Magistrat der Landeshauptstadt Linz Amt für Umweltschutz · angeführten Taxa liegen...
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Magistrat der Landeshauptstadt Linz Amt für Umweltschutz
Bericht Nr.: 8/89
Grüne Reihe
Flechtenuntersuchung 1988
Vergleich mit der Untersuchung im Jahre 1978
Herausgeber: Magistrat Linz, Amt für Umweltschutz Leiter: SR Univ.-Doz. Mag. D.I. Dr. Erhard Glötzl A-4041 Linz, Hauptstraße 1-5 Tel. (0732) 2393/2690
Autor: S. Roth, R. Türk, H. Wittmann, I. Wögerer (Institut für für Pflanzenphysiologie der Universität Salzburg) im Auftrag des Amtes für Umweltschutz
DIE LUFTQUALITÄT IM STADTGEBIET VON LINZ - UNTERSUCHUNGEN ÜBER
DEN EPIPHYTISCHEN FLECHTENBEWÜCHS IM BEZUG ZUR SCHADSTOFFBELA-
STUNG
von Roman TÜRK, Helmut WITTMANN, Susanne ROTH und Isolde
WÖGERER
1. EINLEITUNG:
Flechten, Doppelwesen aus Pilz (Mykobiont) und Algen (Photo-
biont) werden schon seit langer Zeit als Zeigerpflanzen
(Indikatoren) für die Belastung der Atmosphäre mit Fremdstoffen
herangezogen. Vor allem die epiphytischen Blatt- und Strauch-
flechten haben sich als äußerst empfindlich gegenüber dem
Einfluß von sauer reagierenden Abgasen - hier vor allem dem SO2
und NOx - aber auch dem Einfluß von Stäuben (z.B. WITTMANN &
TÜRK 1988a) erwiesen. Flechten sind zudem gegenüber den
natürlichen Streßfaktoren wie Hitze, Kälte und Trockenheit im
allgemeinen sehr widerstandsfähig, sodaß auf Grund der
klimatischen Gegebenheiten für viele Flechtenarten unserer
Breiten keine Verbreitungsgrenzen gesetzt sind. Ausgenommen
sind hier nur jene Flechtenarten, die besonders hohe Ansprüche
an hohe Luftfeuchtigkeit bzw. an ein enges Temperaturregime
stellen und/oder eine sehr ausgeprägte Substratspezifität
aufweisen. Viele der baumbewohnenden Flechten können als
Ubiquisten angesehen werden - fehlen diese, so sind in den
meisten Fällen andere Gründe als klimatische Veränderungen für
ihr Verschwinden verantwortlich - eben die Luftverunreini-
gungen. Werden alle Faktoren berücksichtigt, die mit dem
Einfluß von Luftverunreinigungen interferieren (vgl. WIRTH &
TÜRK 1975a, b, TÜRK & WIRTH 1975), lassen sich Zonen unter-
schiedlicher Immissionswirksamkeit ermitteln und Rückschlüsse
auf den Belastungsgrad in einem bestimmten Gebiet ziehen.
Das Stadtgebiet von Linz wurde bereits vor mehr als zwanzig
Jahren auf seinen epiphytischen Flechtenbewuchs mit Bezug auf
den Einfluß von Luftverunreinigungen untersucht (BORTENSCHLAGER
& SCHMIDT 1963). Diese Studie wurde nach der Methode von
BESCHEL (1958) durchgeführt, bei der für die Zonenabgrenzung
charakteristische Flechtenvereine bzw. Einzelarten ("Zeigerar-
ten") herangezogen wurden.
HOISLBAÜER (1979, 1982) führte eine immissionsbezogene Flech-
tenstudie im Großraum Linz durch, die durch weitergehende Un-
tersuchungen über die Staubbelastung, die Leitfähigkeit und den
Sulfatgehalt von Borken ergänzt wurden (STARKE 1983).
Im Zuge der immissionsbezogenen Flechtenkartierung in Öster-
reich wurde das Stadtgebiet von Linz in den Jahren 1986 - 1988
erneut untersucht, um eventuelle Änderungen der Immissionsver-
hältnisse im Laufe der letzten zehn Jahre festzustellen.
Zudem war es von großem Interesse, die Schadbilder an Flechten
in einem Gebiet mit durchschnittlich ständig hoher Luftbela-
stung zu erfassen und mit den Schadbildern, die in anderen
Städten Österreichs aufgefunden wurden (z.B. Wien - CHRIST &
TÜRK 1984; Klagenfurt - TÜRK & SEGER 1985; Salzburg - TÜRK &
ZIEGELBERGER 1982, ROTH 1988), zu vergleichen.
2. MATERIAL UND METHODEN
Als Kartengrundlage dienten die Katasterpläne des Stadtvermes-
sungsamtes der Stadt Linz im Maßstab 1:10.000. Das gesamte
Stadtgebiet wurde in Quadranten mit 1 km Seitenlänge unter-
teilt, in welchen jeweils die zwölf mit Blattflechten am be-
sten bewachsenen Laubbäume zur Beurteilung herangezogen wurden.
Die Anzahl der kartierten Bäume lag knapp über 1500. Ca. 80%
der untersuchten Phorophyten waren Apfel- und Birnbäume (Pyrus
und Malus sp.). Diese Baumarten wurden ausgewählt, da sie häu-
fig und relativ gleichmäßig über das Stadtgebiet verteilt sind,
und da dadurch die Untersuchung mit den Studien von HOISLBAUER
(1979, 1982) besser vergleichbar wird.
