MAGISTERARBEIT - univie.ac.at · The Killers, The Kills und dem Rapper Anybody Killa....
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MAGISTERARBEIT
Titel der Magisterarbeit
„Formen und Funktionen der Inszenierung
von Horror in Musikvideoclips“
Verfasser
Bakk. Phil. Daniel Klug
angestrebter akademischer Grad
Magister der Philosophie (Mag. phil.)
Wien, 2008
Studienkennzahl: 066 813
Studienrichtung: Soziologie
Betreuer: Prof. Dr. Klaus Neumann-Braun
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung 1
2. Musikfernsehen 4
2.1. MTV: Geschichte, Struktur, Programm 4
2.2. VIVA: Der Versuch einer Konkurrenz 6
2.3. Die Präsentation von Videoclips im Rahmen des Musikfernsehens 7
3. Musikvideoclips 8
3.1. Die Geschichte des Musikvideoclips 8
3.2. Definition(en) von Musikvideo(-clip) 9
3.3. Funktionen und Struktur von Musikvideoclips 10
3.3.1. Die Bildebene als Wechselwirkung zwischen Musikvideoclip,
Film und Fernsehen 11
3.3.2. Die Tonebene in Unterscheidung zur Filmmusik 13
3.4. Kategorisierung von Musikvideoclips 14
3.4.1. Die drei grundlegenden Musikstile 15
3.4.2. Die vier Grundtypen des Musikvideoclips 16
3.4.3. Zusammenhänge von Musikstil und Cliptypen 18
4. Horror 19
4.1. Die Formen des Horrors 19
4.1.1. Die Phantastik als Grundlage des Horrors 19
4.1.2. Das Halbwesen als Grundlage des Horror 20
4.2. Der Horror im Film 22
4.2.1. Der klassische Horrorfilm 23
4.2.2. Der moderne Horrorfilm 24
4.3. Die Symbolik des Horrors 26
4.3.1. Themen und Motive 26
4.3.2. Gegenstände und Orte 27
4.4. Der Körper im Horror 29
4.5. Die Funktionen des Horrors 31
4.5.1. Angsterzeugung als Grundlage des Horrors 31
4.5.2. Spannungserzeugung im Horrorfilm 32
4.5.3. Die Darstellung von Gewalt im Horrorfilm 32
4.5.4. Normen, Werte und Moral im Horrorfilm 33
4.6. Mediale Gewalt(darstellungen) 35
5. Stand der Forschung 37
5.1. Gewalt in Musikvideoclips 37
5.2. Horror in Musikvideoclips 39
6. Musikvideoclipkorpus 41
6.1. Erstellung der Typologie 41
6.2. Beschreibung der erstellten Typologie 42
6.3. Typologie der visuellen Funktionen des Horrors 49
7. Analysemethode 52
7.1. Filmanalyse 52
7.1.1. Die Adaption des Grundmodell zur Analyse von Musikvideoclips 52
7.1.2. Handlungsanalyse 53
7.1.3. Figurenanalyse 54
7.1.4. Analyse der Bauformen 55
7.1.5. Analyse der Normen und Werte 56
7.2. Bild(er)- und Film/ Videointerpretation als struktural-hermeneutische
Symbolanalyse 57
7.2.1. Grundlagen des Ansatzes 57
7.2.2. Vorgehensweise in der Symbolanalyse 58
7.2.3. Videoclipanalyse als Symbolanalyse 61
7.3. Deutungsmusteranalyse 62
7.3.1. Wissenssoziologische Grundlage 62
7.3.2. Der Deutungsmusteransatz 63
7.3.3. Das sequentielle Vorgehen bei der Analyse soziologischer
Deutungsmuster 65
8. Analyse ausgewählter Musikvideoclips 68
8.1. Backstreet Boys – ‚Everybody (Backstreet’s Back)’ 68
8.1.1. Filmanalyse 69
8.1.2. Symbolanalyse 75
8.1.2.1. Das Zusammenspiel von Bild und Text in
‚Everybody (Backstreet’s Back)’ 83
8.1.2.2. Einordnung der Sequenz in den gesamten Videoclip 84
8.1.2.3. Die visuelle Funktion des Horrors in
‚Everybody (Backstreet’s Back)’ 89
8.1.3. Kultursoziologische Deutungsmusteranalyse 89
8.1.3.1. Einordnung in das Deutungsmuster Horror 89
8.1.3.2. ‚so everybody, everywhere, don’t be afraid, don’t have no fear...’:
Der entdramatisierte Horror 91
8.1.4. Verortung im Musikvideoclipkorpus 97
8.2. Death in Vegas – ‚Aisha’ 100
8.2.1. Filmanalyse 100
8.2.2. Symbolanalyse 105
8.2.2.1. Zusammenspiel von Bild und Text in ‚Aisha’ 116
8.2.2.2. Einordnung der Sequenz in den gesamten Videoclip 118
8.2.2.3. Die visuelle Funktion des Horrors in ‚Aisha’ 121
8.2.3. Kultursoziologische Deutungsmusteranalyse 121
8.2.3.1. Einordnung des Videoclips in das Deutungsmuster Horror 121
8.2.3.2. ‚... and I think you ought to know, I’m a murderer’:
der sexualisierte Horror 123
8.2.4. Einordnung in den Videoclipkorpus 127
9. Zusammenfassung und Fazit: Formen und Funktionen der Inszenierung von Horror in Musikvideoclips 130
10. Literaturverzeichnis 11. Abstract 12. Lebenslauf 13. Anhang
1. Einleitung
Auf Zusammenhänge von Horror als literarischem und filmischem Genre und Rock-
bzw. Popmusik trifft man nicht erst auf der Ebene der Visualisierung von Musik,
symbolische und begriffliche Verwendungen von Horror und ihm verwandten
Begriffen und Mythen finden sich bereits in Namen von Bands und deren Alben.
Gruppen wie The Horrors oder Monstermagnet, die Alben ‚Monster’ von R.E.M. und
‚The Number of the Beast’ von Iron Maiden sind nur allgemeine Verwendungen des
Horrors. Das Album ‚Demon Days’ der Gorillaz und Bandnamen wie The Ghost
Frequency und Phantom Planet spielen mit Metaphern und Symbolen von Geistern
und Dämonen, auch Hexen, Vampire und Zombies lassen sich finden. So z.B. in den
Bandnamen Lake of Dracula und White Zombie oder den Albumtiteln ‚The Witching
Hour’ von Ladytron, ‚Stoner Witch’ der Melvins und ‚Zombi’ der Band Kante1.
Dergleichen existieren Verwendungen moderner Horrorsymbole in Bandnamen wie
The Killers, The Kills und dem Rapper Anybody Killa.
Visualisierung von Horror als eine Form des Beiwerks zur Musik, wird oftmals
stereotyp mit bestimmten Musikstilen in Verbindung gebracht. Fakt ist, dass ganze
subkulturelle Musikstile existieren, die sich dem Horror in Form eines Images
verschrieben haben, allgemein ist die Verwendung von Horrormythen und –symbolen
auf der Bildebene von Musikvideoclips jedoch so vielfältig, dass sie keinem
bestimmten Musikstil zugeordnet werden kann. Des Weiteren müssen KünstlerInnen
und Bands auf Grund einer begrifflichen Verwendung von Horror nicht zwangsweise
auch in ihrem Image oder in den Themen und Aussagen ihrer Songs dem Horror
nahe stehen. Bei Albumtiteln, die Horrorbegriffe beinhalten, muss es sich auch nicht
um Konzeptalben zum Thema Horror handeln, wie es beispielsweise bei dem Album
‚Ein kleines bisschen Horrorshow’ von Die Toten Hosen der Fall ist. Ebenso lassen
sich auch Songs wie z.B. ‚Hammer Horror’ von Kate Bush, ‚Zombie’ von The
Cranberries, ‚Monsters’ der Gruppe Something For Kate oder ‚The Horror’ von RJD2
finden, die Horrorbegriffe nur im Titel oder als horrorfremdes Schlagwort im Text
nutzen.
Für die Verwendung von Horrormythen und Horrorsymbolen auf der Bildebene von
Musikvideoclips gelten ähnliche Voraussetzungen. Beinhaltet der Songtext oder auch
nur der Titel eines Songs manifeste oder latente Horrorsymbole, so bedingt dies
1 vgl. http://www.indiepedia.de/index.php/Horror
1
noch nicht deren Visualisierung im Videoclip. Viel wesentlicher und interessanter ist
aber, dass Musikvideos in umgekehrter Weise Horror visualisieren ohne dass der
Song oder die InterpretInnen direkten Anlass dazu geben würden.
Da somit für die Visualisierung von Horror auf der Bildebene des Musikvideos keine
grundlegende Orientierung an Musik, Text oder Image gegeben ist, ist die Frage der
vorliegenden Arbeit, welche Funktion die Inszenierung von Horror in Musikvideoclips
verfolgt und welche Form der Horror dabei annimmt. Aus einer
wissenssoziologischen Perspektive heraus stellt sich zu dem die Frage, auf welche
kulturellen Wissensgrundlagen und Objektivationen die Visualisierung von
Horrormythen in dem populärkulturellen Medium Musikvideo zurückgreift.
Wie in den theoretischen Ausführungen dieser Arbeit aufgezeigt wird, besitzt das
Musikvideo eine inhaltliche und strukturelle Spezifik, die wesentlichen Einfluss auf die
thematischen Verwendungen auf der Bildebene nimmt. Die Erzählung und die
Symbolik des Horrors müssen den vorgegebenen Strukturen des Videoclips
untergeordnet werden, gleichzeitig aber noch in irgendeiner Form ihre Wirkung
erzielen.
Das Verständnis der Verwendung von Horror in einem populärkulturellen Medium wie
Musikvideos gründet sich dabei nicht nur auf das Verständnis visueller Symbole,
sondern auch auf die begriffliche Verwendung im Alltag, in der verschiedene Dinge
und Ereignisse in sozialen und kulturellen Bereichen als Horror empfunden werden
können. So hebt sich der Horror innerhalb jener alltäglichen Begebenheiten ab, da er
Dinge bezeichnet, die außerhalb des für möglich gehaltenen liegen, aber trotzdem
eintreten. Dabei deutet der Horror jedoch nur innerhalb des Vorstellbaren an, was er
eigentlich ist, nämlich das Unvorstellbare.
In der Populärkultur kann der Horror nicht ohne Weiteres seine schreckliche,
gruselige und ekelerregende Funktion ausüben, da sein formales Erscheinungsbild
als Unterhaltungsaspekt überwiegt. Er muss einem relativ einheitlichen ästhetischen
Schema folgen, über das er in die Populärkultur Eingang finden kann. Durch eine
abgeschwächte Form, die nicht auf den unvorstellbaren Schrecken des Horrors
verweist, kann dieser im Zusammenhang mit populärkulturellen Produkten verwendet
werden. Für das mediale Format des Musikvideoclips kann ein ähnliches
Zusammenspiel der vorgegebenen Strukturen mit dem inhaltlichen Fokus Horror
angenommen werden. Welche Formen und Funktionen der Horror in der
2
Inszenierung im Musikvideoclip annehmen, beibehalten oder auch erzeugen kann,
soll in der vorliegenden Arbeit beispielhaft erläutert werden.
Zunächst wird im Theoriekapitel die Entstehung des Musikvideoclips im Rahmen des
Musikfernsehens dargestellt und die Bedingungen dieses medialen
Zusammenwirkens erläutert. Auf dieser Grundlage werden die strukturellen
Eigenschaften des Musikvideos und die Möglichkeiten der Kategorisierungen in
bezug auf ihre Inszenierung im Musikfernsehen aufgezeigt. Im Anschluss daran stellt
das Kategorisierungsmodell von Altrogge die theoretische Grundlage dieser Arbeit
dar. Als nächstes wird auf den Horror als Bestandteil der Phantastik eingegangen
und ein Überblick über seine filmischen Ausprägungen gegeben, bevor mit der
Beschreibung der wichtigsten Horrorsymbole und –mythen die theoretische
Grundlage für die spätere Analyse gelegt wird. Diese Grundlage wird durch die
Funktionen des Horrors im Film spezifiziert und die Verbindung zum Gewaltbegriff
geschaffen, der das theoretische Fundament der Arbeit komplettiert. Die Darstellung
des Forschungsstands zu Gewalt und Horror in Musikvideoclips bildet den Übergang
zur methodischen Vorgehensweise der Arbeit. Zuvor wird der Musikvideoclipkorpus
als empirische Basis für die anschließende Analyse beschrieben und aufgearbeitet.
Die gewählte Methodenkombination besteht zunächst aus der Filmanalyse nach
Faulstich in Anpassung an Musikvideoclips. Zusammen mit der Bildinterpretation als
struktural-hermeneutische Symbolanalyse nach Müller-Doohm, ebenfalls an den
Analysegegenstand des Musikvideos angepasst wird die Grundlage für eine
anschließende Deutungsmusteranalyse aus wissenssoziologischer Sicht geschaffen.
Auf Basis dieser Methodenkombination werden aus dem beschriebenen Korpus an
Musikvideoclip die Clips zu ‚Everybody (Backstreet’s back)’ der Backstreet Boys und
‚Aisha’ der Gruppe Death In Vegas beispielhaft analysiert und anschließend wieder
im Gesamtkorpus verortet.
3
2. Musikfernsehen
Bei der Beschäftigung mit Musikfernsehen und seinen Inhalten fällt recht bald auf,
dass mehrere Begriffe verwendet werden, die eigentlich das selbe meinen:
Musikvideoclip, Musikvideo, Videoclip, Musikclip oder auch nur Clip oder Video. In
der vorliegenden Arbeit sollen diese Begriffe gleichbedeutend verwendet werden, mit
dem Hinweis auf den Terminus Musikvideoclip als die semantisch korrekteste
Bezeichnung. Aus wissenschaftlicher Sicht die Frage, ob es sich bei Musikfernsehen
um Avantgarde oder Massenkultur handelt, um dieser Frage nachgehen zu können
sind Videoclip und Musikfernsehen getrennt voneinander zu betrachten2.
2.1. MTV: Geschichte, Struktur, Programm
Die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des Musikvideos kann nicht ohne die
des Musikfernsehens betrachtet werden, gleiches gilt für die umgekehrte
Blickrichtung. Musikfernsehen und Musikvideos sind unweigerlich miteinander
verbunden. Als Geburtsstunde des Musikfernsehens wird gemeinhin der offizielle
Sendestart von MTV am 1.August 1981 bezeichnet3, durch den sich in der Folge bis
heute zahlreiche Wechselwirkungen zwischen Musik, Fernsehen, Musikfernsehen
und Werbung ergaben. Die erfolgreichen Grundlagen einer umfassenden
Visualisierung von Popmusik wurden aber schon in den TV-Shows der 1970er Jahre
gelegt, in denen Musik verstärkt in Verbindung mit Werbung oder Show-Jingles
auftrat4 und in denen bereits so genannte ‚Promotional Clips’ zur unterstützenden
Vermarktung der ‚radio stars’ liefen.
Die für das Fernsehen produzierten Videoclipsendungen fanden zunächst keinen
großen Zuspruch, trotzdem stieg die Anzahl der produzierten Videoclips zu Beginn
der 1980er Jahre enorm an5. Ein Grund dafür waren die veränderten (Re-
)Produktionsmöglichkeiten von Musik durch künstlich erzeugte Computer- und
Synthie-Sounds, welche durch den Wegfall der klassischen Bedienung die
Inszenierung der MusikerInnen als Stars und PerformerInnen hervorgehoben6. Diese
oftmals sehr technisch konzipierte Musik hatte starken Einfluss auf die Entstehung
2 vgl. Neumann-Braun;Schmidt 1999, S.9f 3 vgl. Schmidt 1999, S.101 4 vgl. ebd., S.94 5 vgl. Rötter 2000, S.265 6 vgl. Schmidt 1999, S.95f
4
von Musikvideos, da sie in Live-Performances teils nur schwer oder aufwendig
wiederzugeben war. Die Folge war das Musikvideo, das die musikalische
Verfügbarkeit in visualisierter Form als Erweiterung des Live-Konzertraums
vorantrieb7. Das in den 1980er Jahren aufkommende Kabel- und Satellitenfernsehen
mit einer Vielzahl an Sendefrequenzen, die fallenden Umsätze der Plattenindustrie,
die fehlende Präsentationsform für Popmusikclips und deren Funktion eines
Werbemediums sprachen für die Gründung von MTV8.
Zu Beginn war der Sender einerseits von den gewinnorientierten, ökonomischen
Erwartungen an ihn geprägt, andererseits von der noch geringen Anzahl und
Verfügbarkeit von Musikclips9. Das Ziel von MTV war von Anfang an, die beiden
jugendkulturellen Aktivitäten fernsehen und Musik hören zu kombinieren und den
Sender dadurch zu einem tonangebenden jugendkulturellen Medium werden zu
lassen. „In this sense, MTV may be viewed as crossing over from traditional middle-
class values transmitted by TV to youth culture values traditionally associated with
rock music themes.“10 Der entscheidende Erfolg war dabei vor allem das auf die
jeweilige Sendung abgestimmte Styling, das vom Senderlogo, über das Studiobild
bis zur Kleidung der VJs reichte und das als Träger jugendlicher Lebensgefühle
eingesetzt wurde11.
In den Anfangsjahren entwickelte MTV das sogenannte ‚flow-Prinzip’ als eine auf der
Wiederholung von Videoclips basierende Programmgestaltung, die jedoch um 1985
begann uninteressant zu werden. Die Folge war die Konzeption von ‚spezial interest’-
Sendungen, d.h. zum einen von Formaten, die sich auf bestimmte Musikstile und
folglich Lebensstile konzentrierten, zum anderen wurden auf das jugendkulturelle
Image abzielende, videoclipfremde Sendungen entwickelt. Eine der ersten
Spartensendungen war die Fashion-Sendung ‚House of Style’, die bereits das neue
Konzept von MTV andeutete: die spezifische televisuelle Umsetzung spezifischer
Sendungsinhalte in Abstimmung mit darauffolgenden Werbespots12, bis heute folgte
eine Vielzahl neuer, zum Teil richtungsweisender Formate wie ‚The Real World’ oder
‚Beavis and Butt-Head’. Die in den 1980er Jahren aufgebaute Monopolstellung
konnte MTV durch Werbeverträge, Medienkooperationen und Entwicklung
7 vgl. Rötter 2000, S.265 8 vgl. Schmidt 1999, S.96ff 9 vgl. ebd., S.104f 10 Greeson; Williams 1986, S.179 11 vgl. Linden 2004, S.207f 12 vgl. Caldwell 2002, S.179f
5
kontinentaler und nationaler Ableger bis heute gegenüber anderen aufkommenden
Musiksendern weitestgehend erfolgreich verteidigen13, dennoch gab es immer wieder
Versuche konkurrenzfähige Musiksender aufzubauen14.
2.2. VIVA: Der Versuch einer Konkurrenz
Im deutschsprachigen Raum startete am 01.12.1993 der Musiksender VIVA, dessen
Gründung zum einen die neue freie Sendefrequenz ermöglicht wurde, zum anderen
hatte die Tonträgerindustrie in Deutschland verstärktes Interesse der befürchteten
Allmachtsstellung von MTV entgegenzuwirken15. Das Problem von VIVA war von
Beginn an der ästhetisch etablierten Marke MTV oppositionell entgegentreten zu
können. Ein Vorteil lag zu Beginn in der selbstauferlegten ‚germanischen Quote’ der
Programmgestaltung, die vorgab, dass die Clips zu 40% aus deutschen Titeln
bestehen sollten. Diese anfängliche Konzentration auf deutsche KünstlerInnen,
deutsche Musikszenen und Musik-Events war zunächst erfolgreich16, kollidierte
jedoch schon bald mit den Interessen der angestrebten Zielgruppe der 14-
29jährigen17. Ein weiterer Kontrastpunkt zu MTV stellte der bewusste Einsatz nicht-
professioneller ModeratorInnen dar, die für Publikumsnähe und Authentizität sorgen
sollten18. VIVA war von Beginn an bemüht sich als Marke zu etablieren und setzte
dabei auf ein On-Air-Design, das mit seiner Plakativität der Verspieltheit des MTV-
Designs entgegen wirkte19, zu dem wurde mit dem Sendebeginn von VIVA2 am
21.03.1995 eine interne Alternative zu dem mittlerweile entstandenen Mainstream-
Programm von VIVA angestrebt, die sowohl die Zielgruppe der bis 49jährigen
ansprechen als auch Musikacts abseits des Mainstream fördern sollte20.
Der ökonomische Druck wurde jedoch spätestens ab 2004 zu groß, MTV machte mit
musikfernen ‚Trash-Fernsehen’ gute Quoten und VIVA musste mitziehen. Das
Ergebnis war die Aufgabe von Formaten wie ‚Fast Forward’, die ehemals
Aushängeschilder des Senders waren, und der Ankauf von qualitativ minderwertigen
13 vgl. Schmidt 1999, S.111ff 14 vgl. Linden 2004, S.210f 15 vgl. Hachmeister; Lingemann 1999, S.137ff 16 vgl. Langhoff 1999, S.233f 17 vgl. Hachmeister; Lingemann 1999S.142ff 18 vgl. ebd., S.150 19 vgl. ebd., S.161f 20 vgl. ebd., S.153f
6
Reality-TV-Formaten21. Bereits 2002 wurde VIVA 2 in den Popsender VIVA Plus
umgewandelt, der 2007 eingestellt wurde, 2004 wurden die Mehrheitsanteile der
VIVA-Gruppe von dem Konzern Viacom erworben, dem auch die internationale
MTVGroup gehört22. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass das Musikfernsehen
durch diese Entwicklungen einschneidende Veränderungen durchlaufen hat.
2.3. Die Präsentation von Videoclips im Rahmen des Musikfernsehens
Das Besondere und Neue an MTV war die Loslösung des Musikvideos aus der
Präsentation in einer geeigneten Show eines Fernsehsenders und die Einbettung
und Etablierung als Hauptprogrammelement in einen eigens dafür vorgesehenen
Fernsehsender. Dadurch fiel aber auch die spezielle Hervorhebung und Präsentation
der Musikvideos in einer Sendung weg und neuartige Konkurrenzsituationen wurden
geschaffen23. Zu beachten ist, dass MTV von Anfang an die strategische Speerspitze
im internationalen Konkurrenzkampf verschiedener Medienkonzerne war. Daher
könnte man meinen, „MTV existiert nur, weil es der Industrie umsonst Werbezeiten
einräumt, (...) VIVA existiert nur, weil die Industrie sich einen Werbesender für der
Welt drittgrößten Popmarkt wünschte“24 und der Erfolg bestimmter Bands ist weniger
eine Frage des eigentlichen Produkts, sondern das Resultat der Strukturen und
Dynamiken der Musikindustrie25. Die Frage ist dann, ob MTV und VIVA eine
Möglichkeit darstellen, sich umfassender mit Popkultur zu befassen oder führen die
von MTV geschaffenen ökonomischen Strukturen eher zu einem generellen
Qualitätsverlust des Begriffs der Populärkultur26. Im Produktionskontext von
Musikvideos stellt sich zu dem die Frage, ob Popmusikclips und Musikfernsehen
getrennt voneinander betrachtet werden können, wo doch das Musikfernsehen das
Forum ist, in dem Musikvideoclips gespielt oder nicht gespielt werden27.
21 vgl. Niggemeier 2004 22 vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/VIVA#Geschichte 23 vgl. Keazor; Wübbena 2005, S.66ff 24 Langhoff 1999, S.232 25 vgl. Schmidt 1999, S.93 26 vgl. Langhoff 1999, S.239f 27 vgl. Keazor; Wübbena 2005, S.68
7
3. Musikvideoclips
3.1. Die Geschichte des Musikvideoclips
Die Visualisierung von Musik und musikalischen Auftritten der InterpretInnen ist im
Prinzip genau so alt wie die technischen Möglichkeiten dieses Unterfangens, so
können die ‚Soundies’ der 1940er Jahre ebenso als Vorläufer von Musikvideoclips
gesehen werden wie auch das französische ‚Scopitone’ aus den 1960ern28. Mit Live-
Auftritten von Bands in den Late-Night-Shows der 60er Jahre und mit Musikfilmen
der Beatles, der Rolling Stones und der Monkees wurden weitere Schritte in Richtung
des heutigen Musikvideos gemacht. In den 1970er Jahren gingen die Psychadelic-
Bands dazu über ihre Musik bei Auftritten durch große, pompöse Bühnenbilder zu
visualisieren und dies in entsprechenden Musikfilmen umzusetzen, die allesamt als
Wegbereiter des heutigen Musikvideos gesehen werden können29.
Von vielen wird Queens ‚Bohemian Rhapsody’ (1975) als das erste richtige
Musikvideo gesehen, enthält es doch z.B. Techniken der Heroisierung der Künstler
und technische Mittel zur visuellen Variation30. Die Entstehung dieses Videoclips war
eher technischer Natur, denn auf Grund der Komplexität der Komposition war es
damals kaum möglich das Stück live wiederzugeben, um es der großen
Fangemeinde trotzdem ‚aufzuführen’ wurde es in die Form eines Performance-
Videoclips gebracht31. Dem heutigen Verständnis der Inszenierung und Struktur von
Musikvideos kommen die Clips von Lasse Hallström zu den ABBA-Songs ‚Mamma
Mia’, ‚Bang-a-boomerang’ und ‚SOS’, alle aus dem Jahr 1975 bereits relativ nahe,
der Clip zu ‚Knowing Me, Knowing You’ von 1977 arbeitet bereits mit einer
ausgeklügelten Choreografie und dem stilprägenden Outfit von ABBA32.
Die Produktion und die Distribution von Videoclips unterliegen den Plattenfirmen und
sind als Promotion an der Popularität der beworbenen KünstlerInnen orientiert. Das
Programm des Musikfernsehens lebt von den gratis gestellten Videos, die
Plattenindustrie nutzt im Gegenzug das Musikfernsehen als Werbefläche.
Konfliktpunkte entstehen in Unvereinbarkeit der jeweiligen ökonomischen Interessen:
die Musikindustrie will neue Acts aufbauen und etablieren, MTV will hohe
28 vgl. Rötter 2000, S.261ff 29 vgl. ebd., S.263f 30 vgl. ebd., S.264 31 vgl. Keazor; Wübbena 2005, S.61 32 vgl. ebd., S.62ff
8
Einschaltquoten erzielen33. Der Videoclip hat also populärkulturellen Gebrauchswert
und Werbefunktion zugleich, die er jedoch verschleiert. Die Werbung wird so kulturell
aufgewertet, allerdings verleugnen Musikvideos als postmoderne Kunstwerke auch
nicht die Verknüpfung von Kunst und Kommerz34.
Die Entstehung eines Videoclips unterliegt oftmals konkreten Vorgaben und strenger
marktwirtschaftlicher Kontrolle durch die Plattenfirmen, die sich an bereits
produzierten und in heavy rotation laufenden Clips orientieren um möglichst oft auf
MTV gezeigt zu werden35. In den 1980er Jahre war ein Höhepunkt erreicht:
„Werbung und Programm erfuhren eine ästhetische Annäherung und fielen im Fall
MTVs gar gänzlich zusammen: Clips bewerben Songs, Spot bewerben Waren und
Jingles den Sender selbst.“36
Es gibt daher nur wenige KünstlerInnen die bezüglich ihren Musikvideos stilistische
Freiheiten genießen und trotzdem Erfolge verzeichnen können37. Erst Ende der
1990er Jahre werden VideoclipregisseurInnen wie Chris Cunningham, Michel
Gondry, Spike Jones, Floria Sigismondi oder Jonathan Glazer mit ihren kunstvollen
Clips an Stelle der MusikerInnen selbst zu den ‚heimlichen’ Stars des
Musikfernsehens. Musikvideos finden ihren Weg zu den Kurzfilmtagen in
Oberhausen und auf DVDs, die RegisseurInnen und nicht MusikerInnen gewidmet
sind38. Speziell Chris Cunningham oder Michel Gondry schufen Videoclips zu
Liedern, die ohne die Clips vielleicht nie einer breiteren Masse bekannt geworden
wären, so verbindet man mit Björks ‚All Is Full Of Love’ oder Aphex Twins ‚Come To
Daddy’ automatisch den Videoclip und weniger das Lied als singuläres Kunstwerk39.
3.2. Definition(en) von Musikvideo(-clip)
Bevor in den folgenden Kapiteln die inhaltlichen und formalen Strukturen von
Musikvideoclips und die Möglichkeiten ihrer Klassifikationen dargestellt werden, stellt
sich ganz allgemein die Frage ihrer Definition. Zu Beginn der
Musikvideoclipforschung in den 1980er Jahren entstanden erste strukturelle
Definitionen wie die von Bennett/Ferrell: „For the moment, music videos can be 33 vgl. Schmidt 1999, S.116f 34 vgl. Busse 1996, S.4f 35 vgl. Schmidt 1999, S.121 36 ebd., S.129 37 vgl. ebd., S.118ff 38 vgl. Karnik 2005, S.78f 39 vgl. ebd., S.82
9
understood as popular artistic works that depend upon electronic technology to
synchronize the recording of sounds and sights, and that are distinguished from other
video works by the criterion that their sound track is a complete musical
performance.”40 Greeson/Williams definieren Musikvideos hingegen aus dem
Blickwinkel der jugendkultureller Rezeption: „Music videos are designed to appeal to
adolescent audiences, combining the impact of television with the sounds and
messages of youth transmitted through popular music.”41
Gerade in bezug auf den transportierten Inhalt entwickelten sich auch schnell
kritischere Sichtweisen, so meint beispielsweise Weibel, dass Musikvideos weder
Musik noch Video bzw. Bild sind, sondern nur Simulationen dessen, die von der
Medienindustrie hergestellt werden, um der Rock- oder auch der Popmusik ein
Erscheinungsbild zu verleihen. Musikvideos stellen diese Tatsache als Inszenierung
offen zur Schau, in dem sie lustvoll auf bekannte Bilder aus dem Fundus der
Mediengeschichte verweisen und diese zitieren42. Eine genauere strukturelle und
inhaltlich neutrale Definition findet sich bei Neumann-Braun/Schmidt: „Videoclips sind
in der Regel drei- bis fünfminütige Videofilme, in denen ein Musikstück (Pop- und
Rockmusik in allen Spielarten) von einem Solointerpreten oder einer Gruppe in
Verbindung mit unterschiedlichen visuellen Elementen präsentiert wird.“43
3.3. Funktionen und Struktur von Musikvideoclips
Musikvideos verbinden die beiden populären Medien Fernsehen und Musik (im Sinne
von Tonträgern), ihre sprachlichen und visuell gestalterischen Aspekte haben in
relativ kurzer Zeit zu einer eigenen Ästhetik des Musikvideoclips geführt. Auf die
Bildästhetik hatten die angesprochenen Musikfilme ebenso wie der Werbefilm
bedeutenden Einfluss44, auf musikalischer Ebene ermöglicht die Künstlichkeit der
Popmusik eine vollkommen neue ästhetische Nutzung des Mediums Musik in
visualisierter Form. Popmusik wird nun als visuelles Gesamtkonzept im Videoclip
dargestellt und dieser dadurch zu der maßgebenden popkulturellen Ausdrucksform
von Popmusik45. Musikvideoclips sind populär, auch wenn sie die Konventionen der
40 Bennett;Ferrell 1987, S.345 41 Greeson;Williams 1986, S.179 42 vgl. Weibel 1987, S.274 43 Neumann-Braun; Schmidt 1999, S.10 44 vgl. Kurp et. al. 2002, S.43ff 45 vgl. ebd., S.49
10
realistischen Ästhetik verletzen und ihre eigne Künstlichkeit offenbaren. Ihre
ästhetische Komplexität gründet sich auf folgenden Merkmalen:
1. der Beschleunigung im Sinne der gesteigerten Anzahl von Schnitten;
2. den assoziativen Bildern, d.h. dem Fehlen der für Fernsehen und Kino typischen
Erzählcodes wie Linearität und Illusionismus, Videoclips enthalten hingegen „(...)
mehrere assoziativ verbundene Schichten von Bildebenen und Bedeutungen (...)“46;
3. der Selbstreferenz, d.h. es wird z.B. auf den Gegenstand des Videos selbst Bezug
genommen, die Videoproduktion oder Gegenstände einer Filmproduktion gezeigt,
der Sender MTV thematisiert oder die ZuschauerInnen bewusst auf ihre Rolle als
RezipientInnen aufmerksam gemacht;
4. den Clips als postmoderne Kunstform, denn in Videoclips werden Hoch- und
Populärkultur entdifferenziert, die zeitlichen Grenzen werden in der Rezeption durch
das dauerhafte und wechselweise Senden von Clips aufgehoben, außerdem nehmen
die Videoclips selbst starke Anleihen in der (Bild-)Geschichte des Films47.
Der Musikvideoclip lässt sich strukturell in die drei Ebenen Bild, Text und Ton
untergliedern. Text und Ton haben im Musikvideo eine basale ordnungsstiftende
Funktion, die durch die Stilistik des Bildes ergänzt wird. Bilder können zu Musik und
Text zunächst frei in Verbindung gesetzt werden, jede der Ebenen Bild, Text und Ton
kann aber auch eine eigene Geschichte erzählen, die sich gegenseitig ergänzen,
verstärken, hemmen oder widersprechen können48. Die Bezüge von Bild, Text und
Ton zueinander sind dabei nicht hierarchisch angelegt, sie müssen auch nicht nur
von einem einzigen Motiv ausgehen, vielmehr greifen die Ebenen ineinander und
können jede für sich von einem oder mehreren Elementen beeinflusst werden49. Im
Musikvideoclip stehen sich Bild, Text und Ton gleichberechtigt gegenüber, dadurch
unterscheiden sie sich vom (Spiel-)Film und restlichen Fernsehformaten.
3.3.1. Die Bildebene als Wechselwirkung zwischen Musikvideoclip, Film und
Fernsehen
„Die Bedeutung einzelner Bilder wird im Film in der Regel in der übergeordneten
Bildfolge und diese wiederum im Zusammenspiel mehrerer Bildfolgen aufgehoben.
46 Winter; Kagelmann 2002, S.211 47 vgl. ebd., S.210ff 48 vgl. Neumann-Braun; Schmidt 1999, S.20ff 49 vgl. Keazor; Wübbena 2005, S.97
11
Aber gilt dies auch für Musikvideos?“50 Im Musikvideo folgen die Bilder auf die Musik,
was, die Musik zur Grundlage der Bilder macht und die weitere Frage aufwirft, ob die
filmische Kontexterwartung bezüglich der Darstellung im Videoclip ebenso zutrifft wie
im Film oder ob die Bilder zwar als Fragmente aneinandergereiht aber nicht zu einer
Bedeutung verbunden werden51. Für ein Verständnis allgemein gültiger Themen
müssen sich im Musikvideo Bildzeichen und Bildaussage stark decken, es sei denn
die Bilder erklären sich z.B. aus dem Songtext heraus, der durch sie illustriert wird.
Andererseits können im Musikvideo die Bilder entgegen dem Film auch Situationen
darstellen ohne einen Kontext mit dem restlichen Bildgeschehen erzeugen zu
müssen52. Musikvideos greifen dabei auf das komplette historische Bildgedächtnis
einer Gesellschaft zurück, alles bildförmige kann unabhängig vom Inhalt verwendet
werden53. Zusammen mit Schlüsselwörtern im Songtext können die Bildtexte
Schlüsselszenen erzeugen, die jedoch keine Makrobedeutung aufweisen müssen,
sondern lediglich als Kombination von Text und entsprechendem Bild verstehbar sein
müssen.
Eine Verbindung von Musikvideoclip und Film und Fernsehen besteht dennoch in
zwei Aspekten: zum einen geht der Videoclip historisch aus dem Fernsehen hervor,
wodurch er Motive, Typiken und Erzähltechniken des Fernsehens aufgreift, erweitern
und modifizieren kann, zum anderen können im wesentlich kürzeren und ‚schnelleren
Format’ des Videoclips Techniken erprobt werden, die dann wiederum Eingang in
Formate von Film und Fernsehen finden können54. Ein Beispiel ist das technische
Verfahren des ‚Morphing’, mit dem im Videoclip experimentiert wurde, den
umgekehrten Weg hat die Technik des Split-Screen-Verfahrens durchlaufen, die aus
dem Fernsehen kommend auch im Videoclip verwendet wird. Mittlerweile lassen sich
auf der Bildebene auch dramaturgische Wechselwirkungen zwischen Film und
Videoclips erkennen. Musikvideos arbeiten vermehrt mit kurzen Anspielungen auf
bekannte Filme und Filmszenen, auch wenn die filmischen Zitate im Videoclip zur
Erzeugung visueller Wiedererkennungswerte oftmals komplett aus dem
ursprünglichen Sinnzusammenhang der Vorlage gerissen werden55. So dient den
Spice Girls in ‚Spice Up Your Life’ (1997) das Setting von ‚Blade Runner’ (1982) als
50 Altrogge 2001 (I), S.119 51 vgl. ebd., S.119f 52 vgl. ebd., S.122ff 53 vgl. Kerscher; Richard 2003, S.204 54 vgl. Keazor; Wübbena 2005, S.167 55 vgl. ebd., S.168f
12
Vorlage, Farin Urlaub stellt in ‚Sumisu’ (2001) Szenen aus ‚Nosferatu’ (1922) nach
und die Videos von Jennifer Lopez zu ‚I’m glad’ (2003) und Geri Halliwells ‚It’s
Raining Man!’ (2001) adaptieren beide die Vortanzszene aus ‚Flashdance’ (1983)56.
