen gewissen Grad an Sammlungsowie klare Einsicht in die Phänomene zu erlangen.

Deshalb sind die acht Regeln eine Grundanforderung für intensiveMeditationspraxis. Das Gewissen ist durch die Beachtung der Regelngeläutert und rein, und dieses reine Gewissen unterstützt dieEntwicklung sowohl von Sammlung als auch von Einsicht. Samatha-oder  Vipassanā-Meditation kann auf der Basis der Läuterung der Sittlichkeit,  sīlavisuddhi, der ersten der sieben Läuterungen, praktiziert werden. Nur wenn sīla, die Sittlichkeit, geläutert ist, kann

der Meditierende anfangen, den Geist durch Konzentration auf dasMeditationsobjekt zu reinigen und klare Einsicht in die geistigen undkörperlichen Phänomene zu gewinnen.

Wir sind hier, um Vipassanā-Meditation auf der Basis der Läuterungder Sittlichkeit zu praktizieren und nicht Samatha-Meditation.Deswegen sollten wir etwas über den Unterschied zwischen Samatha-und Vipassanā-Meditation wissen. Samatha-Meditation ist Ruhe-Meditation, die allein praktiziert wird, um eine tiefe Sammlung desGeistes zu erreichen. Vipassanā-Meditation wird praktiziert, um dasEnde des Leidens - nibbāna - zu verwirklichen, indem mit einemgewissen Grad an Sammlung die wahre Natur der geistigen undkörperlichen Phänomene erkannt wird.

Wir praktizieren Vipassanā-Meditation, um die wahre Natur der geistigen und körperlichen Phänomene zu verstehen und um alleunreinen und negativen Geisteszustände aufzulösen, um damit das

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Merkmale der geistigen und körperlichen Phänomene versteht, wird er fähig sein, die geistigen Trübungen aufzulösen, welche Ursache desLeidens sind.

Vipassanā bedeutet Einsicht, die durch reine Achtsamkeit auf das, wasin Körper und Geist passiert, erreicht werden kann. Wenn dieEinsichtspraxis mit intellektuellem Denken oder philosophischenErwägungen gemischt wird, kann sie die wahre Natur des Körper-Geist-Vorganges nicht durchdringen. Der Meditierende wird dannnicht in der Lage sein, irgendwelche der geistigen Trübungenaufzulösen.

Um mit Hilfe von Vipassanā-Meditation Einsicht zu entwickeln,denkt weder über die Technik nach noch analysiert oder konzeptualisiert das Objekt, sondern beobachtet das jeweilige Objekt,wie es tatsächlich erscheint.

Der Buddha sagte: „ Bhūtam bhūtato passati.“ Das bedeutet: „Seht dieDinge so, wie sie sind.“ Wir müssen die Dinge achtsam beobachten,gerade so wie sie sind. Das ist rechte Ansicht, sammā dihi auf Pāli,das Gewahrsein aller körperlichen und geistigen Phänomene, wie siewirklich sind. Das führt zur Einsicht, vipassanāñāa.

In der Vipassanā-Meditation gibt es eine große Vielfalt an geistigenZuständen und körperlichen Vorgängen, die zum Objekt der 

Meditation werden können. Jeder geistige Zustand oder körperlicheVorgang besitzt die drei Daseinsmerkmale der Unbeständigkeit,Unzulänglichkeit und Unpersönlichkeit. Jeder geistige Zustandentsteht und vergeht sofort wieder, er dauert nur den Bruchteil einer 

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geistigen Zustände oder körperlichen Vorgänge ist beständig. Sie sindin Wirklichkeit anattā: Nicht-Selbst, keine Person, kein Lebewesen,keine Seele.

Jeder geistige Zustand oder körperliche Vorgang kann Objekt der Vipassanā-Meditation sein, und somit mag der Anfänger verwirrt sein,was er achtsam beobachten sollte. Um diese Schwierigkeiten amAnfang der Praxis zu vermeiden, lehrte der verstorbene MahāsiSayadaw seinen Schülern, das Heben und Senken der Bauchdecke zuverfolgen. Beim Einatmen hebt sich die Bauchdecke und beimAusatmen senkt sie sich.

Wenn sich die Bauchdecke hebt, beobachtet es und benennt es imGeist als ‚heben’, und wenn sich die Bauchdecke senkt, beobachtet esund notiert es als ‚senken’, in dieser Weise beobachtet es als ‚heben,senken’.

Allerdings bewegt sich die Bauchdecke auf vielerlei Weise, manchmalauswärts und einwärts, manchmal nach oben und unten, undmanchmal rundum. Das ist von der körperlichen Verfassung desMeditierenden abhängig. Falls sie sich nach oben oder nach außen bewegt, notiert es als ‚heben’, und wenn sie sich nach unten oder nachinnen bewegt, notiert es als ‚senken’. Auf diese Weise notiert ‚heben,senken’ präzise und achtsam. Die Worte ‚heben’ und ‚senken’ sindkeine absoluten Realitäten, sondern Konzepte, die dem Geist helfen,

sich auf die Bewegung des Objektes zu konzentrieren. Der Geist solltesich deshalb nicht mit den Worten aufhalten, sondern die körperlicheBewegung der Bauchdecke beobachten.

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Falls ihr während dem Beobachten des Hebens und Senkens einGeräusch hört, notiert ‚hören, hören’. Dabei solltet ihr dasBewusstsein des Hörens beobachten, das auch das Objekt, d. h. dasGeräusch, beinhaltet. Notiert ungefähr vier- oder fünfmal ‚hören,hören’, bevor ihr zur Bewegung der Bauchdecke zurückkehrt. AmAnfang wird der Geist nicht bei der Bewegung der Bauchdecke  bleiben, egal wie stark der Meditierende sich zu konzentrierenversucht. Der Geist schweift sehr oft ab, wandert weg und denkt über irgendetwas nach. In diesem Fall bringt den Geist nicht sofort zumGrundobjekt zurück, d. h. zur Bewegung des Hebens und Senkens,sondern beobachtet nun den wandernden, denkenden oder 

fantasierenden Geist. Benennt es im Geist als ‚wandern, wandern’,‚denken, denken’, ‚fantasieren, fantasieren’ und so weiter, bis dasWandern aufhört. Bringt den Geist erst danach zum Grundobjektzurück.

Wir sollten das Wandern des Geistes beobachten, denn der Zweck der Vipassanā-Meditation ist es, alles im Körper und Geist zu beobachten,wie es wirklich ist. Im Satipahāna Sutta, im Kapitel über dieAchtsamkeit auf den Geist, sagte der Buddha:

“Vikkhita+ vā citta+ vikkhita+ cittanīti pajānāti.” 

„Wenn der Geist wandert, weiß er (der Meditierende), der Geist

wandert.“ Wir müssen das Wandern, Denken oder Fantasierenachtsam beobachten. Diese Geisteszustände werden als nāma  bezeichnet; nāma oder geistige Phänomene haben die dreiDaseinsmerkmale der Unbeständigkeit, Unzulänglichkeit und

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 In der Vipassanā-Meditation ist es anders. Die Einsicht benötigt keinetiefe Sammlung, sondern die klare Erkenntnis der dreiDaseinsmerkmale der geistigen und körperlichen Phänomene. Umdies zu verwirklichen, braucht der Meditierende einen gewissen Gradan Sammlung, der dadurch erreicht wird, dass jeder im gegenwärtigenMoment entstehende geistige oder körperliche Zustand beobachtetwird, und zwar von einem Moment zum nächsten.

In der Vipassanā-Meditation muss der Meditierende die Achtsamkeitauf die einander folgenden Objekte richten, eines nach dem anderen.Wenn jedes Objekt achtsam genug beobachtet wird, ist der Geist

sowohl auf das erste Objekt als auch auf die darauf folgenden Objektekonzentriert. Auf diese Weise erlangt der Meditierende denjenigenGrad an Sammlung, der es ihm ermöglicht, die drei Daseinsmerkmaleder Unbeständigkeit, Unzulänglichkeit und Unpersönlichkeit aller Phänomene klar zu erkennen.

Lasst mich wiederholen: wenn der Geist wandert und über etwasanderes nachdenkt, dann versucht nicht, ihn zum Grundobjektzurückzubringen, sondern beobachtet den entstandenen Gedanken, biser wieder vergangen ist. Geht erst dann zum Grundobjekt zurück undnotiert es als ‚heben, senken’. Wenn ihr den wandernden, denkendenoder fantasierenden Geist beobachtet, solltet ihr versuchen, achtsamer zu sein sowie kraftvoller und energischer zu notieren: ‚wandern,

wandern’, ‚denken, denken’, ‚fantasieren, fantasieren’. Wenn der notierende Geist kraftvoller wird, kann er den Denkvorgangüberwinden. Dieser löst sich dann langsam auf, und somit kann der Geist wieder zum Grundobjekt zurückkehren.

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Wenn Schmerzen oder Jucken bewusst notiert werden, scheinen siestärker zu werden, weil der Geist konzentrierter wird und somitempfindlicher für Schmerz. Wo auch immer der Schmerz im Körper ist, seid geduldig mit ihm und beobachtet ihn so gut wie möglich.  Notiert den Schmerz achtsam und tatkräftig, und wenn er verschwindet oder sich beruhigt, kehrt zum Grundobjekt zurück.Meistens scheint es, dass der Schmerz stärker wird. In diesem Fallseid noch geduldiger und fahrt mit dem Beobachten fort. Falls der Schmerz zunimmt und unerträglich wird, dann ist es Zeit aufzustehenund für ungefähr eine Stunde Gehmeditation zu praktizieren.Vermeidet aber, die Körperhaltung zu verändern, nur um die

Schmerzen zu mildern, da es sonst schnell zu einer schlechtenAngewohnheit wird. Trotz größerer Meditationserfahrung wird dannder Geist dazu neigen, die Körperhaltung ändern zu wollen, auchwenn kein Schmerz da ist.

Seid bei der Sitzmeditation in Geist und Körper entspannt, lasst keineVerspannungen in Geist und Körper entstehen. Haltet den Kopf undKörper aufrecht, weder nach vorne noch nach hinten geneigt. Wennihr bemerkt, dass der Körper zusammensinkt, richtet euch langsamwieder auf, indem ihr es als ‚aufrichten, aufrichten’ notiert. Wenn der Körper wieder aufgerichtet ist, kehrt zum Notieren der Bewegung der Bauchdecke zurück.

Einige Meditierende sitzen mit gekreuzten Beinen, was aber vermieden werden sollte, da für diejenigen, die sich nicht an dieseKörperhaltung gewöhnt sind, schnell schmerzhafte Empfindungenentstehen können, wenn z. B. ein Bein auf das andere drückt. Anstattdi i k l i i i i i b d

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Boden, ungefähr sechs oder sieben Fuß vor euch (ca. 1,8 m - 2,1 m),ohne hin und her zu schauen. Notiert einen Schritt nach dem anderenals ‚links, rechts’, ‚links, rechts’. Beim Schritt mit dem linken Fuß beobachtet die Bewegung des linken Fußes und beim Schritt mit demrechten Fuß beobachtet die Bewegung des rechten Fußes, dabei notiertihr es als ‚links, rechts’, ‚links, rechts’. Schaut aber nicht näher alssechs Fuß (ca. 1,8 m), da dies nach kurzer Zeit Spannungen im  Nacken und Rücken oder Schwindel erzeugen kann. Die Augenlider sollten gesenkt sein. Setzt den Fuß flach auf, nicht wie gewöhnlich dieFerse zuerst und die Zehen später. Um den Fuß flach aufzusetzen,haltet den Schritt kurz, d. h. etwa eine Fußlänge. Setzt den Fuß nichtdirekt vor dem anderen Fuß auf, da dies unnatürlich ist und ihr leicht

die Balance verlieren könnt.

Wenn erst einmal die Bewegung des rechten und linken Fußeseinigermaßen sicher notiert werden kann, erhöht die Anzahl der zu beobachtenden Objekte. Notiert das Heben der Ferse als ‚heben’, dasVorwärtsschieben als ‚schieben’ und das Senken als ‚senken’; also:‚heben, schieben, senken’. Während des Hebens der Ferse notiert‚heben’ und seid dabei achtsam auf die Bewegung der Ferse, undwenn ihr den Fuß vorwärts schiebt, beobachtet die tatsächlicheBewegung des Vorwärtsschiebens des Fußes, indem ihr sie als‚schieben’ notiert. Wenn ihr ihn senkt, beobachtet die tatsächlicheBewegung des Senkens als ‚senken’.

Später kann die Anzahl der Objekte weiter erhöht werden: ‚heben,schieben, senken, berühren, drücken’ und so weiter. Doch währendden ersten drei Tagen solltet ihr etwa zehn Minuten lang ‚links, rechts’und danach ‚heben, schieben, senken’ notieren. Nehmt euch vor,

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stehen’, während ihr euch der aufrechten Haltung des Körpers bewusstseid. Danach entsteht die Absicht, den Körper zu drehen. DieseAbsicht muss als ‚Absicht, Absicht’ notiert werden. Dreht dann denKörper sehr langsam, achtsam jede Bewegung des Drehens beobachtend, und notiert es als ‚drehen, drehen’. Obwohl es möglichist, entweder den Fuß oder den Körper beim Drehen zu beobachten, ist

es hier besser, die Bewegung des Körpers wahrzunehmen undwährend des Gehens die Bewegung des Fußes. Wenn ihr in dieentgegengesetzte Richtung schaut, bleibt ruhig stehen und beobachtetdie stehende, aufrechte Haltung des Körpers, notiert ungefähr zehnmal‚stehen, stehen’.

Auf diese Weise beobachtend, geht eine Stunde und seid euch jeder einzelnen Bewegung bewusst. Lasst den Geist nicht an den Worten‚heben, schieben, senken’ haften. Der Geist sollte auf die tatsächlicheBewegung des Fußes, also die Daseinserscheinung, konzentriert sein.

Die Dauer des Gehens und Sitzens braucht nicht gleich lang zu sein.Doch am Anfang der Praxis wird im Allgemeinen eine Stundegesessen und eine Stunde gegangen. Wenn es möglich ist, länger zusitzen, dann sitzt für etwa 70 oder 75 Minuten. Wenn ihr nach 30Minuten Sitzen eine schmerzhafte Empfindung habt, notiert‚Schmerzen, Schmerzen’, und seid damit geduldig. Wenn dieSchmerzen unerträglich werden und es nötig wird, die Haltung zuändern, dann macht dies möglichst nur einmal während einer 

Sitzperiode, nicht öfter. Später wird es nicht mehr nötig sein, dieHaltung während einer Sitzmeditation zu ändern.

Während ihr zum Ort der Sitzmeditation geht, haltet die Achtsamkeith b h f h bi ih l i h b

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Meditation Fortschritte zu machen. Deshalb sollte der Meditierendealles beobachten, was er gerade macht, z. B. das Beugen oder Strecken der Arme, das Heben und Senken der Arme, das Halten desLöffels während des Essens, das Betrachten des Essens und so weiter.Was auch immer für Verrichtungen oder Bewegungen in eurer täglichen Routine ausgeführt werden, das sollte alles beobachtet

werden, damit sich die Kontinuität der Achtsamkeit so gut wiemöglich über den ganzen Tag erstreckt. Kontinuierliche undanhaltende Achtsamkeit führt zu tiefer Sammlung. Tiefe Sammlungwiederum ermöglicht dem Meditierenden, die drei Daseinsmerkmaleder geistigen und körperlichen Daseinsvorgänge klar zu erkennen.

Das ist der einführende Vortrag über die praktischen Aspekte der Vipassanā-Meditation gewesen. Möget ihr alle fähig sein, die Technik der Achtsamkeitsmeditation richtig zu verstehen. Bemüht euchernsthaft und verwirklicht das Ende des Leidens.

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2. Gehmeditation und alltägliche Verrichtungen 

Unsere Praxis besteht also aus drei Teilen: Sitzen, Gehen undalltägliche Verrichtungen. Alle drei sind gleich wichtig, um tiefeSammlung zu erzielen und um klare Einsicht in die Phänomene zuerreichen. Doch das Wichtigste, um Fortschritte in der  Vipassanā-

Meditation zu machen, ist das Beobachten des Bewusstseins oder der Geisteszustände. Meditation ist Geistestraining, geistige Entwicklungoder geistige Kultur, deswegen muss jeder Gedanke beobachtet undnotiert werden.

Der zweitwichtigste Faktor ist die Achtsamkeit auf unsere

Verrichtungen während der täglichen Routine, womit wir eine großenTeil der Zeit verbringen. Falls wir diese alltäglichen Verrichtungennicht im Detail beobachten, gibt es viele Lücken zwischen einemMoment der Achtsamkeit und dem nächsten, und ohne kontinuierlicheAchtsamkeit wird die Sammlung geschwächt.

2.1 Gehmeditation

Zunächst möchte ich über einige Punkte der Gehmeditation sprechen.Für die ersten zehn Minuten der Gehmeditation beobachtet jedenSchritt achtsam und genau und notiert ‚links, rechts, links, rechts’.Beobachtet dann drei Teile des Schrittes, die Bewegungen des

Hebens, Vorwärtsschiebens und Senkens des Fußes. Beim Anhebendes Fußes beobachtet die hebende Bewegung und notiert siegleichzeitig als ‚heben’. Beim Vorwärtsschieben des Fußes beobachtetdie Bewegung des Schiebens und notiert ‚schieben’, und wenn sichd ß k b b h di k d h d

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schieben, senken’ zugleich die tatsächliche Bewegung des Fußeswahrnehmen. In dieser Weise geht langsam und beobachtet ungefähr 30 Minuten lang ‚heben, schieben, senken’.

Einige Meditierende werden durch das Benennen oder das geistige Notieren in ihrer Achtsamkeit auf das Objekt gestört. In diesem Fall

sollten sie sich nur der tatsächlichen Bewegung des Hebens,Vorwärtsschiebens und Senkens bewusst sein. Ohne Benennen oder geistiges Notieren mag die Achtsamkeit des Meditierenden jedochnicht stark genug sein, so dass das Gewahrsein ungenau undoberflächlich ist. Der Geist hält das Objekt nicht fest, sondernschweift ab und wandert. Dann solltet ihr euch mehr anstrengen beim

Beobachten der Bewegung des Fußes, so dass das Gewahrseinachtsam und tief wird. Wenn möglich, benennt das Objekt; dasWichtigste ist jedoch, sich des Objektes bewusst zu sein.

Beginnt nach etwa 30 Minuten, die ‚Absicht’, die jeder Bewegungvorausgeht, zu notieren. Es ist die Absicht, die das Heben,Vorwärtsschieben und Senken des Fußes verursacht. Es gibt jeweils

eine Absicht vor dem Heben, vor dem Vorwärtsschieben und vor demSenken. Beobachtet oder notiert aber zuerst nur eine Absicht und zwar diejenige vor dem Heben. Notiert somit ‚Absicht, heben, schieben,senken’ für ungefähr 20 Minuten während einer einstündigenGehmeditation.

Am Anfang der Praxis ist die Gehmeditation besser als dieSitzmeditation, weil das Meditationsobjekt, in diesem Fall dieBewegung des Fußes, für den Geist klar erkennbar und deutlich zu  beobachten ist. Deshalb sollte jeder Sitzmeditation eine

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Absicht’. Setzt euch dann sehr langsam hin, so dass es möglich ist, dieeinzelnen Bewegungen beim Ändern der Körperstellung zu beobachten, indem ihr ‚hinsetzen, hinsetzen, hinsetzen’ notiert. Wennsich der Körper beugt, notiert ‚beugen, beugen’, und wenn der Körper den Boden oder den Sitz berührt, notiert ‚berühren, berühren’.Während dem Zurechtlegen der Kleidung oder dem Arrangieren der 

Beine und Arme notiert ‚zurechtlegen, zurechtlegen’. Beobachtet alleBewegungen, genau so wie sie sind. Damit wird sich in dieser Sitzmeditation eine gute Sammlung mit nur wenig wanderndenGedanken einstellen.

 Nachdem ihr die Sitzmeditation beendet habt und euch für die nächste

Gehmeditation erhebt, geht in derselben Weise vor, bis ihr den Orteurer Gehmeditation erreicht habt. Nehmt die in der Sitzmeditationerlangte Sammlung mit hinüber in die Gehmeditation, indem ihr euch  jeder Bewegung des Fußes gewahr seid. Notiert die Bewegungenentweder als ‚heben, schieben, senken’ oder als ‚links, rechts, links,rechts’.

Am Anfang jeder Gehmeditation beobachtet und notiert zuerstungefähr fünf oder zehn Minuten lang ‚links, rechts, links, rechts’, umden Kreislauf anzuregen, da er in der Sitzmeditation langsamer geworden ist. Notiert erst danach entweder drei oder vier Teile desSchrittes, d. h. ‚heben, schieben, senken’ oder ‚Absicht, heben,schieben, senken’.

Da die meisten der Meditierenden in der Praxis erfahren sind,möchten sie beim Gehen noch mehr Objekte notieren wie etwa‚Absicht, heben, schieben, senken, berühren, drücken’. Wenn der Fußb i k hli ßli h d d d d i h b h i

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eine Bewegung zweimal zu notieren ‚Absicht, Absicht, heben, heben,schieben, schieben, senken, senken, berühren, berühren, drücken,drücken’. Oder das Heben des Fußes kann in zwei Abschnitteunterteilt werden. Beim Heben der Ferse notiert ‚heben’ und beimHochziehen der Zehen notiert ‚hochziehen’. Notiert es auf dieseWeise als ‚heben, hochziehen, schieben, senken, berühren, drücken’.

  Nach vier oder fünf Tagen auf diese Weise praktizierend, müsste esmöglich sein, die Absicht vor jeder Bewegung zu notieren, also‚Absicht, heben, Absicht, hochziehen, Absicht, schieben, Absicht,senken, berühren, Absicht, drücken’. Beim Berühren gibt es keineAbsicht, sondern nur ‚berühren’.

Meditierende werden selber wissen, ob sie fähig sind, ihren Geist auf solch detaillierte Bewegungen des Fußes zu konzentrieren. Wenn das Notieren leicht und angenehm ausgeführt werden kann, sollten sie auf diese Weise fortfahren, aber wenn das Notieren von mehr Objekten zuAnspannung führt, sollten sie zu weniger Objekten zurückkehren.Wenn möglich, notiert auf diese Weise: ‚Absicht, heben, Absicht,

hochziehen, Absicht, schieben, Absicht, senken, berühren, ‚Absicht,drücken’ und so weiter. Doch im Anfangsstadium werden die meistenMeditierenden nicht in der Lage sein, mehr als drei oder vier Teile zu  beobachten, das bedeutet ‚heben, schieben, senken’ oder ‚Absicht,heben, schieben, senken’.

Es ist sehr wichtig, die Absicht vor jeder Bewegung des Fußes sowieauch vor allen Tätigkeiten und Bewegungen bei den täglichenVerrichtungen zu notieren. Jeder körperlichen Tätigkeit undBewegung geht nämlich eine Absicht voraus, aber nur durch das

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Dies kann gemacht werden, jedoch mit Achtsamkeit – wenn man denArm bewegen will, entsteht eine Absicht. Notiert sie als ‚Absicht,Absicht’, hebt dann den Arm langsam, sehr langsam und notiert‚heben, heben, heben’, wenn die Hand die juckende Stelle erreicht,notiert ‚berühren, berühren’, dann ‚Absicht zu kratzen’ und dann‚kratzen, kratzen’. Wenn der Juckreiz verschwunden ist, notiert den

Wunsch, die Hand zu senken als ‚Absicht, Absicht’, dann ‚senken,senken’ und so weiter.

Was auch immer getan wird, das muss sehr langsam ausgeführt unddabei jede einzelne Bewegung beobachtet werden. Diese Bewegungensind vāyodhātu, das Wind- oder Luftelement, das gründlich

verstanden werden muss, so wie es ist. Es ist eine materielle Einheit inForm von Bewegung oder Vibration. Diese Bewegung hat die dreiDaseinsmerkmale der Unbeständigkeit, Unzulänglichkeit undunpersönlichen Natur. Durch sehr achtsames und genaues Gewahrseinder individuellen Bewegungen des Streckens oder Beugens des Armesist es möglich, die Unbeständigkeit, Unzulänglichkeit undunpersönliche Natur in ihrem steten Entstehen und Vergehen zu

erfahren.

Durch sehr präzises Erkennen jeder einzelnen Bewegung wird diefalsche Vorstellung aufgehoben, die Bewegung sei das Selbst oder siewäre mein oder etwas mir Gehörendes. Diese falsche Vorstellung istdie Ursache aller negativen Geisteszustände oder Geistestrübungen.

Mit dem Notieren der Absicht vor jeder einzelnen Bewegung beimGehen und beim Ausführen alltäglicher Verrichtungen wird der Meditierende aufgrund seiner eigenen Erfahrung feststellen, dass esnur die Absicht ist, die die hebende Bewegung des Fußes oder das

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Pfadwissen oder Fruchtwissen, kann durch die Praxis der Gehmeditation verwirklicht werden.

Zur Zeit als der Buddha, 80-jährig, auf dem Sterbebett imKushinagara Park lag, kam in der Nacht des Vesak (Vollmond imMai) ein Bettelmönch namens Supada und bat den Ehrwürdigen

Ānanda um Erlaubnis, den Buddha zu sehen. Supada stellte demBuddha Fragen, die nicht wichtig waren für die Beendigung desLeidens und zur Verwirklichung des nibbāna. Der Buddha antwortete:„Supada, das ist nicht die Zeit für mich, solche Fragen zu beantworten. Ich werde dir den Weg weisen, der dich zum Ende desLeidens führt, hör’ gut zu.“ Supada hörte dem Buddha zu, der den

Edlen Achtfachen Pfad erklärte, den Weg, der zum Ende des Leidensführt.

Im Edlen Achtfachen Pfad gibt es den geistigen Faktor der Achtsamkeit,  sati. Der Buddha sagte: „Supada, diese Achtsamkeitzusammen mit den anderen sieben Faktoren, ist der Weg, der zumEnde des Leidens führt; deshalb entwickle Achtsamkeit.“ Dann

unterwies ihn der Buddha, wie man sich dessen gewahr sein kann, wasin diesem Körper und Geist auftaucht, so wie es gerade erscheint.Supada war mit der Unterweisung des Buddha zufrieden, und sich vor dem Buddha verneigend, zog er sich in eine entfernte Ecke des Parkszurück. Dort setzte er sich nicht hin, sondern ging auf und ab und  beobachtete dabei achtsam und genau jede Bewegung des Schrittes.

Die Schriften erwähnen nicht, wie er die Bewegungen des Fußes  beobachtete, sondern sagen lediglich, dass er Gehmeditation  praktizierte. Ich denke, er hat die Bewegungen des Fußes genauso beobachtet wie wir in diesem Retreat. Jede Tätigkeit oder Bewegungi i k li h i d d i i k l d

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nacheinander alle Stufen der Erleuchtung, angefangen vom erstenmagga, Pfadwissen, dem sotāpattimagga, Stromeintritt, dem zweitenmagga, dem  sakadāgāmīmagga, Einmalwiederkehrer bis zum drittenmagga, dem anāgāmīmagga, Nichtwiederkehrer. Schließlichverwirklichte er arahattamagga, das vierte Pfadwissen, und erreichteArahatschaft. Er kehrte zum Buddha zurück und berichtete, was er 

verwirklicht hatte. Supada war der letzte Schüler des Buddha, der zuBuddhas Lebzeiten ein arahat  wurde – und zwar allein durchGehmeditation.

  Nehmt die Gehmeditation deshalb ernst und beobachtet jedeBewegung genau und achtsam; erkennt die Unbeständigkeit,

Unzulänglichkeit und unpersönliche Natur der Bewegungen desFußes, d. h. der körperlichen Phänomene, und macht Fortschritte beimEntfalten der Einsicht.

2.2 Alltägliche Verrichtungen

Achtsamkeit bei den alltäglichen Verrichtungen, wie sie uns der Buddha im separaten Kapitel über Wissensklarheit imMahāsatipahāna Sutta lehrte, ist ein wichtiger Faktor, um in der Meditation Fortschritte zu machen. Das ist die Lehrrede, in welcher die Methode der Achtsamkeitsmeditation dargelegt wird.Das Kapitel sampajañña pabba+ wird von westlichen Pāli-Gelehrten

als ‚das Kapitel der Wissensklarheit’ übersetzt, obwohl es möglich ist,denke ich, es als ‚volle Bewusstheit aller Verrichtungen undBewegungen der alltäglichen Routine’ zu übersetzen.

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Der Buddha beginnt dieses Kapitel mit:

„ Abhikkante paikkante sampajānakārī hoti Ālokite vilokite sampajānakārī hotiSammiñjite pasārite sampajānakārī hotiSa-ghāipattacīvara dhārae sampajānakārī hoti...“

Das kann so übersetzt werden:

 Beim Hingehen und Zurückgehen: beobachte es, wie es wirklichist.

 Beim Hinblicken und Wegblicken: beobachte es, wie es wirklich

ist.  Beim Beugen und Strecken des Armes oder des Beines:beobachte es, wie es wirklich ist.

  Beim Tragen der Robe und der Almosenschale: beobachte es,wie es wirklich ist. (Für Laienanhänger können wir hier sagen,„Beim Ankleiden oder bei der Vorbereitung zum Ankleiden:beobachte es, wie es wirklich ist.“).

Der Buddha lehrte uns sogar, alle Verrichtungen und Bewegungen inder Toilette oder im Badezimmer bewusst auszuführen, weil jedeTätigkeit, die ohne Achtsamkeit ausgeführt wird, den Geist trübt.Wenn eine Tätigkeit nicht achtsam ausgeführt und beobachtet wird,verursacht diese Tätigkeit eine im Geist aufsteigende Trübung. So

könnte es z. B. beim unachtsamen Senken der Hand geschehen, dassetwas berührt wird, wodurch Unbehagen oder sogar eine Verletzungverursacht wird, was wiederum dosa, Ärger oder Abneigung,hervorruft. Wenn die Hand jedoch langsam gesenkt und dabei achtsam

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salzig, süß oder scharf ist. So gibt es weder Anhaftung ans Essen oder irgendein Verlangen danach noch gibt es damit verbundenen Ärger,weil die Achtsamkeit auf die Bewegung des Kauens sowie auf das Notieren von ‚kauen, kauen, kauen’ gerichtet ist.

Mit tiefer werdender Konzentration erkennt der Meditierende

allmählich, dass alle Bewegungen, eine nach der andern, ganznatürlich entstehen und wieder vergehen, und auf diese Weise erkennter die Unbeständigkeit der Kaubewegung. In diesem Moment gibt esweder Gier, lobha, noch Ärger, dosa, noch irgendeine andere geistigeTrübung, da sich der Meditierende der Bewegung des Kauens achtsamgewahr ist. Auf diese Weise kann alles durch allmähliches

Verlangsamen der Tätigkeiten und Bewegungen in noch mehr Details  beobachtet werden. Wenn die Verrichtungen der täglichen Routinenicht verlangsamt werden, kann die Achtsamkeit die einzelneBewegung nicht genau erfassen. Erst wenn ihr alle Tätigkeiten undBewegungen in der täglichen Routine verlangsamt, kann euer Geist  jede einzelne Bewegung erfassen und somit ihr Entstehen undVergehen, also ihre Unbeständigkeit, erkennen.

Der Ehrw. Ānanda verwirklichte Arahatschaft durch Achtsamkeitwährend den täglichen Verrichtungen. Zu Buddhas Lebzeiten hatteder Ehrw. Ānanda nur das erste Pfadwissen verwirklicht, d. h. dieerste Stufe des vollkommenen Erwachens. Drei Monate nach BuddhasTod wollten die Ordensältesten, mahātheras, ein Konzil,  sangāyana

 sa-gīti halten, und sie wünschten, dass auch der Ehrw. Ānanda daranteilnehme. Jedoch durften nur  arahats an einem solchen Konzilteilnehmen. Der Ehrw. Ānanda hatte Arahatschaft noch nichtverwirklicht und deshalb wurde er gebeten, dies vor dem Beginn des

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durch die langen Stunden des Gehens verspannt hatte. Ganzallmählich und achtsam legte er sich nieder. Langsam hob er die Füßevom Boden, während sein Körper schon in halb liegender Haltungwar. Noch bevor sein Kopf das Kissen berührte, und nachdem er dieFüße vom Boden abgehoben hatte, verwirklichte er die höheren dreiStufen der Erleuchtung durch die Erkenntnis des Entstehens und

Vergehens aller geistigen Zustände und körperlichenDaseinsvorgänge. Und in jenem Moment verwirklichte er Arahatschaft. Am nächsten Morgen konnte er am ersten Konzilteilnehmen.

Der Ehrw. Ānanda erreichte die drei höheren Stufen der Erleuchtung,

indem er die täglichen Verrichtungen achtsam, präzise und in immer mehr Details beobachtet hatte. Deshalb ist die Achtsamkeit währendden täglichen Verrichtungen der zweitwichtigste Faktor, um bei der Entwicklung von Konzentration sowohl als auch Einsicht Fortschrittezu erzielen. Bemüht euch ernsthaft, seid euch jeder Tätigkeit undBewegung in immer mehr Details gewahr und verlangsamt alleTätigkeiten und Bewegungen soweit wie möglich.

Möget ihr alle die Methode der Gehmeditation sowie der Achtsamkeitin den alltäglichen Verrichtungen richtig verstehen. Bemüht euchernsthaft und verwirklicht das Ende des Leidens.

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3. Vier Schutzbetrachtungen und Wiederholung der Anleitungen

3.1 Vier Schutzbetrachtungen 

Es ist mir ein Anliegen, dass ihr die Meditationstechnik richtigversteht, und somit ist es wichtig, etwas über die Vorbereitungen zur 

eigentlichen Meditation zu wissen. Diese vorbereitenden Übungenwerden in den  Pāli-Meditationstexten erwähnt; sie enthalten einigewichtige Betrachtungen.

Die erste ist, dem Buddha, dem dhamma und der  sa-gha Ehre zuerweisen und die acht Verhaltensregeln auf sich zu nehmen. Das

Befolgen der Verhaltensregeln ist die Grundanforderung für jedeMeditationspraxis ob Samatha- oder  Vipassanā-Meditation; daserwähnte ich schon gestern.

  Nachdem ihr die acht Verhaltensregeln auf euch genommen habt,solltet ihr euch entschuldigen, falls ihr geringschätzig oder im Scherzzu einer edlen Person, einer  ariya puggala, geredet habt (also

  jemanden, der bereits eine Stufe der Erleuchtung erreicht hat). Ihr solltet euch persönlich bei ihm oder ihr entschuldigen. Wenn diesePerson allerdings nicht anwesend ist, müsst ihr euch entweder über euren Meditationslehrer oder innerlich vor euch selbst entschuldigen.Auf diese Weise wird das, was ihr der edlen Person angetan habt, denFortschritt in der Meditation nicht beeinträchtigen und die

Verwirklichung der Erleuchtung nicht behindern.Vertraut euch danach dem allwissenden Buddha an. So werdet ihr ineurer Meditation keine unangenehmen oder schrecklichen Visionenh b d f ll d h i l hi h i d i di

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 Es gibt ‚Vier Schutzbetrachtungen’, die als caturārakkhā dhammā oder ‚ Dhamma des vierfachen Schutzes’ bekannt sind. Wenn ihr diesevor dem Beginn der  Vipassanā-Meditation ausführt, ist das für denFortschritt sehr nützlich. Die vier Schutzbetrachtungen sind:

1) Buddhānussatibhāvanā Die Betrachtung über die Eigenschaften des Buddha

2)Mettā-bhāvanā Die Mettā-Meditation, liebende Güte gegenüber allenLebewesen

3) Asubhabhāvanā Die Betrachtung über die Unreinheiten des Körpers

4)Maraānussati Die Betrachtung über den Tod

Die Betrachtung der Eigenschaften des Buddha umfasst die neunHaupteigenschaften des Buddhas: araha, sammāsambuddho, vijjācaraa sampanno, sugato, lokavidū und so weiter. Araha heißt hier der Verehrenswerte. Der Buddha ist unserer Verehrung wert, weil er alle Unreinheiten vollkommen ausgemerzt hat und sein Geist makellos

rein ist. Die Betrachtung dieser Eigenschaft, araha, inspiriert euchzu weiteren Fortschritten in der Meditation.

Das zweite Attribut ist  sammāsambuddho. Das  heißt, dass der ddh d llk l h lb f d b

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tiefe Konzentration war und keine Einsicht in die Phänomeneermöglichte. Vom zweiten Lehrer lernte er  Samatha-Meditation, dieihn befähigte, alle acht Stufen von jhāna zu erreichen. Wir nennen dasaha samāpatti, eine Bezeichnung für das Erreichen der acht Artender Versenkung. Aber auch diese höchste Stufe von jhāna führte nichtzur Erleuchtung, da auch sie nur zu Konzentration führt und keine

Einsichten in die Phänomene entstehen lässt.

  Nun verstand er, dass diese jhānas nicht das dhamma sind, das ihn befähigen würde, die Wahrheit zu entdecken und frei vom Leiden zuwerden. Deshalb verließ er diese zwei Lehrer und führte für sechsJahre asketische Übungen im Wald von Uruvela aus. Aber auch das

war eine ungeeignete Praxis, da sie ihn zu nichts befähigte.Dann ging er nach Gāyasīsa, wo er unter dem Bodhi-Baum zuerstSamatha-Meditation praktizierte, wodurch er die ersten vier Stufenvon  jhāna, tiefe Konzentration, erreichte. Dann beobachtete er alles,was im Körper und Geist auftauchte, der Wirklichkeit gemäß. Das war Vipassanā, und nur so erkannte er die drei Daseinsmerkmale der 

körperlichen und geistigen Phänomene: Unbeständigkeit,Unzulänglichkeit und Unpersönlichkeit, die innewohnende Natur aller körperlichen und geistigen Phänomene. Schließlich erreichte er Erleuchtung, nachdem er alle geistigen Trübungen überwunden hatte.Deshalb ist der Buddha ein vollkommen durch sich selbst Erwachter.Er bekam keinerlei Hilfe oder Anleitungen von irgendeinem Lehrer.

Das wird sammāsambuddho genannt.Durch das Betrachten dieser Eigenschaften könnt ihr einen gewissenGrad an Konzentration erzielen. Ihr seid inspiriert und könntb i d h f i i f f h ß d

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Lebewesen Frieden, Glück und Wohlergehen. Geistig könnenfolgende Sätze rezitiert werden:

Mögen alle Lebewesen glücklich und friedliebend sein.Mögen alle Lebewesen frei von Feindschaft sein.Mögen alle Lebewesen frei von Krankheit und Gefahr sein.

Mögen alle Lebewesen frei von geistigen und körperlichen Leiden sein. 

Auf diese Weise entwickelt ihr in euch die Eigenschaft der liebendenGüte, mettā. Diese Meditation ist auch eine der Schutzmeditationen.

Die dritte Betrachtung ist, über die Unreinheiten des Körpersnachzudenken. Denkt über alle Unreinheiten eures Körpers nach wiez. B. Blut, Eiter, Urin, Fäkalien, Eingeweide, Magen, Schleim und soweiter. Die segensreiche Wirkung der Betrachtung der widerlichen Natur des Körpers führt zur Loslösung vom Körper. Falls ihr euch der Unreinheiten des Körpers nicht gewahr seid, mögt ihr euch über dieAuswirkungen ernsthafter Bemühung in der Meditation Sorgen

machen, etwa mit den Gedanken: „Falls ich mich in der Meditationvoll verausgabe, mag ich vielleicht krank oder schwach werden.“ Auf diese Weise mögt ihr aus Anhaftung an euren Körper zögern, euch inder Meditation voll anzustrengen. Die Meditation über dieUnreinheiten des Körpers vermindert die Anhaftung an den Körper, sodass ihr euch aufrichtig bemühen und fleißig an eurer Praxis arbeiten

könnt.Die letzte Schutzbetrachtung ist die Betrachtung über den Tod. Wer geboren wird, muss sterben. Aber niemand kommt auf die Idee, dass

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 Der Tod ist unerwartet. Das Leben ist unsicher. Das Leben ist gefährlich. Der Tod ist gewiss.Somit kann ich jeden Moment sterben. 

Wenn ihr auf diese Weise über den Tod nachdenkt, dann wird einGefühl der Dringlichkeit hochsteigen, das euch veranlasst, Meditationzu praktizieren, um irgendeine Stufe der Erleuchtung oder der Einsichtzu verwirklichen. Somit ist auch das eine der Schutzmeditationen.

Es gibt vier Schutzmeditationen: die Betrachtung über die

Eigenschaften des Buddha, die Entwicklung liebender Güte, dieBetrachtung über die Unreinheiten des Körpers und die Betrachtungüber den Tod.

Bevor ihr am frühen Morgen mit eurer Vipassanā-Meditationspraxis  beginnt, solltet ihr diese vier Schutzmeditationen ausführen, jede für ungefähr zwei Minuten. Erst danach solltet ihr die Praxis der 

Einsichtsmeditation starten. Die Mettā-Meditation sollte hier jedochfür ungefähr zehn oder fünfzehn Minuten praktiziert werden, da siefür die Einsichtsmeditation besonders hilfreich ist. Wenn ihr Mettā-Meditation praktiziert, ist es einfach, den Geist auf das Objekt zukonzentrieren, und ihr fühlt euch ruhig, friedlich und gelassen.Wechselt dann zu Vipassanā; die Einsichtsmeditation wird dann sofort

sehr gut laufen.Manchmal wird euer Geist vielleicht widerwillig praktizieren, oder ihr fühlt euch zu faul zum Praktizieren. Manchmal habt ihr vielleicht vielÄ d h i h d ih id f hi di bj k

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Möget ihr alle die Methode dieser vier Schutzbetrachtungen richtigverstehen; bemüht euch ernsthaft und verwirklicht das Ende desLeidens.

3.2. Anleitungen für die Vipassanā-Meditation

  Die folgenden Anleitungen wurden aus dem Büchlein „VipassanāMeditationsanleitungen„ vom Ehrwürdigen Chanmyay Sayadaw(Ashin Janakabhivamsa) laut vorgelesen. 

Vipassanā ist ein zusammengesetztes Wort, das vi und  passanā kombiniert. Vi bedeutet ‚verschiedene’ und bezieht sich auf die dreiDaseinsmerkmale (Unbeständigkeit, Unzulänglichkeit,Unpersönlichkeit).  Passanā bedeutet klare Erkenntnis oder Realisation, verwirklicht durch Achtsamkeit auf den Geist und denKörper. Vipassanā bedeutet die klare Erkenntnis oder Realisation der drei Daseinsmerkmale des Geistigen und der Körperlichkeit.

3.2.1 Geistiges Benennen

Die Methode des geistigen Benennens wird benützt, um dieAchtsamkeit gezielt auf die körperlichen und geistigenDaseinsvorgänge zu richten, damit ihre wahre Natur korrekt

verstanden werden kann. Das grundlegende Prinzip der  Vipassanā-Meditation ist die Beobachtung aller Vorgänge zum Zeitpunkt  ihresAuftretens – die Gegenwart beobachtend, leben wir in der Gegenwart.

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Doch sie sollte durch geistiges Notieren oder Benennen verstärktwerden. Notiert jedes Objekt achtsam und genau. OberflächlichesBeobachten kann den Geist leicht ablenken. Wenn die Konzentrationschwach ist, kann das geistige Benennen herangezogen werden, umdie Tendenz des ‚Über-die-Dinge-hinweggehens’ in Schach zu halten.

Das tatsächliche Aussprechen des Wortes, das wir zum Benennengebrauchen, ist jedoch nicht notwendig. Geistiges Benennen kann amAnfang hilfreich sein, um damit die Achtsamkeit zu stärken. Bedienteuch des geistigen Benennens, bis ihr eine gewisse Gewandtheit imBeobachten erreicht habt, und lasst es dann erst fallen, wenn esstörend wirkt und damit seinen Nutzen verloren hat.

Die meditierende Person lernt den besonderen Sinn und Zweck der  Vipassanā-Meditation zu schätzen, wenn die Praxis der Achtsamkeitvon einer ergründenden Haltung begleitet ist und somit eineerforschende Qualität erhält. Dieses Erforschen kann zur Entdeckungder wahren Natur des Körper-Geist-Vorganges führen.

3.2.2 Sitzmeditation

Als Vorbereitung für die Sitzmeditation entspannt Körper und Geistso gut wie möglich. Die Haltung des Körpers sollte gut ausbalanciertsein. Ändert die Stellung des Körpers nicht abrupt oder achtloswährend

 der Sitzmeditation. Falls ihr euch bewegen wollt,

  beobachtet

die Absicht zum Bewegen, bevor ihr euch bewegt.

Um die Praxis ausgewogen zu gestalten, sollte jeder Sitzmeditationi d h di i h d f d ih di

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heben’, ‚senken, senken’ notieren, sind wir uns gleichzeitig der tatsächlichen Empfindung dieser Bewegung bewusst.

Wenn die Bewegungen der Bauchdecke gleichmäßig und deutlichwerden, könnt ihr sie detaillierter benennen. Falls die Bewegungennoch zu undeutlich und kompliziert sind, benennt sie eher allgemein.

Falls es zwischen der Bewegung des Hebens und des Senkens einePause gibt, fügt das Beobachten und Benennen von ‚Sitzen’ und/oder ‚Berühren’ ein. (Das Beobachten von ‚Sitzen’ ist Achtsamkeit auf diespezifische Eigenschaft von Widerhalt des Windelementes.) Stört dennatürlichen Fluss des Atems nicht, indem ihr tief oder gepresst atmet.Das macht euch müde. Der Atem sollte normal und ungestört fließen.

Wenn sekundäre Objekte wie z. B. Geräusche, Gedanken,Empfindungen usw. in den Vordergrund treten, beobachtet und benennt sie als ‚hören, hören’, ‚denken, denken’, ‚spüren, spüren’ undso weiter. Am Anfang ist es nicht so einfach, diese verschiedenenObjekte zu beobachten und zu benennen, doch mit zunehmender Achtsamkeit wird es einem gelingen. Sobald die sekundären Objekte

verschwunden sind, kehrt zum Beobachten und Benennen des  primären Objektes zurück, d. h. zur Bewegung des Hebens und desSenkens der Bauchdecke.

Auch wenn ihr angewiesen werdet, mit dem Beobachten der hebendenund senkenden Bewegung der Bauchdecke zu beginnen, so solltet ihr euch nicht darauf versteifen. Sie ist nicht das einzige Objekt, sondernnur eines der unzähligen Objekte in der  Vipassanā-Meditation.

Achtsamkeit gerichtet auf die Bewegung der Bauchdecke führt zui di k f h d i d l d h d ifi h

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3.2.3 Gehmeditation

  Nehmt die Gehmeditation ernst. Sogar wenn nur Gehmeditation praktiziert wird, ist es möglich, vollständig erleuchtet zu werden.

Beginnt die Gehmeditation, indem ihr die Achtsamkeit auf den Fuß

richtet. Beobachtet danach die Bewegung des Schrittes in jeder seiner Phasen mit wacher Achtsamkeit. Benützt das mentale Benennen‚rechts, links’ während des Gehens.

Senkt den Blick ca. 1.8 m vor euch auf den Boden; die Augen sindhalb geschlossen. Vermeidet während dem Gehen, auf den Fuß zuschauen, da es euch ablenken kann.  Der Geist sollte nur auf dieBewegung des Fußes gerichtet sein. Senkt den Kopf nicht zu fest, weildas sehr schnell Verspannungen in der Haltung hervorrufen wird.

Die Anzahl der zu beobachtenden Objekte sollte stufenweise erhöhtwerden. Das bedeutet, dass die Anzahl der Phasen des Schrittes, die beobachtet werden, stufenweise erhöht werden sollten. Beobachtet am

Anfang der Gehmeditation nur eine Phase für ungefähr 10 Minuten:‚rechts, links’ und so weiter. Beobachtet danach drei Phasen desSchrittes: ‚heben, schieben, senken’ usw. Erweitert schließlich dasBeobachten zu ‚Absicht, heben, schieben, senken, berühren, drücken’.

Bitte beachtet folgendes: ganz bestimmt schweift der Geist währendeiner einstündigen Gehmeditation einige Male ab. Schaut daher während der Gehmeditation nicht hier- und dorthin. Ihr hattet vieleJahre zum Herumschauen - und werdet sie auch in der Zukunft noch haben. Falls ihr es während dem Meditationskurs tut, könnt ihr nicht

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3.2.4 Achtsamkeit während den täglichen Verrichtungen

Die Achtsamkeit während den täglichen Verrichtungen ist wie dieLebenskraft einer meditierenden Person. Sollte es euch nicht gelingen,eine Aktivität zu beobachten, habt ihr für diesen Moment gleichsameuer Leben verloren. Das bedeutet, dass ihr euch für eben jenen

Moment nicht mehr eine meditierende Person nennen könnt, da euchAchtsamkeit, Sammlung und Weisheit abhanden gekommen sind.

Die Kraft der Achtsamkeit wird erhöht und gestärkt durch konstantesund ununterbrochenes Gewahrsein jeder Aktivität während des ganzenTages.

Konstante Achtsamkeit führt zu tiefer Sammlung. Nur mit tiefer Sammlung ist es möglich, die eigentliche Natur der geistigen undkörperlichen Daseinsvorgänge zu erkennen. Das führt uns schließlichzum Ende des Leidens.

Wenn es nicht gelingt, die täglichen Verrichtungen kontinuierlich und

genau zu beobachten, führt dies zu großen Lücken in unserer Achtsamkeit. Die Kontinuität des Beobachtens ist notwendig, um dieAchtsamkeit von einem Moment zum nächsten zu tragen. Auf dieseArt praktizierend, gibt es jeden Tag viele neue Dinge zu entdecken.

Während des Meditationskurses braucht ihr nur achtsam zu sein. Esgibt keinen Grund zur Eile. Der Ehrwürdige Mahāsi Sayadaw verglicheine Vipassanā-Meditation praktizierende Person mit einer schwachenund invaliden Person, die sich gezwungenermaßen nur   sehr langsam  bewegen kann. Um den Geist zu sammeln, ist es hilfreich, die

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erkennen, wie sie wirklich sind. Wenn ihr von Leuten umgeben seid,die sich sehr schnell bewegen, dann beachtet eure Umgebung nicht.Bemüht euch vielmehr, eure eigenen geistigen und körperlichenVorgänge zu beobachten. Sprechen ist eine große Gefahr für denFortschritt in den Stufen der Einsicht. Ein Gespräch von fünf Minutenkann die Konzentration eines ganzen Tages zerstören.

3.2.5 Schmerzen und Geduld

Schmerz ist der beste Freund des Meditierenden. Weicht ihm nichtaus. Er kann euch zur Verwirklichung von nibbāna verhelfen. Der Schmerz muss euch sein Entstehen nicht ankündigen. Einmalentstanden, wird er nicht sofort wieder verschwinden. Doch wenn er verschwindet, mögt ihr vielleicht weinen, da euch ein Freundverlassen hat. Der Schmerz wird beobachtet, um seine wahre Natur zuerkennen, und nicht um ihn loszuwerden. Der Schmerz ist der Schlüssel zum Tor von nibbāna.

Wenn die Sammlung gut ist, bereitet euch der Schmerz keineSchwierigkeiten. Es ist ein natürlicher Vorgang. Wenn ihr ihnaufmerksam beobachtet, ist euer Geist völlig darin absorbiert, und diewahre Natur kann erkannt werden.

Wenn Schmerz auftritt, beobachtet ihn direkt. Ignoriert ihn nur, wenner anhält und überwältigend ist. Er kann mit tiefer Konzentrationüberwunden werden, die wiederum durch konstante Achtsamkeiterreicht werden kann. Falls während der Gehmeditation ein starker Schmerz auftritt, haltet hin und wieder an und beobachtet ihn.

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Bewusstsein kontinuierlich und kraftvoll wird. Dann werdenaufkommende Gedanken von selbst aufhören.

Falls es euch nicht gelingt, die wandernden Gedanken zu beobachten,seid ihr beim Versuch, euch zu konzentrieren, schon besiegt. Falls der Geist die Neigung zum Denken hat, ist dies ein Hinweis, dass die

Gedanken nicht energisch genug beobachtet werden. Es istunerlässlich, diese Fähigkeit zu erwerben. Falls ihr euch dem Inhaltder Gedanken zuwendet, haben sie die Tendenz weiterzugehen. Fallsihr euch dem Gedanken als Vorgang zuwendet, wird er verschwinden.

Haftet euch nicht an Denken und Theorie. Meditation ist jenseits vonZeit und Raum. Verstrickt euch darum nicht in Denken und Theorie.

Erkenntnisse entstehen mit tiefer Konzentration; logisches und philosophisches Denken entstehen mit schwacher Konzentration.

Schläfrigkeit kann mit größerer Anstrengung überwunden werden. Esist nützlich, die Aktivitäten energisch zu benennen. Benennt dieSchläfrigkeit energisch; falls ihr Faulheit akzeptiert, werdet ihr in

Halbschlaf fallen.In Tat und Wahrheit ist die Energie zum Beobachten und Benennenimmer schon da. Die Schwierigkeit ist nur, dass ihr zu faul seid dazu.

Die geistige Einstellung ist sehr wichtig. Seid nicht pessimistisch;wenn ihr optimistisch seid, gebt ihr euch selber eine Chance. Das führtzu Zufriedenheit in jeder Situation, und es wird weniger Ablenkunggeben.

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Bevor du dich vor dem Lehrer niedersetzt, trete langsam und achtsamin das Zimmer ein. Verbeuge dich langsam und achtsam, so dass dufür das Gespräch bereit bist, wenn du an der Reihe bist. Wenn du mitdem Lehrer sprichst, halte deine Hände als Zeichen des Respektszusammengefaltet vor deinem Oberkörper.

Berichte über alle 3 Teile der Praxis:1) Sitzmeditation2) Gehmeditation3) tägliche Verrichtungen

Halte dich an das Wesentliche und sei präzise. Berichte nur über deinetatsächlichen, persönlichen und unmittelbaren Erfahrungen. In der Vipassanā-Meditation gibt es keinen Raum, über die Erfahrungnachzudenken oder zu reflektieren, und es besteht keine  Notwendigkeit zum Analysieren oder Überlegen. Analysieren,nachdenken usw. sind große Gefahren und Stolpersteine für denFortschritt in der Vipassanā-Meditation.

Sitzmeditation:• welches ist dein primäres Objekt? (heben-senken oder sitzen-

  berühren) Wie notierst du es? Welche Erfahrungen hast dudabei?

• wie lange dauert die Sitzmeditation?• welche anderen Objekte werden notiert? (Gedanken,

Emotionen, Schmerz, Geräusche, Empfindungen im Körper,usw.) Welche Erfahrungen hast du dabei?• gibt es irgendwelche Schwierigkeiten oder Probleme?

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• gibt es irgendwelche Schwierigkeiten oder Probleme?

Tägliche Verrichtungen:• gelingt es dir, alle Bewegungen (resp. Absichten und

Bewegungen) während des ganzen Tages zu beobachten?• welche Aktivitäten kannst du beobachten?• gelingt es dir, die Bewegungen noch weiter zu verlangsamen?• Achtsamkeit während dem Essen• Achtsamkeit in deinem Zimmer und im Badezimmer • Achtsamkeit im Wechsel von einem Ort zum andern• welches sind deine Erfahrungen während den täglichen

Verrichtungen?

Beschreibe alle deine Erfahrungen, ohne auf Anmerkungen desLehrers zu warten. Das wird normalerweise erst am Ende desGesprächs gemacht. Wenn dir eine Frage gestellt wird, antwortedirekt. Bitte sprich nicht über etwas anderes.Höre den Anmerkungen des Lehrers aufmerksam zu und befolge siegenau. Wenn du Zweifel hast, frage den Lehrer.Viele Meditierende finden es hilfreich, gleich nach der Meditationkurze Notizen zu machen. Doch versuche nicht, dich während demMeditieren daran zu erinnern. Das würde der Konzentration schaden.Falls es wirklich wichtig ist, wirst du dich daran erinnern.

4 Samatha- und Vipassanā-Meditation.

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4. Samatha- und Vipassanā-Meditation 

Wie ihr wisst, gibt es zwei Arten der Meditation im Buddhismus,Samatha- und Vipassanā-Meditation. Samatha bedeutet Sammlungoder Konzentration. Wenn der Geist auf ein einzelnesMeditationsobjekt konzentriert ist, wird er ruhig, gelassen und heiter.