Für die Beurteilung wurde die halbe Stammabwicklung in einer
Höhe von 1,20m - 1,70m herangezogen. Der Bewuchs jedes Baumes
wurde durch eine flechtensoziologische Aufnahme dokumentiert,
in der zusätzlich zu den üblichen Parametern (vgl. z.B. WIRTH
1972) der Deckungsgrad und die Schädigung der einzelnen Arten,
sowie die Größe und die Länge der Blatt- und Strauchflechten
notiert wurden. Diese Aufnahmeblätter, sowie die Katasterpläne
mit den genau eingezeichneten Aufnahmeorten werden - als exak-
te Grundlage für Folgestudien - am Institut für Pflanzenphysio-
logie der Universität Salzburg verwahrt. Die Herbarbelege der
angeführten Taxa liegen größtenteils im Herbarium des Institu-
tes für Botanik der Universität Salzburg (SZU), einige werden
auch in den Privatherbarien der Autoren verwahrt.
i
Als Grundlage für die Einstufung in eine der fünf Flechtenzonen
wurde der von TOFK & ZIEGELBERGER (1982) ausgearbeitete Bewer-
tungsschlüssel herangezogen:
Zone 1: Keine Belastung feststellbar, Flechtenbewuchs normal
entwickelt, Flechten weitgehend ungeschädigt.
Zone 2: Schwach belastete Zone, Blatt- und Strauchflechten vor-
herrschend, Deckungsgrad der Blatt- und Strauchflechten auf der
Aufnahmefläche über 25%, Schädigungsgrad der Blatt- und
Strauchflechten unter 10%, Schädigungen vor allem an den Loben-
enden.
Zone 3: Mittel belastete Zone, Deckungsgrad der Blatt- und
Strauchflechten bis 25%, Thallusdurchmesser der Blattflechten
über 1,5 cm, Schädigungsgrad der Blattflechten bis 25%.
Zone 4: Stark belastete Zone, Deckungsgrad der Blatt- und
Strauchflechten bis 5%, Thallusdurchmesser der Blattflechten
bis 1,5 cm, Schädigungsgrad der Blattflechten 25 - 50%.
Zone 5: Sehr stark belastete Zone, Deckungsgrad der Blatt- und
Strauchflechten unter 1% (mit Ausnahme von Phaeophyscia orbi-
cularis), zumeist vereinzelte, sehr kleine, stark geschädigte
Exemplare am Stammgrund oder in Borkenrissen, Thallusdurchmes-
ser der Blattflechten unter 5 mm, Schädigungsgrad über 50%.
Von 20 ausgewählten Flechtenarten wurden Verbreitungskarten ge-
zeichnet. Diese repräsentieren nicht uneingeschränkt die
tatsächliche Verbreitung der Flechten im Stadtgebiet, sondern
nur die Verbreitung auf den aufgenommenen Bäumen, d. h. auf den
bestbewachsenen Phorophyten eines Kartierungsquadranten. Damit
zeigen sie bei empfindlichen Arten zwar das aktuelle Areal im
Stadtgebiet auf, resistente Krustenflechten sind jedoch in we-
nig belasteten Gebieten unterrepräsentiert, da ihre Abundanz
mit zunehmender Häufigkeit der Blattflechten abnimmt.
Bezüglich der Geologie und der lokalklimatischen Situation de6
Untersuchungsgebietes sei auf die sehr ausführlichen Dar-
stellungen bei HOISLBAÜER (1979) und STARKE (1983) verwiesen.
3. ERGEBNISSE
3.1. ARTENLISTE:
In die folgende Artenliste wurden nur Arten aufgenommen, die
sicher identifiziert werden konnten. Vor allem in den stark be-
lasteten Gebieten wurden mehrfach sterile Thalli gefunden, die
nicht eindeutig zu determinieren waren. Die Tatsache, daß sich
unter den aufgeführten Taxa sogar ein Neufund für das Bundes-
land Oberösterreich befindet, gibt einen Hinweis auf die inten-
sive Durchforschung des Untersuchungsgebietes.
Arthonia dispersa (Schrader) Nyl.
Unscheinbarer Pionier auf der glattrindigen Borke junger
Laubbäume. Neu für Oberösterreich!
A. radiata (Pers.) Ach.
Im oberösterreichischen Zentralraum weit verbreitete Art,
im Untersuchungsgebiet nur wenige Male nachgewiesen.
Bryoria fuscescens (Gyelnik) Brodo & Hawksworth
Bei den vier vorliegenden Funden aus dem Linzer Stadtgebiet
handelt es sich um einfädige, maximal 1 cm lange Rudimente
dieser sonst stattlichen Art. Aus der unmittelbaren Linzer
Umgebung liegen aus der Zeit vor dem 2. Weltkrieg bis 25 cm
lange Exemplare dieser Art im Herbarium des Linzer Landes-
museums (vgl. Abb 1).
Buellia alboatra (Hoffm.) Th. Fr.
Diese Flechtenart war einst in Oberösterreich verbreitet
(vgl. POETSCH & SCHIEDERMAYR 1872). Sie zählt heute zu den
großen Raritäten der heimischen Flechtenflora.
B. punctata (Hoffm.) Massal.
Die häufigste Flechte im Untersuchungsgebiet. Die Art wurde
sicherlich durch den immissionsbedingten Rückgang der
Blattflechten gefördert (vgl. Abb. 2). Caloplaca cerina (Ehrh.
ex Hedw.) Th. Fr.
C. cerinella (Nyl.) Flagey
C. holocarpa (Hoffm.) Wade
Candelaria concolor (Dickson) Stein
Candelariella aurella (Hoffm.) Zahlbr.
Diese normalerweise auf Kalkgestein, Mörtel und ähnlichen
Substraten vorkommende Art wurde nur einmal auf stark
staubimprägnierter Borke gefunden.
C. efflorescens Harris & Bück
Diese aus Amerika beschriebene und in Europa großteils ver-
kannte Art wurde bisher erst wenige Male aus Österreich ge-
meldet (z.B. TÜRK & WITTMANN 1987). Sie tritt im Untersu-
chungsgebiet zerstreut auf.
C. reflexa (Nyl.) Lettau
Diese ebenfalls lange Zeit verkannte Art wurde vor allem
auf Obstbäumen in den randlichen Bereichen des Stadtgebie-
tes relativ häufig aufgefunden.
C. vitellina (Hoffm.) Müll. Arg.
Einzelfund auf Borke von Betula pendula.
C. xanthostigma (Ach.) Lettau
Auf Laubbäumen im gesamten Gebiet häufig.