3.3.2. Die Tonebene in Unterscheidung zur Filmmusik
Wie bereits erwähnt, stellt der Song die produktionstechnische Basis für das
Musikvideo dar, daher ist die Unterscheidung der Tonebene von Musikvideos und
Filmmusik eine wesentliche Grundlage für Analyse und Interpretation. „In Videoclips
(...) ist die Musik bereits eine vorausgesetzte Größe, auf die die Visualisierung folgt,
im Unterschied zum Film, der sich nachträglich der Musik als einem Element der
Vertonung bedient.“57 Des Weiteren steht die Musik im Film eher begleitend im
Hintergrund, während sie im Videoclip eine tragendere, strukturierendere und
vordergründigere Rolle einnimmt58. Dadurch entsteht ein Zusammenspiel von Bild
und Ton, das sich auch in der Rezeption wesentlich vom Film unterscheidet: „Beim
Spielfilm fungiert in der Regel die Musik als Ergänzung zur Bild- und Handlungsfolge,
beim Videoclip dagegen eröffnet die optische Ebene zur Musik den Einstieg in
illustrative, situative, narrative und/oder assoziative Bildwelten.“59 Hinzu kommt, dass
die Musik bereits bildhafte Vorstellungen auslösen kann, die in Form eines
Musikvideoclips fortgeführt, erweitert oder ergänzt werden können. Eine Synthese
von auditiver und visueller Ebene wird im Videoclip am einfachsten über eine
Orientierung an der Rhythmik erreicht, das Zusammenspiel von Bild und Ton im
Musikvideo ist jedoch vom Blickwinkel abhängig. Je nachdem erscheinen entweder
die Bilder oder die Musik gegenüber dem anderen als passend oder unpassend.
Setzt man dies aber in den Produktionskontext von Musikvideos, in welchem die
zuerst entstandene Musik die Strukturen vorgibt, so trifft diese Unterscheidung eher
auf die Bildebene zu60.
56 vgl. Keazor; Wübbena 2005, S.175 57 Altrogge 2001 (I), S.15 58 vgl. Behne 59 Rösing 2003, S.17 60 vgl. Altrogge 2001 (I) S.237ff
13
3.4. Kategorisierung von Musikvideoclips
Mit der Entstehung und Etablierung von MTV stieg auch das wissenschaftliche
Interesse an Musikvideoclips. Schon zu Beginn zeigte sich die Notwendigkeit die
steigende Zahl an Musikvideoclips ästhetisch, inhaltlich und strukturell in Kategorien
und Typologien fassbar zu machen. Erste Versuche der Kategorisierung finden sich
im Artikel ‚Music Video and the Spectator – Television Ideology and Dream’ (1984)
von Marsha Kinder. Ausgehend von der strukturgebenden Funktion der Musik
unterscheidet sie drei Formen von Musikvideos: ‚Performance’ im Sinne abgefilmter
oder nachgestellter Musikaufführung, ‚Narrative Visuals’, die ähnlich eines Minifilms
bildliche Parallelen zu Filmgattungen herstellen und ‚Dreamlike Visuals’, in denen die
Bilder ähnlich Traumbildern die Wahrnehmung des Tons hervorheben sollen61. In
‚Rock Video: Synchronizing Rock Music and Television’ (1985) unterteilt Margaret
Morse mit Bezug auf die Möglichkeit der persönlichen Aneignung ungeordneter
Bilderfolgen Musikvideos in ‚Performance’, ‚Narrating’ und ‚Story Space’. ‚Narrating’
bedeutet die Adressierung an ein nicht sichtbares Publikum, ‚Story Space’, als
‚Erzähl-Raum’ auf das Erzählen einer Geschichte, losgelöst von der musikalischen
Aufführung62. In ‚Rocking Around The Clock’ (1987) unterteilt Kaplan mit Blick auf die
Bildsprache die auf MTV gesendeten Musikvideo in die Typen romantisch,
sozialkritisch, nihilistisch, klassisch und postmodern. Romantische Videos handeln
auf Bild- und Tonebene von Liebe, Verlust und Wiedervereinigung. Nihilistische
Videoclips konstruieren filmtechnisch einen aggressiven Blick und eine fremde,
bedrohliche Welt. Das klassische Video ähnelt dem Hollywoodkino und vermittelt
ebenso klassische Geschlechterrollen, der postmoderne Videoclip erlaubt hingegen
eine Vielzahl an Lesarten und spielt unkritischer mit seinen Bildvorlagen. Das
sozialkritische Musikvideo thematisiert soziale und politische Normen und Werte63.
Diese Klassifikationsversuche sind laut Altrogge jedoch entweder nicht durchgehend
schlüssig oder sie Unterscheidungen treffen, die eine zu geringe Trennschärfe bzw.
Nachvollziehbarkeit aufweisen64.
Auf der Basis seines Artikels ‚Videopop. Musik als strukturbildendes Element einer
Gattung’ (1988) entwickelt Jan Schenkewitz 1989 ein Modell, das sich auf die
61 vgl. Altrogge 2001 (II) S.8ff 62 vgl. ebd., S.10f 63 vgl. Winter; Kagelmann 2002, S.212ff 64 vgl. Altrogge 2001 (II), S.14f
14
Aspekte Kontinuität, Segmentierung und Synchronität zur Regelung des
Verhältnisses von Bild und Ton stützt und in der Folge fünf Darstellungsebenen
hervorbringt: die Abbildung des musikalischen Vortrags, die Abbildung nicht-
musikalischer Aufführungen, synästhetische Bild-Ton-Kombinationen, deiktische
Abbildungsweisen und narrative Abbildungsweisen. Doch auch dieses Modell zeigt
laut Altrogge Schwächen in der Trennschärfe der entwickelten Kategorien65.
Zusammenfassend kann man festhalten, dass das Musikvideo in drei grundlegende
ästhetische Typen eingeteilt werden kann: 1. das Präsentations- bzw. Performance-
Video, in dem die ProtagonistInnen in einer oder mehreren Situationen der
Liedaufführung gezeigt werden, 2. das narrative Video, in welchem eine
(eigenständige, vom Liedtext unabhängige) Geschichte zumeist mit der/dem
KünstlerIn in der Hauptrolle erzählt wird, und 3. das Konzept-Video, in dem Bilder in
illustrierender und assoziativer Weise verknüpft werden. Musikvideoclips sind jedoch
nur äußerst selten in einer der beschriebenen Reinformen zu finden, meist handelt es
sich um Mischformen zur Präsentation des Produkts mit verschieden starken
Akzenten auf einen der drei Grundtypen66.
Als Grundlage für die spätere Erstellung der Typologie dient nun das von Altrogge
entwickelte Modell zur Kategorisierung von Musikvideoclips. Für Altrogge lassen sich
im Musikvideoclip „(...) drei wesentliche Formen des Zusammenspiels von Ton und
Bild festhalten: 1. die Koinzidenz einzelner musikalischer und visueller Ereignisse, 2.
strukturelle Parallelen, die sich über längere Zeit hinweg oder durchgängig aufgrund
eines gemeinsamen Rhythmus von Bild- und Musikbewegung ergeben, und 3.
Parallelen hinsichtlich der formalen Organisation des Materials – wie beispielsweise
im Fall der Übereinstimmung der Verse mit bestimmten wiederkehrenden
Bildfolgen.“67
3.4.1. Die drei grundlegenden Musikstile
Die Tonebene stellt wie bereits erläutert eine der beiden Grundlagen für die
Bildebene dar, die Musik als separates Zeichensystem kann dabei auch schon vor
der Zusammenführung mit dem Bild mit visuellen Vorstellungen und lebensweltlichen
65 vgl. Altrogge 2001 (II), S.16ff 66 vgl. Neumann-Braun; Schmidt 1999, S.13 67 Altrogge 2001 (II), S.18
15
Einstellung verbunden sein, daher ist zunächst eine Betrachtung der Musikstile
notwendig.
Die Zweiteilung in Rock und Pop ist nicht nur für die Musikstile, sondern auch für den
Begriff der Jugendmusikkultur bedeutsam. „Als lineares Modell ist diese
Unterscheidung in Pop und Rock aufgrund der beiden Ausprägungen von Popmusik
in ‚Soft’ und ‚Dance’ zu einer dreistufigen Skala erweiterbar, die von weich: Softpop
über mittel: Dancepop (einschließlich Rap/HipHop) bis hart: Rock (einschließlich des
Heavy Metal-Bereichs) reicht.“68 Softpop steht in der Songwriter-Tradition des
Schlagers und der Ballade, die Musik hat eine klar Harmonik, der musikalische
Ablauf ist erwartbar und wenig pointiert. Ein eher zurückgenommener Gesangsstil
wird mit meist melancholischen Texten in moderaten Tempi kombiniert. Im Dancepop
wird der Fokus mehr auf die Rhythmik gelegt, Bassmelodien und Drumbeats
erzeugen Tanzbarkeit, der Gesang ist freier gestaltet, der Rhythmus dichter und die
musikalischen Akzente stärker. Die Texte kreisen um das Thema Liebe, sind aber
auch häufig in ziemlich eindeutigen sexuellen Kontexten angesiedelt. Rap und
HipHop kommt hier eine Sonderstellung zu, denn der Fokus liegt der Rhythmik, die
von Instrumenten wie von (Sprech-)Gesang erzeugt wird. Die Texte drehen sich
häufiger auch um politische Themen69. Hauptunterschied im Rockbereich ist die
Bindung der Musik an lebensweltliche Bereiche, die Musik und ihre Aufführung ist
stärker an den eigenen Ausdruck der Musik gekoppelt, als an ihre Harmonik. Gerade
im Heavy Metal-Bereich haben sich stereotypische Regeln der Komposition und auch
der Visualisierung von Musik etabliert. Zwar stellen z.B. Heavy Metal und Softpop
konträre musikalische Bereich dar, die idealisierende und idyllisierende Funktion
ihres musikalischen, textlichen und somit auch visualisierten Ausdrucks in Form des
Musikvideoclips haben sie aber gemeinsam70.
3.4.2. Die vier Grundtypen des Musikvideoclips
Auf Basis der genannten Musikstile entwickelt Altrogge hinsichtlich der Kombination
von Bild und Ton im Musikvideo vier Grundtypen: Performance,
Konzeptperformance, Konzeptclip mit und ohne InterpretInnen und Konzeptclip.
68 Altrogge 2001 (II), S.20 69 vgl. ebd., S.21ff 70 vgl. ebd., S.24ff
16
Die Performance erscheint im Videoclip als die natürlichste Kombination von Bild und
Ton im Sinne einer synchronen Darstellung des Gehörten und des Gesehenen, Ort,
Zeit und Handlung stimmen in diesem Fall überein. Die Performance stellt die
musikalische Aufführung durch den/die InterpretIn ins Zentrum, zum Teil ergänzt
durch die Reaktion des Publikums auf die Performance. Die Performance folgt dem
Musikstil und erzeugt ausgehend von Sänger/Sängerin eine visuelle Hierarchie in der
Präsentation der Bandmitglieder. Die Darstellung der Performance entspricht oftmals
der Struktur des Songs, d.h. während dem Gitarrensolo ist z.B. ausschließlich der/die
GitarristIn zu sehen71.
In der Konzeptperformance wird der eigentliche Aufführungsraum (Bühne, Studio
usw.) zwar verlassen, die MusikerInnen werden aber trotzdem noch beim Musizieren
gezeigt, d.h. die Performance bleibt als Konstante von Zeit und Aufführung im
Vordergrund, der Ort ist jedoch von der Aufführung losgelöst72.
Der Konzeptclip mit und ohne InterpretInnen hat eine andere Handlungsstruktur, da
die MusikerInnen hier nicht beim Musizieren gezeigt werden, sondern z.B. in
gestellten oder fiktiven Situationen, die zumeist in Verbindung mit dem Song, dem
Songtext und/oder dem Musikstil stehen. Die größte Entfernung von der
musikalischen Aufführungssituation findet dann statt, wenn die MusikerInnen selbst
gar nicht mehr im Videoclip auftreten, wodurch auch die Bilder von der Musik
komplett losgelöst sind.
Der Konzeptclip distanziert sich zusätzlich auch von der musikalischen Aufführung
und ist zumeist rein illustrativ zum Thema des Songs gestaltet. Somit kann der
Konzeptclip alle Formen der filmischen Sprache, d.h. das gesamte zur Verfügung
stehende Material verwenden und an Hand der musikalischen Strukturen für sich
nutzen73.
Der Typ Performance lässt sich intern nochmals untergliedern in Live-Performance,
Bühnen-Performance und Performance ohne Realbezug, der Typ
Konzeptperformance in Performance mit Realbezug, Performance in Kulisse und
computeranimierte Performance74.
Unabhängig von der musikalischen Struktur ist die visuelle Binnenstruktur, d.h. die
Stärke der Strukturierung im Videoclip durch die Bilder für die Klassifikation von
71 vgl. Altrogge 2001 (II), S.26f 72 vgl. ebd., S.28f 73 vgl. ebd., S.29ff 74 vgl. ebd., S.32ff
17
Bedeutung. Die visuelle Binnenstruktur ist um so schwächer, je weniger Sinn die
Bilder ohne der Kombination mit dem Ton ergeben, was am ehesten bei reinen
Performance-Clips der Fall ist75. Für die Ebenen der Darstellung folgert Altrogge:
„Narrative, situative und illustrative Musikvideos sind grundsätzlich voneinander zu
unterscheiden und prädestinieren für eine bestimmte Form der Bildwahrnehmung.“76
3.4.3. Zusammenhänge von Musikstil und Cliptypen
Es lassen sich bei Altrogge erste Zusammenhänge von Bild und Ton in Bezug auf die
drei Musikstile feststellen, so ist demnach im Bereich des Softpops nicht nur die
Musik gemäßigt, geheimnisvoll und von einer gewissen Intimität gegenüber den
ZuseherInnen, diese Clips verwenden auch Zeichensysteme traditioneller sozialer
Werte und wirken im Gesamten eher unspektakulär. Die Videoclips des Dancepop
sind mehr auf die Darstellung der InterpretInnen fokussiert, lehnen sich bildlich
stärker an die Musikrhythmik an und beinhalten Tanzchoreografien und höhere
Tempi. Der Bildinhalt ist in bezug auf Gefühlswelten und soziale Beziehungen
durchwegs positiv. In Rap und HipHop Clips fällt vor allem die Verwendung der Stadt
als Symbol- und Lebensraum auf, ebenso die körperbetonte und extrovertierte
Adressierung der textlichen Aussagen in visueller Form. Heavy Metal und Rock-
Videoclips nutzen öfter als andere den Typus der Performance, es dominiert ein
männlich zentrierter Blick und eine Ausdrucksweise auf Text- und Bildebene, die
stark mit der lebensweltlichen Bedeutung des visuellen Gehalts der Musik spielt. Dies
ist im Rap/HipHop-Bereich ebenso zu finden. Altrogge kommt daher zu dem Schluss,
dass sich sehr wohl Zusammenhänge zwischen Musikstil, Darstellungsebenen und
Darstellungsmitteln erkennen lassen77. Für die vorliegende Arbeit stellt sich im
Anschluss daran die Frage, ob sich in den Formen und Funktionen der Inszenierung
von Horror in Musikvideoclips ebenfalls Verbindungen oder Auffälligkeiten bezüglich
Musik- oder Clipstil erkennen lassen. Im folgenden Kapitel wird nun die Thematik des
Horrors formal und funktional dargestellt.
75 vgl. Altrogge 2001 (II)., S.36f 76 ebd., S.37f 77 vgl. ebd., S.44ff
18
4. Horror
Der Begriff ‚Horror’ umschreibt im Deutschen etwas Unangenehmes in verschieden
großem Ausmaß, jedoch noch nichts unfassbar Schreckliches. Sprachlich leitet sich
‚Horror’ von der griechischen Bedeutung für Angst und Furcht her, im Lateinischen
bedeutet ‚Horror’ schon die ganze Fülle von Entsetzen bis hin zu (wohligem)
Grausen. Ebenso meint das französische ‚horreur’ Schrecken, Grausen und
Abscheu, im englischen steht ‚horror’ für Grauen, Gruseln, Schaudern und
Entsetzen78. Horror beschreibt daher kein Ereignis, sondern den menschlichen
Bewusstseinszustand als Folge eines entsprechenden, meist fiktionalen Ereignisses.
Der Horror ist somit begrifflich vom ‚Grauen’ abgrenzt, das sich auf das wirklich
Entsetzliche bezieht79.
4.1. Die Formen des Horrors
4.1.1. Die Phantastik als Grundlage des Horrors
Für das Funktionieren des Horrors müssen erstens die Grenzen und Regeln der
fiktionalen Welt denen der realen Welt der RezipientInnen entsprechen und zweitens
muss diese fiktionale Ebene durch das Unheimliche und Unerklärliche des Horrors
durchbrochen werden. Dies ist zugleich die Grundthematik der Phantastik, in der das
real Unmögliche zum Möglichen wird80. „In der Phantastik des Horror-Genres gibt es,
im Gegensatz zum Märchen, das Wunderbare nicht als Errettung oder Erlösung; das
Wunderbare (das Unerklärliche) ist das Problem des Genres.“81
Der Begriff der Schauerphantastik beschreibt dabei sowohl die Darstellung als auch
den Einbruch dieses Schauerhaften in die Welt. In der Folge sind in der Phantastik
die Genres Schauerphantastik (Horror), Science Fiction und Fantasy zu
unterscheiden, denen die Lust an der Grenzverletzung ebenso gemein ist, wie auch
der Widerspruch zu der Gewissheit, es gäbe eine klare Grenze zwischen dem
Möglichen und dem Unmöglichen82. „Die Kategorie des Möglichen kann also zu
einem Unterscheidungsmerkmal – unter anderem – innerhalb des Phantastischen
78 vgl. Baumann 1989, S.29 79 vgl. ebd., S.30f 80 vgl. Vossoughi 20002, S.33 81 Seeßlen; Weil 1979, S.37 82 vgl. Hienger 1987, S.11ff
19
werden: In der Regel ist fiktional alles möglich, was auch real möglich ist. Dass etwas
fiktional möglich, aber real unmöglich ist, ist ein allgemeines Kennzeichen des
Phantastischen – im Unterschied zu Fiktionen anderer Art. (...) ist es nur möglich,
weil sich in der – mit unserer Welt identisch gesetzten – Welt Brüche auftun, geht es
um Horror.“83 Dem Phantastischen liegt zu dem ein Moment des gewaltsamen
Zerreißens der Realität inne, die inneren Gesetze der fiktiven Welt werden
zerbrochen, die (Film-) Welt verändert sich auf unnatürliche Weise84, somit lässt sich
das literarische und filmische Grundthema der Phantastik auch folgendermaßen
beschreiben: „Innerhalb der dargestellten Wirklichkeit tritt etwas ein, das den ihr
zugrundeliegenden Wirklichkeitsbegriff desavouriert.“85
Horror ist also ein Teilbereich der Phantastik, der sich nicht nur auf das Nicht-Gelten
von Naturgesetzen beschränkt, sondern auch Verletzungen gesellschaftlicher
Regeln, Normen und Werte thematisiert86. Das Spezielle des Horrors im Unterschied
zur restlichen Phantastik ist, dass die fiktionalen Personen auf das für sie unmögliche
Ereignis nicht nur mit Verwirrung, sondern auch mit Angst, Panik und Grauen
reagieren87. Wenn „(...) sich in unserer Alltagswirklichkeit unversehens ein Riss
auftut, durch den das Grauen hineinkriecht, setzt das die prinzipielle Brüchigkeit
dieser Welt voraus.“88
4.1.2. Das Halbwesen als Grundlage des Horror
Die zweite wichtige Grundlage für den Horror in Literatur und Film die Figur des
Halbwesens. Als existierendes (Lebe-)Wesen liegt das Halbwesen außerhalb der
menschlichen Vorstellungskraft, und dennoch besteht sein Mythos zu nahezu allen
Zeiten und in allen Kulturen. Obwohl das Halbwesen Angst und Schrecken verbreitet,
wird ihm auch die Faszination, die Bewunderung und auch die Sehnsucht der
Menschen zuteil, die sie ihm gegenüber auf Grund seiner scheinbaren Freiheit
insgeheim empfinden. Die menschliche Erfahrung der Angst ist für die vermeintliche
Existenz der Halbwesen ebenso grundlegend wie für die Vorstellungswelt, in der Gut
83 Baumann 1989, S.107 84 vgl. Kaufmann S.1987, 119 85 Hienger 1987, S.14 86 vgl. Baumann 1989, S.97f 87 vgl. ebd., S.108 88 ebd., S.77
20
und Böse im Kampf miteinander existieren89. Das Halbwesen trägt somit in sich eine
Ambivalenz, die sich einerseits in den Gefühlen äußert, die wir ihm gegenüber
empfinden, andererseits in der Gespaltenheit des Wesens selbst, das hin und her
gerissen ist zwischen seinen animalischen Trieben und seiner menschlichen
Vernunft90.
Die phantastische Literatur hat folgende klassische Horrormythen hervorgebracht,
die in den phantastischen Film und die Populärkultur übergegangen sind. Die
stereotypischen Figuren des Horrors unterliegen einem historischen und
gesellschaftlichen Wandel, sowohl in ihrer Form als auch in ihrer Funktion, somit gilt
die hier nach Seeßlen/Weil gegebene Auflistung ebenso für den modernen
Horrorfilm:
1. der künstliche Mensch, wie z.B. der Golem oder Frankensteins Ungeheuer, in
der neueren Zeit wird dieses Motiv um den Robotermenschen bzw. das
künstliche Wesen erweitert;
2. Wesen, die nicht tot und nicht lebendig sind (Untote), die auf Grund eines
Fluchs am Tod gehindert werden, so z.B. Ghule und Gespenster, aber auch
Wesen aus dem Reich der Toten, Zombies, lebendige Skelette, der Vampir;
3. Tiermenschen, z.B. der Schlangenmensch, Fisch-Mensch-Wesen, die
Katzenmenschen und der Werwolf, bzw. auch Menschen, die durch ihr
entstelltes Äußeres Tieren ähneln oder das Wesen eines Tieres annehmen
wollen;
4. Tiere, die menschliche Züge annehmen, Beispiele sind der Riesenaffe King
Kong oder Godzilla, unter dieses Motiv fallen auch Tiere, die unschuldig zum
Werkzeug des Menschen werden, wie z.B. die Hunde von Baskerville, und
Tiere, die dem Menschen ohne ihre eigene Intention Angst einflößen;
5. Doppelgänger, z.B. Menschen, die auf Grund von Triebsteuerung in sich
selbst gespalten sind, oder im Beispiel von ‚Das Cabinet des Dr. Caligari’
(1920) als Person und Krankheit. Im modernen Horrorfilm wird dieses Motiv
um den geklonten Menschen, den genetischen Doppelgänger erweitert;
6. Hexen, dämonische Frauen und ‚Cannibal Girls’91.
89 vgl. Seeßlen; Weil 1979, S.13ff 90 vgl. ebd., S.15 91 vgl. ebd., S.23ff
21
4.2. Der Horror im Film
Im Allgemeinen wird der Horrorfilm als ein Genre aus dem Bereich des
phantastischen Films beschrieben, „(...) das durch die Stimulation von Urängsten im
Zuschauer Angstgefühle erzeugen will.“92 Die Hauptkriterien sind dabei zunächst das
authentische Erscheinungsbild der Figuren, eine intensive Darstellung der Figuren,
die Vermittlung der richtigen Atmosphäre durch Licht, Schatten, Kamera usw., eine
Handlung, die gruselig oder schaurig genug ist und ebenso, dass am Ende die
Furcht der ZuseherInnen wieder aufgelöst werden kann93. Der Horrorfilm zeigt das
auf, was bisher in der Darstellung verboten und dem Zwang einer geschönten
Darstellung unterworfen war und so gründet sich die bedenkenlose ästhetische
Umsetzung des Horrors in seiner ebenso bedenkenlosen Gesinnung94. Der
Horrorfilm kann generell in den klassischen oder gotischen und in den modernen
Horrorfilm unterteilt werden.
Die Darstellung phantastischer Elemente im Film folgt im Wesentlichen vier
Aspekten: 1. innerhalb des phantastischen Films als solchem werden die
übernatürlichen und unwahrscheinlichen Erscheinungen und Gegenstände nicht in
Frage gestellt, da sie als realer Bestandteil des Films und der Filmhandlung
ausgewiesen sind; 2. eine Sequenz ist als Traum ausgewiesen; 3. die betreffende
Filmfigur ist als geistig gestört oder wahnsinnig klassifiziert, die übernatürlichen
Geschehnisse werden als ‚Hirngespinste’ der Person abgetan; und 4. die
Realitätsebenen sind vermischt, im Gegensatz zum phantastischen Film wird in der
Sequenz jedoch das Traumhafte betont. Eine träumende Person muss zuvor eine
sichtbare Veränderung im Bewusstseinszustand vollzogen haben, so dass sich die
Realitätsebenen im Film klar trennen lassen. Die Person muss also entweder
schlafen oder es muss eine Traumerzählung aus dem Off vorhanden sein95.
„Wenn man einen dargestellten Mythos ‚Erzählung’ nennt, steht die Form des
Erzählens im Vordergrund. Nur so lange die Technik der Erzählung (auch der
bildhaften Erzählung etwa im Film) über das Erzählte selbst triumphiert, lässt sich
von Phantastik sprechen.“96
92 Koebner 2007, S.311 93 vgl. Seeßlen; Weil 1979, S.45f 94 vgl. Brittnacher 1989, S.275 95 vgl. Kaufmann 1987, S.121ff 96 Seeßlen; Weil 1979, S.36
22
4.2.1. Der klassische Horrorfilm
Der frühe phantastische Film in Deutschland ist gekennzeichnet von den monströsen
Figuren dunkler, zerstörerischer Kräfte, die in den vertrauten Lebensraum eindringen.
Diese Darstellungen können latent als Sinnbild des Verfalls bestehender
gesellschaftlicher Strukturen und Normen verstanden werden97. Der klassische
Horrorfilm nimmt Bezug auf die phantastische Struktur von Märchen und Mythen,
wahlloses Töten und dessen möglichst genaue Inszenierung findet sich bereits in
frühen Darstellungen des Puppentheaters ‚Theatre du Grand Guignol’98. „Der
phantastische Film setzt das Verbotene und Verdrängte, das, was man nicht
wahrhaben wollte, ins Bild, die verborgene Seite des Menschen, seine zwielichtige, in
grauenvollen Vexierbildern zum Leben erweckte Natur und die Albträume
existentieller Vernichtung.“99 Allerdings inszeniert der klassische Horrorfilm das
Verdrängte, das Grauen und den Schrecken an weit entfernten Orten und rückt das
Geschehen so in eine Distanz zum Publikum. Handlungsorte wie das alte Schloss
mit großen, leeren Räumen und kerzenbeleuchteten Gängen stehen in keiner
Verbindung zur Lebenswelt des Publikums100.
Der erste bedeutende phantastische Film im deutschsprachigen Raum war ‚Der
Student von Prag’ (1913), in dem ein Student aus Liebe zu einer adeligen Frau sein
Spiegelbild verkauft, das zu seinem bösen Doppelgänger wird. Die berühmtesten
Werke des deutschen expressionistischen Films sind bis heute ‚Das Cabinet des Dr.
Caligari’ (1919) und ‚Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens’ (1922)101. Der
phantastische Film Amerikas brachte, vom Theater kommend Werke wie ‚The
Phantom of the Opera’ (1925), ‚London After Midnight’ (1927), ‚Dr. Jerkyll and Mr.
Hyde’ (1931), und Tod Brownings ‚realistisches’ Meisterwerk ‚Freaks’ (1932)
hervor102. Die Horrorfilme dieser Zeit sind von der Furcht vor dem Zusammenbruch
der vorherrschen gesellschaftlichen Ordnung geprägt und entwickeln ihren
Schrecken aus der Alltagswirklichkeit heraus103. Viele dieser Horrorfilme
thematisieren die Reise zu dem Ort, an dem sich das Phantastische zuträgt als die
eigentliche Gefahr. Oftmals sterben vertraute Personen auf dem Weg dorthin und 97 vgl. Freund 1999, S.241 98 vgl. Nikele 1996, S.6ff 99 Freund 1999, S.242 100 vgl. Vossoughi 2002, S.34ff 101 vgl. Seeßlen; Weil 1979, S.50ff 102 vgl. ebd., S.56ff 103 vgl. ebd., S.61f
23
auch das Halbwesen, als Ziel der Reise kommt am Ende meist zu Tode. Der
Horrorfilm ist in diesen Fällen als Warnung und vor einer solchen ‚Entdeckungsreise’
zu verstehen104.
4.2.2. Der moderne Horrorfilm
Dem modernen Horrorfilm wird oft zu Unrecht ein Wechsel von Angst und Schrecken
hin zu Ekel und Abscheu unterstellt105, was an seiner drastischeren Auslegung der
psychischen und der formalen Grenzüberschreitung liegt. Die klassischen Figuren
und Szenarien verlieren im modernen Horrorfilm ihre phantastische Wirksamkeit,
denn hier ist es der Einbruch des Grauens in die eigene Realität, der schockiert und
irritiert106. So können im modernen Horror durchaus klassische Figuren wie der
Vampir oder der Werwolf auftreten, jedoch ist die Welt, die sie durchbrechen unsere
Alltagswelt107, ProtagonistInnen und RezipientInnen unterliegen den selben
Gesetzen. Das wesentlichste Merkmal des postmodernen Horrorfilms ist die
exzessive Beschäftigung mit dem menschlichen Körper und dessen Zerstörung, die
insbesondere in Splatterfilmen in unnatürlicher Größe als Metapher des Verlusts der
Kontrolle über den Körper zelebriert wird108. Im modernen Horrorfilm überwiegt die
Visualisierung und rückt die eigentliche Erzählung in den Hintergrund, es fehlt den
Filmen zumeist bewusst an inhaltlicher Kohärenz und Abgeschlossenheit, oftmals
enden sie mit einem trügerischen Happy-End109.
Traditionelle Horrorfiguren wurden zunehmend durch den unauffälligen Serienmörder
abgelöst. Jeder konnte ab jetzt ebenso der Mörder oder das Opfer sein, das Morden
erfolgt in späteren Slasherfilmen zum Teil nur noch aus Spaß oder aus Sucht nach
Anerkennung110. Auch die Zerrissenheit der Halbwesen verlagert sich in die Figur der
Serienkiller, Besessenen und Irren, die zu den Hauptfiguren der neuen Subgenres
Splatter-, Slasher- und Teenie-Horror-Film werden. Splatterfilme haben, abgeleitet
vom englischen ‚to splat’ (spritzen, platschen) die explizite Darstellung zerberstender
Körper zum Mittelpunkt, während der Slasherfilm (engl.: to slash = schlitzen) auf der
ebenso einfachen Formel beruht, dass ein bewaffneter Killer des Nachts Teenager 104 vgl. Seeßlen; Weil 1979, S.80f 105 vgl. Baumann 1989, S.27 106 vgl. Nikele 1996, S.14 107 vgl. Baumann 1989, S.72 108 vgl. Winter 1995, S.135 109 vgl. ebd., S.136 110 vgl. Hroß 2002, S.84
24
aufschlitzt, die zumeist durch sexuelle Aktivitäten abgelenkt sind. Nach dieser Formel
entstehen Horrorfilmreihen wie ‚Friday, the 13th’ (ab 1981) oder ‚Nightmare on Elm
Street’ (ab 1984), die zugleich Pate standen für den Teenie-Horror, der die
bekannten Serien ‚Scream’ (ab 1996) oder ‚I Know What You Did Last Summer’ (ab
1997) hervorgebracht hat.
Für den modernen Horrorfilm ist der gewalttätige Einbruch in die vermeintliche Idylle
ein wesentliches Mittel, ebenso wie das gewaltsame Durchbrechen und Übertreten
aller Grenzen, das Anzweifeln der Gültigkeit von Rationalität, das Missachten
narrativer Geschlossenheit und die Konstruktion eines vergnüglichen Horrors, der ein
kontrolliertes Erleben von Angst und Schrecken ermöglicht111. Die explizite
Gewaltdarstellung in Horrorfilmen rückt durch Nahaufnahmen oder in Halbtotalen
näher an die ZuschauerInnen, der Einsatz der subjektiven Kamera aus Sicht des
Bösen bei der Jagd auf sein Opfer ist ein beliebtes Stilmittel. Hinzu kommt die
Wichtigkeit der auditiven Ebene, welche die Bilder untermalt und sie teilweise im
Vorfeld der Gewaltdarstellung bereits grausam und angsteinflößend wirken lässt112.
Der moderne Horrorfilm hat die Figur der jungen, unschuldigen Frau als Opfer, die
sich als ‚final girl’, als einzige Überlebende dem Killer stellen muss geprägt, die Figur
des Mörders weist hingegen kaum Tiefgründigkeit auf, dafür werden die ‚spezial
effects’ variiert113. In der Phantastik haben Monster und bedrohliche Kreaturen die
Funktion die Menschen in eine beispiellose Extremsituation zu versetzen114. Die
Visualisierung des Nichtexistenten im Horrorfilm ist daher auch gleichbedeutend mit
den technischen Mitteln die hierfür in Abhängigkeit des Budgets zur Verfügung
stehen.
111 vgl. Mikos 2002, S.14ff 112 vgl. ebd., S.15 113 vgl. Hroß 2002, S.85 114 vgl. Hienger 1987, S.21ff
25
4.3. Die Symbolik des Horrors
4.3.1. Themen und Motive
Sowohl der klassische als auch der moderne Horror haben im Laufe ihrer Entstehung
ein Repertoire an Symboliken, Archetypen, Themengebieten und Erzählmustern
entwickelt, die verschieden stark als Stereotypen in das kulturelle Gedächtnis der
Gesellschaft eingegangen sind.
Wahn und die Verwirrung des Wahnsinnigen sind ein Teil des Horrors, können die
Betroffenen doch nicht mehr zwischen den Reizen der Außenwelt und denen ihres
Hirns unterscheiden. Ein bekanntes Beispiel ist die Persönlichkeitsspaltung der Figur
des ‚Dr. Jekyll/Mr. Hide’ oder der verrückte Wissenschaftler115. Krankheit und
Schmerz zeigen als Beschädigungen im Horror die Gestörtheit körperlicher Integrität,
Krankheit wird oftmals als Symbol für die Anwesenheit des Bösen verwendet, das
von einem Körper Besitz ergreift und sich durch zum Teil überdeutliche Symptome
der Krankheit äußert116.
Des weiteren finden sich im Horror Menschen mit übersinnlichen Fähigkeiten wie
Telekinese oder Telepathie, jedoch werden damit selten glücklich. Wie in ‚Carrie’
(1976) sehen sie meist schreckliche Ereignisse voraus, wirken als unverstandenes
Medium oder werden vom Bösen ausgenutzt117. Oftmals tritt das Böse im Horror in
Verbindung mit Sexualität auf und rekurriert so auf die psychoanalytischen Begriffe
Ich, Es und Über-Ich. Das Ausleben und die Unterdrückung von Sexualität bieten so
ein großes Repertoire an Anknüpfungspunkten für den Horror118.
Auf narrativer Ebene verfügt der Horror über ein relativ kleines und überschaubares
Repertoire an Archetypen und kulturellen Codes, denen er sich in allen seinen
medialen Ausprägungen bedient. Das ist für seine Wirkung jedoch keineswegs von
Nachteil, denn erst mit dem intuitiven Wissen um diesen Bestand an kulturellen
Codes können die ästhetischen Signale des Horrors entsprechend verstanden
werden. Sie verweisen auf ein kollektives Wissen, dass im Horrorfilm bestimmte
Objekte mit bestimmten Aggressionen, Gewalt, Schrecken und Angst verbunden
sind119.
115 vgl. Baumann 1989, S.246ff 116 vgl. ebd., S.253ff 117 vgl. ebd., S.266f 118 vgl. ebd., S.270ff 119 vgl. Brittnacher 2003, S.275ff
26
Das Böse, das Alte, das Fremde und die Dunkelheit bzw. die Leere sind seit je her
als Archetypen des Grauens in der menschlichen Psyche verankert, sie alle können
in abgewandelter Form in Horrorfilmen wiedergefunden werden. Das Böse in seiner
meist ästhetischen Hässlichkeit ist hierbei der fundamentale Grundtypus des Horrors,
der von den ProtagonistInnen bekämpft wird120. Der Typus des Alten ist ebenso
häufig und bedroht als dämonisierte, unterdrückte Macht bereits im gotischen Horror
in Form von Mumien oder Geistern die bürgerliche Welt. Selbiges gilt das Fremde, es
ist bedrohlich und grauenerregend, da es nicht mit uns bekannten Begriffen
beschreibbar ist. Die Dunkelheit symbolisiert jene unbestimmbaren, konturlosen
Ängste, sie stellt kein Bezugssystem zur Verfügung. Ähnlich verhält es sich mit der
Finsternis, der Nacht, dem Nebel und der Leere121. Ein Archetyp im modernen Horror
ist der Zerfall der Familienidylle und die Wandlung der Mutter von der Geborgenheit
als Lebensspenderin zur Bedrohung, hervorgerufen durch Wahnsinn oder den Zerfall
der Familie als sichernde Instanz122.
4.3.2. Gegenstände und Orte
Der Horror steht auch in Verbindung zu bestimmten Orten und Gegenständen mit
deren Hilfe eine entsprechende Gruselstimmung erzeugt wird oder die selbst zu
Trägern des Horrors werden. Im modernen Horrorfilm gibt es keinen potentiell
unschuldigen Gegenstand mehr, alles kann zu einer Bedrohung werden, Autos
(‚Christine’, 1983), Häuser (‚House on Haunted Hill’, 1959, 1999, 2007) oder ganze
Orte (‚The Village’, 2004) und oftmals sind am Ende die engsten Vertrauten die
Killer123.