Deshalb wird Samatha-Meditation auch mit Ruhemeditation übersetzt.Wörtlich bedeutet es: derjenige Geisteszustand, der den Geist ruhigmacht. Derjenige Geisteszustand, der den Geist ruhig macht, istKonzentration oder Sammlung. Vipassanā bedeutet Sehen, Erkenntnisoder rechte Ansicht. Wörtlich bedeutet es ‚das Sehen der verschiedenen Merkmale’, was sich hier auf die dreiDaseinsmerkmale der Existenz bezieht, nämlich Unbeständigkeit,Unzulänglichkeit und Unpersönlichkeit oder Nicht-Selbst, resp. ohneSeele. Auf Pāli heißt Unbeständigkeit oder Vergänglichkeit anicca.Leiden und Unzufriedenheit heißt dukkha, und Unpersönlichkeit, Nicht-Selbst oder ohne Seele heißt anattā. Das Wort vi in vipassanā   bezieht sich auf diese drei Daseinsmerkmale. Passanā heisst sehen,was Erkenntnis oder rechte Ansicht bedeutet. Folglich bedeutet

vipassanā: das Erkennen der Unbeständigkeit, der Unzulänglichkeitund der Unpersönlichkeit.

Samatha-Meditation wird praktiziert, um ausschließlich eine tiefeSammlung des Geistes zu erreichen und nicht um diese dreiDaseinsmerkmale zu erkennen. Vipassanā-Meditation wird  praktiziert, um mit einem gewissen Grad an Sammlung die dreiDaseinsmerkmale zu verstehen, wodurch alle geistigen Trübungenvernichtet werden und das Ende des Leidens, nibbāna, verwirklichtwird. Für die Samatha-Meditation gibt es 40 Meditationsobjekte wie

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4 Samatha- und Vipassanā-Meditation.

(b ddhā ti bhā ā) d Li b d Güt M dit ti ( ttā

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(buddhānussatibhāvanā) oder Liebende-Güte-Meditation (mettābhāvanā), wenn ich das Gefühl habe, dass ein Meditierender auch

 samatha während seines Vipassanā-Retreats praktizieren sollte. In denmeisten Fällen lehre ich buddhānussatibhāvanā und mettābhāvanā,das Entfalten liebender Güte. Was auch immer das Objekt sein mag,ein Samatha-Meditierender hat nur ein einziges Meditationsobjekt.

Wenn ein Samatha-Meditierender nun versucht, den Geist auf eineinziges Meditationsobjekt wie z. B. die Atmung zu konzentrieren,richtet er den Geist auf die Nasenlöcher oder auf den Ort über der Oberlippe. Der Geist muss den Atem am Punkt der Berührung  beobachten, egal wo sich dieser befindet. Immer wenn er einatmet,  beobachtet er dort das Vorbeistreichen des Atems und macht diegeistige Notiz ‚ein’. Immer wenn er ausatmet, richtet er den Geist auf den Punkt der Berührung, und den vorbeistreichenden Atem  beobachtend macht er die geistige Notiz ‚aus’; also: ‚ein, aus, ein,aus’. Wenn der Geist wandert, folgt ihm der Meditierende nicht, under beobachtet ihn auch nicht, sondern er bringt den Geist zum Punktder Berührung zurück. Der Meditierende beobachtet die Empfindung

des Berührens an den Nasenlöchern jedes Mal, wenn die Luft herein-und herausströmt. Diese Empfindung des Berührens am Punkt der Berührung ist das Meditationsobjekt. Der Berührung liegen die vier materiellen Elemente zugrunde: Härte oder Weichheit, Flüssigkeitoder Kohäsion, Hitze oder Kälte und Bewegung. Aus diesenElementen setzt sich die Atmung zusammen, aber das Luftelement,die Bewegung, ist deutlicher als die drei anderen primären Elemente.Die Berührung der Luft an den Nasenlöchern besteht auch aus denvier materiellen Elementen von Härte oder Weichheit, Kohäsion,Hitze oder Kälte und Bewegung, aber bei der Berührung ist die Härte

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4 Samatha- und Vipassanā-Meditation.

Die Meditierenden sollten aufpassen und die Methoden der Samatha

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Die Meditierenden sollten aufpassen und die Methoden der Samatha-und der  Vipassanā-Meditation sorgfältig auseinander halten. In der Vipassanā-Meditation ist das Ziel, alle Geisteszustände undkörperlichen Vorgänge in ihrer wahren Natur zu verstehen. ‚Ihrewahre Natur’ bezieht sich auf die drei Daseinsmerkmale, die jeder Geisteszustand und körperliche Vorgang besitzt. Jeder Geisteszustand

oder körperliche Vorgang kann zum Meditationsobjekt werden. Somitmuss sich der  Vipassanā-Meditierende nicht nur auf ein einzigesObjekt beschränken, sondern es gibt eine Vielfalt von Objekten, d. h.alle Geisteszustände und körperlichen Vorgänge.

Der  Samatha-Meditierende wählt sich dagegen nur ein einzigesMeditationsobjekt aus, das er dann beibehält und auf das er den Geistmöglichst tief zu konzentrieren versucht.

Ein Vipassanā-Meditierender nimmt zu Anfang einen körperlichenVorgang als Objekt der Meditation wie z. B. die hebende und fallendeBewegung der Bauchdecke. Wenn sich die Bauchdecke hebt,  beobachtet der Meditierende diese Bewegung, und gleichzeitig

 benennt er sie im Geist als ‚heben’. Wenn sich die Bauchdecke senkt,  beobachtet der Meditierende diese Bewegung, und gleichzeitig benennt er sie im Geist als ‚senken’. Wenn der Meditierende währendder Betrachtung der sich hebenden und senkenden Bewegung der Bauchdecke nun eine Stimme oder ein Geräusch hört, sollte er das als‚hören, hören’ notieren. Er sollte aber nicht den Inhalt des Objektes beobachten, sondern nur das Hörbewusstsein. Das heißt, dass er sichnicht auf das Geräusch selbst einlassen sollte, sondern vielmehr auf das Hörbewusstsein, weil dieses Hörbewusstsein das Objekt oder denInhalt mit einschließt. So beobachtet und notiert er es als ‚hören,h d i d h i d d b i k h d

4 Samatha- und Vipassanā-Meditation.

wirklichkeitsgemäß beobachten und notieren; danach kann er zum

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wirklichkeitsgemäß beobachten und notieren; danach kann er zumGrundobjekt zurückkehren.

Wenn der Geist wandert oder abschweift, darf der  Vipassanā-Meditierende den Geist nicht einfach zum Grundobjektzurückbringen. Er muss beim Geist bleiben und ihn achtsam

  beobachten, indem er den wandernden Geist benennt: ‚wandern,wandern’, ‚denken, denken’, ‚fantasieren, fantasieren’, ‚planen,  planen’ usw. Erst wenn das Denken aufgehört hat, kehrt der Meditierende zum Grundobjekt zurück, indem er das Heben undSenken wie gewöhnlich beobachtet und notiert. Warum bleibt der Vipassanā-Meditierende beim Geist und beobachtet ihn, so wie er ist?Weil es das Ziel der Einsichtsmeditation ist, die Daseinsmerkmalealler geistigen und körperlichen Vorgänge zu erkennen. Um die dreiDaseinsmerkmale eines wandernden Gedankens zu erkennen, mussihn der Meditierende in seiner wahren Natur beobachten. Er muss dieGedanken als ‚wandern, wandern’, ‚denken, denken’ usw. beobachtenund notieren, bis diese Gedanken verschwunden sind. Erst nach ihremVerschwinden sollte er zum Grundobjekt zurückkehren und wie

gewöhnlich weiter beobachten.

Hier wird der Unterschied zwischen  samatha und vipassanā sehr deutlich. Wenn der Geist in der Samatha-Meditation abschweift, musser zum Grundobjekt zurückgebracht werden, d. h. man richtet denGeist auf die Atmung oder auf irgendein anderes Objekt. Der Samatha-Meditierende darf die wandernden Gedanken oder dendenkenden Geist nicht beobachten. Er braucht keine geistigen oder körperlichen Vorgänge zu erkennen. Sein Ziel ist es, eine tiefeKonzentration des Geistes auf ein einziges Objekt zu erreichen. Das

hi h i d d i h f d h k d

4 Samatha- und Vipassanā-Meditation.

euer beobachtender Geist noch achtsamer tatkräftiger und etwas

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euer beobachtender Geist noch achtsamer, tatkräftiger und etwasflinker sein, so dass er an Kraft gewinnt und stärker als der denkendeoder wandernde Vorgang wird. Wenn der beobachtende Geist stärker,schärfer, und kraftvoller wird, überwindet er den denkenden Geistoder den Gedankenvorgang, der dann in kurzer Zeit endet. Es ist aber nicht das Ziel, den Gedankenvorgang anzuhalten oder ihn

verschwinden zu lassen, sondern vielmehr ihn in seiner wahren Natur zu verstehen. Der Meditierende mag jedoch durch die wanderndenGedanken gestört oder verärgert werden. Deshalb muss er denGedanken noch achtsamer, tatkräftiger und etwas schneller notieren,um den beobachtenden Geist stärker, schärfer und kraftvoller zumachen. Wenn der beobachtende Geist schwach ist, dann wird er vomwandernden Gedanken überwältigt. So wird der beobachtende Geistvom Denkvorgang mitgezogen, der Denkvorgang entwickelt sich dannweiter, und der Meditierende kann sich nicht mehr konzentrieren.

Aus diesem Grund sollte der Meditierende die wandernden Gedankennoch achtsamer, tatkräftiger und flinker notieren, wodurch er den  beobachtenden Geist stärker, schärfer und kraftvoller macht. Dann

hört der Gedankenvorgang auf, und in jenem Moment bemerkt der Meditierende, dass die Gedanken nicht andauern, sondern entstehenund sofort wieder vergehen. So wird hier das Entstehen und Vergehender Gedanken vage als unbeständig realisiert, obwohl es noch nichtklar erkannt wird.

Wenn sich die Konzentration vertieft, erkennt der Meditierende, dassdiese einzelnen Gedanken entstehen und vergehen einer nach demanderen. Eine Folge von Gedanken entsteht und vergeht. Wenn dieSammlung nicht tief genug ist, ist der Meditierende nicht in der Lage,di h i l i di d i i k l d

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 Es gibt zwei Vorteile, die aus dem Beobachten und Notieren desGedankenvorganges resultieren. Der eine ist eine bessere Sammlungdes Geistes, und der andere ist das Erkennen der dreiDaseinsmerkmale. Deshalb darf der Meditierende nie vergessen, wennder Geist abschweift und wandert, diese Gedanken in ihrer wahren

  Natur als ‚denken, denken’, ‚wandern, wandern’ oder ‚fantasieren,fantasieren’ zu beobachten und zu notieren. Wenn der Meditierendedie Unbeständigkeit, Unzulänglichkeit und unpersönliche Natur dieser Gedanken versteht, ist sein Geist geläutert, und er hat dann keinerleiGeistestrübungen mehr. Er erkennt nun die Gedanken mit ihren dreiDaseinsmerkmalen als unbeständig, unbefriedigend und unpersönlich;sie sind weder eine Person noch ein Lebewesen, weder ein Selbst noch

eine Seele, sondern nur geistige Vorgänge. Weil er sie in ihrer wahren Natur erkennt, ist sein Geist geläutert. Zu dieser Zeit ist er auch vonnegativen Geisteszuständen befreit. Wenn der Geist ständig vondiesen Trübungen befreit ist, lebt der Meditierende in Frieden. Das istdas Ziel der Vipassanā-Meditation.

Wenn der Geist von den negativen Geisteszuständen oder Trübungen befreit ist, dann ist der Körper ebenfalls von Leiden befreit. Auf dieseWeise sind beide, Körper und Geist, von allen Arten des Leidens  befreit. Das Ziel von vipassanā ist Freiheit von Leiden oder dieBefreiung von den geistigen Trübungen.

Also, was ich euch hier zu verstehen geben will ist folgendes: wennder Geist in der Samatha-Meditation abschweift, muss der Geist zumGrundobjekt zurückgebracht werden. In der  Vipassanā-Meditationhingegen muss der Meditierende beim Geist bleiben und ihnb b h i i d ih d b i l d k d

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Geistes genannt, weil Gier, Hass, Unwissenheit, Dünkel, Eifersucht

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Geistes genannt, weil Gier, Hass, Unwissenheit, Dünkel, Eifersuchtusw. nicht vorhanden sind. Somit fühlt sich der Meditierende friedvollund glücklich. Das ist die segensreiche Wirkung der  Samatha-Meditation. Doch sobald sich der Geist vom Meditationsobjekt löst,wird die Sammlung unterbrochen, und der Geist wandert zu denverschiedensten Objekten. So kommen wieder Trübungen in den

Geist. Wenn der Geist mit Gier, Ärger oder Unwissenheit getrübt ist,fühlt sich der Meditierende nicht mehr glücklich oder friedvoll; dannleidet er. Der  Samatha-Meditierende genießt nur solange geistigenFrieden wie sein Geist auf ein einziges Meditationsobjekt konzentriertund vertieft ist. Solange sein Geist im Objekt vertieft ist, fühlt er sichfriedvoll, ruhig, gelassen und heiter.

In der  Vipassanā-Meditation beobachtet der Meditierende dieerscheinenden Geisteszustände oder körperlichen Vorgänge mit einemgewissen Grad an Sammlung. Dann erkennt er die wahre Natur der geistigen und körperlichen Vorgänge, d. h. ihre Unbeständigkeit,Unzulänglichkeit und unpersönliche Natur. In dem Moment, in dem er die drei Daseinsmerkmale durchdringt, ist sein Geist rein. Er erkennt

sie nicht aufgrund theoretischen Wissens oder aufgrund des Studiumsder Schriften, sondern durch seine eigene persönliche Erfahrung.Diese Erfahrung der drei Daseinsmerkmale ist sehr tiefgehend, und sieverbleibt dauerhaft im Geist, obwohl diese Einsicht der dreiDaseinsmerkmale selbst auch unbeständig, unzulänglich undunpersönlich ist. Sie entsteht und vergeht, aber die Kraft der Einsichtverbleibt im Vorgang des Bewusstseins, der sich durch das ganzeLeben weiterzieht. Auch wenn der Meditierende dasMeditationszentrum verlässt und nach Hause oder zur Arbeit zurück geht, sollte er sich gelegentlich seine meditative Erfahrung der drei

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Jedes Mal, wenn der Meditierende eine der Stufen der Erleuchtungerreicht, die erste Stufe ( sotāpattimagga), die zweite Stufe( sakadāgāmīmagga), die dritte Stufe (anāgāmīmagga) oder die vierteStufe der Erleuchtung (arahattamagga), wird sein Geist reiner, weildurch das jeweilige Pfadwissen verschiedene geistige Trübungen

ausgerottet werden.

Mit den ersten drei Stufen der Erleuchtung kann er einige der geistigen Trübungen, die Leiden verursachen, überwinden und somitzu einem gewissen Grad in Frieden und Glück leben. Doch wenn er fähig ist, alle vier Stufen der Erleuchtung zu verwirklichen, ist seinGeist die ganze Zeit von allen Arten geistiger Trübungen vollständig

geläutert und befreit. Dann lebt er vollkommen glücklich undzufrieden. Deshalb sollten wir  Vipassanā-Meditation oder Einsichtsmeditation praktizieren.

Möget ihr alle das Ziel der  Vipassanā-Meditation richtig verstehenund euch bemühen, das Ende des Leidens, Befreiung, zu

verwirklichen.

5 Warum praktizieren wir Vipassanā-Meditation?

5. Warum praktizieren wir Vipassanā-Meditation?

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Wir werden nun fortfahren zu erörtern, warum wir Achtsamkeitsmeditation oder  Vipassanā-Meditation praktizierensollten. Vorgestern sprach ich über einige Unterschiede zwischen der Samatha- und der  Vipassanā-Meditation. Heute möchte ich euch

erklären, wie die Samatha-Meditation für den Vipassanā-Meditierenden nützlich und unterstützend sein kann, um Einsicht undErleuchtung zu verwirklichen.

Wir sollten Vipassanā-Meditation praktizieren, um unseren Geist vonallen geistigen Trübungen zu befreien und auch, um uns von allemLeiden zu befreien. Die Befreiung ist von zweierlei Art: die eine ist

zeitweilige Befreiung, die andere ist endgültige Befreiung. Wenn einMeditierender  Samatha-Meditation praktiziert, erreicht er tiefeKonzentration des Geistes. Wenn der Geist vollständig auf dasMeditationsobjekt konzentriert ist, ist er von den Hemmungen oder geistigen Trübungen geläutert. Deshalb fühlt sich der Meditierendefriedvoll und ruhig. Aber diese Reinheit des Geistes ist nur zeitweilig

und nicht endgültig, weil der Geist nur geläutert ist, solange er tief auf das Meditationsobjekt konzentriert ist. Wenn sich der Geist vomMeditationsobjekt löst, ist die Konzentration gebrochen. In diesemMoment können alle Arten von geistigen Trübungen oder Hemmungen in den Geist eindringen, und der Geist wird besudelt.Seine Reinheit wird durch die Trübungen zerstört.

Die geistigen Trübungen sind auf Pāli als kilesa bekannt. Der Buddhasagte, dass es zehn Arten von kilesa gebe. Die drei Grundübel sind:lobha - Gier, dosa - Hass und moha - Verblendung.

5 Warum praktizieren wir Vipassanā-Meditation?

auftauchen, wird der Geist beschmutzt. So wird die ursprünglich reineN d G i d h di i i T b

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p g Natur des Geistes durch die geistigen Trübungen zerstört.

 Dosa bedeutet Ärger, Hass, Übelwollen und Abneigung. Wennirgendwelche dieser Geisteszustände aufsteigen, wird der Geistgetrübt und unheilsam. Der unheilsame Geist in Begleitung seiner 

unheilsamen Geisteszustände erzeugt in einer Person Leiden undmacht sie unglücklich. Dieses Leiden wird durch unheilsameGeisteszustände, kilesa oder Trübungen, hervorgerufen. Wenn Ärger im Geist hochkommt, wird der Geist getrübt, und somit leiden wir sehr. Infolge des Ärgers mögen wir etwas Schlechtes sagen, oder wir mögen unheilsame Handlungen ausführen. Diese schlechte Rede oder üble Handlung hat unweigerlich Leiden und Unglücklichsein zur 

Folge. Das ist das Resultat eines unreinen Geistes, der voll Ärger ist.Deshalb sollte der Geist von dieser Trübung geläutert werden.

Moha heißt Unwissenheit oder Verblendung. Wenn Unwissenheit imGeist auftaucht, wird das Bewusstsein getrübt. Es wird unheilsam undkann unheilsame Rede oder unheilsame Handlungen verursachen, die

Leiden zur Folge haben. Wenn Unwissenheit oder Verblendung imGeist auftauchen, unterscheidet man nicht zwischen gut und schlecht,richtig und falsch, gerecht und ungerecht, fair und unfair. Man ist imÜbel gefangen. Verblendung oder Unwissenheit zerstören die Reinheitdes Geistes und sind geistige Trübungen oder kilesa.

Māna ist auch eine der geistigen Trübungen und bedeutet Dünkel,

Stolz, Hochmut oder Überheblichkeit.

 Dihi, falsche Ansicht, trübt den Geist und führt den Geist auf dief l h h d d d h id l h i h i h i

5 Warum praktizieren wir Vipassanā-Meditation?

der Meditierende auf diese beiden Freunde einlässt, kann er sich nichtt k t i il i G i t t übt i t E fühlt i h hläf i

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gut konzentrieren, weil sein Geist getrübt ist. Er fühlt sich schläfrig,sein Kopf nickt vornüber, und manchmal schläft er ein.

Uddhaccakukkucca ist Rastlosigkeit oder Zerstreutheit und Reue oder Besorgnis. Diese beiden Trübungen treten als ein Paar auf. Wenn

zerstreute Gedanken, uddhacca, vorhanden sind, kann sich der Geistnicht auf das Objekt konzentrieren. Er wandert von einem Objekt zumanderen. Er bleibt nicht auf einem einzelnen Objekt ruhen; das ist dasGegenteil von Konzentration. Die Rastlosigkeit führt den Geist zuunheilsamen Objekten und dadurch entstehen unheilsameGeisteszustände wie lobha, dosa usw. Somit wird der Geist trübe.

 Ahirika, Schamlosigkeit, und anottappa, Scheulosigkeit, gehören auchzu den geistigen Trübungen.Außerdem gibt es noch andere Geisteszustände, die diesen zehngeistigen Zuständen ähnlich sind wie z. B. Eifersucht, Geiz usw. DieseGeisteszustände gehören auch zu den geistigen Trübungen.

Wenn der Geist mit irgendeinem dieser geistigen Faktoren eineVerbindung eingeht, ist seine Reinheit beschmutzt. Ein unheilsamer Geist in Begleitung seiner unheilsamen geistigen Faktoren produziertunheilsame oder üble Rede und Handlungen, die zu allen Artengeistiger und körperlicher Leiden führen. Diese geistigen Trübungen,kilesa, sind negative Qualitäten des Geistes. Der unreine Geist führt zuLeiden, und deshalb muss er geläutert werden. Nur ein geläuterter 

Geist kann von den Trübungen und vom Leiden befreit werden. DieBefreiung, nibbāna, kann durch die Läuterung des Geistes erzieltwerden. Diese Reinheit des Geistes muss endgültig und nicht

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5 Warum praktizieren wir Vipassanā-Meditation?

des Geistes, die durch die Samatha-Meditation erreicht wird, nur zeitweilig ist Der Buddha lehrte uns zur endgültigen Läuterung des

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zeitweilig ist. Der Buddha lehrte uns zur endgültigen Läuterung desGeistes und damit zur Befreiung von allen Arten des Leidens dieVipassanā-Meditation.

  Noch einmal im Klartext: der Geist wird getrübt, weil wir nicht

achtsam sind und ihn nicht beobachten, wenn wir ein Objekt entweder sehen, hören, riechen, schmecken, berühren oder wenn wir denken.

Wenn wir ein Sehobjekt sehen, sind wir uns dessen nicht bewusst, undwir sind uns nicht gewahr, wie es wirklich ist. Da wir es nicht beobachten, wie es wirklich ist, werden wir ins Objekt verwickelt, undes folgt eine Reaktion, die entweder gut oder schlecht ist. Falls wir das

Objekt nicht beobachten können, so wie es wirklich ist, magunweigerlich unweise Achtsamkeit in Bezug auf das Objekt entstehenund das Objekt als gut oder schlecht beurteilen. Falls das Objekt alsschlecht bewertet wird, mögen Ärger oder Abneigung dem Objektgegenüber aufsteigen, und dieser Ärger zerstört die Reinheit desGeistes. Somit erzeugt der unheilsame Geist in Begleitung der beiden

unheilsamen Faktoren Abneigung und Übelwollen Leiden undUnzufriedenheit.

Der Grund für das Leiden ist, dass wir uns auf das Objekt einlassen,anstatt es zu beobachten, wie es wirklich ist. Dann beurteilen wir dasObjekt als gut oder schlecht. Falls wir das Objekt als schlecht beurteilen, entsteht ein unangenehmes Gefühl in Bezug auf das Objekt

und damit entstehen geistige Trübungen wie Abneigung oder Übelwollen. Diese Abneigung oder dieses Übelwollen beflecken dieReinheit des Geistes, und der Geist wird unrein und unheilsam.

5 Warum praktizieren wir Vipassanā-Meditation?

immer wir sehen, hören, riechen, schmecken, berühren oder denken.So wird die Reinheit des Geistes durch keine der geistigen

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So wird die Reinheit des Geistes durch keine der geistigenUnreinheiten zerstört. Geistige Trübungen steigen auf, wenn dasObjekt als gut oder schlecht beurteilt wird.

Wir müssen das Objekt mittels intuitiver Achtsamkeit oder intuitiver 

Einsicht erkennen. Diese intuitive Erkenntnis beurteilt keines der Objekte, sondern erkennt es, wie es wirklich ist. Somit wird keine der Trübungen entstehen, und die Reinheit des Geistes wird durch keineder Unreinheiten entstellt.

Wir können die Reinheit des Geistes aufrechterhalten, indem wir dieObjekte beobachten, wie sie wirklich sind. Der Buddha sagte, dass wir 

auf die folgenden Dinge achtsam sein sollen: auf jedes körperlichePhänomen, auf jede Empfindung oder jedes Gefühl - angenehm,unangenehm oder weder-angenehm-noch-unangenehm, auf den Geistund auf jedes dhamma oder geistige Objekt. Diese vier Arten der Achtsamkeit,  satipahāna, lehrte uns Buddha; hier sind sie imEinzelnen:

kāyānupassanā satipahāna Achtsamkeit auf den Körper 

vedanānupassanā satipahāna Achtsamkeit auf das Gefühl oder die Empfindung 

cittānupassanā satipahāna Achtsamkeit auf den Geist 

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5 Warum praktizieren wir Vipassanā-Meditation?

wir jeden Geisteszustand oder körperlichen Vorgang achtsambeobachten können werden wir diese Phänomene nicht kritisch

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  beobachten können, werden wir diese Phänomene nicht kritisch  beurteilen, sondern nur beobachten, egal ob es sich um einkörperliches Objekt, eine Empfindung, den Geist oder geistigeObjekte handelt. Somit können keine geistigen Trübungen auftauchen,und der Geist wird nicht befleckt, sondern ist geläutert.

Der Buddha hielt die Lehrrede „Die Grundlagen der Achtsamkeit“,das Mahāsatipahāna Sutta, damit wir uns in der Achtsamkeit aller entstehenden Vorgänge im Körper und Geist üben können. Wenn wir uns in Übereinstimmung mit dem Mahāsatipahāna Sutta inachtsamem Gewahrsein üben, können wir auf jeden Geisteszustandoder jeden körperlichen Vorgang achtsam sein und ihn sehen, wie er 

wirklich ist. Später wenn die Sammlung tiefer geworden ist, könnenwir jedes sichtbare Objekt, jedes Geräusch, jeden Geruch, jedenGeschmack und jede Berührung in ihrer wahren Natur erkennen.Wenn wir fähig sind, alle diese Dinge zu sehen, wie sie wirklich sind,werden wir überhaupt keine geistigen Trübungen mehr haben.  DieReinheit des Geistes wird nicht mehr von irgendwelchen geistigen

Unreinheiten zerstört, und so fühlen wir uns friedvoll, ruhig undheiter.

Wegen der falschen Ansicht, die eine der geistigen Trübungen ist,neigen wir dazu, Objekte als gut oder schlecht zu beurteilen. Diefalsche Ansicht erwächst aus der Unwissenheit über die wahre Natur der Geisteszustände und körperlichen Vorgänge. Dadurch entsteht die

falsche Ansicht in Bezug auf ein Selbst, eine Seele, mir oder mein,eine Person oder ein Lebewesen. Wenn die falsche Ansicht in Bezugauf eine Person oder Persönlichkeit entsteht, hat diese Person das

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5 Warum praktizieren wir Vipassanā-Meditation?

ein Verlangen nach mehr Glücklichsein, weil die falsche Ansicht inBezug auf eine Person das Glücklichsein mit der Person oder dem

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Bezug auf eine Person das Glücklichsein mit der Person oder demLebewesen identifiziert. Dieses Verlangen ist eine geistige Trübung.Sie besudelt die Reinheit des Geistes, und der Geist wird unheilsam.Er wird aufgeregt und produziert vielerlei Leiden. Wenn wir diesesGlücklichsein beobachten, wie es wirklich ist, werden wir erkennen,

dass es weder eine Person noch ein Lebewesen ist, sondern nur eingeistiger Vorgang. So werden keine Trübungen auftauchen.

Deshalb lehrte uns der Buddha, auf jeden Geisteszustand oder körperlichen Vorgang achtsam zu sein, gerade so wie er ist. Wenn dieAchtsamkeit konstant und stetig, scharf und kraftvoll ist, kann der Geist jeden aufsteigenden Geisteszustand oder körperlichen Vorgang

von einem Moment zum nächsten achtsam wahrnehmen. Das Objektwird weder beurteilt noch reagieren wir darauf, weil das Objekt - der Geisteszustand oder der körperliche Vorgang – der Wirklichkeitgemäß und in seiner wahren Natur erkannt wird. Das ist der Weg, denGeist für immer zu läutern.

Die Einsicht, die durch die Beobachtung dieser Geisteszustände undkörperlichen Vorgänge entsteht, schreitet eine Stufe nach der andernvoran, und schließlich kann sie sich in Erleuchtung oder Pfadwissenwandeln. Diese Erkenntnis löscht einige der geistigen Trübungenzusammen mit ihren latenten Neigungen, anusaya, aus. Wegen dieser   Neigungen des Geistes steigen Trübungen auf, wenn der Geist einObjekt als gut oder schlecht beurteilt. Aber wenn magga ñāa, das

Pfadwissen, das durch die Vipassanā-Meditation verwirklicht wird,einige der geistigen Trübungen zusammen mit ihren latenten Neigungen auslöscht, wird der Geist in hohem Masse geläutert.

5 Warum praktizieren wir Vipassanā-Meditation?

des Geistes, die Befreiung von allen Geistestrübungen. Sie wirdcetovimutti genannt, die Befreiung des Geistes. Dann erfahren wir 

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g , güberhaupt kein geistiges Leiden mehr, aber da wir körperlicheDaseinsvorgänge haben, ist es möglich, dass noch körperlicheSchmerzen erscheinen. Der  arahat , der die vierte Stufe der Erleuchtung verwirklicht hat, erkennt körperliches Leiden, wie es

wirklich ist, aber empfindet es nicht als unangenehm oder betrüblich.Auf diese Weise verhilft der befreite Geist dem Meditierenden zuFrieden und Glück. Deshalb sollten wir diese Achtsamkeitsmeditation praktizieren. Das Ziel ist, unseren Geist von allen geistigen Trübungenund allen Arten des Leidens zu befreien.

Möget ihr alle die Methode der  Vipassanā-Meditation richtig

verstehen und euch ernsthaft bemühen, das Ende des Leidens, dieBefreiung von allen Arten des Leidens, zu verwirklichen.

6 Die Wichtigkeit der Achtsamkeit

6. Die Wichtigkeit der Achtsamkeit

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In den vergangenen beiden Tagen haben wir über die Befreiung desGeistes von den Trübungen gesprochen. Das heutige Thema ist,warum wir Einsichtsmeditation oder  Vipassanā-Meditation praktizieren sollten.

Die sogenannte Person oder das Lebewesen besteht sowohl aus Geistals auch aus Materie, nāma und rūpa.  Nāma und rūpa wurden vomBuddha in fünf Daseinsgruppen unterteilt.

Vier Daseinsgruppen sind nāma, Geist oder geistige Phänomene:

vedanākkhandha Gefühlsgruppe saññākkhandha Wahrnehmungsgruppe sa-khārakkhandha Gruppe der Geistesformationenviññāakkhandha Bewusstseinsgruppe

Die fünfte Daseinsgruppe ist rūpa, körperliche Erscheinung oder 

Materie:rūpakkhandha Körperlichkeitsgruppe

So gibt es also fünf Daseinsgruppen. Eine besteht aus körperlichenPhänomenen, und die anderen vier bestehen aus geistigenPhänomenen.

Manchmal fasste der allwissende Buddha diese eben genannten fünf Daseinsgruppen in zwei Gruppen zusammen: nāma und rūpa, geistige

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6 Die Wichtigkeit der Achtsamkeit

Der Buddha sagte:

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Manopubba-gamā dhammā manosatta manomayāManasā ce paduhena bhāsati vā karoti vāTato na+ dukkhamanveti cakka+ va vahato pada+.

Vom Geist gemacht die Dinge sind,Vom Geist beherrscht, vom Geist gezeugt.Wenn man verderbten Geistes spricht,Verderbten Geistes Werke wirkt,

 Dann folgt einem das dadurch verursachte Leiden nach,Gleichwie das Rad des Zugtiers Huf. 

Die Ursache für unheilsames Handeln und Reden ist ein unheilsamer Geist, bzw. unheilsame Geisteszustände. Diese werden auf Pāliakusala genannt. Die ursprüngliche Ursache unheilsamer Handlungenund Rede ist ein unheilsamer Geist, der dann unweigerlich Leiden produziert.

Die ursprüngliche Ursache aller guten, heilsamen Handlungen undguter, heilsamer Rede ist ein heilsamer Geist. HeilsameGeisteszustände werden kusala genannt. Ein heilsamer Geist erzeugtheilsame Rede und Handlungen, die wiederum Glück und Frieden produzieren.

Deshalb ist der Geist das wichtigste Ding überhaupt, er ist viel

wichtiger als der Körper. Darum sagte der Buddha vimuttacitto. Er sagte nicht vimuttakāyo. Vimuttacitto bedeutet ‚befreiter Geist’.Wenn wir  vimuttakāyo sagen, bedeutet das ‚befreiter Körper’. Der 

ddh i l k b f i i

6 Die Wichtigkeit der Achtsamkeit

zusammengeschlagen und getötet. Die Räuber dachten, dass der Ehrwürdige tot sei, doch er war noch nicht verstorben, da er in

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 phalasamāpatti eintrat.  Phalasamāpatti schützt das Leben gegen  jegliche Art von Töten. Er wurde von den Räubern zwar ‚kurz undklein’ geschlagen, aber er fühlte keine körperliche Qual, weil seinGeist frei von Trübungen sowie frei von Anhaftung an seinen Körper 

war. Er sah die unangenehmen körperlichen Empfindungen entstehenund vergehen und erkannte, dass es schlicht und einfach einnatürlicher Vorgang von Empfindungen war.

Obwohl sein Körper durch die grausamen Schläge misshandelt undverletzt wurde, fühlte er weder schmerzhafte Empfindungen noch litter, weil sein Geist von allen Trübungen befreit war. Er sah seinen

Körper nicht als sein Selbst an und war in der Lage, ihn als sichständig verändernde geistige und körperliche Phänomene anzusehen.Wenn sein Geist von den Befleckungen nicht befreit gewesen wäre,hätte er stark gelitten. Er sah die geistigen und körperlichenDaseinsvorgänge nicht als eine Person, ein Selbst, ein Lebewesen oder ein Mensch an. Was er wirklich sah, waren die sich stets verändernden

geistigen und körperlichen Daseinsvorgänge. Da er nicht an seinemKörper anhaftete, war er vom körperlichen Leiden befreit.

Aus diesem Grunde sagte der Buddha, dass der Geist von denBefleckungen befreit werden solle. Wenn der Geist befreit ist, habt ihr weder geistiges noch körperliches Leiden. Deshalb lehrte der Buddhauns mittels der  Vipassanā-Meditation, den Geist zu entwickeln und

die Dinge zu sehen, wie sie wirklich sind. Wir müssen alsoVipassanā-Meditation praktizieren, um den Geist von den Trübungen befreien zu können.

6 Die Wichtigkeit der Achtsamkeit

Mensch. Mahāpurisa bedeutet somit ein großer Mensch. In denSchriften wird dieser Ausdruck manchmal für den zukünftigenB ddh b I i i F ll b i h i h f dl M h ’

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Buddha benützt. In einigen Fällen bezieht er sich auf ‚edle Menschen’,und in dieser Lehrrede bezieht er sich auf einen arahat .

Hier sagte der Buddha: „Sāriputta, wenn der Geist eines Menschen

von den Trübungen befreit ist, ist er ein ‚großer Mensch’. Wenn der Geist eines Menschen nicht von den Trübungen befreit ist, ist er kein‚großer Mensch’.“

Also ‚mit einem befreitem Geist’ heißt vimuttacitto auf Pāli. Vimutta  bedeutet befreit, citto bedeutet Geist. Dann fuhr der Buddha mit seiner Erklärung fort, wie der Geist befreit werden kann:

„  Idha Sāriputta bhikkhu kāye kāyanupassī viharati ātāpī  sampajāno satimā vineyya loke abhijjhādomanassa+.“

Sāriputta, da verweilt ein Mönch beim Körper in Betrachtung des Körpers, [bei den Gefühlen in Betrachtung der Gefühle,

beim Geist in Betrachtung des Geistes, bei den Geistobjekten in Betrachtung der Geistobjekte,] eifrig, wissensklar und achtsam,nach Überwindung von Begierde und Kummer hinsichtlich der Welt.

Wenn er sich in der Betrachtung des Körpers, des Gefühls, des Geistesund der Geistobjekte übt, wird sich der Geist von allem lösen und

somit von allen Arten von āsava befreit werden. Hier bezieht sichāsava auf alle Arten von geistigen Trübungen. Dann ist sein Geist vonden āsava befreit, und mit einem befreitem Geist ist er ein ‚großer 

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6 Die Wichtigkeit der Achtsamkeit

kāyānupassanā satipahāna Achtsamkeit auf den Körper 

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vedanānupassanā satipahāna Achtsamkeit auf das Gefühl oder die Empfindung 

cittānupassanā satipahāna Achtsamkeit auf den Geist 

dhammānupassanā satipahāna Achtsamkeit auf Geistobjekte

Der Buddha sagte: „Wenn man diese Achtsamkeit praktiziert, wird

sich der Geist von allem lösen und somit von den Geistestrübungen  befreit werden.“ Deshalb ist die Vipassanā-Meditation, die ihr jetztam Praktizieren seid, der Weg, ein ‚großer Mensch’ zu werden, befreitvon den Geistestrübungen.

Hier bezieht sich ein ‚großer Mensch’ auf einen arahat . Wir sollten

hier beachten, dass der Buddha nicht vimuttakāyo, befreiter Körper,sagte, sondern vimuttacitto, befreiter Geist. Deshalb ist es dasWichtigste, sich jedes entstehenden Geisteszustandes bewusst zu sein,und zwar in jedem Augenblick.

Der Buddha lehrte uns in der Lehrrede des Mahāsatipahāna Sutta die Achtsamkeit auf den Geist in größerem Detail:

“Sarāga+ vā citta+ sarāga+ cittan’ti pajānāti.Vītarāga+ vā citta+ vītarāga+ cittan’ti pajānāti.”

6 Die Wichtigkeit der Achtsamkeit

Gier, Wollen, Verlangen, Anhaftung und Ergreifen ab. Wenn in euremGeist Begehren entsteht, solltet ihr dieses Begehren beobachten und esals begehren begehren’ notieren Falls Gier aufsteigt solltet ihr sie

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als ‚begehren, begehren notieren. Falls Gier aufsteigt, solltet ihr sie beobachten und als ‚Gier, Gier’ notieren. Wenn Anhaftung vorhandenist, solltet ihr sie beobachten und als ‚Anhaftung, Anhaftung’ notieren.

In den buddhistischen Schriften werden diese Geisteszuständezusammen mit dem Geist manchmal citta genannt. Das Geistige istdas Wichtigste in der Welt, dessen man sich gewahr sein sollte.Warum? Weil es der Geist ist, der von allen Arten der Geistestrübungen und des Leidens befreit werden muss.

Dann heißt es weiter:

“Sadosa+ vā citta+ sadosa+ cittan’ti pajānāti.”

Wenn in eurem Geist Ärger aufkommt, solltet ihr ihn als ‚Ärger,Ärger, Ärger’ notieren und beobachten, wie er ist. Hier deckt das Wortdosa alle Arten von Ärger, Hass, Abneigung oder Übelwollen ab.Wenn ihr Hass empfindet, beobachtet und notiert ‚Hass, Hass, Hass’.Wenn ihr Abneigung empfindet, beobachtet und notiert ‚Abneigung,Abneigung’. Wenn ihr Übelwollen empfindet, beobachtet und notiert‚Übelwollen, Übelwollen’.

Alle diese Geisteszustände sind im Wort citta eingeschlossen. Deshalbist cittānupassanā satipahāna die allerwichtigste Art der 

Achtsamkeit innerhalb der vier Grundlagen der Achtsamkeit. Es gibt  jedoch einige Meditierende, die die Wichtigkeit der Achtsamkeit auf den Geist oder das Bewusstsein nicht verstehen, und folglich

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6 Die Wichtigkeit der Achtsamkeit

Selbst an; er identifiziert den Ärger nicht mit dem Selbst, einer Person, einem Lebewesen oder einer Seele. Weil er den Ärger alseinen bloßen Geisteszustand erkennt versteht er die unbeständige und

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einen bloßen Geisteszustand erkennt, versteht er die unbeständige undunpersönliche Natur des Ärgers. Er realisiert anattā, die Nicht-Selbst- Natur des Ärgers. Somit wird er nicht am Ärger anhaften, oder er wirdnicht am Geist anhaften, weil er ihn als unbeständig oder alsentstehenden und vergehenden Vorgang sieht.

Weiter lehrte uns der Buddha:

“Sa-khitta+ vā citta+ Sa-khitta+ cittan’ti pajānāti.”

Das gehört auch zum Kapitel cittanānupassanā satipahāna,

Achtsamkeit auf den Geist. Sa-khitta+ citta+ ist geistige Trägheit undStumpfheit, Widerwillen gegenüber der Praxis sowie Faulheit. Wennihr Faulheit in eurem Geist bemerkt, beobachtet sie als ‚faul, faul’.Wenn euer Geist deprimiert ist, beobachtet und notiert es als‚deprimiert, deprimiert’, und wenn euer Geist widerwillig ist, notiert‚widerwillig, widerwillig’.

Welche Geisteszustände auch immer entstehen, sie müssen beobachtetwerden, wie sie sind. Das ist cittānupassanā – damit kann der Geistvom Leiden und den Trübungen befreit werden.

Dann sagte der Buddha weiter:

“Vikkhitta+ vā citta+ vikkhitta+ cittan’ti pajānāti.”

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6 Die Wichtigkeit der Achtsamkeit

wichtigste Faktor, um Fortschritte in der  Vipassanā-Meditation zuerzielen. Falls ihr solche Gedanken habt, solltet ihr nicht versäumen,sie zu beobachten und zu notieren Auf diese Weise werden die

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sie zu beobachten und zu notieren. Auf diese Weise werden dieGedanken allmählich weniger. Wenn sich die Gedanken vermindern,verbessert sich die Konzentration. Wenn Gedanken nicht notiertwerden, wird die Konzentration schwächer. Manchmal seid ihr euchder wandernden Gedanken gar nicht bewusst. Ihr denkt, dass ihr ‚heben, senken’ oder ein anderes geistiges oder körperliches Objekt  beobachtet, aber in Tat und Wahrheit ist euer Geist heimlich amWandern oder Planen, bei zukünftigen Erwartungen oder Gedankenüber die Vergangenheit usw. Aber ihr seid euch dessen nicht gewahr,weil ihr denkt, dass der Geist mit dem körperlichen Objekt des Hebensund Senkens der Bauchdecke oder des Hebens und Senkens des Fußes

 beschäftigt ist. Warum? Weil ihr nicht merkt, dass gerade ein Gedankeentsteht.

Wenn ihr einen beliebigen Gedanken in der Sitz- oder Gehmeditation  beobachtet, werdet ihr die wahre Natur des Gedankens erkennen,wenn eure Konzentration gut genug ist. Der Gedanke ist ein geistiger Zustand, der unbeständig ist; er entsteht und vergeht dann wieder.Aber manchmal denkt ihr, dass ein Gedanke für eine sehr lange Zeitweitergeht. In Wirklichkeit ist das nicht nur ein Gedanke, sondern esist eine Abfolge von Gedankenvorgängen, die einer nach dem anderenentstehen und vergehen. Es ist ein Gedankenvorgang, nicht nur einGedankenmoment. Ein Gedanke dauert nicht einmal eine millionstelSekunde, er entsteht und vergeht sofort wieder. Nachdem der 

vorherige Gedanke vergangen ist, steigt der nächste Gedanke auf undvergeht unmittelbar wieder.

h f i d i h i h f hi d d k

6 Die Wichtigkeit der Achtsamkeit

Auf diese Weise wird der Gedanke mit der Person, dem Lebewesenoder dem Selbst identifiziert. Diese falsche Ansicht in Bezug auf einePerson oder ein Lebewesen verursacht die verschiedensten

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Person oder ein Lebewesen verursacht die verschiedenstenGeistestrübungen wie Gier, Begehren, Hass, Ärger usw. Somit ist euer Geist nicht von den Geistestrübungen befreit, weil ihr den Gedankennicht beobachtet habt. Wenn ihr ihn aber beobachtet, werdet ihr denGedanken als einen natürlichen Vorgang erkennen, der einer nachdem andern entsteht und vergeht. Ihr werdet euch nicht mehr mitdiesem Vorgang des Denkens als einer Person oder einemLebewesens identifizieren, weil ihr dies richtigerweise als einengeistigen Vorgang versteht, der einer nach dem andern entsteht undwieder vergeht. Dann habt ihr keine Trübungen mehr in eurem Geist,weil ihr den Gedanken durchschaut und ihn klar erkennt, so wie er 

wirklich ist.

Wenn die Konzentration tief genug ist, ist es sehr interessant, denGedankenvorgang beim Aufsteigen zu beobachten. Wir sehen denGedankenvorgang als einen Gedanken nach dem anderen, der entstehtund wieder vergeht. Wir erkennen die Unbeständigkeit des Gedankensund eine bedrückende Leidhaftigkeit, hervorgerufen durch dasständige Entstehen und Vergehen. Dann haben wir keinerlei geistigenTrübungen mehr in unserem Geist; der Geist ist von den Befleckungen befreit.

Wenn die Einsicht in die unpersönliche Natur der Gedankenheranreift, dann erkennen oder erfahren wir eine Stufe der Einsicht

nach der anderen, bis wir die letzte Stufe der Einsicht erreicht haben.Darauf geht die Erkenntnis in Erleuchtung über, magga –ñāa oder Pfadwissen. Dieses Pfadwissen, magga –ñāa, merzt einige der 

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6 Die Wichtigkeit der Achtsamkeit

Körpers, bei den Gefühlen in Betrachtung der Gefühle, beim Geist inBetrachtung des Geistes, bei den Geistobjekten in Betrachtung der Geistobjekte, dann löse sich der Geist von allem, und er werde von

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j , ,allen geistigen Trübungen befreit. Dann sei er ein ‚großer Mensch’mit einem befreitem Geist.

Deshalb möchte ich, dass ihr nicht vergesst, jeden eurer Geisteszustände zu beobachten, egal ob gut oder schlecht, klein oder groß. Beobachtet alle geistigen Objekte, die beim Sitzen oder Gehenaufsteigen, tatkräftig, achtsam und genau. Dann seid ihr fähig, eurenGeist von den Trübungen zu befreien. Dann könnt ihr ‚großeMenschen’ mit einem befreitem Geist werden.

Möget ihr alle fähig sein, euren Geist von allen Trübungen zu befreienund ein ‚großer Mensch’ zu sein.

7 Die fünf geistigen Fähigkeiten

7. Die fünf geistigen Fähigkeiten ( pañc’indriya) 

7.1 Welches sind die fünf geistigen Fähigkeiten? 

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Die erste ist saddhā , das Vertrauen in das dreifache Juwel - Buddha,dhamma und sa-gha – und besonders wichtig ist das Vertrauen in dieMethode der Meditation, die ihr jetzt praktiziert. Saddhā muss tief undstark genug sein, damit sich der Meditierende unermüdlich bemüht,die Phänomene zu notieren und zu beobachten, so dass er das Objekt – entweder geistige Zustände oder körperliche Vorgänge - achtsam betrachten kann. Falls die Objekte ungenau und oberflächlich notiertwerden, schweift der Geist oft ab, wandert und denkt über etwas ganzanderes nach, und der Meditierende kann sich nicht gut auf das Objekt

konzentrieren.

Ein Meditierender benötigt Achtsamkeit, um jedes Objekt beobachtenzu können. Um achtsam zu sein oder genau zu beobachten, braucht er ein ausreichendes Maß an Bemühung. Diese Bemühung oder Energiewird auf Pāli viriya genannt, und sie ist auch eine der fünf geistigenFähigkeiten. Wenn diese geistige Bemühung oder Energie ausreichendentwickelt ist, wird der Meditierende fähig sein, was auch immer erscheint, ob geistige Zustände oder körperliche Vorgänge, achtsamzu beobachten. Er kann sich all dessen gewahr sein, was in seinemKörper und Geist entsteht, genau so wie es ist.

Durch das ununterbrochene und achtsame Gewahrsein jedes geistigen

Zustandes oder körperlichen Vorganges während des ganzen Tageswird die Achtsamkeit allmählich kontinuierlicher, stetiger und kannununterbrochen aufrecht erhalten werden. Diese Achtsamkeit, sati , ist

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7 Die fünf geistigen Fähigkeiten

appanā samādhi = volle Sammlung oder  jhāna khaika samādhi = momentane Sammlung

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Mit Hilfe der Samatha-Meditation erreicht der Meditierende entweder upacāra samādhi oder  appanā samādhi oder auch beide. Der Vipassanā-Meditierende kann keine dieser beiden Arten der Sammlung erreichen, er erreicht statt dessen khaika samādhi, diemomentane Sammlung, da er nicht nur ein einziges Meditationsobjekt,sondern eine Vielfalt von geistigen Zuständen oder körperlichenVorgängen als Objekt nimmt. Dabei ruht der Geist auf dem Objektund verbleibt mit ihm für einen Augenblick. Wenn das Objektverschwindet, nimmt der Geist das nächste Objekt und verbleibt mitihm für einen Augenblick und so weiter. Der beobachtende Geist ist

  jeweils für einen Moment auf ein einzelnes Objekt konzentriert.Darum wird diese Art von Sammlung kha-ika samādhi oder momentane Sammlung genannt. Wenn diese momentane Sammlungkontinuierlich und konstant wird, verfügt sie über eine sehr großeKraft, die die Hemmungen und Geistestrübungen überwinden kann.Der Subkommentar zur  Visuddhimagga legt dar, dass wenn khaika

 samādhi konstant und kontinuierlich werde, sie eine Stärke erreiche,die der upacāra samādhi, der angrenzenden Sammlung, gleichkomme.Und somit kann sie die Hemmungen und Geistestrübungenüberwinden. Um diese momentane Sammlung zu erreichen, brauchenwir kontinuierliche Achtsamkeit und müssen alles, was auch immer inunserem Körper oder Geist erscheint, beobachten, wie es wirklich ist.

Wenn der Geist auf jeden geistigen Zustand oder körperlichenVorgang gut konzentriert ist, entsteht intuitive Einsicht in die wahre Natur der Dinge. Diese Erkenntnis wird vipassanā ñāa oder Einsicht

i i i h i hi h l k

7 Die fünf geistigen Fähigkeiten

Pfadwissen, und   phala ñāa, Fruchtwissen. Die Erleuchtung, auch paññā genannt, ist lokuttara paññā, überweltliches Wissen.  Lokiya  paññā ist weltliches Wissen, und lokuttara paññā ist überweltliches

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Wissen.  Lokiya   paññā ist die Einsicht, die die allgemeinen undspezifischen Merkmale der Phänomene versteht. Jeder Geisteszustandund körperliche Vorgang besitzt seine eigenen spezifischen Merkmalesowie auch die drei allgemeinen Daseinsmerkmale.  Lokiya  paññā versteht sowohl die spezifischen als auch die allgemeinen Merkmaleder geistigen und körperlichen Phänomene.   Lokuttara paññā aber,überweltliches Wissen als eine Stufe der Erleuchtung, erkennt unddurchdringt außerdem die Vier Edlen Wahrheiten: die Wahrheit vomLeiden, die Wahrheit von der Ursache des Leidens, die Wahrheit vonder Aufhebung des Leidens und die Wahrheit vom Weg, der zur 

Aufhebung des Leidens führt.

Weltliches und überweltliches Wissen oder Einsicht und Erleuchtungsetzen die fünf geistigen Fähigkeiten voraus. Der Meditierende solltemit diesen fünf geistigen Fähigkeiten ausgestattet sein, und jede vonihnen sollte scharf und kraftvoll sein.

Vertrauen,  saddhā, ist die Grundvoraussetzung. Nur wenn dasVertrauen in die Methode der  Vipassanā-Meditation tief genug ist,wird sich der Meditierende in der Praxis unermüdlich anstrengen.

Manchmal geschieht es, dass Meditierende eine gewisse Stufe der Einsicht erfahren und dabei glücklich und voller Freude sind. Durch

ihre eigene persönliche Erfahrung gewinnen sie ein sehr tiefesVertrauen in die Lehre des Buddha. Dann kommen ihnen ihre Freundeund Verwandten, ihre Eltern, Söhne und Töchter in den Sinn, und sie

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7 Die fünf geistigen Fähigkeiten

Somit können sie ihr Vertrauen nicht reduzieren. Was sollten sie danntun? Es ist einfach, überhaupt nicht schwierig, doch manchmalvergessen es die Meditierenden. Wie ihr wisst, ist das Prinzip der 

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Vipassanā-Meditation das achtsame Gewahrsein aller geistigen undkörperlichen Vorgänge, wie sie wirklich sind.Wenn irgendein Gedanke entsteht, beobachtet ihr den Gedanken als‚denken, denken, denken’. Wenn ihr das Verlangen habt, eurenFreunden zur Erfahrung des dhamma zu verhelfen, muss diesesVerlangen als ‚Verlangen, Verlangen, Verlangen’ notiert werden, bisdas Verlangen vergangen ist. Manchmal fühlen sich Meditierendetraurig über das Hinscheiden ihrer Eltern, denkend: „Meine Eltern praktizierten keine Meditation, meine Eltern verstanden das dhamma nicht,“ und so weiter. Auf diese Weise mögen sie wegen des Todes

ihrer Eltern weinen. Das sollte auch beobachtet werden und als‚denken, denken, denken’ notiert werden. Wenn Traurigkeit da ist,sollte der Meditierende ‚traurig, traurig, traurig’ notieren, bis dieTraurigkeit verschwunden ist.

Meditation, entweder  Samatha-Meditation oder  Vipassanā-Meditation, ist geistiges Training, geistige Kultur oder Entwicklungdes Geistes. Die Arbeit des Geistes ist, zu beobachten oder zunotieren. Den Geist zu beobachten ist wichtiger als alles andere. Wasauch immer für geistige oder emotionale Zustände auftauchen, der Meditierende muss sie achtsam, energisch und etwas flinker   beobachten. Wenn Traurigkeit auftaucht, muss diese Traurigkeit als‚traurig, traurig, traurig’ beobachtet werden. Sich aber nur des Gefühls

der Traurigkeit bewusst zu sein, ohne es zu notieren oder zu benennen, ist nicht genug, weil dieses Gewahrsein sehr ungenau undoberflächlich ist. Es ist nicht tief genug. Das Notieren und Benennenhilf d i f d f hl d i k i i h i

7 Die fünf geistigen Fähigkeiten

 Manchmal mag ein Meditierender in der Praxis auf Faulheit oder Widerwillen stoßen. Diese Faulheit oder dieser Widerwille muss der Wi kli hk it äß b b ht t d i t t G h i

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Wirklichkeit gemäß beobachtet werden; ein stetes Gewahrseinaufrechterhaltend, achtsam und präzise. Dann wird die Faulheitverschwinden. Falls der Meditierende sie nicht beobachtet, nimmt dieFaulheit zu, und er will nicht mehr weiter praktizieren. In diesemMoment ist seine Konzentration unterbrochen. Es ist überhaupt keineAchtsamkeit mehr vorhanden, und er ist damit auch kein Yogi, d. h.kein Meditierender, mehr. Ein Meditierender ist sich immer aller Tätigkeiten und Bewegungen sowie aller geistigen Zustände undkörperlichen Vorgänge völlig bewusst. Nur Achtsamkeit macht einePerson zu einer meditierenden Person. Wenn keine Achtsamkeit

vorhanden ist, ist eine Person auch kein Yogi. Falls der Meditierendenicht achtsam ist, so kann man sagen, dass er in diesem Moment eintoter Yogi ist, obwohl er am Gehen ist. Warum? Weil das Leben einesYogi Achtsamkeit ist – Achtsamkeit ist das Leben eines Yogi. Selbstwenn er geht oder frühstückt, ohne dabei achtsam zu sein, ist er tot.Dann können wir einen toten Yogi am Frühstückstisch essen sehen.Deshalb sollte der Meditierende die ganze Zeit auf jeden in diesemMoment entstehenden geistigen Zustand oder jeden körperlichenVorgang achtsam sein. Von einem Moment zum nächsten muss er auf  jeden Geisteszustand oder körperlichen Vorgang achtsam sein, so wieer gerade erscheint. Dadurch wird seine Achtsamkeit kontinuierlichund konstant. Und an solch einem Tag ‚stirbt’ er nicht, denn er ‚lebt’mit Achtsamkeit.