Catillaria nigroclavata (Nyl.) Schuler
Eine seltene und unscheinbare Art, die erst wenige Male in
Oberösterreich nachgewiesen wurde (vgl. WITTMANN & TÜRK
1987).
Cetraria pinastri (Scop.) S. F. Gray
Cetraria pinastri ist eine im gesamten Alpenvorland seltene
Art, die nur wenige Vorkommen im Stadtgebiet aufweist (vgl.
Abb. 3).
Chaenotheca ferruginea (Turn, ex Sm.) Migula
Funde auf der Borke von Quercus robur und Picea abies.
Chrysothrix candelaris (L.) Laundon
Einzelfund auf der Borke von Quercus robur.
Cladonia coniocraea auct.
Wie die beiden folgenden Arten tritt auch diese Cladonia-
Art vor allem zwischen Moosen und an der Oberseite stark
geneigter Trägerbäume sehr zerstreut auf.
C. fimbriata (L.) Fr.
C. pyxidata (L.) Hoffm.
Evernia prunastri (L.) Ach.
Bei sämtlichen Nachweisen dieser Art im Untersuchungsgebiet
wiesen die schlecht entwickelten Thalli schwerste Immissi-
onsschäden auf. Die Lager erreichten maximal Längen von
1,5 cm. In den stärker belasteten Stadtbereichen fehlt die
Art völlig (vgl. Abb. 4).
Hyperphyscia adglutinata (Floerke) Mayrh. & Poelt
Einzelfund auf der Borke von Quercus robur. Diese Flechte
wurde bisher erst einmal in Oberösterreich nachgewiesen
(Ennstal bei Weyer - TORK & WITTMANN 1984).
Hypocenomyce scalaris (Ach.) Choisy
Im Stadtgebiet selten (vgl. Abb. 5); die meisten Funde
stammen von der Borke von Betula pendula, selten von Pinus
sylvestris und Prunus avium.
Hypogymnia physodes (L.) Nyl.
Obwohl die Art in einem Großteil der Kartierungsquadranten
registriert wurde (vgl. Abb. 6), ist sie durchaus nicht als
häufig einzustufen; ihre Abundanz erscheint in der Quadran-
tendarstellung überrepräsentiert. Die aufgefundenen Thalli
wiesen - außer in den als Zone 2 ausgewiesenen Bereichen -
durchwegs Immissionsschäden (knorpeliger Wuchs, Rötungen
der Thallusoberfläche, unterdurchschnittlich geringe Thal-
lusgrößen) auf.
Imshaugia aleurites (Ach.) Fricke Meyer (syn.: Parmeliopsis
aleurites (Ach.) Nyl. j
Von dieser Art liegen nur zwei Funde im Untersuchungs-
gebiet vor.
Lecanora allophana (Ach.) Nyl.
L. argentata (Ach.) Malme (syn.: L. subfuscata H. Magn.)
L. carpinea (L.) Vainio
L. chlarotera Nyl.
Im Untersuchungsgebiet zerstreut; mehrere sterile, K+ gelb
reagierende Thalli dürften allerdings zu dieser Art gehören
.
L. conizaeoides Nyl. ex Crombie
Diese toxitolerante Art ist in Ausbreitung begriffen. Sie /
wird offensichtlich durch das Absterben anderer, empfindli-
cherer Blatt- und Krustenflechten gefördert. In den am
stärksten belasteten Gebieten fehlt jedoch auch diese Art
(vgl. Abb. 7).
L. dispersa (Pers.) Sommerf.
L. hagenii (Ach.) Ach.
L. pulicaris (Pers.) Ach.
L. saligna (Schrader) Zahlbr.
L. symmicta (Ach.) Ach.
L. umbrina (Ach.) Massal.
L. varia (Hoffm.) Ach.
Einzelfund auf der Borke von Prunus avium.
Lecidella elaeochroma (Ach.) Haszl.
Lepraria incana (L.) Ach.
Unter dieser Sammelart werden sämtliche leprösen Krusten
mit coccalen Grünalgen ohne ausgeprägte chemische
Reak-
tionen zusammengefaßt; sie ist im gesamten Gebiet häufig.
Normandina pulchella (Borrer) Nyl.
Einzelfund auf der Borke von Malus domestica. Das Vorkommen
dieser gemäßigt ozeanischen Art zeigt auf, daß der ober-
österreichische Zentralraum aufgrund seiner klimatischen
Bedingungen auch anspruchsvolleren Flechtengesellschaften
Lebensraum bieten würde. Das registrierte Vorkommen dieser
Art kann als letzter Rest dieser feuchteliebenden
Flechtensynusien aufgefaßt werden.
Opegrapha atra Pers.
Parmelia acetabulum (Necker) Duby (syn.: Melanelia
acetabulum
(Necker) Essl.)
Diese in ganz Oberösterreich seltene Art wurde im Untersu-
chungsgebiet nur zweimal auf Borke von Pyrus sp. gefunden.
BORTENSCHLAGER & SCHMIDT (1963) geben diese Art wesentlich
häufiger an.
P. caperata (L.) Ach. (syn.: Flavoparmelia caperata (L.) Haie)
Obwohl die Art- in der Donauniederung von Natur aus optimale
Wuchsbedingungen vorfinden würde, ist sie im gesamten Un-
tersuchungsgebiet äußerst selten (vgl. Abb. 8). Sie wurde
nur zweimal in stark geschädigten Exemplaren aufgefunden.
P. elegantula (Zahlbr.) Szat. (syn.: Melanelia
elegantula
(Zahlbr.) Essl.)
Auf der Borke von Birn- und Apfelbäumen zerstreut.
P. exasperatula Nyl. (syn.: Melanelia exasperatula (Nyl.)
Essl.)
Parmelia exasperatula kommt - außer in den sehr stark bela-
steten Bereichen - im Gebiet zerstreut vor (vgl. Abb. 9).
P. flaventior Stirton (syn.: Flavopunctelia flaventior (Krog)
Hale)
Wie bereits HOISLBAÜER (1979) erwähnt, tritt Parmelia fla-
ventior im oberö6terreichischen Zentralraum gegenüber ihrer
Schwesternart P. caperata gänzlich in den Vordergrund (vgl.