Der Spiegel ist im Horror oftmals der Sitz des Bösen oder der Eingang in eine
andere, fremde Welt oder Dimension124. Auch gibt es im Horror kaum Bilder,
Gemälde oder Skulpturen, die nicht mit einem Fluch beladen wären bzw. zeigen sie
geheimnisvolle Landschaften oder verfluchte, schicksalhafte Gestalten, die aus dem
Bild heraus jeder Zeit ins Reich der Lebendigen zurückkehren können125. Im
modernen Horror sind zu dem Maschinen aller Art unheimliche und furchterregende
120 vgl. Baumann 1989, S.288ff 121 vgl. ebd., S.293ff 122 vgl. ebd., S.299f 123 vgl. Brittnacher 2002, S.278 124 vgl. Baumann 1989, S.322ff 125 vgl. Seeßlen; Weil 1979, S.38
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Gegenstände, da sie ein Eigenleben unabhängig von ihrer Bedienung durch den
Menschen entwickeln und sich so seiner Kontrolle entziehen können126.
Orte an denen sich grauenvolle Ereignisse abspielen oder abgespielt haben sind
besonders im klassischen Horror kein Zufall, denn das Böse hinterlässt Spuren und
bindet sich an bestimmte Orte, so z.B. in ‚Poltergeist’, (1982) oder ‚The Shining,
(1981). Das äußere Erscheinungsbild der Orte ist dann gleichbedeutend mit dem
Verfall der Macht seiner ehemaligen BewohnerInnen. Das Böse, das sich an Orte
bindet hat also zumeist auch eine Geschichte, die in irgendeiner Form mit dem Ort in
Verbindung steht127. So sind z.B. Keller Orte des Bündnisses mit dem Bösen, Gruften
und Gewölbe beherbergen dunkle Magien, unheimliche Gestalten und verdrängte
Ängste, symbolisiert durch den entmachteten Adel, der z.B. in Form des Vampirs
wiederkehrt. Auch alte, verlassene Häuser, Schlösser, Burgen oder deren Ruinen
symbolisieren den Verfall und die Todesnähe, welche die Halbwesen umgeben.
Außerdem entziehen sich diese Bauten ebenso wie wilde und verlassene Gärten und
Wälder durch ihr Eigenleben der Kontrolle und Erklärbarkeit des Menschen128, ihre
verfallene Optik und Architektur sind Symbol für die Abgeschiedenheit ihrer
BewohnerInnen gegenüber der restlichen Gesellschaft129. Auch das eigene Haus
kann zu einem intimen Ort des Schreckens werden, Dachböden sind Orte
vergessener Gegenstände, Treppen und Fahrstühle symbolisieren den Übergang
von Bewusstem zu Verdrängtem. Verschiedene Zimmer des Hauses stehen im
Horror für die Zerrissenheit der Welt und ihrer Wesen: Das Kinderzimmer als Ort
zwischen vermeintlicher Unschuld des Kinds und seiner Unvollständigkeit als
soziales Wesen, das Schlafzimmer als Ruheort zwischen Traum und Realität und
das Badezimmer als Ort zwischen Intimität und Abgeschiedenheit130. Kirchen sind
auf Grund ihrer verwirrenden Architektur und ihrem speziellen Spiel von Licht und
Schatten oftmals Ort der unheimlichen Handlung und paradoxerweise sowohl
Zufluchtsort von Halbwesen als auch Ort von Gegenständen zu ihrer Bekämpfung131.
Auch der Wald befindet sich abseits der Zivilisation und bietet durch die Dunkelheit
und seine Unübersichtlichkeit einen Aufenthaltsort für das Böse in Form wilder Tiere,
Hexen oder verrückter Mörder. Der Friedhof hat durch Legenden über Gräber von
126 vgl. Baumann 1989, S.327 127 vgl. ebd., S.328f 128 vgl. Seeßlen; Weil 1979, S.38f 129 vgl. ebd., S.119f 130 vgl. Vossoughi 2002, S.88f 131 vgl. ebd., S.84f
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Ungetauften, Verbrechern und Mördern deren Rückkehr ins Leben man fürchtete seit
je her eine unheimliche Aura deren Symbolik tief in dem kulturellen Bewusstsein der
Menschen verankert132.
In der Natur selbst lassen sich noch weitere Anzeichen für die Existenz des Bösen
oder die Anwesenheit des Übernatürlichen finden, so z.B. der Wind, der Nebel und
das Gewitter. Die Nacht als Sinnbild des Todes und als Zeit der Hexen und Geister
stellt ein Schlüsselelement des Horrorfilms dar. Der Mond und das Mondlicht stehen
ebenso in enger Verbindung mit dem Bösen, kann doch das Mondlicht eine vertraute
Umgebung anders aussehen lassen. Dem Vollmond wird die Kraft zugeschrieben
Tote wieder zum Leben zu erwecken und Geister aus der Erde zu locken, zu dem
initiiert er den Werwolfmythos133.
4.4. Der Körper im Horror
Mit der Entwicklung des Films im 20. Jahrhundert wird der Körper als
Projektionsfläche von Sehnsüchten einerseits und existentiellen Ängsten
andererseits forciert. Im Horrorfilm kommt gerade dem monströsen Körper eine
besondere Rolle zu, stellt er doch die Überschreitung der körperlichen Grenzen und
die Unsterblichkeit der Kreaturen dar. Der von den Monstern zur Schau getragene
verstümmelte Körper ist das Zeichen für ihre Erhabenheit über den Tod. Die
deformierten monströsen Körper wirken erschreckend, ekelerregend und abstoßend,
und symbolisieren die noch immer gegenwärtige Angst vor Krankheit, Ansteckung,
Siechtum und dem Verlust der Menschlichkeit134. Für den Horror und ist die
Zusammenführung des körperlich hässlichen und des moralisch hässlichen von
entscheidender Bedeutung. So tritt das Böse immer auch in abstoßender Gestalt auf
und das ästhetisch Hässliche lässt immer den Rückschluss auf das moralisch
Abzulehnende zu. Allerdings gibt es im Horror auch die Umkehrung, das Böse und
moralisch Hässliche kann ebenso im ästhetisch schönen Köper lauern, sei es in
Form des erotischen Vampirs oder als Wirt im Körper einer attraktiven jungen Frau.
Gerade im modernen Horror versteckt sich das Böse oftmals hinter der Maske bzw.
dem Körper des Schönen135.
132 vgl. Vossoughi 2002, S.82ff 133 vgl. ebd., S.76ff 134 vgl. von Brincken 2006, S.147f 135 vgl. Baumann 1989, S.127ff
29
Der Mensch wird im Horrorfilm als Gegenstand von Zerstückelung und Zerstörung
dargestellt, es wird nicht nur die Einheit von Seele und Körper, sondern auch die
biologische Einheit des Körpers in Frage gestellt. Der Horrorfilm verkehrt die
medizinischen Ideale, in dem der Mensch stirbt, damit Teile von ihm weiter existieren
können136.
Für den Horror ist aber auch die Verkörperung des Bösen, Grauenhaften und
Ekelerregenden in einer Gestalt bzw. als etwas Greifbares wesentlich, sprich das
Monster. Abgeleitet vom lateinischen ‚monstrum’ steht das Monster nicht nur für das
Ungeheuer, sondern auch für das Ungeheuerliche, wodurch ‚Monster’ und das
‚Monströse’ als Oberbegriffe des Horrors angesehen werden können. Monster
vereinen in der Tradition des Halbwesens in sich das Menschliche mit dem Nicht-
Menschlichen, hierbei können sie ebenso als Mutation der Natur wie als von
Menschenhand geschaffenes Wesen auftreten, der Prozess in dem das Menschliche
die Form des Nicht-Menschlichen annimmt ist dabei fundamental137.
Als eine Form des Monströsen stellt die widernatürliche Erscheinung der Untoten im
Horror eine Art Parodie auf das wirkliche Leben dar. Der Vampir ist im Mythos des
Gespenstischen verankert und erschreckt durch sein plötzliches Auftreten, durch
seine filmische Umsetzung wird er immer mehr zu einem Wesen, das zusätzlich
durch die Möglichkeit seiner Existenz und dem Vampirismus als Lebensform
schockiert138. Im klassischen Horrorfilm werden die untoten Vampire, oftmals als
ehemalige, noch gut aussehende Adelige präsentiert, der moderne Horrorfilm ersetzt
den Vampir weitestgehend durch den Zombie, eine verwesende, hässliche und
plumpe Gestalt zwischen Leben und Tod139.
„Das schrecklichste aller Monster ist der Mensch, und um das vor anderen und vor
sich selbst zu verbergen, trägt er Masken der unterschiedlichsten Art.“140 Die
Maskierung verdeutlicht im Horror aber noch viel mehr die Übernahme oftmals
konträrer sozialer Rollen und Identitäten. So verweist auch das Motiv des
Doppelgängers, der in einer Maskierung zum Ausdruck kommt auf das Monster im
Menschen und ist daher ein beliebtes Horror-Motiv, um das verborgene Monströse in
der Person nicht dauerhaft zu äußern, sondern eine Art Katalysator für das
136 vgl. Seeßlen; Weil 1979, S.126 137 vgl. Baumann 1989, S.308ff 138 vgl. Seeßlen; Weil 1979, S.117 139 vgl. Nikele 1996, S.19ff 140 Baumann 1989, S.318
30
intrapersonale Böse zu schaffen141. Die Masken entsprechen dabei oft einer
übertriebenen, fast karikierenden Version von bestimmten ausdrucksstarken
körperlichen Merkmalen oder Eigenschaften des Wesens, als Täuschung leugnen sie
den Menschen hinter ihr und sind zugleich Legitimation und Projektion des Wesens
und seiner Handlungen142.
4.5. Die Funktionen des Horrors
4.5.1. Angsterzeugung als Grundlage des Horrors
Der Horror und sein Auftreten in einem Werk haben die Funktion bei den
RezipientInnen in diesem Moment, an dieser Stelle des Werkes ein Gefühl von
Angst, Grauen, Ekel oder Abscheu hervorzurufen und gleichzeitig einen lustvollen
Umgang mit dem Horror zu ermöglichen. Dieser entspringt aus dem, „(...) was uns
diese fiktionalen Beschreibungen über die wirkliche Welt und unsere Stellung darin
lehren.“143 Die Erzeugung von Angst ist das zentrale Moment des Horrors, die
menschliche Angst ist ein zeitlos abrufbarer Zustand, lediglich die Themen der Angst
sind als Auslöser einem Wandel unterworfen144. Angst kann als Oberbegriff für ein
banges, beklemmendes Gefühl des Ausgeliefertseins mit einer entsprechenden
körperlichen Reaktion verstanden werden145. Innerhalb des modernen Horrorfilms
sind im Slasher- und Splatter-Film zusätzlich die Begriffe Ekel und Abscheu als
körperbezogene Reaktionen auf Unangenehmes zu unterscheiden. Im Sinne von
Zerfall, Verwesung oder Fäulnis eignen sie sich in Kombination mit dem
Entsetzlichen bestens um „(...) das objektlose Grauen des Horrors
heraufzubeschwören und gleichzeitig faszinierende Hinwendung zu
gewährleisten.“146
141 vgl. Baumann 1989, S.320f 142 vgl. Seeßlen/ Weil S.128f 143 vgl. Baumann 1989, S.83 144 vgl. Nikele 1996, S.15 145 vgl. Baumann 1989, S.235 146 ebd., S.245
31
4.5.2. Spannungserzeugung im Horrorfilm
Horrorfilme beziehen sich folglich auf die kognitiven und emotionalen Aktivitäten, die
sie bei den ZuseherInnen auslösen, Angst und Erschrecken entstehen im Horror
auch weil ihm im Vergleich zu anderen Genres die Hoffung auf einen guten Ausgang
der Geschichte fehlt. Das Böse kann nur temporär besiegt werden, wodurch man es
im Horrorfilm mit einer gesteigerten Form der Bedrohung zu tun hat147. Im modernen
Horrorfilm verlagert sich zu dem die Perspektive von außen nach innen, die
klassische Formel zur Erzeugung von Horror, d.h. die Suggestion des Grauens aus
dem Off oder an Hand der Reaktionen der bedrohten Personen, wird im modernen
Horrorfilm durch die ausdrückliche Darstellung der Gewalt ersetzt148.
Das Erlebnis von Unstimmigkeit bezieht sich im Horrorfilm meist auf eine Figur oder
einen Gegenstand, welche/r die Auffassungen und Erwartungen an die Realität
beunruhigend durchbrechen, jedoch auch die Motivation auslösen, diese Störung zu
beseitigen. Im klassischen Horror wird die Abnormalität und Verängstigung durch
Figuren und Gegenstände erzeugt, die bedrohlich und unheimlich wirken. Im
modernen Horrorfilm hingegen wird eine ambivalente affektive Ebene erzeugt, die
sich zum einen auf die Figuren bezieht, da jede/r potentiell Opfer und/oder Täter sein
kann (z.B. ‚Scream’, 1996) und zum anderen auf das zwiespältige Erfahren der
Geschichte, die gleichermaßen erschreckend und auch lustig sein kann (z.B. ‚Shaun
of the Dead’, 2004). Moderne Horrorfilme erzeugen so über Irritationen in dem, für
die RezipientInnen unsicheren Handlungsverlauf ein Spannungsverhältnis, das
unabhängig von jeder Identifikation mit den ProtagonistInnen funktioniert149.
4.5.3. Die Darstellung von Gewalt im Horrorfilm
Es scheint so, „(...) dass beim Horror die Lust am Grauen deshalb möglich ist, weil es
die Lust an seiner Darstellung ist.“150. Für das Verständnis und die Beurteilung von
Horror muss daher eine Unterscheidung zwischen realen Gewalttaten und fiktional
dargestellten Gewalttaten gemacht werden, es muss das Unheimliche, das man
selbst erlebt von dem Unheimlichen, das man sich bloß vorstellt getrennt werden. Die
147 vgl. Mikos 2002, S.13 148 vgl. Vonderau 2002, S.129f 149 vgl. ebd., S.133ff 150 Baumann 1989, S.85
32
Handlung existiert und verläuft in der Fiktion unabhängig von den BetrachterInnen,
sie ist festgelegt und kann nicht in die reale Welt der RezipientInnen hineinwirken.
Somit funktioniert der Horror nicht wegen dem Glauben an seine Gestalten, sondern
wegen der Möglichkeit sich auszumalen, was wäre, wenn es sie wirklich geben
würde. Das Bedrohliche existiert also nicht real, sondern in Form von Sprache und
Bildern, als Übereinkunft zwischen RezipientInnen und ProduzentInnen151. Durch die
ästhetische Darstellung des Grauenhaften stellt der Horror das gegebene
Realitätsprinzip in Frage, denn die Möglichkeit das Böse ästhetisch zu genießen
bedeutet eine Umkehr der eigentlichen Wertigkeiten152. Die gewaltsame Vernichtung
des Bösen ist im Horror durch die Notwehr gerechtfertigt, da das Monster ebenso
gewaltsam in Alltagswelt der Opfer eindringt und tötet. „Die moralische Basis des
Horrors (...) ist nicht die des Strafgesetzbuches, sondern das subjektive Empfinden
der Protagonisten bezüglich des Guten, Gerechten und Wünschenswerten.“153
Im Horror existiert kein schöner und romantischer Tod und auch kein idealisiertes
Übertreten in eine andere Welt, die Protagonisten sterben qualvoll und detailreich.
Das Schicksal duldet im Horror keinen Widerstand, jeder Versuch sich ihm zu
widersetzen oder seine Endgültigkeit anzuzweifeln wird eindrucksvoll bestraft, und
auch gegen die monströse Bedrohung existiert keine endgültige Lösung, jedoch zeigt
der Horror, dass zumindest brachiale Gewalt eine temporäre und auch spektakuläre
Lösung sein kann154.
4.5.4. Normen, Werte und Moral im Horrorfilm
Der Horror vermag es trotz seiner schrecklichen und ekelerregenden Bilder auch
gesellschaftliche Missstände z.B. zum Zeitpunkt seiner filmischen Produktion
anzusprechen. Nicht selten sind es profitgierige Unternehmer, realitätsfremde
Wissenschaftler oder korrupte Politiker, die das Böse heraufbeschwören155. Die
Grundstimmung im Horror ist eine alle gesellschaftlichen Bereiche betreffende,
pessimistische Weltanschauung. So hat der Horror mit der Figur des ‚mad scientist’
z.B. eine Personifizierung der Wissenschaftsverachtung geschaffen, die verdeutlicht,
dass im Horror nur eine Rationalität reduzierende Wissenschaft vertretbar ist. Eine
151 vgl. Baumann 1989, S.85ff 152 vgl. von Brincken 2006, S.169 153 Baumann 1989, S.277 154 vgl. Brittnacher 2003, S.277ff 155 vgl. Baumann 1989, S.210ff
33
solche Illusionslosigkeit ist eine Grundvoraussetzung für den Horror, sie zeigt auf,
dass das Böse sich nicht intellektuell, sondern nur existentiell bekämpfen lässt 156.
Im frühen, klassischen Horror steht die moralisch-normative Komponente in
Ergänzung zu Mythen noch deutlich im Vordergrund. Beispielsweise handelt das
Schauermärchen zumeist von Missachtungen der Normen und Wertvorstellungen
einer Gesellschaft. Es ist moralisch in Herrschaftssystem eingegliedert, das Gute
besiegt das Böse, das Böse, in dem Fall das unartige Kind, wird bestraft, seine Angst
vor dem Bösen gestärkt und die Erlösung durch Gehorsam propagiert. Die Wesen im
klassischen Horror empfinden ihre Existenz oftmals als Strafe für ein
vorangegangenes Verbrechen der Menschheit an Moral und Ethik.157.
Die Horrorfilme der 1940er und 1950er Jahre waren von neuen Ängsten wie dem
Atomzeitalter geprägt und vermischen sich daher stark mit dem Science-Fiction-
Genre, auch die gesellschaftliche und ideologische Verunsicherung durch die
McCarthy-Ära beeinflusste das nihilistische Bild der Welt im Horrorfilm158. Mit Werken
wie ‚Peeping Tom’ (1960) und ‚Psycho’ (1960) und dem Aufkommen des Slasher-
Films ändert sich auch der gesellschaftliche Fokus des Horrors. Das Verhältnis von
Gut und Böse und der Aspekt der Gerechtigkeit werden verkehrt. In Hitchcocks
‚Psycho’ ist z.B. klar, dass Norman Bates zwar gefasst, aber nicht geheilt wird, in
späteren Slasher-Filmen wird dieses Motiv erweitert, in dem das Böse weder
weggesperrt noch endgültig besiegt werden kann. Die rationalen Vorstellungen von
Moral und Ordnung gehen in den Slasher-Filmen verloren, die Taten der Mörder sind
eine Strafe für Verstöße gegen gesellschaftliche Normen, jedoch existiert ein
Missverhältnis zwischen der Tat des Opfers und dem Tod als zu erwartende Strafe.
In Slasher-Filmen ist zumeist das Streben der Opfer nach sexueller Freiheit ein
zentrales Moment, wodurch die größtenteils weiblichen Opfer nicht nur auf Grund
ihrer Konnotation als Sexualobjekt, sondern auch als freiheitssuchende Personen
getötet werden159. Die detaillierte Inszenierung des Mordens in den amerikanischen
Splatter-Filmen der 1960er und 1970er ist durchaus als kritischer Verweis auf den
Vietnamkrieg zu verstehen. Es mussten Bilder geschaffen werden, die den realen
Schrecken der bekannten Kriegsbilder ästhetisch noch übertrafen. Der Horror muss
156 vgl. Brittnacher 2003, S.276f 157 vgl. Seeßlen; Weil 1979, S.17ff 158 vgl. Koebner 2007, S.312 159 vgl. Hroß 2002, S.83
34
also auch in Zeiten der realen Katastrophen eine Überbietung dieser erzeugen
können, da ansonsten seine Grundfunktion des Schockierens nicht gegeben ist160.
4.6. Mediale Gewalt(darstellungen)
Es ist deutlich geworden, dass der Horror in seiner Geschichte gezwungenermaßen
ästhetisch wie auch inhaltlich mit Gewalt und ihren Darstellungen arbeitet. Aus dem
Germanischen kommend bedeutet Gewalt im übertragenen Sinn
‚Verfügungsfähigkeit haben’ und steht so in Verbindung mit ‚walten’ und ‚verwalten’.
Ebenso kann der Begriff eine große ‚Kraft’ oder ‚Energie’ bezeichnen, die wie z.B. die
Naturgewalt aus einem Ereignis hervorgeht161. Auf dieser Grundlage ist ein
Gewaltbegriff entstanden, „(...) der im Sinne einer ‚verletzenden’ oder ‚gewalttätigen’
Handlung zwischen Personen oder im Verhältnis zu Sachen verstanden wird.“162
Dieser Gewaltbegriff steht somit auch in Verbindung zu physisch verletzendem und
einschränkendem Verhalten, das gegen das geltende Recht verstößt. Vom
semantischen Gehalt ausgehend kann unter ‚Gewalt’ folgendes verstanden werden:
- „Gewalt im Sinne eines auf einem Recht beruhenden ‚Macht-‚ oder
‚Herrschaftsverhältnisses’;
- Gewalt als Energie, Kraft, Stärke;
- Gewalt als unrechtmäßiges und gewalttätiges Vorgehen gegenüber Personen
oder Sachen.“163
In den Sozialwissenschaften wird der Begriff der Gewalt zunächst grundlegend
unterschieden in physische und psychische Gewalt, legalisierte und nicht-legalisierte
bzw. institutionalisierte und nicht-institutionalisierte Gewalt. Weitere, auf soziale
Faktoren bezogene Differenzierungen existieren zwischen personeller, direkter und
struktureller, indirekter Gewalt und zwischen expressiver (lustbetonter, affektiver) und
instrumenteller (lustarmer, affektarmer) Gewalt164.
Der Begriff der ‚medialen Gewalt’ ist schwer zu erfassen, da er die, durch die Medien
produzierte, vermittelte, und transportierte Gewalt meint. Diese ist aber nur durch die
Rezeption als symbolisch repräsentierte, in Bild, Text und Ton bestehende mediale
160 vgl. von Brincken 2006, S.151f 161 vgl. Kleber 2003, S.23 162 ebd., S.23 163 ebd., S.24 164 vgl. ebd., S.25ff
35
Gewalt erfahrbar und fassbar und nicht in realer Form165. Mediale Gewalt kann als
solche alle gesellschaftlich real vorhandenen Gewalt- und Konfliktformen abbilden,
für den analytischen Zugang wird eine opferzentrierte Perspektive empfohlen.
Innerhalb medialer Gewaltdarstellungen lassen sich zwei Darstellungsweisen
unterscheiden. Einerseits solche die als ‚sauber’ erscheinen, da sie medial
ästhetisiert sind, d.h. sie zeigen keine Reaktionen und Folgen bzw. Schäden der
Gewaltanwendung, andererseits ‚schmutzige’ Gewaltdarstellungen, die auf Grund
ihrer Machart realistisch erscheinen, es aber nicht sind. Auch in non-fiktionale
Fernsehformaten wie den Nachrichten, wird reale Gewalt durch televisionäre
Selektions- und Gestaltungsprozesse der Szenenauswahl, der Kameraperspektive
oder des Schnitts in medial bearbeitete, wirklichkeitsreduzierte Gewalt
transformiert166.
165 vgl. Kleber 2003, S.33 166 vgl. ebd., S.34f
36
5. Stand der Forschung
Die Forschung im Bereich der Musikvideoclips erstreckt über Themenbereiche wie
die Entwicklung von Fernsehen und Musikfernsehen aus ökonomischer Sicht oder
inhaltsanalytische Arbeiten bezüglich kommunikativer Dimensionen, am häufigsten
sind dabei Fragen zu Geschlechterbildern und zu Gewaltdarstellungen in
Musikvideos167. In Musikvideoclips wird oftmals ein Kontingenz-Overload, d.h. eine
Bilderflut beklagt, die kognitiv gar nicht stattfinden kann, viele Studien sind daher
Rezeptionsanalysen. Erst mit dem wachsenden Zusammenhang von Kunst und
Musikkultur entstanden vermehrt Produktanalysen zu Videoclips168, die jedoch mit
einigen grundlegenden Probleme konfrontiert sind. „Erstens gehört das Material
unterschiedlichen Darstellungs- und Ausdrucksmedien an. Zweitens gibt es für die
visuellen Strukturen keine genuine Zeichenabstraktion, wie die Schrift resp.
Notenschrift. Drittens ist dennoch ein von Ton und Bild gleichermaßen abstrahiertes
Verfahren erforderlich, um die Relation zwischen Ton und Bild überhaupt adäquat
beschreiben zu können.“169 Zu dem befindet sich der Videoclip als populärkulturelles
Medium in einem ständigen historischen und ästhetischen Wandel, Analysen müssen
immer in Bezug zum Zeitpunkt der Entstehung von Clips betrachtet werden170.
5.1. Gewalt in Musikvideoclips
Gewalt in Musikvideoclips betrifft verbale Gewaltäußerungen und Beschreibungen
von Gewalttaten ebenso wie explizite visuelle Darstellung von Gewalt in Ergänzung
zum Songtext oder als dessen bildliche Umsetzung. Einigen Musikgenres wie Heavy
Metal oder Gangsta-Rap wird eine höhere Affinität zu Darstellungen von Gewalt,
Tod, Satanismus usw. in Texten und Clips nachgesagt und auch nachgewiesen. In
diesem Zusammenhang wird oftmals die These geäußert, dass Musikvideos durch
eine entsprechende Umsetzung auf der Bildebene gewalthaltige Texte unterstützen
oder verstärken und somit gewaltfördernd oder seien171. Durch die häufig
performative Inszenierung der Persönlichkeit der InterpretInnen in Form eines Image,
stehen Gewaltdarstellungen in Videoclips jedoch immer in einem szenespezifischen
167 vgl. Altrogge 2001 (I), S.5ff 168 vgl. Jacke 2003, S.29ff 169 Altrogge 2001 (I), S.115 170 vgl. Pape; Thomsen 1997, S.202 171 vgl. Kunczik;Zipfel 2006, S.331ff
37
Bezugsrahmen, der kulturelle Unterschiede in der Darstellung, der Funktion und der
Bedeutung von Gewalt hervorbringt, die in Bezug auf musikalische Jugendkultur,
Jugendszene und Musikstil betrachtet werden müssen172.
Bei der Analyse von Gewalt in Musikvideos ist die Darstellungspraxis wesentlich, d.h.
wird z.B. nur die Ausübung von Gewalt gezeigt oder auch die Folgen. Ebenso ist der
Kontext, in den Gewalt gesetzt wird von Bedeutung, ist sie z.B. als Spiegel
veralltäglichter Gewalt zu verstehen oder will sie soziale Konfliktpunkte aufzeigen. So
stellt sich in Clipanalysen immer die Frage nach der kritischen Reflexion von Gewalt,
gerade weil sie oft als Ausdruck jugendlicher Rebellion, als Generationenkonflikt oder
als Sexualisierung und schwindende gesellschaftliche Moral verstanden wird und
z.B. weniger als bewusster Tabubruch oder eine Form von Protest173.
Michael Richs (1998) Untersuchung von 518 Musikvideos ergab, dass in 15% der
Fälle direkte, interpersonelle Gewalt gezeigt wurde, in denen der Protagonist in 80%
der Fälle als Aggressor auftrat. Durch die Art der Präsentation von Gewalt und den
zumeist attraktiven HauptdarstellerInnen meint Rich, würde Gewalt durch
Musikvideos idealisiert. Auch Lichter, Lichter und Amundson (1999) haben in einer
Analyse von 189 Musikvideos im Schnitt 3,6 Gewaltszenen pro Videoclip gezählt. Die
in 90% der Fälle direkt gezeigte Gewalt wurde fast nie moralisch beurteilt und führte
in dreiviertel der Fälle zu keinen sichtbaren physischen oder psychischen
Konsequenzen. In der ‚National Television Violence Study’ (1994-1997) wurden
1.962 Musikvideos untersucht, von denen 15% Gewaltdarstellungen enthielten. In
nur 11% der gefundenen Musikvideos mit Gewaltdarstellungen wurden auch die
Konsequenzen der Gewalt thematisiert. Bestrafungen oder Rechtfertigungen für die
meist realistisch dargestellte Gewalt fehlen in dreiviertel der Fälle. Der Gewaltgehalt
in Musikvideos hängt, so das Ergebnis nicht zuletzt vom Kontext des Musikgenres
ab. Rap Videos enthielten in der Studie deutlich mehr Gewalt (29%) als andere
Genres (7% - 12%)174. Beispiele für Gewaltsymbolik finden sich aber nicht nur im
Rap/HipHop-Bereich in Form von Verweisen auf ‚Gansterism’ und ‚Street Credibility’.
Im Death- und Trash-Metal stellen sie Hintergrundornamente dar, im Dance-Clip zu
‚Smack My Bitch Up’ von The Prodigy ist Gewalt als exzessives Ausleben innerhalb
der Party-Techno-Szene vorhanden und im Brit-Rock-Clip zu ‚Bittersweet Symphony’
172 vgl. Neumann-Braun; Mikos 2006, S32f 173 vgl. ebd., S.35f 174 vgl. Kunczik; Zipfel 2006, S.334ff
38
von The Verve als Aggression des Außenseiters gegenüber der ignoranten
Umwelt175.
5.2. Horror in Musikvideoclips
Der Zusammenhang von Horrormythen und Gewaltdarstellungen ist offensichtlich
und betrifft gleichermaßen die Literatur, den Film und Musikvideoclips. Das
berühmteste ‚Horror-Musikvideo’ ist wahrscheinlich John Landis Clip zu Michael
Jacksons ‚Thriller’ aus dem Jahr 1983, in dem dieser als Werwolf und Zombie
stereotype Horrorfiguren verkörpert. Interessant an ‚Thriller’ ist, dass die dargestellte
Zerrissenheit der Halbwesen, auch symbolisch für die damalige Verwandlung der
medialen Figur Michael Jackson vom Soul-Kinderstar zum androgynen ‚King of Pop’
gesehen werden kann176. Der ‚thrill’ ist im Songtext weniger als Horror, denn in seiner
Doppeldeutigkeit als Gruseln und als Erregung vorhanden. Der Clip bemüht sich um
große Ähnlichkeit zu bekannten Horrorfilmen, kann seinen leicht parodistischen
Charakter aber nicht verbergen, welchen er durch die Soundeffekte, den Sprech-Part
von Vincent Price und die Tanzszene der Zombies erhält177.
Eines der bekanntesten Musikvideos, in dem der Horror alle Clip-Ebenen umfasst ist
Chris Cunninghams Video zu Aphex Twins ‚Come To Daddy’ (1997). Das Musikvideo
erzählt in einem tristen, urbanen Setting die Geburt eines Monsters aus dem (Musik-
)Fernsehen. Es verleiht in der Tradition des modernen Horrors dem latenten Grauen
einen Körper und manifestiert zugleich den bedrohlichen, unbekannten Raum hinter
dem Fernsehbildschirm. Des Weiteren ist das Doppelgängermotiv zentral, dargestellt
durch eine Horde Kinder mit identischen, verzerrten Gesichtern, die das Bild einer
unaufhaltsamen, in der vermeintlichen Unschuld des Kindlichen verborgenen
Bedrohung erzeugt178. In einer mehrfachen körperlichen Transformation nimmt das
Monster schließlich ebenfalls jenes verzerrte Gesicht von Aphex Twin an, wodurch
es sich mit der gleichgesichtigen Kindergruppe äußerlich vereint. Von Beginn an
finden sich im Videoclip in der räumlichen und figürlichen Gestaltung filmische
Rückgriffe auf die Ikonografie des Horror- und Teufelsfilms179. Ein wichtiges Motiv ist
die scheinbar idyllische Mittel-Sequenz in Form eines Kinderliedes: sie durchbricht
175 vgl. Neumann-Braun;Mikos 2006, S.34f 176 vgl. Mercer 1999, S.208ff 177 vgl. ebd., S.211ff 178 vgl. Meteling 2006, S.311ff 179 vgl. Frahm 2007, S.76ff
39
als Kontrapunkt den Horror und stellt ihn dadurch als noch viel grausamer dar, weil
nun diese eingeschobene, harmonische Sequenz durch ihre Abweichung vom
restlichen Clip das eigentlich befremdende ist180.
Ein neueres, vielfach interpretiertes wie zensiertes Beispiel für die Verwendung
moderner Horrorästhetik im Videoclips findet man in Vaughn Arnells Musikvideo zu
‚Rock DJ’ von Robbie Williams aus dem Jahr 2000. Hier wird zunächst der
performende Star Robbie Williams gezeigt, wie er für eine Gruppe Frauen tanzt. Auf
Grund ihres mangelnden Interesses an ihm als Star, beginnt er sich auszuziehen, als
die jubelnde Frauenmenge nach mehr verlangt, reißt sich der nackte Robbie auch
seine Haut und sein Fleisch vom Körper und wirft es in die Menge. Am Ende bleibt
von ihm nur noch ein tanzendes Skelett übrig.
Robbie Williams inszeniert sich hier mit Mitteln des Splatter-Films in seiner
Doppelfunktion als Held und Antiheld, als Star, der seine gespielte Rolle bis zur
totalen Gleichheit mit den Fans ablegen kann, symbolisiert durch das Skelett als
grundlegendste Gemeinsamkeit aller Menschen. Das eigene Zerfleischen ist dabei
die totale ‚Fleischbeschau’, die Dekonstruktion des Star-Körpers zu einem
gewöhnlichen anatomischen Körper. Erst dadurch wird das Interesse des weiblichen
Publikums geweckt und die Ordnung der Popstarwelt wieder hergestellt181. Dieser
Videoclip kann sein populärkulturelles Wesen allerdings nicht verheimlichen und wirkt
nicht in der Härte, die seine Aussage haben könnte: die Abrechnung mit dem
zerfleischenden Popbusiness182.
180 vgl. Mertin 2002 181 vgl. Meyer-Seipp 2005, S.73ff 182 vgl. Mertin 2000
40
6. Musikvideoclipkorpus
6.1. Erstellung der Typologie
Die drei angesprochenen Musikvideos finden sich auch in dem erstellten
Videoclipkorpus wieder, der die empirische Grundlage für die Analyse zweier
ausgewählter Videoclipbeispiele darstellt. Auf die Erstellung des Korpus hatten
weder Sendezeiten oder Häufigkeiten der Ausstrahlung noch Formate bekannter
Musiksender, Musikrichtungen oder Produktionsdaten einen Einfluss. Die Vorgabe
war lediglich die inhaltliche Berücksichtigung der theoretisch fundierten Definition von
Horrorsymbolen und Horrormythen und deren Identifikation auf der Bild- und/oder
Textebene des Musikvideos. Die Formen und Funktionen von Horror auf der
Tonebene des Musikvideoclips bedürfen einer gründlicheren und theoretisch
fundierteren Bearbeitung, als es in der vorliegenden Arbeit möglich ist, sie sollen
daher als Desiderat behandelt werden.
Die Videoclips wurden auf zwei verschiedene Weisen erhoben, zum einen über das
Programm der Musiksender MTV, VIVA und deren Ableger MTV2 Pop und VIVA
Plus, zum anderen über entsprechend spezialisierte Internetseiten. Dazu wurde in
verschiedenen Videoclip-Datenbanken und Videoportalen über relevante Stichwörter
nach Clips gesucht (siehe Liste im Anhang). Des weiteren wurden persönliche
Homepages von RegisseurInnen und InterpretInnen, Homepages von verschiedenen
Labels und Produktionsfirmen und Fan-Sites für die Recherche herangezogen. Als
Kriterium für die Aufnahme in den Korpus galt dabei das Vorkommen eines
Horrortyps auf mindestens einer der beiden Clipebenen Bild und/oder Text.
Um zu einer brauchbaren Typologie zu gelangen, wurden die theoretisch fundierten
Horrormythen in Bildersteindrucksanalysen an dem gesammelten Videoclipmaterial
hinsichtlich der dort dargestellten Objekte und Figuren und den verwendeten
Ästhetiken überprüft. Das Ergebnis dieser Vergleiche zeigt, dass alle sechs
klassischen Horrormythen in den gesammelten Videoclips empirisch bestätigt
werden können, jeder Mythos kann in mindestens drei verschiedenen Videoclips
aufgefunden werden. Hinzu kommt, dass sich durch weitere Differenzierung drei
zusätzliche Typen bilden lassen, so dass insgesamt neun Typen gebildet werden
können, denen sich das Gesamtmaterial zuordnen lässt. Den Kernkorpus bilden 136
Musikvideoclips (siehe Liste im Anhang), die durchaus mehr als nur einen der neun
41
Typen beinhalten können, weswegen für die Zuordnung der in Bild oder Text am
häufigsten oder am markantesten auftretende Horrortyp gewählt wurde. Bei einem
gleichberechtigten Auftreten mehrerer Horrortypen, wurde der entsprechende Clip
mehrfach kategorisiert, jedoch nur einmal gezählt. Die neun Typen lauten wie folgt:
1. der künstliche Mensch bzw. das künstliche Wesen
2. Wesen, die nicht tot und nicht lebendig sind
3. Tiermenschen
4. Tiere, die menschliche Züge annehmen
5. Doppelgänger
6. Hexen und Hexerei
7. Mörders, Killers und Irre
8. Masken und Maskierungen
9. Albtraum
Hierbei entsprechen die Typen eins bis sechs den klassischen, aus der Literatur
stammenden Horrormythen, Typ sieben entstammt dem modernen Horrorfilm und die
Typen acht und neun stellen allgemeinere Mythen oder Motive dar, die sowohl im
klassischen als auch im modernen Horror vorkommen.