Wie gesagt, Achtsamkeit ist geistige Arbeit, geistiges Training,geistige Kultur. Das ist sehr, sehr wichtig, denn sie hat die

l bli h f di li hk i d d i i i

7 Die fünf geistigen Fähigkeiten

Weisheit sowohl Einsicht als auch theoretisches  Dhamma-Wissen.Gemäß der Texte über die Meditationspraxis ist Sammlung, samādhi,vorteilhaft für   paññā oder Einsicht. Der Meditierende mag soüb l W i h i l V t h b k i h f Ab

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überlegen: „Wenn ich zu viel Vertrauen habe, kann ich auf Abwegegeraten. Das ist nicht die richtige Zeit, um mich dieses Vertrauens zuerfreuen oder mich darin zu verlieren. Was ich tun sollte, ist weiterhinauf alles achtsam zu sein, was im Körper und Geist entsteht. Nur dasist der richtige Weg, um in meiner Meditation Fortschritte zumachen.“ Indem wir auf diese Weise über die Nachteile von zugroßem Vertrauen,  saddhā, und ebenso über die Vorzüge vonBemühung, viriya, Achtsamkeit,  sati, und Sammlung,  samādhi,nachdenken, können wir  saddhā mit  paññā in Balance halten. Wennwir  saddhā unter Kontrolle halten können, sind wir fähig, mit der 

Meditation weiterzumachen und uns auf das Objekt der Meditation zukonzentrieren, was es auch immer sein mag.

Viriya, Bemühung oder Energie, muss ebenfalls stark undunermüdlich sein. Manchmal mag viriya zu stark sein, stärker alsSammlung, was nicht wünschenswert ist. Viriya und samādhi müssenin Balance gehalten werden. Manchmal mühen sich Meditierende zusehr ab, wenn sie zu viel  saddhā haben. Sie möchten nicht nur amTag, sondern auch noch in der Nacht mit ihrer Praxis weitermachen.Sie haben zu viel Bemühung oder Energie und werden somit unruhig,was dann ihre Konzentration behindert. Es ist aber sehr selten,Meditierende anzutreffen, die sich zu stark bemühen. Wir brauchenuns deswegen keine Sorgen zu machen.

Wir müssen lernen, immer mehr auch bei unseren täglichenAktivitäten achtsam zu sein, immer mehr Details zu erkennen undj d i i d b b h d i b

7 Die fünf geistigen Fähigkeiten

dieser Zustand notiert wird. Das Notieren sollte mit genugAchtsamkeit und Präzision erfolgen.Wenn sich ein Meditierender zu fest anstrengt, muss er manchmalangewiesen werden nur wenige Objekte zu beobachten Falls er z B

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angewiesen werden, nur wenige Objekte zu beobachten. Falls er z. B.vier Objekte – ‚heben, senken, sitzen, berühren’ – beobachtet, dannsollte er nur zwei Objekte - ‚heben, senken’ - beobachten, indem er sieruhig und stetig notiert. Ebenso gilt das für die Gehmeditation. Wenner sechs oder sieben Teile des Schrittes beobachtet, sollte er sie auf zwei oder drei Teile reduzieren, und zwar ‚heben, schieben, senken’oder ‚ rechts, links’. Manchmal werden die Meditierenden mit zu vielAnstrengung ruhelos und können nicht an einem Ort bleiben. SolcheMeditierende muss ich dann anweisen, mit der Meditationspraxisaufzuhören und irgendeine Arbeit wie z. B. Putzen zu verrichten.

Doch wie ich euch schon sagte, ist es sehr selten, einen solchenMeditierenden zu finden, und somit brauchen wir uns deswegen keineSorgen zu machen.Manchmal ist die Sammlung zu tief. Wenn der Geist desMeditierenden eine sehr tiefe Konzentration erreicht hat, fühlt er sichglücklich und friedvoll. Doch damit gewinnt er keine Einsichten.Dafür gibt es zwei Gründe. Der erste ist, dass er sich an seiner Konzentration erfreut und dabei kein Verlangen oder keine Neigunghat, Geisteszustände oder körperliche Vorgänge zu erkennen. Diese  Neigung, die tiefe Konzentration zu genießen, ist einer der Gründe,warum er keine der Geisteszustände oder körperlichen Vorgängeerkennen kann. Der andere Grund hingegen ist die Tatsache, dass der Geist sehr tief auf das Meditationsobjekt konzentriert und dabei nicht

fähig ist, Geisteszustände oder körperliche Vorgänge zu erkennen.Manchmal kann eine zu tiefe Sammlung den Geist in eineunangenehme Situation bringen. Wenn ein Meditierender dazu neigt,b l bi h i d i kkh d i d l h

7 Die fünf geistigen Fähigkeiten

sich der Geist nicht gut auf das Objekt konzentrieren, und somit wirder schläfrig. Durch den Mangel an Anstrengung wird der konzentrierteGeist träge und schwer, was dann zu Schläfrigkeit führt.In diesem Fall muss sich der Meditierende mehr bemühen und eine

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In diesem Fall muss sich der Meditierende mehr bemühen und einegrößere Anzahl von Objekten notieren, so dass der Geist wachsamer wird. Auf diese Weise sollte übermäßige Sammlung mit Bemühung inBalance gehalten werden.

Die fünf geistigen Fähigkeiten des Meditierenden werden vom Lehrer korrigiert, falls der Meditierende nicht selbst in der Lage ist, die fünf geistigen Fähigkeiten in Balance zu halten. Der Lehrer erkennt, ob der Meditierende zu viel Vertrauen, Weisheit, Bemühung oder Sammlunghat und kann somit die Balance der fünf geistigen Fähigkeiten

auskorrigieren. Das wichtigste in der Praxis ist, festes und tiefesVertrauen in die Lehre des Buddha sowie in die Meditationstechnik zuhaben und eine konstante und kontinuierliche Achtsamkeit währenddes ganzen Tages aufrechtzuerhalten.

Möget ihr alle die fünf geistigen Fähigkeiten richtig verstehen undeuch aufrichtig bemühen, um jeden geistigen Zustand undkörperlichen Vorgang achtsam und lückenlos wahrzunehmen, solangeihr wach seid. Möget ihr alle das Ende des Leidens, nibbāna,verwirklichen.

7.2 Das Ausbalancieren der fünf geistigen Fähigkeiten 

Gestern erklärte ich die fünf geistigen Fähigkeiten, mit denen jeder Meditierende ausgestattet sein muss. Diese fünf Fähigkeiten müssen

h f k f ll d b l i i i ddh d

7 Die fünf geistigen Fähigkeiten

Wie ihr wisst, sind die fünf geistigen Fähigkeiten: saddhā, viriya, sati samādhi und paññā.

Saddhā Vertrauen durch rechtes Verständnis des dhamma

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Saddhā Vertrauen durch rechtes Verständnis des dhamma ViriyaBemühung, Anstrengung, Energie, TatkraftSati kontinuierliche und konstante AchtsamkeitSamādhi tiefe Sammlung oder Konzentration

 Paññā Einsicht, Erleuchtung, Weisheit, Wissen oder Verständnis

Diese fünf geistigen Fähigkeiten sind auf Pāli auch bekannt als bala,was Kräfte oder Mächte bedeutet. Deshalb sind die fünf geistigenFähigkeiten auch die Stärken oder Kräfte des Meditierenden, die esihm ermöglichen, die Erleuchtung und damit das Ende des Leidens zu

verwirklichen.

 Paññā kann auch mit gewöhnlichem Wissen übersetzt werden, dochdieses Wissen,  paññā, ist bescheiden und oberflächlich. Wenn sich

 paññā auf Einsicht und Erleuchtung bezieht, ist es sehr tiefgründig,weil diese Art von  paññā, Einsicht oder Erleuchtung, durch  persönliche Erfahrungen in der Meditation erreicht wird. Diese Artvon  paññā kann man nicht durch Lernen oder theoretisches Wissenerwerben. In Bezug auf die fünf geistigen Fähigkeiten bezieht sich

 paññā normalerweise auf Einsicht und Erleuchtung, aber es kann auchgewöhnliches Wissen oder Verständnis des dhamma bedeuten.

Saddhā und paññā - Vertrauen und Einsicht, Erleuchtung oder Wissen

müssen ausbalanciert werden.

Samādhi und viriya - Sammlung und Bemühung müssen ausbalanciertd

7 Die fünf geistigen Fähigkeiten

leichtgläubig und akzeptiert zu bereitwillig falsche Ideen, was zuLeiden führt.

Durch eine tiefe Erfahrung beim Meditieren wird sich das Vertrauen

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Durch eine tiefe Erfahrung beim Meditieren wird sich das Vertraueneines Meditierenden verstärken. Nehmen wir an, er kann sehr klar zwischen dem notierenden Geist und dem Objekt, der sich hebendenund senkenden Bewegung, unterscheiden. Er erkennt, dass der 

notierende Geist EIN Vorgang ist und die hebende Bewegung einANDERER. Indem der Meditierende die sich hebende und senkendeBewegung sehr achtsam beobachtet, versteht er durch seine direkteErfahrung, dass dies zwei separate Vorgänge, und zwar des Geistesund der Körperlichkeit, sind. So kann er selbst beurteilen, dass das,was der Buddha lehrte, wahr ist.

Wenn wir die sich hebende und senkende Bewegung beobachten, soerkennen wir, dass der notierende Geist oder der beobachtende Geistein Ding ist und das, was beobachtet wird, also die sich hebende undsenkende Bewegung, ein anderes. Das sind zwei separate Vorgänge,einer ist geistig, der andere körperlich. Ohne die Praxis der Achtsamkeitsmeditation und ohne tiefe Konzentration auf den

Vorgang der sich hebenden und senkenden Bewegung sind wir nichtin der Lage, zwischen den geistigen und körperlichen Phänomenen zuunterscheiden. Wir nehmen an, dass diese zwei Vorgänge der geistigen und körperlichen Phänomene ein Ich, eine Person, einLebewesen oder ein Selbst ist. Tatsächlich ist nichts an diesemzweifachen Vorgang eine Person, ein Lebewesen oder ein Selbst.

Der geistige Vorgang ist der notierende Geist, der aber keine Person,kein Lebewesen oder Selbst ist. Der körperliche oder materielleVorgang ist die sich hebende und senkende Bewegung, die aber auchk i k i b d k i lb i

7 Die fünf geistigen Fähigkeiten

nachdenkt, mag der Meditierende das dhamma analysieren oder über die Bedeutung des Buddha nachdenken. Auf diese Weise wird dieAchtsamkeit gestört und die Konzentration unterbrochen. Aufgrundfehlender Achtsamkeit und schwacher Konzentration gibt es in der 

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gMeditation keinen weiteren Fortschritt mehr. Das ist der Nachteil von

 saddhā, Vertrauen, wenn es stärker als Wissen oder Einsicht undErleuchtung ist. Saddhā muss dann mit paññā ausbalanciert werden.

Der Meditierende mag folgendermaßen reflektieren: „Zu diesemZeitpunkt ist es falsch, über die Attribute des Buddha, die Größe desBuddha oder die Vorzüge des dhamma nachzudenken, es ist sogar eine Störung. Was ich tun sollte, ist, auf alles, was erscheint, achtsamzu sein, so wie es ist. Nur die Achtsamkeit auf das unmittelbare

Geschehen ist für mich der richtige Pfad, der zum Verlöschen desLeidens führt.“ Auf diese Weise führt ihn paññā, das Verständnis oder die Erkenntnis des dhamma, auf den richtigen Pfad. Somit ist saddhā,Vertrauen, in Balance mit  paññā, und der Meditierende fährt fortachtsam darauf zu sein, was im Körper und Geist geschieht. Damit istder Meditierende wieder auf dem richtigen Pfad, und er kann sich guteHoffnungen machen, dass er die höheren Stufen der Einsicht,

Erleuchtung und das Ende des Leidens verwirklichen wird.

Wenn  paññā, Wissen oder Erkenntnis des dhamma, stärker ist als saddhā, mag er die Meditationsmethode, die Lehre des Buddha oder eine Erfahrung in der Meditation analysieren. Er mag sich auf seintheoretisches Wissen des dhamma und sein Wissen aus den Schriften

stützen und in etwa so reflektieren: „In den Schriften steht das unddas, und meine Erfahrung ist so und so. Meine Erfahrung ist nicht imEinklang mit den Schriften“ oder „Es ist vollständig richtig, es stimmth d b i i d d ddh f di

7 Die fünf geistigen Fähigkeiten

von einem Lehrer übermittelt. Somit kann sie nie in die Irre führen. Sokann der Meditierende sein Vertrauen in die Methode und in die Lehredes Buddha vertiefen und braucht nicht mehr länger über dieErfahrungen nachzudenken oder sie zu analysieren. Dann wird ihn

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g y saddhā auf den rechten Pfad führen, indem er sich dessen gewahr ist,was in jedem Moment geschieht, so wie es ist. Er wird in der Lagesein, mit der Praxis fortzufahren, indem er sich jedes geistigen

Zustandes und körperlichen Vorganges bewusst ist, der in diesemMoment auftaucht. Der Meditierende kann folglich die höheren Stufender Einsicht, Erleuchtung und das Ende des Leidens verwirklichen. Sosollte  paññā, Wissen oder Einsicht und Erleuchtung, und  saddhā ausbalanciert werden.

Ebenso hinderlich ist es, wenn die Meditierenden zu ehrgeizig sindund die Erleuchtung möglichst schnell erreichen wollen. Um allenegativen Geisteszustände oder Trübungen zu entwurzeln, strengensie sich noch mehr an und praktizieren Tag und Nacht. Sie nehmensich vor: „Ich muss die Erleuchtung in einer Woche verwirklichen.“So strengen sie sich zu fest an in ihrer Praxis und notieren die sichhebende und senkende Bewegung viel zu aufmerksam. Sie werden

rastlos; ihr Geist lässt sich nicht gut zum Objekt bringen, sondern istunkonzentriert und wandert. Je mehr ihr Geist abgelenkt ist, destomehr strengen sie sich beim Notieren an, und desto mehr Ablenkungen erscheinen im Geist. Manchmal sind dann dieMeditierenden verärgert oder enttäuscht über die Praxis. Obwohl siesich so sehr bemüht hatten, konnten sie sich nicht auf das Objekt

konzentrieren. Dann geben sie die Hoffnung auf und möchten diePraxis aufgeben, oder sie weinen darüber, oder dann sind sie sehr verärgert über die Praxis. Das ist der Nachteil übermäßiger 

7 Die fünf geistigen Fähigkeiten

  praktizieren, sondern mit der Einsichtsmeditation in einer entspannteren Weise, sowohl geistig und körperlich, fortzufahren. Der Meditierende kann seinen Geist für eine Weile ausruhen und beruhigen - etwa zehn, fünfzehn oder dreißig Minuten - und dabei die

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sich hebende und senkende Bewegung sehr ruhig und gemächlich  beobachten. Er sollte die Einstellung haben: „Ich werde keinenFortschritt erwarten. Was ich tun sollte, ist dessen gewahr zu sein, was

in meinem Körper oder Geist auftaucht und zwar in einer ausgeglichenen und ruhigen Weise.“ Mit dieser Einstellung sollte er die sich hebende und senkende Bewegung ruhig und präzise, dochnicht zu verkrampft, beobachten ‚heben, senken, heben, senken’. Er sollte nicht enttäuscht sein, wenn der Geist abschweift; es ist natürlichfür den Geist zu wandern. Es gibt keinen Geist, der nicht wandert.

Solange wir einen Geist haben, haben wir Wandern, Denken undAblenkung; das ist ganz natürlich. Mit dieser Einstellung sollte er denabschweifenden Geist als ‚abschweifen, abschweifen, abschweifen,abschweifen’ beobachten. Folgt dem Geist jedoch nicht bis zum Endedes Abschweifens, sondern notiert ihn fünf- oder sechsmal und bringtdann den Geist zum Grundobjekt zurück, stetig und ruhig ‚heben,senken, heben, senken’ notierend.

Auch beim Gehen sollte der Meditierende jetzt nicht zu viele Objektenotieren, sondern besser ‚links, rechts’, oder ‚heben, senken, heben,senken’, oder ‚heben, schieben, senken’ sehr präzise und ruhignotieren. Drei Teile zu notieren ist für ihn genug. Beobachtet dasHeben sehr genau, nehmt die tatsächliche Bewegung des Hebens

wahr. Dann schiebt den Fuß vor, beobachtet dabei präzise und ruhig,doch entspannt in Körper und Geist, die tatsächliche Bewegung desSchiebens. Seid euch dann beim Senken der tatsächlichen Bewegungd k b f di i b b h hi d

7 Die fünf geistigen Fähigkeiten

Sammlung und konstante Achtsamkeit werden mir helfen, die höherenStufen der Einsicht zu erreichen,“ usw. Auf diese Weise kann zu vielAnstrengung unter Kontrolle gehalten und mit Sammlung in Balancegehalten werden.

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Wenn Sammlung stärker als Anstrengung ist, tendiert die Meditationzu Trägheit und Schläfrigkeit. Wenn der Meditierende jeden geistigen

Zustand und körperlichen Vorgang mühelos und sehr gut beobachtenkann, erreicht der Geist einen tieferen Grad an Sammlung. Sich stetig  bemühend, verstärkt sich die Sammlung, und der Geist kann sichmühelos auf das in diesem Moment entstandene Objekt konzentrieren.Wenn sich die Bauchdecke hebt, ist es möglich, sich mühelos darauf zu konzentrieren, so als müsste man sich nicht anstrengen. Durch die

tiefe Sammlung kann es aber passieren, dass die geistige Anstrengungabnimmt, bis die Anstrengung des notierenden Geistes nicht mehr stark genug ist. Der Geist wird träge und schwer, und allmählichweicht die Sammlung der Trägheit. Der Meditierende beginnteinzunicken und gleicht so einer Echse, die mit dem Kopf ähnlicheBewegungen macht. Warum nickt er ein? Weil seine Sammlung zustark und seine Anstrengung zu schwach ist. Deshalb wird der Geist

träge und schwer und verwandelt sich in Schläfrigkeit oder geistigeStumpfheit.

Was sollten wir in dieser Situation tun? Die Schläfrigkeit genießen?Der Buddha lehrte dies in zwei Worten: „Sayasukha, middhasukha.“Wenn eine Person am Morgen aufwacht und nicht aufstehen mag,

sondern sich von einer Seite zur anderen rollt, ist dies das Genießendes Schlafens,  sayasukha. Wenn ein Meditierender beim SitzenMüdigkeit fühlt und sie nicht notieren mag, weil sie dann

h i d d d d di i d i d i h i ß

7 Die fünf geistigen Fähigkeiten

schläfrig’ – auf diese Weise. Das stimuliert den Geist, er wird aktiviertund wach, und die Schläfrigkeit verschwindet. Manchmal sindMeditierende in einer Situation, in der sie die Schläfrigkeit zur Hälftegenießen und zur Hälfte notieren. Sie bemühen sich nicht genug beim

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  Notieren. Die Meditierenden notieren (langsam) ‚schläfrig (Pause),schläfrig (Pause)’. Diese Schläfrigkeit kann durch aktives Notierenüberwunden werden, indem sie achtsamer, energischer und schneller 

als ‚schläfrig, schläfrig, schläfrig’ benennt wird. Falls dieSchläfrigkeit nicht überwunden werden kann, dann sollte der Meditierende die Augen öffnen und ‚schläfrig, schläfrig, schläfrig’notieren und hoffentlich so in der Lage sein, den trägen Zustand zuüberwinden.

Vielleicht habt ihr eine ähnliche Erfahrung mit Schläfrigkeit wie der Ehrw. Moggallāna, einer der beiden Hauptschüler des Buddha, kurz bevor er die vollständige Erleuchtung verwirklichte. Er hatte die ersteStufe der Erleuchtung,  sot ā patimagga oder Stromeintritt, nach demHören einer von Buddhas Lehrreden verwirklicht, aber für die dreihöheren Stufen der Erleuchtung musste er meditieren. Dies machte er in der Nähe des Dorfes Kallavalaputta im Lande Magadha.

Der Ehrw. Moggallāna praktizierte nur Gehmeditation, dieBewegungen des Fußes beobachtend. Er hatte dabei verschiedeneErfahrungen, u. a. erfuhr er auch zu einem gewissen Grad dieVergänglichkeit, die Unzulänglichkeit und die Unpersönlichkeit der Bewegung des Fußes. Er erkannte die körperlichen Vorgänge und denGeist, der sie beobachtet und notiert.

  Nach sieben Tagen Gehmeditation wurde er allmählich müde undwollte sich hinsetzen. Er ging zu seinem Sitz unter einem Baum,setzte sich nieder und praktizierte Achtsamkeit, aber nach kurzer Zeitf hl i h f h b d d hl f i b hl i

7 Die fünf geistigen Fähigkeiten

sondern war weiterhin schläfrig in der Gegenwart des Buddha, da er sehr müde war.

Da fragte der Buddha: „Moggallāna, Moggallāna, bist du schläfrig,bi t d hläf i ?“ E t i di M t ht d Eh ü di

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 bist du schläfrig?“ Erst in diesem Moment erwachte der Ehrwürdige,und seine Schläfrigkeit verschwand. Daraufhin erklärte ihm der Buddha die sieben Möglichkeiten, um Schläfrigkeit zu überwinden.

Diese Lehrrede trägt den Titel „Zur Überwindung der Schläfrigkeit“.Doch ich möchte jetzt nicht näher darauf eingehen, da uns nicht genugZeit zur Verfügung steht. Eine der Möglichkeiten, die der BuddhaMoggallāna lehrte, war, an den Ohrläppchen zu drehen und zu ziehen.Wenn ihr euch beim Notieren ernsthaft bemüht und die Schläfrigkeitachtsamer, energischer und mit geöffneten Augen notiert und es doch

nicht funktioniert, dann solltet ihr an euren Ohren ziehen und drehen, bis ihr nahezu schreien könntet. Dann wird euer Geist wach und aktivsein, und die Schläfrigkeit wird sicher vergehen.

Des weiteren kann Schläfrigkeit, die durch ein Mangel anAnstrengung oder durch zu starke Konzentration verursacht wird,durch Gehmeditation überwunden werden. Meditiert dann nicht

sitzend weiter, sondern steht auf und geht zügigen Schrittes, energischund schnell. Beobachtet jetzt die Bewegung des Körpers, notiert nicht‚links, rechts’ oder ‚heben, schieben, senken’, sondern notiert es als‚gehen, gehen, gehen’. Auf diese Weise nimmt eure Energie zu unddie Trägheit verschwindet.

Vor ungefähr sechs oder sieben Jahren, als ich ein Meditationsretreatin Thailand leitete, nahmen zwei holländische buddhistische Nonnendaran teil. Die Jüngere berichtete, dass sie sich jeden Morgen in der 

h hl f i f hl d d h h i k

7 Die fünf geistigen Fähigkeiten

für ein Jahr ins Meditationszentrum, um ihre Praxis weiterzuführen.Sie war sehr erfolgreich.

Das Wesentliche ist, dass eure Schläfrigkeit durch die Sammlung oder d rch et as anderes her orger fen ird Bei Schläfrigkeit solltet ihr

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durch etwas anderes hervorgerufen wird. Bei Schläfrigkeit solltet ihr euch beim Notieren mehr anstrengen und jedes Objekt, speziell dieSchläfrigkeit, achtsamer und energischer notieren, dann wird die

Schläfrigkeit verschwinden. Falls sie nicht verschwinden sollte,notiert sie mit offenen Augen, und sie wird sich auflösen. Wenn auchdas nicht funktioniert, dann zieht und dreht an euren Ohren. Und wennselbst das nicht funktioniert, steht auf und geht rückwärts. BeimRückwärtsgehen müsst ihr euch nämlich beim Notieren noch mehr anstrengen, und damit kann die Müdigkeit überwunden werden.

Wenn ihr die fünf geistigen Fähigkeiten auf diese Weise in Balancehaltet, dann werdet ihr in eurer Meditation Fortschritte machen.

8 Wie funktioniert Vipassanā-Meditation?

8. Wie funktioniert Vipassanā-Meditation?

Wir werden heute unseren  Dhamma-Vortrag über die fünf geistigenFähigkeiten,  pa–c’indriya, fortsetzen.  Pañca heißt fünf, indriya bedeutet Fähigkeiten Pañc’indriya bedeutet die fünf Fähigkeiten des

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 bedeutet Fähigkeiten. Pañc indriya bedeutet die fünf Fähigkeiten desGeistes: saddhā, viriya, sati, samādhi und paññā.

Saddhā ist Vertrauen. Dieses Vertrauen ist kein gewöhnlichesVertrauen im konventionellen Sinne, sondern tiefes und festesVertrauen in die drei Juwelen, speziell auch in die Methode der Vipassanā-Meditation.

Viriya, Anstrengung oder Energie bedeutet hier auch keine

gewöhnliche Anstrengung. In Bezug auf die Vipassanā-Meditation benutzte der allwissende Buddha meist das Wort padhāna statt viriya.Viriya ist gewöhnliche Anstrengung, während padhāna unermüdlichesund ernsthaftes Bemühen ist. Deshalb brauchte der Buddha das Wort

 padhāniya-ga, als er uns die fünf Faktoren eines Meditierendenlehrte. Padhāniya-ga ist ein zusammengesetztes Wort: padhāna heißtunermüdliche Anstrengung, a-ga bedeutet Faktor und iya bedeutet

Person oder Meditierender. Padhāniya bedeutet eine Person, die sichunermüdlich anstrengt.  Padhāniya-ga bedeutet die fünf Faktoreneines Meditierenden, der sich ernsthaft und unermüdlich bemüht.Demnach ist viriya nicht gewöhnliche viriya, sondern es ist padhāna,ein ernsthaftes und unermüdliches Bemühen.

Sati, Achtsamkeit, bezieht sich nicht auf eine schwache oder mangelhafte Achtsamkeit, sondern auf eine konstante undkontinuierliche Achtsamkeit.

8 Wie funktioniert Vipassanā-Meditation?

stark und kraftvoll entwickelt sind, kann der Meditierende sein Ziel,das Ende des Leidens, erreichen.

Wie ich in den vorherigen Vorträgen erklärte, müssen sowohl saddhā und paññā Vertrauen und Einsicht als auch viriya und samādhi

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und  paññā, Vertrauen und Einsicht, als auch viriya und  samādhi,Anstrengung und Sammlung, in Balance gehalten werden.

Jetzt möchte ich euch erklären, wie ein Meditierender Einsichterreicht, und wie diese Einsicht die Materie und den Geist, diekörperlichen und geistigen Phänomene, erkennt. Wenn einMeditierender die acht Verhaltensregeln einhält, oder doch wenigstensdie fünf Verhaltensregeln, und damit Reinheit der Sittlichkeit ( sīlavisuddhi) erzielt, ist das für tiefe Sammlung förderlich. Mit einer 

geläuterten Sittlichkeit ist der Geist des Meditierenden klar und scharf,so dass er sich gut auf die Meditationsobjekte konzentrieren kann. DieReinheit der Sittlichkeit ist die Ursache tiefer Sammlung. Aus diesemGrund ist es unerlässlich, dass wir die Verhaltensregeln einhalten,wenn wir meditieren wollen, egal ob es Samatha- oder  Vipassanā-Meditation ist.

Mit der Kraft einer geläuterten Sittlichkeit können Samatha-Meditierende entweder die angrenzende Sammlung (upacāra

 samādhi) oder die volle Sammlung (appanā samādhi) erreichen.  Appanā samādhi bedeutet  jhāna; das ist der Zustand der Vertiefung.Wenn der Geist völlig auf das Meditationsobjekt gerichtet ist undvollkommen in ihm absorbiert ist, wird das jhāna genannt.

Bevor der  Samatha-Meditierende die volle Sammlung (appanā samādhi) erreicht, erreicht er die angrenzende Sammlung (upacāra samādhi), die auch als Nachbarschafts-Sammlung bekannt ist, weil siei d h d ll l h i h f l l f

8 Wie funktioniert Vipassanā-Meditation?

Wenn ein Samatha-Meditierender die angrenzende Sammlungerreicht, ist sein Geist von den Hemmungen oder Geistestrübungen  befreit. Es gibt fünf Hemmungen: Sinnesbegehren, Übelwollen(Abneigung, Ärger, Hass), Trägheit, Rastlosigkeit und Sorgen sowieskeptischer Zweifel an den drei Juwelen Falls irgendeine dieser

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skeptischer Zweifel an den drei Juwelen. Falls irgendeine dieser Hemmungen im Geist des Meditierenden vorhanden ist, kann er sichnicht gut auf das Meditationsobjekt konzentrieren. Nehmen wir an,

dass der Meditierende Gefühle der Abneigung hat. Diese Abneigung  behindert seine Konzentration, sie hemmt das Entstehen vonSammlung. Wenn der Geist hingegen voll auf das Meditationsobjektkonzentriert ist, kann keine dieser fünf Hemmungen im Geistaufsteigen. Der gesammelte Geist kann diese Hemmungenüberwinden oder überwältigen; wir können auch sagen, dass sie

unterdrückt werden. Damit ist der Geist von diesen Hemmungen oder Trübungen gereinigt. Diese Läuterung des Geistes wird durchSamatha-Meditation mit angrenzender Sammlung oder voller Sammlung erreicht.

Der  Vipassanā-Meditierende erreicht weder die angrenzendeSammlung noch die volle Sammlung, sondern die momentane

Sammlung, die ebenfalls in der Lage ist, die fünf Hemmungen zuüberwinden oder zu unterdrücken und sie somit am Entstehen zuverhindern.

Deshalb sagt der Subkommentar zur  Visuddhimagga: „MomentaneSammlung ist der angrenzenden Sammlung ebenbürtig; sie ist fähig,

die fünf Hemmungen zu überwinden oder zu unterdrücken.“ Obwohldie momentane Sammlung genau so stark ist wie die angrenzendeSammlung, upacāra samādhi, wird sie nicht so genannt, weil dieser 

d k f di l i d h di i b

8 Wie funktioniert Vipassanā-Meditation?

der Ruhe für den Samatha-Meditierenden zu tiefem Glück führt, wirddas   jhāna sukha,  jhāna-Glück oder Glück erzielt durch  jhāna-Konzentration genannt.

Wie schon öfter gesagt, muss der Vipassanā-Meditierende auf alles

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Wie schon öfter gesagt, muss der  Vipassanā Meditierende auf allesachtsam sein, was im Körper oder Geist erscheint, so wie es wirklichist. Er hat die verschiedensten geistigen Zustände und körperlichen

Vorgänge als Meditationsobjekt. Was immer in seinem Geist oder Körper auftaucht, muss beobachtet werden, so wie es ist, weil der Zweck der Vipassanā-Meditation die Erkenntnis der wahren Natur der geistigen Zustände und körperlichen Vorgänge ist. Er beschränkt sichnicht auf ein einzelnes Objekt wie der Samatha-Meditierende, der sich bemüht, seinen Geist völlig auf dieses Objekt zu konzentrieren.

Der  Vipassanā-Meditierende braucht einen gewissen Grad anSammlung, die aber nicht so tief sein darf, dass sie dadurch gehindertwird, Einsicht in die geistigen und körperlichen Phänomene zuerlangen. Dieser Grad an Sammlung wird erreicht durch ein achtsamesGewahrsein aller geistigen oder körperlichen Vorgänge, wie sie vonMoment zu Moment auftauchen. Der Geist verbleibt beim gerade

entstandenen Geisteszustand für einen Moment, und wenn dieser geistige Zustand vergangen ist, nimmt er den im nächsten Momententstandenen geistigen oder körperlichen Vorgang als Objekt undverbleibt mit diesem Objekt wieder für einen Moment. So ist der Geistdes Meditierenden kurz auf das jeweilige Objekt konzentriert. Der Geist konzentriert sich auf die auftauchenden Objekte eines nach dem

anderen, so dass die Konzentration kontinuierlich und ununterbrochenwird. Dadurch kann der gesammelte Geist die Trübungen undHemmungen beseitigen. Durch diese momentane Sammlung erreichtd di i d di i h i d i ddh

8 Wie funktioniert Vipassanā-Meditation?

Meditierende die wirkliche Natur der geistigen und körperlichenPhänomene in zwei Aspekten. Der eine Aspekt ist sabhava lakkhaa,die spezifischen oder individuellen Merkmale. Der andere Aspekt ist

 sāmañña lakkhaa, die allgemeinen oder generellen Merkmale.

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Auf den ersten beiden Stufen der Einsicht versteht der Meditierendedie spezifischen Merkmale des Körper-Geist-Vorganges, d. h. der 

körperlichen und geistigen Phänomene. Ab der dritten Stufe der Einsicht versteht er sowohl die spezifischen als auch die allgemeinenMerkmale der körperlichen und geistigen Phänomene. Diespezifischen Merkmale beziehen sich auf jeden geistigen Zustand oder auf jede körperliche oder materielle Einheit. Mit anderen Worten,  jeder geistige Zustand oder körperliche Vorgang hat seine eigenen

spezifischen oder individuellen Merkmale.Wenn wir gemäß dem Mahāsatipahāna Sutta Vipassanā-Meditation praktizieren, beginnen wir meistens mit körperlichen Phänomenen wieder sich hebenden und senkenden Bewegung der Bauchdecke, der Sitzhaltung und der Empfindung der Berührungspunkte oder dem Ein-und Ausatmen. Im Verlauf unserer  Vipassanā-Meditation sollen wir 

 jeweils auf die am deutlichsten hervortretenden Objekte achtsam sein,d. h. entweder auf die geistigen Zustände oder auf die körperlichenVorgänge. Da die körperlichen Vorgänge gewöhnlich deutlicher alsdie geistigen Zustände sind, fangen wir mit ihnen an.

Die körperlichen Vorgänge bestehen hauptsächlich aus den vier 

  primären Elementen: pahavīdhātu, Erdelement, āpodhātu,Wasserelement, tejodhātu, Feuerelement und vāyodhātu,Luftelement. Jedes dieser vier Elemente hat seine spezifischen oder i di id ll k l di di i d dli h d

8 Wie funktioniert Vipassanā-Meditation?

Deshalb werden Härte und Weichheit die spezifischen oder individuellen Merkmale des Erdelementes genannt.

Beim āpodhātu, Wasserelement, ist nicht das Wasser selbst gemeint,sondern seine Merkmale von Flüssigkeit und Kohäsion. Flüssigkeit

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g gund Kohäsion sind die spezifischen oder individuellen Merkmale desWasserelementes.

Tejodhātu, das Feuerelement, bezieht sich nicht auf das Feuer selbst,sondern auf die spezifischen oder individuellen Merkmale der Temperatur, also Hitze und Kälte.

Vāyodhātu, das Wind- oder Luftelement, hat die Merkmale von

Bewegung, Vibration und Widerhalt. Wenn ihr eine Bewegung oder Vibrationen in eurer Meditationspraxis wahrnimmt, spürt ihr  vāyodhātu, das Wind- oder Luftelement, und erkennt seine spezifischenoder individuellen Merkmale.

Wenn wir gemäß der buddhistischen  Abhidhamma-Philosophie vongeistigen Zuständen sprechen, schließen diese geistigen Zustände alle

Bewusstseinsarten und geistigen Begleitfaktoren mit ein. Wir solltendeshalb zwei Gruppen geistiger Zustände unterscheiden: die eineGruppe ist das Bewusstsein selbst, und die andere besteht ausgeistigen Begleitfaktoren oder Geistesfaktoren. Das Bewusstsein istsich nur des Objektes bewusst. Es erkennt das Objekt nicht und merktes sich auch nicht; es ist nicht angenehm oder unangenehm davon

  berührt, und es hat kein Verlangen danach. Deshalb sagen dieSchriften:

l kkh

8 Wie funktioniert Vipassanā-Meditation?

Objektes bewusst ist und sofort wieder vergeht. In diesen Momentendes Wissens entstehen Geistesfaktoren, die cetasika genannt werdenund zusammen mit dem entsprechenden Bewusstsein entstehen. Wennein Bewusstsein entsteht und sich eines Objektes bewusst ist, findetein Kontakt zwischen dem Bewusstsein und dem Objekt statt. In

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Bezug auf das Objekt entsteht dann ein Gefühl, das angenehm,unangenehm oder neutral sein kann. Es gibt auch die Wahrnehmung,

dieses cetasika nimmt das Objekt wahr oder erinnert sich daran. Der geistige Begleitfaktor, der den Geist zum Objekt führt, wirdmanasikāra, Aufmerksamkeit, genannt. Ein anderer Geistesfaktor istdie geistige Lebensfähigkeit, jīvit’indriya.

Diese Geistesfaktoren steigen zusammen mit dem Bewusstsein auf,

wenn es sich des Objektes bewusst ist. Wenn ein Meditierender einvisuelles Objekt wie z. B. eine Blume sieht, ist sich das Bewusstseinder Blume als Objekt bewusst. Doch es weiß nicht, dass es eine Blumeist. Es weiß nur, dass ein Objekt vorhanden ist. Das Bewusstsein wirdvon Geistesfaktoren wie Wahrnehmung, Kontakt, Gefühl oder Empfindung, Aufmerksamkeit, geistige Lebensfähigkeit usw. begleitet. Wenn ein Meditierender nicht ‚sehen, sehen, sehen’ notiert,

dann nimmt das Bewusstsein mit seinen Geistesfaktoren das Objektwiederholt auf und verbleibt beim selben Objekt. Das Bewusstsein mitden Geistesfaktoren selbst entsteht und vergeht von Moment zuMoment. Das Objekt bleibt in diesem Fall aber gleich.

Wenn das Objekt, sagen wir einmal die Blume, für zwei oder drei

Sekunden verbleibt, ist sich das Bewusstsein des Objektes bewusst, esgibt Kontakt, und einer der Geistesfaktoren fühlt ein angenehmes oder unangenehmes Gefühl in Bezug auf die Blume. Die Aufmerksamkeit,

k f h d i i i l i f k

8 Wie funktioniert Vipassanā-Meditation?

Blume haben. Wenn dieses Begehren nicht als ‚begehren, begehren,  begehren’ notiert wird, dann wird das Begehren immer stärker undführt zu Ergreifen oder Anhaften, was upādāna genannt wird.Anhaften bedeutet hier, dass der Geist die Blume festhält und sie nichtmehr loslässt. Auf diese Weise steigen mit Begehren oder Ergreifen

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geistige Trübungen auf, die vom Blumen-Sehbewusstsein und seinenBegleitfaktoren abhängig sind.

Lasst uns noch einmal fragen: „Wann und warum steigen diesegeistigen Trübungen auf?“ Weil das Bewusstsein mit seinenBegleitfaktoren für einige Zeit, zwei, drei oder zehn Sekunden, beimObjekt verweilt. Wenn das Bewusstsein jedoch nicht genug Zeit hat,  beim Objekt zu verbleiben, steigt kein Begehren und keine Trübung

auf. Deshalb muss der Meditierende ‚sehen, sehen, sehen’ notieren,wenn er eine schöne Blume sieht, indem er das Bewusstsein  beobachtet, das die Blume zum Objekt hat. Wenn der Geist dasSehbewusstsein notiert, sieht er, wie es entsteht und dann wieder vergeht. Nach seinem Verschwinden steigt der notierende Geist auf.Wenn dieser notierende Geist kontinuierlich und stark genuggeworden ist, hat das Sehbewusstsein nicht genug Zeit, beim Objekt

zu verbleiben, und das angenehme oder unangenehme Gefühl inBezug darauf steigt nicht auf. Wenn es kein angenehmes oder unangenehmes Gefühl gibt, gibt es kein Begehren und keineAbneigung in Bezug auf diese Blume. So wird die Geistestrübungdurch Einsicht, basierend auf Achtsamkeit und Sammlung, beseitigt.

Deshalb müssen wir alles, was wir sehen, als ‚sehen, sehen’ beobachten. Was immer wir hören, beobachten wir als ‚hören, hören’,und was immer wir riechen als ‚riechen, riechen’. Was immer wir 

h k l h k h k k k ß

8 Wie funktioniert Vipassanā-Meditation?

weitergehen kann, wird es schwach. Allmählich wird der notierendeGeist stärker und notiert kontinuierlich, konstant und ununterbrochen.Wenn er genug stark ist, überwältigt er das Sehbewusstsein, so dassdieses stoppt und verschwindet. Es steigt keine geistige Befleckungauf, weder Begehren und Abneigung noch Eifersucht oder sonsti d i d T b A di G d i d

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irgendeine andere Trübung. Aus diesem Grund müssen wir dasSehbewusstsein beobachten und notieren. Wenn wir ‚sehen, sehen,

sehen’ notieren, erkennen wir manchmal die spezifische Eigenschaftdes Wissens vom Objekt. Das ist die Erkenntnis der spezifischen oder individuellen Eigenschaft des Bewusstseins, citta. Dieses citta hatinsgesamt 52 mögliche Begleitfaktoren, die das Bewusstsein inAbhängigkeit vom Objekt in unterschiedlicher Anzahl begleiten.

Wenn im buddhistischen abhidhamma von geistigen Zuständengesprochen wird, ist sowohl das Bewusstsein als auch seineBegleitfaktoren gemeint. Das Bewusstsein hat die spezifische oder individuelle Eigenschaft des Wissens vom Objekt. Begehren,Ergreifen, Anhaften oder lobha haben die spezifische Eigenschaft desFesthaltens am Objekt. Dosa, Ärger, Hass oder Abneigung haben diespezifische Eigenschaft der Rauheit. Deshalb können wir in diesem

Moment, in dem wir den aufgestiegenen Ärger beobachten, dieEigenschaft der Rauheit erkennen. Wenn wir ‚begehren, begehren, begehren’, ‚verlangen, verlangen’ oder ‚anhaften, anhaften, anhaften’  beobachten, können wir erkennen, dass das Bewusstsein in diesemMoment am Objekt festhält. Wir gelangen zur Erkenntnis der spezifischen oder individuellen Eigenschaft des Begehrens,

Verlangens oder des Anhaftens. Deshalb müssen wir jeden geistigenZustand, der auftaucht, beobachten, so wie er in diesem Moment ist.

h d i b i d k li h h i d

8 Wie funktioniert Vipassanā-Meditation?

ein Selbst noch eine Seele. Weil wir diese Eigenschaften der Geisteszustände und körperlichen Phänomene erkennen, bezeichnenwir sie weder als eine Person noch als ein Lebewesen, sondern nur alseinen natürlichen Vorgang geistiger Zustände und körperlicher Phänomene.

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Möget ihr alle richtig verstehen, wie ihr  Vipassanā-Meditation

 praktizieren sollt. Bemüht euch aufrichtig, um das Ende des Leidenszu verwirklichen.

9 Die vier Arten der Wahrheit

9. Die vier Arten der Wahrheit

Wir werden mit unserer Abhandlung über die fünf geistigenFähigkeiten   saddhā, viriya, sati, samādhi und paññā fortfahren. Alserstes wollen wir  paññā, Einsicht, Erleuchtung, Weisheit oder Wissen,behandeln Aber ich denke bevor ich paññā behandle sollte ich die

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  behandeln. Aber ich denke, bevor ich paññā behandle, sollte ich dieim Buddhismus erwähnten vier Arten der Wahrheit erklären.

Die erste Wahrheit muss erkannt werden, die zweite Wahrheit mussaufgelöst oder aufgegeben werden, die dritte Wahrheit mussverwirklicht werden, und die vierte Wahrheit muss entwickelt werden.Die erste Wahrheit wird auf Pāli  pariññeyya genannt.

 Pariññeyya bedeutet das dhamma, das vom Meditierenden erkanntwerden muss. Die zweite Wahrheit wird pahātabba genannt, was hier   bedeutet: das dhamma, das aufgelöst oder aufgegeben werden muss.Die dritte Wahrheit wird auf Pāli  sacchikātabba genannt: dasdhamma, das verwirklicht werden muss. Die vierte Wahrheit wirdbhāvetabba genannt: das dhamma, das entwickelt werden muss.

Wenn ein Meditierender die erste Wahrheit gründlich erkannt hat,

wird er fähig sein, die zweite Wahrheit aufzugeben. Um die dritteWahrheit zu verwirklichen, muss der Meditierende die zweiteWahrheit auflösen. Um die zweite Wahrheit aufzulösen, muss er dieerste Wahrheit gründlich erkennen, und um die erste Wahrheitgründlich zu verstehen, muss er die vierte Wahrheit entwickeln.

Mit anderen Worten, wenn ein Meditierender die vierte Wahrheitvollständig entwickelt hat, ist er fähig, die erste zu erkennen, undwenn er die erste erkannt hat, dann ist er fähig die zweite aufzugeben.

di i f l h i d i i h i di d i

9 Die vier Arten der Wahrheit

des Leidens, die Befreiung. Die vierte Wahrheit, die vollständigentwickelt werden muss, ist der Edle Achtfache Pfad.

Warum müssen wir die erste Wahrheit, nāma und rūpa, den Körper-Geist-Vorgang, klar erkennen? Weil nāma und rūpa, der Körper-Geist Vorgang die Wahrheit vom Leiden ist Aus der Sicht des

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Geist-Vorgang, die Wahrheit vom Leiden ist. Aus der Sicht desMeditierenden, der sich vom Leiden befreien will, sind alle geistigen

und körperlichen Phänomene Leiden. Der Buddha sagte: „Die fünf Daseinsgruppen des Anhaftens sind Leiden.“

Die fünf Daseinsgruppen des Anhaftens sind:

1) die Daseinsgruppe der Körperlichkeit, rūpa kkhandha 2) die Daseinsgruppe des Gefühls oder der Empfindung, vedanā 

kkhandha 3) die Daseinsgruppe der Wahrnehmung, saññā kkhandha 4) die Daseinsgruppe der Geistesformationen, sa-khāra kkhandha 5) die Daseinsgruppe des Bewusstseins, viññāa kkhandha 

Mit seiner ersten Lehrrede ( Dhammacakkappavattana  Sutta) setzte

der Buddha das Rad des dhamma in Bewegung. Darin beschrieb er dieWahrheit vom Leiden:

„  Jātipi dukkhā, jarāpi dukkhā, vyādhipi dukkhā, maraa+pidukkha+, soka paridevadukkha domanassupāyāsāpi dukkhā.

  Apiyehi sampayogo dukkho, piyehi vippayogo dukkho,  yampiccha+ na labhati, tampi dukkha+. Sa-khittena pa– cūpādānakkhandhā dukkhā.“

9 Die vier Arten der Wahrheit

Dann fasste der Buddha all dieses Leiden in einen Satz zusammen:

„Sa-khittena pañcūpādānakkhandhā dukkhā.“„Kurz gesagt, die fünf Daseinsgruppen des Anhaftens sindLeiden “

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Leiden.

Geburt, Verfall, Krankheit, Tod, Traurigkeit, Sorge, Schmerz undTrauer sind alle in den fünf Daseinsgruppen eingeschlossen. Deshalbsagte der Buddha: „Kurz gesagt, die fünf Daseinsgruppen desAnhaftens sind Leiden.“ Alle Arten des Leidens in der Welt können inden fünf Daseinsgruppen zusammengefasst werden.Anders ausgedrückt können alle Arten des Leidens in der Welt in zweiGruppen zusammengefasst werden: geistiges und körperliches Leiden.Das ist alles. Wenn dieses geistige und körperliche Leiden in fünf Gruppen unterteilt wird, entstehen die fünf Daseinsgruppen desAnhaftens, die ich schon zu Anfang erläuterte.

 Rūpa, die Körperlichkeit, besteht aus einer Daseinsgruppe. Nāma, Geistigkeit, besteht aus vier Daseinsgruppen und zwar: Gefühl,

Wahrnehmung, Geistesformationen und Bewusstsein.

Im letzten Vortrag erklärte ich kurz das Bewusstsein und seineBegleitfaktoren. Bewusstsein hat die Eigenschaft des Wissens vomObjekt. Es ist sich des Objektes bewusst und mehr nicht. Insgesamtgibt es 52 geistige Begleitfaktoren, die in verschiedenenKombinationen zusammen mit dem Bewusstsein in Übereinstimmungmit dem Objekt aufsteigen. Es entstehen nicht immer alle der 52Faktoren zusammen mit dem Bewusstsein. Doch einige dieser 

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9 Die vier Arten der Wahrheit

2) Daseinsgruppe der Wahrnehmung ( sañña kkhandha)3) Daseinsgruppe der Geistesformationen ( sa-khāra  kkhandha);

das sind die übrigen 50 Begleitfaktoren. Darin enthalten sindunter anderem: Kontakt (Bewusstseinseindruck), Wille,Lebensfähigkeit, Achtsamkeit, Begehren, Verlangen, Gier,Hass, Ärger, Abneigung, Unwissenheit, Dünkel, Eifersucht,

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Hass, Ärger, Abneigung, Unwissenheit, Dünkel, Eifersucht,Stolz, Mattheit und Müdigkeit, Rastlosigkeit und Sorgen,

Scham- und Scheulosigkeit.

Eigentlich ist es nicht notwendig, dass ich euch diese Dinge im Detailerkläre, um in der Meditation Fortschritte zu machen, aber ich möchte,dass ihr eine gewisse Kenntnis davon habt.

Wir können es gleich vorwegnehmen, dass diese Daseinsgruppen vonKörper und Geist die Wahrheit des Leidens darstellen, die vomMeditierenden gründlich durchschaut werden müssen. Darum müssenwir alle entstehenden Geisteszustände oder körperlichen Vorgängeachtsam beobachten, wie sie wirklich sind. Das Ziel ist, ihre wahre  Natur zu verstehen. Obwohl es uns nicht bewusst ist, sind diesegeistigen oder körperlichen Vorgänge, die die sogenannte Person, das

Lebewesen oder das Selbst bilden, dem Leiden unterworfen.Außerdem mögen wir nicht glauben, dass das Verlangen (lobha)reich, berühmt oder mächtig zu sein, Leiden ist. Aber es ist tatsächlichso. Es ist Leiden, weil dieses Verlangen entsteht und vergeht. Wennwir etwas sehr stark und übermäßig begehren, fühlen wir unsunbehaglich in Körper und Geist. Das ist Leiden. Aufgrund desVerlangens nach Reichtum müssen wir Tag und Nacht hart arbeiten,um große Mengen Geld zu verdienen. Das ist dann sowohlkörperliches als auch geistiges Leiden.

9 Die vier Arten der Wahrheit

Erfahrung basiert, aufgezeigt. Damit können auch wir uns vom Leiden befreien.

Wenn wir das Leiden nicht als Leiden erkennen, werden wir uns vomLeiden nicht befreien können. Somit werden wir uns weiterhin imOzean des Leidens abmühen. Manchmal wird in den Schriften der 

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Ausdruck „der Ozean des Leidens“ gebraucht. Die ganze Welt ist ein

Ozean von geistigem und körperlichem Leiden. Deshalb sagte der Buddha, dass die erste Wahrheit, die Wahrheit vom Leiden (dukkha sacca), gründlich erkannt ( pariññeyya) werden müsse. Nur wenndukkha sacca, die Wahrheit vom Leiden, klar erkannt worden ist,können wir davon freikommen. Aber um davon frei zu werden,müssen wir nach den Ursachen des Leiden suchen. Dann werden wir herausfinden, dass die Ursache des geistigen oder körperlichenLeidens ta-hā, Begehren, ist.

Ta-hā deckt alle Bedeutungen ab wie Gier, Lust, Begehren,Anhaftung, Verlangen, Liebe usw. Wenn wir also von ta-hā sprechen,schließen wir alle diese Bedeutungen mit ein. Ta-hā ist die Ursachedes Leidens. Jetzt verstehen wir erst richtig, warum uns der Buddha

lehrte, dass ta-hā die Ursache aller Arten von Leiden ist. Ta-hā ist dieunmittelbare Ursache des Leidens. Warum entsteht ta-hā? Warumentsteht Begehren nach Geistigem und Körperlichem? Was ist dieUrsache des Begehrens? Die Ursache des Begehrens ist Unwissenheit,die Unwissenheit in Bezug auf  dukkha sacca, die Wahrheit vomLeiden. Die Unwissenheit in Bezug auf geistiges sowohl alskörperliches Leiden verursacht das Entstehen von Begehren.Begehren, ta-hā, ist die unmittelbare Ursache des Leidens.Die Unwissenheit ist die Wurzel des Leidens, und wenn wir nichtl id ll i di l b i i d i di

9 Die vier Arten der Wahrheit

Worte werden manchmal als Illusion übersetzt, was ab und zu besser  passt für moha). Unwissenheit oder das Nicht-Verstehen der Wahrheitdes Leidens ist die Wurzel des Leidens. Wenn wir fähig sind, avijjā durch vijjā, rechte Ansicht oder Erkenntnis, zu ersetzen, können wir die Wurzel des Leidens kappen. Deswegen müssen wir  nāma undrūpa, die Vorgänge des Geistigen und Körperlichen, richtig verstehen.

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p , g g g p , gDann kann die Unwissenheit überwunden werden, und die Wurzel des

Leidens ist abgeschnitten.

Wenn wir  nāma und rūpa, geistige und körperliche Phänomene,verstehen, erkennen wir sie in zwei Aspekten, die ich kurzwiederholen möchte. Einer dieser Aspekte ist sabhāva  lakkhaa, diespezifischen oder individuellen Merkmale von nāma und rūpa. Der andere Aspekt sind die allgemeinen oder generellen Merkmale vonnāma und rūpa. Das Erkennen dieser zwei Aspekte des dhamma istsehr wichtig für einen Meditierenden. Diese Erkenntnis wird durchtiefe Sammlung erreicht, die durch konstante und kontinuierlicheAchtsamkeit erlangt wird, die wiederum auf stetem Bemühen ruht. Ineinem früheren Vortrag erklärte ich euch die spezifischen oder individuellen Merkmale der vier primären Elemente. Die spezifischen

oder individuellen Merkmale sind verkörpert durch die Eigenschaftender vier primären Elemente: Erde, Wasser, Feuer und Luft. Icherklärte auch, dass jeder geistige Zustand und körperliche Vorgangseine eigenen spezifischen Merkmale hat.

Die allgemeinen Merkmale sind die Merkmale, die zu allenGeisteszuständen oder körperlichen Vorgängen gehören. Diese sindnichts anderes als anicca, dukkha und anattā, also Unbeständigkeitoder Vergänglichkeit, Leiden oder Unbefriedigtsein und

li h d k i lb k i l i d i

9 Die vier Arten der Wahrheit

Merkmale. Wenn ein Meditierender die geistigen oder körperlichenPhänomene klar erkennt, erfährt er zuerst die spezifischen Merkmale.Erst dann wird der Meditierende die drei allgemeinen oder generellenDaseinsmerkmale der geistigen oder körperlichen Phänomene, anicca,dukkha und anattā, richtig und klar erfahren. Erst wenn der Meditierende diese drei allgemeinen Merkmale der Unbeständigkeit,

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Leidhaftigkeit und unpersönlichen Natur selbst erfahren oder klar 

verstanden hat, kann gesagt werden, dass der MeditierendeFortschritte in seiner Meditation gemacht hat.

Vipassanā- oder Einsichts-Meditation bedeutet die Verwirklichungoder das richtige Verständnis dieser drei allgemeinen oder generellenDaseinsmerkmale. Aber erst ab der dritten Stufe der Einsicht fängt der Meditierende an, diese drei Daseinsmerkmale der Unbeständigkeit,Leidhaftigkeit und unpersönlichen Natur richtig zu verstehen.

Die Unpersönlichkeit oder die Nicht-Selbst-Natur der geistigen oder körperlichen Phänomene wird allerdings schon von der ersten Stufeder Einsicht an verstanden, aber noch nicht vollkommen klar. Wennihr eine schmerzhafte Empfindung beobachtet, bedeutet das, dass ihr 

achtsam auf die Daseinsgruppe des Gefühls oder der Empfindung,vedanā kkhandha, seid. Diese Daseinsgruppe muss gründlichverstanden werden, so wie sie wirklich ist. Wenn der Meditierendeeine schmerzhafte Empfindung hat, so ist er ein Glückspilz! Er hateine gute Gelegenheit, die wahre Natur von vedanā kkhandha, der Daseinsgruppe des Gefühls oder der Empfindung, zu verstehen. Eswird ihm eine gute Gelegenheit gegeben, sowohl die spezifischenMerkmale des Schmerzes, des vedanā kkhandha, als auch dieallgemeinen Merkmale des Schmerzes, seine Unbeständigkeit, seine

idh f i k i d i li h i h i h

9 Die vier Arten der Wahrheit

Mönch, der  Vipassanā-Mediation praktizierte, krank. Er litt anBauchkrämpfen. Er beobachtete und notierte die schmerzhafteEmpfindung, aber sie wurde zunehmend intensiver. Er bemühte sichernsthaft, den Schmerz zu beobachten und notierte ‚Schmerz,Schmerz, Schmerz’. Aber letztendlich konnte er ihn nicht mehr ertragen. Er stöhnte und rollte sich im Bett von einer Seite auf die

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andere, ohne achtsam zu sein.