Abb. 10). Dieses Phänomen dürfte für Ballungsräume typisch
sein (vgl. ROTH 1988).
P. glabratula (Lamy) Nyl. (syn.: Melanelia glabratula (Lamy)
Essl.)
Parmelia glabratula ist im gesamten Stadtgebiet zerstreut,
sie meidet jedoch auffällig die stark belasteten Zonen
(vgl. Abb. 11).
P. saxatilis (L.) Ach.
Selten auf der Borke von Salix sp., Robinia pseudacacia und
Fraxinus excelsior.
P. subargentifera Nyl. (syn.: Melanelia subargentifera (Nyl.)
Essl. )
Zerstreut auf der staubimprägnierten Borke von Laubbäumen,
v. a. im südlichen Stadtgebiet (vgl. Abb. 12).
P. subrudecta Nyl. (syn.: Punctelia subrudecta (Nyl.) Krog)
Mit Ausnahme der stark belasteten Zonen zerstreut (vgl.
Abb. 13).
P. sulcata Taylor
Parmelia sulcata ist die häufigste Parmelia-Art im Untersu-
chungsgebiet. Sie dringt tief in die stark belasteten Zonen
ein, ist dort jedoch nur mehr in kümmerlichen Fragmenten
vorhanden. Ihre überdurchschnittlich große Häufigkeit vor
allem im Vergleich mit Krustenflechten wie Buellia punctata
und Candelariella xanthostigma ist auf die Methodik der
Kartierung zurückzuführen: Durch die Auswahl der am besten
mit Blattflechten bewachsenen Phorophyten wurde die häufig-
ste Blattflechte - eben Parmelia sulcata - nahezu überall
erfaßt (vgl. Abb. 14).
P. tiliacea (Hoffm.) Ach. (syn.: Parmelina tiliacea (Hoffm.)
Haie)
Sie fehlt in den stark belasteten Zonen (vgl. Abb. 15), er-
reicht jedoch in den Randbereichen des Untersuchungsgebie-
tes lokal hohe Deckungswerte. /
Parmeliopsis ambigua (Wulfen) Nyl.
Die Art ist - wie in der gesamten Donauniederung - auch im
Stadtgebiet von Linz sehr selten (vgl. TORK & WITTMANN
1984).
Pertusaria albescens (Hudson) Choisy & Werner var. albescens
Vor allem auf der Borke von Birn- und Apfelbäumen verbrei-
tet.
F. amara (Ach.) Nyl.
Auf der glatten Borke von Laubbäumen in den Randbereichen
des Untersuchungsgebietes selten.
Phaeophyscia chloantha (Ach.) Moberg (syn.: Physcia luganensis
Mereschk.)
Einzelfund auf der bemoosten Borke von Populus nigra. Diese
Art ist hygrisch anspruchsvoll und ist - wie Normandina
pulchella - ein Hinweis auf die von Natur aus günstigen
Lebensbedingungen für Flechten im Untersuchungsgebiet.
Ph. endophoenicea (Harm.) Moberg (syn.: Physcia endophoenicea
(Harm.) Santha)
Die Art ist mit Phaeophyscia chloantha nahe verwandt, auch
ihre ökologischen Ansprüche sind sehr ähnlich. Die oben er-
läuterte Interpretation ist daher auch für diese Art in
gleicher Weise gültig.
Ph. nigricans (Floerke) Moberg (syn.: Physcia nigricans
(Floerke) Stizenb.)
Auf staubimprägnierter Laubbaumborke selten.
Ph. orbicularis (Necker) Moberg (syn.: Physcia orbicularis
(Necker) Poetsch)
Phaeophyscia orbicularis ist eine äußerst toxitolerante
Art, die bis in stark belastete Gebiete vordringt (vgl.
Abb. 16).
Phlyctis argena (Sprengel) Flotow
Auf der Borke von Laubbäumen zerstreut.
Physcia adscendens (Fr.) H. Olivier
Relativ toxitolerante, vor allem eutrophierungsresistente
Art, im gesamten Gebiet häufig.
Ph. aipolia (Ehrh. ex Humb.) Fürnr.
In den Randzonen des Untersuchungsgebietes selten.
Ph. dubia (Hoffm.) Lettau
Auf eutrophierten Borken - vor allem von Populus sp. - zer
streut. Die systematische Stellung der borkenbewohnenden
Sippe innerhalb des Artenkomplexes von Ph. dubia ist noch
nicht völlig geklärt. \
Ph. stellaris (L.) Nyl.
Auf der Borke von Laubbäumen sehr selten.
Ph. tenella (Scop.) DC.
Im Gebiet hinsichtlich Ökologie und Verbreitung wie Phaeo-
physcia orbicularis.
Physconia distorta (With.) Laundon (syn.: Ph. pulverulenta
(Schreber) Poelt)
Wie auch die drei folgenden Physconia-Arten ist Ph. distor-
ta auf der staubimprägnierten Borke von Laubbäumen im
Stadtgebiet selten.
Ph. enteroxantha (Nyl.) Poelt
Ph. farrea (Ach.) Poelt (syn.: Ph. perisidiosa (Erichsen)
Moberg)
Ph. grisea (Lam.) Poelt
Pseudevernia furfuracea (L.) Zopf var. furfuracea
Mit Ausnahme der sehr stark belasteten Gebiete im Stadtge-
biet von Linz zerstreut (vgl. Abb. 17). Ihre Thalli wiesen
jedoch im gesamten Gebiet schwerste Immissionsschäden auf
und erreichten kaum Längen von 1 cm.
P. furfuracea (L.) Zopf var. ceratea (Ach.) Hawksw.
Einzelfund auf der Borke von Betula pendula.
Ramalina pollinaria (Westr.) Ach.
R. pollinaria meidet weitgehend die stärker belasteten Ge-
biete (vgl. Abb. 18); bei sämtlichen kartierten Vorkommen
handelt es sich um schlecht entwickelte oder subletale
Exemplare.