6.2. Beschreibung der erstellten Typologie
1. Der künstliche Mensch/ Das künstliche Wesen
Dieser Horrortypus kommt eher selten in den Musikvideos des Korpus vor, da es sich
um eher unbekanntere klassische Figuren handelt, die eine aufwändigere inhaltliche
Einbettung benötigen um als Horror und nicht als Science-Fiction verstanden werden
zu können. ‚Born in 69’ der Band Rocket From The Crypt zeigt beispielsweise eine
an Frankenstein-Filme angelehnte Transplantation eines Hirns zur Schaffung des
künstlichen Menschen, in ‚Obscure’ von Dir En Grey werden im Setting einer
Obduktion mehrere künstliche Wesen dargestellt und in ‚The Day The Dead Walked’
der Band Six Feet Under wird eine Leiche ausgegraben und anschließend in einem
Labor wiederbelebt. Das künstliche Wesen tritt aber auch in laborfremden
Situationen auf, was eine metaphorischere Darstellung ermöglicht. So bringt in
‚Come To Daddy’ von Aphex Twin ein Fernseher das Monster in die Welt und im Clip
zu ‚Believe’ der Chemical Brothers sind tierartige Monstermaschinen als Wesen
zwischen Realität und Wahn der Ausdruck psychischer Instabilität des Menschen.
42
Das künstliche Wesen lässt sich auch als Metapher zu der Künstlichkeit des Musik-
Stars interpretieren, so z.B. im Clip zu Marilyn Mansons ‚The Beautiful People’, in
dem dieser als Wesen mit überdimensionalen künstlichen Gliedmaßen präsentiert
wird. Gerade im Fall von Marilyn Manson zeigt sich, dass eine derart dargestellte
Künstlichkeit auch als bildästhetisches Image einer Band oder eines/r KünstlerIn
genutzt werden kann. Jene Musikvideos des Korpus, die dem Typ des künstlichen
Wesens oder Menschen zugeordnet werden können, entstammen überwiegend dem
Rockmusikgenre und nutzen die visuelle Funktion des Horrors hauptsächlich als
narrative oder visuelle ästhetische Ergänzung.
2. Wesen, die nicht tot und nicht lebendig sind (‚Untote’)
Fast die Hälfte der Videoclips des Korpus lässt sich dem Typ der ‚Untoten’ zuordnen,
was zunächst damit erklärt werden kann, dass diese Kategorie die meisten und
bekanntesten Figuren enthält, zu denen auch der Zombie zählt. Die Besonderheit der
Figur des Zombies ist es, dass sie auf Grund ihrer äußeren Erscheinung durch
wenige Merkmale angedeutet und ohne weitere Einbettung in ein spezielles Setting
verwendet werden kann. Des Weiteren ist anzunehmen, dass die untoten Wesen
durch eben jenen körperlichen Zustand im Prinzip die größte phantastische
Anziehungskraft sowohl auf RezipientInnen als auch auf die InterpretInnen als
potentielle DarstellerInnen ausüben, die z.B. beim Vampir ebenso erotischer und
sexueller Natur sein kann. Besonders in Pop- und Boygroup-Videos wie ‚Everybody
(Backstreet’s back)’ der Backstreet Boys, ‚Just Because Of You’ von Us5, ‚Wall To
Wall’ von Chris Brown oder dem an ‚Nosferatu’ angelehnten Clip zu ‘Sumisu’ von
Farin Urlaub wird der Vampir als Figur zwischen Erotik und Gefahr inszeniert. Die
Darstellung einer erotischen Horrorfigur lässt somit immer noch die positive
Konnotation des Stars zu, wohingegen im Fall des Zombies bereits ein höherer
Abstraktionsgrad zwischen Star und Figur von Nöten ist. Der Reiz der Zombiefigur
liegt im Musikvideoclip eher in seinem optischen Auftreten und in der Möglichkeit der
parodistischen Entfremdung durch Tanzchoreografien, wie in Michael Jacksons
‚Thriller’ und der wiederum daran angelehnten Parodie in ‚Somebody’s Watching Me’
der Beatfreakz zu sehen ist. Das Video zu Phantom Planets ‚Big Brat’ hingegen zeigt
die Band bei der Heimproduktion eines anschließend aufgeführten Zombiefilms, was
gleichzeitig als Parodie und als Hommage verstanden werden kann. Die Wirkung ist
43
durch die Offenlegung der filmtechnischen Vorgänge in diesem Clip jedoch
abgeschwächt.
Die Figur des Skeletts oder das Symbol des Totenkopfs findet man in den
Musikvideos des Korpus am häufigsten. Das liegt daran, dass diese Horrorfiguren
ohne einen weiteren Zusammenhang mit Horror bzw. auch losgelöst von diesem
verwendet werden können. Die tanzenden Skelette im Video zu ‚Hey Boy Hey Girl’
der Chemical Brothers treten, hervorgerufen durch den Röntgenblick einer jungen
Frau eher als Symbol der Gleichheit aller Menschen auf, in ‚Around The World’ von
Daft Punk sind sie lediglich optischer Ausdruck einer akustischen Vorlage und in ‚Go
With The Flow’ der Queens of the Stone Age steht der Totenkopf als Symbol für
Rock’n’roll. Gegenteilige Beispiele sind z.B. die düstere, marschierende Skelett-
Armee in ‚Seven Nation Army’ von The White Stripes oder die bedrohlichen Skelett-
Ritter im Clip zu ‚Burn It Off’ von Jon Spencer Blues Explosion. Totenköpfe und
Skelette eigenen sich durch die Vielzahl ihrer symbolischen Bedeutungen jedoch
besonders zur beiläufigen, nicht mit Horror verbundenen Einstreuung auf der
Bildebene eines Musikvideos. Als Horrorsymbol ausgewiesen, stellen sie jedoch eine
Möglichkeit dar, für eine kurze Zeit im Clip ein düstereres oder ‚härteres’ Image der
InterpretInnen zu erzeugen, ohne dass ein vollständiger Imagewandel nötig wäre. Im
Videoclipkorpus gilt dies sowohl für narrative als auch für Performance-Clips.
Beispiele hierfür sind die Videos zu ‚New Noise’ von Refused, in dem die Band kurz
in Zombiemasken auftritt, ‚Kick It’ von Peaches & Iggy Pop und ‚What Doesn’t Die’
von Anthrax, in denen die Performance der KünstlerInnen in von Zombies bedrohten
Settings stattfindet, oder auch die kurzen Einblendungen von Horrorsymbolen in den
Clips zu ‚Alala’ von CSS, ‚Vampire Racecourse’ von The Sleepy Jackson und ‚Solo
Impala’ von The Fashion.
Die mediale Konzeption eines ‚härteren’ Images der InterpretInnen durch ihre
Inszenierung als untote Wesen, findet sich ebenfalls im Clip-Korpus wieder. So tritt
die Dance-Pop-Formation Beatfreakz in ihren Clips als eine Gruppe Untoter auf, die
finnische Band Lordi visualisiert ihr Image als Schock-Rock-Band durch die
Verkleidung als Halbwesen zwischen Mythologie und Zombie und die Gruppe Young
Punx lässt sich in ihren computeranimierten Musikvideos durch singende Totenköpfe
und tanzende Skelette vertreten.
In der Kategorie ‚Wesen, die nicht tot und nicht lebendig sind’ sind alle Musikgenres
und visuellen Funktionen des Horrors vertreten, zwei Aspekte fallen dabei jedoch auf:
44
bildliche Umsetzungen von Horrortexten fallen zumeist in das Genre der Rockmusik
und der Großteil der Videos beinhaltet Performance-Elemente.
3. Tiermenschen
Die Inszenierung von Tiermenschen auf der Bild- und Textebene in den Musikvideos
des Korpus ist mit wenigen Ausnahmen auf die Figur des Werwolfs beschränkt. In
Titeln wie ‚Wolf like me’ von TV on the Radio, ‚We’re Wolf’ von Everytime I Die oder
‚Someone’s in the Wolf’ von Queens of the Stone Age finden sich zahlreiche
Anspielungen und metaphorische Verwendungen, die meist auch visuell
entsprechend umgesetzt werden. Ein Grund dafür ist der hohe kulturelle
Bekanntheitsgrad des Werwolfmythos und sein gleichsam hoher optischer
Wiedererkennungswert und so reichen kurze Einblendungen typischer Symbole wie
spitze Ohren und Zähne oder ein haariges Gesicht in den meisten der Videos bereits
aus. Es lassen sich aber auch weitere Tiermenschen in den Videos des Korpus
identifizieren: in ‚Who Cares’ von Gnarls Barkley verwandelt sich der Protagonist als
Vampir auf der Suche nach nächtlicher, weiblicher Bekanntschaft in eine
Fledermaus, in ‚Good Stuff’ von Clor findet durch den Blick eines Nachtsichtgerätes
ein Kampf zwischen Mensch und einem Bigfoot-ähnlichen Monster statt und in
‚Sheena is a parasite’ von The Horrors ist die Hauptdarstellerin nur scheinbar eine
gewöhnliche Frau, denn jedes Mal, wenn sie im blitzenden Licht ihr Kleid hochreißt
schießen der Kamera krakenähnliche Fangarme entgegen.
Der Mythos des Tiermenschen ist als Ausdruck des unterdrückten Animalischen im
Menschen stets negativ konnotiert. Seine Inszenierung in Musikvideos muss daher
unter Heranziehen von Text und Musik vorsichtig gestaltet werden. Die gängigste
Darstellung ist die Verwandlung des/der ProtagonistIn in einen Tiermenschen als
Element Teil einer Performance wie z.B. in Michael Jacksons ‚Thriller’ oder Ozzy
Osbournes ‚Bark at the moon’. Je drastischer die Darstellung des Tiermenschen ist,
desto stärker entfernt sich diese von dem romantischen Bild eines, wegen seiner
Kraft verehrten Halbwesens hin zur Verkörperung der Angst vor der animalischen
Bedrohung. Ihre Inszenierung erzeugt ein härteres Image, wobei entscheidend ist, ob
der/die KünstlerIn z.B. selbst in die Rolle des Tiermenschen schlüpft oder ob es sich
um eine ergänzende Narration auf der Bildebene handelt. Fast alle Clips dieses
Typus sind Kombinationen aus Narration und Performance und zum größten Teil
dem Rockmusikgenre zuzuordnen.
45
4. Tiere, die menschliche Züge annehmen
Tiere, die menschliche Züge annehmen sind eher ein literarischer und veralteter
phantastischer Typus, der zu dem den Tiermenschen recht ähnlich ist. Trotzdem
lassen sich einige Videoclips des Korpus diesem Typ zuordnen, das beste Beispiel
ist der Clip zu ‚No one knows’ von Queens of the Stone Age, in welchem die Band
ein Wild anfährt, das sich in der Folge rächt, in dem es die Bandmitglieder überwältigt
und ihre ausgestopften Köpfe wie ein Jäger in seinem menschlichen Zuhause über
seinem Bett aufhängt. Für die Darstellung dieses Typus bedarf es einer komplexen
Rahmenhandlung, da solche Geschichten meist moralisierende Themen wie z.B. die
von Tieren vollzogene Rache der Natur am Menschen beinhalten. Für die Kürze
eines Musikvideos, sind solche Geschichten eventuell zu komplex und ihre
Symboliken zu wenig bekannt. In den weiteren Videoclips dieses Typs findet sich in
‚Intergalactic’ der Beastie Boys die Bekämpfung eines Godzilla-artiges Wesens und
in ‚Where’s your head at?’ von Basement Jaxx performen Affen, welche die
Gesichter der Band tragen den Song. Die Musikvideos dieses Typus sind allesamt
narrative Clips, die durch performative Elemente ergänzt werden und den Horror als
narrative Ergänzung auf der Bildebene nutzen.
5. Doppelgänger
Das Motiv des Doppelgängers kommt in den Videoclips des Korpus am seltensten
vor, es ist zugleich auch jenes, das die geringste Anzahl an Figuren besitzt. Im
Prinzip beschränken sie sich auf Dr. Jekyll/Mr. Hyde, der im Clip zu ‚Everybody
(Backstreet’s back)’ von einem der Backstreet Boys verkörpert wird und auf die
gleichnamige Figur aus dem Film ‚Das Cabinet des Dr. Caligari’, die in Rob Zombies
Videoclip ‚Living Dead Girl’ von ihm adaptiert wird. Zwei weitere Videoclips des
Korpus arbeiten noch mit diesem Horrortypus: in ‚Breathe’ von The Prodigy steht
eines der Bandmitglieder kurz seinem Ebenbild gegenüber und in ‚Gimme some
more’ von Busta Rhymes tyrannisiert dessen böser comic-hafter Monster-
Doppelgänger sein Kindermädchen. Das Doppelgängermotiv stellt für die
InterpretInnen in Musikvideos eine Möglichkeit dar zwei verschiedene Rollen
einnehmen zu können, jedoch wurde es in der neueren Zeit im Film vermehrt zum
Thema von Komödien und muss mittlerweile nicht mehr zwangsweise als
Horrormythos verstanden werden. Die beiden angesprochenen bekannten Figuren
46
dieses Typs entstammen zu dem der älteren Phantastik und sind als Vertreter des
psychischen Horrors schwerer darzustellen. Die Videos mit Doppelgängermotiv sind
größtenteils narrativ mit ergänzenden Performances, sie nutzen die Bildebene für die
Inszenierung einer vom Songtext unabhängigen Geschichte.
6. Hexen
Hexen und Hexerei „(...) ist bereits eine Gruppe, die am Rande des Genres liegt;
(...)“183, daher sind sie auch im Clip-Korpus nur selten zu finden. Textlich wird dieses
Motiv in ‚American Witch’ von Rob Zombie verwendet, als Metapher auf der
Bildebene z.B. in ‚Grand Fraud’ der Band Weird War. Es finden sich jedoch auch
zwei umfassendere Darstellungen dieses Typs. In ‚Burn The Witch’ von Queens of
the Stone Age werden Hexerei, Hexenverfolgung und Hexenverbrennung im Text
thematisiert und im Videoclip entsprechend bildlich umgesetzt, in dem eine junge
Frau als Hexe deklariert, verfolgt und verbrannt wird. Jedoch kehrt sie als eine Art
Zombie samt einer Skelettarmee zurück, wodurch der Clip auch weiteren Kategorien
zugehörig ist. Ebenso schildert der Clip zu ‚Witches! Witches! Rest Now In The Fire!’
von Get Well Soon auf Text- und Bildebene wie einer jungen Frau zunächst der
Prozess als Hexe gemacht wird und sie dann auf dem Scheiterhaufen verbrannt wird.
Hexen sind der einzige ausschließlich weibliche Horrortyp, es sei angemerkt, dass in
den Videoclips des Korpus kaum weibliche Horrorfiguren und auch nur wenige
Interpretinnen vertreten sind, wodurch das geringe Vorkommen dieses Typs erklärt
werden könnte.
7. Mörder, Killer und Irre
Der (Massen-)Mörder, Killer oder Irre ist das bekannteste und anschaulichste Motiv
des modernen Horrors und verweist oftmals auf politische und gesellschaftliche
Missstände. Die Darstellung ist meist mit detaillierten Tötungsszenen kombiniert, was
gerade im Musikvideo eine Verwendung erschwert. Eine Identifikation oder
Nachahmung eines unterbewusst verehrten Halbwesens ist nicht mehr möglich, die
Darstellung eines irren Mörders, egal ob durch den Star oder durch eine andere
Person ist wegen moralischer Tabus und gesetzlicher Vorgaben schwer zu
verkaufen. Für die Inszenierung einer solchen Figur muss ein hohes
Abstraktionslevel zwischen InterpretIn und Figur geschaffen werden, um die
183 Seeßlen/Weil S.28
47
Trennung von Realität und Fiktion beizubehalten. Die Figur des Mörders kommt
jedoch nicht ohne den Mord aus und der Mord im Horror nicht ohne eine detaillierte
Zurschaustellung. Andererseits verfügen der Mörder als Figur und Mord als Tat über
eine umfangreiche Symbolsprache, weswegen für ein Verständnis dieses Typs
oftmals Andeutungen ausreichen.
So wird z.B. in ‚Aisha’ von Death In Vegas in einer Point-of-view-Perspektive die
Existenz einer Bedrohung suggeriert, in dem auf der Bildebene eine Frau vor einem
Killer flieht, der nur im Songtext vorhanden zu sein scheint. Der Clip zu Nick Cave &
Kylie Minogues ‚Where The Wild Roses Grow’ dreht dieses Prinzip um, in dem der
Killer im Duett mit seinem weiblichen Opfer den begangenen Mord besingt, während
er im Clip sein im Wasser schwimmendes Opfer zu Grabe trägt. Ganz anders verhält
es sich im Spoken-Word-Video zu ‚Serial Killer’ von Motorhead. Der relativ kurze Clip
zeigt in grünem, blitzendem Licht Sänger Lemmy Kilmister, der als Serial Killer auf
dem elektrischen Stuhl sitzend poetisch aber reuelos seine Taten schildert, während
die Tonebene nach und nach durch das Rauschen und Zischen von Elektrizität
bestimmt wird. Dass auch in dieser Kategorie Adaptionen filmischer Vorlagen
möglich sind, zeigt das Video zur ‚Billie Jean’ von The Bates, in dem die Band die
bekanntesten Szenen aus Hitchcocks ‚Psycho’ nachstellt. Die Clips dieses Typs im
Korpus zeigen, dass das Killer-Motiv vornehmlich als narrative oder visuelle
ästhetische Ergänzung genutzt wird.
8. Masken, Verkleidung
Masken und Maskierungen werden in den Musikvideos des Korpus von Bands und
KünstlerInnen fast ausschließlich zur Erzeugung und Etablierung eines ‚bösen’ und
‚harten’ Images genutzt, etwaige Ähnlichkeiten mit bekannten Horrorfiguren sind
dabei durchaus beabsichtigt um die Eigenschaften der Figur auf den Star zu
projizieren. Beispielsweise treten Acts wie Slipknot, Insane Clown Posse oder
Boondox in Maskierungen auf, die zwar nicht an bestimmte Horrorfiguren angelehnt
sind, durch ihre Ästhetik und im Gesamtkontext des Videoclips aber ein
entsprechendes Image erzeugen. Ein anderes Beispiel des Korpus ist die Band The
Ghastly Ones, die Rockabilly-Musik mit dem Kleidungsstil aus Horrorfilmen der
1950er Jahre verbinden um so ihr musikalisches Image optisch zu verstärken. Alle
Videoclips dieses Typs enthalten dem entsprechend Performance-Elemente, da die
KünsterInnen als Träger der Masken das Image präsentieren müssen. Die
48
Imagefunktion steht dabei im Vordergrund, schließt aber weitere Funktionen nicht
aus.
9. Albtraum
Dieser Typus beinhaltet jene Clips des Korpus, in denen der Horror nicht als Figur,
sondern als das gängige Albtraummotiv vorkommt. Dem entsprechend verwenden
diese Clips Ästhetiken und Artefakte, die mit bekannten Horrorgestalten verbunden
werden und suggerieren deren mögliche Anwesenheit. Der Traumzustand wird wie in
‚Enter Sandman’ von Metallica oder ‚Lullaby’ von The Cure zumeist durch das
Schlafen im Bett visualisiert, bildtechnische Effekte wie das Verschwimmen des
Bildes oder das Zoomen auf das Gesicht des Schlafenden werden zur
Verdeutlichung des Träumens eingesetzt. Alle Clips dieser Kategorie behandeln das
Thema auch auf textlicher Ebene, die größte Übereinstimmung von Bild und Text
findet sich in King Gordy’s Clip zu ‚Nightmares’. Der Text handelt von dem Auftreten
der Figur King Gordy in Träumen, während der Künstler in Teufelsverkleidung durch
nächtliche Straßen zu einem verlassenen Jahrmarkt fährt, in dem skurrile Wesen zur
Schau gestellt werden. Das Albtraum-Motiv wird zu dem in einigen Clips wie
beispielsweise ‚Everybody (Backstreet’s back)’ der Backstreet Boys, ‚Just Because
Of You’ von Us5, ‚Wall To Wall’ von Chris Brown, ‚Everlong’ der Gruppe Foo Fighters
oder ‚Monster Hospital’ von Metric als Rahmenhandlung für weitere
Horrorerzählungen verwendet. Die Videos, die das Albtraummotiv beinhalten sind
alle narrativ und nutzen diese Form des Horrors als visuelle ästhetische oder
narrative Ergänzung auf der Bildebene.
6.3. Typologie der visuellen Funktionen des Horrors
Die generelle Betrachtung der 136 Musikvideoclips des Korpus führt zu folgenden
grundlegenden Ergebnissen: Erstens kann nachgewiesen werden, dass sich in
Musikvideos auf der Bild- und/oder Textebene alle Horrormythen sowohl des
klassischen als auch des modernen Horrors wiederfinden lassen. Zweitens lässt sich
aufzeigen, dass die identifizierten Horrormythen auf der Bild- und/oder Textebene in
Musikvideoclips aller Hauptmusikrichtungen (Softpop, Dance-Pop, Rap/HipHop,
Rock und Heavy Metal) verwendet werden. Drittens verdeutlicht der Korpus, dass
sich die Verwendung von Horrormythen auf der Bild- und/oder Textebene von
49
Musikvideos über die Zeitspanne von der Gründung MTVs bis zum heutigen
Zeitpunkt zieht und somit Horror in Musikvideoclips kein zeitliches Phänomen ist.
Die Verwendung von Horrormythen lässt sich für die Bildebene auch rein funktional
bestimmen. Aus dem Zusammenspiel von Text und Bild in den Musikvideos des
Korpus ergeben sich fünf Typen, die anzeigen aus welchem bildfunktionalen Grund
Horrormythen überhaupt in den Musikvideos verwendet werden, d.h. in welcher
funktionalen Verbindung stehen die auf der Bild- und/oder Textebene identifizierten
Horrorsymboliken zueinander. Die Tonebene kann aus bereits erläuterten Gründen
auch hier nur als Desiderat behandelt werden. Die fünf Typen, denen die
Musikvideoclips des Korpus dem entsprechend zugeordnet werden können sind:
1. Image: das Image der Band bzw. InterpretInnen oder das Image des von ihnen
vertretenen Musikstils oder das Image des/der RegisseurIn ist mit dem Genre des
Horrors verbunden. Einen Sonderfall nehmen Videoclips ein, die Teil eines
Soundtracks zu einem Horrorfilm sind und Bildmaterial aus diesem verwenden. Die
Funktion des Image kann sich mit allen anderen Funktionen decken oder
überschneiden. Beispiele aus dem Korpus sind die Videoclips der Gruppen Alice
Cooper, Beatfreakz, Insane Clown Posse, Lordi, Slipknot
2. Verbildlichung des Songtexts: Der zugrundeliegende Songtext erzählt eine
zusammenhängende oder Teile einer Horrorgeschichte, diese Geschichte wird auf
der Bildebene des Videoclips nahezu identisch umgesetzt. Sie muss dabei nicht
unbedingt die gesamte Dauer des Clips umfassen. Beispiele aus dem Korpus sind:
Death In Vegas ‚Aisha’, Michael Jackson ‚Thriller’, Ozzy Osbourne ‘Bark At The
Moon’, Queens of the Stone Age ‚Burn The Witch’, Ramones ‘Pet Semetary’
3. Narrative Ergänzung: Der zugrundeliegende Songtext behandelt keine
Horrorthemen, auf der Bildebene des Videoclips wird eine, vom Songtext
verschiedene Horrorgeschichte erzählt. Diese muss dabei nicht unbedingt die
gesamte Dauer des Clips umfassen. Beispiele aus dem Korpus sind: Backstreet
Boys ,Everybody (Backstreet’s back)’, Chemical Brothers ,Believe’, Farin Urlaub
,Sumisu’, Gnarls Barkley ,Who Cares?’, Us5 .Just Because Of You’
4. Symbolische Ergänzung: Der zugrundeliegende Songtext behandelt keine
Horrorthemen, auf der Bildebene werden Horrorsymbole verwendet, die in keiner
Beziehung zueinander stehen und nicht mit der Geschichte auf der Bildebene
zusammenhängen. Beispiele aus dem Korpus sind: Chemical Brothers ,Hey Boy Hey
50
Girl’, Daft Punk ,Around The World’, Refused ,New Noise’, The White Stripes ;Seven
Nation Army’
5. keine Verwendung auf der Bildebene: Der zugrundeliegende Songtext erzählt eine
zusammenhängende oder Teile einer Horrorgeschichte, auf der Bildebene werden
keine Horrorfiguren oder Horrorsymbole verwendet und keine Horrorgeschichte
erzählt. Beispiele aus dem Korpus sind: Danzig ,Killer Wolf’, The Hooters ‚All You
Zombies’, Nick Cave ,Henry Lee’
51
7. Analysemethoden
Wie bereits dargelegt sind Musikvideoclips in verschiedener Hinsicht von Spielfilmen
zu unterscheiden, jedoch existiert noch keine vollständig ausgearbeitete
eigenständige Methode zur Analyse von Videoclips. Unter dieser Voraussetzung
empfiehlt sich für die vorliegende Arbeit eine Methodenkombination aus Filmanalyse,
struktural-hermeneutischer Symbolanalyse und Deutungsmusteranalyse. Die
jeweiligen Grundlagen und Analyseschritte dieser methodischen Vorgehensweisen
und ihre Kombination werden im Folgenden dargestellt.
7.1. Filmanalyse
Im Laufe der Zeit haben sich verschiedene Vorgehensweisen der Filmanalyse
etabliert, so z.B. Lothar Mikos ‚Film- und Fernsehanalyse’ (2003) oder Thomas
Kuchenbuch ‚Filmanalyse’ (2005), die je nach Zugang zum Material, dessen Umfang
und den zu untersuchenden Fragestellungen individuelle Möglichkeiten der Analyse
bieten. Unabhängig von der variierenden Anzahl an vorgeschlagenen
Analysekategorien und Arbeitsschritten herrscht Einvernehmen darüber, dass eine
Filmanalyse die vier grundsätzlichen Arbeitsschritte (1) Beschreiben, (2) Analysieren,
(3) Interpretieren und (4) Bewerten umfassen sollte184. Die Grundlage für die
vorliegende Arbeit ist die von Werner Faulstich in ‚Grundkurs Filmanalyse’ (2002)
beschriebene Methode der Filmanalyse als Produktanalyse in Abgrenzung zur
Medienanalyse. „Die Filmanalyse als Produktanalyse widmet sich der
systematischen Analyse der Gestaltungs- und Vermittlungsformen, innerhalb deren
bzw. mit denen Bedeutung konstituiert und ausgedrückt wird.“185
7.1.1. Die Adaption des Grundmodell zur Analyse von Musikvideoclips
Faulstich unterscheidet folgende vier Zugriffe auf den Film im Sinne von vier
unterschiedlichen Blickweisen auf das selbe Analyseobjekt: Handlungsanalyse,
Figurenanalyse, Analyse der Bauformen und Analyse der Normen und Werte. Für die
Beantwortung der Forschungsfrage können Szenen oder Sequenzen beispielhaft
herausgenommen und mit einem Szenen- oder Schnittprotokoll detaillierter analysiert 184 vgl. Mikos 2003, S.74 185 Faulstich 2002, S.18
52
werden, die Analyse bezieht sich jedoch immer auf den gesamten Film als
Produkt186. In der Untersuchung von Musikvideoclips muss sich die Filmanalyse
folglich auf den gesamten Videoclip beziehen und dabei stets das gleichberechtigte
Zusammenspiel der Bilder, des Liedtexts und des Liedes beachten. Auf Grund der
relativen Kürze von Videoclips erscheint die Erstellung eines Sequenzprotokolls für
den gesamten Clip sinnvoll, gerade wenn sich die zu untersuchenden Aspekte über
die Dauer des Clips verteilen. Auch wenn dies nicht der Fall ist, lässt sich die
inhaltliche und formale Struktur des Videoclips so besser überblicken,
Schnittprotokolle sind wegen der inzwischen hohen Schnittfrequenz von Popvideos
weniger aussagekräftig. Zu dem kann das Herauspicken einer bestimmten Szene
das Zusammenspiel von Bild, Text und Ton in der Gesamtheit des Musikvideos nicht
adäquat wiedergeben, was für eine komplette Transkription des gewählten Clips
spricht.
7.1.2. Handlungsanalyse
Für die Handlungsanalyse können verschiedene Texte wie das Drehbuch, das
Storyboard, die literarische Vorlage usw. herangezogen werden oder, wie in der
vorliegenden Arbeit, das erstellte Sequenz- bzw. Filmprotokoll187. Das Filmprotokoll
dient dabei der möglichst genauen Transkription des visuellen Filmmaterials, es kann
den Film aber nicht ersetzen und darf auch nicht mit ihm verwechselt oder
gleichgesetzt werden. Die obersten Prämisse bei der Erstellung eines Filmprotokolls
sind sowohl Objektivität als auch Detailgenauigkeit des transkripierten Materials188.
Die Anzahl der Kategorien eines Filmprotokolls und ihre Benennung schwankt je
nach Autor, Faulstich schlägt folgende Einteilung vor: Nummer der Einstellung,
Beschreibung der Handlung und der Dialoge, Musik und Geräusche,
Kameraverhalten und Zeitdauer189.
Diese fünf Kategorien bedürfen für die Transkription eines Musikvideoclips einer
Anpassung an dessen Struktur. So ergeben sich durch geringfügige
Umbenennungen und Ergänzungen wie folgt acht Kategorien: Nummer der
Einstellung, Dauer der Einstellung, dann die Bildebene unterteilt in Screenshot,
186 vgl. Faulstich 2002, S.25ff 187 vgl. ebd., S.57ff 188 vgl. ebd., S.63f 189 vgl. ebd., S.66f
53
Kamera und Handlung, die Textebene in Form von Songtext oder Dialog, die
Tonebene in Form des Songs, songfremder Musik oder Geräusche und schließlich
die Kategorie Memo, Notizen o.ä.
Ein wichtiger Teil des Filmprotokolls ist das Sequenzprotokoll, d.h. die Einteilung des
gesamten Films in Analysesequenzen nach den Kriterien von Einheit oder Wechsel
von Ort oder von Zeit, Einheit oder Wechsel bezüglich Stil und Ton und Einheit oder
Wechsel eines inhaltlichen Handlungsstrangs190.
Für die Analyse von Musikvideos lässt sich diese, vom Bild ausgehende Einteilung in
Analysesequenzen durchaus übernehmen, auf Grund der Strukturierung der Bilder
durch die musikalische Vorgabe ist es aber ebenso möglich Sequenzen nach
musikalischen Mustern zu bilden. Denkbar wäre die grobe Einteilung in Strophen,
Refrains, Intros, Mittelteile, Interludes usw. oder in Gesangsparts und
Instrumentalparts. Bei der Bildung von Analysesequenzen im Musikvideo erscheint
es sinnvoll die Form des Videos zu beachten, d.h. handelt es sich um einen
Performance oder Konzept-Clip, ist die Einteilung nach Wechsel von Handlungsort
oder inhaltlichem Handlungsstrang vielleicht weniger brauchbar als eine Orientierung
an den musikalischen Parts. Bei hauptsächlich narrativen Videoclips erscheint eine
Unterteilung in Sequenzen nach den angeführten Kriterien von Einheit und Wechsel
sinnvoller.
7.1.3. Figurenanalyse
Bei der Figurenanalyse ist zunächst zwischen Haupt- und Nebenfiguren zu
unterscheiden, was nicht mit dem Gegensatz von Protagonist und Antagonist zu
verwechseln ist. Des Weiteren sind Einzelkonstellationen und Figurenpaarungen von
einander zu differenzieren, ebenso wie die Rollen und Typen der Figuren. Ferner ist
der Unterschied zwischen der Selbst-, der Fremd- und der Erzählcharakterisierung
der Figuren durch die Filmhandlung zu analysieren, außerdem ist die Dimensionalität
der Figuren zu prüfen, d.h. handelt es sich um eher flache, eindimensionale oder
mehrdimensionale Figuren. Ein weiteres Analysekriterium ist die Frage, ob die
Figuren im Film eine Persönlichkeitsveränderung durchlaufen, und wenn ja welche.
190 vgl. Faulstich 2002, S.73f
54
Schließlich müssen die Figuren noch in Relation zu den sozialen Determinanten des
Settings betrachtet werden191.
Die Figurenanalyse im Musikvideoclip muss um folgende Differenzierungen erweitert
werden. Erstens stellt sich die Frage, ob die Personen im Musikvideo auch die
InterpretInnen des Songs sind oder nicht. Sind die Personen auch die InterpretInnen
muss als zweites unterschieden werden, ob der/die InterpretIn(nen) im Videoclip in
seiner/ihrer Funktion als Star(s) oder in der Rolle als SchauspielerIn(nen) auftreten.
Besonders in narrativen Videoclips sind die InterpretInnen oftmals Stars und
SchauspielerInnen zugleich, Performance-Clips thematisieren den/die Star(s) eher in
der Funktion als MusikerIn(nen). Es ist daher wichtig zu analysieren zu welchem
Zeitpunkt im Clip die Personen welche Funktion übernehmen und in welcher
Verbindung diese zu den Ebenen Text und Ton steht. Die Dimensionalität der
Figuren, etwaige Persönlichkeitsveränderungen und ihr Bezug zu sozialen
Determinanten des Settings sind gleichermaßen in Beziehung zum musikalischen
Image des/der InterpretIn(nen) zu überprüfen, denn es darf nicht die hintergründige
Werbe- und Präsentationsfunktion von Musikvideos vergessen werden.
7.1.4. Analyse der Bauformen
Die Analyse der Bauformen beinhaltet z.B. die Betrachtung der Einstellungsgrößen,
der Einstellungsperspektiven und der Kamerabewegungen (z.B. Achsenverhältnisse,
Mis-en-scene, Montage usw.)192. So werden Dialoge und Geräusche beispielsweise
nach handlungsfunktionalen Geräuschen und Rezeptionssteuerung durch
Geräusche unterschieden, die Musik nach ihrer Verteilung im On und Off, nach ihren
Leitmotiven und den von ihr erzeugten Stimmungen193. Des Weiteren sind Formen
und Funktionen von Raum, Licht und Farben sowohl in Bezug auf die Inszenierung
der Figuren als auch auf die der restlichen Filminhalte zu analysieren 194.
Im Musikvideo gibt auf Grund der zeitlichen Rahmenbedingungen keine Möglichkeit
einen Gegenstand langwierig einzuführen, was nicht bedeutet, dass es keine
zentralen Gegenstände gibt195. In der Analyse der Bauformen von Musikvideos ist
jedoch zunächst zu klären, welche der Formen Performance, Narration und Konzept
191 vgl. Faulstich 2002, S.93ff 192 vgl. ebd., S.113ff 193 vgl. ebd., S.136ff 194 vgl. ebd., S.143ff 195 vgl. Kerscher; Richard 2003, S.214
55
überwiegt und wie diese mit der Songstruktur kombiniert werden (z.B. Performance
im Chorus, Narration in der Strophe o.ä.). Bei der Analyse von Kamera,
Einstellungsgröße und –perspektiven sowie von Raum, Licht und Farben usw. muss
stets die bildstrukturierende Funktion der Musik bedacht werden. Dialoge und
Geräusche sind in Videoclips eher selten, jedoch ist zu beachten, dass der Songtext
sehr wohl Dialogform haben kann, die dann im Video umgesetzt werden kann.
Ebenso ist es möglich, dass die Musik Geräusche enthält oder nachahmt. Es können
sich im Videoclip auf allen drei Ebenen Leitmotive zur Stimmungserzeugung finden
lassen, sowohl im Zusammenspiel von Bild, Text und Ton oder auch nur auf einer
der Ebenen.
7.1.5. Analyse der Normen und Werte
Faulstich listet folgende Möglichkeiten der Analyse von Normen und Werten im
Rahmen einer Produktanalyse auf: die film- oder literarhistorische, die biografische,
die soziologische und die genrespezifische Filminterpretation196.
Für die Musikvideoanalyse scheinen diese Kategorien prinzipiell ebenso brauchbar
zu sein, so ist es denkbar die mediale Wechselwirkung von Musikvideo und Film
bzw. (Musik-)Fernsehen videocliphistorisch zu interpretieren, eine biografische
Analyse kann z.B. bezüglich einer Künstlerbiografie, dem Werdegang von
InterpretInnen oder in Form einer Werkschau einzelner RegisseurInnen erfolgen.
Eine genrespezifische Videoclipinterpretation gestaltet sich eher schwierig, da
zunächst die Anwendung und Perspektive des Genrebegriff auf Musikvideoclips
geklärt werden müsste.
Die von Faulstich vorgeschlagene soziologische Interpretation mit Rekurs auf
gesellschaftliche Themen und dem Fokus auf die thematisierten gesellschaftlichen
Strukturen zum Zeitpunkt der Entstehung197, ist für die Musikvideoclipanalyse jedoch
nicht mehr aktuell. Der Analyseschritt der soziologischen Filminterpretation soll in der
vorliegenden Arbeit aus wissens- und kultursoziologischer Perspektive in Form des
Deutungsmusteransatz auf die Bild- und die Textebene von Musikvideoclips erfolgen.
Die Tonebene muss in der Analyse aus arbeitsökonomischen Gründen
unterrepräsentiert bleiben und soll daher als Desiderat behandelt werden.
196 vgl. Faulstich 2002, S.159f 197 vgl. ebd., S.193ff
56
7.2. Bild(er)- und Film/ Videointerpretation als struktural-hermeneutische Symbolanalyse
Als Verbindungsschritt zwischen Filmanalyse und Deutungsmusteranalyse dient die
von Müller-Doohm entwickelte Bildanalyse als struktural-hermeneutische
Symbolanalyse, da dieses Interpretationsschema es ermöglicht die Ebenen Bild und
Text zunächst getrennt von einander zu analysieren. Die Wahl der Bildanalyse statt
einer eventuell angemessener erscheinenden Methode zur Analyse laufender Film-
und Videobilder hat arbeitsökonomische Gründe. Vom Videoclip ausgehend werden
Textprotokolle erstellt, die mit Stills des Videos vervollständigt werden. Diese Stills
werden jeweils einzeln untersucht und am Ende wieder in eine Bildersequenz im
Sinne eines Films zusammengedacht.