Einer seiner Schüler, der, wie ich denke, ein arahat  gewesen seinmusste, bat den Mahāthera: „Ehrwürdiger, du bist ein guter Meditierender, du brauchst dem Schmerz nicht nachzugeben. Dusolltest dich bemühen, ihn zu lieben. Indem du den Schmerz beobachtest, kannst du seine wahre Natur erkennen und Fortschritte indeiner Meditation machen.“ Der Mahāthera war durch den Rat seinesSchülers, mit seiner Praxis fortzufahren, beschämt, und geduldignotierte er wieder die schmerzhafte Empfindung als ,Schmerz,Schmerz, Schmerz’. Weil er nun den Schmerz äusserst achtsam  beobachtete, wurde sein Geist immer konzentrierter, so dass er mitdem Geist in den Schmerz eindringen konnte. Aufgrund der tiefenSammlung entstand Einsicht in die unangenehme Natur des

Schmerzes. Er sah sie als Wellen von unangenehmen Empfindungen,die eine nach der anderen entstanden und wieder vergingen.

Auf diese Weise erkannte er die allgemeinen Daseinsmerkmale der schmerzhaften Empfindung. Er sah das ständige Entstehen undVergehen der Empfindung. Er verstand, dass es nur eineunangenehme und sich ständig verändernde Empfindung war,unablässig entstehend und vergehend. Er sah den Schmerz nicht alsein Ich, mein, eine Person oder ein Lebewesen an. Der Schmerz war 

d ih i i d k d h

9 Die vier Arten der Wahrheit

Das bedeutet: „Das Merkmal eines schmerzhaften Gefühles ist dieErfahrung von unerwünschten, fühlbaren Dingen.“ So wird der Meditierende zuerst das spezifische Merkmal der Schmerzeserkennen, und nach eifrigem Beobachten des Schmerzes wird er diedrei allgemeinen Merkmale verstehen, das Entstehen und Vergehen

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der schmerzhaften Empfindung, also ihre Unbeständigkeit, ihre

Leidhaftigkeit und ihre Unpersönlichkeit. Der Schmerz ist nur eineErscheinung von Gefühl oder Empfindung.

In kurzer Zeit durchlief er mit seinen meditativen Erfahrungen dieverschiedenen Stufen, so dass er schließlich Arahatschaft, alsovollständiges Erwachen, verwirklichte. Damit verschwand auch dieschmerzhafte Empfindung. Er wurde ein arahat , indem er die dritteWahrheit, das Ende des Leidens, nirodha sacca, verwirklicht hatte;die Wahrheit, die verwirklicht werden muss.

Warum war er fähig, die dritte Wahrheit, das Ende des Leidens, zuverwirklichen? Weil er die vierte Wahrheit, den Edlen AchtfachenPfad, voll entwickelt hatte. Der Edle Achtfache Pfad schließt, wie ihr 

wisst,   sammā dihi, rechte Ansicht, ein. Er erkannte den Schmerzvollkommen richtig. Er enthielt sich falscher Rede, falscher Handlungen und falschen Lebenserwerbs durch   sammā sa-kappa,rechter Gesinnung,   sammā vācā, rechter Rede,   sammā kammanta,rechter Handlungen und   sammā ājīva, rechtem Lebenserwerb. Dann  bemühte er sich ernsthaft und strengte sich beim Notierenentsprechend an. Diese Anstrengung ist sammā vāyāma. Nun war der Geist äusserst achtsam auf den Schmerz. Diese Achtsamkeit ist

  sammā sati. Der Geist war völlig auf die schmerzhafte Empfindungk i d di l i dh

9 Die vier Arten der Wahrheit

 Er sah die schmerzhafte Empfindung nicht mehr als ich, mein, einePerson oder ein Lebewesen an. Vielmehr sah er sie als einennatürlichen Vorgang der geistigen und körperlichen Phänomene an,sich ständig ändernd, entstehend und vergehend. Da er dieschmerzhafte Empfindung nicht als eine Person oder ein Lebewesen

h k k i B h f i A f d d E k i d

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ansah, konnte kein Begehren aufsteigen. Aufgrund der Erkenntnis der 

spezifischen und allgemeinen Merkmale der schmerzhaftenEmpfindung wurde Begehren, ta-hā, die zweite Wahrheit, dieaufgegeben werden muss, entfernt. Weil es nun kein ta-hā mehr gab,konnte auch kein Leiden mehr aufsteigen. Dadurch verwirklichte er das Ende des Leidens, die dritte Wahrheit, nirodha sacca. Die zweiteWahrheit nennt sich   samudaya sacca, die Ursache des Leidens. Diedritte Wahrheit ist nirodha sacca, das Ende des Leidens. Der Mahāthera hatte hier einen sehr guten Schlüssel, um das Tor zumnibbāna, die dritte Wahrheit, zu öffnen. Was war dieser Schlüssel?Die schmerzhafte Empfindung. Aus diesem Grund sagte ich, dass einMeditierender sehr glücklich sein solle, wenn er schmerzhafteEmpfindungen hat, da er den besten Schlüssel besitzt, um das Tor zumnibbāna zu öffnen. Aber er braucht auch viel Geduld, um die

schmerzhafte Empfindung beobachten zu können.Ihr könnt ebenfalls Meditierende sein, die durch das Benutzen diesesSchlüssels - einer schmerzhaften Empfindung - die Erlösung vomLeiden verwirklichen.

Ich stelle euch nun eine Frage: „Ist der Schmerz zu fürchten oder zulieben?“ Die Antwort ist: „Lieben.“ Ihr müsst ihn lieben, dann habt ihr eine(n) Geliebte(n) in jeder Sitzmeditation.

ih ll i h i h i h i h h f

10. Bedingte Entstehung

10. Bedingte Entstehung

10.1 Darlegung

Gestern behandelten wir kurz die Vier Edlen Wahrheiten und wie einMeditierender die erste Wahrheit, die Wahrheit vom Leiden, durch

i i E f h d h di kt E f h d dh k

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seine eigene Erfahrung, d. h. direkte Erfahrung des dhamma, erkennen

kann. Heute werden wir mit diesem Thema fortfahren. Niemandmöchte im geringsten leiden. Jeder möchte glücklich und zufriedensein. Niemand möchte auch nur irgendeine Art von Leiden haben. DasLeiden, dukkha, hat drei Formen:

1. dukkha dukkha normal empfundenes Leiden2. vipari-āma dukkha Leiden durch Veränderung3. sa-khāra dukkha das inhärente Leiden infolge

  bedingt entstandener Phäno-mene

Alle diese drei Formen des Leidens entstehen aufgrund geistiger undkörperlicher Phänomene, nāma und rūpa. Es sollte untersucht werden,

wie dieses nāma und rūpa entsteht. Gemäß der buddhistischen Lehremachen die geistigen und körperlichen Phänomene, nāma und rūpa,die sogenannte Person oder das Lebewesen aus.Wie kommt es also zur Existenz einer Person oder eines Lebewesens?Jeder, der am Dasein hängt, ist der Wiedergeburt unterworfen.Aufgrund dieser Anhaftung am Dasein werden die Lebewesenwiedergeboren. Wenn sie wiedergeboren werden, besteht dieseWiedergeburt aus nāma und rūpa, geistigen und körperlichenPhänomenen. Diese geistigen und körperlichen Phänomene, die alsi d i b h d h b di

10. Bedingte Entstehung

Handlungen führt, um das Begehrte zu erlangen. Heilsame

Handlungen sind kusala kamma, und unheilsame Handlungen sindakusala kamma. Heilsame oder unheilsame Handlungen werden alsodurch Begehren, ta-hā, verursacht. Wenn das Begehren schwach ist,wird es ta-hā genannt, doch wenn es an Stärke gewinnt, wird esErgreifen, upādāna, genannt. Man wird wiedergeboren, weil manergreift

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ergreift.

Wenn die Lebewesen heilsame oder unheilsame Handlungenausführen, werden sie wiedergeboren. Unheilsame Handlungenerzeugen eine Wiedergeburt in beklagenswerten Existenzebenen oder ein miserables Leben in der Menschenwelt, während dagegenheilsame Handlungen entweder zu einem luxuriösem Leben alsMensch oder sogar zu einem Leben als deva oder  brahma in denhimmlischen Daseinsbereichen führen. Aufgrund unheilsamer Handlungen wird jemand in den niederen Welten wiedergeboren, z. B.als Tier, in der Hölle oder im Daseinsbereich der hungrigen Geister.Jede Form von Existenz, sei es nun in den höheren oder niederenDaseinsbereichen, besteht aus nāma und rūpa, geistigen undkörperlichen Phänomenen.  Nāma und rūpa entstehen bedingt durch

heilsame oder unheilsame Handlungen, die kamma genannt werden.

 Kamma entsteht bedingt durch Ergreifen, starkes und heftigesBegehren. Das Ergreifen, upādāna, entsteht bedingt durch schwachesBegehren, ta-hā, welches wiederum bedingt entsteht durch Gefühloder Empfindung, angenehm, unangenehm oder weder-angenehm-noch-unangenehm. Das Gefühl oder die Empfindung entsteht durchden Kontakt, phassa, erzeugt durch den rein geistigenBewusstseinseindruck durch die sechs Sinnestore und den sechs

i bj k i h i i d i ih i h

10. Bedingte Entstehung

Aufgrund des Auges und eines sichtbaren Objektes entsteht Kontakt

zwischen den beiden. Darauf entsteht das Sehbewusstsein, welchesdas Sehobjekt sieht. Dieses Bewusstsein des Sehens eines sichtbarenObjektes wird cakkhu viññāa genannt, Sehbewusstsein.Wie ich bereits sagte, gibt es Geistesfaktoren, cetasika, die zusammenmit dem Bewusstsein entstehen wie z. B. Gefühl, Wahrnehmung,Achtsamkeit Wille Lebensfähigkeit Einspitzigkeit usw Wenn nun

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Achtsamkeit, Wille, Lebensfähigkeit, Einspitzigkeit usw. Wenn nun

einer der Geistesfaktoren, der zusammen mit dem Bewusstseinaufsteigt, dieses Objekt als gut beurteilt, entsteht eine angenehmeEmpfindung. Wenn der Geistesfaktor es als schlecht beurteilt, entstehtAbneigung, Ärger oder eine unangenehme Empfindung. Aufgrund der angenehmen Empfindung entsteht Begehren nach dem Objekt.Aufgrund der unangenehmen Empfindung entsteht das Verlangennach einer angenehmen Empfindung. Beides ist Begehren, ta-hā,

 bedingt entstanden durch angenehme oder unangenehme Gefühle oder Empfindungen, vedanā, die ihrerseits bedingt entstanden sind durchden Kontakt zwischen den sechs Sinnestoren und den sechsSinnesobjekten.

Wie entstehen die sechs Sinnestore, sa%āyatana? Sie entstehen bedingt

durch den unaufhörlichen Vorgang der geistigen und körperlichenPhänomene. Nur wenn der Vorgang von nāma und rūpa existiert,entstehen Auge, Nase, Ohr, Zunge usw. Die Augen kontaktieren dasSehobjekt, wenn es ein solches gibt, die Ohren kontaktieren dasHörobjekt, wenn es ein solches gibt usw. Auf diese Weise verursachendie sechs Sinnestore das Entstehen des Bewusstseinseindruckes. Diesechs Sinnestore entstehen bedingt durch nāma und rūpa, und diesegeistigen und körperlichen Phänomene wiederum entstehen durch daserste Bewusstsein in dieser Existenz. Wir nennen das  paisandhi

d i d b b i d

10. Bedingte Entstehung

Wenn diese Handlungen nicht mit Begehren verbunden sind, wird

niemand wiedergeboren, weil es dann kein Begehren nach neuemDasein gibt.Obwohl heilsame oder unheilsame Handlungen ausgeführt werden,wird es keine Wiedergeburt geben, wenn diese Handlungen nicht mitBegehren verbunden sind. Nur wenn diese Handlungen mit Begehrenverbunden sind wird es Wiedergeburt geben Verbunden“ bedeutet

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verbunden sind, wird es Wiedergeburt geben. „Verbunden bedeutet

hier, dass der Handlung manchmal Begehren vorausgeht, manchmalwird die Handlung von Begehren begleitet.Auch wenn Handlungen mit Begehren verbunden sind, so ist doch dieUrsache dieser Handlungen Ergreifen, eine stärkere Form desBegehrens. Dieses wird durch das Begehren verursacht.Warum entsteht nun dieses Ergreifen? Weil das Leiden des Daseinsnicht richtig erkannt wird.

Wenn wir also existieren oder ins Dasein gekommen sind, bestehtdiese Existenz aus geistigen und körperlichen Phänomenen. Unddamit ist sicher, dass wir auch leiden werden, da weder geistige nochkörperliche Phänomene beständig sind. Sie entstehen und vergehensofort wieder. Das sogenannte Dasein oder Leben ist in Wirklichkeit

eine Abfolge von sich ständig verändernden Phänomenen, die nichteinmal den Bruchteil einer Sekunde andauern. Dies wird  sa-khāradukkha genannt, Leiden durch Entstehen und Vergehen. Und weil wir nicht erkennen, dass das Dasein aus sich ständig veränderndenPhänomenen besteht, denken wir, dass unser Leben wenigstens biszum Tode beständig ist.

Weil wir die geistigen und körperlichen Phänomene nichtdurchschauen, wir also unwissend oder verblendet sind, möchten wir 

i d b d f d d i h i f li

10. Bedingte Entstehung

Die Abfolge der bedingten Entstehung

  Avijjā paccayā sa-khārā durch Unwissenheit (zusammen mitBegehren) bedingt entstehen Handlungen, sa-khāra.

Durch solche heilsamen oder unheilsamen Handlungen wird, wie ichschon sagte, eine Wiedergeburt erzeugt. Die in der letzten Existenz

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schon sagte, eine Wiedergeburt erzeugt. Die in der letzten Existenz

vollbrachten Handlungen sind die Ursache, und dasWiedergeburtsbewusstsein ist die Folge. Sa-khārā paccayā viññāa - durch Handlungen bedingt entsteht Bewusstsein, viññāa. Nach dem Vergehen des Wiedergeburtsbewusstseins folgen sich vieleweitere, verschiedene Bewusstseinsvorgänge, die entstehen undvergehen, sowie auch körperliche Phänomene. Auf diese Weise spieltsich der unaufhörliche Vorgang von geistigen und körperlichen

Phänomenen ab. Das nennt sich viññāa paccayā nāma rūpa (durchBewusstsein bedingt entsteht die Geist-Körperlichkeit).  Geistige undkörperliche Phänomene entstehen bedingt durch das ersteBewusstsein, das Wiedergeburtsbewusstsein,   paisandhi viññāa,genannt wird. Somit entsteht der unaufhörliche Vorgang vonBewusstsein und geistigen Phänomenen. Und ebenso entstehen die

sechs Sinnesgrundlagen oder Sinnestore, d. h. Auge, Ohr, Nase,Zunge, Körper und Geist. Diese sechs Sinnesgrundlagen werden sa%āyatana genannt. So heisst es nāma rūpa paccayā sa%āyatana( durch Geist-Körperlichkeit bedingt entstehen die sechs Sinnestore).Die sechs Sinnestore oder Sinnesgrundlagen entstehen bedingt durchden unaufhörlichen Vorgang von geistigen und körperlichenPhänomenen. Mit dem Vorhandensein der sechs Sinnestore kommt

das Auge in Kontakt mit einem Sehobjekt, das Ohr kommt in Kontaktmit Geräuschen, die Nase kommt in Kontakt mit Gerüchen, die Zungek i k i h k d k i k

10. Bedingte Entstehung

Durch den Bewusstseinseindruck entsteht ein angenehmes,

unangenehmes oder ein weder-angenehmes-noch-unangenehmesGefühl. So heisst es  phassa    paccayā vedanā – durchBewusstseinseindruck bedingt entsteht Gefühl, vedanā. Durch dasGefühl entsteht Begehren, Verlangen, Lust, Liebe, Anhaftung an dasObjekt, sei es nun ein Sehobjekt, Hörobjekt, Riechobjekt,Schmeckobjekt, fühlbares Objekt oder Geistobjekt. Das Gefühl ist die

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j , j j

Ursache des Begehrens oder der Anhaftung, ta-hā. Das heisst dannvedanā paccayā ta-hā - durch Gefühl bedingt entsteht Begehren,ta-hā .. Das Gefühl oder die Empfindung verursacht das Entstehen desBegehrens. Wenn nun das Begehren immer stärker wird, weil der Meditierende es weder beobachtet noch notiert, entsteht Ergreifen,upādāna. So heißt es ta-hā   paccayā upādāna – durch Begehren bedingt entsteht Ergreifen, upādāna. Aufgrund des starken Begehrens,

upādāna, nach dem Seh- oder Hörobjekt, oder nach Wiedergeburtoder einer anderen Existenz, werden heilsame oder unheilsameHandlungen ausgeführt. Diese Handlungen entstehen aufgrund desErgreifens, upādāna. So heisst es upādāna paccayā bhavo. Hier  bedeutet bhava heilsame oder unheilsame Handlung. Das wird kammabhava genannt. Diese heilsame oder unheilsame Handlung erzeugt das

Wiedergeburtsbewusstsein in der folgenden Existenz und damit wirdauch die Wiedergeburt in einer neuen Existenz, kamma bhava,angelegt. Upādāna paccayā bhavo - durch Ergreifen bedingt entstehtWerden, bhava.Deshalb sind heilsame und unheilsame Handlungen der früherenExistenz die Ursache des Wiedergeburtsbewusstseins in der nächstenExistenz. Aber keine dieser Handlungen oder geistigen Zustände

wandert in das andere Dasein hinüber. Alle verbalen oder körperlichenHandlungen, die von cetanā (Wille) begleitet werden, entstehen und

h i d b ib i k i h f d di

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10. Bedingte Entstehung

domanassupāyāsā sambhavanti - Sorge, Kummer, Jammern, Schmerz,

Trauer, Verzweiflung werden auch durch Geburt verursacht.

Dann sagte der Buddha weiter  evametassa kevalassadukkhakkhandhassa samudayo hoti - So entsteht dieser große HaufenElend im Leben.

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Leben bedeutet eine Abfolge von Leiden, aber wir sind uns dessennicht klar. Wir sind verblendet und täuschen uns selbst, indem wir unsvormachen, das Leben wäre dauerhaft, auch wenn keine der geistigenund körperlichen Phänomene dauerhaft sind. Wir nehmen an, dass diePerson, das Selbst oder die Seele ewig währen, weil wir den sichständig ändernden Vorgang des sogenannten Daseins nicht richtigverstehen. So haften wir am Dasein an, und dieses Anhaften selbst

verursacht wieder neues Dasein. Vom ersten Bewusstsein dieser Existenz bis zum letzten Bewusstsein dieser Existenz sind wir fortwährend von Leiden betroffen, sowohl körperlich als auch geistig.

Ich denke, ihr habt diese kurze Zusammenfassung des Gesetzesursächlicher Beziehungen verstanden. Man nennt es bedingte

Entstehung,   paicca samuppāda. Abschließend sagte der Buddha:„Auf diese Weise entsteht ein großer Haufen Elend aufgrund vonUrsache und Wirkung oder gemäß dem Gesetz des bedingten oder ursächlichen Entstehens.“

Alles Leiden wurde vom Buddha in drei Arten unterteilt. Die erste Artist dukkha dukkha, die zweite vipari-āma dukkha und die dritte

 sa-khāra dukkha. Dukkha dukkha bedeutet gewöhnliches Leiden, dasvon den Lebewesen mühelos als körperlicher oder geistiger Schmerz

h i d i i id b i h l i k i

10. Bedingte Entstehung

Glücksgefühl wird als  sukha und nicht als dukkha bezeichnet. Aber 

dieses Glück dauert nicht wirklich an, es entsteht und vergeht, undinnerhalb kurzer Zeit verändert es sich und wird zu Leiden,  sukha wird zu dukkha. Das wird Leiden durch Veränderung genannt.

Die dritte Art ist   sa-khāra dukkha; Leiden, das durch das konstanteEntstehen und Vergehen der Phänomene verursacht wird. Jedes

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Phänomen, geistig oder körperlich, entsteht und vergeht sofort wieder.Es dauert nicht einmal den millionsten Teil einer Sekunde. Wenn einMeditierender dieses konstante Entstehen und Vergehen jedesgeistigen Zustandes und körperlichen Vorganges mit seiner scharfenEinsicht durchdringt, erkennt er es letztendlich als unbefriedigend, alsdukkha, als Leiden. Er sieht es nicht mehr als erfreulich an, da er dasimmerwährende und konstante Entstehen und Vergehen erkennt.

Manchmal erlebt der Meditierende ein Glücksgefühl, da seineKonzentration gut und die Einsicht sehr klar ist. Er notiert ‚glücklich,glücklich, glücklich’. Wenn er sich gut auf das Glücksgefühlkonzentrieren kann, erkennt er, dass das Glücksgefühl nicht langeandauert. Das Glücksgefühl entsteht, er notiert es, und dann vergeht eswieder. Darauf entsteht ein weiteres Glücksgefühl, das aber auch

wieder vergeht, nachdem er es beobachtet und notiert hat. Auf dieseWeise erkennt er, dass das Glücksgefühl mit jedem Notieren vergeht,und er versteht: „Das ist dukkha, Leiden, das unaufhörliche undkonstante Entstehen und Vergehen der Phänomene.“ Somit kommt er zur Erkenntnis, dass diese geistigen oder körperlichen Vorgängeunbefriedigend und leiderzeugend sind, da keiner von ihnen dauerhaft,sondern vergänglich und unbeständig ist.

Meditierende müssen dieses   sa-khāra dukkha verstehen. Diek i d kkh d kkh d d kkh i h i h

10. Bedingte Entstehung

er nirgends eine eigenständige Person, eine ewig währende Seele oder 

ein beständiges Selbst, und er realisiert anattā, Unpersönlichkeit oder   Nicht-Selbst. Erst dann wird er nicht mehr an irgendeinem der geistigen Zustände oder körperlichen Vorgänge anhaften, die einesogenannte Person oder ein sogenanntes Lebewesen ausmachen.

Möget ihr alle diese Daseinskette sowie den Strom des Leidens richtig

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verstehen und euch ernsthaft bemühen, davon loszukommen.

10.2 Die Aufhebung des Leidens

In unserem letzten Vortrag befassten wir uns mit der bedingtenEntstehung oder dem Gesetz der Kausalbeziehung, was als paicca

 samuppāda cakka bezeichnet wird. Paicca samuppāda bedeutet dasGesetz der Kausalbeziehung, und cakka bedeutet Rad. So kann manden Ausdruck als ‚das Rad der Kausalbeziehung’ oder besser als ‚dasRad der bedingten Entstehung’ übersetzen. Wenn eine Ursacheauftritt, dann entsteht eine Wirkung, und diese Wirkung wirdwiederum zu einer Bedingung und Ursache für die folgende Wirkung.

Auf diese Weise endet die Kette von Ursache und Wirkung nie,sondern setzt sich immerzu als Rad der bedingten Entstehung fort.Darum wird es das Rad der bedingten Entstehung, paicca samuppāda cakka, genannt.Wenn wir uns nun in dieser „Tretmühle“ oder im Rad der bedingtenEntstehung befinden, wie können wir davon loskommen? Der Buddhasagte, dass es die Unwissenheit sei, die die Lebewesen im Rad der 

  bedingten Entstehung weiterdrehen lasse. Falls die Unwissenheitdurch rechte Ansicht oder Weisheit ersetzt wird, dann können wir di i li d d hb h d d l k

10. Bedingte Entstehung

Rad der bedingten Entstehung konstituieren, ist in der Lage, diesen

Zyklus zu durchbrechen und ermöglicht es uns, davon loszukommen.

Deshalb sagte der Buddha: „Die erste Wahrheit, die Wahrheit vomLeiden, dukkha sacca, ist pariññeyya, d. h. sie muss gründlich erkanntund richtig verstanden werden.“ Das Rad der bedingten Entstehung besteht aus nāma und rūpa, geistigen und körperlichen Phänomenen,

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welche die Wahrheit vom Leiden sind. Falls wir fähig sind, eines der Glieder dieses Rades der bedingten Entstehung richtig zu verstehen,können wir es mit Bestimmtheit durchtrennen und davon loskommen.

Das Rad der bedingten Entstehung besteht aus geistigen undkörperlichen Phänomenen. Anders ausgedrückt können wir sagen,dass das Rad der bedingten Entstehung aus den fünf Daseinsgruppen

des Anhaftens besteht. Die Daseinsgruppen der Körperlichkeit, der Gefühle, der Wahrnehmung, der Geistesformationen und desBewusstseins. Der Buddha sagte also, dass mit der Fähigkeit, einedieser fünf Daseinsgruppen zu verstehen, wir vom Zyklus der   bedingten Entstehung loskommen und uns vom Leiden befreienkönnten. Wir wurden wiedergeboren wegen der in einem früheren

Leben ausgeführten Handlungen und der Anhaftung an die Existenz.Diese Handlungen werden durch Ergreifen ausgeführt, dem starkenVerlangen, wiedergeboren zu werden. Sowohl die ausgeführtenHandlungen als auch das Ergreifen entstehen durch Begehren, ta-hā.Dieses Begehren, ta-hā, entsteht durch Gefühle oder Empfindungen.Diese Gefühle können in sechs Arten unterteilt werden, abhängig vonihrem Entstehen: das Gefühl entstanden durch Sehbewusstsein, das

Gefühl entstanden durch Hörbewusstsein, das Gefühl entstandendurch Riechbewusstsein, das Gefühl entstanden durch

h kb i d f hl d d h b i

10. Bedingte Entstehung

Leiden wird durch dieses Begehren verursacht. Dieses Begehren ist

die unmittelbare Ursache aller Arten von Leiden in dieser Existenzund in den folgenden Existenzen. Der Buddha bezeichnete ta-hā als

  samudaya sacca, die Quelle des Leidens oder die unmittelbareUrsache des Leidens. Wenn wir irgendetwas begehren oder an etwasanhaften, sei es irgendein Lebewesen oder etwas Unbelebtes, ist essicher, dass wir durch dieses Begehren nach diesem Wesen oder Ding

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letztendlich leiden werden. Wenn wir an unseren Eltern, unserer Familie, unseren Söhnen und Töchtern oder unseren Freundenanhaften, ist es sicher, dass aufgrund dieser Anhaftung Leidenentsteht. Nehmen wir an, wir haften an unserer Freundin an, wir liebensie und empfinden eine starke Zuneigung für sie, aber eines Tagesstirbt sie an einer Krankheit. Wir sind traurig und betrübt, undmanchmal trauern wir um ihren Tod. Dieser Kummer ist dukkha oder 

geistiges Leiden, und wenn wir zwei oder drei Monate um unsereFreundin trauern, entsteht dazu körperliches Leiden. Auf diese Weiseverursacht Anhaftung Leiden.Falls wir sogar an unserer Meditation anhaften, kann dies sehr vielgeistiges und körperliches Leiden verursachen. Wenn wir ehrgeizigum Fortschritte bemüht sind und uns Tag und Nacht anstrengen, aber 

trotzdem nicht in der Lage sind, die erhofften Fortschritte zu machen,werden wir enttäuscht oder betrübt sein. Manchmal ärgern wir unsüber unsere schlechten Fortschritte, und manchmal sind wir verzweifelt, weil wir denken, dass unsere Meditation hoffnungslos ist.Die Enttäuschung, die Betrübnis, die Sorge oder dieHoffnungslosigkeit ist das Resultat oder die Wirkung unserer Anhaftung an der Meditation oder dem Begehren nach Fortschritten.

Deshalb führt auch Anhaftung an Meditation zu Leiden. Was solltenwir machen, wenn Anhaftung an unsere Meditation besteht?

10. Bedingte Entstehung

Sammlung des Geistes werden einige Gedanken auftauchen, der Geist

schweift ab und wandert hierhin und dorthin. Wir beobachten undnotieren ‚denken, denken’, doch je mehr wir die Gedanken notieren,desto häufiger treten sie auf. Durch den Misserfolg in der Meditationsind wir betrübt und manchmal ist uns zum Weinen zumute. Wir leiden am Verlust der guten Erfahrung, die wir gestern oder vorgestern hatten. Dieses geistige Leiden wird durch Anhaftung an

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den guten Erfahrungen verursacht, und somit wirkt sich Anhaftung,ta-hā, nachteilig für uns aus. Falls es in Bezug auf irgendein Objektein Gefühl gibt, wird dieses Gefühl bestimmt das Entstehen desBegehrens verursachen.

Was sollten wir dann tun, um keine Anhaftung zu entwickeln, alsoweder an unserer Meditation noch an irgendeinem Lebewesen, einem

leblosen Ding oder am dhamma? Wenn wir z. B. bemerken, dassAnhaftung an unseren Fortschritt in der Meditation besteht, muss dies  beobachtet werden, so wie es ist. Somit sind wir in der Lage, dasAnhaften zu erkennen. Wir notieren ‚anhaften, anhaften, anhaften’, bises vergeht.

Aber es gibt noch einen anderen Weg. Begehren oder Anhaftungentsteht in Abhängigkeit des Gefühls. Falls wir in der Lage sind, dieUnbeständigkeit, die Leidhaftigkeit und die unpersönliche Natur dieses Gefühls zu verstehen, werden wir nicht anhaften, weil wir dasEntstehen und Vergehen des Gefühls und die daraus entstehendeBedrückung erkennen. Wir verstehen, dass auch dies nur ein sichständig ändernder Vorgang von geistigen und körperlichen

Phänomenen ist, der entsteht und wieder vergeht. Wenn wir in der Lage sind, in dieser Weise das Gefühl zu erkennen, das heißt, die

ifi h d ll i k l d f hl h

10. Bedingte Entstehung

Begehren zu zerstören, indem ihr seine Ursache, das Gefühl,

 beobachtet.Das bedeutet, dass jedes Mal, wenn ihr durch euren Fortschritt in der Meditation Glück oder Verzücken empfindet, ihr dieses Gefühl  beobachten und notieren solltet, bis es verschwunden ist. Wenn ihr fähig seid, das Entstehen und Vergehen des Glücksgefühls zuerkennen, wird durch dieses Glücksgefühl kein Begehren mehr 

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entstehen. Wenn ihr dieses Glücksgefühl als einen natürlichen Prozessdes Entstehens und Vergehens der Phänomene seht, wird überhauptkeine Anhaftung entstehen, weil ihr dieses Glücksgefühl nicht für einePerson nehmt, die sich über ihren Fortschritt in der Meditation freut.Ihr nehmt es nicht mehr für eine Person, einen Meditierenden oder einLebewesen, weil das Glücksgefühl nur ein sich ständig verändernder Vorgang des Gefühls ist. Das ist alles.

Wenn ihr das Glücksgefühl in dieser Weise erkennt, werdet ihr keineVorstellungen mehr haben, das sei eine glückliche Person, einglücklicher Meditierender, ein glückliches Selbst oder ein glücklichesIch. Dann werdet ihr nicht an eurem Fortschritt in der Meditationanhaften. Anhaften oder Begehren ist die Ursache des Leidens, und

wenn es überwunden worden ist, wird es kein Leiden mehr geben.Deshalb solltet ihr alle Gefühle in Bezug auf eure weltlichen Dingeoder auf eure Meditation beobachten. Das Gefühl mag angenehm,unangenehm oder weder-angenehm-noch-unangenehm sein.Allerdings wird man sehr selten ein weder-angenehmes-noch-unangenehmes Gefühl erkennen, weil es sehr subtil ist. Die Schriftensagen, dass ein weder-angenehmes-noch-unangenehmes Gefühl sehr 

subtil sei und dass es als ein angenehmes Gefühl angesehen werdensollte. Weder-angenehme-noch-unangenehme Gefühle sind schwierig

b h k h h l d i i d

10. Bedingte Entstehung

dieses schmerzhafte Gefühl als einen steten Wandel des Entstehens

und Vergehens von Phänomenen zu erkennen, d. h. als eine Erfahrungvon Unerfreulichem durch ein fühlbares Ding, dann haben wir nichtdie Vorstellung, dass es von einer Person oder einem Lebewesenempfunden wird. Wir sind nicht der Auffassung: „Ich habe einschmerzhaftes Gefühl“, “Mein Knie schmerzt“ oder „Mein Bein isteingeschlafen.“ Diese Vorstellung einer Person, eines Lebewesens

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oder eines Selbst kann durch rechte Ansicht der schmerzhaftenEmpfindung überwunden werden. Es ist lediglich ein natürlicher Vorgang eines Gefühls oder einer Empfindung, der ständig sichverändernd entsteht und vergeht.

Auf diese Weise sind wir in der Lage, das Gefühl oder dieEmpfindung in ihren zwei Aspekten zu verstehen, die allgemeinen

Daseinsmerkmale und die spezifischen Daseinsmerkmale desPhänomens. Somit sehen wir dieses Gefühl, entweder schmerzhaftoder angenehm, nicht mehr als eine Person, ein Lebewesen oder einSelbst an. Dann wird keinerlei Begehren mehr entstehen, und wennkein Begehren entsteht, entsteht auch kein Leiden mehr, und wir werden frei sein vom Leiden der bedingten Entstehung.

In der Endpassage von paicca samuppāda, der bedingten Entstehung,sagte der Buddha:

„ Evametassa kevalassa dukkhakkhandhassa samudayo hoti.“

„So entsteht diese ganze Masse von Leiden.“

Oder anders ausgedrückt: „Dieses Rad der bedingten Entstehung isti i i f id

10. Bedingte Entstehung

3. Viññāa: Bewusstsein, beginnend mit dem ersten

Bewusstsein der Existenz, ist Leiden.4.  Nāma und rūpa: die Vorgänge der geistigen und

körperlichen Phänomene sind Leiden.5. Sa%āyatana: die sechs Sinnesgrundlagen, Auge, Nase, Ohr,

 Nase, Zunge, Körper und Geist, sind Leiden.6.  Phassa: Bewusstseinseindruck ist Leiden.

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7. Vedanā: Gefühl oder Empfindung ist Leiden.8. Ta-hā: Begehren oder Anhaftung ist Leiden.9. Upādāna: Ergreifen ist Leiden.10. Bhava: Werden ist Leiden.11. Jāti: Geburt ist Leiden12. Jarā und maraa: Verfall resp. Alter und Tod sind Leiden.

Soka, Sorge ist Leiden.  Parideva, Wehklagen ist Leiden.

 Dukkha, Schmerz oder körperliches Leiden ist Leiden. Domanassa, Trauer oder geistiges Leiden in irgendwelcher Form ist Leiden. Upāyāsa, Verzweiflung ist Leiden.

Deshalb sagte der Buddha, dass das Rad der bedingten Entstehung eineinziger Haufen Leid sei.

Wenn sich eine Person dieser geistigen und körperlichen Phänomenenicht gewahr ist, bleibt sie unwissend in Bezug auf die wirklicheDaseinsform dieser geistigen und körperlichen Phänomene. Somitkann das Leiden nicht richtig verstanden werden. Die Person siehtLeiden als einen befriedigenden Vorgang an, obwohl die Wirklichkeitnicht dem entspricht, was sich die Person vorstellt. Die Wirklichkeit

 besteht aus den sich ständig verändernden Phänomenen, die entstehenund unmittelbar wieder vergehen. Deshalb ist es Leiden. Darum sagted ddh d di h h i id dli h k d

10. Bedingte Entstehung

unbefriedigend und unpersönlich zu verstehen, sollte euer Geist auf 

 jeden geistigen Zustand oder jedes körperliche Phänomen konzentriertsein, so wie sie jeweils von Moment zu Moment entstehen undvergehen. Um die Geisteszustände und körperlichen Phänomene klar zu erkennen, braucht ihr einen gewissen Grad an Sammlung, und umdiesen Grad tiefer Konzentration zu erreichen, müsst ihr euchkraftvolle und scharfe Achtsamkeit erarbeiten. Erst dann seid ihr in

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der Lage, alles, was in eurem Körper und Geist erscheint, achtsamwahrzunehmen. Somit wird die Achtsamkeit ununterbrochen, konstantund tief.

Deshalb sagen die Schriften, dass der Meditierende ein   satata vihari sein solle. Satata bedeutet wörtlich ‚unaufhörlich’ oder ‚kontinuierlich’, während vihari ‚leben mit’ bedeutet; folglich ‚ein

kontinuierliches Leben mit Achtsamkeit’. Das bedeutet, dass der Meditierende eine konstante und ununterbrochene Achtsamkeit habenmuss, um diesen tiefen Grad an Sammlung zu erreichen, der dann zuklarer Einsicht in die Phänomene führen wird. Um diese konstante,ununterbrochene und scharfe Achtsamkeit zu erreichen, müsst ihr euch ernsthaft zu bemühen. Ohne ernsthafte Anstrengung ist die

Achtsamkeit nicht konstant und scharf genug. Nur durchunermüdliche Bemühung, die  padhāna genannt wird, entsteht einekonstante und ununterbrochene Achtsamkeit. Wenn ein Meditierender faul ist, kann seine Achtsamkeit niemals kontinuierlich oder scharf werden. Faulheit ist der Feind der ernsthaften Anstrengung.

Manchmal bleibt der Geist nicht bei den Objekten, d. h. den

Geisteszuständen oder körperlichen Phänomenen, obwohl ihr euchunermüdlich anstrengt und sehr achtsam seid. Er schweift ab, wandert

d d k b i d h b h i i

10. Bedingte Entstehung

Achtsamkeit. Bemühung oder ernsthafte Anstrengung ist  sammā

vāyāma, rechte Anstrengung. Der Geistesfaktor, der den Geist auf dasObjekt lenkt und ihn auf dem Objekt behält, ist sammā sa-kappa.

Diese fünf Glieder des Edlen Achtfachen Pfades arbeiten zusammen  beim Beobachten der Geisteszustände und körperlichen Vorgänge.Die restlichen drei Glieder unterstützen diese fünf Glieder, und zwar 

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sind es: Abstehen von falscher Rede, falschen Handlungen undfalschem Lebenserwerb. Abstehen von falscher Rede ist sammā vācā,Abstehen von falschen Handlungen ist   sammā kammanta undAbstehen von falschem Lebenserwerb ist sammā ājīva.Wenn wir mit einem gewissen Grad an tiefer Sammlung auf jedengeistigen Zustand oder körperlichen Vorgang achtsam sind, dann istder Geist auf jedes Objekt, eines nach dem anderen, kontinuierlich

und unaufhörlich konzentriert. Während dieser Zeit enthalten wir unsautomatisch von falscher Rede, falschen Handlungen und falschemLebenserwerb (Diese drei werden als Sittlichkeitsgruppe,  sīla,  bezeichnet). Durch das Abstehen von diesen drei Übeln sind unsereRede und Handlungen gereinigt, und da die Sittlichkeit geläutert ist,ist unser Geist klar, glücklich und gelassen. Diese Klarheit und

Gelassenheit ist außerordentlich förderlich für unseren Geist, so dasser sich auf jedes geistige oder körperliche Phänomen konzentrierenkann, das er gerade beobachtet.

Die vorher erwähnten fünf geistigen Glieder arbeiten zusammen auf dem Pfad, der zum Ende des Leidens führt, und die drei anderenGlieder des Pfades helfen diesen fünf Gliedern, Fortschritte zu

machen. Auf diese Weise werden alle acht Glieder des Pfadesentwickelt. Das ist der Edle Achtfache Pfad, der uns zum rechten

d i d kkh f h d k i d ll

10. Bedingte Entstehung

Leidens ist nirodha sacca,  nibbāna. Deshalb sagte der Buddha, dass

man den Edlen Achtfachen Pfad entwickeln solle, um samudaya sacca zu erkennen, das Begehren zu überwinden und um das Ende desLeidens, nirodha sacca – nibbāna, zu verwirklichen. Damit haben wir das Rad der bedingen Entstehung durchbrochen. Falls wir fähig sind,die letzte Stufe der Erleuchtung zu erreichen, werden alleGeistestrübungen, die in der bedingten Entstehung miteingeschlossensind, entwurzelt.

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Möget ihr alle richtig verstehen, wie eure Achtsamkeitsmeditation,magga sacca, euch dazu führen kann, die Wahrheit vom Leiden,dukkha sacca, zu erkennen, wie ihr dadurch das Begehren, samudaya

 sacca, überwinden und nibbana, nirodha sacca, verwirklichen könnt.Bemüht euch ernsthaft, das Ende des Leidens zu verwirklichen.

11 Die Stufen der Einsicht

11. Die Stufen der Einsicht

Wir sollten noch kurz behandeln, wie ein Meditierender alle diedreizehn Stufen der Einsicht durchläuft und Erleuchtung verwirklicht,damit der Meditierende mit dem Weg zur Überwindung des Leidensvertraut ist.

Im Verlauf seiner Meditation muss ein Meditierender die sieben

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Stufen der Reinheit, die dreizehn Stufen der Einsicht und die vier Stufen der Erleuchtung durchlaufen. Die dreizehn Stufen der Einsichtsind weltlich, und die vier Stufen der Erleuchtung sind überweltlich.

Wenn ein Meditierender mit der Meditationspraxis beginnt, muss er als erstes seine Sittlichkeit läutern. Die Läuterung der Sittlichkeit ist

die Grundlage für jeden Meditierenden, egal er ob Samatha- oder Vipassanā-Meditation praktiziert. Nur aufgrund der geläutertenSittlichkeit hat der Meditierende ein reines Gewissen und ist mitseinen Handlungen in Worten und Taten zufrieden. Dieses istwiederum nötig und förderlich für Sammlung und Einsicht, welcheder Meditierende erlangen soll. Um die Sittlichkeit zu läutern, hat manentweder die fünf oder acht Verhaltensregeln zu beachten. Für   buddhistische Mönche sind es die 227 Mönchsregeln, die als pāimokkha   savara sīla bekannt sind. Laien sollten mindestens diefünf Verhaltensregeln beachten, falls möglich die achtVerhaltensregeln. Durch das Beachten dieser Regeln sind diesprachlichen und körperlichen Handlungen der Meditierendenheilsam, und damit gilt ihre Sittlichkeit als geläutert. Die erste Stufe,

die Läuterung der Sittlichkeit, sīla visuddhi, ist erreicht.

k i i ih i d di i b i

11 Die Stufen der Einsicht

diese Zeit aus, d. h. für solange wie der Geist auf das

Meditationsobjekt konzentriert ist. Es mag noch einige Gedankengeben, aber der Meditierende erkennt und notiert die Gedankenschnell, und sie vergehen. Auf diese Weise wird die Sammlung immer tiefer, und der Geist ist von den Hemmnissen und Trübungengeläutert. Die zweite Stufe, Läuterung des Geistes, citta visuddhi, isterreicht.

G l d G i b d H i d d

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Geläutert von den Geistestrübungen und Hemmungen, wird der konzentrierte Geist durchdringend und scharf. So beginnt er, nāma und rūpa, die geistigen und körperlichen Phänomene, klar zuerkennen. Er fängt an, zwischen dem Geistigem und demKörperlichem, zwischen dem notierenden Geist und dem Objekt oder zwischen Subjekt und Objekt zu unterscheiden. Wenn der Geist des

Meditierenden gut auf die sich hebende und senkende Bewegung der Bauchdecke konzentriert ist, wird er die sich hebende Bewegung unddie sich senkende Bewegung unterscheiden können. Am Anfang der Praxis wenn der Geist noch nicht gut konzentriert ist, kann er dasHeben und Senken nicht unterscheiden. Er denkt, dass die sichhebende und senkende Bewegung ein und dieselbe Bewegung ist.

Wenn die Konzentration tief genug ist, sieht der Meditierende, dasssich die Bauchdecke hebt und dass diese Bewegung zu einemStillstand kommt. Unmittelbar nach dem Verschwinden der sichhebenden Bewegung senkt sich die Bauchdecke und kommt dannebenfalls zu einem Stillstand. So nimmt er den Anfang und das Endeder sich hebenden Bewegung und den Anfang und das Ende der sich

senkenden Bewegung sehr klar wahr. Der Meditierende erkennt, dassdie sich hebende und senkende Bewegung unterschiedliche Vorgängei d f di f d di i h d di i h

11 Die Stufen der Einsicht

der Meditierende die spezifischen oder individuellen Merkmale der 

sich hebenden und senkenden Bewegung und die individuellenMerkmale des notierenden Geistes.

Ich habe euch schon erklärt, wie der Meditierende die spezifischenoder individuellen Merkmale von vāyodhātu, des Luftelementes,erkennt, welches die hebende und senkende Bewegung ausmacht.

Di St f d Ei i ht i d ā ū i h d ñā t

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Diese Stufe der Einsicht wird nāmarūpa pariccheda ñā/a genannt,die Einsicht, die zwischen nāma und rūpa - geistigen und körperlichenPhänomenen - unterscheiden kann. Wenn ihr auf dieselbe Weise einschmerzhaftes Gefühl beobachtet, wird der Geist allmählich auf denSchmerz konzentriert. Geduldig macht ihr mit dem Beobachten desSchmerzes weiter, und je achtsamer ihr ihn beobachtet, desto tiefer 

wird die Sammlung. Dann werdet ihr erkennen, dass der Schmerz EINVorgang und der Geist, der den Schmerz notiert, ein ANDERER Vorgang ist.

Hier kann der Meditierende zwischen zwei Arten von nāma unterscheiden: ein nāma ist der notierende Geist, und das andere nāma ist das unangenehme Gefühl. Dann wird er erkennen, dass Schmerzlediglich eine unangenehme Empfindung ist. Manchmal nimmt er denSchmerz als etwas vom Körper Getrenntes oder als etwas außerhalbseines Körpers wahr. Manchmal ist er sich der Stelle des Schmerzesnicht bewusst, und manchmal ist er sich seines ganzen Körpers oder seiner Person nicht mehr gewahr. Was er in diesem Moment erkennt,ist bloß die unangenehme Empfindung des Schmerzes. Er versteht,

dass der Schmerz nur eine unangenehme Empfindung ist. Der   beobachtende Geist, der den Schmerz notiert, ist ein geistiges

h b f ll i i k

11 Die Stufen der Einsicht

dass ihr das Beugen oder Strecken eures Armes beobachtet und der 

Bewegung präzis und nah folgt. Dann werdet ihr erkennen, dass diesnur ein Vorgang des Bewegens ist, er ist weder eine Person noch einLebewesen. Manchmal verliert ihr die Vorstellung des Armes und wasihr wahrnimmt, ist bloß Bewegung, vāyodhātu, ein natürlicher Vorgang des Bewegens. Dann werdet ihr diesen Vorgang nicht miteiner Person oder einem Lebewesen identifizieren, auch nicht miteinem Selbst, mir oder mein. Auf diese Weise zerstört die Erkenntnisvon vāyodhātu resp eines körperlichen Phänomens oder des

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von vāyodhātu, resp. eines körperlichen Phänomens oder desVorgangs des Ausstreckens des Armes, die Vorstellung einer Personoder eines Lebewesens, sakkāya dihi.

Diese Erkenntnis ist die Einsicht, die zwischen nāma und rūpa unterscheidet. In derselben Weise werdet ihr die tatsächliche

Bewegung des Hebens, Schiebens oder Senkens sehr gutwahrnehmen, wenn sich die Konzentration auf die Bewegung desFußes allmählich vertieft. Mit dieser tieferen Konzentration seid ihr euch der Form des Fußes mehr nicht bewusst. Was ihr erkennt sind  bloß Bewegungen, und somit identifiziert ihr diese Bewegung nichtmit einem Selbst, einer Person oder einem Lebewesen. Die Erkenntnisder hebenden, schiebenden und senkenden Bewegung überwindet dieVorstellung einer Person, eines Selbst oder einer Seele, sakkāya dihi,attā dihi. Das gehört auch zur Einsicht, die nāma und rūpa unterscheidet. 

Wenn die Meditierenden ihre Praxis mit großer Anstrengungfortsetzen, eifrig und begeistert jeden geistigen Zustand und

körperlichen Vorgang achtsam beobachtend, vertieft sich dieSammlung noch weiter. Dann solltet ihr versuchen, sowohl bei denll li h i h l h b i h di b i h d

11 Die Stufen der Einsicht

wird, wenn eine Absicht da ist, und dass der Fuß nur gesenkt wird,

wenn eine Absicht da ist.  Auf dieser Stufe der Einsicht braucht ihr euch nicht anzustrengen, um den Fuß zu heben, da nach dem Notierender Absicht der Fuß wie von selbst gehoben wird. In der gleichenWeise wird mit dem Notieren der Absicht, den Fuß vorwärts zuschieben, der Fuß wie von selbst vorwärts geschoben.

Manchmal wird der Fuß einfach so vorwärts geschoben, und ihr könntes nicht kontrollieren Wenn ihr die Absicht notiert und sich der Fuß

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es nicht kontrollieren. Wenn ihr die Absicht notiert und sich der Fußvon selbst senkt, wundert ihr euch zunächst über eure Erfahrung, weilihr euch zuvor beim Heben, Schieben und Senken des Fußesanstrengen musstet. Doch jetzt hebt sich der Fuß wie von selbst undohne Anstrengung, sobald die Absicht notiert worden ist. In gleicher Weise schiebt sich der Fuß wie von selbst und ohne Anstrengung

vorwärts, sobald die Absicht notiert worden ist. Das bedeutet, dass ihr in diesem Augenblick die Absicht oder die Bewegung des Fußes nichtmit einer Person, einem Lebewesen oder euch selbst identifiziert. Ihr erkennt die zwei Vorgänge, derjenige der Absicht und derjenige der Bewegung, als separate Vorgänge.

Dadurch kommt ihr zu dem Ergebnis, dass es die Absicht ist, die dasHeben des Fußes verursacht. Somit ist die Absicht die Ursache, unddie Bewegung des Hebens ist die Wirkung. Ebenso erkennt ihr, dassdie Absicht die Ursache ist, und die Bewegung des Schiebens ist dieWirkung. Die Absicht ist die Ursache, und die Bewegung des Senkensist die Wirkung. Beim Beobachten der alltäglichen Verrichtungennotiert ihr ebenfalls ‚Absicht, niedersetzen, niedersetzen’ beim

Hinsetzen und ‚Absicht, aufstehen, aufstehen’ beim Aufstehen usw.Wenn die Sammlung tief genug ist, werdet ihr erkennen, dass es die

b i h i di di i k i h d ih h h d

11 Die Stufen der Einsicht

spürbar ist. Das mag dann zur Verwirrung führen. Was sollt ihr jetzt

notieren? Später werdet ihr vielleicht das Geräusch einer Stimmewahrnehmen und es als ‚hören, hören’ notieren. Darauf werdet ihr feststellen, dass euer Geist über das Verschwinden des Hebens undSenkens nachdenkt, und so notiert ihr es als‚denken, denken, denken’.  Nachdem ihr den Vorgang des Denkens notiert habt, mögt ihr dasHeben und Senken erneut wahrnehmen. Es ist wieder erschienen, undihr notiert ‚heben, senken, heben, senken’. Hier versteht ihr nun vage,dass die sich hebende Bewegung nur als heben’ notiert werden kann

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dass die sich hebende Bewegung nur als ‚heben notiert werden kann,wenn ihr sie bemerkt, und dass die sich senkende Bewegung nur als‚senken’ notiert werden kann, wenn ihr sie bemerkt. Das bedeutet,dass mit dem Vorhandensein des Objektes, d. h. der sich hebendenund senkenden Bewegung, der notierende Geist entsteht. Somit ist dasObjekt, die sich hebende und senkende Bewegung, die Ursache, und

der notierende Geist ist die Wirkung. Auch auf diese Weise werdet ihr die Kausalzusammenhänge oder die Bedingtheit verstehen - paccaya

 pariggaha ñāa.

Wenn ihr mit eurer Praxis fortfahrt, und sich die Sammlung weiter vertieft, mögen schmerzhafte Empfindungen entstehen, die ihr als‚schmerzen, schmerzen, schmerzen’ notiert. Während der ersten undzweiten Stufe der Einsicht konntet ihr den Schmerz nicht sehr gut  beobachten. Wenn jetzt die schmerzhafte Empfindung deutlichwahrnehmbar wird, ist auch die Konzentration besser, da ihr schondurch die beiden ersten Stufen der Einsicht gegangen seid. Somit  beobachtet ihr den Schmerz, geduldig ‚schmerzen, schmerzen,schmerzen’ notierend. Doch euer Geist mag abschweifen und geistige

Bilder wie z. B. Blumen, Bäume, Menschen, Lebewesen, Geister,Devas oder Mönche mögen hochkommen. Jedes geistige Bild, das im

i h i d d h d k h d k b d

11 Die Stufen der Einsicht

Grundobjekt - ‚heben, senken’ - zurückkehren, oder wenn ihr 

Schmerzen habt, notiert ‚schmerzen, schmerzen’.

Ihr solltet den Schmerz mit großer Geduld beobachten und sich seiner achtsam gewahr sein. Manchmal wird sich der Schmerz allmählichverringern, und nach einiger Zeit mag er ganz verschwinden. Nunwerdet ihr den Anfang, die Mitte und das Ende des Schmerzeserkennen. Manchmal wird, noch bevor eine schmerzhafte Empfindungvergangen ist eine weitere schmerzhafte Empfindung entstehen In

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vergangen ist, eine weitere schmerzhafte Empfindung entstehen. Indiesem Fall solltet ihr denjenigen Schmerz beobachten, der deutlicher wahrnehmbar ist. Später mit noch tieferer Sammlung wird dieseschmerzhafte Empfindung verschwinden, wenn sie achtsam notiertwird. Somit werdet ihr das Entstehen des Schmerzes erkennen undauch sein Vergehen; und ebenso das Entstehen des Juckreizes und sein

Vergehen. Auf diese Weise werdet ihr feststellen, dass selbst wenn einSchmerz entsteht und stärker wird, er letztendlich vergeht. Somit ist er unbeständig. Ebenfalls werdet ihr beim Beobachten der sich hebendenund senkenden Bewegung der Bauchdecke erkennen, dass sowohl diesich hebende als auch die sich senkende Bewegung aus zwei oder dreieinzelnen Bewegungen bestehen. Ihr erkennt, dass die sich hebendeund senkende Bewegung nicht ein und dieselbe Bewegung ist. Diesich hebende Bewegung ist kein abgeschlossener Vorgang, sondernein Vorgang, der aus drei oder vier Bewegungen zusammengesetzt ist.Wenn ihr während der Gehmeditation die Bewegung des Fußes beobachtet, werdet ihr erkennen, dass auch die Bewegung des Hebensaus zwei oder drei Einzelbewegungen besteht. Auch während demBeobachten des Schiebens könnt ihr zwei oder drei Einzelbewegungen

erkennen. Hier erkennt ihr, obwohl noch vage, dass auch dieBewegungen nicht beständig sind, weil eine Bewegung nach der 

d h d h

11 Die Stufen der Einsicht

Sammasana ñāa bedeutet das grobe Verstehen aller drei

Daseinsmerkmale, anicca, dukkha und anattā.

Mit tiefer werdender Sammlung praktiziert ihr weiter, und allmählichvermindern sich die schmerzhaften Empfindungen oder lösen sichganz auf. Der Schmerz ist nur sehr gering, und eure Sammlung wirdimmer besser und tiefer. Auch eure Achtsamkeit ist kraftvoll undscharf, und euer Bemühen ist ebenfalls stetig und stark genug. Auf dieser Stufe der Einsicht ist der Geist noch tiefer auf die Objekte

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dieser Stufe der Einsicht ist der Geist noch tiefer auf die Objektekonzentriert, sei es nun ein Geisteszustand oder ein körperlicher Vorgang. Dann fühlt ihr Ruhe, Verzückung und Glück, weil der Geisttief auf die beobachteten geistigen und körperlichen Vorgängekonzentriert ist. Der Geist wird so klar, dass man sagen könnte, er seitransparent. Dann mögt ihr eine Art von Licht sehen, das in

Verbindung mit der Einsicht entsteht, manchmal ist es fluoreszierendoder dann wie Autoscheinwerfer, Sterne oder die Strahlen desMondes. Manchmal fühlt es sich an, als ob ihr in der Sitzmeditationvon den Strahlen des Mondes umhüllt seid. Ihr solltet dieseverschiedenen Arten von Licht als ‚sehen, sehen, sehen’ notieren, undwenn ihr euch glücklich fühlt, solltet ihr ‚glücklich, glücklich,glücklich’ notieren. Wenn ihr euch ruhig fühlt, notiert ‚ruhig, ruhig,ruhig’, und wenn ihr Entzücken fühlt, notiert ‚Entzücken, Entzücken,Entzücken’ und so weiter. Auf dieser Stufe der Einsicht werdenZustände feiner und erhabener Glückseligkeit, des Entzückens undäusserst erregender Empfindungen erfahren. Eure Achtsamkeit ist sehr gut und fähig, jedes entstehende Objekt zu beobachten. Die Energie iststark und schwankt nicht.