Rinodina pyrina (Ach.) Arnold
Einzelfund auf der Borke von Populus sp.
Scoliciosporum chlorococcum (Stenham.) Vezda
Toxitolerante Art mit ähnlichen Ansprüchen und Verbrei-
tungstendenzen wie Lecanora conizaeoides.
Strangospora pinicola (Massal.) Koerber
Funde auf der Borke eines Trompetenbaums und von zwei
Pappeln. Von dieser Art liegen aus Oberösterreich bisher
erst wenige Fundmeldungen vor (vgl. TÜRK & WITTMANN 1984,
TÜRK et al. 1987). Wie bereits bei ROTH (1988) ausgeführt
wurde, dürfte die große habituelle Ähnlichkeit dieser
Flechte mit der sehr häufigen Art Scoliciosporum chloro-
coccum, von der sie nur mit Hilfe mikroskopischer Analyse
getrennt werden kann, der Grund für ihre "Seltenheit" sein.
Trapelia flexuosa (Fr.)
Einzelfund auf der Borke von Betula pendula (Stammgrund).
Usnea subfloridana Stirton
Die Art kommt nur in den relativ wenig durch Schadstoffe
beeinflußten Randbereichen des Untersuchungsgebietes und
dort nur in kümmerlichen Exemplaren vor. Die in Abb. 19
dargestellte Verbreitung beinhaltet auch Funde von stark
immissionsgeschädigten, nicht näher determinierbaren Thal-
lusfragmenten.
Xanthoria candelaria (L.) Th. Fr.
An stark eutrophierter Borke von Laubbäumen zerstreut.
X. fallax (Hepp) Arnold
Im Untersuchungsgebiet ähnlich Xanthoria candelaria.
X. parietina (L.) Th. Fr.
Mit Ausnahme der am stärksten belasteten Bereiche auf der
meist eutrophierten Borke von Laubbäumen im Untersuchungs-
gebiet verbreitet (vgl. Abb. 20).
X. polycarpa (Hoffm.) Rieber
Auf der eutrophierten Borke von Laubbäumen, v. a. Populus
sp., zerstreut.
3.2. FLECHTENZONEN (vgl. Abb. 21)
Zone 1:
Eine unbelastete Zone 1 kann im Untersuchungsgebiet nirgends
mehr ausgewiesen werden. Selbst an den Abhängen des Mühl-
viertels, wo die Flechtensynusien in bezug auf Artengarnitur
und Deckungsgrad den günstigen Klimabedingungen entsprechend
gut entwickelt sind, weisen empfindliche Arten wie Pseudevernia
furfuracea und Evernia prunaetri stets deutliche Spitzen-
nekrosen auf. Es ist auffällig, daß Fichten selbst in klima-
tisch und immissionsökologisch begünstigten Lagen stets ohne
Blatt- und Strauchflechtenbewuchs sind.
Auch in weiterer Entfernung vom Stadtgebiet, wie z.B. im Mühl-
viertel und im Alpenvorland, konnten schon in den letzten
Jahren empfindliche Blatt- und Strauchflechten nicht mehr
ungeschädigt nachgewiesen werden (vgl. KRIEGER & TÜRK 1986,
WITTMANN & TÜRK 1988b,c).
Zone 2: \
Diese Zone wird überall dort ausgewiesen, wo die Blattflechten
und z.T. die geschädigten Strauchflechten Ramalina pollinaria
und Evernia prunastri relativ hohe Deckungswerte erreichen. Die
dominierenden Blattflechten auf Obstbäumen sind Parmelia sul-
cata und P. tiliacea. Die beiden Arten erreichen hier Thallus-
durchmesser bis 5 cm und stellenweise darüber, sind jedoch in
vielen Fällen deutlich geschädigt (Rotverfärbung und Ausblei-
chen der Lobenenden, Algenüberzüge). Die Zone 2 erstreckt sich
an den Abhängen der Böhmischen Masse (Pöstlingberg, Talflanken
des Haselgrabens) oberhalb der Inversionsobergrenze.
Zone 3:
Diese Zone ist nur mehr als schmaler Ring in den weniger dicht
besiedelten und orographisch begünstigten randlichen Bereichen
des Stadtgebietes ausgebildet. Die Thallusgrößen nehmen dra-
stisch ab, ungeschädigte Blattflechten kommen hier nicht mehr
vor. Vereinzelt finden sich in Borkenrissen rudimentär ausge-
bildete, schwierig erkennbare Thalli von Evernia prunastri und
Ramalina pollinaria. Der Deckungsgrad toxitoleranter Arten wie
Phaeophyscia orbicularis, Scoliciosporum chlorococcum, Buellia
punctata und Lecanora conizaeoides nimmt deutlich zu.
Zone 4:
Auch diese Zone erstreckt sich ringförmig um die "Flechten-
wüste" und sie umfaßt große Teile Urfahrs, Kleinmünchens und
des Bindermichels. In dieser Zone treten Blattflechten nur mehr
sporadisch und in extrem geschädigten Exemplaren auf, ihre
Thallusgröße beträgt durchwegs nur mehr wenige Millimeter. Die-
se Exemplare wachsen fast ausschließlich in Borkenrissen und
sind nur bei gezielter, intensiver Suche zu entdecken. Bei der
Interpretation der Verbreitungskarten (z.B. Abb. 6 Hypogymnia
physodes, Abb. 14 Parmelia sulcata) sind diese Sachverhalte zu
berücksichtigen.
Zone 5 - "Epiphytische Flechtenwüste":
Die Zone 5 umfaßt etwa 48% des Linzer Stadtgebietes. Sie er-
streckt sich großflächig über das Stadtzentrum sowie die Indu-
striegebiete im Osten und Süden der Stadt. Es treten vor allem
Krustenflechten auf, Blattflechten - mit Ausnahme von Phaeo-
physcia orbicularis - kommen nur mehr als äußerst rudimentäre
Thallusfragmente vor. Völlig flechtenfrei sind die Bäume in der
Umgebung von Steyregg (östlich außerhalb des eigentlichen Un-
tersuchungsgebietes), was auf einen besonders hohen Schad-
stoffeintrag schließen läßt.