7.2.1. Grundlagen des Ansatzes
Die Methode der Bildinterpretation als struktural-hermeneutische Symbolanalyse
geht davon aus, dass Bild und Text zwar zwei verschiedene Formen der
Repräsentation sind, ihnen aber die Funktion als Träger semantischer Gehalte
gemeinsam ist198. „Dieser kulturgeschichtliche und empirische Sachverhalt hat
methodisch die Konsequenz, dass die kultursoziologische Analyse solcher
Kommunikate, die visuelle und textuelle Darstellungsmittel kombinieren, ihrerseits
eine Kombination von Text- und Bildanalyse sein muss.“199 Bezüglich der Analyse
von Musikvideos ist die Einheit von Text und Bild (und Ton) von Beginn an zu
beachten, als Text zum Bild fungiert der Songtext, der quasi die Grundlage bzw.
Erklärung für das nachträglich entstandene Bild liefert. Die Gleichberechtigung der
Ebenen führt dazu, dass umgekehrt auch das Bild als Erklärung des Songtext
auftreten kann.
In der struktural-hermeneutischen Symbolanalyse sollen nun zum einen die
symbolisch vorhandenen Bedeutungs- und Sinngehalte interpretativ entschlüsselt,
zum anderen die Verfahrensweisen der visuellen Inszenierungen verdeutlicht
werden, die als Konnotationen in den Symbolisierungen vermutet werden.200 Dabei
wird von zwei Bedingungen ausgegangen: „Zum einen wird unterstellt, dass
198 vgl. Müller-Doohm 1997, S.84 199 ebd. S.84 200 vgl. ebd., S.91f
57
hermeneutische und strukturelle Interpretationsweisen im Sinne einer Bedeutungs-
und Sinnanalyse miteinander verknüpft werden können. Zum anderen wird in diesem
Fragehorizont weder eine Eigensinnigkeit des Bildes, noch eine Privilegierung des
Textes hypostasiert. Das hat die methodische Konsequenz, dass die Symbolanalyse
sich auf die textuellen sowie auf die visuellen Elemente der Darstellung bezieht.“201
Die von Müller-Doohm entwickelte Text-Bild-Analyse ist in die drei Phasen
Deskription, Rekonstruktionsarbeit und Deutungsprozess unterteilt. So soll von der
Paraphrasierung der Bild-Text-Botschaften über die vertiefende Bedeutungsanalyse
des symbolischen Gehalts der Materialien zu einer theoriegeleiteten Deutung und
einer kultursoziologischen Interpretation gelangt werden. Die zunächst getrennt
betrachteten Elemente werden im Anschluss wieder relational zueinander
zusammengeführt. Auf strukturaler Ebene werden die syntaktischen Beziehungen
von Bild und Text dargestellt und in der darauf folgenden hermeneutischen
Interpretation die latenten symbolischen Sinngehalte verdeutlicht.202
Die Bildbotschaft ist nach Barthes zum einen als ‚nicht-kodiert’ zum anderen als
‚kodierte bildlich’ folglich als ‚symbolische Botschaft des Bildes’ zu verstehen. In der
Textbotschaft entspricht die denotative Bedeutung der ‚nicht-kodierten’, in der
konnotativen Bedeutung werden der latenten Textbotschaft Nebenbedeutungen
zugeschrieben, die sie für symbolische Botschaften zugänglich machen203.
7.2.2. Vorgehensweise in der Symbolanalyse
Das vorliegende Interpretationsverfahren basiert auf der Analyse von Einzelfällen, die
im Anschluss an die Symbolanalyse die Grundlage für die Deutungsmusteranalyse
bilden. Die Analyseschritte der Deutungsmusteranalyse werden später in einem
eigenständigen Kapitel erläutert. Für die Selektion der Einzelfälle nennt Müller-
Doohm folgende Analyseschritte:
201 Müller-Doohm 1997, S.95 202 vgl. ebd., S.99f 203 vgl. ebd., S.101
58
1. Bildersteindrucksanalysen
a. Die Primärbotschaft (im Sinne einer ersten Botschaftsklassifikation)
b. Dargestellte Objekte und Personen
c. Verwendete markante Stilmomente
d. Primäre Inszenierungsmachart
2. Hypothetische Typenbildung
a. Auswertung der Ersteindrucksanalysen
b. Materialsichtung in der Forschungsgruppe
c. Familienähnlichkeiten
3. Typenbildung
a. Zuordnung des Gesamtmaterials zu den Typen
b. Auswahl eines Prototyps (diese enthält die meisten Merkmale der jeweiligen Klasse)
4. Einzelfallanalyse
a. Bild- und Textanalyse auf der Basis eines dreistufigen Interpretationsmodells204
Die Bildersteindrucksanalyse dient dem Finden sogenannter Familienähnlichkeiten,
die an Hand markanter Elemente oder Botschaften Klassentypen bilden, aus denen
wiederum die prototypischen Beispiele für die Einzelfallanalyse gewonnen werden.
Die Einzelfallanalyse ist der Kern der Bild-Text-Interpretation, sie untergliedert sich in
die drei Phasen Deskription, Rekonstruktion und kultursoziologische Interpretation205.
In der Deskription sollen jene Bild- und Textdaten erarbeitet werden, die für die
symbolischen Bild- und Textbotschaften bedeutsam sein können. Dies beinhaltet die
detaillierte Beschreibung der einzelnen Bildelemente, die präzise Darlegung von
Farben und Perspektiven, den Umfang und Stellenwert von Bild und Text zueinander
und deren räumliches und grafisches Verhältnis sowie die Verbalisierung der
ästhetischen Elemente.206 In der Rekonstruktionsanalyse geht es um „(...) ein
interpretatives Durchspielen von Bild-Textbotschaften im Sinne einer
hermeneutischen Einheitlichkeit dessen, was symbolischer Bild-Textgehalt genannt
wurde, und der als eine zweite Ebene der semantischen Referentialität von Bild und
Text deren symbolische Latenzstruktur ausmacht.“207 Dazu wird am Anfang eine
Bedeutungshypothese gebildet zu deren Überprüfung die Bedeutungen der
einzelnen Bild- und Textteile erst getrennt analysiert und danach im wechselseitigen
Verhältnis zu ihr betrachtet werden. Dabei müssen Unterschiede und alternative
Lesarten bezüglich der Gesamtbedeutung berücksichtigt bzw. aussortiert werden. 204 Müller-Doohm 1997, S.103 205 vgl. ebd., S.102f 206 vgl. ebd., S.103f 207 ebd., S.104
59
Für die kultursoziologische Analyse werden die Bild-Text-Botschaften nach der
Rekonstruktionsanalyse wieder zusammengeführt. Hierbei wird jede einzelne
Bedeutungshypothese so lange interpretiert, bis erstens alle Bild-Text-Botschaften
bezüglich ihrer Bedeutungszusammenhänge erforscht sind, zweitens alle
unzutreffenden Bedeutungshypothesen ausgeschlossen sind und drittens ein
einheitlicher Bedeutungsgehalt aller Bild-Text-Botschaften entstanden ist.208 Auf
dieser Grundlage werden die symbolischen Bedeutungsgehalte in der
kultursoziologischen Interpretation „(...) so synthetisiert, dass sie als Ausdrucksform
von kulturellen Sinnmustern erscheinen.“209
Der folgende Leitfaden dient als Grundlage für Deskription und Rekonstruktion:
1. Bildelemente
• Objekt- und Personenbeschreibungen (das jeweils Dargestellte)
• Zusammenstellung der dargestellten Objekte (Personen wie Dinge)
• szenische Relationen und Zusammenspiel der Personen/Objekte
• Interaktionen und Relationen
• zusätzliche Bildelemente im Gesamtbild (z. B. Logos oder Detailaufnahmen)
2. Bildräumliche Komponenten
• Bildformat (auch von Bildern im Bild)
• allgemeinperspektivische Bedingungen: Vordergrund/Hintergrund, Fluchtlinien,
Perspektiven, planimetrische Bedingungen (Linien, Zentralität, geometrische Figuren,
Flächen, etc.)
• einzelperspektivische Anordnungen der Objekte
3. Bildästhetische Elemente
• Licht-Schattenverhältnisse
• Stilmomente/-arten (z. B. naturalistisch, künstlich, harmonisch, disharmonisch,
statisch, bewegt, ...)
• Stilgegensätze/ Stilbrüche
• grafische/ fotografische Praktiken (z. B. Filter, Perspektive, Bewegung, ...)
• Druckart, Druckträger
• Farbgebungen/ Farbnuancen
208 vgl. Müller-Doohm 1997, S.106 209 ebd., S.104
60
4. Textelemente
• signifikantes Vokabular
• morphologische Besonderheiten (Akronyma, Rechtschreibänderungen, Assonanzen,
Reimschemata)
• Phraseologismen (stilistische Mittel, Anspielungen, immer wiederkehrende
Wortverbindungen wie z.B. ‚Nicht immer, aber immer öfter’)
• syntaktische Besonderheiten (Satztyp, Satzgefüge, grammatikalische Funktionen wie
Modus, Tempus, Interpunktion etc.)
• maßgeblicher Textstil (narrativ, informativ, rhetorisch)
• funktionale Satztypen
• Schriftarten, Ästhetik des Schriftbildes
• Sekundärinformation (Preise, Katalognummern u.a.)
5. Bild-Textverhältnis
• emblematische Verhältnisse (Überschrift, Bild, Text)
• Größenverhältnis von Text und Bild
• quantitatives Verhältnis von Text in der Anzeige
• Lokalisierung der Schrift
6. Bildtotalitätseindruck
• Gesamteindruck im Sinne eines ‚Stimmungseindrucks’210
7.2.3. Videoclipanalyse als Symbolanalyse
Für die Videoclipanalyse im Sinne einer Filmanalyse müssen die Ebenen Bild und
Text ebenfalls getrennt voneinander betrachtet werden. Film und Video ist dabei
gemeinsam, dass ein ikonischer Überschuss entsteht, der mit einer den Bildern
gerechten Methode herausgefunden werden muss. Bei einer getrennten
Untersuchung von Filmtext und Filmbild erkennt man den optischen Überschuss des
Bildes, da der erzählten Geschichte Bilder hinzugefügt werden. Eine
Bildwissenschaft des Films, die sich in dieser Hinsicht für die Analyse von
Musikvideos eignet, da sie sowohl Filmtext als auch Filmbild würdigt existiert jedoch
noch nicht211. Für die Analyse von Musikvideoclips lässt sich der oben erläuterte
Leitfaden nach Neumann-Braun folgendermaßen anpassen:
210 vgl. Müller-Doohm 1997, S.105f 211 vgl. Kerscher; Richard 2003, S.204f
61
a. Elemente des (stehenden) Bildes (Printbild oder Stills aus Clips): Bildbeschreibung,
visuelle Merkmale wie: Personen, Szenen, Kleidung, Körper, Objekte, Farben usw.
b. Bildräumliche Komponenten: z.B. Bildformat, Perspektiven usw.
c. Bildästhetische Komponenten: z.B. Licht-Schatten-Verhältnis, Farbgebung,
Stilelemente usw., aber auch: technisch-mediale Konstruktionselemente: Close-up, Totale,
Einstellungsgröße, Beleuchtung, Blenden, Effekte
d. Laufende Bilder (Clip(-sequenzen), Spot): Konstruktionsprinzipien der Narration resp..
Assoziation; Elemente: Personenkonstellationen, Handlungsstränge, Story, Motive usw.
e. Intermedialität resp. –textualität: Referenzen auf andere Medien und
Mediensymboliken resp. Sozialstilistiken usw.
f. Textelemente (= Schrift in Anzeigensujet oder im Clip/Spot): Beschreibung und erste
Interpretation
g. Musik/ Song (= Ton und Text eines Musikstücks): Beschreibung und erste
Interpretation
h. Bild-Text-Ton-Verhältnis
i. Gesamtinterpretation: Bild-/ Clip-/ Spot-Totalitätseindruck: Gesamteindruck im Sinne
eines „Stimmungseindrucks“ auf der Grundlage einer Synopse der bisherigen Teilergebnisse
aus (a) bis (h) – unter besonderer Berücksichtigung von Bedeutungslatenzen.
7.3. Deutungsmusteranalyse
Mit den Ergebnissen der Analyse der Handlung, der Figuren und der Bauformen in
der Filmanalyse und den Ergebnissen aus der Symbolanalyse ist die Grundlage für
die Deutungsmusteranalyse gegeben. Im folgenden Kapitel soll zunächst geklärt
werden, was unter einem soziologischen Deutungsmuster verstanden werden kann,
im Anschluss wird die Deutungsmusteranalyse als Variante der Analyse von Normen
und Werten im Sinne der soziologischen Filminterpretation erläutert.
7.3.1. Wissenssoziologische Grundlage
In der Hermeneutik wird die Sozialwelt ähnlich einem Text behandelt, sie ist ‚lesbar’
und traditionell als eine Auslegung von Zeichen zu verstehen, die auch den
Verstehensprozess selbst reflektiert. In der wissenssoziologischen Hermeneutik wird
das ‚Sinnkleid’ der Welt in sozialen Handlungen erzeugt und durch soziale
62
Verstehensprozesse zugänglich gemacht. Die neuere wissenssoziologische
Hermeneutik geht auf die ‚objektive Hermeneutik’ Ulrich Oevermanns zurück, die im
Unterschied zur traditionellen Hermeneutik nicht den subjektiven Sinn der
Handelnden untersucht, sondern die latenten Sinnstrukturen durch objektives
Verstehen aufzuzeigen versucht212. „Die Hermeneutik zielt also nicht nur auf
Verstehen allgemein, sondern auch darauf, wie Handlende im Alltag sich verstehen.
Dazu betrachtet sie Handelnde als Produzenten von Texten oder
Ausdrucksformen.“213 Das gesellschaftlich vorstrukturiert vorhandene Wissen wird an
Hand der jeweiligen, persönlichen Situation ausgelegt, angewandt und mit
Handlungen verbunden, wodurch es eine Form der Verwirklichung erfährt und
existent wird und bleibt. Der soziale Kontext dem der Text entstammt steht in der
wissenssoziologischen Hermeneutik im Vordergrund214. Der Deutungsmusteransatz
gründet somit auch auf dem Aspekt der Konstruktion und der Veränderung von
gesellschaftlichem Wissen und der Frage: „Wie ist es möglich, dass subjektiv
gemeinter Sinn zu objektiver Faktizität wird?“215
7.3.2. Der Deutungsmusteransatz
Die Konzeption von Deutungsmustern geht auf die Annahme Ulrich Oevermanns
zurück, dass Handlungsprobleme in verallgemeinerter Form vorliegen und ihre
Lösung bzw. Überwindung einer Deutung bedarf, die nicht in jeder neuen sozialen
Situation ebenso neu erzeugt werden kann. Vielmehr wird in der Theorie der
Deutungsmuster von der Existenz und Etablierung fixer und voreingerichteter
Interpretationsmuster ausgegangen auf deren Basis Problemlösungen erfolgen
können bzw. Problemen oder Krisen vorgebeugt werden kann. Auf Grund des
Erprobens und Standhaltens in entsprechenden Situationen über längere
Zeitspannen hinweg, müssen sie dann nicht mehr wiederholt oder neu bedacht
werden216. Deutungsmuster stützen sich so auf eine Tradition der
Sozialisationspraxis, in der den objektivierten Handlungsproblemen gemeinschaftlich
gesicherte, in lebensweltlichen Kontexten verankerte und daher routinisierte
212 vgl. Knoblauch 2005, S.176ff 213 ebd., S.180 214 vgl. ebd., S.180f 215 Berger; Luckmann 1996, S.20 216 vgl. Oevermann 2001, S.38
63
Deutungsmuster zur Lösung gegenüber stehen217. Sie können somit als stereotype
Sichtweisen und Interpretationen verstanden werden, die auf Grund der alltäglichen
Interaktionen und Handlungen in einer sozialen Gruppe vor einem
lebensgeschichtlichen Hintergrund entwickelt werden. Auf diese Weise stellen
Deutungsmuster einen Vorrat an Orientierungen und Rechtfertigungen von
Alltagswissensbeständen dar, mit deren Hilfe Maßstäbe in Form von Interessen und
Werten für individuelles Handeln generiert und kommuniziert werden können. „Als
solche Muster müssen sie (i) vor allem einen hohen Grad der
situationsübergreifenden Verallgemeinerungsfähigkeit besitzen, (ii) sich in der
Unterdrückung bzw. Auflösung potentieller Krisen bewährt haben und (iii) angesichts
der von daher erforderlichen Anwendbarkeit auf eine große Bandbreite konkret
verschiedener Handlungssituationen einen hohen Grad von Kohäsion und innerer
Konsistenz aufweisen.“218
Die Wirkungsweise von Deutungsmustern entspricht dabei nicht den unbewussten
Motiven der Psychoanalyse, sie haben zwar eine relative Latenz, sind den
Handelnden aber zumindest teilweise bewusst219. Deutungsmuster sind zu dem von
anderen Begriffen der Bewusstseinsformationen wie Meinungen, Einstellungen,
Ideologien, Interessen, Motiven, Habitusformationen, Lebensstil usw. zu
unterscheiden220. Im soziologischen Verständnis sind sie dem Wissensbegriff
zuzuordnen, „[A]ber sie sind nicht ein abfragbares, bewusst verfügbares Wissen,
sondern ein implizites oder eben ‚schweigendes’ bzw. ‚stummes’ Wissen (‚tacit
knowledge’).“221 Eine Deutung bezieht sich immer auf Repräsentationen von Welt,
die objektiv gegebene Realität ist empirisch aber nur über ein sie repräsentierendes
Wissen vermittelbar. Für die Analyse eignen sich daher insbesondere von der „(...) zu
untersuchenden Lebenspraxis selbst erzeugte, recherchierbare und nicht vom
Sozialforscher selbst erst zu erhebende Ausdrucksgestalten (...).“222 Was letztendlich
unter einem Deutungsmuster verstanden werden kann, hängt jedoch auch von der
Fragestellung, dem Analysegegenstand und dem verfügbaren Material ab223.
217 vgl. Oevermann 2001, S.36f 218 ebd., S.38 219 vgl. Ullrich 1999, S.430 220 vgl. Oevermann 2001, S.41ff 221 ebd., S.51 222 ebd., S.53 223 vgl. Lüders 1991, S.379
64
7.3.3. Das sequentielle Vorgehen bei der Analyse soziologischer Deutungsmuster
Die Deutungsmusteranalyse bringt zwei Vorteile mit sich: erstens verzichtet sie in
ihrem Konzept auf eine Zuordnung zur Handlungs- und Systemebene, zweitens
werden Handlungsorientierungen nicht a priori festgelegt, sondern als vielschichtig
verstanden224. Daher wird sie vor allem in der hermeneutisch orientierten Forschung
als rekonstruktive Methodologie angewandt. Für die basalen Verfahrensregeln der
Deutungsmusteranalyse existieren zahlreiche Varianten225. In der Datenerhebung
und –auswertung empfehlen sich im Sinne des Totalitätsprinzips der objektiven
Hermeneutik jedoch nicht-standardisierte Verfahren, da diese es ermöglichen die
Oberfläche der expliziten Daten zu durchbrechen und die impliziten Vorannahmen
auch ‚tiefenstrukturell’ zugänglich zu machen226. Im Sinne einer dialektischen
Methode sind rekonstruktionslogische Verfahren subsumtionslogischen vorzuziehen,
da sie nicht das Ziel haben durch Operationalisierung den Umfang der Daten zu
reduzieren und nur einen Teil der Realität zugänglich zu machen. Vielmehr sollen die
vorangehenden Vermutungen an das Datenmaterial durch die Auswertung aller
Details und den Verzicht auf vorgewählte Klassifikationen wiederlegt werden
können227.
Die empirische Grundlage für die Deutungsmusteranalyse bildet das in der
Handlungsanalyse erstellte Filmprotokoll. Das zu untersuchende Musikvideo wird in
Bildersequenzen unterteilt, aus der jeweils exemplarische, möglichst repräsentative
Stills ausgewählt werden. Die Analyse der Stills erfolgt an Hand des zuvor
dargestellten Leitfadens zur Videoclipanalyse.
Die Analyse von Deutungsmustern erfolgt in der Tradition der objektiven
Hermeneutik in einzelnen Sequenzen, der Maßstab für den Abgleich von
Konsistenzen und Inkonsistenzen wird dabei aus dem Datenmaterial selbst bezogen.
Die Rekonstruktion von Deutungsmustern ist somit von der Fragestellung und dem
Material abhängig, an Hand des vorliegenden Falles muss durch empirische Analyse
und Fallvergleiche auf die Deutungsmuster geschlossen werden228. Es ist daher
wesentlich, innerhalb der Kontexte der zu rekonstruierenden Handlungen und
Strukturen und in Bezug auf das vorhandene Material von der Forschungsfrage
224 vgl. Ullrich 1999, S.430 225 vgl. Lüders 1991, S.378 226 vgl. Oevermann 2001, S.60ff 227 vgl. ebd., S.64ff 228 vgl. Lüders 1991, S.384f
65
ausgehend sinnvolle Lesarten zu bilden. In der Sequenzanalyse werden die Texte
schrittweise, ohne Einbezug von Wissen über den vorliegenden Fall und in der
Reihenfolge ihres Auftretens gedeutet. Eine unvoreingenommene Haltung und die
Ausblendung etwaiger Kenntnis des Inhalts der folgenden Sequenzen ist dabei
äußerst wichtig229.
Im ersten Schritt der Analyse werden an Hand des Interaktionsprotokolls für die erste
Einheit möglichst viele Lesarten entwickelt und in einem zweiten Schritt
ausformuliert. Je mehr Lesarten hierbei gefunden werden, desto ausführlicher lässt
sich der mögliche Handlungsraum darstellen und das Interaktionsmuster in der Folge
explizieren. Zum Abgleich der Lesarten mit allgemein gültigen Handlungstypen muss
dabei stets eine Normalitätsfolie konstruiert werden, d.h. eine Formulierung jener
universeller Regeln, welche die Normalität für das jeweilige Interaktionssystem
darstellen und sichern. Im dritten Schritt wird unter Bezugnahme zum tatsächlichen
Kontext überprüft, welche der Möglichkeiten empirisch gewählt wurde230.
Dieses Vorgehen wird nun an der nächsten Sequenz ebenso angewandt, wobei
hierfür gilt, dass die gültigen Lesarten der ersten Einheit die der folgenden zweiten
einschränken, gültig sind nur die kompatiblen Lesarten. Auf diese Weise werden in
jeder neuen Runde Lesarten selektiv ausgeschlossen und die Fallstruktur geschärft,
die Sequenzanalyse endet mit dem Generieren einer für den Gesamtkontext
zutreffenden Lesart.231
Für das sequentielle Vorgehen in der Deutungsmusteranalyse schlagen
Lüders/Meuser folgende drei Schritte vor:
1. Bestimmung der Analyseebene und die Festlegung der Fälle, d.h. welches
Deutungsmuster soll an Hand welcher Fälle rekonstruiert werden. Danach wird die
Grobstruktur des Falls betrachtet, d.h. der Handlungskontext der Entstehung des
Materials/Dokuments wird geklärt;
2. Sichtung und Ordnung des vorliegenden Materials mit dem die Interpretation
begonnen werden soll, d.h. der äußere Kontext, bzw. die konkreten
Interaktionsbeziehungen werden analysiert;
3. sequentielle Feinanalyse der einzelnen Interakte vor dem Hintergrund der
Forschungsfrage, d.h. es sollen mögliche, aus den vertexteten Äußerungen lesbare
Deutungsmuster entworfen werden und an Hand der Folgesequenz(en) überprüft,
229 vgl. Reichertz 1997, S.42f 230 vgl. ebd., S.44f 231 vgl. ebd., S.45f
66
verworfen oder beibehalten werden. So sollen willkürliche, nicht überprüfbare
Interpretationen verhindert werden232.
Großen Datenmengen müssen für eine Deutungsmusteranalyse zunächst auf
forschungsrelevantes Material und anschließend bezüglich des zeitlichen Rahmens
der Durchführbarkeit reduziert werden. Dabei ist wichtig, dass es sich um eine
exemplarische Auswahl und nicht um einen repräsentativen Querschnitt handelt233.
Im Falle der Konkurrenz mehrerer Deutungsmuster liegt die Anfertigung einer
Typologie nahe. Hierbei stellt man einen kontrastiven Vergleich auf Ebene der
Sequenzanalyse und bezogen auf den Materialkorpus her. Die interne Konsistenz
eines Deutungsmusters wird dann durch das gleichartige Auftreten von Themen in
einem Typus gestärkt und die Gültigkeit der gesamten Typologie bestätigt234.
232 vgl. Lüders; Meuser 1997, S.69ff 233 vgl. ebd., S.71ff 234 vgl. ebd., 1997, S.74
67
8. Analyse ausgewählter Musikvideoclips
Im nun folgenden empirischen Kapitel der Arbeit werden zwei, aus dem Korpus
ausgewählte Musikvideoclips an Hand des erläuterten methodischen Vorgehens
beispielhaft analysiert. Das erste Analysebeispiel ist der Videoclip zu ‚Everybody
(Backstreet’s back)’ der Boyband Backstreet Boys, als zweites Beispiel wird der Clip
zu ‚Aisha’ der Gruppe Death In Vegas bearbeitet.
8.1. Backstreet Boys – ‚Everybody (Backstreet’s Back)’ Regie: Joseph Kahn, Jahr: 1997, Dauer: 4:45min
Die Backstreet Boys sind eine der kommerziell erfolgreichsten Boygroups aller
Zeiten, wie bei allen Boybands bilden drei wesentliche Elemente dafür die
Grundlage: 1. das mit Musik verbundene, junge und sexy Auftreten der Boys; 2. ein
kompetenter Manager, der das Image nach ökonomischen Kriterien gestaltet und
verkauft; 3. eine Unmenge an Merchandising-Artikeln jeder Art. Diese Konstellation
zeugt von einer hohen internen Abhängigkeit, keines der Elemente kann ohne das
andere bestehen.235
Die Kriterien für die Mitgliedschaft in einer Boyband sind zunächst das Aussehen,
dann die tänzerischen Fähigkeiten und erst dann die gesanglichen Qualitäten, das
Talent ein Instrument zu spielen ist nebensächlich. Das grundlegende Kriterium ist
dabei letztendlich nicht die Qualität der Band oder der für sie geschriebenen Musik,
sondern ihr Marktwert.236 Dem Musikvideoclip kommt dabei eine ganz entscheidende
Rolle zu, denn er eignet sich wie kein anderes Medium zur visuellen Vermittlung der
Eigenschaften und des Images einer Boybands in Verbindung mit dem beworbenen
Produkt des Songs bzw. dem Produkt der Boygroup selbst. Daher werden in
Boygroup-Videos die Mitglieder oftmals abwechselnd in vermeintlich privaten und
öffentlichen Szenen gezeigt, welche die ihnen zugeschriebenen Attribute optisch
unterstützen. Der Fokus wird dabei oftmals auf den Star als Performer gelenkt,
künstlerische Potentiale von Song und Videoclip sind häufig reines Beiwerk zur
Präsentation des Stars.237
235 vgl. Hauk 1999, S.20 236 vgl. ebd., S.14f 237 vgl. ebd., S.232f
68
Der Song ‚Everybody (Backstreet’s back)’ war die erste Single aus dem zweiten
Album ‚Backstreet’s back’ der Backstreet Boys und wurde in Europa am 05.August
1997 und in den USA am 31.März 1998 veröffentlicht. Die Single ist eines der
bekanntesten und erfolgreichsten Lieder der Backstreet Boys, sie war in fast allen
europäischen Ländern in den Top 5-Single-Charts vertreten. Der Song wurde ebenso
wie das dazugehörige Video in zwei unterschiedlich langen Versionen, eine für den
US-Markt und eine für den europäischen Markt produziert.238
Bei dem Video zu ‚Everybody (Backstreet’s back)’ führte der Amerikaner Joseph
Kahn (*1972)239 Regie. Kahn begann zunächst als Ein-Mann-Unternehmen mit wenig
Budget Musikvideos für eher unbekanntere KünstlerInnen aus dem Hip-Hop-Genre
zu drehen, bevor er 1995 durch den Wechsel nach Los Angeles die Möglichkeit
erhielt auch für größere Musik-Acts tätig zu werden.240 Das Video zu ‚Everybody
(Backstreet’s back)’ war eine der ersten international erfolgreichen Arbeiten von
Kahn, es zeigt zugleich den poppigen, teilweise comic-haften und von hoher
Schnittfrequenz geprägten Stil Kahns, der auch in seinen neueren Werken erkennbar
ist.
8.1.1. Filmanalyse
Handlungsanalyse
Im Video zu ‚Everybody (Backstreet’s back)’ stranden die Backstreet Boys nach einer
Autopanne auf einer verlassenen Burg, in der sie die Nacht verbringen während sie
auf Hilfe warten. Die unheimliche Atmosphäre dieser Burg beschert jedem der
Backstreet Boys einen ähnlichen Albtraum, in dem sie sich in verschiedene
Horrorgestalten verwandeln. Am nächsten Morgen erzählen sie sich von ihren
Träumen, in dem Moment, als sie den gruseligen Ort verlassen wollen, taucht der
abends aufgebrochene Busfahrer als Zombie wieder auf.
Der Videoclip verfügt mit der Ankunft auf der Burg und dem Zusammentreffen am
nächsten Morgen über eine Rahmenhandlung, in die das eigentliche Musikvideo im
Sinne der Übereinstimmung von Song und Bild als Traumsequenz eingebettet ist. Es
existiert also eine Geschichte in der Geschichte. Die erzählte Zeit erstreckt sich über
den Zeitraum vom Abend der Ankunft bis zum Morgen danach und hat somit eine
238 http://en.wikipedia.org/wiki/Everybody_%28Backstreet%27s_Back%29 239 http://en.wikipedia.org/wiki/Joseph_Kahn 240 http://www.josephkahn.com/biography/1103.xml?page=2
69
längere Dauer als die Erzählzeit des Clips. Zu dem überlagern sich durch die
eingeschobene Traumsequenz die beiden Handlungsstränge des Albtraum mit dem
des Aufenthalts auf der Burg.
Dass es sich um eine Traumsequenz handelt wird durch das Zubettgehen und
Einschlafen von Brian verdeutlicht, der danach mit dem Beginn des Songs als
Werwolf ‚erwacht’. Danach werden alle weiteren Backstreet Boys einzeln und
inhaltlich unzusammenhängend an Hand ihrer Gesangsparts in ihren Settings
vorgestellt. Da sie sich ebenfalls in Horrorgestalten verwandelt haben, wird das Motiv
des Albtraums von Brian auf die restlichen Backstreet Boys übertragen. In den
gemeinsam gesungenen Refrains sind dann auch jeweils alle Mitglieder zu sehen,
jedoch in kürzeren Abständen als in den Strophen. Die Handlung verläuft in diesem
Muster entlang der Gesangsparts bis zu dem ruhigen Zwischenpart, der eine
inhaltliche Wende darstellt. Nachdem sich die verschiedenen Horrorfiguren immer
mehr innerhalb und auch außerhalb ihres ursprünglichen Settings bewegt haben,
kündigt ein Schild am Burgtor einen Tanzabend an. In der Folge sind die Backstreet
Boys nicht mehr als Horrorfiguren sondern in mittelalterlich anmutender Kleidung in
zivil zu sehen, zu ihnen gesellen sich einige, stilistisch ähnlich gekleidete Damen und
der Ball beginnt. Kurz darauf wandelt sich der klassische Balltanz in eine
Tanzperformance, welche die eingebettete Videoclipgeschichte und somit auch die
Albtraumerzählung beendet. Danach setzt wieder die Rahmenhandlung ein in dem
sich die Backstreet Boys in der Eingangshalle treffen und sich gegenseitig ihre
Albträume schildern. Als sie die Burg verlassen wollen, steht plötzlich der zum
Zombie mutierte Busfahrer im Eingangstor, die Rahmenhandlung und somit der
gesamte Clip enden mit den schreienden Backstreet Boys.
Der Horror wird also in beide Handlungsstränge eingebaut bzw. aus dem Traum
heraus in die als wirklich(er) erscheinende Rahmenhandlung transferiert. Dadurch
wird die vorangegangene Dekonstruktion des Horrors als Albtraum wieder
aufgehoben und das kurzzeitige Happy End wandelt sich in ein offenes Ende, der
Horror wird folglich nicht endgültig aufgelöst.
Die Rahmenhandlung ist nicht vollends Teil des Musikvideos, da sie noch nicht den
Song enthält. Die dadurch frei werdende Tonebene wird in der Rahmenhandlung für
Dialoge und zur akustischen Erzeugung von Horrorstimmung genutzt. Zunächst
erfährt man in dem panischen Durcheinander des Eingangsdialogs, dass die
Backstreet Boys zum wiederholten Male eine Autopanne haben, dass sie nicht an
70
diesem Ort bleiben wollen, da er unheimlich ist und dass der Busfahrer sich auf den
Weg macht um Hilfe zu holen. Während des Dialogs steigert sich die Streichermusik
im Hintergrund und endet mit einem Tusch im Szenenwechsel. Schon zu Beginn wird
das Aufstoßen des Burgtors mit einem Tusch musikalisch verstärkt.
Das Ausgangsszenario ist damit typisch für einen Tennie-Horrorfilm oder auch einen
traditionellen Slasherfilm. Mehrere Jugendliche verirren sich an einen verlassen,
unheimlichen Ort oder müssen dort auf Grund von Komplikationen ausharren. Im
Verlauf ihres Aufenthalts werden sie mit der dort hausenden Bedrohung konfrontiert,
die sie unter Einsatz und Verlust ihres Lebens bekämpfen. Die Handlung des
Musikvideos selbst entspricht mit ihren Figuren jedoch dem klassischen Horror und
liefert mit dem Motiv des Albtraums eine ebenso klassische Erklärung. Mit Einsetzen
der Rahmenhandlung kehrt das Video wieder zu dem modernen Horror zurück. Statt
der erhofften Rettung erwartet sie der Zombie-Busfahrer, der zum einen eine
moderne Horrorfigur verkörpert und zum anderen orientiert sich seine Darstellung an
dem modernen Horrormotiv der Verwandlung eines vertrauten, möglichen Retters in
eine weitere Bedrohung.
Figurenanalyse
Die Backstreet Boys sind im Musikvideo zu ‚Everybody (Backstreet’s Back)’ in
doppelter Weise die Hauptfiguren: einerseits in der Rahmenhandlung als die Stars,
die sie sind und andererseits als die Horrorfiguren in der Albtraumerzählung.
In dieser Albtraumgeschichte werden die fünf Mitglieder der Reihe nach als
Verkörperung einer Kategorie der Typologie der klassischen Horrormythen in einem
dazugehörenden Setting vorgestellt: der Werwolf als Tiermensch, der Vampir und die
Mumie als Wesen, die nicht tot und nicht lebendig sind, das in sich gespaltene
Wesen Dr. Jekyll/Mr. Hyde als Doppelgänger und Erik, das Phantom der Oper, das in
seiner Maskierung als „(...) Geist der Musik (...)“241 auftritt. Das jeweilige Setting
verleiht den Horrorfiguren über ihre äußerliche Erscheinung hinaus eine
charakterliche Tiefe.
Die Vorstellung der Charaktere verläuft folgender Reihenfolge: Brian als Werwolf in
einem Schlafzimmer mit ausgestopften Tierköpfen, Howie als Vampir in einem Sarg
in einem Zimmer mit Bediensteten, A.J. als Phantom der Oper an einer üppigen
Festtafel mit gutgekleideten Frauen, Nick als Mumie in einem Sarkophag in einem
241 Seeßlen 1979, S.57
71
Kellerraum oder einer Gruft und schließlich Kevin als Dr. Jekyll/Mr. Hyde in einem
Arbeitszimmer mit verschiedenen messer- und speerartigen Gegenständen an der
Wand.
Alle fünf Backstreet Boys sind prinzipiell gleichberechtigte Protagonisten des Videos,
auch wenn ihnen nicht die gleiche Anzahl an On-Screen-Minuten gewidmet wird, was
daran liegt, dass sich die Bildebene an den ungleich verteilten Gesangsparts der
einzelnen Boys in den Strophen orientiert. In den Refrains werden alle fünf
annähernd gleich oft und lange gezeigt, auch in der gemeinsamen Tanzszene am
Ende des Videos wird kein Fokus auf eines der Mitglieder gelegt.
Des Weiteren treten im Clip treten einige Nebenfiguren auf, die zumeist die Aufgabe
haben die Horrorfiguren oder ihre Umgebung genauer zu bestimmen. In der
Rahmenhandlung hat der Busfahrer die wichtigste Nebenrolle, da er einerseits für
das Zustandekommen der Ausgangssituation mitverantwortlich ist und andererseits
am Ende als finaler Träger des Horrors erneut auftaucht und die Geschichte dadurch
offen lässt.
In der Albtraumgeschichte kommen in Verbindung mit dem Vampir einige
Dienstmädchen vor, die ihn als Adeligen mit Angestellten ausweisen. Eine wichtige
Nebenrolle spielt die Frau im roten Kleid, sie stellt das attraktive und wehrlose Opfer
der Vampirs dar und konstituiert ihn so einerseits als jagenden Blutsauger,
andererseits verkörpert sie die erotische Anziehungskraft des Vampirs. Dass ein
Vampir in Verbindung mit einem Opfer gezeigt wird ist außerdem für den logischen
Schluss notwendig, denn nur so kann der typische Biss thematisiert werden. Die
Frauen, die als Gäste die Tafel des Phantoms komplettieren haben eine ähnliche
Funktion, sie stellen eine exklusive Gesellschaft dar, die sich friedlich im Luxus mit
dem vermeintlichen Monster umgibt. Die Tänzerinnen in der Schlussszene sind
zunächst notwendiger Teil des veranstalteten Ballabends, in der Folge haben sie
aber nur noch eine rein choreografische Funktion, in dem sie die abschließen de
Tanzszene abrunden.