Ihr seid glücklich und zufrieden mit dieser Erfahrung auf dieser Stufe,d h h f di f h i

11 Die Stufen der Einsicht

notiert ‚anhaften, anhaften, anhaften’, bis es verschwindet. Manchmal

wird diese Stufe der Einsicht als sehr angenehm empfunden, weil dieErfahrungen auf dieser Stufe so gut und erfreulich sind. So denkenMeditierende in dieser Phase manchmal, sie hätten bereits nibbāna erreicht. Somit genießen sie den Zustand und haften daran an.Dadurch sind sie abgelenkt und nicht mehr in der Lage, diePhänomene zu beobachten. Und manchmal vergessen sie sogar zunotieren.

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Durch ihr   Dhamma-Wissen oder durch die Führung des Lehrerserkennen die Meditierenden, dass das nicht das endgültige Ziel der Meditation ist, sondern Trübungen der Einsicht. Sie sollten dann inetwa so reflektieren: „Wenn ich nicht in der Lage bin, das Anhaften zunotieren, werde ich nicht fähig sein, die höheren Stufen der Einsicht

zu erreichen.“ Indem die Meditierenden es auf diese Weise richtigverstehen, müssen sie jedes Anhaften, ob an Glück oder Verzückung,wie gewohnt notieren. Dann werdet ihr diese Phase hinter euch lassen,und euer Geist wird stabil, ruhig und gelassen. Die Konzentration wird  besser, und die Einsicht wird schärfer und durchdringender, so dassihr die sich hebende und senkende Bewegung sehr klar erkennt, eineBewegung nach der anderen. Manchmal erkennt ihr eine Abfolge vonBewegungen im Vorgang des Hebens und Senkens, die eine nach der andern entstehen und vergehen. Genauso werdet ihr während der Gehmeditation eine Abfolge von winzigen, unterbrochenen undseparaten Bewegungen erkennen. Dabei seid ihr euch der Form oder Gestalt des Fußes nicht mehr bewusst. Was ihr erkennt, ist lediglicheine Abfolge von Bewegungen, die eine nach der andern entstehen

und vergehen. Hier erkennt ihr das Entstehen und Vergehen der körperlichen Phänomene. Ebenso erkennt ihr, dass der Geist dasbj k i d i h d fl h h i

11 Die Stufen der Einsicht

ganz klar sehen. Die vierte Stufe der Einsicht wird die Erkenntnis des

Entstehens und Vergehens, uddaya bhaya ñā/a, genannt.

Mit tieferer Konzentration und sehr kraftvoller und durchdringender Achtsamkeit in eurer Praxis erkennt ihr nur noch das Vergehen jeder einzelnen Bewegung der Bauchdecke sowie auch das Vergehen desnotierenden Geistes. Sobald der Geist ein Objekt notiert, vergeht der notierende Geist wieder. Was auch immer notiert wird, verschwindetsofort wieder. So erkennt ihr sehr klar die sehr schnelle Auflösung der 

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gObjekte. Was ihr hier erkennt, ist das Vergehen, die Auflösung oder das Verschwinden. Oft seid ihr euch der Form oder der Gestalt desObjektes nicht mehr gewahr, und ihr seid unzufrieden mit eurer Erfahrung. Was ihr erkennt, ist das Vergehen oder die Auflösung der Objekte. Manchmal hat sich die Form oder Gestalt des Körpers

aufgelöst und was übrig bleibt, ist das Bewusstsein. Dann solltet ihr esals ‚wissen, wissen, wissen’ notieren. Aber auch dieses Bewusstseinentsteht und vergeht sofort wieder. Diese fünfte Stufe der Einsichtwird die Erkenntnis des Hinschwindens, bha-ga ñā/a, genannt. 

  Nachdem ihr jetzt meist nur noch das Vergehen oder die Auflösungder Objekte beobachten könnt, findet ihr dies schrecklich oder furchterregend, weil alles immer sofort vergeht oder sich auflöst.Dieses Gefühl oder Gewahrsein der Furcht wird bhaya ñā/a genannt,die Einsicht der Angst.

Weil ihr ständig das Vergehen und Auflösen der Phänomene erlebt,empfindet ihr diese Objekte nicht mehr als gut, und dieser Zustand ist

nicht mehr zufriedenstellend. Ihr empfindet alle diese Dinge alsschrecklich und miserabel. Euer Geist ist nicht hell und aktiv, sonderni d id illi d ih f hl h b i d di i i h

11 Die Stufen der Einsicht

Erfahrungen sind gut. Aber ihr könnt nicht für lange Zeit sitzen. Nach

10 oder 15 Minuten wollt ihr eure Haltung ändern, oder ihr wolltaufstehen und Gehmeditation praktizieren. In der Gehmeditation wolltihr nach ca. 20 Minuten wieder sitzen usw. Das bedeutet, dass ihr nicht zufrieden seid mit dieser Erfahrung des Vergehens oder Auflösens der Phänomene. Ihr wollt endlich davon loskommen. Daswird muccitukamyatā ñā/a genannt, die Einsicht des Wunsches nachErlösung. 

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Wenn ihr nun weiterpraktiziert, können erneut die verschiedenstenschmerzhaften Empfindungen auftauchen. Diese Schmerzen könnensehr stark sein, und es kostet euch einige Anstrengung, sie zu  beobachten. Manchmal könnt ihr sie nicht aushalten, und ihr wollteure Haltung ändern oder aufstehen. Ihr solltet das aber nicht tun,

sondern den Schmerz mit Ausdauer und Beharrlichkeit beobachten.  Nach einiger Zeit mag der Schmerz abrupt und plötzlichverschwinden. Ein anderer Schmerz entsteht, ihr notiert ihn, und er verschwindet sofort wieder usw. Auf dieser Stufe müsst ihr dieUnbeständigkeit, das Leiden und die unpersönliche Natur der geistigen und körperlichen Phänomene erneut betrachten. Diese dreiDaseinsmerkmale habt ihr auf der dritten Stufe der Einsicht schongrob erkannt. Ihr müsst sie erneut und vertieft betrachten, damit ihr erkennt, dass diese geistigen Zustände und körperlichen Vorgängetatsächlich nicht beständig oder dauerhaft sind. Sie entstehen undvergehen sofort wieder. Diese Stufe wird das Einsicht des erneutenund vertieften Betrachtens, patisankha ñā/a, genannt.

Danach kommt ihr zur besten Stufe der Einsicht, in der ihr manchmalüberhaupt keine Schmerzen habt. Es mag schwache Schmerzen geben,b h k i i h h f d di l i f i

11 Die Stufen der Einsicht

möchten die Meditierenden den Geist auf ein äußeres Objekt lenken,

doch der Geist wandert nicht zum Objekt. Er ist wie ein Gummibandund springt zum Objekt zurück, das gerade beobachtet wird. Auf dieser Stufe fühlt ihr euch gleichmütig und gelassen, weder glücklichnoch unglücklich. Auch wenn es ein angenehmes und einladendesObjekt gibt, entsteht kein Begehren danach. Ihr freut euch nichtdarüber, sondern beobachtet es bloß. Dann vergeht dieses Objekt. Soist euer Geist zwischen Glücklichsein und Unglücklichsein zentriert,er ist vollkommen gelassen und gleichmütig. Das wird im Gleichmut

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 bestehende Einsicht, sa-khārupekkhā ñā/a, genannt.

Wenn diese Einsicht reif wird, werdet ihr die Einsicht der Anpassungund die Einsicht der Reife, anuloma ñā/a und   gotrabhū ñā/a,erreichen. Danach erreicht ihr das erste Pfadwissen, sotāpattimagga  – 

ñāa. In diesem Augenblick erkennt ihr, dass dieser Moment ohneLeiden ist. Wenn ihr das erste Pfadwissen verwirklicht habt, seid ihr Ein-in-den-Strom-Eingetretener.

Die erste Stufe der Erleuchtung schneidet die ersten drei Fesseln ab:

1) falsche Ansicht in Bezug auf eine Persönlichkeit, eineIndividualität oder ein Selbst, sakkāya dihi 

2) falsche Ansicht in Bezug auf Anhaftung an Regeln undRiten, sīlabbataparāmāsa 

3) skeptische Zweifel über das dreifache Juwel, vicikicchā 

Da dieser skeptische Zweifel durch die erste Stufe der Erleuchtung

entwurzelt wurde, ist euer Vertrauen, saddhā, stark und tief. Es kannniemals mehr durch irgendeine Lehre oder durch irgendeine Personh d il ih di f d l h l

11 Die Stufen der Einsicht

Welten der devas und brahmas wiedergeboren werdet. Doch ihr mögt

nur noch einmal zur Sinnenwelt, k āma-Existenz, zurückkehren. Diezweite Stufe der Erleuchtung schwächt Sinnesbegehren undÜbelwollen ab, k āmar ā ga und dosa. Wenn ihr die dritte Stufe der Erleuchtung, anāgāmīmagga–ñāa, verwirklicht, werdet ihr ein Nichtwiederkehrer, anāgāmī . Das heißt, ihr werdet nicht mehr zudieser Sinnenwelt zurückkehren. Diese dritte Stufe entwurzelt dasSinnesbegehren und Übelwollen, k āmar ā ga und dosa, vollständig.Wenn ihr die letzte Stufe der Erleuchtung, arahattamagga–ñāa,

i kli h d ll i i T üb ll ä di l

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verwirklicht, werden alle geistigen Trübungen vollständig entwurzelt.Dann seid ihr ein arahat , und euer Geist ist vollkommen von allengeistigen Trübungen, Hemmungen und negativen Geisteszuständengeläutert, so dass ihr in Frieden und Glück leben könnt. Das ist dasendgültige Ziel eines Meditierenden.

Ihr solltet mindestens die erste Stufe der Erleuchtung, sotāpattimagga–ñāa, als Ziel im Auge haben. Mit diesem Ziel vor Augen solltet ihr euch aufrichtig bemühen, doch ihr braucht genugZeit und Anstrengung. Zehn Tage zu meditieren oder zwei bis dreiWochen zu meditieren, sind nicht genug, um wenigstens die untersteStufe der Erleuchtung zu erreichen. Wenn eure Einsicht gerade reif wird, müsst ihr aufhören und nach Hause gehen. Dann kommt ihr erneut zu einem 10-Tage-Retreat und fangt wieder von vorne an,stufenweise Fortschritte machend. Mit vertiefter Konzentration stellensich Erfahrungen ein und Einsichten entstehen, doch dann müsst ihr wieder aufhören und nach Hause gehen. Darum braucht ihr ausreichend Zeit und müsst euch entsprechend bemühen, um diese

vier Stufen – oder doch wenigstens die erste Stufe - der Erleuchtungzu verwirklichen.h h b h hi h k di d i h f d i i h d di

 

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I.

II. Buch

FORTSCHREITENDE

EINSICHT

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EINSICHT

 visuddhi–Œöa-kathŒ 

Progress of InsightEnglischer Originaltitel

Eine moderne Abhandlung über 

 buddhistische SatipaÊÊhŒna-Meditation

vom Ehrwürdigen Mahasi Sayadaw

Englische Übersetzung aus dem Pali mit Anmerkungenvon Nyanaponika Mahathera

 

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Inhalt

Vorwort zur Übersetzung ins Deutsche – Thomas Michael Zeh iii Vorwort zur Übersetzung vom Pali ins Englische – Nyanaponika Mahathera v

Einführung 1 

I. Läuterung der Sittlichkeit (s´la-visuddhi) 3

Die Einsichtsentwicklungsmethode, kurzgefasst 3 

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II. Läuterung des Geistes (citta-visuddhi) 8 

III. Läuterung der Ansicht (diÊÊhi-visuddhi) 12 1. Analytisches Wissen von Körper und Geist(nama-rèpa-pariccheda-–Œöa) 12 

IV. Läuterung durch Überwindung des Zweifels 14 (kankhŒ-vitarana-visuddhi)2. Wissen durch Erkenntnis der Bedingtheit(paccaya-pariggaha-–Œöa) 14

3. Wissen durch Verständnis der Gestaltungen in Gruppen(sammasana-–Œöa) 17 4. Wissen durch Erkennen des Entstehens und Vergehens(udayabhaya-–Œöa) im schwach entwickeltem Stadium(Eingeschlossen sind die 10 Trübungen der Einsicht) 20 

V. Läuterung durch Erkennen von Pfad und Nicht-Pfad(maggamagga-–Œöadassana-visuddhi) 25 

VI. Läuterung durch aus Praxis gewonnener Erkenntnis(patipada-–Œöadassana-visuddhi)

 

11. Wissen durch Gleichmut gegenüber den Gestaltungen(saºkhar'upekkha-–Œöa) 33 12. Erlösungswissen ( vutthŒnagŒmin´-vipassanŒ-–Œöa) 35 13. Anpassungswissen (anuloma-–Œöa) 37 14. Reifewissen (gotrabhè-–Œöa) 38 

VII. Läuterung durch direkte Wahrheitserkenntnis(–Œöa-dassana-visuddhi) 39 15. Pfadwissen (magga-–Œöa) 39 16. Fruchtwissen (phala-–Œöa) 39 17. Rückblickswissen (paccavekkhana-–Œöa) 39

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17. Rückblickswissen (paccavekkhana –Œöa) 39 18. Verwirklichung der Frucht (phalasamŒpatti) 41 19. Die höheren Pfade und Früchte 42 

Nachwort 45

Der Ehrwürdige Mahasi Sayadaw 47 

 

Vorwort zur Übersetzung ins Deutsche

Während der Übersetzung dieser Abhandlung ins Deutsche, wies manmich auf einen Brief des Ehrw. Nyanaponika Mahathera (1901-1994)aus dem Jahre 1953 - also von vor genau 50 Jahren - an LamaAnagarika Govinda hin. Nyanaponika schrieb dort folgendes: „...ZurZeit bin ich mit der gründlichen Revision meiner englischenSatipaÊÊhŒna  –Schrift beschäftigt. Danach will ich des Mahasi

Sayadaw meisterhafte Pali-Abhandlung „ visuddhi–Œöa-kathŒ“ über  Fortschreitende Einsicht in der Meditationspraxis erst ins Englische

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p gund später ins Deutsche übersetzen. Es ist ein kleines Werk von tief eindrucksvoller Reife, gesättigt mit praktischer Erfahrung. Eine leicht revidierte Fassung (in burmesischer Schreibmaschinenschrift hatte ermir gerade bei seinem Besuch hier mitgebracht)...“

Wahrscheinlich ist der Ehrw. Nyanaponika selbst nicht mehr dazugekommen, oder die Übersetzung ist heute nicht mehr zugänglich.Deshalb freue ich mich diese, meiner Meinung nach, äußerst wichtigeSchrift auch für deutsche Leser verfügbar zu machen.

Als Ergänzung zu dieser Abhandlung empfehle ich die Arbeit:

„Die Ausübung der Einsichtsmeditation (Grundlagen undfortschreitende Stufen)“ Mahasi Sayadaw,

die die Meditationsmethode des Sayadaws exakt beschreibt. Eine sehr schöne deutsche Übersetzung (von Kurt Jungbehrens, BGM) habe ich

im Internet gefunden:

 

nicht einwandfrei (wie auch im Nachwort erwähnt) formuliert wurden.

Ich musste mich entscheiden, ob ich den Text in etwa so lasse, wie er ist, oder ob ich ihn völlig neu formuliere. Wenn ich ihn allerdings neuverfasst hätte, wäre eine ganz andere Abhandlung daraus entstanden.Deshalb bin ich möglichst beim etwas holprigen Original geblieben.

Ganz herzlich möchte ich mich bei Gudrun und Arwed Feist  bedanken, die diese Übersetzung durchgesehen und überarbeitet

haben.

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Ich hoffe sehr, dass Mahasi Sayadaws Arbeit Ihnen weiterhilft undwünsche Ihnen viel Freude und Erkenntnisse beim Lesen undPraktizieren.

Thomas Michael ZehBerlin, den 29.11.2003 

 

Vorwort des Übersetzers vom Pali ins Englische -Nyanaponika

MahatheraEine Abhandlung über buddhistische Meditation zu präsentieren

  benötigt heute kein Wort der Rechtfertigung. In weiten westlichenKreisen wird buddhistische Meditation nicht länger als reineAngelegenheit von akademischem oder exotischem Interesse gesehen.Unter der Belastung und der Komplexität des modernen Lebens wurde

die Notwendigkeit einer geistigen und spirituellen Regenerationsichtbar. Und in diesem Bereich der methodischen geistigenE i kl d di Wi h i k i d b ddhi i h M di i

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Entwicklung wurde die Wichtigkeit der buddhistischen Meditationerkannt und von vielen erfolgreich ausprobiert.

Es ist im besonderen Buddhas Weg der Achtsamkeit (satipaÊÊhŒna),

der als unschätzbar wertvoll gilt, weil er in vielen verschiedenenSituationen des Lebens hilfreich und integrierbar ist. Diesevorliegende Abhandlung basiert auf der Entwicklung von Achtsamkeitund Klarbewusstheit, die letztendlich auf die Befreiung des Geistesvon Gier, Hass und Verblendung abzielt.

Der Autor dieser Arbeit, der Ehrwürdige Mahasi Sayadaw (U Sobhana

Mahathera), ist buddhistischer Mönch des gegenwärtigen Burma undein hervorragender Meditationsmeister. Ein kurzer Lebenslauf ist indieser Ausgabe enthalten. Der hier auf diesen Seiten beschriebeneMeditationspfad wurde und wird von ihm in seinemMeditationszentrum Thathana Yeikta in Rangoon gelehrt. Er wurdeaußerdem auch durch seine Arbeiten und Bücher in burmesischer 

Sprache bekannt.

 

für Leiden und ohne ein Selbst oder eine Seele ist. Die meditative

Praxis beginnt mit ein paar ausgewählten Objekten der Körperbetrachtung, die bis zur Erreichung des Ziels beibehaltenwerden. Durch die langsam erhöhte Stärke der Achtsamkeit undKonzentration vergrößert sich die Kraft und die Einsicht bis sich dasEinsichtswissen in entsprechender Folge als natürliches Ergebnis der Praxis selbst enthüllt. Diese Annäherung an das letzte Ziel der 

  buddhistischen Meditation wird „Reine Einsicht“ genannt, weil hier 

Einsicht in die drei Merkmale der Existenz ohne vorherigeEntwicklung der vollen konzentrativen Vertiefung ( jhŒna) praktiziert

i d U d i hl k äh d hi d i

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wird. Und es ist wohl kaum erwähnenswert, dass hier trotzdem einhoher Grad an Konzentration benötigt und gewonnen wird, umEinsichtswissen zu erreichen und um die Früchte der Einsicht zugewinnen.

Wie in dieser Abhandlung selbst klargestellt wird (S.3) ist es nicht dieAbsicht des Autors eine detaillierte Einführung in die Praxis für Anfänger zu geben. Das wichtigste Anliegen dieser Arbeit ist es auf einer Stufe zu helfen, wo nach eifriger vorangegangener Praxis dasEinsichtswissen erscheint und dann zum höchsten Gipfel der spirituellen Leistung, der Arahantschaft (vollkommenen Erwachung)

führt. Über die grundlegenden Übungen gibt diese Abhandlung nur am Anfang von Kapitel I. einen kurzen Überblick. DetaillierteAnleitungen darüber hinaus können vom Schüler durch das Buch desAutors „Practical Insight Meditation“ (in Deutsch: „Die Ausübung der Einsichtsmeditation“) oder des Übersetzers „Geistestraining durchAchtsamkeit“ gesammelt werden. Auch das Studieren von Buddhas

Originallehrrede „Die 4 Pfeiler der Achtsamkeit“ (satipaÊÊhŒna sutta,M 10 und mahasatipaÊÊhŒna sutta D 22 ) ist sehr wichtig.

 

anderen Ländern gab es nur ein paar Blätter in Englisch, die nur kurz

die Stufen des Einsichtswissens beschrieben, ohne Abhandlung selbst.Man tat dies, um dem Meditierenden die Möglichkeit zu geben seine persönliche Erfahrung mit der einen oder anderen beschriebenen Stufezu vergleichen. So kann er besser vorankommen ohne von einemerwarteten sekundärem Phänomen, das während seiner Praxiserscheinen könnte, abgelenkt zu werden.

1954 war der Autor mit einer gedruckten Ausgabe der Paliversion in burmesischer Schrift einverstanden und nach dieser ersten Veröffentli-chung erlaubte er nach Anfrage des Übersetzers auch die englische

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chung erlaubte er, nach Anfrage des Übersetzers, auch die englischeAusgabe. Er war so freundlich sorgfältig mit Hilfe des erfahrenen

 burmesischen Laienanhängers, U Pe Thin, der für viele Jahre eifrig alsÜbersetzer für ausländische Meditierende gedient hatte, durch die

Rohübersetzung zu gehen und entsprechende Korrekturen zu machen.Die Dankbarkeit des Übersetzers gebührt beiden, sowohl demEhrwürdigen Meditationsmeister und Autor als auch demLaienanhänger U Pe Thin.

 Nyanaponika TheraForest Hermitage

Kandy, Ceylon,Am Vollmondtag des Juni (Poson) 1965. 

 

- Ehre sei Ihm, dem Erhabenen, Heiligen, vollkommen Erwachten -

FORTSCHREITENDE EINSICHT 

Einführung

 Ehre ihm, dem großen allwissenden Weisen, Der das Netz der Strahlen seines guten Dhammas ausbreitet!

 Diese Strahlen seines guten Dhammas – Seine absolute Wahrheit – Lange mögen sie ihren Glanz über die Welt ausschütten!

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Diese Abhandlung erklärt die Fortschreitende Einsicht1 zusammen mitden korrespondierenden Stufen der Läuterung.2 Sie wurde

geschrieben, um Meditierenden, die in ihrer Praxis Ergebnisseerreichten, zu helfen ihre Erfahrungen leichter verstehen zu können.Das heißt für diejenigen, die in ihrer Einsichtsmeditationspraxis alsHauptobjekt entweder den fühlbaren Körperprozess der Bewegung,3 der durch die hebende und senkende Bewegung der Bauchdeckewahrgenommen wird,4 oder durch den fühlbaren Körperprozess der 

1 Hier und im Titel dieser Abhandlung wird der Pali-Ausdruck  –Œöa als „Einsicht“wiedergegeben, statt des Wortes „Wissen.“ Die normale Wiedergabe von –Œöa, in ihrer vollenBedeutung, wie im sonstigen Kontext dieser Abhandlung, darf hier nicht vom Leser angenommenwerden. In allen folgenden Vorkommen, jedoch wird dieser Pali-Ausdruck als „Wissen „übersetzt, während das Wort „Einsicht“ für den Pali-Ausdruck  vipassanŒ reserviert wurde. Wenn„Wissen“ zu mehreren Arten von Wissensstufen gehörte wurde der Plural „Wissen“ (Anm. d.Übersetzers: Im Deutschen gibt es im Singular und Plural des Worts „Wissen“ keinen Unterschied.Im englischen Original wurde „knowledge“ und „knowledges“ benutzt.) benutzt in

Übereinstimmung mit dem Pali –Œöani. 2 In den kanonischen buddhistischen Schriften werden die sieben Stufen der Läuterung (visuddhi)in der Lehrrede von den sieben Kutschen (majjhima nikŒya 24) erwähnt Sie sind auch die

 

auf den drei primären Elementen der Materie5, der in der 

Berührungsempfindung wahrgenommen wird, aufnehmen. Und zwar für diejenigen, die sich ernsthaft um ihre Übungen bemühen und auchschon Einsichtsfortschritte des Körper-Geist-Prozesses erzielt haben,wie er an den sechs Sinnestoren erscheint,6 und die letzen Endesgekommen sind den dhamma zu sehen, den dhamma zuverwirklichen, den dhamma zu verstehen, den dhamma zudurchdringen. Und ebenso für diejenigen, die den Zweifel hinter sich

gelassen haben, befreit von Unsicherheit sind, die Sicherheit habenund damit unabhängig von anderen in der Lehre sind.7 

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gemacht und bildet hier das Basisobjekt der Meditation Details kann man nachlesen in

I. Läuterung der Sittlichkeit (s´la-visuddhi)

I. Läuterung der Sittlichkeit (s´la-visuddhi)

Läuterung der Sittlichkeit bedeutet hier für Laienanhänger undLaienanhängerinnen (upŒsakas und upŒsikas) die Annahme der Sittenregeln und das richtige Bewachen und Schützen ihrer Einhaltung. – Entweder fünf Regeln oder acht uposatha Regeln, oder zehn Regeln.8 

Für Mönche bedeutet Läuterung der Sittlichkeit die gut behüteteEinhaltung der Reinheit einer vierfachen Sittlichkeit, zu denen sie sichverpflichtet haben Also zunächst einmal die Sittlichkeit gemäß den

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verpflichtet haben. Also zunächst einmal die Sittlichkeit gemäß denMönchsregeln, die pŒtimokkha genannt wird. Diese vierfacheSittlichkeit, ist sehr wichtig, weil man nur mit dieser reinenSittlichkeit in der Lage ist, Fortschritte in der Meditation zu

erreichen.9

 

Die Einsichtsentwicklungsmethode, kurzgefasst

Es gibt zwei Arten meditativer Entwicklung, Ruhe (samatha) undEinsicht ( vipassanŒ). Jemand, der zuerst Ruhe entwickelt hat unddann entweder in Zugangskonzentration oder voller Konzentration10 gefestigt ist und erst später die fünf Gruppen des Anhaftens

8 I. Die fünf Sittenregeln, bindend für alle Hausleute, sind : Abstehen vom (1) Töten, (2) Stehlen,

(3) sexuellem Fehlverhalten, (4) Lügen, (5) Alkohol, Drogen.II. Die acht uposatha Regeln sind; Abstehen vom (1) Töten, (2) Stehlen, (3) Sex, (4) Lügen, (5)Alkohol Drogen

I. Läuterung der Sittlichkeit (s´la-visuddhi)

 betrachtet11, wird samatha-yanika genannt, „jemand der Ruhe alsFahrzeug hat“.

Zu dieser Methode sagt der  papa–casudani, indem er dasdhammadayana sutta der  majjhima nikŒya kommentiert: „Hier erzeugt jemand zuerst Zugangskonzentration oder volleKonzentration. Das ist Ruhe (samatha). Dann entwickelt er Einsicht( vipassanŒ) auf diese Konzentration und den damit verbundenen

Bewusstseinszuständen. Er sieht sie als unbeständig etc. Das ist„Einsicht.“ In der visuddhimagga wird auch gesagt: „Der, dessenFahrzeug Ruhe ist sollte zuerst aus dem feinmateriellen oder

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Fahrzeug Ruhe ist, sollte zuerst aus dem feinmateriellen oder immateriellen  jhŒna austreten (ausgenommen beim Weder-Wahrnehmung-Noch-Nicht-Wahrnehmungs-Gebiet) und er solltedann gemäß der Eigenschaften, Funktionen etc. die  jhŒna-Faktoren

(Gedankenfassen etc.) und die zugehörigen Bewusstseinszuständeerkennen“ (visuddhimagga, XVIII,3).

Derjenige jedoch, der weder Zugangskonzentration noch volleKonzentration erreicht hat, sondern von Anfang an Einsicht auf diefünf Anhaftungsgruppen anwendet, wird suddha-vipassanŒ-yanika12 genannt „Einer, der reine Einsicht als Fahrzeug hat“. Zu dieser Einsichtsmethode wird im selben Kommentar zur dhammadayadasutta gesagt: „Es gibt weiter eine Person, die ohne die vorgenannteRuhe zu entwickeln, nur Einsicht auf die fünf Gruppen des Anhaftensanwendet, diese als unbeständig etc. sieht“. In der visuddhimaggawird ferner gesagt: “Einer, der nur Einsicht als Fahrzeug hat,

 betrachtet die vier Elemente.“

In der susima-paribbajaka sutta des nidanavagga samyutta wird vom

I. Läuterung der Sittlichkeit (s´la-visuddhi)

Wenn die „Läuterung der Sittlichkeit“ gesichert ist, sollte sich der Meditierende, der nur Einsicht als Fahrzeug hat, bemühen über Körperlichkeit und Geistigkeit (nama-rèpa) zu kontemplieren.Während er das tut, sollte er über deren Charakteristika13 nachsinnen,also über die fünf Gruppen des Anhaftens, das heißt die körperlichenund die geistigen Prozesse, die für ihn erkennbar werden (in seinemeigenen Lebenskontinuum, an seinen eigenen sechs Sinnestoren).14 

Einsicht muss der Wirklichkeit gemäß durch „Notieren“15 entwickeltwerden, gemäß der spezifischen und allgemeinen Charakteristiken16 des Körper-Geist-Prozesses, der an den Sinnestoren erscheint. Am

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p ,Anfang ist es jedoch schwierig dem Körper-Geist-Prozess, der unaufhörlich an den sechs Sinnestoren erscheint, zu folgen und ihn zunotieren. Deshalb sollte der Meditationsanfänger zuerst den

  problemlos erkennbaren Prozess des Berührens, der durch dasKörpertor erscheint, notieren. Auch die visuddhimagga sagt, dass manwährend der Einsichtsmeditation das aufnehmen sollte, was klar erkennbar ist. Während des Sitzens erscheint der Körperprozess der Berührung durch die Art des Sitzens und durch Berührung der sensitiven Teile des Körpers. Diese Prozesse der Berührungssensitivität sollten notiert werden als “sitzen – berühren„

13 Wörtlich: „Gemäß ihrer wahren Natur und Funktion.“14 Diese Meditationsmethode zielt auf „Wissen durch direkte Erfahrung“ (paccaka-–Œöa) unddiese resultiert aus der, auf den eigenen Körper- und Geistprozess gerichteten Achtsamkeit. Ausdiesem Grund wird hier ausdrücklich erwähnt „der eigene Lebenszusammenhang.“ Hat mandirekte Erfahrung durch Kontemplation über den eigenen Körper und Geist, gesammelt, kann mansie später durch Schlussfolgern (anumana) auf den Lebenszusammenhang anderer ausweiten.Sehen sie auch im satipaÊÊhŒna-sutta die folgende Passage: „Den Körper betrachtend, etc.,

außen.“15 „Notieren“ (sallakkhana) ist der Schlüsselausdruck in dieser Abhandlung. Daskorrespondierende Verb in Pali ist sallakkheti (sam + lakh) Es kann normal übersetzt werden aber

I. Läuterung der Sittlichkeit (s´la-visuddhi)

und so weiter in Folge ihres Erscheinens. Darüber hinaus ist der Berührungsprozess der körperlichen Bewegung an der Bauchdecke

  beim sitzenden Meditierenden (das ist das Wind- oder Bewegungselement), der durch Atmung bedingt ist, durch daskontinuierliche Steigen und Fallen der Bauchdecke wahrnehmbar.Auch dies sollte als „steigen – fallen“ und so weiter notiert werden.Während der Meditierende so mit dem Notieren desBewegungselementes, das kontinuierlich das Tor der 

Körpersensitivität im Bauch berührt, beschäftigt ist, wird es in seinenAspekten der Steife, der Vibration und des Drückens und Ziehens für ihn erkennbar. Hier zeigt der Aspekt der Steife des

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g pBewegungselementes die charakteristische Natur der Unterstützung,der Aspekt der Vibration zeigt die wesentliche Funktion der Bewegung und der Aspekt des Drückens und Ziehens zeigt seine

 Manifestation des Antreibens.17 

Deswegen verwirklicht der Meditierende, während er den fühlbarenKörperprozess des Steigens und Fallens der Bauchdecke notiert, alsodurch Beobachtung des Körperprozesses (rèpa), das Kennenlernender charakteristischen Natur usw. des Bewegungselementes. Später,wenn er die Beobachtung des Geistes (nama) und die Beobachtung

von Körper und Geist (nama-rèpa) verwirklicht hat, wird er auch dieallgemeinen Daseinsmerkmale der Prozesse kennen lernen – ihreUnbeständigkeit (anicca), ihre Neigung zum Leiden (dukkha) und ihreSubstanzlosigkeit (anatta).

Während er aber gerade mit dem Notieren des Steigens und Fallens

der Bauchdecke oder anderer fühlbarer Prozesse beschäftigt ist,werden Gedanken der sinnlichen Begierde etc., angenehme Gefühle

I. Läuterung der Sittlichkeit (s´la-visuddhi)

Fallens der Bauchdecke, welches das Hauptobjekt der Achtsamkeit indieser Praxis ist, zurückgehen.

Dies ist ein kurzer Abriss der Einsichtsmeditationspraxis. Hier istnicht der Platz, um sie detailliert zu behandeln. Dies ist eine kurzeAbhandlung über die Einsichtsfortschritte und ihre Stadien der Läuterung. Es ist keine Abhandlung, die dieEinsichtsmeditationspraxis im Detail erklärt.

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II. Läuterung des Geistes (citta-visuddhi)

II. Die Läuterung des Geistes (citta-visuddhi)

Am Anfang der methodischen Praxis und zwar solange, wie der Geistdes Meditierenden noch nicht voll gereinigt ist, werden wanderndeGedanken, die durch Denken an Objekte des Sinnesbegehrens etc.aufsteigen, periodisch zwischen den Gedanken des Notierenserscheinen (den Objekten der Meditation).Manchmal wird der Meditationsanfänger solche Unterbrechungen

wahrnehmen und manchmal nicht. Aber selbst, wenn er siewahrnimmt, wird es erst einige Zeit nach ihrem Erscheinen sein. Diemomentane Konzentration (khanika samadhi) seines Geistes ist jetzt

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noch sehr empfindlich und schwach. Diese wandernden Gedanken behindern kontinuierlich den Geist, während er mit der Entwicklungder Praxis des Notierens beschäftigt ist. Deswegen werden diesewandernden Gedanken störende Gedanken genannt.

Wenn jedoch die „momentane Konzentration“ des Geistes stark genuggeworden ist, wird das Notieren des Gedankenprozesses gut laufen.Deswegen erscheinen jetzt, wenn er sich mit den zu notierendenObjekten beschäftigt – der Bewegung der Bauchdecke, sitzen,

  berühren, beugen, strecken, sehen, hören etc. – seine notierenden

Gedanken, als wenn sie auf die Objekte fallen, so als ob sie auf siezielen, so als ob sie sich ihnen gegenüberstellen. Meistens wird seinGeist nun nicht länger irgendwohin wandern. Nur manchmal und imleichten Grad passiert es und auch in diesen Fällen ist er in der Lage

 jeden dieser streunenden Gedanken sofort beim Entstehen zu notieren.Oder um exakt zu sein, er wird den streunenden Gedanken sofort nach

seinem tatsächlichen Auftauchen notieren. Dann wird dieser streunende Gedanke, sobald er notiert wurde, abklingen und nicht

II. Läuterung des Geistes (citta-visuddhi)

„Die Konzentration des Geistes, die im Moment verbleibt“ auf. Diesist die Konzentration, die auf jedes auftauchende zu notierende Objektgerichtet ist. Dies wird  „Läuterung des Geistes“ genannt .18 

Obwohl diese Konzentration nur momentane Dauer hat, ist ihreWiderstandskraft gegen Störungen vergleichbar mitZugangskonzentration.

Im Kommentar zur visuddhimagga, bei der Erläuterung des Kapitels,das zur Atemachtsamkeit gehört, wird deshalb gesagt: „’MomentaneEinspitzigkeit des Geistes’ bedeutet Konzentration des Geistes, die

fü d M d A h di A d K i

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nur für den Moment andauert. Auch diese Art der Konzentration,wenn sie ununterbrochen mit den zu ihr passenden Objekten erscheint,im einzelnen Modus, und nicht durch Störungen überwältigt wird,fixiert den Geist, als ob er in einer Vertiefung wäre.“

„Sie erscheint ununterbrochen mit den zu ihr passenden Objekten“  bezieht sich auf die ununterbrochene Kontinuität der mit Notieren  beschäftigten Gedanken. Nach dem Notieren eines Objektes,  beschäftigt man sich in derselben Art und Weise sofort mit demnächsten, das darauf folgt.19 Indem man auch dieses Objekt notiert,

wendet man sich wieder dem nächsten zu, und so weiter.

„Im einzelnen Modus“ bedeutet: Obwohl die Objekte so notiertwerden wie sie sich zeigen, sind sie doch zahlreich und verschieden.Trotzdem bleibt die Konzentrationskraft des Geistes, der ununterbrochen mit Notieren beschäftigt ist, eigentlich auf derselbenStufe. Was hiermit gemeint ist: Gerade so, wie das erste Objekt miteinem bestimmten Grad an Konzentration notiert wird, so werden

h d i d i d di i hf l d Obj k i

II. Läuterung des Geistes (citta-visuddhi)

„Nicht durch Störungen überwältigt“ bedeutet, dass die momentaneKonzentration in ihrem ununterbrochenem Fluss nicht durch diegeistigen Hindernisse20 überwältigt wird.

„Als ob in Vertiefung“ bedeutet, dass die Stärke der momentanenKonzentration identisch mit der ist, die die volle geistige Vertiefungerreicht hat. Allerdings wird die Gleichheit der momentanenKonzentration mit der voll vertieften Konzentration nur dann

offensichtlich, wenn diese Methode der Einsicht ihren Höhepunkterreicht.21 

Ab i d i d K t i ht t d di B i h

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Aber wird in den Kommentaren nicht gesagt, dass die Bezeichnung„Läuterung des Geistes“ nur angewandt wird auf Zugangskonzentration und voll vertiefte Konzentration? Das ist wahr,aber man hat das so zu verstehen, dass „momentane Konzentration“ inZugangskonzentration eingeschlossen ist. Und zwar, weil in denKommentaren zum satipaÊÊhŒna sutta gesagt wird: „Dieverbleibenden zwölf Übungen sind Meditationsobjekte, die nur zur Zugangskonzentration führen.“22 Praktiziert jemand Klarbewusstsein

 bei Körperhaltungen oder Elementen, wie es in den Abschnitten dessatipaÊÊhŒna sutta beschrieben wird, wird durch diese Art der 

Konzentration sicher nur „momentane Konzentration“ erreicht. Die„momentane Konzentration“ ist aber genauso fähig die Hindernisse zuunterdrücken wie die Zugangskonzentration,23 und hat fast die Tiefeder Konzentration, die den edlen Pfad verwirklicht.24 Deshalb wirdvon derselben „momentanen Konzentration“ als Zugangs- oder angrenzende Konzentration gesprochen und auch die

Meditationsobjekte, die diese „momentane Konzentration“

II. Läuterung des Geistes (citta-visuddhi)

  produzieren, werden „Meditationsobjekte, die zur Zugangskonzentration führen, genannt.“

Daher sollte man verstehen, dass die „momentane Konzentration,“ diedie Kraft hat die geistigen Hindernisse zu unterdrücken, mit RechtZugangskonzentration und „Läuterung des Geistes“ genannt wird.Aber man muss aber beachten, dass „Läuterung des Geistes“ nicht bei

 jemanden realisiert ist, der nur Einsicht als Fahrzeug hat, wenn er also

nur Einsicht praktiziert und weder Zugangs- noch volle Konzentrationerreichte.

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III. Läuterung der Ansicht (diÊÊhi-visuddhi)

III. Die Läuterung der Ansicht (diÊÊhi-visuddhi)

1. Analytisches Wissen von Körper und Geist(nama-rèpa-pariccheda-–Œöa) 

Ausgestattet mit der Läuterung des Geistes und die Praxis des Notierens fortsetzend, kommt der Meditierende folgendermaßen zumanalytischen Wissen von Körper und Geist: „Das Steigen (die

Aufwärtsbewegung) der Bauchdecke ist ein Prozess. Das Fallen (dieAbwärtsbewegung) ein anderer, Sitzen ist ein anderer, Berühren istein anderer“ etc. So bekommt er das Wissen jeden Körperprozess, dener notiert zu unterscheiden Weiter realisiert er: Das Wissen um die

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er notiert, zu unterscheiden. Weiter realisiert er: „Das Wissen um dieAufwärtsbewegung ist ein Prozess. Das Wissen um dieAbwärtsbewegung ist ein anderer.“ Auf diese Weise wird er jedengeistigen Akt des Notierens kennen lernen. Weiter realisiert er: „Diesteigende Bewegung ist ein Prozess, das Wissen darum ein anderer.Die fallende Bewegung ist ein Prozess, das Wissen darum einanderer.“ und so weiter. So bekommt er das Wissen, jedenkörperlichen und geistigen Prozess zu unterscheiden.

  All dieses Wissen kommt vom schlichten Notieren, nicht durchÜberlegen.  Es ist Wissen durch direkte Erfahrung, durch den reinen

  Akt des Notierens und nicht abgeleitetes Wissen durch Schlussfolgerung. 

Deshalb weiß der Meditierende nun jeden einzelnen Gegenstand, inden er verwickelt, ist zu unterscheiden. So z.B. beim Sehen einesvisuellen Objektes mit dem Auge: „Das Auge ist Eines; das visuelleObjekt ist ein Anderes; Sehen ist ein Anderes; Wissen ist einAnderes.“ Ebenso weiß er es bei den anderen Sinnesfunktionen.

III. Läuterung der Ansicht (diÊÊhi-visuddhi)

  beschrieben werden. Diese erfährt er so: „Sie haben nicht die Natur sich dem Objekt zuzuwenden, oder das Objekt zu erkennen.“ DiesesWissen wird „Wissen der Materie“ genannt. Entsprechend wird immula-tika, dem Hauptsubkommentar zum abhidhamma vibhangagesagt: „...es ist die Unfähigkeit ein Objekt zu erfahren.“

Das Wissen, das bei jedem Akt des Notierens beides analysiert,nämlich den Körperprozess, der notiert wird und den geistigen

Prozess, der mit Notieren beschäftigt ist, gemäß seiner wahren Natur wird „Analytisches Wissen von Körper und Geist “ genannt. 

Wenn dieses Wissen zur Reife kommt versteht der Meditierende dies:

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Wenn dieses Wissen zur Reife kommt, versteht der Meditierende dies:„Im Moment des Einatmens gibt es nur die steigende Bewegung der Bauchdecke und das Wissen um diese Bewegung, aber da ist keinSelbst. Im Moment des Ausatmens gibt es nur die fallende Bewegungdes Bauchdecke und das Wissen um diese Bewegung, auch da ist keinSelbst.“ Er versteht es hier und in anderen Fällen. Er weiß und sieht es

  beim Notieren wie folgt:  „Es gibt hier nur dieses Paar: Einenmateriellen Prozess als Objekt und einen geistigen Prozess desWissens davon.“  Diesem Paar werden nun die konventionellenBegriffe „Lebewesen“, „Person“ oder „Seele“, „Ich“ oder „Ein

anderer“, „Mann“ oder „Frau“ zugeordnet.

 Dies wird  „Läuterung der Ansicht“ genannt.

IV. Läuterung durch Überwinden des Zweifels (kankhŒ-vitarana-visuddhi)

IV. Läuterung durch Überwinden des Zweifels(kankhŒ-vitarana-visuddhi)

2. Wissen durch Erkenntnis der Bedingtheit(paccaya-pariggaha-–Œöa)

Wenn die „Läuterung der Ansicht“ zur Reife kommt, werden auch dienotwendigen Bedingungen für den beobachteten Körper- und

Geistprozess erkennbar. Zuerst wird die Absicht wahrgenommen,einen Körperprozess durchzuführen. Wie? Zum Beispiel, wenn manden Arm oder das Bein beugt, kann man zuerst dieBewusstseinsmomente mit der Absicht diese Gliedmaßen zu beugen

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Bewusstseinsmomente mit der Absicht diese Gliedmaßen zu beugen,erkennen. Deshalb notiert der Meditierende zuerst die Absicht desBeugens und dann notiert er den Akt des Beugens selber und so fort.

  Nun versteht er durch direkte Erfahrung: „Dem Bewusstsein mit der Absicht Gliedmaßen zu beugen, folgt der Körperprozess des

 Beugens. Dem Bewusstsein mit der Absicht Gliedmaßen zu strecken,folgt der Körperprozess des Streckens.“ Und in derselben Weiseversteht er durch direkte Erfahrung auch alle anderen möglichen Fälle.

Er versteht durch direkte Erfahrung die Bedingung für den geistigen

Prozess und zwar auch auf die folgende Weise: „Im Falle gieriger ablenkender Bewusstseinsmomente, steigt zuerst einkorrespondierendes Bewusstsein auf, das die erste Aufmerksamkeit(auf das störende Objekt) lenkt. Wenn dieses Bewusstsein nicht mitAchtsamkeit notiert wird, dann steigt sofort ein ablenkendesBewusstsein auf. Wenn jedoch das störende Objekt sofort beimBewusstwerden notiert und erkannt wird, taucht kein streunender Gedanke auf.“ Und ganz ähnlich in anderen Fällen (Arten von

Ä

IV. Läuterung durch Überwinden des Zweifels (kankhŒ-vitarana-visuddhi)

Im allgemeinen kann der Meditierende jetzt die verschiedenstenschmerzhaften Gefühle in seinem Körper erfahren. Während einesdieser Gefühle notiert wird (aber ohne sich darum zu kümmern), steigtschon ein anderes Gefühl irgendwo auf. Und während er diesesnotiert, erscheint wieder ein anderes irgendwo. So folgt der Meditierende jedem Gefühl, das auftaucht und notiert es. Aber er wird nur die anfängliche Phase des Entstehens und nicht die Phase desVergehens wahrnehmen, da er mit dem ständigen Notieren der 

Gefühle beschäftigt ist, sobald sie auftauchen.

Auch viele geistige Bilder mit verschiedenen Formen könnenerscheinen. Die Form einer Pagode, eines Mönchs, eines Mannes,

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g , , ,eines Hauses, eines Baumes, eines Parks, einer himmlischen Villa,eine Wolke und viele andere solcher Bilder können erscheinen. Auchhier wird sich schon, während der Meditierende mit dem Notiereneines dieser geistigen Bilder beschäftigt ist, ein anderes zeigen undwährend er dieses notiert, wird noch ein anderes erscheinen. So dengeistigen aufsteigenden Bildern folgend, macht er mit dem Notierenweiter. Aber obwohl er sie notiert, wird er nur die anfängliche Phaseund nicht die Phase der Auflösung wahrnehmen.

Jetzt versteht er: „Bewusstsein steigt auf in Übereinstimmung mit  jedem Objekt, welches erkennbar wird. Wenn da ein Objekt ist, dann  steigt Bewusstsein auf. Falls kein Objekt da ist, steigt kein Bewusstsein auf .“

Zwischen dem ständigen Notieren erkennt er durch Erwägen:„Aufgrund von Ursachen und Bedingungen wie Unwissenheit,

 Anhaften, kamma etc., setzt sich der Körper- Geistprozess fort.“

IV. Läuterung durch Überwinden des Zweifels (kankhŒ-vitarana-visuddhi)

kommt zur Schlussfolgerung:   „Es gibt nur einen bedingenden  Körper- Geistprozess und einen bedingten Körper- Geistprozess.  Abgesehen davon gibt es keine Person, welche z.B. das Beugen derGlieder etc. ausführt, oder jemanden der die Gefühle oder denSchmerz etc. erfährt.“ 

Dies wird „Läuterung durch Überwinden des Zweifels“ genannt.

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3. Wissen durch Verständnis der Gestaltungen in Gruppen (sammasana-–Œöa)

3. Wissen durch Verständnis der Gestaltungen in Gruppen(sammasana-–Œöa) 

Wenn die „Läuterung (der Einsicht) durch Überwinden des Zweifels“Reife erlangt hat, wird der Meditierende deutlich den Anfang, dieMitte und die Schlussphase eines jeden von ihm notierten Objekteswahrnehmen. Dann (im Falle der verschiedenen notierten Objekte)wird er deutlich merken, dass ein neuer Prozess erst entsteht, nachdem

der vorherige Prozess vergangen ist. Zum Beispiel nur wenn diesteigende Bewegung der Bauchdecke zu Ende gekommen ist, steigtdie fallende Bewegung auf. Nur wenn diese beendet ist, folgt wieder eine steigende Bewegung. Genauso beim Gehen: Nur wenn das Heben

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g g gdes Fußes zu Ende gekommen ist, steigt das Vorwärtsschieben desFußes auf. Nur wenn das vollendet wurde, folgt das Platzieren desFußes auf die Erde.

Im Falle von schmerzhaften Empfindungen: Nur nachdem daseinzelne an einer bestimmten Stelle erscheinende Gefühl, vergangenist, wird ein neues Gefühl an anderer Stelle erscheinen. Beimwiederholtem Notieren eines schmerzhaften Gefühles, zweimal,dreimal oder mehr, wird der Meditierende sehen, dass es nach und

nach abklingt und zum Schluss ganz aufhört.

  Neue Bilder können immer erst in den Focus des Geistes rücken,wenn bisherige wieder verschwunden sind. Beim aufmerksamen

 Notieren dieser (zwei-, dreimal oder mehrmals), kann man gut sehen,dass die geistigen Objekte, die gerade notiert werden, eine Weile

 bleiben und allmählich schwächer und schwächer werden, bis sie zumSchluss ganz verschwinden. Der Meditierende wird jedoch niemals

3. Wissen durch Verständnis der Gestaltungen in Gruppen (sammasana-–Œöa)

aufstiegen – wenn ein schmerzhaftes Gefühl endete, stieg sofort einanderes auf und so fort – Nachdem er dies alles sah, versteht er,

erscheinende Objekte sind nur eine Ansammlung von Leiden. Weiterhin versteht er, dass die Objekte nur unpersönliche Phänomeneohne ein Selbst sind. Denn sie entstehen und vergehen durchBedingungen, aber nicht durch sich selbst.

 Dieses Verständnis eines notierten Objektes als unbeständig, leidvoll 

und ohne ein Selbst durch Erkennen seiner Natur der Unbeständigkeit etc., durch einfaches Notieren ohne jedes Reflektieren und   Nachdenken wird „Wissen durch Verständnis über direkte Erfahrung“  genannt. 

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 Nachdem diese drei Daseinsmerkmale so einmal oder mehrere Maledurch direkte Erfahrung gesehen wurden, folgert der Meditierende

 beim direkten Erfahren der notierten Objekte auf alle körperlichen undgeistigen Prozesse der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft undder ganzen Welt so: „Auch sie sind in derselben Art unbeständig,leidvoll und ohne ein Selbst.“  Dies wird „Wissen durch Verständnisüber Schlussfolgerung“  genannt.

Zu diesem großem Wissen wird in der patisambhidamagga gesagt:„Was es auch immer an Körperlichkeit gibt, vergangene,gegenwärtige oder zukünftige, innere oder äußere, grobe oder feine,niedrigere oder höhere, weite oder nahe, alle Körperlichkeit sieht er als unbeständig. Dies ist eine Art des Verstehens,“ und so weiter.

Außerdem wird im Kommentar zum kathavatthu gesagt: „Sogar wenndie Unbeständigkeit auch nur einer einzigen Gestaltung (bedingtesPh ) f h d k d h E d N hd k

3. Wissen durch Verständnis der Gestaltungen in Gruppen (sammasana-–Œöa)

Im Kommentar zur  majjhima nikŒya 11125 wird außerdem gesagt:„In der Sphäre der Weder-Wahrnehmung-Noch-Nicht-Wahrnehmungist es nur dem Buddha möglich die Einsicht in die Verkettung der geistigen Faktoren zu gewinnen, aber nicht seinen Anhängern. Diessagte der Buddha und wies dabei auf die Einsicht durch Gruppen hin.“(Diese Passage ist die Autorität für die Benutzung des Ausdrucks„Verstehen in Gruppen.“)26 

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4. Wissen durch Erkennen des Entstehens und Vergehens

4. Wissen durch Erkennen des Entstehens und Vergehens derGestaltungen (udayabbaya-–Œöa):

Die 10 Trübungen der Einsicht27 

Wenn der Meditierende bei der Übung des Notierens fähig ist, sichausschließlich auf den aktuellen Körper- Geistprozess zukonzentrieren, ohne auf vergangene oder auf zukünftige Prozesse zu

schauen, dann wird ihm als Resultat die geistige Vision einesstrahlenden Lichtes erscheinen. Einigen wird es wie das Licht einer Lampe vorkommen, anderen wie ein Gewitterblitz oder wie dasStrahlen des Mondes oder der Sonne oder anderes. Bei einigen dauert

d i M b i d d lä

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es gerade nur einen Moment, bei anderen dauert es länger.

Oder es steigt in ihm starke Achtsamkeit im Zusammenhang mitEinsicht auf. Als Ergebnis werden sich alle folgenden Erscheinungendes Körper- Geistprozesses wie von selbst dem notierendenBewusstsein präsentieren, und auch die Achtsamkeit erscheint so, alswürde sie sich wie von selbst auf den Prozess hinwenden. Deshalbmeint der Meditierende: „Es gibt keinen Körper- Geistprozess in demkeine Achtsamkeit vorhanden ist.“

Sein Wissen, welches aus Einsicht durch „Notieren“ besteht, wirdauch scharf stark und klar sein. Daher wird er klar und in Einzelheitenalle notierten Körper- Geistprozesse verstehen, als wenn er Stückeeiner Bambussprosse mit einem gutgeschärften Messer schneidet.Deshalb meint der Meditierende: „Es gibt keinen Körper-Geistprozess, der nicht notiert werden kann.“ Beim Überprüfen der Daseinsmerkmale der Unbeständigkeit etc. oder anderer Aspekte der 

4. Wissen durch Erkennen des Entstehens und Vergehens

Denken oder Notieren, ruhig und ohne irgendwelche Störungen undwenn er sich mit den Vorzügen des Buddha, dhamma und der sangha

  befasst, konzentriert sich sein Geist ganz leicht auf diese Vorzüge.Dadurch entsteht in ihm der Wunsch, die Lehre des Buddhas zuverbreiten. Freudig und vertrauend auf die Vorzüge, die Meditierendeerfahren, wünscht er nun auch lieben Freunden und Verwandten diePraxis der Meditation zu lehren. Dankbar erinnert er sich an die Hilfe,die er von seinem Meditationslehrer, seinem spirituellen Mentor 

 bekommen hat etc. Diese und viele andere ähnliche geistige Prozessewerden auftauchen.

Auch Verzückung in seinen fünf Stufen, am Anfang in geringeremG d 28 t i t f W di Lä t d G i t i ht i t t ht

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Grade,28 steigt auf. Wenn die Läuterung des Geistes erreicht ist, tauchtdieses Verzücken langsam auf und verursacht Gänsehaut, Zittern inden Gliedern etc. Es produziert ein edles Gefühl von Glück und

Erheiterung. Es erfüllt den ganzen Körper mit äußerster Süße undfeiner Erregung. Unter diesem Einfluss fühlt er, als wenn der ganzeKörper schwebt und in der Luft verbleibt ohne den Boden zu

 berühren, oder als wenn er auf einem Luftpolster säße, oder als wenner auf und ab schweben würde.

Ruhe des Geistes, mit der Charakteristik die Störungen desBewusstseins und seiner Begleitfaktoren abzuschwächen, steigtzusammen mit geistiger Behändigkeit etc. auf.29 Beim Gehen, Stehen,Sitzen oder Zurücklehnen gibt es unter dem Einfluss dieser geistigenQualitäten, weder Störungen des Bewusstseins und seiner Begleitfaktoren, noch Schwerfälligkeit, Starrheit, Unbeholfenheit,Krankheit oder Unaufrichtigkeit.30 Vielmehr sind sein Bewusstsein

4. Wissen durch Erkennen des Entstehens und Vergehens

und seine Begleitfaktoren dadurch ruhig, dass sie das erhabene Wohlder Nicht-Aktivität erreicht haben.31 Sie sind beweglich und

funktionieren immer schnell. Sie sind geschmeidig und fähig jedesgewünschte Objekt zu erkennen. Sie sind in der Lage jedes Objektsolange wie gewünscht festzuhalten. Sie sind sehr hell durch ihreTüchtigkeit, dass heißt, durch die Leichtigkeit mit welcher Einsichtdie Objekte durchdringt. Sie sind auch „aufrichtig“ da sie jetzt „auf Richtung“ der heilsamen Aktivitäten gerichtet, geneigt und zugewandt

sind.

Außerdem steigen edle Glücksgefühle auf, die den ganzen Körper durchdringen. Unter ihrem Einfluss wird der Meditierende äußerstfröhlich und glaubt: Jetzt bin ich für immer glücklich“ oder Jetzt

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fröhlich und glaubt: „Jetzt bin ich für immer glücklich oder „Jetzthabe ich tatsächlich das nie zuvor gefühlte höchste Glück gefunden“und er möchte anderen von seinen außergewöhnlichen Erfahrungen

erzählen. Mit Bezug auf dieses Entzücken und Glück, das durch dieFaktoren der Ruhe etc. unterstützt werden, wurde gesagt:

 In leere Klause eingetretenWird dem im Geist gestillten Mönch

 Ein übermenschlich Glück zuteil,

 Derweil er klar die Wahrheit schaut.