4. DISKUSSION
4.1. DISKUSSION DER ZONENKRITERIEN
Wie in zahlreichen immissionsbezogenen Flechtenkartierungen
aufgezeigt wurde, ist die Verbreitung einer Art allein - außer
in extrem belasteten Gebieten - noch kein Kriterium für eine
sichere Einstufung in eine Belastungszone. Es ist nur in
äußerst beschränktem Maße möglich, sogenannte "Indikatorarten"
für die Abgrenzung von Zonen unterschiedlicher Belastung zu
verwenden (vgl. die zusammenfassende Darstellung bei WIRTH
1988). Denn wie Verbreitungskarten von als relativ empfindlich
eingestuften Arten (z.B. Hypogymnia physodes oder Pseudevernia
furfuracea) zeigen, sind sie sogar noch in den dicht verbauten
Zentren der Großstädte aufzufinden. Allerdings deutet der
äußerlich sichtbare Entwicklungszustand der Thalli in stark
belasteten Gebieten darauf hin, daß die Wuchsbedingungen für
Flechten hier wesentlich schlechter sind als in gering bela-
steten. Dies äußert sich vor allem im Thallusdurchmesser, im
Grad der Schädigung der Flechtenthalli und im Deckungsgrad der
Blatt- und Strauchflechten auf der Aufnahmefläche. So sind also
nur unter Zuhilfenahme von quantifizierbaren Faktoren - wie
eben Thallusgröße, Schädigungsgrad und Deckungswert der Blatt-
und Strauchflechten - Kriterien für einzelne Belastungszonen
definierbar, die auch von Bearbeitern mit unterschiedlichem
Erfahrungsschatz beurteilt werden können.
Die Flechtenzonen bei BORTENSCHLAGER & SCHMIDT (1963) und
HOISLBAÜER (1982) spiegeln die Gesamtbelastung der baumbewoh-
nenden Flechten sowohl mit sauren gasförmigen Komponenten als
auch mit z.T. basischen staubförmigen Komponenten der Luftver-
unreinigungen wider. Obwohl bei sämtlichen bisher erfolgten
Untersuchungen etwas unterschiedliche Bewertungskriterien ver-
wendet wurden, stimmen zumindest die Belastungsgrade in den
Zonen 4 und 5 überein. Schon aus der Ausweitung dieser beiden
Zonen geht hervor, daß die Belastung der Linzer Luft - zumin-
dest jener Komponenten, die auf Flechten wirken - seit den
ersten immissionsökologischen Flechtenkartierungen ständig zu-
genommen hat. Der Schwerpunkt der vorliegenden Untersuchung
liegt - von der Methode her - auf dem Aufzeigen der Auswir-
kungen saurer Luftschadstoffe.
Dies zeigt sich besonders deutlich an einem Vergleich der
Verbreitungskarte von Hypogymnia physodes bei BORTENSCHLAGER &
SCHMIDT (1963) mit jener der vorliegenden Untersuchung: in
ersterem Fall ist Hypogymnia physodes lediglich auf die außer-
städtischen Bereiche beschränkt, während sie - wie Abb. 6 zeigt
- heute fast im gesamten Stadtgebiet auftritt. Eine plausible
Erklärung dafür kann die in der Zwischenzeit erfolgte Ver-
minderung der Staubimmissionen im Linzer Stadtgebiet sein.
Hypogymnia physodes kann als 6ehr acidotolerante Art Ansäue-
rungen des Substrates relativ gut ertragen, während sie gegen
Staubbelastung sehr empfindlich ist (vgl. z.B. WITTMANN & TORK
1988a, WIRTH 1988). Daher zeigt diese Art - im Gegensatz zu
fast sämtlichen anderen Arten - eine Arealerweiterung in
Richtung Stadtzentrum.
Das völlige Fehlen der Zone 1 in der vorliegenden Untersuchung
hat seinen Grund - neben einer eventuellen Verschlechterung der
Immissionssituation - sicherlich in dem Kriterienkatalog der
Zone 1. Eine artenreiche, acidophytische Flechtenvegetation mit
hohem Deckungsgrad, in der die Blatt- und Strauchflechten je-
doch deutliche Immissionsschäden zeigen, wird von uns als
Zone 2 ausgewiesen, während sie nach den Kriterien der anderen
Autoren schon als Zone 1 eingestuft werden müßte. Eine Ein-
stufung in Zone 1 soll Reinluftgebieten vorbehalten bleiben, in
denen Flechten absolut keine äußerlich sichtbaren Schädigungen
aufweisen.
Die Ausweisung der Flechtenzonen 2 und 3 der vorliegenden
Untersuchung beruhen auf anderen Kriterien als bei BORTEN-
SCHLAGER & SCHMIDT (1963) bzw. HOISLBAUER (1982). Während diese
rein qualitative Merkmale zur Zonenabgrenzung heranziehen
(Vorkommen bestimmter Zeigerarten, Verteilung acidophytischer
bzw. neutrophytischer Flechtenvereine), werden von uns zusätz-
lich quantifizierbare Parameter (Thalluslänge bzw. -durchmes-
ser, Schädigungsgrad, etc.) verwendet, die vor allem für die
Zone 3 von Bedeutung sind.
Demnach ist eine Vergleichsbasis der Zonenabgrenzung zwischen
den Zonen 2 und 3 und zwischen den Zonen 2 und 1 nicht gegeben.
4.2. DISKUSSION DER ERGEBNISSE
Der Linzer Zentralraum würde von Natur aus einer Fülle von
Flechtenarten Lebensmöglichkeiten bieten. Wie vergleichende
Studien in anderen Abschnitten des Donautals (Grein, Schlöge-
ner Schlinge) gezeigt haben, ist in den ufernahen Bereichen ei-
ne gemäßigt ozeanische Flechtenvegetation vorhanden. Dies zeigt
sich im häufigen Auftreten von Cetrelia cetrarioides, Platis-
matia glauca, Parmelia caperata, Collema flaccidum, C. furfura-
ceum und ehemals Lobaria pulmonaria. Auch Belege im Herbarium
des 00 Landesmuseums aus der unmittelbaren Umgebung der Stadt
Linz dokumentieren dies in eindeutiger Weise. So werden dort
Proben von Bryoria fuscescens aus dem Kürnberger Wald mit einer
Thalluslänge von 25 cm aufbewahrt, die in der Zeit vor dem 2.