Die Figurenkonstellation der Backstreet Boys unterscheidet sich mit ihrer
Persönlichkeit. So sind sie als Horrorfiguren je einzeln zu sehen, als sie selbst in
Prolog und Epilog und in ihrem mittelalterlichen Tanzoutfit sind sie gemeinsam zu
sehen. Rein äußerlich durchlaufen die Backstreet Boys somit eine
Persönlichkeitsveränderung, die aber durch den offensichtlichen Charakter eines
Traums unbedeutend erscheint.
72
Als Mitglied einer Boyband befindet sich jeder der Backstreet Boys in einer
stereotypischen Boyband-Rolle, die er in der Öffentlichkeit spielt und die zugleich in
Differenz zu der privaten, quasi nicht-medialen Person jedes einzelnen steht. Im
Videoclip existiert eine weitere Rollendifferenz, in dem jeder der Boys als
Schauspieler im Videoclip eine Horrorfigur verkörpert. Als die Stars, die sie sind
stellen sie sich in der Rahmenhandlung als sich selbst dar und in der Erzählung in
dieser Rahmenhandlung stellen sie wiederum als Schauspieler Horrorfiguren dar. Es
liegt die Vermutung nahe, dass sich die stereotypischen Boyband-Rollen in den
Eigenschaften der jeweils verkörperten Horrorfigur wiederfinden lassen.
Durch die Verknüpfung narrativer und performativer Elemente im Videoclip nehmen
die Backstreet Boys nicht ausschließlich Schauspielerrollen ein, da sie ihren Song als
sowohl als Horrorfiguren als auch in zivil performen, es kann daher eher von einer
Verkleidung gesprochen werden. Die Rollengrundlage der Backstreet Boys als
Popstars bleibt also auch in ihrer Verkörperung von Horrorfiguren erhalten, sie dürfen
sozusagen nicht aus eben jener Popstarrolle fallen. Als Boyband müssen sie ebenso
wie ihr Song im Popbusiness als Produkt vermarktbar und für ihre Fans als Popstars
verstehbar bleiben.
Analyse der Bauformen
Bei dem Videoclip zu ‚Everybody (Backstreet’s Back)’ der Backstreet Boys handelt es
sich um eine Kombination aus narrativem Clip und Performance-Clip, die Gewichtung
der beiden Clip-Arten ist relativ ausgeglichen. Das Musikvideo lässt sich strukturell in
Prolog, Vorstellung der einzelnen Charaktere mit entsprechenden Settings,
Tanzperformance und Epilog einteilen.
Wie bereits erläutert wird im Prolog zunächst eine unheimliche Vorgeschichte erzählt
und die freie Tonebene genutzt, um durch musikalische Effekte diese unheimliche
Stimmung zu verstärken. Die Bildebene baut zu Beginn den Horror durch
stereotypische Artefakte wie ausgestopfte Tiere, Spinnweben oder Vollmond auf, ehe
mit dem Einsetzen des Lieds durch die Verkörperung klassischer Horrorfiguren das
eigentliche Horrorszenario beginnt.
Die Horrorfiguren werden in ihrer Inszenierung meistens erst in einer halbtotalen oder
halbnahen Einstellung gezeigt, so dass auch gleichzeitig das sie umgebende Setting
angedeutet wird. Es folgen einige kurze Großaufnahmen stereotypischer
Horrorartefakte, dann werden die Horrorfiguren aus dem Detail heraus, d.h.
73
ausgehend von Großaufnahmen über Nahaufnahmen bis hin zu halbnahen
Einstellungen schrittweise in ihren Settings verortet. In späteren Einstellungen wie
beispielsweise in den Refrains werden wiederum die körperlichen Merkmale der
Figuren durch Groß- und Nahaufnahmen unterstrichen.
Die Farbgebung des Clips ist während der Performance des Songs durch die
Horrorfiguren recht dunkel gehalten, jedoch hat jede der Figuren dabei eine ihr
zugewiesene Grundfarbe: blau bei Werwolf und Vampir, gelb bei Phantom und
Mumie und grün bei Dr.Jekyll/Mr. Hyde.
Die Licht-Schatten-Verhältnisse sind dabei meist so konzipiert, dass durch sie die
individuellen, dem Horror entsprechenden Körpermerkmale der Figuren betont
werden. Die Schnitte sind bis auf wenige Ausnahmen hart und im Chorus besonders
schnell, generell wird dadurch in Kombination mit verschiedenen Einstellungen eine
Bilddynamik erzeugt, die auf den Rhythmus der Musik ausgerichtet ist. Das gilt
sowohl für die Präsentation der Horrorfiguren, als auch für die Tanzszenen. Lediglich
in Prolog und Epilog werden längere Einstellungen und weniger Schnitte verwendet,
da der Videoclip hier eine filmischere Form annimmt und sich die Wichtigkeit der
Aufmerksamkeit in der Rahmenhandlung auf die Tonebene verschiebt.
Die eigentliche Clipgeschichte wandelt sich in ihrem Verlauf von einem narrativen hin
zu einem rein performativen Clip, in den so die Gruppentanzchoreografie als das
basale Element des Boygroup-Videos integriert wird. Die Verbindung zu dem
vorherigen Geschehen wird durch mehrere Elemente gesichert: zum ersten durch die
Ankündigung des Tanzabends am Schlosszaun, zum zweiten durch das Ballsaal-
Setting, das ästhetisch in einer Reihe mit den vorangestellten Settings steht und
drittens durch die Backstreet Boys selbst, die durch ihr ziviles Auftreten eine
Verbindung zwischen Albtraumgeschichte und Prolog herstellen. Es folgen zwar
noch Einblendungen der Horror-Alter Egos, die Horrorgeschichte klingt aber schnell
und ohne narratives Ende mit den typischen Tanzchoreografien aus.
Mit dem Ende der Musik erfolgt der schlagartige Wechsel in die Rahmenhandlung,
der Horror wird zunächst aufgelöst, durch das Auftauchen des Zombie-Busfahrers
aber auch relativ schnell wieder aufgegriffen und in ein offenes Ende übergeleitet.
74
8.1.2. Symbolanalyse
Bildebene
Für die Symbolanalyse des Video ‚Everybody (Backstreet’s back)’ wurde die
Sequenz 13 ausgewählt. Im Song/Videoclip ist diese Sequenz gleichbedeutend mit
dem ersten Refrain, in dem alle Mitglieder der Band einen Gesangspart und somit
ebenfalls einen Auftritt im Videoclip haben.
Sequenz 13, Still 1
Bildbeschreibung: Es ist ein Mann in dunkler Kleidung und einem Hut zu sehen, man
kann nur seine linke, bleiche Gesichtshälfte erkennen, der Mund ist geöffnet. Die
Arme hält er nach vorne, leicht nach oben vom Körper weg, seine Zeigefinger sind
ausgestreckt. Hinter ihm befindet sich ein brauner, geschlossener aufrecht stehender
Sarg. Rechts und links neben dem Sarg steht jeweils eine Frau. Die Frauen haben
beide zurückgebundene Haare und tragen schwarze Kleider mit einer weißen
Schürze. Alle drei Personen blicken direkt in Richtung der Kamera. Am linken
Bildrand ist ein Tablett mit einer Karaffe oder einem Krug zu erkennen. Der
Hintergrund ist dunkel, links hinter der Frau ist ein heller Vorhang zu erkennen.
Bildräumliche Komponenten: Der Mann befindet sich in der Bildmitte und im
Vordergrund, die Frauen und der Sarg im Hintergrund. Die Perspektive ist eine
gerade Aufsicht, die Personen erzeugen jeweils eine senkrechte Bildachse, die
Gesichter befinden sich alle circa auf einer waagrechten Achse.
Bildästhetische Komponenten: Bei dem Bild handelt es sich um eine Nahaufnahme,
es ist insgesamt sehr dunkel gehalten. Der Mann im Vordergrund ist nur durch sein
hell betontes Gesicht zu erahnen, er bildet zusammen mit dem Sarg hinter ihm eine
75
große, dunkle und einheitliche Fläche, zu der die Frauen mit den weißen Schürze in
einem farblichen Kontrast stehen. Die Bewegung seiner Arme erzeugt eine Dynamik
im Vordergrund, die Arme bilden einen Rahmen um den Sarg. Die Frauen stehen
auch dazu wieder im Kontrast, sie sind eher statisch und unscharf im Hintergrund
und am Bildrand. Das Licht erhellt nur punktuell den Hintergrund, das Bild wird durch
die Schattenverhältnissen konstituiert, die z.B. nur das Gesicht des Manns
hervorheben.
Rekonstruktion: Innerhalb des dunklen Bilds ist der Mann das Hauptmotiv, mit ihm
steht der Sarg als Gegenstand in Verbindung. Die dunkle Kleidung, der aufgerissene
Mund, die bleiche, blutleere Haut und der Sarg weisen den Mann als einen Vampir
aus. Sein Zylinder ist ein vornehmes, veraltetes Kleidungsstück, die beiden Attribute
adelig und alt lassen sich im Verständnis des Horrors mit dem Vampir als Teil des
gefallenen Adels in Verbindung bringen. Die Frauen im Hintergrund sehen
Dienstmädchen ähnlich, was im Sinne von Bediensteten und Herr ebenfalls auf Adel
hindeutet. Der Mann ist also ein aus dem Adel stammender Vampir, der jedoch für
seine Bediensteten keine Gefahr darzustellen scheint. Er macht Bewegungen in
Richtung Kamera, die Armhaltung ist aber nicht bedrohend, sondern eher
auffordernd oder herausfordernd.
Sequenz 13, Still 2
Bildbeschreibung: Zu sehen ist ein Mann, der am Ende eines Tischs steht, an der
rechten Seiten des Tischs sitzen zwei Frauen, links sitzt eine Frau. Der Tisch ist
festlich mit Kerzen gedeckt, in der Mitte steht eine Art Käseglocke oder ein silbernes,
geschlossenes Tablett, es befinden sich noch weitere kleine Gegenstände auf dem
Tisch. Alle drei Frauen sitzen seitlich zur Kamera, sie tragen Abendkleider und
76
hochgesteckte Haare. Die Frau vorne rechts im Bild streckt ihren Arm nach etwas auf
dem Tisch aus. Der Mann schaut in die Kamera, er steht gerade und trägt vermutlich
einen schwarzen Frack und ein weißes Hemd. Seine linke Gesichtshälfte ist mit einer
silbernen Maske verdeckt, die Gesichtszüge sind nicht genauer erkennbar. Im
Hintergrund ist eine Art Geländer oder Fenster zu erkennen.
Bildräumliche Komponenten: Die Perspektive dieses Bildes ist eine grade Aufsicht.
Der Mann steht im Hintergrund, befindet sich aber zusammen mit dem Tisch in der
Bildmitte. Die Schale bzw. Käseglocke am unteren Bildrand ist im Vordergrund, so
auch die Frauen am Bildrand. Die Köpfe der Frauen liegen auf einer horizontale
Bildachse, der Körper des Manns auf einer Längsachse. Diese beiden Achsen treffen
sich auf Höhe der Brust des Manns. Hinter dem Mann ist der Hintergrund breite sich
der Hintergrund V-förmig und dunkel aus, auf Höhe der Köpfe der Frauen sind im
Hintergrund jeweils breite, helle Lichtstreifen. Die so erzeugte Tiefe des Raums lässt
ihn wie eine Art Saal oder Halle wirken.
Bildästhetische Komponenten: Es handelt sich um eine halbnahe Kameraeinstellung.
Der Mann ist mit der dunklen Fläche im Bildhintergrund durch seine schwarze
Kleidung farblich verbunden. Die verschiedenen kleinen Farbflächen der
Gegenstände auf dem Tisch und die Frauen bilden im Vordergrund ebenso eine
Einheit. Die Licht-Schatten-Verhältnisse schaffen die Tiefe des Raums, gleichzeitig
halten sie die eigentliche Detailliertheit des Bilds im Verborgenen, die Gesichter und
die Gegenstände auf dem Tisch sind nur undeutlich zu erkennen. Der Kleidungsstil
und die Ausstattung des Raums ist der Zeit des 19.Jahrhunderts ähnlich.
Rekonstruktion: Die Kleidung der Personen, die reichlich gedeckte Tafel und die
restliche Ausstattung des Raum zeugen von Wohlstand und Luxus, in Verbindung mit
einer zeitlichen Einordnung in das 19.Jahrhundert ergibt sich das Bild einer adeligen
Gesellschaft. Der Mann scheint dabei der Gastgeber zu sein, die Frauen als seine
Gäste sind aber eher an der Gesellschaft bzw. dem Essen interessiert als an ihm.
Der Mann trägt eine Maske und einen Frack, er steht in die Kamera singend im
Hintergrund. In Verbindung mit dem phantastischen Horror weist alleine die Maske
den Mann als das Phantom der Oper aus. Sein somit halbverborgenes entstelltes
Äußeres, das ihn zu dieser phantastischen Figur macht, scheint für die Frauen kein
abschreckender Grund zu sein, sich mit ihm an einem, wenn auch abgeschiedenen
Ort zu umgeben. Die Festtafelszene symbolisiert materiellen Reichtum, Dekadenz
und das lockere Leben in Form des Vergnügens mit ‚leichten Mädchen’. Das
77
verunstaltete Phantom steht in einem Kontrast dazu, allerdings kann hier das alte
Klischee der Steigerung der Attraktivität durch Luxus und Reichtums herangezogen
werden, d.h. der gezeigte Luxus kompensiert das scheußliche Äußere des
Phantoms, ohne dass man wüsste, woher im Unterschied zu der verarmten
Originalfigur diese Form des Luxus kommen könnte. Die Szene wirkt jedoch auch
relativ unbedrohlich, die Figur des Phantoms stellt also auch keine unmittelbare
Gefahr im Sinne des Horrors dar, sie ist mehr Symbol für den Ausgestoßenen,
Geächteten, der auf Grund seines Äußeren zum Mythos in der Tradition des
Monsters im Horror wird. Der Figur des Phantoms der Oper, als eine vom Leben an
der Oberfläche ausgeschlossene, ehemals adelige Person, wird durch den ihr hier
zugeschrieben Luxus andererseits eine gewisse gesellschaftliche Exklusivität
verliehen.
Sequenz 13, Still 3
Bildbeschreibung: Zu sehen ist ein Mann in einem grauen Anzug und weißem Hemd.
Der Mann hat kurze, dunkle Haare und trägt eine Brille und einen schwarzen Hut. Er
steht seitlich zur Kamera, sein Kopf ist nach links in Richtung Kamera gedreht, man
kann aber nur seine linke Gesichtshälfte erkennen. Sein linker Arm ist am Körper
angelegt, es ist nur sein Oberkörper sichtbar. Im Hintergrund hängen mehrere
Gegenstände an der Wand. In der Mitte eine Art Käfig, rechts und links
möglicherweise Messer, Speere, Dolche oder Macheten. Außerdem hängen an der
Wand drei Lampen oder Kerzenhalten, zwei links neben dem Mann und einer rechts
neben ihm.
Bildräumliche Komponenten: Die Perspektive ist eine gerade Aufsicht, der Mann
befindet sich in der Bildmitte und im Bildvordergrund. Der Hintergrund enthält die drei
78
Lichtquellen, ist aber unscharf, die Gegenstände sind nur schemenhaft zu erkennen.
Das Licht links unten, der Kopf des Manns und das Licht rechts neben dem Mann
bilden eine diagonale Bildachse auf der auch die meisten und größten Gegenstände
im Hintergrund liegen. Der Speer links, die Gegenstände rechts und der Körper des
Manns bilden Längsachsen, die im Bild eine Symmetrie erzeugen an Hand der die
Person und die Gegenständen angeordnet sind. Der Hintergrund begrenzt den Raum
durch die abgeschlossen Wand.
Bildästhetische Komponenten: In einer halbnahen Einstellung wird das gesamte Bild
von der Farbe grün bestimmt, die sowohl den gesamten Hintergrund in
verschiedenen Abstufungen ausfüllt, als auch im Vordergrund in den Anzug und in
das Gesicht des Manns übergeht. Die dunklen Gegenstände und der Hut des Manns
bilden dazu kleinflächige Kontraste. Das Bild ist recht dunkel gehalten, der
Hintergrund und die rechte Gesichtshälfte des Manns werden durch die Licht-
Schatten-Verhältnisse undeutlich bzw. verdeckt. Die farbliche Gestaltung lässt den
Hintergrund trotz der vielen Gegenstände stimmig und einheitlich erscheinen.
Rekonstruktion: Der Mann wirkt ernst aber seriös, eventuell konzentriert, jedenfalls
gibt er nicht alles von sich Preis, denn er versteckt sich leicht in dem spärlich
beleuchteten Raum. Die Gegenstände sind nicht richtig erkennbar und lasse noch
keinen Schluss zu, wofür sie verwendet werden könnten, sie sehen aber nach
handwerklicher Verwendung oder einer Verwendung z.B. in der Natur, d.h. im Wald,
Dschungel usw. aus. Durch die Inszenierung bekommen die Gegenstände etwas
befremdliches und geheimnisvolles, der Mann wirkt ebenso leicht unheimlich, da er
nicht eingeschätzt werden kann. Allerdings macht er noch einen relativ ruhigen oder
beherrschten Eindruck, was aber auch täuschen könnte. Durch die Gegenstände und
sein Äußeres kann der Mann der Wissenschaft zugeschrieben werden, auch die
Betonung des Kopfs durch den Hut kann so verstanden werden. Der Hut verweist auf
den Kopf und in dem Fall auf das Gehirn und die geistige Anstrengung, Leistung,
Tätigkeit des Manns mit der die Gegenstände im Hintergrund dann in Verbindung
gebracht werden können. Das schummrige Licht, die undeutlichen Gegenstände und
die ernsten Gesichtszüge des Mann, die z.B. seine Augen nicht erkennen lassen,
machen insgesamt einen unheimlichen Eindruck. Somit wird das Thema
Wissenschaft in ein unheimliches Licht gerückt, es wird die möglicherweise vom
alltäglichen Leben abgehobene Expertise (natur-)wissenschaftlicher Wissenschaft
und ihrer Vertreter symbolisiert. Die Figur ist dann im Sinne des verrückten oder
79
zumindest weltfremden, eigenbrötlerischen Forschers zu sehen, dem seine
Forschung im wissenschaftlichen Wahn zu entgleiten droht.
Sequenz 13, Still 4
Bildbeschreibung: Das Bild ist sehr dunkel, es ist lediglich ein hellgekleideter Mann
zu sehen. Er hält die Arme vom Körper abgewinkelt nach vorne, den Kopf hat er
nach oben gestreckt, seine Beine sind nicht mehr sichtbar. Die Kleidung sieht eher
Stofffetzen ähnlich, über der Brust trägt der Mann eine Art Gurt oder Riemen. Er
scheint sich gerade zu bewegen. Der Hintergrund ist kaum zu erkennen, rechts
neben dem Mann befindet sich ein Lichtfleck in dem eine Ziegelmauer zu erkennen
ist, links im Bild befindet sich eine Art Gitter, Tür oder Fenster.
Bildräumliche Komponenten: Der Mann wird aus einer geraden Perspektive gezeigt,
er ist in der Bildmitte und hebt sich von dem dunklen Hintergrund ab. Der Raum
scheint hinter ihm noch weiter in die Tiefe zu gehen, die Räumlichkeit wird hier aber
vor allem durch die farbliche Gestaltung erzeugt.
Bildästhetische Komponenten: Es handelt sich um eine halbnahe Einstellung, die
Person wird in einem hell-dunkel-Kontrast klar vom Hintergrund abgehoben und ihre
Körperlichkeit somit betont. Das Licht hebt dabei nur die nötigsten Aspekte hervor,
zum einen die körperliche Erscheinung der Person und zum anderen nur in wenigen
Lichtspots zu erkennende Beschaffenheit des Raums.
Rekonstruktion: In diesem Bild ist die Körperlichkeit der Person ganz klar im Fokus.
Die helle, leinenartige oder auch einem Verband gleichende Kleidung der Person
lässt in der Symbolik des Horrors den Schluss zu, dass es sich um eine Mumie
handelt. Dafür spricht auch die Umgebung des dunklen Keller, Verlies oder der Gruft,
der Raum wirkt älter und abgeschieden was zum Mythos der Mumie passt, die
80
Jahrhunderte lang unbedrohlich aber unheimlich wartet, bis sie aus einem
mystischen Grund wieder zum Leben erweckt wird. Zu dem ist hinter der Mumie auch
schemenhaft ein offener Sarkophag zu erkennen, aus dem sie sich gerade hinaus
bewegt. Ihre Bewegung ist dabei von großer symbolischer Bedeutung, denn die
Mumie ist schwerfällig. In diesem Bild kann man zumindest die Kopf- und
Armbewegungen der Mumie nachvollziehen, die vorgestreckten Arme sind dabei
typisch für das langsame Vorwärtskommen der Mumie.
Sequenz 13, Still 5
Bildbeschreibung: Auf dem Bild ist eine Person zu sehen, die in einen Mantel
gekleidet im Raum steht und ihre Arme von sich streckt, den Kopf hat sie in den
Nacken gelegt. Das Gesicht der Person ist nicht genau zu erkennen, die kurzen
dunklen Haare und der Ansatz eines Barts lassen vermuten, dass es sich um einen
Mann handelt. Rechts im Bild ist ein Fenster, draußen ist dunkelblauer, bewölkter
Himmel. Unterhalb des Fensters im Rücken des Manns befindet sich eine Art Kiste,
Truhe oder Sarg, daneben sind vor dem hellen Hintergrund zwei dünne Säulen oder
Pfosten zu sehen. In der linken Bildhälfte sind die vagen Umrisse einiger
Gegenstände erkennbar, ganz am linken Rand ist eine Art Anrichte oder Regalbrett
auf dem ein Tierkopf mit aufgerissenem Maul liegt.
Bildräumliche Komponenten: Das Bild zeigt eine gerade Aufsicht auf die Person, die
ebenso wie die beiden Pfosten eine senkrechte Bildachse schafft, zwischen diesen
Achsen wird die Kiste oder Truhe hervorgehoben. Der Mann ist zwar im
Bildvordergrund, verschmilzt aber durch die dunkle Gestaltung des Bilds mit dem
Hintergrund, in welchem der dunkelblaue Himmel im Fenster den geschlossenen
Raum nach draußen hin erweitert.
81
Bildästhetische Komponenten: Es handelt sich um eine halbnahe Kameraeinstellung,
die Person befindet sich in der Bildmitte. In dem farblich sehr dunklen und
schemenhaften Bild dominiert der helle Fensterausschnitt rechts im Bild. Er stellt
auch die einzige Lichtquelle dar, die den Raum durch Schatten strukturiert und das
meiste undeutlich im Dunklen lässt. Einzig die Truhe bzw. Kiste wird durch den
Lichteinfall hervorgehoben. Der leicht bläuliche Mantel des Manns verbindet ihn mit
dem dunkelblauen Himmel und hebt ihn zugleich farblich vom dunklen Hintergrund
ab.
Rekonstruktion: In diesem Bild finden sich eine Reihe von Horrorsymbolen, die den
dargestellten Mann als einen Werwolf kennzeichnen. Der Raum ist dunkel gehalten
und wirkt daher eher nebensächlich, wichtiger und betonter ist die relative helle
Nacht außerhalb des Raums. Der helle Nachthimmel lässt auf Vollmond schließen,
der ein Initiator für die Verwandlung zu einem Werwolf ist. Die Ausstattung des
Raums wird dabei nur angedeutet und bleibt so im geheimnisvollen Verborgenen, die
als einzige Gegenstand vollends zu erkennende Kiste könnte auch ein Sarg sein, der
ein Horrorsymbol ist, jedoch nichts mit einem Werwolf zu tun hat. Links im Bild
befindet sich ein ausgestopfter Bärenkopf, der im Horror sowohl das Tote als auch
das Tierische und Wilde symbolisiert. Letzteres steht in enger symbolischer
Verbindung zum Werwolfmythos, dessen animalische Wildheit durch den langen
Mantel des Manns zusätzlich zu der Umgebung somit auch an der Person
verdeutlicht und mit ihr in Verbindung gebracht wird. Die Körperhaltung des Manns
verbildlicht das stereotypische Heulen des Werwolf als Identifikation mit der
vollendeten Verwandlung, als Signal an Gleichgesinnte und als Warnung an die
Menschgebliebenen. Hinzu kommen der angedeutete Bart und die leicht ungepflegt
wilden Haare des Manns, die auch seinen Körper als den eines Werwolfs
kennzeichnen.
Textebene
Bei dieser Sequenz handelt es sich um den ersten Chorus des Lieds, der Text lautet
an dieser Stelle folgendermaßen:
‚Everybody (Yeah)/ Rock your body (Yeah)/ Everybody/ Rock your body right/
Backstreet's back alright/ Alright’.
Der Songtext wirkt zunächst nicht besonders tiefgründig oder aussagekräftig.
Vielmehr kann er als eine an alle (‚Everybody’) gerichtete Aufforderung verstanden
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werden, den Körper wortwörtlich angemessen zu schwingen oder zu schütteln (‚rock
your body right’), da die Backstreet (Boys) zurück sind (‚Backstreet's back alright’). In
anderen Worten: Die Backstreet Boys richten sich mit diesen Zeilen an alle, die sie
hören, zumindest aber an ihre Fans und fordern sie auf mit ihnen zu tanzen und zu
rocken, aus dem einfachen Grund, weil die Backstreet Boys ein neues Lied haben,
mit dem sie wieder zurück im Pop-Business sind und mit dem sie ihre Fans nun
beglücken.
Der Text wird von allen Bandmitgliedern gesungen, das eingeworfene ‚Yeah’ immer
nur von einem der Boys. Es ist sozusagen die sich selbst gegebene Antwort oder
Bestätigung des Anrufens der Fans, die im Song selbst ja nicht zur Sprache kommen
können, höchstwahrscheinlich aber mit einem solchen ‚Yeah’ antworten würden.
Somit kann man diesen Text als reine Eigenwerbung, als Adressierung des
Publikums und Aufforderung zum Konsum des populärkulturellen Produkts der
Backstreet Boys-Single verstehen. Die Art und Weise diese Konsums bzw. die Art
wie man den eigenen ‚body’ ‚rocken’ soll ist den Fans dabei bereits bekannt und
bewusst und bedarf keiner genaueren Spezifikation.
8.1.2.1. Das Zusammenspiel von Bild und Text in ‚Everybody (Backstreet’s Back)’
Die Symbolanalyse verdeutlicht, dass auf der Bildebene entsprechend den fünf
Mitgliedern der Backstreet Boys fünf klassische Horrorfiguren konstruiert werden, die
jeweils in einem, für den Mythos stereotypischen Setting eingebettet inszeniert
werden.
Der Horror ist folglich auf der Bildebene manifest und zunächst auch nur dort
vorhanden. Neben ihrem Auftreten als Horrorfiguren geben sich die Backstreet Boys
durch das gleichzeitige Performen ihres Songs trotzdem und immer noch als die
Boygroup, die sie sind zu erkennen. Sie sind die Backstreet Boys, die ihren Song in
der Rolle diverser Horrorfiguren präsentieren, somit wird der Songtext im
Zusammenspiel mit dem Bild zunächst in eine rein performative Verbindung mit den
Horrormythen gebracht. Wenn überhaupt, dann entsteht erst in dieser Weise ein
Horror, der über die reine Narration auf der Bildebene hinaus geht.
Der Songtext ermöglicht auf Grund dieser Verbindung mit dem Bild einige Lesarten
im Sinne des Horrors. Der englische Terminus ‚to rock’ kann verschiedenste
Bedeutungen wie erschüttern, schaukeln, schwanken, schwingen, taumeln usw.
83
haben, in Verbindung mit Horror kann dann eine Art Erschüttern oder Erschaudern
durch ein kurzes Erschrecken oder Aufschrecken auf Grund des Horrors gemeint
sein. Mit dem Zusatz ‚right’ ist es jedoch wahrscheinlicher, dass die ‚richtige’ Art des
Tanzens und Mitmachens bei der musikalischen Rückkehr der Backstreet Boys
gemeint ist, die wohl kaum eine schauderhafte oder schreckliche sein soll. Vielmehr
stellt der Horror auf der Bildebene in der Verbindung mit der Aufforderung des
‚rocken’ des eigenen Körpers eine Art neuen Anreiz dar. Die Backstreet Boys sind
zurück als verkleidete Horrorfiguren und fordern zum Mitmachen auf.
Das Motiv der Rückkehr der Band wird dabei durch die Verwendung von
Horrorfiguren gestärkt. Mit dem Vampir und der Mumie beinhaltet das Video zwei
untote Figuren, die von den Toten auferstanden zurückkehren, der Vampir, weil er
blutsaugend zwischen den Wesenszuständen wandelt, die Mumie, weil sie durch
Magie oder Fluch beschwört wird. Die Unsterblichkeit mancher Horrorfiguren dient
dann der Versinnbildlichung der immer wieder mit einem neuen Song
zurückkehrenden Pop-Boyband, die so lange unsterblich ist, so lange sie für
genügend ihrer Fans attraktiv bleibt und diese durch ihre Performances zum
Mitmachen begeistern und sie in ihrem Fan-Dasein bestätigen kann. Die Textzeile
‘Backstreet's back alright’ ist dann die von den wiederauferstandenen Backstreet
Boys selbst formulierte Bestätigung dessen.
Die Tonebene beinhaltet keine Elemente, die im Sinne des Horrors ausgelegt
werden könnten. Vielmehr sichern der eingängige Dance-Beat und die Melodie auf
der Bildebene die Existenz der angedeuteten, boygroup-spezifischen Tanzelemente.
8.1.2.2. Einordnung der Sequenz in den gesamten Videoclip
Bildebene
Bei diesem Video muss allerdings bedacht werden, dass die Inszenierung der
Horrorgeschichte auf der Bildebene durch keinerlei Aspekte des vorgegebenen
Songs bedingt wird. Der Songtext kann erst durch die nachträgliche Verbindung mit
der Bildebene des Videoclips auch auf Horror bezogen ausgelegt werden.
Die ausgewählte Sequenz ist dabei für die gesamte Horrorgeschichte des Videoclips
repräsentativ. Innerhalb der erläuterten Rahmenhandlung werden die Mitglieder der
Backstreet Boys als Horrorfiguren innerhalb ihrer Settings zunächst vorgestellt. Dabei
erfolgt die Vorstellung der Figuren an Hand der Gesangsparts der Backstreet Boys,
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das Video ist also von Beginn an eine Kombination aus Narration und Performance.
Zunächst wirken die Figuren noch recht statisch, der Fokus liegt auf der
Identifizierung der Horrorfiguren mit ihrer stereotypischen Umgebung, es wird also
vorerst der Horror bildlich inszeniert und das Lied performativ, allerdings nur singend
vorgetragen. Auf der Bildebene entsteht ab dem ersten Pre-Chorus und dem darauf
folgenden Chorus mehr Dynamik, da die Figuren ihre Gesangsperformance in den
mittlerweile etablierten Settings immer durch Bewegung ergänzen. Dafür gibt es zwei
ausschlaggebende Gründe: zum einen setzt im Pre-Chorus der Dance-Beat verstärkt
ein, das Lied steigert sich musikalisch zum Refrain hin, zum anderen handelt es sich
immer noch um einen Dance-Song einer Boyband, der im dazugehörigen Videoclip
traditionell nicht ohne entsprechende Tanzelemente auskommen kann. Was im
Verlauf des Videoclips auf visueller Ebene passiert ist also die Vermischung der
beiden tragenden Elemente dieses Clips: die Horrorerzählung und die
Tanzperformance. Der Prozess dieser Vermischung ist schleichend, er deutet sich in
den Bewegungen der einzelnen Figuren an, die dadurch teilweise entfremdet
werden. So tanzt Nick als Mumie später mit zwei weiteren Mumien, was dem
langsamen und schwerfälligen Charakter dieser Figur widerspricht, ebenso verhält es
sich mit Howie, der als tanzender Vampir konträr zu dem eigentlich anmutigen und
dezent ruhigen Wesen des klassischen Vampirs steht. Die drei restlichen Figuren
werden wenn auch in weniger gegensätzlicher Weise ebenso mit Tanzelementen
kombiniert.
Das Video wandelt sich nach dem zweiten Chorus zu einem reinen Tanzvideo, in
dem die Backstreet Boys erstens zwar in mittelalterlicher Kleidung, jedoch nicht in
Verkleidung ihrer Horror-Alter Egos auftreten und zweitens jungen Frauen zu einer
mehr oder weniger unerklärten Ballnacht eingeladen werden, die in eine
gemeinsame Tanzperformance übergeht mit der die Horrorerzählung schließt, die
darauf folgende Rahmenhandlung beendet schließlich den gesamten Clip.
Die Horrorsymbolik durchzieht dabei sowohl die Rahmenhandlung als auch die
Albtraumerzählung. In der Darstellung des Schlosses finden sich beispielsweise
Natursymboliken wie Vollmond, Nebel, Gewitter und die dunkle Nacht als
wahrnehmungsverzerrende Archetypen des Grauens wieder. Das dunkle,
abgelegene Schloss selbst ist ein klassischer Aufenthaltsort von Halbwesen, die
Fledermäuse deuten auf die Anwesenheit von Vampiren hin. Die verfallene, aber
ehemals luxuriöse Ausstattung der einzelnen Handlungsräume im Schloss verweist
85
auf die gotischen Horrormotiv des Alten und des Halbwesens als Angehöriger des
verarmten, gefallenen Adels. So finden sich im Schlafzimmer des Werwolfs
Spinnweben und ausgestopfte Tierköpfe als Symbol für Alter, Verwesung und Tod,
im Setting des Vampirs symbolisiert dies der Sarg. Als Sinnbild von noch
vorhandenem Reichtum und Attraktivität lassen sich die Dienstmädchen, die den
Sarg des Vampirs umringen verstehen, im Setting des Phantoms wird diese
Thematik durch die festlich gedeckte, von Frauen umringte Tafel verdeutlicht. Im
Setting der Mumie symbolisieren die Gruft und der Sarkophag das Verdrängte und
das Alte bzw. Tote, der Ort des Kellers ist mit seinem dunklen, modrigen
Erscheinungsbild zudem als Sitz des Bösen oder als Symbol für den Abstieg in die
Untiefen menschlicher Ängste zu verstehen. Das Arbeitszimmer von
Dr.Jekyll/Mr.Hyde ist ein Sinnbild für den im Horror vorhandenen Zwiespalt der
Wissenschaft zwischen Segen und Fluch. Besonders symbolträchtig ist hier das
Verstecken des Wahnsinns hinter der Wissenschaft, angedeutet durch den vor den
Kopf gehaltenen Aktenkoffer. Das Animalische mancher Halbwesen ist ebenfalls
symbolisch eingearbeitet. So schlägt der Werwolf als Zeichen seiner unkontrollierten
Wildheit Flick-Flacks und der Vampir öffnet exhibitionistisch seinen Umhang aus dem
Fledermäuse fliegen. Der Epilog beinhaltet mit Brians Aufschrecken aus dem
Albtraum und dem ruckartigen sich Aufrichten im Bett das Albtraummotiv des Horrors
schlechthin.
Im Verlauf der Albtraumerzählung werden die Horrorsymbole immer mehr durch
Boygroup-Stereotype und hierbei besonders durch die Tanzelemente ersetzt bis sie
schließlich zum Ende der Traumsequenz hin verschwinden. Der darauf folgende
Epilog greift wiederum die aus dem Prolog bekannte Horrorsymbolik erneut auf und
schließt so den Bogen zum Beginn des Videos.
Textebene
Wie bereits in der vorangegangenen Symbolanalyse lässt sich auch der gesamte
Songtext als selbstbezogene Ansprache an die potentiellen Fans verstehen: Der
Text sagt aus, dass die Backstreet Boys mit der ersten Single ihres neuen zweiten
Albums zurück sind, dass die Fans keine Angst zu haben brauchen, dass die
Backstreet Boys irgendwann einmal nicht mehr zurück kommen könnten, zumindest
so lange es die Musik noch gibt. So lautete der Text am Ende des Lieds:
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‘So everybody, everywhere/ Don't be afraid, don't have no fear/ Gonna tell the world,
make it understand/ As long as there'll be music we'll be coming back again’
Dieser Text kann nur dann im Sinne des Horrors ausgelegt werden, wenn das Motiv
der Rückkehr (‚we'll be coming back again’) als die Rückkehr von den Toten oder
Vergessenen bzw. als Auferstehung oder als Unsterblichkeit verstanden wird. Alle
diese Metaphern benötigen den Glauben anderer an eine Existenz des Phänomens
Backstreet Boys respektive an die von Horrorwesen und den Willen des
Hinaufbeschwören anderer. In dem Fall zeugt die Zeile ‚As long as there'll be
music…’ davon, dass die Musik das Element der Beschwörung ist und die Fans
logischerweise der Grund des Wiedererwachens. Die Textzeile ‚So everybody,
everywhere, don't be afraid, don't have no fear’, die im Song den Fans die Angst
davor nehmen soll, die Backstreet Boys könnten irgendwann nicht mehr mit neuen
Songs zurückkehren, bekommt im Musikvideo durch die Verbindung mit der
Tanzszene im Ballsaal und den in zivil auftretenden Backstreet Boys eine weitere
Bedeutung. Den Fans als potentiellen ZuhörerInnen der erzählten Horrorgeschichte
wird in der Text-Bild-Kombination versichert, dass sie keine Angst zu haben
brauchen, dass es sich bei den Backstreet Boys etwa wirklich um Monster handeln
könnte.