Wenn immer er im Geist erwägt  Der Daseinsgruppen Auf- und Untergang, Erlangt Verzücken er und Glück: Der Kenner nennt´s das todlos Reich.

 Dhammapada Vers 373-374

4. Wissen durch Erkennen des Entstehens und Vergehens

nicht deutlich. Zu anderen Zeiten war seine Energie zu stark und er wurde von Unruhe überwältigt, mit dem Resultat nicht fähig zu sein,

klar zu notieren etc. Aber jetzt ist seine Energie weder zu schlaff nochzu stark, sie ist kraftvoll und arbeitet gleichmäßig und so überwindeter die Unruhe und matte Müde, ist fähig jedes sich ihm präsentierendeObjekt klar und kontinuierlich zu notieren und sein Verstehen ist jetztauch deutlich.

Außerdem steigt in ihm starker mit Einsicht verbundener Gleichmutauf, der sich neutral gegenüber allen Gestaltungen verhält. Unter diesem Einfluss untersucht er auch neutral die Natur dieser Gestaltungen bezüglich ihres unbeständigen Dasein etc. und er ist inder Lage die körperlichen und geistigen Prozesse die im Moment

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der Lage die körperlichen und geistigen Prozesse, die im Momentauftauchen, begeistert und kontinuierlich zu notieren. Sein Notierengeschieht ohne Anstrengung und setzt sich wie von selbst fort. Auch

 beim Hinwenden zu den Objekten steigt in ihm starker Gleichmut auf.Deshalb fällt sein Geist schnell auf die Objekte der Hinwendung.32 

Mit der Einsicht und der sie begleitenden Ruhe, steigt aber auch einefeine Zuneigung auf, die das strahlende Licht und die anderen hier 

 beschriebenen Qualitäten genießt. Der Meditierende ist jedoch nicht in

der Lage dies als Hindernis zu verstehen. Er glaubt sogar, dass diesdie Seligkeit der Meditation ist. Deshalb preisen es die Meditierendenso: „Jetzt erst finde ich volles Vergnügen an der Meditation.“

Dieses Verzücken und die Freude genießend, die vom „strahlendenLicht“ und einem perfekten Akt des Notieren begleitet ist, der geschickt mit Leichtigkeit und Schnelligkeit funktioniert, glaubt der 

Meditierende jetzt „Gewiss ich habe den überweltlichen Pfad undi F h i h !33 J h b i h di A f b d M di i

4. Wissen durch Erkennen des Entstehens und Vergehens

  beschriebenen Weise stattfindet. Aber auch, wenn der Meditierendedas „strahlende Licht“ und die anderen Störungen nicht als ein

Zeichen des Pfades oder der Frucht ansieht, ist es eineEinsichtsstörung, sobald er Vergnügen daran findet. Deshalb wird diesWissen durch Notieren, auch wenn es schnell funktioniert aber vonsolchen Störungen heimgesucht wird, „die frühe (oder schwache)

 Phase des Erkennens des Entstehens und Vergehens der körperlichenund geistigen Prozesse“ genannt.

Aus diesem Grund ist der Meditierende hier nicht in der Lage dasEntstehen und Vergehen des körperlichen und geistigen Prozessesvollständig und klar zu erkennen.

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V. Läuterung durch Erkennen von Pfad und Nicht-Pfad ist

V. Läuterung durch Erkennen von Pfad und Nicht-Pfad(maggamagga-–Œöadassana-visuddhi)

Während der Meditierende fleißig notiert, kommt er entweder vonselbst oder durch Anleitung zu folgender Erkenntnis: „Das strahlendeLicht und die anderen von mir erfahrenen Dinge sind nicht der Pfad.Vergnügen in ihnen zu sehen ist bloß eine Störung der Einsicht. DiePraxis des kontinuierlichen Notierens der Objekte, wie sie erscheinen

 – dies allein ist der Weg der Einsicht. Ich muss nur mit dem Notierenfortfahren.“ Diese Erkenntnis wird  „Läuterung durch Erkennen von Pfad und Nicht-Pfad“ genannt.

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VI. Läuterung durch die aus Praxis gewonnener Erkenntnis

VI. Läuterung durch die aus Praxis gewonnener Erkenntnis(patipada-–Œöadassana-visuddhi) 

 Nach dem Notieren des strahlenden Lichtes etc., oder auch indem er es unbeachtet lässt, fährt er wie vorher kontinuierlich mit Notieren der körperlichen und geistigen Prozesse fort, wie sie an den sechsSinnestoren wahrgenommen werden. Während er so mit dem Notieren

 beschäftigt ist, überwindet er die mit strahlendem Licht, Verzückung,

Ruhe, Glück, Anhaften etc. verbundenen Hindernisse, und seineAchtsamkeit bleibt nur beim Entstehen und Vergehen des notiertenProzesses. So erkennt er nun bei jedem Notieren: „Das notierteObjekt, das entstanden ist, vergeht sofort wieder.“ Es wird ihm auchklar, dass jedes Objekt, dort wo es entstanden ist, auch wieder vergeht.

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klar, dass jedes Objekt, dort wo es entstanden ist, auch wieder vergeht.Es bewegt sich nicht an einen anderen Ort.

Auf diese Weise versteht er durch direkte Erfahrung wie körperlicheund geistige Prozesse von Moment zu Moment entstehen undvergehen. Dies Wissen und Verstehen resultiert aus demkontinuierlichem Notieren der von Moment zu Moment entstehendenund vergehenden körperlichen und geistigen Prozesse. Das getrenntestörungsfreie Erkennen des Entstehens und Vergehens wird

„  Abschließendes Wissen der Betrachtung vom Entstehen und Vergehen“ genannt.

Dies ist der Beginn der  „Läuterung durch der aus Praxis gewonnenen Erkenntnis“ die bei dieser Einsicht anfängt und bis zumAnpassungswissen (Nr. 13) reicht.

VI. Läuterung durch die aus Praxis gewonnener Erkenntnis

denn der körperliche und geistige Prozess wird leicht erkennbar.Wenn dieses scharfe Wissen aufrecht erhalten bleibt und die

Gestaltungen leicht wahrnehmbar sind, dann ist weder das Entstehendes körperlichen und geistigen Prozesses noch seine mittlere Phase,das sogenannte „Verharren“, noch die Kontinuität des körperlichenund geistigen Prozesses, die „Erscheinung des ununterbrochenenFlusses“ genannt wird, für ihn erkennbar. Auch die Form der Hand,des Fußes, des Gesichtes, des Körpers wird für ihn nicht erkennbar.

 Erkennbar ist jetzt nur das Vergehen des körperlichen und geistigen  Prozesses, welches als „Hinschwinden“, „Vergehen“ oder„Auflösung“ empfunden wird.

Während des Notierens der aufsteigenden Bewegung der Bauchdecke

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g g gz.B. wird weder seine anfängliche noch seine mittlere Phaseerkennbar, sondern nur die Schlussphase, das Vergehen. Entsprechend

ist es auch mit der fallenden Bewegung. Auch im Falle des Beugenseines Armes oder Beines, während man das Beugen notiert, wirdweder die anfängliche noch die mittlere Phase des Beugens, noch dieForm der Gliedmaßen erkennbar. Nur die Schlussphase des Beugensist erkennbar. Ähnlich ist es in anderen Fällen des Streckens einesGliedes und so weiter.

Jetzt scheint es ihm, als wenn das Objekt im Moment des Notierensvergeht. Folglich scheint es ihm auf dieser Stufe des Wissens, alswürde er etwas notieren, was im selben Moment bereits vergangen ist.Das mit Notieren beschäftigte Bewusstsein scheint den Kontakt mitdem notierten Objekt verloren zu haben. Aus diesem Grund könnteder Meditierende hier denken: „Ich habe die Einsicht verloren.“ Das

sollte er aber nicht denken.

VI. Läuterung durch die aus Praxis gewonnener Erkenntnis

mit ihren spezifischen Eigenschaften35 immer für ihn offensichtlich.Deshalb begnügte sich sein Geist mit einfach erkennbaren aus

Gestaltungen bestehenden Objekten mit ihrer jeweiligen Struktur 36 und den Wahrnehmungsmerkmalen. Aber jetzt, wo sein Wissen in der 

  beschriebenen Art entwickelt ist, erscheint keine solche Idee einer Gestaltung, eines Merkmals oder einer Struktur in ihm, noch weniger irgendein anderes rohes Konzept. Auf dieser Stufe erscheint dasEntstehen, die erste Phase des Prozesses der Gestaltungen, nicht wie

gewohnt (wie es im Falle des Wissens vom Entstehen und Vergehenist), sondern nur die Phase des Vergehens, die Schlussphase. Deshalbfindet der Geist des Meditierenden zuerst keine Freude daran, aber er kann sicher sein, dass sein Geist, sobald er mit der Stufe dieser Praxisvertraut ist, auch am Vergehen der Phänomene, also ihrer Auflösung,

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Freude haben wird. Mit dieser Zuversicht sollte er wieder zur Praxisdes kontinuierlichen Notierens zurückkehren.

Während er so beschäftigt ist, nimmt er wahr, dass es in jedem Aktdes Notierens immer zwei Faktoren gibt, einen objektiven Faktor undeinen subjektiven Faktor. Das notierte Objekt und der geistige Zustanddes Wissens davon, die dann beide vergehen und als Paar verschwinden. Ein Paar nach dem anderen. In jeder einzelnen Instanz

der steigenden Bewegung der Bauchdecke gibt es viele physischeProzesse, die die steigende Bewegung konstituieren, die hier nur hintereinander vergehend gesehen werden. Es ist als wenn man daskontinuierlich hintereinander ablaufende Verschwinden einer FataMorgana sieht, Moment für Moment. Oder es ist wie das schnelle undkontinuierliche Platzen der Blasen, die durch einen schweren Regenvon dicken, auf die Wasseroberfläche fallenden Regentropfen

 produziert werden. Oder es ist wie das schnelle aufeinanderfolgendeV l h Öll d K di Wi d bl

VI. Läuterung durch die aus Praxis gewonnener Erkenntnis

Vergehen des Körperprozesses selber. Auch wenn er anderekörperliche und geistige Prozesse notiert, erscheint ihm ihr Vergehen

in derselben Weise. Daraufhin steigt das Wissen auf: was für einkörperlicher Prozess auch immer notiert wird, zuerst vergeht daskörperliche Objekt und danach das mit Notieren beschäftigteBewusstsein. So kann der Meditierende auch jedes weitere Paar desVergehen eines Objektes und des Vergehen des Bewusstseins davon,klar erkennen. (Es sollte klar sein, das dies nur von jemanden der 

selber Notieren praktiziert, durch direktes eigenes Erfahren verstandenwerden kann. Es ist kein Wissen, das aus bloßer Schlussfolgerungabgeleitet wurde.)

Dies ist das perfekte und klare Verstehen des Vergehens von zwei

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Dingen, Paar für Paar.

1.) Dem Vergehen eines visuellen oder einem anderen Objekt, das anirgendeiner der sechs Sinnestore erscheint und2.) Dem Vergehen des notierenden Bewusstseins desselben Objektes.

 Dies wird „Wissen von der Auflösung der Gestaltungen“  genannt. 

6. Wissen des Schreckens der Gestaltungen(bhayatupatthŒna-–Œöa)

Wenn das Wissen des Vergehen der Gestaltungen reif ist, wirdallmählich durch reines Beobachten des Vergehen aller Objekt- undSubjektgestaltungen, das „Wissen des Schreckens der Gestaltungen“37 

aufsteigen und auch andere (höhere) Einsichtswissen, zusammen mit38

VI. Läuterung durch die aus Praxis gewonnener Erkenntnis

versteht der Meditierende durch Schlussfolgerung, dass auch in der Vergangenheit jedes gestaltete Ding in derselben Weise verging, dass

es genauso in Zukunft vergehen wird und dass es auch in der Gegenwart so vergeht. Und in einem Moment des Notierensirgendeiner erkennbaren Gestaltung wird ihm diese in ihrem Aspektdes Schreckens erscheinen. Deshalb wird der Meditierende, durch den

 bloßen Akt des Notierens, verstehen: „Diese Gestaltungen sind in der Tat schrecklich.“

Dieses Wissen des Schreckens wird   „Wissen des Bewusstseins des Schreckens“ genannt. Es hat auch den Namen  „Wissen der Angst,“  denn in dieser Zeit ist der Geist des Meditierenden voller Furcht underscheint hilflos.

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7. Wissen vom Elend der Gestaltungen (Œdinava-–Œöa)

Wenn er den Schrecken der Gestaltungen durch das „Wissen der Angst“ realisiert hat und mit dem Notieren kontinuierlich weiter macht, dann wird in ihm „das Wissen vom Elend“ schnell aufsteigen.Wenn es aufgestiegen ist, werden alle Gestaltungen überall – ob

zwischen den notierten Objekten, oder zwischen den Phasen des mit Notieren beschäftigten Bewusstseins - oder irgendeine andere Art vonLeben oder Existenz die Bewusstsein hat, reizlos erscheinen,unbefriedigend und ohne einen belebenden Faktor.39 So sieht er jetztnur Leiden, nur Unbefriedigtsein, nur Elend.   Deshalb wird diese

 Phase „Wissen vom Elend “ genannt.

VI. Läuterung durch die aus Praxis gewonnener Erkenntnis

Einsichtspraxis nicht auf, sondern verbringt kontinuierlich seine Zeitdamit. Er sollte wissen, dass diese Phase des Geistes keine

Unzufriedenheit mit der Meditation ist, sondern präzise  „das Wissendes Ekels der Abwendung“, das den Aspekt des Abwendens von denGestaltungen hat. Auch, wenn er seine Gedanken auf die glücklichsteArt von Leben oder Dasein richtet, oder auf die angenehmsten undgewünschtesten Objekte, wird sein Geist keine Freude, keineBefriedigung daran finden. Im Gegenteil sein Geist wird sich zum

nibbana neigen, hinwenden, beugen. Deshalb wird in ihm zwischenden Momenten des Notierens folgender Gedanke aufsteigen:  „Das  Aufhören aller Gestaltungen, die unaufhörlich von Moment zu Moment vergehen – Das allein ist Glück.“  

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9. Wissen durch Entwicklung des Erlösungswunsches

(muncitu-kamyatŒ-–Œöa)

Wenn er sich durch dieses jetzt erworbene Wissen, gegenüber jeder notierten Gestaltung angeekelt fühlt, dann steigt in ihm der Wunschauf, von den Gestaltungen befreit zu sein. Das Wissen, das zu diesemWunsch gehört wird   „Wissen durch Entwicklung des

 Erlösungswunsches“ genannt. Zu dieser Zeit tauchen normalerweiseverschiedene schmerzhafte Empfindungen in seinem Körper auf undauch Widerwille weiterhin in einer Körperhaltung zu verbleiben. Aber auch wenn diese Phase nicht auftaucht, wird die unerfreuliche Natur der Gestaltungen klarer werden als je zu vor. Dementsprechend fühlter folgende Sehnsucht zwischen den Momenten des Notierens,: „Oh,möge ich bald davon freikommen! Oh möge ich die Phase erreichen,

wo die Gestaltungen aufhören! Oh, möge ich in der Lage sein diese

VI. Läuterung durch die aus Praxis gewonnener Erkenntnis

10. Wissen durch Reflektieren(patisaºkhanupassana-–Œöa )

Begierig den Gestaltungen zu entkommen, macht der Meditierendegrößere Anstrengungen und setzt die Praxis des Notierens der Gestaltungen mit dem einzigen Zweck fort, sie aufzugeben und ihnenzu entkommen. Aus diesem Grund wird das Wissen, dass zu dieser Zeit in ihm auftaucht   „Wissen durch nachdenkendes Beobachten“  

genannt. Der Ausdruck wiederholtes Beobachten hat dieselbeBedeutung wie „Wieder-Bemerken“ oder „Wieder-Betrachten“.Dadurch wird ihm die Natur oder die Daseinsmerkmale der Gestaltungen – ihr unbeständiges, elendes und selbstloses Dasein – klar erkennbar und zwischen diesen Dreien wird der Aspekt desEl d b d kl t hi d

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Elends besonders klar unterschieden.

Auch auf dieser Stufe gibt es in seinem Körper verschiedene Artenstarker Schmerzen von wachsender Intensität. Daher wird ihm seinganzes körperliches und geistiges System wie eine unerträglichekrankhaft Masse oder eine Ansammlung von Leiden erscheinen.Außerdem taucht normalerweise eine Phase der Ruhelosigkeit auf, dieihn unfähig macht, eine Körperhaltung für eine bestimmte Zeit

  beizubehalten. Deshalb ist er dazu nicht in der Lage und wird sieschnell wechseln wollen. Dieses Stadium jedoch offenbart einfach nur die unerfreuliche Natur der Gestaltungen. Aber wenn er seine Haltungwechseln möchte, sollte er diesem Wunsch nicht einfach nachgeben,sondern sollte sich bemühen noch für eine gewisse Zeit bewegungsloszu verharren.

Jetzt ist sein Einsichtswissen ganz stark und klar und gerade weil die

VI. Läuterung durch die aus Praxis gewonnener Erkenntnis

erschienen. Wenn nun diese Schmerzgefühle fest und kontinuierlichnotiert werden, ohne die Praxis aufzugeben, werden sie in Kürze

vollständig vergehen. Wenn sie dann vergehen, vergehen sie für immer und werden nicht wieder auftauchen. Obwohl dasEinsichtswissen nun stark und vollkommen klar ist, ist er damit nochnicht zufrieden. Er denkt sogar: „Mein Einsichtswissen ist nicht klar.“Solche Gedanken sollte er jedoch vertreiben, indem er sie notiert, under sollte mit dem Prozess des kontinuierlichen Notierens der 

körperlichen und geistigen Gestaltungen weitermachen, sobald sieerscheinen.

Wenn er so einige Zeit ausharrt, wird sein Notieren immer klarer werden.Dann wird er die schmerzhaften Gefühle und die Ruhelosigkeit die

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Dann wird er die schmerzhaften Gefühle und die Ruhelosigkeit, dieihn unfähig machte, in einer Körperhaltung zu verbleiben überwinden

und auch der Gedanke, dass sein Einsichtswissen noch nicht klar genug ist, wird vergehen. Sein Notieren erfolgt nun schnell. In jedemMoment des Notierens versteht er nun die drei Daseinsmerkmale der Unbeständigkeit etc. sehr klar.

Das Verstehen jedes der drei Daseinsmerkmale, der Unbeständigkeit

etc. während des in schneller Folge funktionierenden Notierens, wird „Stabiles Wissen durch Reflektieren“   genannt.

11. Wissen durch Gleichmut gegenüber den Gestaltungen(saºkhar'upekkha-–Œöa)

Wenn das „Wissen durch Reflektieren“ reif ist, steigt Wissen auf, das

VI. Läuterung durch die aus Praxis gewonnener Erkenntnis

steigt von selbst auf. Es ist so, als ob es für den Meditierenden nichtnötig ist, weitere Anstrengungen zu unternehmen. Früher, mit dem bis

dahin erworbenen Wissen, stieg in Folge des Vergehens der Gestaltungen in ihm der Aspekt des Schreckens, des Elends, desEkels, der Wunsch nach Befreiung und des Unbefriedigtseins auf.Diese geistigen Störungen kommen jetzt nicht mehr auf, obwohl jetztdas Auflösen, der nun noch schneller vergehenden Gestaltungen, stark wahrgenommen wird. Wenn schmerzhafte Gefühle im Körper 

aufsteigen, steigt trotzdem keine geistige Störung (Kummer) auf undes gibt auch keinen Mangel an Kraft, um dies zu erdulden. Imallgemeinen jedoch wird der Schmerz vollständig verschwunden sein,er wird überhaupt nicht mehr aufsteigen. Selbst wenn der Meditierende über etwas Schreckliches oder Trauriges nachdenkt,steigt keine geistige Störung auf weder Furcht noch Sorgen Das ist

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steigt keine geistige Störung auf, weder Furcht noch Sorgen.  Das ist  „Aufgeben der Furcht“ auf der Stufe des „Wissens durch Gleichmut 

 gegenüber den Gestaltungen.“

Auf früherer Stufe, wo man das Wissen vom Entstehen und Vergehender Gestaltungen erreichte, stieg große Freude aufgrund der Klarheitder Einsicht auf. Aber jetzt steigt diese Freude nicht auf, weil dieäußerst friedvolle und feine Klarheit des Geistes, die zum „Gleichmut

gegenüber den Gestaltungen“ gehört, präsent ist. Auch wenn er jetzt  begehrenswerte Objekte erblickt, die Freude verursachen, oder auchwenn er über verschiedene angenehme Dinge nachdenkt, steigt keinverlangendes Gefühl der Freude danach auf.  Das ist das „Aufgebendes Vergnügens“  auf der Stufe des  „Wissens durch Gleichmut 

 gegenüber den Gestaltungen.“

  Nun entsteht weder Begehren noch Abneigung gegenüber i d i h d h Obj k d i di

VI. Läuterung durch die aus Praxis gewonnener Erkenntnis

hat, ist er unparteiisch und neutral allen Gestaltungen gegenüber“(visuddhimagga, xxi,62).

Wenn er die Praxis des Notierens mit dem Gedanken „Jetzt werde iches wieder kraftvoll angehen“ weitermacht, dann wird das Notierenwie von selbst funktionieren. Von jetzt an gibt es keine Notwendigkeitmehr für den Meditierenden absichtliche Anstrengungen zu machen.Obwohl er keine absichtlichen Anstrengung macht, wird sich sein

 Notieren für lange Zeit in einem kontinuierlichen und stetigem Flussfortsetzen. Es geht einfach weiter für zwei oder drei Stunden ohneUnterbrechung.   Dies ist „die Phase der lang andauernden Praxis“ des „Wissens durch Gleichmut gegenüber den Gestaltungen.“ 

Dazu wird in der patisambhidamagga gesagt: ’Die Weisheit dauert

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Dazu wird in der patisambhidamagga gesagt: „ Die Weisheit dauertan’ ist das gegenwärtige Wissen in der geistigen Phase des

Gleichmutes gegenüber den Gestaltungen.“ Der große Kommentar zur visuddhimagga erklärt es wie folgt: „Dies wurde bezüglich desWissens gesagt, welches im kontinuierlichen Fluss arbeitet.“

Jetzt wo das Notieren spontan wie von selbst arbeitet, weigert sich der Geist geradezu von einem Objekt zum anderen zu wandern. Ist er 

trotzdem abgeschweift, wird er nicht lange bleiben, sondern schnellzum normalen Notieren zurückkehren. In diesem Zusammenhang wirdgesagt: „Der Geist wird ruhiger, springt zurück, zieht sich zurück. Er geht auf nichts zu.“

12. Erlösungswissen ( vutthŒnagŒmin´-vipassanŒ-–Œöa )

Durch dieses „Wissen durch Gleichmut gegenüber den Gestaltungen“,

VI. Läuterung durch die aus Praxis gewonnener Erkenntnis

sich selbst zwei-, drei- oder mehrmals in schneller Folge.   Dies wird   „Einsicht die zur Befreiung führt“  genannt.40 

Sofort nach dem letzten Bewusstsein in dieser zur Befreiungführender Folge des Notierens, springt das Bewusstsein desMeditierenden in das nibbana, dem „Aufhören der Gestaltungen“ undnimmt es als Objekt. Dann erscheint ihm das Gestillte aller Gestaltungen „das Aufhören“.

Diese Realisierung des nibbana wurde in vielen Abhandlungen desMeisters erwähnt: „Das Auge der Wahrheit ging auf: was auch immer die Natur des Entstehens hat, muss wieder vergehen.“ Hier bezeichnendie Worte „vergehen“ den Aspekt der Verwirklichung, das alleGestaltungen, die die Natur des Entstehens haben, wieder vergehen

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Gestaltungen, die die Natur des Entstehens haben, wieder vergehenmüssen.

Auch in den ‚Fragen des Königs Milinda’ wird gesagt „Während seinBewusstsein beim Reinen Beobachten (welches Notieren ist) ist, fließtes jenseits aller fortlaufenden Erscheinungen der Gestaltungen undlandet auf dem Nicht-Geschehen. So ist einer, der auf korrekte Artund Weise praktiziert hat, auf das Nicht-Geschehen gestoßen, ohKönig, das heißt er hat nibbana verwirklicht.“

Die Bedeutung ist folgende: Der Meditierende, der nibbana zurealisieren wünscht, sollte wiederholt durch die Praxis des Notierens

 jeden körperlichen und geistigen Prozess, der an irgendeiner der sechsSinnestore erscheint, notieren. Wenn er so weitermacht, wird sein mit

  Notieren beschäftigtes Bewusstsein in jedem Moment mit den

(bedingten) körperlichen und geistigen Gestaltungen wie einfli ß d Fl f ll bi d A i i h

VI. Läuterung durch die aus Praxis gewonnener Erkenntnis

Aber in der Schlussphase geht das Bewusstsein jenseits davon, anstattauf die kontinuierlichen Geschehnisse zu fallen, und steigt auf das

„Nicht-Geschehen“, welches das genaue Gegenteil der körperlichenund geistigen Gestaltungen ist, die hier „Geschehnis“ genannt wurden.Mit anderen Worten, das Bewusstsein kommt beim „Nicht-Geschehen“ an, das heißt, es erreicht das Aufhören, als ob es „darauf landen“ würde. Dies ist das Gestilltsein der Gestaltungen (oder 

 bedingten Phänomenen).

Wenn der Meditierende schon vorher korrekt und ohne Abweichungüber den Weg des „Wissens des Entstehens und Vergehens“ und der anderen Wissen (oder über den Weg der Läuterung der Sittlichkeit,Läuterung des Geistes, der Ansicht etc.) bis hierher gekommen ist, soist er jetzt beim „Nicht-Geschehen“ angekommen (über das

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j „ g (Bewusstsein, das darauf landete). Von Ihm wird gesagt, dass er 

„nibbana realisiert“ hat, dass er einer ist, der nibbana zu seiner direkten Erfahrung gemacht hat und dass er nibbana tatsächlichverstanden hat.

13. Anpassungswissen (anuloma-–Œöa)

Das letzte Wissen in der Serie hier, welches die Einsicht, die zur Befreiung führt aufbaut, wird „Anpassungswissen“ genannt.41 

Dies ist das Ende der „Läuterung durch Erkennen von Pfad und Nicht-Pfad.“

14. Reifewissen (gotrabhè-–Œöa)

14. Reifewissen (gotrabhè-–Œöa)

Sofort danach offenbart sich ein Wissen selbst. Es fällt das erste malin das nibbana, welches leer von Gestaltungen (bedingtenPhänomenen) ist, weil es das Vergehen derselben ist. Dies wird  

 „Reifewissen“ genannt.42 

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VII. Läuterung durch direkte Wahrheitserkenntnis (–Œöa-dassana-visuddhi)

VII. Läuterung durch direkte Wahrheitserkenntnis(–Œöa-dassana-visuddhi)

15. Pfadwissen (magga-–Œöa)

Dem Reifewissen folgt sofort das Wissen des Pfades, welches auchdas gestaltungsleere nibbana zum Objekt hat. Es ist das Aufhören der 

  bedingten Gestaltungen. Dies wird „Pfadwissen“ genannt.43   Es wird 

auch „Läuterung durch direkte Wahrheitserkenntnis“  genannt. 

16. Fruchtwissen (phala-–Œöa)

Dem Pfadwissen folgt wieder sofort das Wissen der Frucht, das zur 

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g ,Schlussstufe gehört und so weitermacht wie seine Vorgänger. Es

  bleibt deshalb beim gestaltungsleeren nibbana als Objekt.  Dies wird   „Fruchtwissen“  genannt.

17. Rückblickswissen (paccavekkhana-–Œöa)

Die Dauer des dreifachen Wissens der Reife, des Pfades und der Frucht ist jedoch nicht lang. Es ist sehr kurz und dauert gerade nur einen Moment, wie die Dauer eines einzelnen Gedankens des

  Notierens. Danach steigt das „Rückblickswissen“ auf. Durch diesesRückblickswissen erkennt der Meditierende, dass die Einsicht, die zur Befreiung führte, mit sehr schnellem Arbeiten des Notierenseinhergeht und dass, sofort nach der letzten Phase des Notierens, das

Pfadbewusstsein den Stillstand der Gestaltungen erreicht. Dies ist das

VII. Läuterung durch direkte Wahrheitserkenntnis (–Œöa-dassana-visuddhi)

Er versteht auch, dass das Bewusstsein im selben Zustand desStillstandes während der trennenden Periode zwischen Pfad und

Rückblick bleibt. Dies ist das „Rückblickswissen der Frucht“.

Weiterhin versteht er, dass das gerade erfahrene Objekt leer von allenGestaltungen ist. Dies ist das „Rückblickswissen von nibbana“. 

In diesem Zusammenhang wird im „Weg zur Reinheit“ gesagt:„’Durch diesen Pfad, bin ich tatsächlich gegangen’, so überdenkt er den Pfad. ‚Dieser Segen wurde erreicht’, so überdenkt er die Frucht.‚Dieser Zustand als Objekt wurde durch mich durchdrungen’44, soüberdenkt er das Todlose, nibbana“ (visuddhimagga, xxii, 20).

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Einige Meditierende, aber nicht alle haben einen „Rückblick auf die

Befleckungen“.45

 

 Nachdem der Meditierende so reflektiert hat, notiert er weiterhin dieerscheinenden körperlichen und geistigen Prozesse. Aber während er so mit Notieren beschäftigt ist, erscheinen ihm die körperlichen undgeistigen Prozesse ganz grob, nicht so fein wie zuvor, zur Zeit desWissen durch Gleichmut gegenüber den Gestaltungen. Warum ist dasso? Weil das gegenwärtige Wissen jetzt die Natur des „Wissens durchErkennen des Entstehens und Vergehens der Gestaltungen“ hat. Wennnämlich nun die Edlen Schüler (das heißt, Stromeingetretene etc.) diePraxis der Einsicht (durch Notieren) wiederaufnehmen, steigtgewöhnlich das „Wissen durch Erkennen des Entstehens undVergehens der Gestaltungen“ auf. Dies ist die übliche Abfolge.

B i i i M di i d i j d h i d

VII. Läuterung durch direkte Wahrheitserkenntnis (–Œöa-dassana-visuddhi)

Lage die Praxis des Notierens der Erscheinungen fortzusetzen. Auchwenn sie mit doppelter Anstrengung versuchen die Praxis der Einsicht

wieder aufzunehmen, sind sie nicht fähig, die Phänomene im Momentihre Erscheinens klar und einzeln zu erkennen. Sie erfahren höchsteVerzückung, Ruhe und Glück. Der Geist ist durch diese Erfahrungeneine, zwei oder mehr Stunden ohne Unterbrechung außerordentlichgelassen und gelöst. Deswegen fühlen sich die Meditierenden aneinem Ort eines weiten offenen Raumes überzogen mit Strahlen undhöchstem Entzücken. Die Verzückung und das aufsteigende sorgloseGlück, wird von den Meditierenden so gepriesen: „Gewiss, niemalszuvor habe ich solch Glück erfahren und gefühlt!“ Nachdem zweioder drei Stunden vergangen sind, verblasst das Glück, dieVerzückung und die Ruhe. Die Meditierenden können jetzt wieder mitdem Notieren der körperlichen und geistigen Prozesse, wie sie

h i i l d h id d f f h d i kö i

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erscheinen, einzeln und unterscheidend fortfahren, und sie können sie

klar erkennen. Aber auch hier wird jetzt zuerst das „Wissen durchErkennen des Entstehens und Vergehens der Gestaltungen“erscheinen.

18. Verwirklichung der Frucht (phalasamŒpatti)

Während er so mit Notieren beschäftigt ist, wächst seinEinsichtswissen langsam und schon bald erreicht er die Stufe des„Wissens durch Gleichmut gegenüber den Gestaltungen“. Falls seineKonzentration noch nicht perfekt ist, wird nur der „Gleichmutgegenüber den Gestaltungen“ erreicht. Aber, wenn seineKonzentration perfekt ist, dann (im Falle von jemanden, der die

Einsichtspraxis des Notierens nur im Hinblick auf den ersten Pfad und

VII. Läuterung durch direkte Wahrheitserkenntnis (–Œöa-dassana-visuddhi)

Man sollte auch seinen Geist unermüdlich auf die weiteren Aufgaben

richten, um fähig zu sein die Fruchtverwirklichung zu wiederholen.Und weiterhin, um sie schnell zu erreichen, und um im Moment der Fruchtverwirklichung für eine lange Zeit zu verbleiben, vielleicht für sechs, zehn, 15 oder 30 Minuten, oder für eine Stunde oder auch mehr.

In jemandem, der sich mit dem Erreichen der Fruchtverwirklichung  beschäftigt, steigt am Anfang das „Wissen durch Erkennen desEntstehens und Vergehens der Gestaltungen“ auf. Danachfortschreitend in entsprechender Reihenfolge ist bald das „Wissendurch Gleichmut gegenüber den Gestaltungen“ erreicht. Wenn aber Geschick in dieser Praxis erworben wurde, steigt dann schnell nachvier oder fünf Akten des Notierens das „Wissen durch Gleichmut

üb d G t lt “ f F ll di K t ti k ft

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gegenüber den Gestaltungen“ auf. Falls die Konzentrationskraft

  perfekt ist, wird sich das Fruchtbewusstsein wiederholt in denStillstand (nibbana) durch Fruchtverwirklichung vertiefen. Der Geistkann diese Vertiefung nun auch erreichen während man auf- undabläuft oder isst, und die Fruchtverwirklichung bleibt solange, wieman sich dazu entschlossen hat. Während der Fruchtverwirklichungist der Geist nur im Stillstand der Gestaltungen und ist sich nichtsanderem bewusst.

19. Die höheren Pfade und Früchte

Wenn der Meditierende das Erreichen der Fruchtverwirklichunggemeistert hat, sollte er seinen Geist unermüdlich auf die Aufgabe, die

höheren Pfade und Früchte zu verwirklichen richten Was sollte jetztj d d d i h di A f b id ? G

VII. Läuterung durch direkte Wahrheitserkenntnis (–Œöa-dassana-visuddhi)

nicht gut konzentriert ist. In der Tat ist die Entwicklung der Einsicht,die zu den höheren Pfaden führt etc., nicht so leicht zu erreichen, wie

die Wiederholung der Einsicht der Fruchtverwirklichung, da diese der Meditierende schon erreicht hatte.

Es ist ein bisschen schwerer, weil die Einsicht zu den höheren Pfadenaufs Neue aufgebaut werden muss. Aber es ist nicht so schwer, wie

 beim ersten Mal, während des Beginns der Praxis. An einem einzigenTag, oder auch in einer Stunde kann er das entsprechende „Wissendurch Gleichmut gegenüber den Gestaltungen“ erzielen. DieseErfahrungen wurden von ganz normalen Leuten ohne besondere starkeIntelligenz gemacht, die von Anfang an den Anleitung gefolgt sind.Entsprechend kann man dies für ähnliche Meditierende anwenden.

Obgleich so zwar Gleichmut gegenüber den Gestaltungen“ erzielt

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Obgleich so zwar „Gleichmut gegenüber den Gestaltungen erzielt

wird, wiederholt sich eben nur dieser Gleichmut, solange diespirituellen Fähigkeiten47 noch nicht volle Reife erreicht haben.Obwohl der Meditierende schon eine Fruchtvertiefung erzielt hat undfähig ist mehrere Male bis zu einer Stunde in diese einzutreten, sindseine höheren spirituellen Fähigkeiten noch unreif. Er kann dennächsthöheren Pfad nicht innerhalb eines, zwei, drei oder mehr Tageerreichen. Er verbleibt nur im „Gleichmut gegenüber denGestaltungen“. Wenn er jedoch seinen Geist auf die schon erreichteFrucht richtet, wird er diese etwa in zwei oder drei Minuten erreichen.

Wenn jedoch die spirituellen Fähigkeiten reif sind, wird jemand bemerken, der die Praxis der Einsicht ausführt, um die höheren Pfadezu verwirklichen, dass sofort nach Erreichung des „Gleichmut

gegenüber den Gestaltungen“ die Kulmination der höheren Pfade undF h i d lb A d W i f i i h (d h iß

VII. Läuterung durch direkte Wahrheitserkenntnis (–Œöa-dassana-visuddhi)

Alles weitere, das sich auf die Methode der Einsicht und denFortschritt des Wissens bis zur Arahantschaft bezieht, kann genauso

auf dieselbe Art, wie schon beschrieben, verstanden werden. Deshalbgibt es keine Notwendigkeit diese weiter auszuarbeiten.

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Nachwort 

Die vorliegende Abhandlung „Fortscheitende Einsicht durch dieLäuterungsstufen“ wurde in Kurzform geschrieben, damitMeditierende sie leicht verstehen können. Deshalb wurde hier auchnicht in die Details gegangen. Da es leicht verstehbar geschriebenwurde, konnten in vielen Passagen dieser Abhandlung relevantekanonische Referenzen nicht zitiert werden. Auch gibt esWiederholungen und andere Fehler einer literarischenZusammenstellung. Über diesen Präsentationsmangel und über dieUnvollständigkeit kanonischer Referenzen, möchte der Leser hier hinwegsehen. Von einem weisen Menschen sollte immer nur dieBedeutung und Absicht beachtet werden, deshalb möchte ich dieAufmerksamkeit des Lesers darauf lenken.

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Obwohl am Anfang erwähnt wurde, dass diese Abhandlung nur für diejenigen geschrieben wurde, die schon Praxisresultate erreichthaben, dürften alle anderen sie unter Umständen auch zu IhremVorteil lesen.

Dies sind nun meine abschließenden guten Wünsche an die letztereArt von Lesern: Wie ein sehr köstliches, appetitliches, schmackhaftesund nahrhaftes Mahl nur von demjenigen voll gewürdigt werden kann,der es selbst gegessen hat und nicht von jemanden, der es nichtgegessen hat, in derselben Art kann die ganze Abfolge des hier 

  beschriebenen Wissens nur von jemanden ganz verstanden werden,der dieses Wissen selbst erfahren hat und nicht anders. So mögen dennalle guten Leute den Grad des klaren Verstehens der ganzen

Einsichtsfolgen erreichen! Mögen sie auch bestrebt sein sie voll zui kli h !

 

Die Abhandlung über Läuterung und Einsicht zusammengestellt am

22.05.1950 ist hier nun beendet.

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Der Ehrwürdige Mahasi Sayadaw 

Mahasi Sayadaw, der Ehrwürdige U Sobhana Mahathera, war der Sohn von U Kann Htaw und seiner Frau Daw Shwe Ok aus dem Dorf Seikkhun, das ungefähr sieben Meilen westlich der Stadt Shweboliegt. Diese Stadt war die ehemalige Hauptstadt des Gründers der letzten burmesischen Dynastie. Mahasi Sayadaw wurde am drittenTag des abnehmenden Mondes des Monats des zweiten Wasos imJahre 1266 der burmesischen Zeitrechnung geboren (29.07.1904). ImAlter von sechs Jahren, begann er sein Studium an einer Klosterschulein Shwebo. Und im Alter von zwölf Jahren wurde er als samanera(Novize) ordiniert. Als er das Alter von 20 Jahren erreichte, wurde er am fünften Tage des abnehmenden Mondes von Tazaungmon im Jahr 1285 der burmesischen Zeitrechnung (23.11.1923) als bikkhu(Mönch) ordiniert. Er bestand dann in den drei folgenden Jahren die

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( ) g

staatlichen Paliprüfungen aller drei Abteilungen - Pathamange,Pathamalat und Pathamagyi.

Im vierten Jahr nach seiner Ordination als Mönch ging er nachMandalay – auch eine frühere Hauptstadt von Burma – wo er seineStudien in Khinmagan Kyaung Taik unter verschiedenen Mönchenmit hohen akademischen Graden fortführte. Im fünften Jahr ging er nach Moulmein, wo er seine Lehrtätigkeit der buddhistischenSchriften in einem Kloster aufnahm, das als als Taung Waing GalayTaik Kyaung bekannt ist.

Im achten Jahr nach seiner Ordination, verließen er zusammen miteinem anderen Mönch Moulmein, ausgerüstet mit dem geringen

Bedarf eines bikkhus (das heißt: Almosenschale ein Satz von dreiR b ) i kl d ff k i M di i h d

 

vom burmesischen Staat Juni 1941 gehalten wurde und war beimersten Versuch gleich erfolgreich. Ihm wurde der Titel eines

Sasanadhaja Siri Pavara Dhammacariya verliehen.

Im Jahr 1303 der burmesischen Zeitrechnung (1941) und im 18. Jahr seiner Ordination als bikkhu kehrte er in seine Geburtsstadt(Seikkhun) zurück und residierte dort im Kloster des Namens "Maha-Si Kyaung", weil sich dort eine Trommel (in Burmesisch „si“) vonungewöhnlicher Größe (in Burmesisch „maha“) befand. Er unterrichtete dann systematisch die Praxis der  SatipaÊÊhŒna-Meditation. Viele Leute, bikkhus und auch Laien, kamen zu ihm undnahmen die strenge Praxis auf sich. Alle profitierten außerordentlichvon seinen sorgfältigen Anleitungen. Sie waren sehr zufrieden, da siedie wichtigen Zusammenhänge des satipaÊÊhŒna zu verstehen

  begannen und die richtige Methode lernten, um die Praxis allein

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bega e u d d e c t ge et ode e te , u d e a s a e

fortzusetzen zu können.

Im Jahr 1311 B.E. (1949) baten der damalige Premierminister vonBurma, U Nu, und Sir U Thwin, Exekutivmitglied des BuddhaSasananuggha Vereins, den Ehrwürdigen Mahasi Sayadaw nachRangoon zu kommen, um dort meditative Praxis zu lehren. In seinem26. Jahr der Ordination als bikkhu, ging er deshalb nach Rangoon undresidierte im Thathana Yeiktha Zentrum, dem Hauptquatier der Vereins, wo er seitdem und bis zum heutigen Tag intensiveTrainingskurse abgehalten hat.

Über 15.000 Personen wurden seitdem allein in diesem Zentrumtrainiert. Überall in Burma, wo es inzwischen mehr als 100

Zweigstellen dieses methodischen Trainings gibt wurden mehr als

 

 buddhistischen Zeitrechnung (1956) seinen wichtigsten Punkt. Um dievolle Wichtigkeit dieser traditionellen Rolle eines Fragestellers zu

verstehen, muss erwähnt werden, dass der Ehrwürdige Maha-Kassapa,diese Rolle auf dem ersten Konzil, das drei Monate nach dem Todedes Buddhas gehalten wurde, inne hatte und Fragen stellte. Damals

 beantworteten der Ehrwürdige Upali und der Ehrwürdige Ananda dieFragen. Auf dem sechsten Konzil war es TipitakadharaDhammabhandagarika Ashin Vicittasarabhivamsa der die Fragen vomEhrwürdigen Mahasi Sayadaw beantwortete. Mahasi Sayadaw war 

auch Mitglied des Komitees, das als letzte Instanz für die Kodierungall der Texte, die das sechste Konzil passierten, verantwortlich war.

Er hat mehrere Meditationsbücher geschrieben. Folgende beachtenswerten Werke sollten erwähnt werden:

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(1) Führer zur prakt. VipassanŒ-Meditation (in Burmesisch) - 2 Bde.(2) Burmesische Übersetzung des satipaÊÊhŒna-sutta, mit Anm.(3) visuddhi–Œöa-kathŒ (in Burmesisch und Pali).(4) Burmesische Übersetzung der visuddhimagga, mit Anmerkungen.(5) Burm. Übers. des visuddhimagga maha-tika, mit Anm. - 4 Bde.(6) paÊicca-samuppŒda (bedingte Entstehung) - 2 Bände.

Eine große Anzahl seiner auf Pali-Sutten beruhenden Abhandlungenwurden ins Englische übersetzt und von der Buddha SasananugghaAssociation (16 Hermitage Road, Kokkine, Rangoon, Myanmar (Burma)) veröffentlicht.

Mahasi Sayadaw starb am 14. August 1982 nach kurzer Krankheit. 

 

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I.II.

III. Buch

DIE AUSÜBUNG DER EINSICHTSMEDITATION

Grundlagen und fortschreitende Stufen

Der Ehrwürdige Mahasi SayadawAgga Maha Pandita

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Aus dem Burmesischen ins Englische übersetzt

von

U Pe Thin und Myanaung U Thin

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Inhaltsverzeichnis 

Seite

Vorwort v 

Teil I. Grundlegende ÜbungenVorbereitende Stufe 1 Grundübung I 3

Grundübung II 5

Grundübung III 6

Fortschritt in der Kontemplation 13

Grundübung IV 15

Zusammenfassung 16 

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Teil II. Fortgeschrittene Übungen1. Die Stufen der EinsichtAnalytische Kenntnis von Körper und Geist 17 Wissen durch Erkennen der Bedingtheit 18 Wissen durch Verstehen 22 

Hindernisse auf dem Wege der Einsicht 24 Gereiftes Einsichtswissen 28 

2. Wie Nibbana verwirklicht wirdPfaderkenntnis 38 Fruchterkenntnis 41

Erfahrung der Rückschau 43

 

Vorwort

Es ist eine Binsenwahrheit, dass niemand leiden will und alle nachGlück streben. In dieser unserer Welt machen die Menschen alle nur möglichen Anstrengungen um Leid zu vermeiden und zu lindern undum Glück zu genießen. Trotzdem sind ihre Anstrengungenhauptsächlich darauf gerichtet, durch materielle Mittel physischesWohlbefinden zu erreichen. Glück ist aber von der Geisteshaltungabhängig und dennoch denken nur wenige Leute ernsthaft über 

mentale Entwicklung nach und noch weniger betreiben wirklicheGeistesschulung.

Um das zu veranschaulichen, braucht man die Aufmerksamkeit nur auf die täglichen Gewohnheiten zu richten, wie Reinigung und Pflegedes Körpers, das endlose Bemühen um Nahrung, Kleidung und

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Unterkunft, den ungeheuren technischen Fortschritt der erreicht wurdeum den materiellen Lebensstandard zu erhöhen, die Transportmittelund die Kommunikation zu verbessern und um Krankheiten undGebrechen zu heilen. All diese Bestrebungen betreffen in der Hauptsache die Versorgung und Ernährung des Körpers, wobeianerkannt werden muss, dass diese wesentlich sind. Diesemenschlichen Bemühungen und Errungenschaften können aber wohl

kaum das mit dem Altern und Tod verbundene Leid, häuslichesUnglück und wirtschaftliche Schwierigkeiten, kurz die

  Nichtbefriedigung der Wünsche und Sehnsüchte, lindern oder auslöschen. Leiden dieser Art lässt sich mit materiellen Mitteln nicht

  beikommen; es kann nur durch Geistesschulung undWeiterentwicklung des Geistes überwunden werden.

D i i d kl d d h d i h i W d j i i d

 

auszulöschen, um den rechten Pfad zur Realisierung des Nibbana zuerreichen, nämlich die vier Grundlagen der Achtsamkeit.

Die vier Grundlagen der Achtsamkeit sind:1. Die Betrachtung des Körpers2. Die Betrachtung der Gefühle3. Die Betrachtung des Geistes4. Die Betrachtung der Geistobjekte

Ganz offenbar sollten jene diesem Weg folgen, die das Glück suchenund sie sollten dabei darauf achten, die Befleckungen des Geistesabzulegen, welche die Ursachen ihres Leids sind.

Würde man jemanden fragen, ob es sein Wunsch sei Kummer undGram zu überwinden, würde er sicherlich mit "Ja" antworten. Dann

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sollte er - und eigentlich alle - die vier Grundlagen der Achtsamkeitüben.

Würde man ihn fragen, ob er sich wünsche Schmerz und Kümmerniszu überwinden, so würde er nicht zögern "Ja" zu sagen. Dann sollte er - und eigentlich alle - die vier Grundlagen der Achtsamkeit üben.

Würde man ihn fragen, ob er wünsche den rechten Pfad zu erreichenund Nibbana zu realisieren, sowie absolute Freiheit von Alter, Verfall,Tod und allem Leid, so würde er gewiss "Ja" sagen. Dann sollte er -und genauso alle - die vier Grundlagen der Achtsamkeit üben.

Wie aber sollte man die vier Grundlagen der Achtsamkeit üben? In

der Maha Satipatthana Sutta sagte der Buddha:

 

  Nachdem ich selber einen äußerst intensiven praktischen Kurs inSatipatthana Meditation unter der persönlichen Leitung des

ehrwürdigen Mingun Jetavan Sayadaw von Thaton absolviert habe,wurde diese Meditationstechnik seit 1938 von mir weitervermitteltund ich habe persönliche Schulungen durchgeführt, sowie einigentausend Yogis Anleitungen in Büchern und Vorlesungen gegeben.Dem Wunsche früherer Schüler entsprechend, denen noch meine

  persönlichen Unterweisungen zuteil geworden waren, verfasste icheine Abhandlung über Vipassana oder Einsichtsmeditation, die in

zwei Bänden mit sieben Kapiteln auf insgesamt 858 Seiten dargelegtwurde. Das Werk wurde im Jahre 1944 fertiggestellt und erfuhr siebenAuflagen. In allen Kapiteln, außer Kapitel V, enthalten dieDissertationen und Gespräche Hinweise auf die Pali-Sutten,Kommentare und Subkommentare. Zum leichteren Verständnismeiner Schüler habe ich mich entschlossen, Kapitel V in

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gewöhnlicher Sprache zu schreiben, um zu erklären, wie sie mit der Einsichtsmeditation beginnen und dann schrittweise fortfahren sollten,wobei in Übereinstimmung mit dem Visuddhimagga und anderenTexten alle wichtigen Eigenheiten genau dargelegt wurden.

Das vorliegende Buch ist die englische Übersetzung des Kapitels V.Die ersten 14 Seiten des burmesischen Originals wurden 1954 von

einem meiner alten Schüler, U Pe Thin, zum Nutzen jener, die ausdem Ausland in unser Meditationszentrum kamen, ins Englischeübersetzt. Die Seiten 15 bis 51 des burmesischen Originals wurden auf Wunsch des ehrwürdigen Nyanaponika Mahathera von Mayanaung UThin, einem Schüler und Dayaka von mir, ins Englische übersetzt. Er ist Vizepräsident der Buddha Sasana Nuggaha Organisation, die 1947

das Thathana Yeiktha gegründet hat und war seither für dessenM li h B i di G l h i k h

 

Verbesserung des Stils von Miss Mary McCollum, einer amerikanischen Buddhistin, durchgesehen. Sie betrieb Satipatthana

Meditation unter der Anleitung von Anagarika Munindra im  burmesischen Vihara in Bodh Gaya, Bihar, Indien. AnagarikaMunindra blieb geraume Zeit bei uns. Er reichte ihre Überarbeitungzur Nachlese und Akzeptanz an uns weiter. Nachdem das erledigt war,wurde dieselbe an den ehrwürdigen Nyanaponika Mahatheraweitergegeben. Dieses Buch ist also eine kombinierteVeröffentlichung, die sich aus dem Zusammenfließen der beiden

erwähnten Übersetzungen und meinem zusätzlichen Vorwort ergab.

Wie schon früher vermerkt, wurde Kapitel V meiner burmesischenAbhandlung in gewöhnlicher Sprache verfasst. Ich möchte hier nochdarauf hinweisen, dass die in diesem Buch ohne Pali-Bezeichnungverwendeten Lehrbegriffe in dem Buch "The Progress of Insight"

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genau erklärt werden, das von meiner in Pali verfassten Abhandlungdurch den Ehrenwerten Nyanaponika Mahathera ins Englischeübersetzt wurde. Sein Buch "The Heart of Buddhist Meditation"selbst, ist eine echte Fundgrube an lebenswichtigen Informationen undAnweisungen zu diesem Thema.

Abschließend möchte ich gerne noch meine Wertschätzung für jene

ausdrücken, welche die Übersetzungen und Korrekturen durchgeführthaben einschließlich derjenigen, die für die Veröffentlichungverantwortlich waren. Ich beschwöre die Leser dieses Buches sichnicht nur mit dem theoretischen Wissen, das darin enthalten ist,zufrieden zu geben, sondern dieses Wissen in systematische undausdauernde Praxis umzusetzen. Ich knüpfe meinen ernsten Wunsch

daran dass sie gar bald Einsicht gewinnen mögen und in den Genussll S k f di i h d B ddh i d Ei l i

Teil I. Grundlegende Übungen

Teil I. Grundlegende Übungen

Vorbereitende Stufe

Wenn du in deinem gegenwärtigen Leben den aufrichtigen Wunschhast Kontemplation zu entwickeln und Einsicht zu erlangen, dannmusst du während des Übens weltliche Gedanken und Tätigkeitenaufgeben. Diese Art von Aktivität dient der Läuterung der 

Lebensführung, als vorbereitender, wesentlicher Schritt für die rechteEntwicklung der Kontemplation. Außerdem musst du die Regeln

 befolgen, welche für Laienanhänger (oder gegebenenfalls für Mönche)vorgeschrieben sind, denn sie sind wichtig um Einsicht zu gewinnen.Für Laien bestehen diese aus den Acht Sittenregeln, welche Anhänger des Buddha an Feiertagen (uposatha) und für den jeweiligen Zeitraum

1

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der Meditation einhalten. Es ist ein zusätzliches Gebot, nichtverächtlich, im Spaß oder aus Bosheit mit oder über einen der Edlenzu sprechen, die bereits Stufen der Heiligkeit erlangt haben.2 Hast dues doch getan, so entschuldige dich bei ihm oder ihr oder tue dies über deinen Meditationslehrer. Hast du dich in der Vergangenheitverächtlich gegenüber einem der Edlen geäußert, der gerade nichtzugegen oder verstorben ist, so bekenne diese Kränkung deinem

Meditationslehrer oder in der Introspektive dir selbst. Die altenMeister buddhistischer Tradition empfehlen, dass man sich für dieDauer der Übungen Buddha, dem Erleuchteten, anbefiehlt, da man in

1 Die Acht Uposatha Gebote fordern die Unterlassung von: (1) Töten, (2) Stehlen, (3) SexuellenAktivitäten, (4) Lügen, (5) Genuss von Rauschmitteln, (6) Aufnahme fester Nahrung und  bestimmter Flüssigkeiten nach zwölf Uhr Mittag, (7) Teilnahme und Anwesenheit bei Tanz-,

Gesangs Musik und Showveranstaltungen sowie Gebrauch von Parfüm Schmuck etc (8)Liegen auf luxuriösen Betten

Teil I. Grundlegende Übungen

Angst geraten kann, wenn während der Kontemplation der eigeneGeist ungute oder erschreckende Visionen erstehen lässt. Vertraue

dich auch der Führung deines Meditationslehrers an, er kann dannnämlich frei mit dir über deine Kontemplationsarbeit sprechen und dir die Führung zuteil werden lassen, die er für notwendig hält. Das sinddie Vorteile, wenn du auf Buddha, den Erleuchteten, vertraust undunter der Führung deines Lehrers übst. Das Ziel dieser Übungen undder größte Gewinn daraus ist die Befreiung von Gier, Hass undVerblendung, welche die Wurzel alles Schlechten und des Leides

sind. Dieser Intensivkurs in der Schulung der Einsicht kann dich zusolcher Befreiung führen. Arbeite also leidenschaftlich mit diesemZiel vor Augen, damit deine Schulung einen erfolgreichen Abschlussfindet. Diese auf den Grundlagen der Achtsamkeit (satipatthana)

  basierende Kontemplationsschulung wurde von den aufeinander folgenden Buddhas und Edlen, welche die Befreiung erlangt haben,

b l i di d li d d di

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absolviert. Man muss dir geradezu gratulieren, dass du dieGelegenheit hast, dich der gleichen Art von Schulung zu unterziehen,die auch sie erfuhren.

Wichtig ist auch, dass du deine Übungen mit einem kurzen Nachdenken über die "Vier Schutzbetrachtungen" beginnst, welche dir Buddha, der Erwachte, zur Reflexion anbietet. Auf dieser Stufe ist es

für dein psychisches Wohlbefinden hilfreich darüber zu reflektieren.Gegenstand der vier Schutzbetrachtungen sind der Buddha selbst,Liebende-Güte, die widerwärtigen Aspekte des Körpers und der Tod.