Weltkrieg gesammelt wurden.
Die stattliche Zahl von 82 aufgefundenen Flechtenarten ist ein
deutlicher Hinweis auf die von Natur aus günstigen Wuchsbedin-
gungen für Flechten im Stadtgebiet. Daraus kann der sichere
Schluß gezogen werden, daß die Verarmung der Flechtenvegetation
bzw. das völlige Verschwinden von Arten im Untersuchungsgebiet
andere Ursachen al6 mesoklimatische Veränderungen haben muß.
Wie jüngere Untersuchungen über den epiphytischen Flechtenbe-
wuchs in München gezeigt haben (KANDLER & POELT 1984, KANDLER
1987), hat das Stadtklima für den Rückgang der Lichenen eine
nur untergeordnete Bedeutung: obwohl die Bebauungsdichte der
Stadt München in unserem Jahrhundert sehr stark zugenommen hat,
hat sich der Zustand der Flechtenvegetation mit einer drasti-
schen Verringerung der Schadstoffbelastung deutlich verbessert.
Der große Anteil (ca. 75%) der sehr stark und stark belasteten
Zonen an der Gesamtfläche von Linz ist ein deutlicher Hinweis
auf den hohen Belastungsgrad der Linzer Luft. Betrachtet man
die enorme Erstreckung der Zone 5 in östlicher Richtung über
Steyregg hinaus, so gehören das Stadtgebiet von Linz und dessen
Umfeld zu den stärk6tbelasteten Gebieten Österreichs. Im Be-
reich zwischen der Linzer Industriezone und Steyregg ist selbst
den toxitolerantesten Krustenflechten (Lecanora conizaeoides,
Buellia punctata) großflächig jede Lebensgrundlage entzogen.
Eine derartige Intensität von Immissionswirkungen bei gleich-
zeitig großer flächenhafter Ausdehnung ist aus keinen anderen
Gebieten Österreichs bekannt. Im Vergleich dazu treten nur im
Stadtgebiet von Wien ähnlich großflächige und tiefgreifende
Beeinträchtigungen der Flechtenvegetation auf, während in ande-
ren österreichischen Großstädten (Graz - GRILL et al 1988,
Salzburg - ROTH 1988, Klagenfurt - TÜRK & SEGER 1986) die Wirk-
samkeit flechtentoxischer Immissionen wesentlich geringer ist.
Seit der letzten Untersuchung der Luftqualität im Linzer Zen-
tralraum mit Hilfe des Bioindikators Flechte (HOISLBAUER 1979)
6ind zehn Jahre vergangen. Ein Vergleich der hier präsentier-
ten Luftgütekarte (Abb. 21) mit der bei HOISLBAUER (1979) dar-
gestellten Flechtenzonierung zeigt weitgehende Obereinstimmung
in der Lage der Zonen 4 und 5. Beide Zonen zeigen jedoch deut-
liche Flächenzunahmen. So reicht die Zone 5 heute im Westen des
Untersuchungsgebietes bis nahe an die Stadtgrenze heran, wäh-
rend sie bei HOISLBAUER (1979) in diesem Bereich auf die dicht
besiedelten Stadtteile beschränkt war. Der Raum Ebelsberg, der
bei HOISLBAUER (1979) noch als Zone 3 und 4 eingestuft war, muß
1988 ebenfalls als "Flechtenwüste" ausgewiesen werden. Auch die
Umgebung von Steyregg, bei HOISLBAUER (1979) als "stark bela-
stet" eingestuft, ist heute großflächig Zone 5.
Ein weiterer auffälliger Unterschied der beiden Studien ist das
völlige Fehlen der Zone 1 in der vorliegenden Untersuchung. Der
Grund hierfür dürfte - neben einer erhöhten Immissionsbelastung
- auch in der unterschiedlichen Aufnahmemethodik liegen: Ohne
Berücksichtigung der bei HOISLBAUER (1979) nicht zur Beur-
teilung herangezogenen Schadbilder könnten auch heute noch die
nördlichen und westlichen Anhöhen des Stadtgebietes lokal als
"Normalzone" ausgewiesen werden. Diese Gebiete befinden sich
offensichtlich über der Hauptinversionsgrenze und liegen im
Einzugsbereich schadstoffarmer Westwinde, weshalb ihre Immissi-
onssituation wesentlich günstiger i6t als die des übrigen
Stadtgebietes.
Die zunehmende Verschlechterung der Luftqualität im Linzer Raum
wird bei einem Vergleich mit der Zoneneinteilung bei BORTEN-
SCHLAGER & SCHMIDT (1963) besonders deutlich: die Autoren
wiesen nur etwa ein Drittel des Stadtgebietes al6 Zonen 4 und 5
aus .