Außer dem schon analysierten Text des Refrains, lassen sich im Songtext keine
weiteren Symbole des Horrors wieder finden. Die zweite Strophe steht ganz im Sinne
von Party, Spaß und Tanz:
‘Now throw your hands up in the air/ And wave 'em around like you just don't care/ If
you wanna party let me hear you yell/ 'Cause we've got it goin' on again’
Genau so verhält es sich auch zu Beginn mit der ersten Strophe, die wie folgt lautet:
‘Oh my God we're back again/ Brothers, sisters, everybody sing/ We're gonna bring
the flavor show you how/ I've gotta question for ya/ Better answer now’
Lediglich das bereits erläuterte Motiv der Auferstehung und Rückkehr ins
Popmusikbusiness in Verkleidung von Horrorfiguren kann durch die Zeile ‚Oh my
God we're back again’ erneut festgestellt werden.
Wie bereits erläutert, handelt es sich bei ‚Everybody (Backstreet’s back)’ um eine
Mischung aus Performanceclip und narrativem Clip, der Song wird von den
Backstreet Boys in Horrorkostümen dargeboten. Der Text lässt sich größtenteils nicht
dem Horror zurechnen, durch die Kombination mit dem Horror der Bildebene erhalten
nur vereinzelte Textstellen eine latente Horrorbedeutung. Betrachtet man den Text
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unter dem Gesichtspunkt, dass er von Horrorfiguren gesungen wird, so ist die Bild-
Text-Kombination im Pre-Chorus hervorzuheben. Der Text des Pre-Chorus besteht
aus den folgenden Fragen: ‘Am I original?/ Am I the only one?/ Am I sexual?/ Am I
everything you need?’ Übersetzt heißen diese Zeilen so viel wie ‚Bin ich echt?’, ‚Bin
ich der Einzige?’, ‚Bin ich sexuell attraktiv?’, ‚Bin ich all das, was du brauchst (dir
wünscht)?’. Diese Fragen sind zugleich auch jene Ansprüche, die von den Backstreet
Boys an ihr Publikum gerichtet werden, wiederum zur Absicherung ihrer eigenen
Existenz als attraktive, verehrte und in diesen Aspekten auch einzige Boyband im
Sinne einer Lebensnotwendigkeit für ihre Fans. Jede dieser Fragen wird von den
restlichen Backstreet Boys wie auch schon im vorher analysierten Beispiel
stellvertretend für die im Lied nicht anwesenden Fans mit ‚Yeah’ beantwortet. Der
Pre-Chorus wird abwechselnd von Nick und Brian bzw. den Horrorfiguren Mumie und
Werwolf folgendermaßen gesungen:
Nick als Mumie: ‘Am I original?
Brian als Werwolf: ‘Am I the only one?’
Nick als Mumie: ‚Am I sexual?’
Brian als Werwolf: ‘Am I everything you need?/ You better rock you body now’
Durch diese Kombination mit dem Bild erhalten diese gestellten Fragen durchaus
eine tiefgründigere Bedeutung, denn die Backstreet Boys erfragen sich bei ihrem
Publikum nicht einfach nur die Rechtmäßigkeit ihrer Existenz, sie erfragen diese als
Horrorfiguren. Die Backstreet Boys sind in diesem Video sogar als Mumie noch
immer die echten, ursprünglichen und attraktiven jungen Männer, sie sind für ihre
Fans auch als Werwolf die Einzigen und das Einzige, das diese in ihrem
musikalischen Leben benötigen. Die bedrohliche Horrorfigur wird durch den Text
somit als nichtbedrohliche Verkleidung eines Stars dekonstruiert und der Horror als
reiner Fülleffekt der Bildebene konstituiert.
Die Tonebene soll nicht gänzlich unerwähnt bleiben, ist sie doch im Prolog und
Epilog ein wesentlicher Träger der Stimmungserzeugung des Horrors. Sie enthält
zum einen nicht-diegetische Elemente wie die ansteigenden Streicherpassagen und
die bildunterstützenden Tusche, zum anderen diegetische Elemente wie das Knarren
des Tors, den Donner und Blitz, das Quieken eines Tieres, das Heulen des Werwolfs
Brian und nicht zuletzt den finalen Schrei der Backstreet Boys. Die Tonebene
übernimmt somit in der Rahmenhandlung dramaturgische Funktionen zur
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Inszenierung des Horrors, die durch den Wechsel zwischen Clipgeschichte und
Rahmenhandlung ermöglicht werden.
8.1.2.3. Die visuelle Funktion des Horrors in ‚Everybody (Backstreet’s Back)’
Da die Ebenen Bild und Text thematisch prinzipiell unverbundenen sind handelt es
sich auf visuell-funktionaler Ebene bei ‚Everybody (Backstreet’s back’) der Backstreet
Boys um eine narrative Ergänzung des Songtexts durch die Erzählung auf der
Bildebene. Die vereinzelten Textstellen, die nur nachträglich in Verbindung mit dem
Bild latent als Horrorreferenz gedeutet werden können, reichen nicht aus um als
verbildlichende Funktion zu gelten. Für den zweiten Teil des Videos, in welchem der
Horror verschwunden ist und nur getanzt wird kann dies sehr wohl gelten, jedoch
liegt der Untersuchungsfokus dieser Typologie auf der Form und Funktion der
Inszenierung des Horrors und nicht auf der Inszenierung von Tanzperformances.
8.1.3. Kultursoziologische Deutungsmusteranalyse
8.1.3.1. Einordnung in das Deutungsmuster Horror
Die Symbolanalyse macht deutlich, dass im Musikvideo zu ‚Everybody (Backstreet’s
back)’ eine starken bildsymbolische Verwendung sowohl des klassischen als auch
des modernen Horrors vorliegt. In der Filmanalyse zeigt die Untersuchung der Rollen
und Figuren, dass die Backstreet Boys als Figurationen von Horrormythen ebenso
als Träger des Horrors fungieren, wie auch in ihrer Rolle als Protagonisten der
Rahmenhandlung. Die Analyse der Bauformen legt dar, wie in der Kombination der
Ebenen Bild, Text und Ton eine umfassende Horrorstimmung generiert wird.
Die dargestellten Figuren ermöglichen dabei auf Grund ihrer Merkmale jeweils für
sich eine Deutung als Teil des Horrors: wenn eine Person lange Eckzähne hat und in
Verbindung mit einem Sarg gezeigt wird, dann ist sie ein Vampir; wenn eine Person
mit einer Maske ihr entstelltes Gesicht verdeckt und festlich gekleidet ist, dann ist sie
das Phantom der Oper; wenn eine Person verschiedenartige Gesichtshälften oder
Gesichtsausdrücke hat und einen Anzug trägt, dann ist sie Dr.Jekyll/Mr. Hyde; wenn
eine Person in Stoffe gewickelt vor oder in einem Sarkophag steht oder liegt, dann ist
89
sie eine Mumie; wenn eine Person ein starkes Gebiss und wilden Bart- und
Haarwuchs hat und vor einem Vollmond gezeigt wird, dann ist sie ein Werwolf.
In Anschluss an die Identifikation der Figuren als Horrorfiguren lautet die Deutung
bezüglich ihrer Charaktereigenschaften: wenn eine Person ein Monster (Vampir,
Werwolf, Mumie, Phantom der Oper, Dr. Jekyll/Mr. Hyde) ist, dann bedroht und/oder
verletzt und tötet sie ein oder mehrere Opfer.
Weitere Deutungen betreffen die Nebenpersonen des Busfahrers und der Frau im
roten Kleid: wenn jemand (der Busfahrer) sagt ‚Ich komme (gleich) wieder’ (‚I’ll be
back’), dann tritt das Gegenteil ein und er kommt nicht oder als Bedrohung wieder.
Für die Frau gilt die Deutung: wenn eine junge, attraktive Frau in Verbindung mit
einem Vampir gezeigt wird, dann ist sie sein Opfer. Daran schließt die Deutung an:
wenn eine Frau das Opfer eines Vampirs ist, dann wird sie von ihm durch einen Biss
getötet.
Das übergeordnete Setting kann auf die selbe Weise in das Deutungsmuster Horror
integriert werden: wenn eine Burg abgelegen, unbewohnt und voller alter
Gegenstände ist und die Personen sie bei Nacht und/oder Gewitter erreichen, dann
ist die Burg ein Spukschloss. In der Folge bedeutet das: wenn ein Schloss/ eine
Burg/ ein Haus ein Spukschloss/ -haus ist, dann werden die Personen im Haus von
einer Bedrohung heimgesucht, verletzt oder getötet. Das im Videoclip verwendete
Motiv des Albtraums kann als eine Variation oder Erweiterung dieses Musters
gesehen werden: wenn eine Person in einem Spukschloss/-haus übernachtet, dann
wird sie Albträume haben. Der Albtraum selbst ist durch das entsprechende
Verhalten der Person, in dem Fall Brian in stereotypischen Situationen zu deuten:
wenn eine Person in ihrem Bett aus dem Schlaf aufreckt und sich aufsetzt, dann
hatte die Person einen Albtraum.
Damit sind Personen, Ort und Handlung in das Schema und das Deutungsmuster
des Horrors eingeordnet. Die Rahmenhandlung entspricht dabei einer Deutung im
Muster des modernen (Teenie-)Horrors, die integrierte Albtraumgeschichte folgt in
Ästhetik und Gestaltung der Figuren und Handlungen dem Muster des klassischen
bzw. gotischen Horrors.
90
8.1.3.2. ‚so everybody, everywhere, don’t be afraid, don’t have no fear...’: der
entdramatisierte Horror
Für eine soziologische Deutungsmusteranalyse stellt sich vor dem Hintergrund von
Funktionsweise und Aufbau von Boybands die Frage, warum die Backstreet Boys in
ihrem Musikvideo im Rahmen einer Horrorgeschichte als Horrorfiguren auftreten, vor
allem wenn die auf der Bildebene erzählte Horrorgeschichte keine Verbindung zu
dem gesungenen Text, der Musik, dem Image der Musik oder dem Image der
Boygroup hat.
Die Legendenerzählung
Die im Videoclip erzählte Geschichte folgt dem Prinzip klassischer amerikanischer
Halloween-Geschichten oder auch den als urbane Legende bezeichneten modernen
Märchen, in denen zumeist unschuldige Jugendliche in verlassenen, abgelegenen
Gegenden stranden und dort von verschiedenen Horrorgestalten heimgesucht
werden. Solche mythischen Erzählungen sind im kollektiven sozialen Gedächtnis
einer Gesellschaft verankert, sie weisen einen hohen Bekanntheitsgrad auf und
knüpfen an Legenden und Ereignisse des Hörensagens an. Die Anlässe bei denen
sie erzählt werden sind ebenso stereotyp verinnerlicht wie auch ihre Wirkungs- und
Rezeptionsweisen. Der Glaube an die Richtigkeit und Wahrhaftigkeit dieser
Geschichten hat eine geringe Reichweite und Dauer, die Geschichte hat die Funktion
eines des kurzzeitigen Schreckens mit teils unterschwelligen gesellschaftlich
moralischen und normativen Aussagen ähnlich eines Märchens.
Normalerweise benötigt der so zu Stande kommende Horror einen Verstoß gegen
eine Moral oder ein Gesetz als Auslöser, dieser Verstoß fehlt allerdings in der
Erzählung von ‚Everybody (Backstreet’s back)’. Ein weiteres untypisches, fast
gegenteiliges Moment im Sinne einer solchen Legendenerzählung stellt auch die
integrierte Clipgeschichte an sich dar. Die Backstreet Boys verwandeln sich nämlich
in die Bedrohung und nicht etwa in die Opfer, was gemäß den urbanen Legenden
der Fall sein müsste. Die einzelnen Albträume sind dann keine Albträume im
klassischen Verständnis der Verfolgung durch etwas Bedrohliches, sondern die
Furcht sich selbst in eine solche Bedrohung zu verwandeln, dann jedoch mit
übermenschlichen Kräften und Fähigkeiten ausgestattet zu sein. Die Bedrohung,
auch im Sinne der Erzählung einer urbanen Legende besteht für die Backstreet Boys
91
nur in der Rahmenhandlung, in der diese durch den als Zombie zurückkehrenden
Busfahrer verkörpert wird.
Durch die Form einer solchen Legendenerzählung passt sich der Horror in diesem
Videoclip einem vorgefertigten Schema an, das sowohl aus Literatur als auch aus
Film und Fernsehen bekannt ist. Die Funktionsweise und der Ablauf eines solchen
Horrors sind daher stark stereotypisiert. Für die RezipientInnen erscheint der Horror
als berechenbares Muster, er nimmt jene kommerzialisierte Form an, die durch
Hollywood-Filme verbreitet und in das kulturelle Gedächtnis als die erwartbare Form
von Horror eingebrannt wird. Der Horror im Clip zu ‚Everybody (Backstreet’s back)’
folgt somit dem selben Prinzip wie auch die kommerzielle Konzeption von
Boygroups, in dem er auf eine profanisierte Darstellung und einen möglichst hohen
Wiedererkennungswert setzt, wodurch es den Backstreet Boys erst ermöglicht wird in
die Rolle von Horrorfiguren zu schlüpfen. Der Horror wird zu einem reinen Abbild
seiner Figuren und Symbole, es existieren keine Überraschungsmomente mehr, die
einen Schock oder Angst und Schrecken auslösen würden. Die ursprüngliche
Wirkung des Horrors, den Menschen in eine Grenzsituation der eigenen Emotionen
zu versetzen entfällt, der Horror wird entdramatisiert. Der Horror wird damit auf jene
populärkulturelle Ebene transferiert, auf der sich die Backstreet Boys befinden. In
dem die Boyband Backstreet Boys diesen entdramatisierten Horror in ihrem Videoclip
mit sich selbst als unbedrohliche, positiv konnotierte Stars verbindet, bietet der
Horror im Videoclip und somit dieser Videoclip als Gesamterscheinung die
Möglichkeit einer vergnüglichen und horrorfremden Aneignung.
Horrorvergnügen
Dass Videoclips als das mediale Format, das sie sind von Haus aus die Möglichkeit
einer kurzzeitigen und fokussierten populärkulturellen Aneignung der in ihnen
präsentierten und inszenierten Themenkomplexe bieten ist bekannt. Die im Videoclip
zu ‚Everybody (Backstreet’s back)’ vorhandene, relativ sanfte und weniger
schreckliche Form der Horrorunterhaltung, lässt sich am Besten mit Attraktion im
Sinne von Geisterbahnen vergleichen. Das Format der Geisterbahn oder auch das
der Freakshow ermöglicht eine ebenso eine Beschäftigung mit Horror als
populärkulturelle Erscheinung, die auf einen kurzen vergnüglichen Schock abzielt,
nicht auf das Erzeugen eines nachhaltig verstörenden und angsteinflößenden
Effekts.
92
Neben dem ‚sanften’ Horror ist einerseits die Versicherung des Geschehens als
Fiktion ausschlaggebend um die Möglichkeit des Vergnügens aufrecht zu erhalten,
andererseits muss es sich um eine Form des Horrors handeln, die auf stereotypische
und in kulturellen Strukturen verankerte Darstellungen des Horrors zurückgreift.
Diese Voraussetzung erbringen die in Geisterbahnen dargestellten Horrormythen
ebenso wie die von den Backstreet Boys verkörperten Figuren in ‚Everybody
(Backstreet’s back)’. Sie verweisen beide auf massentaugliche Symbole und Figuren
des Horrors, es handelt sich nicht um eine spezielle kulturelle Ausprägung, weder
von Horror oder einer sonstigen Form. Es bedarf keines Experten- oder
Insiderwissen um die Botschaft dieser Form des Horrors zu verstehen. Die Figuren
und Symboliken sind für jedermann verständlich und ermöglichen somit eine
populärkulturelle und vergnügliche Aneignung. Entsprechend dem allgemeinen
gesellschaftlichen Verständnis von Horror wird auf diese Weise eine Regelhaftigkeit
erzeugt, die in einem berechenbaren Szenario präsentiert wird.
Dieses Szenario entsteht durch die Kombination einer stereotypen Horrorkulisse
bestehend aus Figuren, Settings und Symbolen mit einer stereotypen Inszenierung
einer Boyband in der Kulisse der Popwelt. Es werden in diesem Videoclip zwei
Elemente des medialen Mainstream vereint, durch die der Horror von seiner
ursprünglichen Funktion, den/die BetrachterIn/ZuhörerIn in eine beispiellose
Extremsituation zu versetzen, losgelöst werden kann. So wird in diesem Videoclip ein
vergnüglicher Umgang auf Grund folgender Aspekte ermöglicht:
1. Die Horrorfiguren werden von den Backstreet Boys selbst dargestellt, was zwei
Deutungen zulässt: einerseits die Backstreet Boys als Stars und Performer im
Videoclip, andererseits die Backstreet Boys als Schauspieler in der eingebauten
Geschichte. Somit ist klar, dass es sich nicht um echte Horrorfiguren im Sinne eines
Horrorfilms handelt, sondern um die Boyband Backstreet Boys in der Kostümierung
von Horrorfiguren;
2. Abgesehen von Prolog und Epilog, spielt sich die Horrorgeschichte nur auf der
Bildebene des Clips ab, nur durch die visuelle Ergänzung werden der Text und die
Musik im gesamten Zusammenspiel mit Horror verbunden, für sich alleine sind sie
vollkommen horrorfreie Themen. Die von Text und Musik implizierte Version der
Bildebene wäre ein Dance-Performance-Video und in genau diesen Typ geht das
Video in der zweiten Hälfte allmählich über.
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Diese Möglichkeit des vergnüglichen Umgangs mit Horror stellt nun ein Angebot der
Backstreet Boys an ihre Fangemeinde dar, die zugleich die Zielgruppe für die
Produkte Song, Video und Band an sich bildet. Die Fans orientieren sich dabei an
dem Image, das die Boyband über ihre Produkte vermittelt. Diese Image ist
gleichermaßen die Verbindung zwischen der Boyband und ihren Fans als auch die
Konstante an der die Fans messen können, wie sehr sie und warum sie zu dieser
Boyband stehen.
Die Andeutung des Böse-Buben-Image
Die Mitglieder von Boybands sind zumeist als glatte, positive und verehrenswerte
Charaktere angelegt, mit denen sich die Fans identifizieren können, da die Stars
abseits ihres Poplebens so alltäglich wie die Fans selbst zu sein scheinen. Bei
Horrorfiguren eigenen sich zwar ihre teils übernatürlichen Fähigkeiten als Halbwesen
zu einer Form der Bewunderung, letztendlich verkörpern sie als grauenvolle
Personifikationen menschlicher Urängste aber das Ungewisse und das moralisch
Verwerfliche. Der Horror und seine Figuren sind im Endeffekt immer in irgendeinem
Auftreten oder einem Verhalten ein Ausdruck des Bösen oder aus ästhetischen
Gründen abzulehnen oder zu verabscheuen. Dies gilt selbst in den filmischen
Formaten der Komödie oder der Parodie.
Im Videoclip zu ‚Everybody (Backstreet’s back)’ werden die positiv konnotierten, in
der Tradition gängiger Popsongs stehenden Aussagen des Songtexts auf der
Bildebene mit der Darstellung von Horrorfiguren und –symbolen zusammengeführt,
die niemals als gänzlich positiv bewertet werden können. Die saubere Popwelt der
Boyband wird von einem Anflug des Bösen überlagert, wodurch die Boyband
Backstreet Boys ein Image der ‚bösen Buben’ erhält. Wenn ein Popstar seinem
eigenen Image entgegen als Horrorfigur auftritt, dann setzt dies zumindest voraus,
dass ihm die Existenz des Horrormythos bekannt ist und er sich traut als solcher
aufzutreten. Es kann des Weiteren bedeuten, dass er eine zweite, dem glatten
Popimage entgegengesetzte Identität besitzt, die er fortan für immer oder nur für
kurze Zeit in Form der Verkleidung als Horrorfigur auslebt.
Die Backstreet Boys, von denen anzunehmen ist, dass sie als Amerikaner mit der
Halloween-Tradition aufgewachsen sind, benutzen den Horror in ihrem Video um ein
‚böse Buben’-Image anzudeuten und um der Popwelt und ihren Fans zu zeigen, dass
sie sich mehr trauen und mehr können als nur in altbekannten Tanzvideos
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aufzutreten. Durch ihre Horrorverkleidungen zeigen sie, dass sie keine Angst vor den
zu Grunde liegenden Mythen haben, denn jemand, der sich aus dem Glauben an die
mögliche Existenz solcher Halbwesen vor ihnen fürchtet, wird sich nicht selbst als
Halbwesen verkleiden, sondern als einer ihrer Gegenspieler. Die Backstreet Boys
sind also nicht ausschließlich die netten Jungen von nebenan, sie sind nicht nur
gutaussehende, liebenswerte Popsternchen, sie sind auch die harten, männlichen
Typen, die sich nicht fürchten und sozusagen ihren Mann stehen können. Ob ihnen
dadurch Respekt oder Ablehnung der restlichen Popwelt zukommt, ob sie dadurch
bei ihren weiblichen Fans ihre Attraktivität steigern können oder neue Fans, männlich
wie weiblich hinzugewinnen kann hier nicht beantwortet werden.
Das Video zeigt außerdem, dass die Backstreet Boys auch keine Angst oder Scheu
haben, mit ihrer Verkleidung Schreckensmomente bei den Fans bzw. generell den
BetrachterInnen zu erzeugen. Sie sind in doppelter Hinsicht mutig, denn sie fürchten
sich auch nicht vor dem zurückwirkenden Horror in Form des Ausdrucks von
Schrecken, Grauen, Ekel usw. in der Reaktion ihrer Fans. Somit sind sie sich selbst
in ihrem Tun sicher, denn die Angst vor Misserfolg mit der Verkleidung als
Horrorfiguren scheint durch ihre vorhandenen populärkulturellen Errungenschaften
als Boygroup überboten zu werden. In dieser Hinsicht kann eine kommerziell wie
auch populärkulturell erfolgreiche Verwendung von Horror, wie sie mit diesem Video
erzielt wurde als Bestätigung des eigenen nahezu allmächtigen Popstarstatus
dienen.
Dass dieser Imagewechsel nur kurzzeitig ist und dass die Backstreet Boys nicht
wirklich vorhaben ihre Fans bzw. die ZuseherInnen zu schockieren zeigt sich in der
Tatsache, dass der Horror nur angedeutet aber nicht ausgeführt wird. Die zu Anfang
formulierte Prämisse, dass eine Horrorfigur notwendigerweise ein Opfer bedroht,
verletzt oder tötet tritt im Clip zu ‚Everybody (Backstreet’s back)’ nicht ein. Keine der
Horrorfiguren vollzieht den Horror auf der wichtigen körperlichen Ebene. Bis auf die
Ausnahme der Frau im roten Kleid als potentielles Opfer des Vampirs gibt es noch
nicht einmal Opfer, und selbst der angedeutete Biss des Vampirs in den Hals der
Frau wird im letzten Moment doch nicht ausgeführt. Auf die voranschreitende
körperlich Aktivität der Horrorfiguren folgt nicht etwa die Jagd nach einem Opfer oder
Kampf mit einem Widersacher sondern die zivile Zusammenkunft zum Ballabend.
Das Image der Boyband besiegt in Form der Tanzchoreografie sozusagen den
vorangegangenen Horror in Form der verkleideten Backstreet Boys, das Image als
95
Boyband ist endgültiger und wiegt stärker als das kurzzeitige Horrorimage, das
lediglich als Möglichkeit angedeutet bleibt.
Das Image der ‚bösen Buben’ wird in diesem Clip recht moderat aufgebaut, der
Horror fungiert als Ornament für das Auftreten als Boyband, er ist das Beiwerk, das
deswegen erfolgreich funktionieren kann, weil es sich auf die entdramatisierte und
stereotyp geschönte Version des Horrors bezieht. Nach dem Ende des Clips ist auch
diese kurzzeitige Andeutung eines Imagewechsels beendet.
Der Videoclip zu ‚Everybody (Backstreet’s back)’ nutzt auf nicht-schockierende
Weise die Unterhaltungsfunktion des Horrors als besondere visuelle Komponente mit
der er sich aus der Masse belangloser Pop-Clips abzuheben scheint und mediale
Aufmerksamkeit auf sich zieht. Dies kann aber nur für die Bildebene gelten, Text und
Ton folgen, wie in der Analyse deutlich geworden ist, dem Schema bekannter
Popsongs von Boybands. Die banale und unspektakuläre Basis aus Text und Ton
hinterlässt für die Bildebene eine inhaltliche Leere, die auf verschiedenste Weise
gefüllt werden kann. Mit der Verwendung von Horror wird in diesem Videoclip ein
visueller Anreiz geschaffen, der diese Leere nicht nur füllt sondern der über Text und
Ton hinaus eine eigene Geschichte erzählt. Dazu muss sich der Horror
einschränken, er darf nicht schockieren oder Angst erzeugen und er darf nicht über
die Dauer des Musikvideos hinaus Bestand haben. Weder der Song noch die Band
dürfen mit dem ursprünglichen Schrecken, Schock und Grauen des klassischen
Horrors in Verbindung gebracht werden, da der ‚echte’ Horror nicht dem Pop-Image
einer Boyband vereinbar ist.
Der Horror wird auf der Bildebene auf ein ästhetisches Zitat reduziert, durch die Art
und Weise der Konstruktion des Vergnügens wird die Rezeption gelenkt und die
entdramatisierte Version des Horrors zur einzigen Möglichkeit Horror und Boygroup
in einem Musikvideo zu verbinden gleichzeitig eine vergnügliche Rezeption zu
ermöglichen. Das Interessante am Horror in ‚Everybody (Backstreet’s back)’ ist somit
nicht die Darstellung des Horrors selbst, sondern seine Nutzung durch die
Kulturindustrie. Diese reduziert den Horror nun auf gewöhnliche, massentaugliche
Darstellungen, die von seiner ursprünglichen Funktion der Visualisierung verborgener
und verdrängter Ängste und gesellschaftlicher und moralischer Missstände durch die
schreckliche Figur des Halbwesens losgelöst sind. Der Horror ist dann nicht mehr
96
übernatürlich, sondern alltäglich, da es ihn in der Kulturindustrie gibt, die ihn von
seinen übernatürlichen Eigenschaften entbehrt und profanisiert hat.
8.1.4. Verortung im Musikvideoclipkorpus
In der Figuren- und der Symbolanalyse wird deutlich, dass der Videoclip zu
‚Everybody (Backstreet’s back)’ mehreren Horrortypen des erstellten Korpus
zugeordnet werden kann. Nahezu jede der dargestellten Figuren vertritt einen
anderen klassischen Horrormythos: die Mumie, der Vampir und der Zombie sind
Wesen, die nicht tot und nicht lebendig sind, der Werwolf ist ein Tiermensch, Dr.
Jekyll/Mr. Hyde vertritt das Doppelgängermotiv und Erik, das Phantom der Oper lässt
sich als „(...) eine Variation des Monsters, mit dem man Mitleid haben muss“242
verstehen. Hinzu kommt das erläuterte Motiv des Albtraums. Durch die Vielzahl
thematisierter Mythen und ihrer Verknüpfung mit Tanzelementen ist dieser Videoclip
für den Korpus besonders repräsentativ, da sich hier weitere Beispiele des Pop- bzw.
Boygroup-Genres finden, die eine ähnliche Verwendung des Horrors auf struktureller,
inhaltlicher oder figurativer Ebene aufweisen.
Zumeist folgen diese Videoclips dem Prinzip, dass die InterpretInnen, wenn sie selbst
in einer Narration im Videoclip auftreten, stets eine Horrorfigur in Verbindung mit
einer Gesangs- und/oder Tanzperformance oder in einer finalen Tanzperformance
darstellen. Der Clip zu Michael Jacksons ‚Thriller’ ist vielleicht nach wie vor das
bekannteste und richtungsweisendste Beispiel für dieses Prinzip.
Ein neueres Video, das Boygroup und Horror verbindet ist ‚Just Because Of You’ der
Boyband Us5. Das Video beginnt ebenso wie ‚Everybody (Backstreet’s back)’
während einem nächtlichen Gewitter mit der Ankunft der Band in einem alten,
scheinbar verlassenen Schloss. Das inhaltliche Prinzip ist jedoch zu Beginn ein
anderes, da die folgenden drei Traumsequenzen der Bandmitglieder sie zunächst als
die Opfer einer Vampirfrau zeigen. Die Rückkehr zu dem angesprochenen Schema
erfolgt nach den obligatorischen Bissen der Vampirfrau in einer Interlude, in der die
Bandmitglieder als Zombies auf einem Friedhof eine Tanzperformance darbieten. Am
Ende stellt sich heraus, dass es sich bei dem Gesehenen lediglich um einen Film
handelt, den sich die Jungs von Us5 im Kino ansehen und in dem sie selber
mitwirken. Auch dieser Clip basiert also auf der Kombination stereotyper
242 Seeßlen 1979, S.58
97
Horrorfiguren, Horrorsymboliken und Settings mit dem wesentlichen Boygroup-
Element der Tanzperformance. Der Text schildert dabei in bekannter Boyband-Pop-
Manier die Ernsthaftigkeit und Einzigartigkeit einer zerbrochenen Liebe zu einem
Mädchen. Neben der Verknüpfung der Horrorgeschichte mit Tanzelementen ist im
Video auch die Einbettung in die Rahmenhandlung des Kinofilms wichtig. Auch
hierbei lassen sich Parallelen zu ‚Everybody (Backstreet’s back)’ feststellen, denn
ähnlich dem als Zombie zurückkehrenden Busfahrer, sitzt in am Ende von ‚Just
Because Of You’ die (Vampir-)Frau im Kinopublikum und blickt die Jungs von Us5
mit leuchtend roten Augen an. Der wesentliche Unterschied besteht jedoch darin,
dass in diesem Videoclip die Rahmenhandlung nicht vom Song losgelöst gezeigt
wird.
Ein ähnliches Muster verfolgt der Videoclip zu ‚Wall To Wall’ von Chris Brown. In
einer nächtlichen Szene auf einem leeren Parkplatz nähert sich eine Vampirfrau aus
einer Nebelwolke heraus dem Auto von Chris Brown, als dieser einsteigt taucht die
Frau auf dem Beifahrersitz auf und beißt Chris Brown in den Hals, kurz darauf wacht
er mit Vampirzähnen auf, er fährt los und das eigentliche Musikvideo beginnt. Seine
Fahrt führt ihn zu einem düsteren Haus, in dem hauptsächlich weibliche Vampire
eine Party feiern und in dem er der besagten Frau wieder begegnet. Die Narration ist
von Performance-Elementen durchbrochen und mündet letztendlich in eine
Tanzchoreografie. Die Rahmenhandlung wird nach Ende der Tanzperformance auch
hier wieder aufgegriffen, in dem Chris Brown über den leeren Parkplatz zu seinem
Auto geht und die Frau erneut auf dem Beifahrersitz auftaucht.
Treten die InterpretInnen nicht selbst in einer Performance oder Narration im
Videoclip auf, so hat der Horror auf der Bildebene oftmals die Funktion das leichte,
süßliche und oft wenig aussagekräftige Image der dargebotenen Popmusik in Form
eines visuellen Anreizes zu kontrastieren.
Die Videoclips zu ‚Superfreak’ und ‚Somebody’s Watching Me’ der Dance-Formation
Beatfreakz zeigen, wie einfach eine solche Kombination von Tanzperformance und
Horrorfiguren funktionieren kann. Die Verkörperung von Horrorfiguren hat bei den
Beatfreakz eine parodistische Imagefunktion, die schon in der namentlichen
Vorstellung der einzelnen TänzerInnen deutlich wird. Ihre Pseudonyme wie ‚Mekill
Hacksaw’, ‚Creepin Curly Minogue’ oder ‚Pussy Corpse Trolls’ sind Horroradaptionen
von Namen bekannter MusikerInnen. So beschränken sich die beiden Videos auch
98
auf die Inszenierung der Charaktere in unheimlichen Settings, um dann ohne weitere
Umschweife in Tanzperformances überzugehen.
Die Formation Young Punx verfolgt ein ähnliches Prinzip der populärkulturellen
Nutzung von Horror in Dancemusic-Videos zur Etablierung eines visuell ‚härteren’
Image. In ihren computeranimierten Clips zu ‚Your Music Is Killing Me’, ‚Wake Up
Make Up Bring It Up Shake Up’ und ‚You’ve Got To’ lassen sich die Bandmitglieder
vor buntem Hintergrund von singenden Totenköpfen, tanzenden Skeletten, einem
bösen Clown, einem fliegenden Auge und verschiedenen Tierköpfen vertreten.
Die Deutungsmusteranalyse führt aber auch vor Augen, dass ein Musikvideo wie
‚Everybody (Backstreet’s back)’ der Backstreet Boys nicht nur die Kontrastierung der
positiv konnotierten Popmusik durch düstere Horrorinhalte und eventuell einen
Imagewandel verfolgen muss, sondern dass auch die reine, als vergnüglich
anzusehende Unterhaltungsfunktion des Horrors im Vordergrund stehen kann. Einige
Beispiele von Popmusikvideos des Korpus zeigen, wie eine Horrorgeschichte auf der
Bildebene als reine narrative Ergänzung zu Text und Ton funktionieren kann. Dazu
ist eine Kombination mit Gesangs- oder Tanzperformances nicht mehr nötig.
So erzählt beispielweise der Videoclip zu ‚Believe’ der Chemical Brothers in der
Tradition des Psycho-Horros die Geschichte eines jungen Manns, der in seiner
Alltagswelt von den plötzlich lebendig gewordenen Maschinen, die er in einer Fabrik
bedient, verfolgt und bedroht wird, bis dass ihm letztendlich die Unterscheidung von
Realität und Fiktion entgleitet. Der Clip wird dabei von dem intensiven
Zusammenwirken des Dance-Beats und der Dynamik der Bilder geprägt.
Im Musikvideo zu ‚Sumisu’ schlüpft Farin Urlaub in die Rolle des Nosferatu während
auf der Bildebene die Ästhetik der filmischen Vorlage ‚Nosferatu – Eine Symphonie
des Grauens’ adaptiert wird. Die Intensität des Horrors wird in diesem Video jedoch
gesteigert, in dem Farin Urlaub als Vampir sein weibliches Opfer beißt und somit zu
einer aktiven Horrorfigur wird. Der Vampir wird hier als einsame, sich nach
Gesellschaft sehnende Kreatur dargestellt. Nur durch den unabwendbaren Biss, der
das Opfer in das gleichgesinnte Wesen verwandelt, ist es dem Vampir möglich seine
Einsamkeit zu beenden. Das selbe Motiv findet sich in parodistischer Weise im
Videoclip zu ‚Who Cares?’ des Duos Gnarls Barkley. Hier tritt der Vampir als
alternder Frauenheld auf, der sich des Nachts auf die Suche nach erotischen
Abenteuern macht und letzten Endes, getrieben von seinem Blutdurst einen Mann
beißt.
99
8.2. Death in Vegas – ‚Aisha’ Regie: Terry Richardson, Jahr: 2000, Dauer: 4:00min
Death In Vegas ist eine 1994 gegründete britische Band, deren Musikstil zunächst in
Richtung BigBeat, Dub und Techno ging. Mit ihrem zweiten Album ‚The Contino
Sessions’, verlegte sich die mittlerweile aus dem Duo Richard Fearless und Tim
Holmes bestehende Gruppe mehr auf den Einsatz von Instrumenten und dem
Engagement von GastsängerInnen. Der Song ‚Aisha’, gesungen von Iggy Pop
bescherte der Band den ersten Top Ten Erfolg in England243 und erschien am
31.01.2000244 als zweite Singleauskopplung aus diesem Album. Bei dem
zugehörigen Videoclip führte Terry Richardson (*1965)245 Regie, der besonders als
Fotograf mit Kombinationen aus alltäglichen Begebenheiten, ‚trashigem’ Humor und
sexueller Provokation international bekannt geworden ist246.
8.2.1. Filmanalyse
Handlungsanalyse
Das Video zu ‚Aisha’ von Death in Vegas handelt von einer Frau, die vor einer nicht
sichtbaren Bedrohung flieht. Ihre Flucht beginnt in einem Wald und setzt sich über
Wiesen und Wege fort bis zu einem einzelnen und unbewohnten Haus, in das sie
sich zunächst rettet. Hier spitzt sich ihre bedrohliche Lage allerdings zu, sie flieht
zunächst durch einen Wohnraum und dann die Treppen hinauf in den oberen Stock.
Nach der Flucht in ein weiteres Zimmer kommt es zur vermeintlichen Konfrontation
mit dem Täter, jedoch ändert sich in dem Moment der Handlungsverlauf. Es stellt
sich heraus, dass es sich bei der gezeigten Handlung um den Dreh eines Films
handelt in dem die Frau als Schauspielerin mitwirkt.
Bis zu dem Zeitpunkt des Handlungswechsels sind erzählte Zeit und Erzählzeit im
Clip identisch, die Handlung verläuft zeitlich linear. Auf der Grundlage des erstellten
Filmprotokolls kann die Handlung im Videoclips in folgende Phasen unterteilt werden:
Flucht durch den Wald, Flucht über Wege und Wiesen, Flucht zum Haus und Suche
243 http://www.laut.de/wortlaut/artists/d/death_in_vegas/biographie/index.htm 244 http://en.wikipedia.org/wiki/The_Contino_Sessions 245 http://www.terryrichardson.com/biography.html 246 http://www.arte.tv/de/suche/785564.html
100
nach Hilfe, Flucht in das und durch das Haus, Drehpause am Filmset und die Frau in
der Maske, Flucht aus dem Haus.