Erweise zuerst dem Buddha deine Hingabe, indem du einfach seineneun Hauptqualitäten wie folgt anerkennst:

W h li h d B ddh i h ili ll d h llk i

Teil I. Grundlegende Übungen

Möge ich frei sein von Feindschaft, Krankheit und Gram. Ebenso wie

ich, mögen auch meine Eltern, Berater und Lehrer, sowie Geschöpfe,die mir vertraut, neutral oder feindlich begegnen, frei sein vonFeindschaft, Krankheit und Gram. Mögen sie erlöst sein vom Leiden.

Drittens, reflektiere über die abstoßende Natur des Körpers. Dies solldir dabei helfen das unheilsame Anhaften an den Körper, welches sovielen Menschen eigen ist, zu vermindern. Befasse dich mit einigen

seiner Unreinheiten so wie, Magen, Innereien, Schleim, Eiter undBlut.3 Denke über diese Unreinheiten nach, damit die absurdeZuneigung zum Körper ausgelöscht werden möge.

Die vierte Schutzvorstellung für dein psychisches Wohl ist dieReflexion über das Phänomen des stetig näher kommenden Todes. Die

b ddhi i h L h b d d L b i i d T d b

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 buddhistische Lehre betont, dass das Leben ungewiss ist, der Tod aber gewiss; das Leben ist ständig gefährdet, aber der Tod ist ganz sicher.Das Leben hat den Tod zum Ziel. Es gibt nur Geburt, Krankheit, Leid,Alter und schließlich den Tod. Das sind alle Aspekte desDaseinsverlaufes.

Um die Übung zu beginnen, setze dich mit gekreuzten Beinen nieder.

Möglicher Weise ist es für dich angenehmer, wenn die Beine nichtineinander verschränkt werden, sondern flach auf dem Boden liegen,ohne gegenseitig Druck auszuüben.4 Wenn du merkst, dass das Sitzenauf dem Boden die Kontemplation stört, dann sitze auf bequemereArt. Beginne nun mit den beschriebenen Kontemplationsübungen.

G

Teil I. Grundlegende Übungen

Versuche deinen Geist (aber nicht die Augen) auf den Bauch gerichtetzu halten. Dir werden damit die sich hebenden und senkenden

Bewegungen dieses Bereichs bewusst werden. Wenn du dieseBewegungen am Anfang nicht klar fühlst, dann lege beide Hände auf den Bauch um die hebenden und senkenden Bewegungen zu erspüren.

  Nach kurzer Zeit wird dann die Aufwärtsbewegung beim Einatmenund die Abwärtsbewegung beim Ausatmen deutlich werden. Mache

  jeweils eine geistige Notiz: "Heben" für die Aufwärtsbewegung und"Senken" für die Abwärtsbewegung. Die geistige Notiz für jede

Bewegung muss erfolgen während sie stattfindet. Mit dieser Übunglernst du die tatsächliche Art und Weise kennen, wie die Bewegungdes Hebens und Senkens des Bauches vor sich geht. Die Form desBauches lass dabei außer Acht. Was du tatsächlich wahrnimmst ist daskörperliche Gefühl des Druckes, hervorgerufen durch das sich Hebendes Bauches. Halte dich also nicht mit der Form des Bauches auf,

d f h it d Üb f t Fü d A fä i t i hff k i h d i d l i di hi k i d

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sondern fahre mit der Übung fort. Für den Anfänger ist es eine sehr effektive Methode in der Kontemplation die Fähigkeiten der Aufmerksamkeit, der Konzentration des Geistes und der Einsicht zuentwickeln. Mit zunehmender Praxis wird die Eigenart der Bewegungdeutlicher werden.

Die Fähigkeit, jedes einzeln aufeinander folgende Geschehnis

mentaler und physischer Prozesse an jedem der sechs Sinnesorgane zuerkennen, wird nur erworben, wenn die Einsichtsbetrachtung vollentwickelt ist. Nachdem du ein Anfänger bist, dessen Aufmerksamkeitund Konzentrationskraft noch schwach sind, wird es dir schwer fallenden Geist während des Geschehens auf die einander folgenden Hebe-und Senkbewegungen konzentriert zu halten. In Anbetracht dieser 

S h i i k it i t d i ll i ht d G d k "I h ißi f h i h i i h i A f k k i f j d di

Teil I. Grundlegende Übungen

auch nicht an "heben" und "senken" als Worte (Anmerkung desRevisors: Die Worte "heben" und "senken" sollen schon geistig

ausgesprochen also gedacht werden, aber die Achtsamkeit muss auf dem Bewegungsvorgang und nicht auf den gedachten Worten liegen).Sei dir nur des tatsächlichen Vorganges, der Hebe- undSenkbewegung des Bauches, bewusst. Vermeide es tiefer oder schneller zu atmen um damit die Bewegungen des Bauches deutlicher zu machen, weil dies Vorgehen nur Ermüdung bewirkt, welche dieÜbung stört. Sei dir nur voll der Hebe- und Senkbewegungen bewusst,

während sie sich im Laufe normalen Atmens ereignen.

Grundübung II

Während du mit der Übung beschäftigt bist, jede der Bewegungen des

Bauches zu beobachten können zwischen dem Notieren jeder Hebungd S k it i ti Akti ität t ttfi d G d k d

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Bauches zu beobachten, können zwischen dem Notieren jeder Hebungund Senkung weitere geistige Aktivitäten stattfinden. Gedanken oder andere geistige Funktionen wie, Absichten, Ideen, Vorstellungen etc.,treten wahrscheinlich zwischen den einzelnen mentalen Notierungendes Hebens und Senkens auf. Man kann sie nicht unbeachtet lassen.Von jedem ist, während es geschieht, eine geistige Notiz zu machen.

Wenn du dir etwas vorstellst, so musst du wissen, dass du das getanhast und machst die mentale Notiz: "Vorstellen". Wenn du einfach anetwas denkst, so notiere mental: "Denken". Wenn du reflektierst, dann"Reflektieren". Hast du die Absicht etwas zu tun, so "Beabsichtigen".Wenn der Geist vom Objekt der Meditation, welches ja das Heben undSenken des Bauches ist, wegwandert, dann notiere mental,

"W d " S llt t d di t ll i b ti t O th i l "G h " W d k "A k "

Teil I. Grundlegende Übungen

Mache damit sorgsam weiter, ohne nachzulassen. Hast du die Absicht

Speichel hinab zu schlucken, notiere mental, während du so  beschäftigt bist, "Beabsichtigen". Während die Schluckbewegungerfolgt, "Schlucken". Wenn du spuckst, notiere "Spucken". Wendedich dann wieder der Übung des Hebens und Senkens zu.Angenommen du beabsichtigst den Hals zu beugen, "Beabsichtigen"und während des Beugens, "Beugen". Hast du vor den Halsaufzurichten, "Beabsichtigen" und während des Aufrichtens,

"Aufrichten". Die Bewegungen des Halses beim Beugen undAufrichten müssen langsam durchgeführt werden. Nachdem jededieser Aktionen mental notiert wurde, ist mit voller Bewusstheit das

 Notieren der Bewegungen des sich hebenden und senkenden Bauchesfortzusetzen.

Gr ndüb ng III

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Grundübung III

  Nachdem du bei der Kontemplation lange Zeit in einer Positionausharren musst, sei es sitzend oder liegend, wirst du wahrscheinlichim Körper, den Armen oder Beinen, ein starkes Gefühl von Ermüdungoder Steifheit erfahren. Sollte dies geschehen, so richte deine

Aufmerksamkeit auf den Teil des Körpers, in dem ein solches Gefühlauftritt, fahre in der Kontemplation fort und notiere nur "müde" oder "steif". Tue das ganz natürlich, weder zu schnell noch zu langsam.Solche Gefühle werden allmählich schwächer und hören schließlichganz auf. Sollte aber eines dieser Gefühle so stark werden, dass diekörperliche Ermüdung oder Steifheit in den Gelenken unerträglich

i d d ä d d i P iti V i b i ht di t lN i "B b i h i " h h d di h hi k di P i i

Teil I. Grundlegende Übungen

ruhiger, überlegter Weise durch. Sobald du die neue Positioneingenommen hast, fahre mit der Betrachtung der Bewegungen desBauches fort. Wird es dir in der neuen Position unangenehm warm, sonimm die Kontemplation in einer weiteren Position wieder auf, indemdu dich an die in diesem Abschnitt beschriebene Vorgehensweisehältst.

Sollte irgendwo im Körper ein Juckreiz fühlbar werden, so richtedeine Aufmerksamkeit auf diese Stelle und notiere mental "Jucken".

Tue es gelassen, weder zu schnell noch zu langsam. Wenn dann der Juckreiz im Verlauf voller Bewusstheit verschwindet, fahre mit der Übung das Heben und das Senken des Bauches zu notieren fort. Sollteder Juckreiz anhalten und zu stark werden, so dass du beabsichtigstdie juckende Stelle zu reiben, versäume nicht mental zu notieren,"Beabsichtigen". Hebe langsam die Hand, wobei du gleichzeitig die

Aktionen "Heben" und dann "Berühren" notierst wenn die Hand diejuckende Stelle berührt Reibe langsam im vollen Bewusstsein des

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Aktionen Heben und dann Berühren notierst, wenn die Hand die  juckende Stelle berührt. Reibe langsam im vollen Bewusstsein des"Reibens". Ist der Juckreiz vergangen und du beabsichtigst mit demReiben aufzuhören, so sei achtsam indem du wie gewöhnlich mentalnotierst, "Beabsichtigen". Ziehe langsam die Hand zurück und notieredieses Tun parallel dazu "Zurückziehen". Wenn die Hand an der gewohnten Stelle das Bein berührt "Berühren". Dann widme dich

erneut der Beobachtung der Bewegungen des Bauches.

Tritt Schmerz oder Unbehagen auf, so richte die Aufmerksamkeit auf diejenige Stelle des Körpers, wo das Gefühl entsteht. Notiere mentaldas spezifische Gefühl während es auftritt, als "Schmerz", "Weh","Druck", "Stechen", "Müdigkeit", "Schwindel", etc. Es muss betont

d d d t l N ti i ht f i t b h i htd ll d i hi li h W i

Teil I. Grundlegende Übungen

Indem sich deine Achtsamkeit weiter entwickelt, erfährst du vielleichtGefühle intensiven Schmerzes, Gefühle des Erstickens oder Gewürgtwerdens, Schmerz wie von einem Messerschnitt oder demStoss eines scharfen, spitzen Instrumentes oder die unangenehmenGefühle von spitzen Nadeln gestochen zu werden oder von kleinenInsekten, die über den Körper krabbeln. Du kannst auch das Gefühlvon Jucken, Beißen oder intensiver Kälte erleben. Sobald du dieKontemplation unterbrichst, kannst du spüren, wie auch dieseschmerzlichen Gefühle aufhören. Wenn du die Kontemplation wieder 

aufnimmst, wirst du sie wieder empfinden, sobald deine Achtsamkeitzunimmt. Diese schmerzlichen Gefühle sind aber nichts, was manernst zu nehmen hätte. Sie sind keine Krankheitserscheinungen,sondern ganz alltägliche Faktoren, die im Körper immer zugegen sindund gewöhnlich verborgen bleiben, wenn der Geist ganz normal mitauffälligeren Objekten beschäftigt ist. Wenn die geistigen Fähigkeitenschärfer werden, wirst du dir dieser Gefühle stärker bewusst. Mit der fortschreitenden Entwicklung der Kontemplation wird die Zeit

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fortschreitenden Entwicklung der Kontemplation, wird die Zeitkommen, wo du sie überwinden kannst und wo sie überhauptaufhören. Wenn du die Kontemplation zielstrebig fortsetzt, wird dir kein Leid geschehen. Solltest du den Mut verlieren, in der Kontemplation unentschlossen werden und damit eine Weileaussetzen, kannst du, wenn du die Kontemplation dann wieder 

aufnimmst, immer wieder auf diese unangenehmen Gefühle stoßen.Machst du aber entschlossen weiter, so wirst du höchst wahrscheinlichdiese schmerzhaften Gefühle überwinden und sie vielleicht im Laufeder Kontemplation nie mehr erleiden müssen.

Solltest du beabsichtigen mit dem Körper hin und her zu schwanken,

ti b t "B b i hti " Wäh d d S h k"S h k " B i d K l i k d l li h

Teil I. Grundlegende Übungen

gleiche Verfahren an wenn du merkst, dass du wackelst oder zitterst.Wenn die Kontemplation sich weiter entwickelt, kannst du manchmalfühlen, dass ein Kribbeln oder kalter Schauder über den Rücken oder den ganzen Körper läuft. Das ist ein Symptom für das Gefühläußersten Interesses, der Begeisterung oder Verzückung. Es passiertganz natürlich im Verlaufe guter Kontemplation. Wenn dein Geist auf die Kontemplation fixiert ist, kannst du schon beim geringstenGeräusch erschrecken. Das geschieht, weil im Zustand guter Konzentration der Effekt von Sinneseindrücken intensiver gefühlt

wird.

Verspürst du während der Kontemplation Durst, so notiere "Durstig".Wenn du beabsichtigst aufzustehen, "Beabsichtigen". Notiere dann

  jede Bewegung zur Vorbereitung des Aufstehens. Halte den Geistaufmerksam auf dem Akt des Aufstehens und notiere dann mental,"Stehen". Wenn du nach vorne schaust, sobald du aufrecht stehst,notiere "Schauen" "sehen" Solltest du beabsichtigen vorwärts zu

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notiere, Schauen , sehen . Solltest du beabsichtigen vorwärts zugehen, "Beabsichtigen". Wenn du dann zu gehen anfängst, notieremental jeden Schritt als "Gehen, Gehen" oder "Links, Rechts". Es istwichtig für dich, dass du dir jedes Momentes bei jedem Schritt vomAnfang bis zum Ende bewusst bist, wenn du gehst. Halte dich an dieseMethode wenn du spazieren gehst oder eine Gehübung machst.

Versuche jeden Schritt, in zwei Abschnitte unterteilt, mental zunotieren und zwar wie folgt: "Heben, Absetzen; Heben, Absetzen".Wenn du mit dieser Gehweise genügend Praxis erworben hast, soversuche jeden Schritt in drei Abschnitten zu notieren: "Heben,Bewegen, Absetzen" oder "Auf, Vor, Ab".

Wenn du, sobald du an dem Ort angekommen bist, an dem du trinkenh d W h h d W b h l i h

Teil I. Grundlegende Übungen

Wenn die Tasse die Lippen berührt, "Berühren".Sollte sich die Berührung kalt anfühlen, "Kalt".Wenn du schluckst, "Schlucken".Beim Zurückstellen der Tasse, "Zurückstellen".Beim Zurückziehen der Hand, "Zurückziehen".Wenn du die Hand senkst, "Senken".Wenn die Hand seitlich den Körper berührt, "Berühren".Wenn du beabsichtigst dich umzudrehen, "Beabsichtigen".Wenn du dich umdrehst, "Umdrehen".

Wenn du vorwärts gehst, "Gehen".Wenn du am Ort angekommen bist, wo du beabsichtigst stehen zu

 bleiben, "Beabsichtigen".Wenn du stoppst, "Stoppen".

Bleibst du für einige Zeit stehen, so fahre in der Betrachtung desHebens und Senkens fort. Hast du aber die Absicht dich hinzusetzen,notiere "Beabsichtigen". Gehst du vorwärts um dich hinzusetzen,

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notiere Beabsichtigen . Gehst du vorwärts um dich hinzusetzen,"Gehen". Kommst du an der Stelle an, wo du sitzen wirst,"Ankommen". Drehst du dich zum Sitzen um, "Umdrehen". Währenddes Hinsetzens, notiere "Hinsetzen". Setz dich langsam nieder undrichte deine Aufmerksamkeit auf die Abwärtsbewegung des Körpers.Du musst jede Bewegung notieren, während die Hände und Beine in

Position gebracht werden. Nimm dann die vorgeschriebene Übung der Betrachtung der Bauchbewegungen wieder auf.

Hast du die Absicht dich hinzulegen, "Beabsichtigen". Fahre dann mitder Kontemplation jeder Bewegung fort, die sich im Verlauf desHinlegens ergibt: "Aufstehen, Strecken, Weggehen, Berühren,Hinlegen." Mache dann jede Bewegung zum Objekt deiner K l i d di H d di B i d d K i

Teil I. Grundlegende Übungen

"Müde". Wenn du erst genügend Konzentration bei der Kontemplationerworben hast, wirst du Schläfrigkeit und Müdigkeit überwindenkönnen und dich als Resultat sogar erfrischt fühlen. Nimm dann diegewöhnliche Kontemplation des Hauptobjektes wieder auf.Angenommen du bist nicht in der Lage das Gefühl der Schläfrigkeitzu überwinden, dann musst du die Kontemplation aufrecht erhalten bisdu einschläfst.

Der Schlafzustand ist die Kontinuität des Unterbewusstseins (Anm.

des Revisors: Mit Unterbewusstsein ist hier immer das Bewusstseinaußerhalb des Sinnes- oder Geisttorprozesses also desWahrnehmungsprozesses ‚citta-vithi’ gemeint. Der relativ moderneBegriff des Unterbewusstseins passt nicht, da in ihm geistige Prozesseablaufen. Das buddhistische „Unterbewusstsein“ ‚bhavanga’ isteigentlich ein schwaches, daher normalerweise nicht erinnertes,Bewusstsein, das immer ein und dasselbe Objekt hat). Er ähnelt demersten Zustand des Wiedergeburtsbewusstseins und dem letzten

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gBewusstseinszustand im Augenblick des Todes. Dieser Bewusstseinszustand ist schwach und daher außerstande ein Objektwahrzunehmen. Wenn du wach bist kommt die Kontinuität desUnterbewusstseins regelmäßig zwischen Momenten des Sehens,Hörens, Schmeckens, Riechens, Berührens und Denkens zum

Vorschein. Da dieses Vorkommen nur von kurzer Dauer ist, ist esgewöhnlich nicht deutlich und daher nicht wahrnehmbar. DieKontinuität des Unterbewussten bleibt während des Schlafes erhalten -eine Tatsache die beim Aufwachen offenbar wird, denn nur imWachzustand werden Gedanken und Objekte deutlich unterscheidbar.

Die Kontemplation sollte in dem Moment aufgenommen werden, inl h d h D d A f bi i di i ll i h h

Teil I. Grundlegende Übungen

körperlichen Aktivität gerichtet werden. Jede Bewegung der Hände,Beine und des Rückens muss voll bewusst erfolgen. Denkst du an dieTageszeit beim Erwachen? Wenn das der Fall ist, so notiere"Denken". Beabsichtigst du das Bett zu verlassen? Wenn ja, dannnotiere "Beabsichtigen". Wenn du dich darauf vorbereitest den Körper in eine geeignete Position für das Aufstehen zu bringen, notiere"Vorbereiten". Während du dich langsam erhebst, "Erheben".Befindest du dich in sitzender Position, "Sitzen". Bleibst du beliebiglange sitzen, so kehre zur Kontemplation der Bewegungen des Hebens

und Senkens des Bauches zurück.

Führe die Handlungen des Gesichtwaschens oder Badnehmensordentlich und bei völliger Bewusstheit jeder einzelnen Bewegungdurch. Notiere zum Beispiel: "Schauen, Sehen, Strecken, Halten,Berühren, Kältegefühl, Reiben". Beschäftige dich bei der Tätigkeit desAnziehens, des Bettmachens, des Öffnens und Schließens von Türenund Fenster und des Bewegens von Gegenständen mit jedem Detail

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g g jdieser Vorgänge in ihrer Reihenfolge.

Du musst dich um die Kontemplation jedes Details beim Essvorgangkümmern.

Wenn du die Nahrung ansiehst, "Ansehen".Wenn du die Nahrung bewegst, "Bewegen".Wenn du die Nahrung zum Mund führst, "Zuführen".Wenn du den Hals nach vorne beugst, "Beugen".Wenn die Nahrung den Mund berührt, "Berühren".Wenn die Nahrung im Mund abgelegt wird, "Ablegen".Wenn sich der Mund schließt, "Schließen".B i Z k i h d H d "Z k i h "

Teil I. Grundlegende Übungen

Führe die Kontemplation jedes Mal auf diese Weise durch, wenn dueinen Bissen Nahrung aufnimmst, bis du das Mahl beendest. ZuBeginn dieser Übung wirst du vieles auslassen. Mach dir nichtsdaraus, aber schwanke nicht in deinen Bemühungen. Du wirst weniger auslassen, wenn du in deiner Übung beharrlich bist. Wenn du einefortgeschrittene Stufe der Übung erreichst, bist du im Stande nochmehr Details zu notieren als hier aufgeführt sind.

Fortschritt in der Kontemplation

  Nachdem du einen Tag und eine Nacht lang geübt hast, kannst duwomöglich feststellen, dass sich deine Kontemplation beträchtlichverbessert hat und dass du fähig bist, die Grundübung, das Notierendes Heben und Senken des Bauches, auszudehnen. Zu diesemZeitpunkt wirst du bemerken, dass zwischen den Bewegungen desHebens und Senkens gewöhnlich eine Unterbrechung erfolgt. Wenn

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du dich in sitzender Position befindest, so fülle diese Pause mit einemmentalen Notieren des Sitzens in folgender Weise: "Heben, Senken,Sitzen". Wenn du das Sitzen mental notierst, richte deineAufmerksamkeit auf die aufrechte Haltung des Oberkörpers. Beiliegender Haltung solltest du mit voller Aufmerksamkeit wie folgt

notieren: "Heben, Senken, Liegen". Wenn es dir leicht fällt, solltest dumit dem Notieren der drei Abschnitte weiter üben. Wenn du bemerkst,dass sowohl am Ende des Hebens wie auch des Senkens eine Pauseauftritt, dann fahre wie folgt fort: "Heben, Sitzen, Senken, Sitzen".Oder in liegender Haltung: "Heben, Liegen, Senken, Liegen".Angenommen du findest es nicht mehr so leicht, in obiger Weise dreioder vier Teile mental zu notieren, dann kehre einfach zur 

li h M h d k d i di i T il

Teil I. Grundlegende Übungen

notieren, gedient ist. Wenn du jedoch absichtlich auf ein Objekt blickst, dann notiere mental zwei- oder dreimal, "Sehen" und wendedann deine Aufmerksamkeit wieder den Bewegungen des Bauches zu.Angenommen eine Person kommt in dein Gesichtsfeld, so notieremental zwei- bis dreimal "Sehen" um dich dann wieder auf das Hebenund Senken des Bauches zu konzentrieren. Hast du zufällig den Klangeiner Stimme gehört und darauf geachtet? Ist das der Fall, so notieremental "Hören" und kehre dann zum "Heben, Senken" zurück.Angenommen du hörst laute Geräusche wie, das Bellen eines Hundes,

lautes Sprechen oder Gesang. In diesem Fall ist sofort zwei- bisdreimal mental "Hören" zu notieren. Kehre dann zur Grundübungzurück und achte auf das "Heben und Senken".

Wenn du es versäumst solch deutliche Bilder und Töne bei ihremAuftreten zu notieren und damit zu entlassen, wirst du vielleicht ganzunbeabsichtigt anfangen darüber zu reflektieren, statt mit voller Aufmerksamkeit auf das Heben und Senken zu achten, das dann

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weniger klar und deutlich erscheinen mag. Durch derart geschwächteAchtsamkeit werden geistbefleckende Leidenschaften ausgebrütet undvermehrt. Wenn solche Reflexionen auftreten, so notiere mental zwei-oder dreimal "Reflektieren" und nimm die Kontemplation des Hebensund Senkens wieder auf. Wenn du vergisst Bewegungen des Körpers,

der Beine oder Arme mental zu notieren, dann notiere mental"Vergessen" und setze deine übliche Kontemplation der Bauchbewegungen fort.

Zeitweise kannst du fühlen, dass der Atem langsam geht oder dieHebe- und Senkbewegungen des Bauches nicht deutlich wahrnehmbar sind. Wenn das geschieht und du dich in sitzender Position befindest,d i h di A f k k i i f h f "Si h " d

Teil I. Grundlegende Übungen

Grundübung IV

Bis zu diesem Punkt hast du schon einige Zeit für den Übungswegaufgewendet. Du fängst vielleicht an dich träge zu fühlen, wenn dufeststellst, dass du zu wenig Fortschritte gemacht hast. Auf keinen Fallsolltest du jetzt aufgeben. Notiere nur einfach die Tatsache "Träge".Ehe du nicht genügend Stärke in der Achtsamkeit, Konzentration und

Einsicht erworben hast, zweifelst du vielleicht an der Richtigkeit oder   Nützlichkeit dieser Übungsmethode. In einem solchen Fall wendedich der Kontemplation des Gedankens "Zweifel" zu. Erwartest duoder wünschst du dir gute Resultate? Wenn ja, mache solcheGedanken zum Gegenstand deiner Kontemplation: "Erwartung" oder "Wunsch". Versuchst du dich daran zu erinnern, in welcher Weise dudieses Training bisher ausgeübt hast? Ja? Dann beginne über "Erinnern" zu kontemplieren. Gibt es Gelegenheiten bei welchen dud K l i bj k üb üf f ll b i h

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das Kontemplationsobjekt überprüfst um festzustellen, ob es sich umGeist oder Materie handelt? Wenn ja, dann sei dir "Prüfen" bewusst.Bedauerst du, dass deine Kontemplation nicht voranschreitet? Falls ja,dann kümmere dich um das Gefühl "Bedauern". Im umgekehrten Fall,

 bist du froh dass sich deine Kontemplation verbessert? Ist es so, dann

kontempliere über das Gefühl "Froh" zu sein.

Dies ist also die Methode, bei der du jeden einzelnen Vorgang desgeistigen Verhaltens mental notierst während er stattfindet. Wennkeine störenden Gedanken oder Wahrnehmungen zu notieren sind,solltest du stets zur Kontemplation des Hebens und Senkenszurückkehren. Während einer strengen Meditationsübung beginnt die

i d k i i i bli k d h bi d

Teil I. Grundlegende Übungen

du dich trotz diesen verlängerten Übungsstunden nicht mehr schläfrigfühlen. Im Gegenteil, du wirst in der Lage sein, die KontemplationTag und Nacht aufrecht zu erhalten.

Zusammenfassung

Während dieser kurzen Übersicht über die Schulung wurde betont,dass du ein jegliches mentale Ereignis kontemplieren musst, sei es gut

oder schlecht, jede körperliche Bewegung, sei sie groß oder klein, jedeSinnenwahrnehmung (körperliche oder mentale Gefühle), seien sieangenehm oder unangenehm und so weiter. Wenn es sich im Laufeder Schulung gelegentlich ergibt, dass nichts Spezielles zur Kontemplation anfällt, dann richte deine volle Aufmerksamkeit auf das Heben und Senken des Bauches. Wenn du eine Tätigkeit ausübenmusst, bei der Gehen erforderlich ist, dann sollte jeder Schritt mitvoller Aufmerksamkeit kurz als "Gehen, Gehen" oder "Links, Rechts"

ti t d M h t d b i l ht G hüb

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notiert werden. Machst du aber eine regelrechte Gehübung, sogliedere in deiner Kontemplation jeden Schritt in drei Abschnitte,"Auf, Vor, Ab". Ein Strebender, der sich Tag und Nacht in dieser Weise den Übungen hingibt, wird gar bald in der Lage sein, seineKonzentration bis zum Anfangsstadium der vierten Einsichtsstufe

(Erkenntnis des Entstehens und Vergehens)6

zu entwickeln und weiter   bis zu den höheren Stufen der Einsichtsmeditation (vipassana- bhavana).

Teil II. Fortgeschrittene Übungen

Teil II. Fortgeschrittene Übungen

1. Die Stufen der Einsicht

Analytische Kenntnis von Körper und Geist

Wenn, wie oben erwähnt, auf Grund fleißigen Übens, Achtsamkeitund Konzentration verbessert wurden, dann wird der Meditierende das

  paarweise Auftreten eines Objektes und dessen Wahrnehmung  bemerken, so wie das "Heben" und dessen Wahrnehmung, das"Senken" und dessen Wahrnehmung, das "Sitzen" und dessenWahrnehmung, das "Beugen" und dessen Wahrnehmung, "Strecken"und dessen Wahrnehmung, das "Hochheben" und dessenWahrnehmung und das "Niederlegen" und dessen Wahrnehmung.Durch konzentrierte Aufmerksamkeit (Achtsamkeit) weiß er jedenkörperlichen und mentalen Vorgang zu unterscheiden: "DieBewegung des Hebens ist ein Vorgang das Wissen darüber ein

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Bewegung des Hebens ist ein Vorgang, das Wissen darüber einanderer". Er erkennt, dass jeder Akt des Wahrnehmens die Natur des"auf das Objekt Zugehens" hat. Solch eine Erkenntnis bezieht sich auf die charakteristische Funktion des Geistes, sich einer Sachezuzuneigen oder sie zu erkennen. Man sollte wissen, dass der mentale

Vorgang des Erkennens um so deutlicher wird, je klarer einmaterielles Objekt wahrgenommen wird. Diese Tatsache wird imVisuddhimagga ausgesprochen:

 Denn in dem Maße, wie ihm die Stofflichkeit ganz eindeutig, entwirrt und gänzlich klar wird, so werden auch die immateriellen Zustände,welche das Materielle zum Objekt haben, von selber offenbar.

Teil II. Fortgeschrittene Übungen

aber eine wohlinformierte Person sein, so reflektiert er, auf Grunddirekter Kenntnis des Unterschieds zwischen einem materiellenProzess als Objekt und dem mentalen Prozess des Erkennens desObjektes, wie folgt: "Es ist wahr, dass es nur Körper und Geist gibt.Außer diesen gibt es keine solche Entität wie Mann oder Frau." Beider Kontemplation nimmt man einen materiellen Prozess als Objektwahr und einen mentalen Prozess, der dieses erkennt. Und lediglichauf dieses Paar beziehen sich die Ausdrücke des alltäglichenGebrauches: "Wesen", "Person" oder "Seele", "Mann" oder "Frau".

Aber abgesehen von diesem dualistischen Prozess gibt es keineseparate Person oder Wesen, kein Ich oder Andere, Mann oder Frau".Wenn solche Überlegungen auftreten, muss der Meditierende notieren"Überlegen, Überlegen" und fortfahren das Heben des Bauches zu

 beobachten, sein Senken, u.s.w.7 

Wissen durch Erkennen der Bedingtheit

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Bei weiterem Fortschreiten in der Meditation, wird der Bewusstseinszustand einer Absicht offenbar, ehe eine körperlicheBewegung erfolgt. Der Meditierende nimmt zuerst die Absicht wahr.Obwohl er auch am Anfang seiner Übungen notiert "Beabsichtigen,

Beabsichtigen" (zum Beispiel einen Arm zu beugen) kann er diesenBewusstseinszustand noch nicht deutlich wahrnehmen. Jetzt aber, auf dieser weiter fortgeschrittenen Stufe, erkennt er klar das Bewusstsein,welches in der Absicht zu beugen besteht. Er nimmt also erst denBewusstseinszustand der Absicht eine körperliche Bewegungauszuführen wahr und dann bemerkt er die entsprechende körperlicheBewegung selbst.

Teil II. Fortgeschrittene Übungen

weiter. Er registriert auch deutlich das tatsächliche Beugen, Streckenetc. Er sieht also die Tatsache, dass der Geist im Erkennen eineskörperlichen Vorganges schneller ist, als der materielle Prozess selbst.Er erfährt nun unmittelbar, dass ein körperlicher Prozess erst abläuft,nachdem eine Absicht vorangegangen ist. Wiederum weiß er ausdirekter Erfahrung, dass die Intensität von Hitze oder Kälte zunimmt,während er notiert "Heiß, Heiß" oder "Kalt, Kalt".

Bei der Kontemplation von regulären und spontanen körperlichen

Bewegungen, wie dem Heben und Senken des Bauches, notiert er kontinuierlich eine nach der anderen. Er notiert aber auch dasErscheinen von mentalen Bildern in seinem Geist, wie dem Buddhaoder einem Arahant, genauso wie irgend ein Gefühl (Jucken, Schmerz,Hitze) das in seinem Körper aufsteigt, wobei er die Aufmerksamkeitauf den speziellen Ort richtet, wo sich das Gefühl ereignet. Ein Gefühlist kaum verklungen, da erscheint auch schon ein anderes und er notiert sie alle entsprechend. Indem er jedes Objekt bei seinemAuftreten notiert ist er sich bewusst dass der mentale

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Auftreten notiert, ist er sich bewusst, dass der mentaleWahrnehmungsprozess von einem Objekt abhängt. Manchmal ist dasHeben und Senken des Bauches so schwach, dass er nichts zum

 Notieren findet. Dann kommt ihm in den Sinn, dass es ohne Objektgar kein Erkennen geben kann.

Wenn das Heben und Senken nicht wahrnehmbar ist, sollte man dieAufmerksamkeit auf "Sitzen" und "Berühren" oder "Liegen" undBerühren" richten. Beim "Berühren" ist auf alternierende Punkte der Berührung zu achten. Wurde zum Beispiel "Sitzen" notiert, so istanschließend das Gefühl der Berührung am rechten Fuß zu notieren(verursacht durch seinen Kontakt mit dem Boden oder dem Sitz).

Teil II. Fortgeschrittene Übungen

Weiterhin überlegt er: "Die materiellen Prozesse des Beugens,Streckens etc. folgen auf die mentalen Prozesse der Absicht zu

 beugen, zu strecken etc." Er überlegt weiter: "Der Körper wird heißoder kalt durch das Element der Hitze oder Kälte; der Körper existiertauf Grund von Nahrung und Ernährung; Bewusstsein entsteht weil eswahrzunehmende Objekte gibt; Sehen entsteht auf Grund vonsichtbaren Objekten; Hören in Folge von Tönen etc. und auch weil esden bedingenden Faktor der Sinnesorgane gibt (Auge, Ohr, etc.).Absichten und Wahrnehmungen resultieren aus früheren Erfahrungen;

Gefühle sowie Empfindungen aller Art sind die Konsequenzen ausfrüherem kamma in dem Sinne, dass seit der Geburt, bedingt durchfrüheres kamma, ständig materielle und mentale Prozesse ablaufen.Da ist keiner der diesen Körper und Geist geschaffen hätte, vielmehr hat alles was da geschieht kausale Faktoren". Solche Gedankenkommen dem Meditierenden, während er jegliches Objekt bei seinemErscheinen notiert. Er hört damit nicht auf um sich Zeit zumÜberlegen zu nehmen. Wenn man die Objekte wahrnimmt währendsie auftreten laufen diese Reflexionen so schnell ab dass sie wie

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sie auftreten, laufen diese Reflexionen so schnell ab, dass sie wieautomatisch erscheinen. Der Meditierende muss dann entsprechendnotieren "Überlegen, Überlegen, Wahrnehmen, Wahrnehmen" und mitdem Notieren der Objekte wie gewöhnlich fortfahren.

  Nach der Überlegung, dass die wahrgenommenen materiellen undmentalen Prozesse, durch die vorangegangenen Prozesse gleicher   Natur bedingt sind, bedenkt der Meditierende weiter, dass in denfrüheren Existenzen Körper und Geist ebenfalls durch vorherigeUrsachen bedingt wurden und demgemäss in den folgendenExistenzen Körper und Geist aus den gleichen Ursachen entstehenwerden. Abgesehen von diesem dualen Prozess gibt es kein eigenes

Teil II. Fortgeschrittene Übungen

eifrig zu notieren. Dies wird nämlich dazu führen, dass sie auf einMinimum reduziert werden, wodurch die Einsicht wachsen kann, ohnedurch ein Übermaß an Überlegungen behindert zu werden. Man kann

davon ausgehen, dass ein Minimum an Überlegungen hierbei völligausreichend ist.

Wenn Konzentration auf intensive Weise geübt wird, kann der Meditierende nahezu unerträgliche Gefühle erfahren, wie Jucken,Schmerz, Hitze, Stumpfheit und Steifheit. Wird das achtsame

  Notieren unterbrochen, verschwinden solche Gefühle. Wird das Notieren dann wieder aufgenommen, kommen sie aber wieder. SolcheEmpfindungen treten im Gefolge der natürlichen Sensitivität desKörpers auf und sind keine Symptome einer Erkrankung. Wenn siemit energischer Konzentration wahrgenommen werden, verschwindensie allmählich.

Manchmal nimmt der Meditierende alle möglichen Bilder wahr, alssähe er sie mit seinen eigenen Augen. Zum Beispiel kommt der 

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sä e e s e se e e ge e uge . u e sp e o deBuddha in die Szene, umgeben von einem Glorienschein; eineProzession von Mönchen im Himmel, Pagoden (dagobas) undBuddha-Bildnisse; man begegnet den Liebsten; Bäume oder Wälder erscheinen, Hügel und Berge, Gärten, Gebäude; man findet sich

Angesicht zu Angesicht mit aufgeblähten toten Körpern oder Skeletten; Gebäude werden zerstört, menschliche Körper zerfallen;der eigene Körper schwillt an, ist mit Blut bedeckt, zerfällt in Stückeund wird zum reinen Skelett; man sieht im Körper die Eingeweide undOrgane, selbst Keimzellen; Bewohner der Höllen und Himmelerscheinen, etc. All diese sind aber nichts als Schöpfungen der eigenenPhantasie, verschärft durch intensive Konzentration. Sie gleichen dem

Teil II. Fortgeschrittene Übungen

richten, die leicht zu erkennen sind und auf jene mentalen Prozesse,die in Verbindung mit Sinneswahrnehmungen auftreten.

Welches Objekt auch immer erscheinen mag, der Meditierende solltees notieren, indem er z.B. mental sagt "Sehen", bis es verschwindet.Es wird sich entweder entfernen, verblassen oder auseinanderbrechen.Zu Beginn werden dafür einige Notierungen erforderlich sein, so etwafünf bis zehn. Wenn sich aber die Einsicht entwickelt, wird das Objektschon nach ein paar Notierungen verschwinden. Will sich der 

Meditierende jedoch an dem Anblick erfreuen oder die Sache etwagenauer betrachten oder bekommt er sogar Angst vor ihr, dann wirdsie eher etwas länger verweilen. Wurde das Objekt absichtlichhervorgerufen, dann wird die Freude daran es lange andauern lassen.Wenn man gute Konzentration aufgebaut hat muss man also darauf achten, dass man nicht an ungewöhnliche Dinge denkt oder ihnenzugeneigt ist. Tauchen solche Gedanken aber auf, müssen sie sofort

notiert und vertrieben werden. Bei manchen Leuten kommt es vor,dass sie träge werden, wenn sie während der gewöhnlichen

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g , gKontemplation keine besonderen Objekte oder Gefühle erfahren. Einederartige Trägheit müssen sie mit "Träge, Träge" notieren, bis siediese überwunden haben.

Ob die Meditierenden nun ungewöhnlichen Objekten oder Gefühlen  begegnet sind oder nicht, so erkennen sie auf dieser Stufe ganzdeutlich die Anfangs-, Zwischen- und Endphasen jeder Wahrnehmung. Am Anfang der Übungen mussten sie, während sie einObjekt wahrnahmen, zu einem anderen auftretenden Objektüberwechseln, ohne dabei das Verschwinden des vorherigen Objektesklar gesehen zu haben. Nun jedoch notieren sie das neu erscheinende

Teil II. Fortgeschrittene Übungen

  plötzlich erscheint und auch plötzlich verschwindet. SeineWahrnehmung ist so deutlich, dass er folgendes denkt: "Alles gelangtan ein Ende; alles vergeht. Nichts ist beständig, alles ist wahrlich

vergänglich". Seine Überlegung stimmt ganz mit dem überein, was imKommentar zum Pali-Text festgestellt wird: "Alles ist unbeständig, imSinne von Vernichtung und Nicht-mehr-da-sein nach vorübergehender Existenz".

Er überlegt ferner: "Es liegt an unserer Ignoranz, dass wir uns des

Lebens freuen. Doch in Wahrheit gibt es da nichts worüber man sichfreuen könnte. Es gibt nur ein beständiges Entstehen und Vergehen,das uns wieder und wieder frustriert. Das ist in der Tat schrecklich.Wir können jeden Augenblick sterben und ganz gewiss geht alleseinmal zu Ende. Diese universelle Unbeständigkeit ist wahrhaftfurchterregend und schlimm". Sein Denken deckt sich mit der Feststellung des Kommentars: "Was unbeständig ist, das ist

schmerzhaft, schmerzhaft im Sinne von Entsetzen; schmerzhaft auf Grund der Bedrückung durch Aufstieg und Niedergang." Bei der 

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Erfahrung von wildem Schmerz bedenkt er erneut: "Alles istschmerzhaft, alles ist schlecht". Diese Überlegung entspricht der Aussage des Kommentars: "Er betrachtet den Schmerz alsWiderhaken, als Geschwür, als Stachel".

Er überlegt weiter: "Dies ist eine Anhäufung von Leiden, Leiden, dasunvermeidbar ist. Alles entsteht und vergeht, es ist wertlos. Man kannseine Entwicklung nicht stoppen. Es geht über unsere Kraft. Es nimmtseinen natürlichen Verlauf". Diese Überlegung passt zum Kommentar:"Was leidvoll ist, das hat kein Selbst. Kein Selbst in dem Sinne, dasses keinen Wesenskern hat, weil es nicht möglich ist Macht darüber 

Teil II. Fortgeschrittene Übungen

In Bezug auf persönlich noch nicht erfahrene Objekte kommt er zudem Schluss: "Auch sie sind in der gleichen Weise zusammengesetzt:Vergänglich, leidhaft und ohne ein Selbst". Das ist also die

Schlussfolgerung aus seiner gegenwärtigen unmittelbaren Erfahrung.Ein derartiges Verständnis wird aber nicht genügend deutlich, wenn

  jemand mit geringeren intellektuellen Fähigkeiten oder begrenztemWissen gar nicht auf Reflexionen achtet und einfach nur die Objektenotiert. Jener aber, der sich Reflexionen hingibt, wird häufig einsolches Begreifen erfahren, was ja in einigen Fällen bei jedem Akt der 

Wahrnehmung geschehen kann. Solch eine übermäßige Neigung zuReflexionen ist aber ein Hindernis für den Fortschritt der Einsicht.Selbst wenn sich auf dieser Stufe keine derartigen Überlegungeneinstellen, so wird das Verständnis auf den höheren Stufen dennochzunehmend klarer. Man sollte daher Überlegungen keineAufmerksamkeit widmen. Während der Meditierende dem bloßen

 Notieren der Objekte mehr Aufmerksamkeit schenkt, muss er jedoch

auch diese Überlegungen notieren, sofern sie auftreten, doch ohne sich bei ihnen aufzuhalten.9 

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Hindernisse auf dem Wege der Einsicht

  Nach dem Verständnis der drei Daseinsmerkmale gibt sich der Meditierende nicht länger mit Überlegungen ab, sondern fährt mitdem Notieren der kontinuierlich auftretenden körperlichen undmentalen Objekte fort. Von dem Augenblick an, wo die fünf geistigenFähigkeiten, nämlich Vertrauen, Energie, Achtsamkeit, Konzentrationund Wissen zueinander im rechten Verhältnis stehen, beschleunigtsich der mentale Prozess des Notierens, so als würde er abheben und

Teil II. Fortgeschrittene Übungen

erscheinen momentane stechende Empfindungen und Jucken inrascher Aufeinanderfolge. Alles in allem sind das nur schwer zuertragende Gefühle.

Der Meditierende kann mit dieser schnellen Abfolge unterschiedlicher Erfahrungen schwerlich Schritt halten, wenn er sie namentlich zunotieren versucht. Das Notieren hat hier in einer allgemeineren Weisezu erfolgen, jedoch mit Achtsamkeit. Auf dieser Stufe muss man nichtversuchen Details der Objekte zu notieren, die in schneller Folge

auftreten, sondern man muss sie allgemeiner notieren. Will man sieaber benennen, so ist eine Sammelbezeichnung dafür ausreichend.Wenn man versucht sie im Detail zu verfolgen, so wird man baldermüden. Wichtig ist dabei nur, das was erscheint klar wahrzunehmenund zu erfassen. Auf dieser Stufe sollte man die gewöhnlicheKontemplation, die nur auf einige wenige ausgewählte Objektegerichtet ist, beiseite lassen und das achtsame Notieren auf jedes

Objekt richten, das an den sechs Sinnentoren erscheint. Nur wenn manfür diese Art des Notierens nicht viel übrig hat, sollte man zu der 

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üblichen Kontemplation zurückkehren.

Die körperlichen und mentalen Prozesse laufen um ein Vielfachesschneller ab, als ein Wimpernschlag oder ein Blitz. Dennoch kann der 

Meditierende diese Prozesse während ihres Geschehens voll erfassen,wenn er nur damit fortfährt sie zu notieren. Die Achtsamkeit gewinnt beträchtlich an Stärke. Demzufolge erscheint es so, als würde sich dieAchtsamkeit regelrecht auf jegliches Objekt stürzen, sobald diesesauftaucht und auch das Objekt erscheint von der Achtsamkeit erhellt.Man erfasst jegliches Objekt klar und einzeln. Der Meditierende weißdaher: "Körperliche und mentale Prozesse sind wirklich sehr schnell.

Teil II. Fortgeschrittene Übungen

Haut erschaudern, Tränen fließen und die Glieder zittern. Es erwecktin ihm subtile Erregung und ein Hochgefühl. Er hat ein Gefühl alssäße er auf einer Schaukel. Er fragt sich sogar, ob er nur einfach

schwindelig ist. Doch dann entsteht Geistesruhe und damit auchgeistige Beweglichkeit etc. Beim Sitzen, Liegen, Gehen oder Stehenfühlt er sich ganz entspannt. Körper und auch Geist sind flink,funktionieren schnell; sie sind wendig, können sich jedemgewünschten Objekt zuwenden; sie sind ausdauernd und befassen sichmit einem Objekt solange es ihnen beliebt. Man ist frei von Steifheit,

Hitze oder Schmerz. Die Einsicht durchdringt jedes Objekt mitLeichtigkeit. Der Geist wird aufrichtig und geradlinig, man möchtealles Üble vermeiden. In festem Vertrauen gründend ist sein Geist gar heiter. Zu Zeiten, wo kein Objekt zu notieren ist, verweilt der Geisteine längere Weile in Ruhe. In ihm steigen Gedanken auf wie diese:"Der Buddha ist wahrlich allwissend. Der Körper-Geist-Prozess istwirklich vergänglich, leidhaft und ohne Selbst". Beim Notieren von

Objekten erfasst er völlig klar die drei Merkmale. Er möchte anderendazu raten Meditation zu betreiben. Frei von Müdigkeit und Lethargiei i E i d l h h V b d i

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ist seine Energie weder lasch noch angespannt. Verbunden mitEinsicht steigt in ihm Gleichmut auf. Sein Glücksgefühl übertrifftseine früheren Erfahrungen. Er möchte daher seine Gefühle undErfahrungen auch anderen mitteilen. Da erwächst in ihm ferner eine

feine Zuneigung, die sich gelassen der Einsicht erfreut, die mit demglänzenden Licht, der Achtsamkeit und Verzückung einhergeht. Er glaubt, dass eben dies das Glück der Meditation sei.

Der Meditierende sollte über diese Geschehnisse nicht nachdenken.Immer wenn eines eintritt, sollte er es entsprechend notieren:"Glänzendes Licht, Vertrauen, Verzückung, Ruhe, Glücksgefühl

Teil II. Fortgeschrittene Übungen

erscheint neigt man dazu das Notieren zu vergessen und freut sichüber den Anblick des Lichtes. Selbst wenn der Meditierende auf dasLicht mit achtsamem Notieren reagiert, so wird es dennoch mit

Gefühlen des Entzückens und Glücks vermischt sein und wohl etwasandauern. Später jedoch gewöhnt man sich an solche Phänomene undfährt damit fort sie einfach zu notieren, bis sie vergehen. Das Licht hat

 bisweilen eine derartige Brillanz, dass es sich als schwierig erweist esdurch den bloßen Akt des Notierens zum Verklingen zu bringen. Mansollte dann aufhören es zu beachten und sich entschlossen dem

  Notieren jeglichen Objektes, das im Körper auftritt, zuwenden. Der Meditierende sollte sich nicht fragen, ob das Licht noch da ist. Tut er das nämlich, so wird es ihm wohl erscheinen. Taucht ein solcher Gedanke auf, muss er ihn zerstreuen indem er seine Aufmerksamkeitentschlossen auf eben diesen Gedanken richtet.

Während intensiver Konzentration erscheint nicht nur das glänzende

Licht, sondern auch noch einige andere ungewöhnliche Objekte, dieverharren können, wenn man sich dem einen oder anderen zuneigt.S llt i l h Z i ft t i d M diti d

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Sollte eine solche Zuneigung auftreten, muss sie der Meditierendeunverzüglich notieren. Manchmal erscheinen schwach sichtbareObjekte hintereinander, wie die Abteile eines Zuges, selbst wennkeine Neigung zu irgend einem speziellen Objekt besteht. Auf solche

visuellen Erscheinungen sollte der Meditierende einfach mit "Sehen,Sehen" reagieren und jedes Objekt wird verschwinden. Wenn dieEinsichtigkeit des Meditierenden etwas nachlässt, können die Objektedeutlicher werden. Dann muss jedes Einzelne notiert werden bis dieganze Sequenz von Objekten schließlich vergeht.

Man muss sich der Tatsache bewusst werden, dass es eine falsche

Teil II. Fortgeschrittene Übungen

Gereiftes Einsichtswissen

Wenn der Meditierende damit fortfährt seine Achtsamkeit auf Körper-und-Geist zu richten, wird seine Einsicht an Klarheit gewinnen. Er wird dahin gelangen, das Entstehen und Vergehen körperlicher undgeistiger Prozesse deutlicher wahrzunehmen. Er wird erkennen, dass

  jedes Objekt an einem bestimmten Ort entsteht und genau dort auchwieder vergeht. Er wird erkennen, dass das vorherige Geschehen eine

Sache ist und das nachfolgende Geschehen eine andere. So nimmt er mit jedem Akt des Notierens die Merkmale der Vergänglichkeit, der Leidhaftigkeit und des Nichtvorhandenseins eines Selbstes wahr.

 Nachdem er auf diese Weise beachtliche Zeit kontempliert hat, glaubter womöglich: "Das ist sicherlich das Beste, was man erreichen kann.Besseres gibt es nicht". Sein Fortschritt erfüllt ihn so sehr mitZufriedenheit, dass er wahrscheinlich pausiert und sich entspannt. Er 

sollte aber auf dieser Stufe nicht nachlassen, sondern mit seiner Übung, körperliche und geistige Prozesse kontinuierlich zu notieren,noch weit länger fortfahren 12

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noch weit länger fortfahren.  

Mit fortschreitender Praxis, wenn das Wissen weitere Reifung erfährt,wird dem Meditierenden das Entstehen der Objekte nicht mehr 

offenbar. Er nimmt nur ihr Vergehen wahr. Sie verschwinden ganzschnell. Genau so verhält es sich mit den entsprechenden mentalenWahrnehmungsprozessen. Beim Wahrnehmen des Hebens der Bauchdecke, zum Beispiel, verschwindet diese Bewegung im Nu. Ingleicher Weise vergeht auch der mentale Vorgang des Notierens der Bewegung. Auf diese Weise wird dem Meditierenden klar erkennbar,das sowohl das Heben als auch das Wahrnehmen unmittelbar 

Teil II. Fortgeschrittene Übungen

des Bewusstseins, welches dieses Vergehen wahrnimmt - all das inschneller Folge. Es genügt jedoch die Auflösung eines Objektes unddas Erlöschen des Bewusstseins, das diese Auflösung wahrnimmt, als

 paarweise Sequenz zu erkennen.

Sobald ein Meditierender diese Paare ohne Unterbrechung klar wahrnehmen kann, werden ihm die speziellen Formen wie Körper,Kopf, Hand und Fuß nicht mehr bewusst und ihm kommt der Gedanke, dass alles endet und vergeht. Auf dieser Stufe hält er 

wahrscheinlich seine Kontemplation für ungenügend. Tatsächlich istdas aber nicht der Fall. Gewöhnlich erfreut sich der Geist daran beimAnblick spezieller Merkmale und Formen zu verweilen. In Anbetrachtihres Fehlens mangelt es dem Geist an dieser Befriedigung. In der Tatist dies also ein Anzeichen für den Fortschritt der Einsicht. AmAnfang werden zuerst typische Formen klar wahrgenommen, jetztaber registriert man zuerst ihr Vergehen, bedingt durch den

Fortschritt. Nur bei wiederholtem Reflektieren erscheinen dieseFormen wieder. Werden sie aber nicht beachtet, tritt die Tatsache der Auflösung wieder in den Vordergrund und verbleibt Man lernt also

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Auflösung wieder in den Vordergrund und verbleibt. Man lernt alsodurch direkte Erfahrung die Wahrheit des weisen Ausspruchs kennen:"Wenn ein Name oder eine Bezeichnung auftritt, so liegt dahinter eineRealität verborgen; wenn sich eine Realität enthüllt, verschwindet

 Name oder Bezeichnung".

Wenn der Meditierende die Objekte klar wahrnimmt, so denkt er, dasssein Notieren nicht schnell genug erfolgt. Tatsächlich erkennt er aber sogar die momentane Unterbewusstheit zwischen denWahrnehmungsprozessen, weil seine Einsicht so schnell und deutlichist. Er beabsichtigt etwas zu tun, zum Beispiel einen Arm zu beugen

Teil II. Fortgeschrittene Übungen

oder "Sehen" und "Wissen" oder "Hören" und "Wissen" usw., sobalddas eine oder andere vorkommt. Wenn er bei dieser Tätigkeit fühlt,dass er unruhig oder müde wird, sollte er sich wieder dem Heben und

Senken des Bauches zuwenden. Wenn er nach einiger Zeit wieder Schwung gewinnt, sollte er jegliches Objekt das im Körper auftauchtnotieren.

Wenn er in dieser breit gefächerten Weise gut kontemplieren kann, soerkennt er, selbst wenn er ein Objekt nicht mit voller Energie

wahrnimmt, dass das Gehörte verklingt, das Gesehene sich in Teileauflöst, ohne jegliche Fortsetzung dazwischen. Das bedeutet die Dingeso zu sehen wie sie sind. Manche Meditierende sehen nicht deutlichwas da vor sich geht, weil das Vergehen so schnell geschieht, dass siedas Gefühl haben ihr Augenlicht lasse nach oder Schwindel erfassesie. So ist es aber nicht. Es fehlt ihnen lediglich dieWahrnehmungskraft zu erfassen was vorher und nachher geschieht,

mit dem Ergebnis, dass sie die Merkmale und Formen nicht sehen. Ineinem solchen Fall sollten sie sich entspannen und die Kontemplationstoppen Die körperlichen und mentalen Prozesse laufen in ihnen aber

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stoppen. Die körperlichen und mentalen Prozesse laufen in ihnen aber weiter und das Bewusstsein fährt von selbst damit fort, diese Prozessezu notieren. Der Meditierende entschließt sich vielleicht zu schlafen,aber der Schlaf stellt sich nicht ein und dennoch bleibt er fit und

aufmerksam. Er muss sich wegen des versäumten Schlafes nichtsorgen, er wird sich deshalb weder unwohl fühlen noch krank werden.Er sollte nur fortfahren energisch zu notieren und er wird fühlen, dasssein Geist durchaus fähig ist die Objekte voll und klar zu erfassen.

Während er damit beschäftigt ist fortlaufend sowohl die Auflösungder Objekte zu notieren als auch den Vorgang des Erkennens, überlegt

Teil II. Fortgeschrittene Übungen

Außerdem wird der Meditierende mitten in der Kontemplationwomöglich Furcht gewahren. Er überlegt: "Man erfreut sich desLebens, ohne die Wahrheit zu kennen. Nun, da man die Wahrheit der 

 beständigen Auflösung kennt, ist es wahrlich furchterregend. In jedemAugenblick des Zerfalls kann man sterben. Der bloße Beginn diesesLebens ist schon zu fürchten. Genauso ist es mit den endlosenWiederholungen des Entstehens. Es erfüllt mit Furcht, dass dieErscheinungen real wirken, obwohl echte Eigenschaften und Formenfehlen. So ist es auch mit den Bemühungen die sich wandelnden

Phänomene um des Wohlbefindens und Glückes willen festzuhalten.Wiedergeboren zu werden ist Angst erregend, da es nur eineWiederbegegnung mit Objekten ist, die ständig enden und vergehen.Es ist wahrlich Furcht erregend alt zu sein, zu sterben, Kummer zuerfahren, Wehklagen, Schmerz, Gram und Verzweiflung". Eine solcheÜberlegung sollte notiert und dann eingestellt werden.