Laut den Berichten des Amtes der OÖ Landesregierung, Landesbau-
direktion, Abt. für Immissionsschutz (1987) zeigen die Jahres-
mittelwerte für SO2 im Linzer Stadtgebiet in den letzten Jahren
einen uneinheitlichen Verlauf. So waren die Jahre 1979 und 1985
ziemlich S02-reich, zwischen 1985 und 1987 ist die Tendenz
leicht sinkend. Unter bestimmten Umständen kommt es jedoch
fallweise nach wie vor zum Oberschreiten der amtlich festge-
legten Grenzwerte. Die in den Wintermonaten gemessenen Halb-
stunden- und Tagesmittelwerte von über 100 µg/m3 Luft sind je-
doch ausreichend, um die beobachteten Schadbilder dem Einfluß
von SO2 zuzuordnen. Denn bei experimentellen Begasungsversuchen
mit SO2 (TÜRK et al. 1974) wurden schon bei kurzfristigen Bega-
sungen mit ähnlichen Konzentrationen deutliche Beeinflussungen
der Nettophotosynthese - verbunden mit Ausbleichen der Lobenen-
den empfindlicher Lichenen - festgestellt. Auch HAWKSWORTH &
ROSE (1970) stellten fest, daß bei jährlichen Durchschnitts-
belastungen über 70 µg/m3 relativ resistente Flechten wie Hypo-
gymnia physodes von den Baumstämmen verschwinden. Da Werte in
dieser Größenordnung in Linz häufig erreicht werden, und die
baumbewohnenden Flechten somit einem Dauerstreß an luftverun-
reinigenden Stoffen unterliegen, ist die großflächige Ausdeh-
nung der Zonen 4 und 5 schon allein vom Faktor SO2 her erklär-
bar. Einen nicht zu vernachlässigenden Stressor stellt auch das
NO2 dar, das im Raum Linz beträchtliche Konzentrationen er-
reichen kann. Vor allem die Spitzenwerte dieses Schadgases
(vgl. RADUNSKY 1988) sind für Österreich - und für den Großteil
Europas - einmalig hoch.
Das Aussehen der beobachteten Flechtenrudimente und das lokal
völlige Fehlen jeglicher baumbewohnenden Flechten, können nur
dadurch erklärt werden, daß diese einem permanenten Streß durch
die Einwirkung von Luftschadstoffen ausgesetzt sind.
Episodisch auftretende, fernverfrachtete Schadgaswolken (KRIE-
GER & TÜRK 1986; WITTMANN & TÜRK 1988b,c) zeigen ihre Immissi-
onswirkung mit völlig anderen Schadbildern. So wurden z.B. nach
der Winterperiode 1985/86/87 in weiten Gebieten Österreichs
(Mühlviertel, Alpenvorland, Nördliche Kalkalpen) plötzlich
auftretende Schadbilder an sonst normal entwickelten Blatt- und
Strauchflechten festgestellt. Charakteristisch für Gebiete mit
episodischen Luftbelastungen ist die relativ rasche Erholung
auch stark geschädigter Flechten während immissionsärmerer
Perioden. Derartige Effekte sind im Stadtgebiet von Linz nicht
feststellbar, woraus zusätzlich geschlossen werden kann, daß
das Flechtenwachstum in überwiegendem Maße durch Lokalimmissi-
onen beeinträchtigt wird, und Fernimmissionen - sofern über-
haupt - hier nur eine untergeordnete Wirksamkeit zukommt.
Diese Tatsache wird auch in den Verbreitungskarten deutlich. So
zeigt sich bei sämtlichen Arten eine mehr oder weniger ringför-
mige Zonierung um die Linzer Hauptemittentengruppe. Die massi-
ve Wirkung von Fernimmissionen würde eine derartig deutliche
Zonierung nicht zu Tage treten lassen.
Ein Vergleich der Verbreitung ausgewählter Flechtenarten mit
den Ergebnissen von HOISLBAÜER (1979) zeigt weitgehend idente
Arealbilder. Hingegen sind die Verbreitungsmuster von Hypo-
gymnia physodes nach den vorliegenden Untersuchungen sehr un-
terschiedlich von den Ergebnissen, die BORTENSCHLAGER & SCHMIDT
(1963) publizierten. Sie weisen Hypogymnia physodes als eine
sehr anspruchsvolle Flechte aus, die nur in reiner Luft in der
weiteren Umgebung von Lina vorkommt. Nach der vorliegenden Stu-
die dringt Hypogymnia physodes - wenn auch teilweise bis zur
Unkenntlichkeit deformiert - bis in die stark belasteten Zonen
vor. Möglicherweise i6t die vermehrte Berücksichtigung auch
6tark geschädigter Lichenen bei der Geländearbeit der Grund für
das dichtere Arealbild dieser Art in der vorliegenden Studie.
Zudem gilt H. physodes im allgemeinen al6 eine relativ toxito-
lerante Blattflechte (vgl. z.B. WIRTH 1980, HAWKSWORTH & ROSE
1970) .
5. ZUSAMMENFASSUNG
In den Jahren 1986 - 1988 wurde eine immissionsökologische
Studie mit Hilfe des Bioindikators Flechte im Stadtgebiet von
Linz durchgeführt. Im Zuge dieser Arbeit wurden 82 Arten, da-
runter ein Neufund für Oberösterreich (Arthonia dispersa) im
Untersuchungsgebiet festgestellt.
Im Vergleich zu den Ergebnissen von HOISLBAUER (1979, 1982)
erbrachte die vorliegende Studie eine weitere Flächenzunahme
vor allem der sehr stark und der stark belasteten Zonen (Zone 4
und 5). Die flächenhafte Ausbreitung der Flechtenzonen, das
Verbreitungsmuster einzelner Flechtenarten sowie die beobachte-
ten Thallusgrößen und Schadbilder lassen auf die überwiegende
Wirkung von Nahimmis6ionen schließen. Fernimmissionen dürften -
zumindest für das Flechtenwachstum - im Großraum Linz nur eine
untergeordnete Bedeutung haben. Entsprechend den vorliegenden
Schadbildern kommen als wirksame Stressoren vor allem Schwefel-
dioxide und Stickoxide mit ihren Folgeprodukten in Betracht.
Stäube sind nur lokal wirksam.
6. DANKSAGUNG
Wir danken Frau Christine SCHWARZ (Salzburg) für wertvolle Un-
terstützung der Kartierungsarbeit. Unser weiterer Dank gilt dem
Amt der 00 Landesregierung, Abt. für Raumplanung, für die Be-
reitstellung von Arbeitsunterlagen.
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Adresse der Autoren:
Dr. Roman TÜRK
Dr. Helmut WITTMANN
Mag. Susanne ROTH
Universität Salzburg
Institut für Pflanzenphysiologie
Abteilung für Ökophysiologie
Hellbrunnerstr. 34
A-5020 Salzburg
Mag. Isolde WÖGERER
Prechtlerstr. 44 A-
4020 Linz/Donau