Der Meditierende sieht nichts auf das Verlass wäre und wird gewisser Maßen an Körper und Geist geschwächt. Ihn ergreiftNiedergeschlagenheit. Er ist nicht mehr fröhlich und begeistert. Er

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  Niedergeschlagenheit. Er ist nicht mehr fröhlich und begeistert. Er sollte aber nicht verzweifeln. Sein Zustand ist ein Zeichen der fortschreitenden Einsicht. Es ist nichts als Traurigkeit angesichts der Wahrnehmung von Furcht. Er muss so eine Überlegung notieren und

indem er fortfährt Objekte, eines nach dem anderen, bei ihremErscheinen zu notieren, wird dieses Gefühl der Traurigkeit baldvergehen. Wenn er jedoch eine Weile zu kontemplieren versäumt,dann wird sich der Gram behaupten und Furcht wird ihn überwältigen.Diese Art von Furcht hat mit Einsicht nichts zu tun. Man muss alsodarauf achten, durch energische Kontemplation, das Aufkommeneiner solchen unerwünschten Furcht zu verhindern.14 

Teil II. Fortgeschrittene Übungen

haben. Es ist vergeblich, dass man sich bemüht Wohlsein und Glück zu finden. Geburt ist nicht wünschenswert. Schrecklich sind Alter,Tod, Wehklagen, Schmerz, Gram und Verzweiflung". Eine derartige

Überlegung muss ebenfalls notiert werden.15 

Man neigt dann zu dem Gefühl, dass Körper-und-Geist als Objekt unddas wahrnehmende Bewusstsein, doch recht grob, gering oder wertlossind. Indem er ihr Entstehen und Vergehen wahrnimmt, wird er ihrer überdrüssig. Womöglich erblickt er seinen eigenen Köper, wie er 

verfault und zerfällt und sieht ihn als sehr zerbrechlich an.

Während der Meditierende alles wahrnimmt, was da in Körper-und-Geist ersteht, empfindet er auf dieser Stufe Abscheu darüber. Obwohler nach einer Serie guter Notierungen deutlich die Auflösung erkennt,ist er nicht mehr so munter und heiter. Seine Kontemplation wird vonEkel begleitet. Er wird daher der Kontemplation müde, kann es aber 

dennoch nicht lassen zu kontemplieren. Es ist wie bei jemanden, der auf einem schlammigen und schmutzigen Weg gehen muss und bei

  jedem Schritt Überdruss verspürt aber dennoch damit nicht aufhören

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j pkann. Er kann nicht anders, er geht einfach weiter. Zu diesemZeitpunkt sieht er das menschliche Dasein als dem Zerfallsprozessunterworfen an und er hat keine Freude an der Aussicht als Mensch

wiedergeboren zu werden, sei es als Mann oder Frau, König oder Multimillionär. Das gleiche Gefühl hegt er auch gegenüber denhimmlischen Bereichen.16 

Wenn er durch diese Erkenntnis bei allen wahrgenommenen GebildenEkel empfindet, so wird in ihm Verlangen aufsteigen, diesen Gebildenzu entfliehen oder von ihnen befreit zu werden.17 

Teil II. Fortgeschrittene Übungen

wenn ich etwas wahrnehme, begegnen mir Wiederholungen, die alleschlecht sind. Es ist wohl besser, wenn ich aufhöre sie zu notieren".Ein derartige Überlegung sollte er notieren.

Einige Meditierende hören nach solchen Gedanken tatsächlich damitauf die Gebilde zu notieren. Obwohl sie dies tun, hört das Geschehennicht auf, nämlich Heben, Senken, Beugen, Strecken, Beabsichtigenusw. Es geht weiter wie immer. Auch das Notieren bestimmter Gebilde wird fortgesetzt. Er freut sich und denkt: "Obwohl ich

aufgehört habe Körper-und-Geist-Gestaltungen zu notieren, finden dieGestaltungen dennoch statt. Sie entstehen und das Bewusstsein davonist von selbst da. Die Befreiung davon lässt sich also nicht dadurcherreichen, dass man einfach aufhört sie zu notieren. Auf diese Artkommt man nicht davon los. Notiert man sie aber wie gewöhnlich,werden die drei Merkmale des Lebens voll erfasst und, indem manihnen keine Aufmerksamkeit schenkt, wird man Gleichmut gewinnen.

Das Ende dieser Gestaltungen, Nibbana, wird verwirklicht. Friede undGlück werden kommen". Mit diesen freudigen Überlegungen fährt er fort die Gebilde zu notieren. Jene Meditierende aber, die nicht in der 

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,Lage sind solche Überlegungen anzustellen, setzen ihre Meditationfort, wenn sie durch die Erklärungen ihrer Lehrer zufrieden gestelltwurden.

Bald nach der Wiederaufnahme der Meditation gewinnen sie anSchwung und in manchen Fällen pflegen dann zu diesem Zeitpunktverschiedene schmerzhafte Gefühle aufzutreten. Das muss aber nichtVerzweiflung wachrufen. Es ist doch nur die Manifestation jener Charakteristika, welche dieser Leidensmasse innewohnen, wie in denKommentaren festgestellt wird: "Die fünf Daseinsgruppen als

Teil II. Fortgeschrittene Übungen

der Wahrnehmung und das wahrgenommene Objekt nicht nahe genug  beieinander liegen. Das kommt daher, weil er zu begierig ist, die Natur der drei Daseinsmerkmale voll zu erfassen.

Unzufrieden mit seiner Kontemplation, wechselt er häufig seineHaltung. Beim Sitzen denkt er, er käme beim Gehen besser voran.Beim Gehen möchte er dann wiederum zum Sitzen zurückkehren.

  Nachdem er sich nieder gesetzt hat, wechselt er die Stellung seiner Glieder. Er möchte an einen anderen Ort gehen; er möchte sich

hinlegen. Obgleich er diese Veränderungen vornimmt, kann er dochnicht lange in einer bestimmten Haltung verharren, dann wird er wiederum unruhig. Er sollte aber nicht verzweifeln. Denn all diesgeschieht nur, weil er zwar so weit gekommen ist die wahre Natur der Gestaltungen zu erkennen, jedoch das "Wissen vom Gleichmut

 bezüglich der Gestaltungen" noch nicht errungen hat. Er kommt gutvoran und fühlt sich dennoch als wäre das Gegenteil der Fall. Er sollte

versuchen in einer Haltung zu verbleiben und er wird merken, dass er sich dann in dieser Haltung wohl fühlt. Indem er damit fortfährt dieGestaltungen energisch zu notieren, wird sein Geist allmählich

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gesammelt und heiter werden. Am Ende werden seine rastlosenGefühle völlig verschwinden.19 

Sobald das "Wissen vom Gleichmut bezüglich der Gestaltungen" zur Reife gelangt, wird der Geist sehr klar und fähig die Gestaltungen sehr deutlich wahrzunehmen.20 Das Notieren verläuft glatt, als wäre dafür keine Mühe erforderlich. Auch sehr feine Gebilde werden ohne Mühewahrgenommen. Die wahren Merkmale der Vergänglichkeit, desLeids und des Nicht-Selbst werden ohne zu überlegen offenbar. DieAufmerksamkeit richtet sich auf einen speziellen Punkt eines

Teil II. Fortgeschrittene Übungen

wahrgenommenen Objekte spärlich und man kann sie leicht undgelassen notieren. Bisweilen verschwinden die körperlichenGestaltungen gänzlich und nur mentale Gebilde verbleiben. Der 

Meditierende erfährt dann in sich selbst ein Gefühl der Begeisterung,so als würde er mit einem Schauer winziger Wassertröpfchenerfrischt. Gelassenheit durchströmt ihn. Womöglich erblickt er auchHelligkeit, wie an einem klaren Himmel. Diese markantenErfahrungen beeinflussen ihn aber nicht übermäßig. Er ist nichtüberglücklich, empfindet aber doch noch Vergnügen daran. Diese

Empfindung des Vergnügens muss er notieren. Ebenso hat er Begeisterung, Gelassenheit und Helligkeit zu notieren. Wenn diese  beim Notieren nicht verschwinden, sollte er ihnen keine Beachtungschenken und irgend ein anderes auftauchendes Objekt notieren.

Auf dieser Stufe befriedigt ihn das Wissen, dass es kein Ich oder Mein, Er oder Sein gibt und dass nur Gestaltungen erscheinen; es sind

nur Gebilde welche andere Gebilde erkennen. Er empfindet auchFreude daran, die Objekte nacheinander wahrzunehmen. Er wird eslange nicht müde, sie zu notieren. Er ist frei von schmerzhaften

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Gefühlen und kann jede gewählte Haltung lange beibehalten. Sitzendoder liegend hält er die Kontemplation für zwei oder drei Stundenaufrecht, ohne etwaiges Unbehagen zu verspüren und ohne zu

ermüden. Sobald er beabsichtigt zu kontemplieren, kann er das zweioder drei Stunden lang aushalten. Selbst nach dieser Zeit ist seineHaltung noch so stabil wie am Anfang.

Zu Zeiten treten Gestaltungen rasch auf und er nimmt sie gut wahr.Aber er wird womöglich ängstlich bezüglich dessen, was ihm noch

  begegnen könnte. Eine derartige Angst sollte er notieren. Er fühlt,

Teil II. Fortgeschrittene Übungen

Gestaltungen konzentrieren kann. Wenn also das Notieren gut läuft,muss der Meditierende gleichbleibend damit fortfahren: Das heißt, er sollte weder nachlassen noch spezielle Anstrengungen unternehmen.

Wenn er beharrlich weitermacht, wird er rasch Einsicht in das Endealler Gestaltungen gewinnen und Nibbana verwirklichen. Beimanchen Meditierenden ist es auf dieser Stufe so, dass sie höher aufsteigen und dann mehrere Male wieder zurück fallen. Sie solltender Verzweiflung keinen Raum lassen, sondern fest entschlossen

 bleiben. Man muss auch darauf achten, alles zu notieren, was immer 

an allen sechs Sinnentoren auftauchen mag. Wenn das Notieren aber glatt und ruhig verläuft, ist ein Auf und Ab dieser Art in der Kontemplation gar nicht möglich. Die rechte Art des Notierens solltealso damit beginnen die Kontemplation zu vertiefen, bis sie glatt undruhig wird.

Wenn der Meditierende also mit dem Heben und Senken des Bauches

oder irgend einem anderen körperlichen oder mentalen Objektanfängt, wird er bemerken, dass er an Elan gewinnt. Das Notierenverläuft dann ganz von selbst glatt und ruhig. Es wird ihm so

k l d i i h i k i d f kl A d

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vorkommen, als würde er mit Leichtigkeit und auf klare Art dasEnden und Verschwinden der Gebilde beobachten. Zu diesemZeitpunkt ist sein Geist recht frei von all den Befleckungen. Wie

angenehm und einladend ein Objekt auch sein mag, für ihn ist es dasnicht mehr. Andererseits, wie abscheulich ein Objekt auch sein mag,für ihn ist es das nicht mehr. Er sieht, hört, riecht, schmeckt, fühlt eineBerührung oder erkennt ganz einfach nur. Mit den sechs Arten desGleichmuts, welche in den Schriften aufgeführt sind, nimmt er alleGebilde wahr. Er ist sich nicht mal der Zeitdauer bewusst, die er inKontemplation verbringt, noch überlegt er in irgend einer Weise.

Teil II. Fortgeschrittene Übungen

darauf richtet. Eine beständige Kontemplation wird wieder glattesVoranschreiten bewirken. Hat aber die Einsicht noch immer nichtgenügend Tiefe erreicht, wird die Konzentration erneut lasch. Auf 

diese Weise widerfahren manchen Meditierenden Fortschritt undRückfall mehrere Male. Diejenigen, welche mit den Stufen der fortschreitenden Einsicht durch Studium (oder durch Hörensagen)vertraut sind, erleben solches Auf und Ab. Es ist daher für einenSchüler, der unter der Führung eines Lehrers meditiert, nicht gut,schon vor Beginn der Meditation mit diesen Stufen bekannt gemacht

zu werden. Aber zum Wohle jener, die ohne die Leitung eineserfahrenen Lehrers üben müssen, wurde hier auf diese Stufenhingewiesen.

Trotz solcher Schwankungen in seinem Fortschritt darf sich der Meditierende nicht von Enttäuschung oder Verzweiflung überwältigenlassen. Er befindet sich jetzt sozusagen auf der Schwelle zu "Pfad und

Frucht". Sobald die fünf Fähigkeiten (indriya), nämlich Vertrauen,Energie, Achtsamkeit, Konzentration und Wissen gleichmäßigentwickelt wurden, wird er gar bald "Pfad und Frucht" erringen undNibb i kli h 21

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 Nibbana verwirklichen.21 

Teil II. Fortgeschrittene Übungen

2. Wie Nibbana verwirklicht wird

Pfaderkenntnis

Die Höhen und Tiefen des Einsichtswissens, welche in der erwähntenWeise auftreten, lassen sich mit einem Vogel vergleichen, der voneinem Schiff auf See ausgesetzt wird. In alten Zeiten ließ der Kapitäneines Schiffes auf See einen mitgeführten Vogel frei, wenn schwer zuerkennen war, ob sich das Schiff dem Land näherte. Der Vogel flog inalle vier Richtungen auf der Suche nach der Küste. Immer wenn er kein Land finden konnte, kehrte er zum Schiff zurück. Solange dasEinsichtswissen noch nicht hinreichend gereift ist, um sich zur Pfad-und Fruchterkenntnis auszuwachsen, wird es lasch und zögerlich,gerade so wie der Vogel, der zum Schiff zurückkommt.

Sieht der Vogel aber Land, so fliegt er in diese Richtung weiter, ohne

zum Schiff zurückzukehren. Ganz ähnlich erkennt das gereifteEinsichtswissen, wenn es scharf, stark und klar geworden ist, eines der Gebilde an einem der sechs Sinnentore als unbeständig oder alsleid oll oder als frei on Selbst Jener Wahrnehm ngsakt on irgend

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leidvoll oder als frei von Selbst. Jener Wahrnehmungsakt von irgendeinem der drei Merkmale, welcher bei seinem vollkommenenVerstehen einen höheren Grad an Klarheit und Kraft aufweist, wird

schneller und tritt in rascher Folge drei oder vier Mal auf. Unmittelbar nachdem das letzte Bewusstwerden in dieser Folge beschleunigtenWahrnehmens verklungen ist, wird Pfad und Frucht (magga-phala)offenbar und Nibbana, das Ende aller Gestaltungen, verwirklicht.

Die Wahrnehmungsakte sind jetzt klarer, als jene unmittelbar vor der Verwirklichung. Nach dem letzten Akt der Wahrnehmung wird das

Teil II. Fortgeschrittene Übungen

Wahrnehmungsvorgänge brechen ab, so als würde etwas das manfesthält auseinander brechen oder die Objekte und dieWahrnehmungsprozesse sind plötzlich befreit, wie aus einem

Gefängnis oder die Objekte und die Wahrnehmungsprozesse sindausgelöscht, so wie eine Kerze plötzlich ausgeblasen wird oder sieverschwinden, als würde Dunkelheit durch Licht abgelöst oder siekommen frei, als würden sich Verwicklungen lösen oder sieversinken, so wie in Wasser oder sie hören unvermittelt auf, so alswürde jemand im Laufe durch einen heftigen Stoss gestoppt werdenoder sie enden ganz einfach alle zusammen.

Die Erkenntnis vom Aufhören der Gestaltungen ist jedoch nicht vonlanger Dauer. Sie ist so kurz, dass sie nur einenWahrnehmungsmoment lang andauert. Der Meditierende überdenktdann, was da vor sich gegangen ist. Er weiß, dass das Ende der 

 beobachteten materiellen Prozesse und ihrer entsprechenden mentalen

Wahrnehmungsprozesse die Verwirklichung von Pfad, Frucht und Nibbana ist. Jene die gut informiert sind wissen, dass das Aufhörender Gestaltungen Nibbana ist und dass die Erkenntnis des Aufhörensund die des Glücks den Pfad und die Frucht darstellen Sie würden

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und die des Glücks den Pfad und die Frucht darstellen. Sie würdensich innerlich sagen: "Ich habe jetzt Nibbana verwirklicht und denPfad und die Frucht des Stromeintritts (sotapatti-magga-phala)erlangt". Solch klares Wissen ist jemandem offenbar, der die Schriftenstudiert oder Lehrreden zu diesem Thema gehört hat.22 

22 Auf Vorschlag des Ehrwürdigen Verfassers werden hier zwei Erläuterungen zitiert, welche dieStufen der Nibbana-Erkenntnis auf den Pfaden des Stromeintritts, der Einmalwiederkehr, etc.erklären: (1) Vism. XXI, 126-27: "Jemand der Nibbana sieht, das mit dem Todlosen (im Sinne vonEnde) verschmilzt, realisiert es.." (Patisambhida M.,I.35). "Das Sehen des Nibbana im Moment der ersten Pfadschau ist Realisierung als Sehen (dassana). Bei den anderen Momenten der 

Teil II. Fortgeschrittene Übungen

Manche Meditierende überprüfen den Stand der Befleckungen, d.h.  jene die schon abgelegt und jene die noch aufzugeben sind. Nach

einem Rückblick dieser Art setzen sie aber noch immer die Übung des Notierens körperlicher und mentaler Prozesse fort. Während sie diesestun, scheinen ihnen die körperlichen und mentalen Prozesse jedochrecht grob zu sein. Sowohl das Erscheinen, als auch das Verschwindender Prozesse, wird dem Meditierenden deutlich offenbar. Unddennoch hat er jetzt das Gefühl, als sei seine Wahrnehmung lasch undschlechter geworden. Tatsächlich ist er zu dem Wissen des Entstehensund Vergehens zurückgekehrt. Es ist wahr, dass seine Wahrnehmunglasch und schlechter geworden ist. Weil er auf diese Stufezurückgefallen ist, sieht er wahrscheinlich helles Licht oder dieFormen von Objekten. In manchen Fällen bringt dieser Rückschrittunausgewogene Kontemplation mit sich und die wahrgenommenenObjekte und der Akt des Notierens gehen nicht Hand in Hand.

Manche Meditierende erfahren eine Weile lang leichte Schmerzen. ImGrossen und Ganzen nehmen die Meditierenden aber wahr, dass ihrementalen Prozesse klar und brillant verlaufen. Der Meditierende fühltauf dieser Stufe dass sein Geist vollkommen frei von jeglicher

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auf dieser Stufe, dass sein Geist vollkommen frei von jeglicher Belastung ist; er fühlt sich glückhaft unbehindert. In einem solchenGeisteszustand kann er die mentalen Prozesse nicht wahrnehmen undselbst wenn er es tut, erfolgt es nur undeutlich. Er kann auch nicht anirgend etwas anderes denken. Er fühlt sich einfach nur strahlend undglücklich.

Wenn dieses Gefühl an Kraft verliert, kann er körperliche und mentaleProzesse wieder wahrnehmen und ihr Entstehen und Vergehen klar erkennen. Nach einiger Zeit erreicht er den Zustand, in welchem er die

Teil II. Fortgeschrittene Übungen

des ersten Pfades und seiner Frucht zu gelangen und demgemässerfahren sie dieses Wissen erneut wiederholte Male.

Bis hierher habe ich die Meditationsmethode beschrieben, diefortschreitenden Stufen des Einsichtswissens und die Verwirklichungvon Pfad und Frucht des Stromeintritts erläutert.

Jemand der die Erkenntnis von Pfad und Frucht erlangt hat, ist sichdes deutlichen Wandels in seinem Temperament und seiner Geisteshaltung bewusst und fühlt, dass sich sein Leben verändert hat.Sein Glauben oder sein tiefes Vertrauen in die Drei Juwelen wird sehr stark und fest. In Folge dieses gestärkten Vertrauens gewinnt er auchan Verzückung und Ruhe. Spontan erhebt sich in ihm eine Welle desGlücks. Auf Grund dieser ekstatischen Erfahrungen kann er dieObjekte nicht auf unterscheidende Weise wahrnehmen, obwohl er sichgleich nach dem Erreichen von Pfad und Frucht darum bemüht. Diese

Erfahrungen verblassen aber nach einigen Stunden oder Tagenallmählich und er wird dann wieder im Stande sein, die Gestaltungendeutlich wahrzunehmen. In manchen Fällen fühlen sich Meditierende,welche Pfad und Frucht erreicht haben von einer großen Bürde

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welche Pfad und Frucht erreicht haben, von einer großen Bürdeentlastet, befreit und locker und möchten gar nicht mit demKontemplieren fortfahren. Ihr Ziel, Pfad und Frucht zu realisieren, isterreicht und man kann verstehen, dass sie im Herzen zutiefst

 befriedigt sind.

Fruchterkenntnis

Wenn jemand, der Pfad und Frucht erlangt hat, wünscht

Teil II. Fortgeschrittene Übungen

Vergehen unmittelbar gewinnen. Dieser folgen dann bald die anderenfortschreitenden Stufen der Einsicht, bis hinauf zum Wissen desGleichmuts bezüglich der Gestaltungen. Wenn dieses Wissen reift,

wird das Aufhören der Gestaltungen, Nibbana, mit der darausresultierenden Fruchterkenntnis erreicht.

Diese Erkenntnis dauert für jemanden, der nicht schon vorher  bezüglich der Dauer einen Vorsatz gefasst hat, nur einen Moment; siekann aber manchmal auch etwas länger andauern. Falls aber jemandhinsichtlich der Dauer vorher schon einen Entschluss gefasst hat, sohält die Fruchterkenntnis länger an, etwa den ganzen Tag oder dieganze Nacht oder, wie die Kommentare aussagen, so lange wie man

  beschlossen hat. Gleicherweise hält an diesen Tagen dieFruchterkenntnis jener, die in Konzentration und Einsicht versunkensind, eine Stunde, zwei Stunden, drei Stunden usw. an. DieFruchterkenntnis endet erst, wenn der Meditierende sie beenden will.

Dennoch ergeben sich während einer Phase der Fruchterkenntnis, dieein oder zwei Stunden anhält, manchmal Augenblicke desReflektieren; sie vergehen aber nach vier- oder fünfmaligem Notierenund die Fruchterkenntnis kehrt zurück. In manchen Fällen hält sie

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und die Fruchterkenntnis kehrt zurück. In manchen Fällen hält sieohne Unterbrechung mehrere Stunden an.

Während die Fruchterkenntnis anhält, ist das Bewusstsein völlig auf das Aufhören der Gestaltungen ausgerichtet, wie man es unter der Bezeichnung "Nibbana" kennt. Nibbana ist ein Dhamma, das von denkörperlichen und mentalen Prozessen, sowie allen weltlichenVorstellungen befreit ist. Während der Erfahrung der Fruchterkenntnissteigt einem also kein Bewusstsein von seinen körperlichen undmentalen Prozessen auf und auch keines von dieser Welt, noch von

Teil II. Fortgeschrittene Übungen

Gedanken auf, die das Aufhören der Gestaltungen oder der Objektedes Sehens, Hörens usw. betreffen. Dann kehrt die normaleKontemplation zurück oder ein erhebendes Gefühl oder auch

Überlegungen. Zu Beginn erscheinen die Gestaltungen recht grob unddas Notieren erfolgt nicht genügend energisch. Bei jenen aber, diestarke Einsicht besitzen, verläuft die Kontemplation so glatt wieimmer.

Eine warnende Bemerkung sei hier angebracht. Der Meditierendesollte bezüglich des schnellen Eintritts und der Dauer der Fruchterkenntnis schon vorher einen Entschluss fassen. Er sollte alsoseine Aufmerksamkeit nicht erst auf einen solchen Beschluss lenken,wenn er begonnen hat die entsprechenden körperlichen und mentalenVorgänge zu notieren. Ehe die Reifung der Einsicht erreicht ist, er aber gut mit dem Notieren der Gestaltungen voran kommt, erfährt er womöglich "Gänsehaut", Gähnen, Zittern und Schluchzen und der 

Schwung seiner Kontemplation wird geschwächt. Während dieTätigkeit des Notierens an Kraft gewinnt, blickt er vielleicht nachvorn zum Ziele hin und die Kontemplation entgleitet dadurch seiner Kontrolle. Er sollte aber an nichts anderes als seine Kontemplation

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pdenken und wenn es ihm unwissentlich unterläuft, so muss er denabweichenden Gedanken notieren. Manche erreichen dieFruchterkenntnis erst nach mehrmaligen Verlusten der erforderlichenIntensität beim Notieren. Hat man nur schwache Konzentration, soerfolgt der Eintritt in die Fruchterkenntnis langsam und hält dann auchnicht lange an.Dies ist eine Beschreibung des Vorganges der Fruchterkenntnis.

Teil II. Fortgeschrittene Übungen

erkennen. Während dieser Frist bleibt das Wissen vom Entstehen undVergehen wirksam und es gibt keinen weiteren Fortschritt der Einsicht. Ist die Zeit jedoch verstrichen, taucht das Wissen über die

Auflösung von selbst auf. Tritt dies aber nicht ein, so muss dieAufmerksamkeit auf die Auflösung gerichtet werden und zwar mitdem Beschluss, dass die Erkenntnis der Auflösung eine bestimmteZeit andauern soll. Während dieser Frist geschieht das, was man

 beschlossen hat.

Mit dem Ablauf der festgelegten Zeitspanne erscheint von selbst dienächst höhere Erkenntnisstufe. Ist dies aber nicht der Fall, so sollteman die Erkenntnis der Furchtsamkeit in Verbindung mit Angsterregenden Objekten anstreben. Zusammen mit Furcht einflössendenObjekten wird dann die Erkenntnis der Furchtsamkeit aufscheinen.Dann sollte man seine Aufmerksamkeit auf Objekte des Elendsrichten und die Erkenntnis der Leidhaftigkeit wird sehr bald erstehen.

Wird der Geist ekelhaften Objekten zugewandt, so ersteht in ihm dieErkenntnis des Ekels. Wenn jede Wahrnehmung Ekel bewirkt, setztdie Erkenntnis vom Ekel ein. Dann ist an die nächste Stufe zu denken,die Erkenntnis des Verlangens nach Befreiung. Erfüllt vom

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g g  brennenden Verlangen nach Befreiung von den Gestaltungen, sollteman nach der entsprechenden Erkenntnis streben und nach einiger Anstrengung wird dieses Wissen auch aufscheinen.

Wenn man der nächst höheren Stufe zuneigt, wird man Schmerzenerfahren, den Wunsch verspüren die Haltung zu ändern und man wirddurch ein Gefühl der Unzufriedenheit gestört, aber man wird dasWissen der Rückschau erlangen. Dann muss der Meditierende seinenGeist der Erkenntnis des Gleichmuts zuwenden. Die Kraft der 

Teil II. Fortgeschrittene Übungen

Erkenntnisstufe des Gleichmuts bezüglich der Gestaltungen erreichenkann und auch die Stufe der Fruchterkenntnis. Jemand der in seiner Übungspraxis hinreichend gereift ist, kann sogar beim Spazieren

gehen oder während er sein Mahl einnimmt, bis zur Fruchterkenntnisgelangen.

Wie man zu den höheren Pfaden gelangt

Wenn der Meditierende aus den Übungen zur schnellenVerwirklichung der Fruchterkenntnis des ersten Pfades und auch ausdem langzeitigen Verweilen in diesem Zustand volle Befriedigunggewinnt, dann sollte er danach streben, die höheren Pfade zuerreichen. Nachdem er für diese Bestrebung eine definitive Zeitspannefestgelegt hat, sollte er seinen innigen Wunsch in folgende Wortekleiden: "Während dieser Zeitspanne möchte ich die Fruchterkenntnis

nicht erfahren. Möge es keine Wiederholung dieser Erkenntnis geben!Möge ich den höheren Pfad erreichen, den Pfad welchen ich nochnicht erlangt habe! Möge ich dieses Ziel verwirklichen!" Mit diesemsehnlichen Begehr sollte er, wie gewöhnlich, körperliche und mentale

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Prozesse notieren.

Der Vorteil der Festlegung einer bestimmten Zeitspanne liegt darin,dass er die Fruchterkenntnis des bereits erreichten Pfades schnellwiedererlangen kann, wenn er das will. Wurde keine solche Fristfestgelegt und man setzt die Bestrebungen den höheren Pfad zuerreichen fort, dann ist es einem nicht möglich, das Fruchtwissen desniedrigeren Pfades wiederzugewinnen. In diesem Fall wird man durchein Gefühl der Unzufriedenheit und Enttäuschung gestört, wenn man

Teil II. Fortgeschrittene Übungen

Wenn man die Kontemplation mit der Absicht beginnt, den höherenPfad zu erreichen, so setzt der Fortschritt der Einsicht mit der 

Erkenntnis vom Entstehen und Vergehen ein. Der Fortschritt der Einsicht ist dann nicht der Gleiche, wie beim Streben nach erneutemAuftreten der Fruchterkenntnis, sondern so wie der Fortschritt bei der Kontemplationsübung für den niedrigeren Pfad. Glänzendes Lichtoder Formen können auftauchen, wie es auf der früherenErkenntnisstufe des Entstehens und Vergehens der Fall war. Man kannauch Schmerz erfahren. Das Entstehen und Vergehen der körperlichenund mentalen Prozesse läuft deutlich ab. Obgleich es bei der Kontemplation zum Wiedererlangen der Fruchterkenntnis nicht langedauert, das Wissen vom Gleichmut bezüglich der Gestaltungenwiederzuerlangen, so muss man jetzt, wenn die Einsicht noch nichtreif ist, länger in den Zuständen der niedrigeren Erkenntnisseverharren.

Dem Meditierenden werden jedoch keine Schwierigkeiten begegnen,wie das während seiner Kontemplation zur Erkenntnis des niedrigerenPfades der Fall war. Es ist möglich, dass er innerhalb eines Tages eine

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Erkenntnis nach der anderen gewinnt, bis hinauf zur Erkenntnis desGleichmutes bezüglich der Gestaltungen. Der mentaleErkenntnisprozess ist viel klarer, deutlicher und breiter. Viel lebhafter aber sind seine Erfahrungen der Furcht, des Elends, des Ekels und desVerlangens, von den Leiden der irdischen Sphären befreit zu werden.Wenngleich es zuvor möglich war, innerhalb einer Stunde dieFruchterkenntnis vier oder fünfmal zu erlangen, so dauert jetzt dieErkenntnis des Gleichmuts bezüglich der Gestaltungen an, wenn dieEinsicht für den höheren Pfad noch nicht reif ist. Das kann von einem

Teil II. Fortgeschrittene Übungen

Wenn man nun zutiefst ersehnt den dritten Pfad zu erreichen, den Pfaddes Nichtmehrwiederkehrers (anagami-magga), so muss man erneut

eine bestimmte Zeitspanne festlegen, in welcher man völlig dasVerlangen ablegt, zur Fruchterkenntnis des vorherigen Pfadeszurückzukehren. Man beschließt dann also: "Möge doch nur jeneEinsicht reifen, die sich auf den höheren Pfad bezieht! Möge ich diehöhere Pfad und Fruchterkenntnis erlangen!" Dann muss man damit

 beginnen, wie gewöhnlich Körper und Geist zu kontemplieren. Manfängt mit der Erkenntnis vom Entstehen und Vergehen an, wird aber 

 bald die höheren Erkenntnisse nacheinander erlangen, bis hinauf zur Erkenntnis des Gleichmuts bezüglich der Gestaltungen. Ist dieEinsicht noch nicht gereift, verharrt man auf diesem Erkenntnisstand.Reift sie dann aber, erreicht sie das Aufhören der Gestaltungen unddamit die Erkenntnis vom dritten Pfad und Frucht.

Dies ist die Beschreibung vom Erlangen des dritten Pfades und der Frucht, das heißt also, des Zustandes eines anagami oder  Nichtwiederkehrers.

J d d d i d d ül i Pf d d F h b d

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Jemand der den vierten und endgültigen Pfad und Frucht anstrebt, dendes Arahant (arahatta-magga-phala), muss wieder eine Zeitspannefestlegen und jegliches Verlangen aufgeben, die Fruchterkenntnis desdritten Pfades wieder zu erlangen. Dann muss er wie gewöhnlichdamit beginnen die körperlichen und mentalen Prozesse zukontemplieren. Wie im Satipatthana Sutta festgestellt, ist dies der "Einzige Weg". Mit der Erkenntnis vom Entstehen und Vergehen

  beginnend, wird bald die Erkenntnis vom Gleichmut bezüglich der Gestaltungen erreicht. Ist die Einsicht noch nicht reif, bleibt dieses

Teil II. Fortgeschrittene Übungen

noch nicht entwickelt hat, kommt mit der Erkenntnis des Gleichmutes bezüglich der Gestaltungen zu einem Stillstand.

Es ist wichtig zu vermerken, dass, obwohl jemand der den ersten Pfaderreicht hat, den zweiten wahrscheinlich bald mit relativer Leichtigkeit erringen wird, es ihm lange schwer fallen wird den drittenPfad zu erreichen. Der Grund dafür ist, dass die Bezwinger des erstenund zweiten Pfades in der Einhaltung der Tugendregeln (sila) wohlgeübt sind. Mit anderen Worten, sie sind Muster an Tugendhaftigkeit.Was den Bezwinger des dritten Pfades betrifft, so muss er zudem über voll entwickelte Konzentration (samadhi) verfügen. Daher kann er dendritten Pfad nicht leicht erringen, weil er sich sehr bemühen muss, dieerforderliche Konzentration zu entwickeln.

  Nachdem das so ist, kann man ohne äußerste Anstrengungen dieeigenen Kräfte zu entwickeln, unmöglich wissen, ob man fähig ist

diesen oder jenen Pfad zu erlangen. In manchen Fällen wird ein Pfaderst nach sehr langer Zeit erreicht. Dass sich jemand so lange  bemühen muss, bedeutet aber nicht, dass er die nötigen"Vollkommenheiten" (paramita) noch nicht völlig entwickelt hat. Esk b i d i d d di ä ti A t

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kann aber wiederum sein, dass gerade die gegenwärtige Anstrengungzu deren Vervollkommnung oder Reife, führt. Man sollte also keineZeit mit Überlegungen verschwenden, ob man die Vollkommenheiten(paramita) schon in ausreichendem Maße besitzt oder nicht.

Der Meditierende sollte sich folgende unleugbare Tatsache einprägenund aufs Äußerste anstrengen um sein Streben zu realisieren: "Sogar die Entwicklung der Vollkommenheiten (paramita) ist nicht ohneAnstrengung möglich. Vorausgesetzt jemand hat die

Teil II. Fortgeschrittene Übungen

Ratschlag

In diesen Zeiten, solange die Botschaft des Buddha (Buddha Sasana)

noch existiert, werden jene, die begeistert und begierig darauf sind für ihre eigene Befreiung vom Leid der Welt zu arbeiten, sowie für dasErlangen von Pfad, Frucht und Nibbana, welches das höchste Ziel vonVipassana, der Einsichtsmeditation, ist, gut beraten sein in der 

 beschriebenen Weise die Kontemplation des Körpers, der Gefühle, desBewusstseins und der mentalen Objekte, auch Meditation über dieGrundlagen der Achtsamkeit (Satipatthana) genannt, zu üben. Es ist inder Tat unerlässlich für sie.

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Anmerkungen und Anhang

Anmerkungen und Anhang

Spezielle Anmerkungen

Die in dieser Abhandlung umrissene Technik der Einsichtsmeditationist für Personen durchschnittlicher Intelligenz durchaus hinreichend.Solche Personen sollten, nachdem sie dieselbe gelesen haben, dieseKontemplationen mit festem, eifrigem Bestreben und großem Fleißauf zielstrebige Weise üben und sie können des Erfolges sicher sein.Man muss aber darauf hinweisen, dass die Einzelheiten der Erfahrungen und der fortschreitenden Stufen der Einsicht, welche dieMeditierenden durchleben, in dieser kurzen Abhandlung keineswegsumfassend beschrieben werden können. Es verbleibt noch etliches, dases Wert wäre beschrieben zu werden. Andererseits wird nicht alles,das hier erläutert wurde, in vollem Maße von jedem Meditierenden

erfahren. Es ergeben sich Unterschiede, je nach eigenen Fähigkeitenund auch "Vollkommenheiten" (paramita). Ebenso sind das Vertrauen,das Verlangen und der Fleiß nicht immer gleichbleibend beständig.Außerdem wird ein Meditierender, der keinen Lehrer hat und gänzlichvom Buchwissen abhängt so vorsichtig und zögerlich vorgehen wie

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vom Buchwissen abhängt, so vorsichtig und zögerlich vorgehen, wieein Reisender auf einer unbekannten Route. Es ist also offenbar für soeine Person nicht sehr leicht Pfade und Frucht sowie Nibbana zuerlangen, wenn er ohne einen Lehrer, der ihn führt und ermutigtvoranschreitet.

 Nachdem dies so ist, muss jemand, der wirklich darauf erpicht ist zumeditieren bis er sein Ziel erreicht, einen Lehrer finden, welcher durchseine eigenen Verwirklichungen voll qualifiziert ist ihn den ganzen

Anmerkungen und Anhang

Im Laufe der Kontemplation sollte man keine Anstrengung scheuendas Ziel zu erreichen, eingedenk des folgenden Buddha-Rates:

 Ein schlaffer nicht und auch kein schwacher Mannerringt Nibbana je, Befreiung von allem Leid. Doch dieser junge bhikkhu da, der Unvergleichliche, Bezwinger Mara's, trägt seine letzte Bürde. Nidanavagga Samyutta, 21:4(Verschiedene Aussprüche, II, Seite 188)

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Anmerkungen und Anhang

Anhang

Die Textstellen der Pali Sutten, Kommentare und Subkommentare, die

sich auf die in dieser Übersetzung des Kapitels V des burmesischenOriginals umrissenen Meditationstechniken beziehen, werden inverschiedenen anderen Kapiteln desselben voll zitiert. Da sie denLesern dieser Übersetzung kaum zugänglich sein werden, sind einigedavon nachstehend wiedergegeben.

Meditationstechniken

Das Maha Satipatthana Sutta erklärt:1. "Außerdem, bhikkhus, ist sich ein Bruder, wenn er geht, sich dessenbewusst, nämlich: "Ich gehe"; oder wenn er steht, sitzt oder sichhinlegt, so ist er dessen gewahr." (Reden des Buddha, II, 329, Para.3)

2. "Und ferner, bhikkhus, ist ein Bruder sich dessen bewusst was er gerade tut, ob er weggeht oder zurückkehrt, ob er etwas anblickt oderwegschaut, ob er seine Glieder angezogen oder ausgestreckt hat, ober sein Untergewand oder die Überrobe angelegt und die Schale

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er sein Untergewand oder die Überrobe angelegt und die Schaleergriffen hat, ob er isst, trinkt, kaut, sich des Geschmacks erfreut oderdem Ruf der Natur folgt. Beim Gehen, Stehen, Sitzen, Schlafen,Wachen, Sprechen oder Schweigen, weiß er was er tut."  (Ibid., Para.4)

3. "Und weiter, bhikkhus, reflektiert ein Bruder über eben diesen Körper, welche Stellung er auch gerade einnimmt oder wozu er neigt,hinsichtlich seiner Grundlagen (d.h. die vier Elemente)."  

Anmerkungen und Anhang

5. "Hierbei, bhikkhus, ist sich ein Bruder, wenn sein Gedanke lustvoll ist, bewusst, dass es so ist, oder, wenn sein Denken frei von Lust ist,weiß er dies." (Ibid., Seite 334, Para.12)

6. "Hierbei, bhikkhus, ist sich ein Bruder, in dem sinnliches Verlangenbesteht, dessen bewusst und er überlegt: 'In mir ist sinnlichesVerlangen'." (Ibid., Seite 335, Para.13)

In Einklang mit diesen Lehren des Buddha, wird in Umgangssprache

gesagt: "Heben" während sich die Bauchdecke hebt; "Senken"während sie sich senkt; "Beugen" während sich die Glieder beugen;"Strecken" während sie sich strecken; "Abschweifen" während der Geist abschweift; "Denken, Überlegen oder Wissen" während mandamit beschäftigt ist; "Steifheit, Hitze oder Schmerz" während man soempfindet; "Gehen, Stehen, Sitzen oder Liegen" während man dies

tut, etc.

Man sollte hierbei beachten, dass für "Gehen" usw. gewöhnlicheWorte gebraucht werden, statt "Gewahrsein des innerenWindelementes, das sich in der Bewegung der Glieder manifestiert",

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W de e e tes, das s c de ewegu g de G ede a est e t ,wie es in den Pali Texten ausgedrückt ist.

Das Heben und Senken der Bauchdecke

Das Heben und Senken der Bauchdecke zu betrachten ist ganz inÜbereinstimmung mit den Lehren des Buddha. Dieses Heben undSenken ist ein körperlicher Prozess (rupa), hervorgerufen durch den

Anmerkungen und Anhang

und Senken des Bauches ist daher ein geeignetes Objekt zur Betrachtung und wenn man sich bei dieser Betrachtung bewusst ist,dass es sich lediglich um eine Bewegung des Windelements handelt,

die den Gesetzen der Vergänglichkeit, des Leids und der Wesenlosigkeit unterliegt, ist dies ganz in Übereinstimmung mit denReden des Buddha über khandha, ayatana, dhatu und sacca.Diesbezügliche Pali Texte werden nachstehend kurz aufgezeigt.

Während sich der Bauch hebt und senkt, sind der Druck und dieBewegung welche dabei erfahren werden, eine Manifestation des

fühlbaren Windelementes und es richtig als solches wahrzunehmen,ist in Einklang mit der Buddha-Lehre, wie nachstehend kurz gezeigtwird.

Im Khandhavagga Samyutta heißt es:7. " Bhikkhus, richtet euren Geist gründlich auf den Körper und 

betrachtet ihn in seiner wahren Natur als vergänglich." (Vermischte Aussprüche, III, Seite 45, Para.52)

8. "Bhikkhus, wenn ein Bruder den Körper, der vergänglich ist, alsvergänglich ansieht, dann ist seine Ansicht rechte Ansicht ." (Ibid.,

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g g , ( ,Seite 44, Para.51) 

Im Maha Satipatthana Sutta (Khanha Pabba) heißt es:9. "Dabei, bhikkhus, überlegt ein Bruder: 'So ist materielle Form, soist ihr Ursprung, so ist ihr Vergehen.'"  (Reden des Buddha, II, Seite335, Para.14)

Anmerkungen und Anhang

12."Aber durch volles Erkennen, durch Verstehen, durch sich davon  Loslösen, durch das Aufgeben berührbarer Objekte, ist man fähig Übel auszulöschen." (Ibid., Seite 10, Para.26)

13. "In ihm, der berührbare Objekte als unbeständig erkennt und ansieht, schwindet die Unwissenheit und Wissen entsteht." (Ibid., Seite15, Para.53)

Im Maha Satipatthana Sutta (Ayatana Pabba) heißt es:14. "Dabei, oh bikkhus, ist sich ein Bruder des Berührungsorgans und des Berührbaren bewusst."  (Reden des Buddha II, Seite 336, Para.15)

Im Majjhima Nikaya heißt es:15. "Was immer da an innerem Element der Bewegung ist und wasimmer da an äußerem Element der Bewegung ist, so sind eben diesedas Element der Bewegung. Mit Hilfe vollkommener intuitiver

 Erkenntnis sollte das so gesehen werden, wie es wirklich ist, nämlich:

"Dies ist nicht mein, dies bin nicht ich, dies ist nicht mein Selbst."  (Sammlung der Mittleren Texte, II, Seite 93; III, Seite 287)

Daraus kann man ersehen, dass die Beobachtung der Hebe- undSenkbewegung der Bauchdecke sich in Übereinstimmung mit obigen

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Aussprüchen befindet und auch mit dem Maha Satipatthana Sutta(Dhatumanasikara Pabba: Achtsamkeit auf die Elemente).

Und nochmals, das der Körperlichkeitsgruppe zugehörigeWindelement, welches die Bewegung und den Druck auf dieBauchdecke bewirkt, liegt der Wahrheit vom Leid zugrunde.

Im Saccavagga Samyutta heißt es:

Anmerkungen und Anhang

Mit dem Materiellen Anfangen

Ein Übender der Einsichtsmeditation sollte mit dem Materiellen beginnen, das leichter zu erkennen ist, als Geistiges.

Im Visuddhimagga heißt es:18. "Einer jedoch, der die Einsicht zum Fahrzeug macht, erkennt unterscheidend die vier Elemente."  (Vism. XCIII, 5)

19. "Was die Phänomene betrifft, welche der Wahrnehmung  zugänglich sind, so sollte der Anfang mit dem Erfassen jener gemacht werden, die für den einzelnen Meditierenden offenkundig und leicht zuunterscheiden sind."  (Vism., XX, 12)

Im Maha-Tika, Visuddhimagga Kommentar heißt es:20. "Einsichtsmeditation beginnt mit dem, was erkennbar ist. Der

  Anfang sollte also mit dem Erfassen dessen gemacht werden, waserkennbar ist. Doch später muss auch das nicht leicht Erkennbare

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irgendwie erkennbar gemacht und erfasst werden." 

Gemäss obigen Aussagen des Kommentars und Subkommentars,werden den Meditierenden Anleitungen erteilt, mit dem Heben undSenken des Bauches anzufangen, im Hinblick darauf, ihre Meditationleichter zu machen. Sobald jedoch Konzentration entwickelt wordenist, sollte über alles, was auch immer an all den sechs Sinnentorenauftauchen mag, kontempliert werden. Den Meditierenden werden

Anmerkungen und Anhang

Betrachtung an den sechs Sinnestoren

Obwohl alles in die Betrachtung einbezogen werden muss, was auch

immer an dem einem oder anderen Sinnentor aufscheinen mag, somuss dies aber nicht von entsprechenden Gedanken begleitet sein.Lediglich blanke Achtsamkeit ist auf das zu richten, was da an einemoder anderen der sechs Sinnentore auftaucht.

Im Salayatanavagga Samyutta heißt es daher wie folgt:21. "Inmitten der Formen wird er nicht von Leidenschaft ergriffen,

doch indem er Form achtsam durchschaut hat, erfährt er den von Leidenschaft ungetrübten Geist und verfängt sich nicht in Anhaften.

 Leidenschaft erfüllt ihn nicht, umgeben ihn Geräusche,Gerüche und Geschmäcke, Berührbares, Gestaltungen.

 Doch hat er sie achtsam erkannt, erfährt er ungetrübten

Geist und verweilt nicht im Anhaften.(Vermischte Aussprüche, IV, Seite 44)

Jemand der ihren Druck und ihre Bewegung kennt, wird beimKontemplieren des Hebens und Senkens der Bauchdecke "nicht von

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Leidenschaft inmitten der Formen ergriffen, wenn er sie nur achtsam betrachtet."

Salayatanavagga Samyutta stellt wiederum fest:22. "Bhikkhus, dies alles muss völlig erkannt werden. Was "Alles" muss völlig erkannt werden? Das Auge und visuelle Objekte müssenvöllig erkannt werden, das Augenbewusstsein und der Augenkontakt müssen völlig erkannt werden, der erlebte angenehme, unangenehme

Anmerkungen und Anhang

Die Wahrnehmung der hebenden und senkenden Bewegung desBauches ist enthalten in "berührbare Dinge müssen völlig erkanntwerden".

23. "Bhikkhus, das Auge muss verstanden werden, visuelle Objektemüssen verstanden werden, ... der Körper und berührbare Dingemüssen verstanden werden, .. der Geist und Geisteszustände müssenverstanden werden." (Ibid., Seite 14, Para.5)

Einsichtsmeditation ohne vorherige Vertiefung (jhana)

Es ist möglich gleich direkt mit Einsichtsmeditation (vipassana) zu  beginnen, ohne vorher volle Konzentration in der Jhana-Übungentwickelt zu haben.

Der Majjhima Nikaya Kommentar stellt fest:24. "Dabei kontemplieren manche Personen über die fünf   Daseinsgruppen des Anhaftens als unbeständig und so fort, ohnevorher Gemütsruhe (samatha, d.h. upacara / angrenzende und appana

 samadhi / volle Sammlung) geübt zu haben. Diese Kontemplation ist Ei i h di i "

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 Einsichtsmeditation".

Diese Aussage des Kommentars zeigt, dass es möglich ist, mitEinsichtsmeditation zu beginnen, ohne sich darum bemüht zu haben,angrenzende und volle Konzentration zu verwirklichen. Es wurdefestgestellt, dass jemand, der sich von der Einsicht tragen lässt, dievier Elemente erkennt; dies ist hinreichend auf diese Möglichkeithinzuweisen. Außerdem weisen von den einundzwanzig Teilen des

Anmerkungen und Anhang

überwunden sind, Geistesklarheit erlangt wird. Daher behandelt der Visuddhimagga, von den erwähnten Stellen, die Reflektion über dievon der Einsichtsmeditation betroffenen materiellen Elemente, unter 

dem Oberbegriff eines Meditationsobjektes, welches "Das Erkennender Elemente" (dhatu-vavatthana) lautet und er weist darauf hin, dasswährend der Kontemplation der vier Elemente die Hindernisseüberwunden werden und die angrenzende Sammlung erreicht wird.Auf der Kraft dieser Kommentaraussage fußend, sollte man sich mitVertrauen und Festigkeit einprägen, dass während des Kontemplierensüber alle vier Elemente oder nur über eines, zwei oder drei der vier,

die angrenzende Sammlung entwickelt werden kann, die Hemmnisseüberwunden werden können und Geistesklarheit eintritt. Es ist eine

 persönliche Erfahrung jener, die mit Eifer Meditation ausüben.

Geistesklarheit durch angrenzende Sammlung

Abhidhammattha Sangaha stellt fest:25. "Geistesklarheit ist die zweifache Konzentration der angrenzendenund der vollen Sammlung." (Compendium of Philosophy, Seite 212)

Vi ddhi t llt f t

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Visuddhimagga stellt fest:26. "Die Läuterung des Bewusstseins, nämlich die acht 

Verwirklichungen, zusammen mit der angrenzenden Sammlung usw...." (Vism. XVIII,1)

Maha-Tika, Kommentar zum Visuddhimagga, erklärt:27. "Die angrenzende Sammlung ist wie die volle Sammlung die Basisder Einsichtsmeditation, sie bedeutet auch Reinheit des Geistes.

Anmerkungen und Anhang

Visuddhimagga sagt wiederum:28. "Wenn normale Leute und Übungsleiter sie entwickeln und dabeidenken ‚wenn wir aus einer der acht meditativen Verwirklichungen

hervorgehen, werden wir mit konzentriertem Bewusstsein Einsicht üben’, so verschafft ihnen die Entwicklung tiefer Konzentration denGewinn von Einsicht, indem sie als annähernde Ursache der Einsicht dient. Und dies erfüllt auch die angrenzende Sammlung als Methodeaus der Enge in die Weite zu gelangen“. (Vism. XI,123)

Maha-Tika sagt dazu kommentierend:

29. "Als Methode ‚in die Weite’ zu gelangen bedeutet, als eine  Methode welche die Gelegenheit verschafft, die neunte Gelegenheit (das Weltzeitalter des Buddhas) zum Gewinn (von Pfad, Frucht und 

  Nibbana). Noch genauer: Da es sehr schwierig ist, der Lehre des  Buddhas zu begegnen ist jemand, der von Furcht erfüllt ist, sobegierig dem Samsara zu entrinnen, dass er, ohne das Erreichen

voller Konzentration abzuwarten, mit der Einsichtsmeditation beginnt und diese nur auf der angrenzenden Sammlung aufbaut." 

Diese beiden Abschnitte zeigen äußerst klar, dass Reinheit des Geistesauch durch die angrenzende Sammlung erreicht werden kann undEinsichtsmeditation damit möglich wird

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Einsichtsmeditation damit möglich wird.

Khandhavagga Samyutta besagt:30. "Die fünf Gruppen des Ergreifens, mein Freund Kotthita, sind dieVoraussetzungen, welche ein tugendhafter Bruder mit Methodebetrachten sollte, nämlich als unbeständig, leidhaft, krank,betrügerisch, als einen Stachel, als Schmerz, Siechtum, fremd,vergänglich, leer und seelenlos.

Anmerkungen und Anhang

dass ein Bruder der ein Stromeingetretener ist... die Früchte der Einmalwiederkehr verwirklicht;dass ein Bruder der ein Einmalwiederkehrer ist....die Früchte der

  Nichtwiederkehr verwirklicht und dass ein Bruder der ein Nichtwiederkehrer ist.....die Früchte der Arahantschaft verwirklicht." (Verschiedene Aussprüche, III, pp.143-44)

Diese Besprechung der Tugendhaftigkeit zeigt deutlich, dass jemandder tugendhaft ist die fünf Gruppen des Ergreifens kontemplierenkann und, indem er sie betrachtet, stufenweise die Früchte des

Stromeintritts, der Einmalwiederkehr, der Nichtwiederkehr und der Arahantschaft verwirklichen kann. Die Hebe- und Senkbewegung der Bauchdecke ist das in der Körperlichkeitsgruppe enthalteneWindelement. Man sollte sich also ständig bewusst sein, dass dieMeditationstechnik, welche auf dem Heben und Senken der Bauchdecke und dem Kontemplieren der fünf Gruppen des Ergreifens,

die an den sechs Sinnestoren entstehen, basiert, angemessen undrichtig ist und bis hinauf zur Verwirklichung der Früchte der Arahantschaft führt.

Abschließend sei noch besonders auf die Tatsache hingewiesen, dasses völlig angemessen ist über alles zu kontemplieren was materieller

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es völlig angemessen ist über alles zu kontemplieren, was materieller   Natur in einem beliebigen Teil des Körpers ist und dass es ebenso

angemessen ist über alles zu kontemplieren, was dem Windelementzugehörig ist, in irgend einem Teil des Körpers.

 

Über den Autor

Der ehrwürdige Mahasi Sayadaw, U Sobhana Mahathera, war einer 

der hervorragendsten Meditationsmeister der Neuzeit und ein Führer  bei der gegenwärtigen Reaktivierung der Vipassana-Meditation. 1904in der Nähe der Stadt Shwebo in Burma geboren, wurde er im Alter von 12 Jahren als Mönchsnovize ordiniert und erhielt die volleOrdination als Bhikkhu im Alter von zwanzig Jahren. Er tat sichschnell als Gelehrter buddhistischen Schrifttums hervor und erteilte imfünften Jahr nach seiner vollen Ordination selbst Unterricht darin in

einem Kloster in Moulmein.

Im achten Jahr nach der Ordination verließ er Moulmein auf der Suche nach einer klaren und effektiven Methode der Meditationspraxis. In Thaton traf er einen wohlbekanntenMeditationslehrer, den Ehrenwerten U Narada, auch bekannt als

Mingun Jetawun Sayadaw. Er vertraute sich der Führung des Sayadawan und unterzog sich einer intensiven Schulung in Vipassana-Meditation.

1941 kehrte er zu seinem Heimatdorf zurück und führte in diesemGebiet die systematische Übung der Vipassana-Meditation ein Viele

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Gebiet die systematische Übung der Vipassana Meditation ein. VieleLeute, Mönche wie auch Laien, übernahmen diese Übungsweise und

zogen großen Nutzen aus seinen sorgfältigen Instruktionen.

1949 luden der damalige Premier Minister von Burma, U Nu, und Sir U Thwin, Mitglieder des Vorstands der Buddha SasananuggahaVereinigung, den Ehrenwerten Mahasi Sayadaw ein nach Rangoon zukommen um Übungsanweisungen in Meditationspraxis zu erteilen. Er 

 

Methode fand weite Verbreitung in Ländern des Ostens und desWestens.

Der Ehrwürdige Mahasi Sayadaw ist auch Inhaber des höchstenakademischen Ehrentitels in Burma, Agga Mahapandita, der ihm 1952verliehen wurde. Während des ‚Sechsten Buddhistischen Konzils’ dasvon 1954 bis 1956 in Rangoon abgehalten wurde, nahm er diePflichten eines Befragers (pucchaka) wahr, eine Aufgabe die beim‚Ersten Buddhistischen Konzil’ der Ehrwürdige Mahakassapaübernommen hatte. Der Ehrwürdige Mahasi Sayadaw war auch

Mitglied des Vorstandskomitees, das als letzte Autorität für dieKodifizierung aller auf dem Konzil herausgegebenen Texte dieVerantwortung trug.

Der Ehrwürdige Mahasi Sayadaw hat in seiner burmesischenMuttersprache zahlreiche Arbeiten sowohl über Meditation als auch

über das buddhistische Schrifttum verfasst. Seine Besprechungen  buddhistischer Sutten wurden ins Englische übersetzt und von der Buddha Sasananuggaha Association (16 Hermitage Road, Kokkine,Rangoon, Burma) veröffentlicht.

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