Die Story des Videoclips besteht aus zwei sich überlagernden Handlungssträngen:
die Flucht der Frau ist Teil eines ansonsten unbekannten Films, dessen Produktion
zum Thema des Videoclips wird. Das Spannungsmoment liegt darin, dass dieses
Prinzip der Doppelung für den Blick der ZuseherInnen erst im Moment der
Dekonstruktion ersichtlich wird, da die verschiedenen Kameraeinstellungen zuvor alle
anderen technischen Gegebenheiten eines solchen Filmdrehs ausblenden. Erst als
das Filmteam im Bild auftaucht wird klar, dass es sich auch bei der vorherigen
Handlung um den Dreh des Films und bei der Frau um eine Schauspielerin
gehandelt hat.
Das Video beginnt zunächst damit wie die Frau über den Waldboden rutscht, danach
läuft sie durch das Dickicht des Walds und über eine Lichtung. Ihre Flucht steigert
sich als sie aus dem Wald heraus über eine Wiese und danach einen Weg entlang
läuft, wobei sie mehrmals stolpert. Je näher sie dem einsamen Haus kommt, desto
angestrengter wird ihre Flucht, wobei eine Bedrohung nie sichtbar im Bild auftaucht.
Die verzweifelten Versuche der Frau in das Haus zu gelangen und Hilfe zu finden
stellen eine weitere Steigerung dar. Mit der Flucht in das Haus folgt auf diese ersten
Klimax eine leichte Entspannung, die allerdings durch die verstörende Atmosphäre
im Inneren des Hauses und die neuerliche Flucht durch das Haus sofort wieder
umschlägt. Die Spannung gipfelt in dem kurzen Moment des Schreis der Frau, in
dem nicht klar ist, dass die Frau von dem Regisseur des gedrehten Films und nicht
von einem irren Killer gewürgt wird. Danach ist die Anspannung vorbei, das Filmset
weist die Handlung als fiktiv und unbedrohlich aus, die Schlussszene, in der die Frau
aus dem Haus herausrennt hält die Ebene des Filmsets aufrecht und bietet den
ZuschauerInnen eine Form des Happy End.
In dem Video werden mit dem Wald und dem einsamen Haus zwei typische
Horrorschauplätze thematisiert, der Horror selbst zeigt sich in Kombination dieser
Orte mit der Flucht des stereotyp angelegten, weiblichen Opfers. Mit dem Clip endet
auch die integrierte Filmebene, der weitere Ausgang des gezeigten Films bleibt dabei
offen, und somit auch die Rolle der Frau als mögliches Opfer.
101
Figurenanalyse
Wie bereits angedeutet ist im Videoclip zu ‚Aisha’ von Death in Vegas die Figur der
Frau auf der Flucht tragend für die Konzeption der Handlung und den
Spannungsaufbau, denn alleine durch die Flucht der Frau, durch ihr Äußeres und
durch ihre Mimik wird in diesem Video der Horror verbildlicht. Die Frau ist sowohl
Hauptfigur als auch Protagonistin, als solche antizipiert sie für die ZuseherInnen eine
eventuelle, nicht sichtbare antagonistische Bedrohung. Diese tritt durch die
Kombination aus Bild und Text lediglich in der Imagination des Publikums auf und
wird durch die Einführung der Ebene des Filmsets teilweise dekonstruiert. Teilweise
deswegen, weil die Bedrohung als Teil einer Filmhandlung in Bezug zu der Frau als
Opfer als fiktiv ausgewiesen wird, jedoch bleibt die Imagination einer Bedrohung auf
Grund der notwendigen Paarung von Opfer und Täter auch für eine Handlung
aufrecht, die als fiktiver Film identifiziert werden kann. Die Hauptfiguren sind also die
sichtbare Frau und der nicht sichtbare, im Text verankerte Täter, der in der
Vorstellung der ZuschauerInnen eine Personifikation erhält.
Durch die Überlagerung der Ebenen Videoclip und Film im Videoclip erhalten alle
auftretenden Figuren eine doppelte Bedeutung. Die Frau ist sowohl Hauptfigur des
Videoclips als auch Schauspielerin in einem Film, in dem sie nicht zwangsweise die
Hauptrolle spielen muss. Auf der Filmebene im Video ist die Figur der Frau relativ
eindimensional, sie ist das typische, sexualisierte weibliche Opfer. Sie ist schlank,
brünett und trägt hochhackige Schuhe, Spitzenunterwäsche und einen roten
Morgenmantel, der während ihrer angestrengten Flucht immer wieder versagt ihre
blanke Brust zu bedecken. Der plötzliche Wandel der Figur von der Protagonistin des
Videoclips hin zur Darstellerin in einem Film stellt jedoch eine komplexe Erweiterung
ihrer Eigenschaften und auch eine Veränderung ihrer Persönlichkeit dar, die sowohl
auf die vorherige Handlung als auch auf die gezeigten Settings zurückwirkt.
In der gezeigten Filmhandlung tauchen keine Nebenfiguren auf, was jedoch
bezüglich einer größeren, antizipierten Rahmenhandlung nicht der Fall sein muss. Es
ist sogar möglich, dass die Frau innerhalb des Films selbst nur eine Nebenrolle
einnimmt, im Videoclip ist sie jedenfalls die Hauptfigur. Auch die Mitglieder des
Filmteams nehmen zwei Rollen ein: sie sind einerseits Nebenfiguren im Musikvideo,
andererseits in ihrer Funktion als Mitglieder des Filmteams im produzierten Film
selbst keine Figuren.
102
Die Eigenschaften der Settings ergeben sich daher aus der jeweils eingenommenen
Rolle der Frau. Zunächst handelt es sich um das Setting des Videoclips und
anschließend um das eines Filmdrehs, der in einem Videoclip sozusagen
‚dokumentiert’ wird.
Analyse der Bauformen
Das Musikvideo zu ‚Aisha’ ist rein narrativ, die Band tritt im Videoclip nicht auf. Die
Auflösung der suggerierten Videoclipebene als erweiterte Ebene eines Filmdrehs
kann in struktureller Hinsicht auch als Element eines Konzeptvideoclips gesehen
werden. Der Videoclip lässt sich an Hand der Settings grob in die bereits erläuterten
Phasen strukturieren. Das Gesamtkonzept des Videos stützt sich dabei auf die
angesprochene Zweiteilung der Handlung in jene vor und jene nach der Einführung
des Filmsets, die Filmebene weist dadurch nachträglich die gesamte Handlung als
Filmhandlung aus.
Die Flucht durch den Wald und über Wiesen und Wege zum Haus hin wird zumeist in
Kombinationen aus Groß-, Nah- und Halbnahaufnahmen der rennenden Frau und
halbtotalen Einstellungen der Umgebung gezeigt. Die Aufnahmen der flüchtenden
Frau betonen durch die Nähe zum attraktiven Körper der Frau diesen als Träger und
Spiegelbild des Horrors und geben detaillierte Einblicke in die körperliche
Beschaffenheit des potentiellen Opfers. Ihre Mimik und ihre scheinbare
Gleichgültigkeit gegenüber der eigenen Nacktheit deuten auf die existenzielle
Ernsthaftigkeit dieser Flucht hin. Die eingestreuten weiten Einstellungen der
verschiedenen Landschaften dienen der Vergegenwärtigung des jeweiligen Settings,
sie zeigen allerdings auch, das innerhalb des gezeigten Raums keine offensichtliche
Bedrohung zu sehen ist.
Dem Gebrauch der subjektiven Kamera kommt in drei Szenen des Videoclips eine
besondere Bedeutung zu, denn alle drei weisen auf eine direkte Bedrohung der Frau
hin. Zu Beginn des Videos wird aus subjektiver Sicht gezeigt, wie die Frau auf dem
Waldboden sitzend, mit den Beinen scharrend aufzustehen und zu fliehen versucht.
Der dadurch freigegebene Blick auf ihre Reizwäsche konstruiert zudem ein stark
sexualisiertes Bild. Die zweite dieser Szenen findet erst spät im Clip statt: nachdem
die Frau aus dem Erdgeschoss des Hauses in den ersten Stock geflohen ist, wirft sie
mit Gegenständen in Richtung der Kamera, wodurch die Kamera in dieser
Einstellung die Bedrohung verkörpert. Die dritte Verwendung der subjektiven Kamera
103
folgt kurz darauf, als die Frau in das Schlafzimmer flüchtet und auf das Bett fällt. Die
Kamera ist bereits im Raum, die Frau schreit direkt in sie hinein und aus Richtung
der Kamera legen sich Hände um ihren Hals. Direkt darauf folgt jedoch die Auflösung
der Szenerie, in dem die Kamera wegfährt und man sieht, dass die Hände nicht etwa
einem Killer, respektive den ZuseherInnen gehören, sondern dem Regisseur des
Films. Das Schreien in die subjektive Kamera wird in der Schlussszene des
Videoclips nochmals wiederholt, wirkt dann jedoch als eine, den ZuschauerInnen
höhnisch vor Augen gehaltene Parodie der zuvor aufgebauten Filmebene. Einerseits
kann sich das Publikum zu diesem Zeitpunkt der Fiktion von Blick und Handlung
sicher sein, zum anderen zeigt auch der Übergang von einem Schrei in ein Lachen
die nicht vorhandene Ernsthaftigkeit des suggerierten Horrors. Dieser Schrei ist
außerdem im Gegensatz zum ersten auch nicht zu hören, er bleibt hinter der
Tonstruktur des Videoclips verborgen und ist daher von der inhaltlichen Filmebene
losgelöst. Die subjektive Kamera ermöglicht in Kombination mit der fehlenden
Bedrohung in den weiten Kameraeinstellungen und dem Songtext die Vorstellung,
dass der/die ZuschauerIn selbst die Rolle des Mörders übernimmt.
Die Rolle der verschiedenen Handlungsorte als stereotypische Horrorsettings wurde
bereits erörtert. Sie bilden den Hintergrund für die Flucht der Frau, die sowohl als
Figur als auch thematisch stets im Vordergrund steht. Das rote Kleid macht die Frau
dabei in allen Settings durch seine Signalfarbe zum Opfer und zu einem leicht
sichtbaren Ziel.
Das Video erschöpft sich prinzipiell in der Darstellung der Flucht und der
überraschenden Wende der Ereignisse, besondere Funktionen von Farbsymboliken
oder Licht und Lichtverhältnissen sind nicht erkennbar. Darin liegt jedoch die
strukturelle und inhaltliche Besonderheit dieses Videoclips, der alles mehr oder
weniger normal aussehen lässt und auf den ersten Blick keinen offensichtlichen
Grund für die Flucht der Frau liefert.
104
8.2.2. Symbolanalyse
Bildebene
Für die struktural-hermeneutische Symbolanalyse nach Müller-Doohm soll die
Sequenz, in der die Frau durch den Wohnraum des Hauses die Treppen hinauf läuft
und am Ende in die Kamera schreit beispielhaft analysiert werden (vgl. Filmprotokoll,
Sequenz 11). Diese Sequenz beinhaltet mit der Flucht, der Gegenwehr der Frau und
der Konfrontation samt Schrei wesentliche Motive des Horrors. Für die deskriptive
und rekonstruktive Analyse wurde die Sequenz in sieben repräsentative Stills
unterteilt.
Sequenz 11, Still 1
Bildbeschreibung: Zu sehen ist eine Frau, die durch ein Wohnzimmer läuft. Sie hat
lange braune Haare, trägt ein rotes Kleid oder einen roten Morgenmantel, ihre rechte
Hand ist nach vorne gerichtet, mit der linken stützt sie sich an einem der Sessel ab,
ihr linkes Bein zeigt ebenfalls nach vorne. Die Einrichtung des Zimmers besteht aus
modernen Designermöbeln, zwei Sesseln, einem Tisch, einer Couch und einer
Stehlampe, an der Wand hängt wahrscheinlich ein Bild. Im rechten oberen Eck
befindet sich ein Gang zu anderen Räumlichkeiten, an der Wand sind die Schatten
der Möbel und der Frau sichtbar.
Bildräumliche Komponenten: Die Frau befindet sich in der Mitte des Bilds, Boden und
Wand bilden durch den schwarz-weißen Kontrast die Hauptachse des Bildes, die den
Laufweg der Frau vorzeichnet. Die Möbel und die Frau sind im Bildvordergrund, die
Frau wird dabei als einziges sich bewegendes Objekt und zusätzlich farblich
hervorgehoben. Der Hintergrund aus schwarzem Boden und weißer Wand ist
großflächig gehalten, ebenso die einzelnen Objekte wie Sessel, Bild und Frau im
Vordergrund. Die Objekte sind alle entlang der genannten Hauptachse angeordnet.
105
Es handelt es sich um eine Perspektive aus Obersicht, was die Person verkleinert
erscheinen lässt und einen Rundblick durch den Raum ermöglicht.
Bildästhetische Komponenten: Die Kameraeinstellung ist eine Halbtotale, durch die
Perspektive wird von der Frau ausgehend eine Dynamik innerhalb des eher
statischen Raums erzeugt. Farblich hebt sich die Frau durch ihre rote Kleidung klar
von der Umgebung ab. Das Licht ist eher matt, der Lichteinfall kommt von rechts
unten und wirft Schatten, was die Tiefe des Raums betont und den Bewegungsablauf
der Frau verdeutlicht. Die Farben sind von Spektrum und Fläche her hart
voneinander abgegrenzt.
Rekonstruktion: Das zentrale Motiv ist die Frau, die durch einen Wohnraum läuft.
Dieser geordnete Wohnraum als Symbol der Ruhe, des Ausruhens, des
Zusammenkommen und als zentraler, familiärer Ort eines Hauses ist hier nur ein
Durchgangsort für die laufende Frau. Er ist so gesehen nebensächlich und nur ein
Raum von vielen, den die Frau passiert, da ihr Laufen der wesentliche Inhalt des
Bilds ist. Die Bewegungen der Frau stehen im Gegensatz zu der eigentlichen Ruhe
des Raums, und machen die Frau zu einem Symbol für Eile, Hektik und Flucht, wofür
schnelle, hektische, unkontrollierte usw. Bewegungen kennzeichnend sind. Das
Zimmer ist daher nicht das Ziel der Frau, die Einrichtung stellt kein Angebot der Ruhe
dar, sondern ein Hindernis. Der unbewohnte Wohnraum bietet auch keine Hilfe oder
Hilfestellung im Sinne familiärer Geborgenheit oder die Anwesenheit einer hier
wohnenden Person. Die einzelne, durch diesen Raum laufende Frau symbolisiert so
ihre eigene Hilflosigkeit und die scheinbare Ausweglosigkeit der Situation.
Die Frau durchbricht die Ruhe des Raums auch durch die klare farbliche Abhebung
von Hintergrund und Einrichtung. Das rote Kleid hat Signalfarbe, die Farbe rot ist ein
Symbol für Blut, in diesem Fall für das Blut des Opfers, das vergossen wird.
Die Kameraeinstellung und die Perspektive lassen die Annahme einer
Beobachterperspektive zu, aus der heraus die Frau verfolgt wird.
106
Sequenz 11, Still 2
Bildbeschreibung: Die Frau läuft eine Treppe hinauf, sie befindet sich gerade am
Treppenabsatz. Ihr Kopf ist in Richtung der aufsteigenden Treppe gerichtet, ihr
rechter Fuß ist nach vorne gerichtet, mit den Hände hält sie sich links und rechts am
Geländer fest. Ihr Oberkörper ist leicht nach vorne gebeugt. Das rote Kleid hat lange
Arme und geht ihr bis zu den Knien.
Bildräumliche Komponenten: Das Treppengeländer in der Mitte ist die Hauptachse
des Bildes, die wieder gleichbedeutend mit dem Laufweg der Frau ist. Das
Treppengeländer ist im Vordergrund, die Frau läuft aus dem Bildhintergrund die
Treppe hinauf in den Vordergrund, dabei ist sie relativ in der Bildmitte. Sowohl die
Wand im Hintergrund als auch die Treppe in Vorder- und Hintergrund sind
großflächig weiß gehalten, wodurch die Figur der Frau im roten Kleid eine deutliche
kontrastive Betonung erfährt und farblich in den Vordergrund gerückt wird.
Bildästhetische Komponenten: Es handelt sich um eine halbtotale Kameraeinstellung
aus der Perspektive einer Obersicht. Die Kamera befindet sich in einer Position aus
welcher der gesamte zweistöckige Raum und somit der Laufweg der Frau sichtbar
ist. Das Licht ist immer noch matt und reicht gerade um die weiße Treppe von der
weißen Wand abzuheben und so die Tiefe des Raums darzustellen. Die
Kameraposition erzeugt eine Art allumfassenden Blick auf Raum und Person. Die
Frau in ihrem roten Kleid ist dabei das zentrale Objekt, nicht nur, weil sie die einzige
Person ist, sondern auch, weil sie sich in der Bildmitte befindet.
Rekonstruktion: Die Frau läuft die Treppe hinauf, sie nimmt also die Anstrengung des
Treppenlaufens in Kauf, da sie es eilig zu haben scheint oder sie sich eben auf der
Flucht befindet. Durch fehlende weitere räumliche Komponenten wird die Frau in
ihrem roten Kleid deutlich zum zentralen Objekt, ihre Körperlichkeit wird durch die
Farbe und den Schnitt des Kleids hervorgehoben. Die Treppe ist ein weiteres
107
Hindernis, das die Frau auf ihrem Weg zu überwinden hat. Zum einen stellt die Wahl
des Wegs der Treppe die Suche nach der vermuteten Hilfe in einem anderen
Stockwerk des Hauses dar, zum anderen aber auch die Verzweiflung der Frau in
ihrer Situation. Die Treppe und somit die Flucht nach oben, in obere Stockwerke oder
in den Dachboden eines Hauses ist ein zentrales Motiv aus modernen Horrorfilmen,
das zumeist das baldige Ende der Flucht und das Auftreten des Killers einleitet.
Dieses Motiv symbolisiert die Steigerung der drohenden Gefahr.
Die Kamera folgt nun nicht mehr der Frau, sondern sie folgt der Kamera, in dem sie
die Treppe hinauf zu ihr hinläuft. Je nach Konzeption ist auch dies als Flucht zur
Gefahr hin statt von ihr weg zu verstehen und ebenfalls ein Motiv in der Tradition des
modernen Horrors.
Sequenz 11, Still 3
Bildbeschreibung: Die Frau steht am oberen Ende der Treppe, ihr Kopf ist leicht nach
links gedreht, sie schaut nach unten. Ihr Unterkörper und Teile des Oberkörpers sind
vom Geländer verdeckt. Das Kleid scheint offen zu sein.
Bildräumliche Komponenten: Die Frau befindet sich in der Bildmitte, im Vordergrund
ist die großflächige weiße Wand des Treppengeländers, die Frau ist eher im
Hintergrund. Das Geländer deutet als Hauptbildachse erneut den Weg der Frau an.
Bildästhetische Komponenten: Es handelt sich wieder um eine halbtotale Einstellung
aus einer Untersicht, der Blick der Frau geht nach unten in Richtung Kamera. Das
Licht betont den Hintergrund und verstärkt zusammen mit der Perspektive die Tiefe
des Raums. Die Frau hebt sich dunkel von dem weißen Hintergrund ab, ihre
Konturen verschwimmen aber etwas.
Rekonstruktion: Die Kamera nimmt die Gegenperspektive aus der Position, in der
sich die Frau eben selbst noch befand ein, und folgt so nicht dem bisherigen
108
beobachtenden Kameraverlauf. Der Blick der Frau nach unten symbolisiert eine Art
Innehalten während der Flucht, eine Form der Vergewisserung des Tatbestands der
Verfolgung und impliziert somit auch einen Verfolger, dessen Position mit der
Kamera identisch ist. Die Räumlichkeit der bisherigen Sequenz wird gebrochen und
in eine allwissende und allumfassende Beobachterperspektive sowohl aus Sicht der
Frau als auch aus der eines Verfolgers umgewandelt. Dadurch wird die für den
Horror notwendige Paarung von Opfer und Täter erzeugt. Die Frau wird zum Objekt
und Ziel der Verfolgung und ihr Laufen durch das Haus endgültig zu einer Flucht. Der
Täter folgt ihr auf dem selben Weg, somit ist der Weg des Täters für die Frau
einschätzbar, der Weg zurück ist ihr abgeschnitten.
Sequenz 11, Still 4
Bildbeschreibung: Die Frau läuft in einen weiteren Wohnraum hinein. Sie ist von
hinten zu sehen, das Kleid betont ihre Figur und geht ihr nur knapp über die Hüfte.
Ihre Haare wehen, die Arme hält sie leicht vom Körper weg. Im Raum ist recht
niedrig, in der Mitte stehen zwei weiße Sessel, links ein roter Sessel, rechts ein
weiterer weißer Stuhl und ein schwarzer Lederhocker. Die Wände sind weiß, der
Boden grau, vielleicht Teppichboden . Auf der rechten Seite wird der Raum von einer
Glasfassade begrenzt, in der sich die Zimmereinrichtung spiegelt, draußen scheint es
dunkel zu sein. An der Decke befinden sich einige eingelassene, runde Lampen. Im
Hintergrund lassen sich weitere Möbelstücke erahnen.
Bildräumliche Komponenten: Die Bildachsen aus Wand, Glasfassade und Boden
laufen in der Bildmitte in einem Fluchtpunkt zusammen. In dieser Bildmitte befindet
sich die Frau, die Möbel und die Deckenlampen sind entlang der Bildachsen
angeordnet. Die Frau bewegt sich mit dem Rücken zu den ZuseherInnen aus dem
Vordergrund heraus in Richtung Hintergrund. Die Objekte im Hintergrund sind Raum
109
so angeordnet, dass sie einen Platz bilden und nicht im Laufweg der Frau stehen.
Die Spiegelungen und die Fluchtachsen erzeugen die Tiefe des Raums. Durch die
Anzahl der Objekte im Raum und deren kleineren Flächen wird die Frau stimmiger in
das Bild integriert, zu dem sind die Wände nun dunkler und ihr rotes Kleid hebt sich
nicht mehr so stark vom Hintergrund ab.
Bildästhetische Komponenten: Es handelt sich um eine halbnahe Kameraeinstellung
aus gerader Aufsicht, allerdings aus einer Hinteransicht der Hauptfigur. Die Frau läuft
nicht wie bisher auf die Kamera zu, sondern von ihr weg. Der Raum wird künstlich
erhellt, die Farbgebung ist vielfältiger als zuvor. Durch den großen roten Sessel links
im Bild verschwindet die Frau etwas mehr im Gesamtbild, die Signalfunktion ihres
roten Kleids wird abgeschwächt. Das Licht betont den Vordergrund und dimensioniert
den Hintergrund eher durch die Spiegelung in den großen Fenstern.
Rekonstruktion: Der Raum ist nun kleiner wodurch die weiteren Fluchtwege der Frau
begrenzt werden. Auch ist in diesem Raum weder durch Personen oder
Gegenstände eine konkrete Hilfe zur Verbesserung ihrer Lage bzw. zur Abwehr vor
der Bedrohung gegeben. Die Tatsache, dass die Flucht nur räumliche
Veränderungen aber keine Verbesserung der Lage bringt, zeigt in der Symbolik des
Horrors die Sinnlosigkeit der Flucht und die Übermacht des Bösen und dessen
Allgegenwärtigkeit in Form der in jedem Raum in anderer Perspektive vorhandenen
Kamera. Die Glasfassade deutet noch auf eine Verbindung zur Außenwelt hin,
allerdings scheint es draußen oder in dem anderen Raum dunkel zu sein.
Sequenz 11, Still 5
Bildbeschreibung: Die Frau holt mit ihrer rechten Hand zum Wurf mit einem weißen
Gegenstand aus. Ihr Oberkörper steht seitlich zur Kamera, der linke Arm ist nach
110
vorne gerichtet, der rechte angewinkelt nach hinten. Ihr Kopf ist leicht zurückgeneigt,
ihre Lippen sind zusammengepresst. Es ist nur die obere Hälfte des Oberkörpers zu
sehen, es ist wieder zu erkennen, dass das Kleid tief ausgeschnitten ist. Im
Hintergrund befinden sich verschiedene Lampen und Lichter, die einen Lichtspot an
die Decke werfen. Rechts von der Frau ist wieder die Glasfassade zu erkennen, in
der sich die Lichter spiegeln.
Bildräumliche Komponenten: Die Frau befindet sich im Vordergrund und in der
Bildmitte, der Hintergrund ist bis auf den grünlichen Lichtspot recht dunkel und
nebensächlich. Die angedeutete Wurfbewegung der Frau impliziert eine
Räumlichkeit, die sich hinter die Kamera oder zumindest bis zu ihr hin erstreckt. Die
Lichter an der Decke bilden die Achsen, die in einem Fluchtpunkt zusammenlaufen,
der sich etwas links neben der rechten Hand der Frau befindet. Die angedeutete
Bewegung des Arms kommt aus diesem Fluchtpunkt heraus und erzeugt eine
Dynamik im Bild, die Hand der Frau befindet sich dabei auf einer der Bildachsen.
Bildästhetische Komponenten: Es handelt sich um eine Nahaufnahme aus gerader
Sicht. Die Frau stellt einen klaren Kontrast zum Hintergrund dar. Ihre Bewegung ist
bedrohlich, sie wirft einen Gegenstand in Richtung der Kamera, ihr Gesichtsausdruck
ist angespannt, ihr gesamter Ausdruck und ihre Körperhaltung drücken eine
Aggression aus. Es wird eine große Nähe zur Kamera bzw. den ZuseherInnen
erzeugt.
Rekonstruktion: Diese Aggression der Frau richtet sich gegen die Kamera bzw. den
Blick der Kamera und bricht mit der anscheinenden Harmlosigkeit des Raums und
dem fehlenden Gegenüber des faktischen Verfolgers. Der Verfolger und die Kamera
werden in Form einer subjektiven Kameraeinstellung vereint, die Bedrohung wirkt auf
die Kamera zurück. Die Frau bedroht die personifizierte Kamera, die Tatsache, dass
sie den einzigen verfügbaren Gegenstand zu werfen droht, zeugt jedoch von ihrer
Verzweiflung und ist nur ein kurzes Aufbäumen gegen die Übermacht des Verfolgers.
Die Frau ist das mehr oder weniger wehrlose, dem Täter ausgelieferte Opfer, das
eher durch die Betonung der Körperlichkeit hervorgehoben wird, als durch eine
aktive und durchdachte Gegenwehr. Ihr ist aber der Verfolger nun bekannt, sie kann
entsprechend auf ihn reagieren und weiß sich zumindest mit dieser Form der
Gegenwehr zu helfen. Die Frau passt nun nicht nur äußerlich, sondern auch ihrem
Verhalten nach in die stereotype weibliche Opferrolle des modernen Slasher-
Horrorfilms.
111
Sequenz 11, Still 6
Bildbeschreibung: Die Frau läuft in einen Raum hinein, ihre Arme hält sie vom Körper
weg, der Kopf ist leicht nach hinten gelegt, der Körper etwas nach links verlagert.
Das Kleid ist sehr tief ausgeschnitten oder fast offen und an der rechten Schulter
zerrissen. Hinter ihr ist ein weißer Raum mit rotem Boden, aus dem sie gerade
kommt. Links von der Frau sieht man einen großen Spiegel mit Glühbirnen darüber,
davor stehen zwei Sessel. Im kleineren Teil des Spiegels ist eine weiße Wand zu
erkennen, im rechten, größeren Teil des Spiegels sieht man eine braune Wand. In
der Mitte des Bildes ist die Trennwand zwischen den beiden beschriebenen Räumen.
Bildräumliche Komponenten: Die Wand in der Bildmitte trennt das Bild in zwei
Hälften: rechts ist die Frau, die aus dem hellen Raum in den dunkleren Raum
hineinläuft, welcher im Hintergrund der linken Bildhälfte zu erkennen ist. Die Frau in
der rechten Bildhälfte befindet sich im Vordergrund des Gesamtbilds, die Einrichtung
in der linken Hälfte im Hintergrund, zu dem sind die Frau und der weiße Hintergrund
großflächiger als die Gegenstände in der linken Bildhälfte. Auf diese Weise wird hier
ein räumlicher Kontrast geschaffen, der durch die Wand in der Bildmitte getrennt
wird. Die Kombination aus Vorder- und Hintergrund dieser beiden Bildhälften erzeugt
die Tiefe des Raums, der in seiner Gesamtheit in beide Richtungen weitergedacht
werden kann. Zum einen als der Raum, aus dem die Frau gerade gelaufen kommt,
zum anderen als der Raum, in den sie läuft und der sich durch die Konstellation im
linken Bildausschnitt eröffnet. Es findet explizit ein räumlicher Übergang statt.
Bildästhetische Komponenten: Die Kameraeinstellung ist halbnah aus frontaler Sicht,
die Frau läuft auf die sich bereits im Raum befindende Kamera zu. Die gesamte
Einstellung ist recht dunkel, das Licht betont nur den Hintergrund der rechten
112
Bildhälfte. Somit wird ein starker Kontrast der beiden Bildhälften geschaffen. Die Frau
geht im Vordergrund jedoch unter, ihr rotes Kleid wird nicht mehr hervorgehoben, sie
geht schon fast in die dunklere linke Bildhälfte über.
Rekonstruktion: Der neuerliche Wechsel des Raums führt nun immer mehr in die
Ausweglosigkeit, der Raum wirkt abgeschlossen, als eine Art Sackgasse, was durch
die Tatsache, dass die Kamera bereits im Raum auf das Opfer wartet bestärkt wird.
Im Sinne des Horrors ist damit klar, dass für das Opfer eine Flucht nur eine Frage der
Zeit ist, bis dass diese in der Konfrontation mit dem Täter endet. Durch die abermals
fehlende Hilfe in Form von Personen oder Waffen ist dies das zentrale Motiv. Der
angedeutete neue Raum wirkt wie eine Endstation der Flucht der Frau, er scheint
auch ästhetisch mehr zu ihr zu passen. Das offene Kleid weist die Frau nochmals
verstärkt als Sexualobjekt aus und bestätigt die klischeehafte Darstellung der Frau
innerhalb der Opferrolle im modernen Horrorfilm.
Sequenz 11, Still 7
Bildbeschreibung: Die Frau schreit in die Kamera, dabei ist ihr Mund weit offen, der
Kopf und der Körper sind gerade, ihre Haare fallen ebenso gerade auf ihre Schultern,
die Augen hat sie leicht zugekniffen. Ihr Kleid ist an der rechten Schulter zerrissen
und hat einen tiefen Ausschnitt bzw. ist es möglicherweise aufgegangen. Ihre Arme
hat sie am Körper angelegt, ihr Körper ist aber nur bis zur Brust zu sehen. Rechts
neben der Frau ist die selbe Einrichtung wie im vorherigen Still zu sehen.
Bildräumliche Komponenten: Die Zweiteilung des Bilds bleibt wie schon zuvor
bestehen, die Frau in der rechten Bildhälfte ist aber klar im Vordergrund, der
Hintergrund der linken Seite ist zudem leicht verschwommen, er wird unwichtig, das
Bild ist von dem Ausdruck des Schreiens der Frau dominiert.
113
Bildästhetische Komponenten: Die schreiende Frau wird aus gerader Perspektive in
einer Nahaufnahme gezeigt. Das Licht ist matt und verschwindet zum einen fast im
Hintergrund, zum anderen kommt von vorne etwas Licht auf das Gesicht der Frau, so
dass ihr Schrei in den Fokus des Bilds rückt. Der Schrei verleiht dem Bild durch die
starke Mimik der Frau seine Dynamik. Die Beobachterperspektive rückt im Moment
der Verdichtung der Handlung auf den Schrei näher an die Person und an das
Geschehen heran. Die Frau und der Hintergrund wirken stimmiger und einander
zugehöriger.
Rekonstruktion: Der Hintergrund und der Raum werden eher nebensächlich, der
Schrei der Frau als Ausdruck von Angst, Schock oder Grauen rückt als eine direkte
und affektive Reaktion auf eine Bedrohung oder eine schockierende Begebenheit in
den Mittelpunkt. Die Frau ist als Opfer nun Träger des Horrors, wodurch ihr
eigentlicher Körper unwichtig wird und dafür dessen Eigenschaften bezüglich des
Horrors hervorgehoben werden. Der Schrei stellt auch im Sinne des Horrors das
Ende der Flucht und die Konfrontation mit dem Schrecken dar, der nur latent als
Reaktion der Frau im Bild vorhanden ist. Für die Darstellung des Horrors mittels des
Schreis der Frau als Reaktion auf den Horror ist die Betonung des jeweiligen
Körperteils wichtig, daher wird die Frau in Nahaufnahme gezeigt. Die subjektive
Kamera ist nun ganz klar Träger der Bedrohung, der Horror ist sehr nah am
Publikum, die Reaktion der Frau kann auch als Reaktion auf den Blick der
ZuseherInnen verstanden werden.
Textebene
Die einzige Textzeile dieser Sequenz lautet ‚the gods all suck’, sie wird gesungen
bzw. eher gesprochen während die Frau durch den Wohnraum in Richtung Treppe
läuft. Es handelt sich um raue Slang-Sprache, die übersetzt bedeutet: ‚die Götter sind
alle (echt) beschissen’. Auch wenn die gesamte Sequenz damit recht wenig Text
beinhaltet, ist dieser dafür durchaus ausschlaggebend, denn mit Gott bzw. Religion
und Glaube wird so ein wichtiges Thema in Bezug auf Horror angesprochen.
Es wird nicht nur der Gott oder ein Gott als negativ bezeichnet, sondern alle Götter
aller Religionen. Das englische ‚to suck’ kann hierbei verschieden starke
Bedeutungen haben. Grundlegend ist aber die Benennung der Götter als schlecht,
was auf Unzufriedenheit, Enttäuschung, mangelndes Vertrauen, Ungläubigkeit usw.
hinsichtlich der Existenz von Göttern und den ihnen zugeschrieben Eigenschaften
114
und Aufgaben deutet. Die Voraussetzung für eine solche Aussage ist daher eine
Vorstellung solcher Aufgaben und Eigenschaften in Verbindung mit der Vorstellung
von einem oder mehreren Göttern. Um eine negative Aussage wie ‚the gods all suck’
machen zu können, müssen die Erfüllungen dieser Vorstellungen von Göttern und
ihren Eigenschaften entweder wiederholt oder in einer speziellen, eventuell
besonders erwartungsvollen Situation nicht eingetreten sein.
Im Horror ist die Religion oftmals die letzte Instanz mit der das Böse noch vertrieben
werden kann, wenn jedoch auch die Religion und der Glaube an das Gute nicht mehr
helfen können, ist die Situation recht ausweglos. Die Religion symbolisiert im Horror
den Glauben an das Gute, an Recht und Ordnung, somit kann vor dem Hintergrund
der Religion immer die Frage gestellt werden, wie es nur zu der leiblichen Existenz
des Bösen kommen kann. Dies wirft die weitere Frage auf, wie es möglich ist, dass
die Religion und der Glaube und respektive Gott selbst es zulassen können, dass
das Böse überhaupt existiert, wo es doch die Aufgabe der Religion ist, das Böse
abzuwenden. Gerade im modernen Horror spielt dieses ‚Versagen’ von Religion und
Glaube eine zentrale Rolle, dieser Hilflosigkeit und Erklärungsnot steht die
‚unglaubliche’ Möglichkeit der puren, triebgesteuerten Grausamkeit menschlichen
Handelns gegenüber. Mit der Aussage ‚the gods all suck’ wird dieses Fehlen einer
göttlichen Hilfe, eines himmlischen Beistands im Moment der existenziellen Not
verdeutlicht und der Horror auf eine weitere Ebene gehoben.
Der Text wird nun von einem Mann vorgetragen, es ist also klar, dass dieser Satz
nicht von der fliehenden Frau stammen kann, er kann aber an sie und ihre
momentane Notsituation gerichtet sein. Bezieht sich die Aussage auf die Meinung
des ‚Sängers’, so dient er zur Erklärung oder auch zur Rechtfertigung seiner
Handlung gegenüber der Religion und dem Glauben. Die Götter sind ihm nicht gut
gestellt, sie erfüllen nicht seine Erwartungen an sie, vielleicht glaubt er schon gar
nicht mehr an irgendeine Form ihrer Existenz. Wenn er nicht an sie glaubt, wenn sie
ihm nicht beistehen und helfen, dann muss er sich und seine Taten nicht vor den
Göttern rechtfertigen oder ihnen verpflichtet sein, Gebote zum Bestehen einer guten
Welt zu beachten.
Ist die Textzeile an die Frau gerichtet, so ist sie ein, auf der Meinung und Erfahrung
des ‚Sängers’ gegründeter Hinweis, dass sie erst gar nicht um Hilfe und Beistand
beten braucht, da die Götter ‚beschissen’, schlecht oder einfach abwesend sind. Die
Frau ist existenziell auf sich alleine gestellt, es wird kein göttliches Wunder
115
geschehen, dass sie aus ihrer Lage befreit. Die Textzeile kann also entweder von
einem unabhängigen Erzähler als Kommentar oder Hinweis verfasst sein, sie kann
von einer Person ‚gesungen’ werden, die auf Grund des Wissens der fehlenden
göttlichen Hilfe an deren Stelle als Retter oder Helfer der Frau einspringen wird, oder
die Aussage kann direkt von dem Killer in Form der personifizierten Bedrohung
kommen, der ohne den Glauben an das Gute und Rechte die Frau als sein Opfer
ermorden wird.
Bezogen auf die Funktionsweise des modernen Horrors, ist für die Flucht der Frau
vor einer unbekannten Bedrohung somit klar, dass keine höhere Macht eingreifen
wird, es geht um die reine körperliche Existenz und deren mögliche Zerstörung. Die
Existenz der Bedrohung wird am Ende mit dem Schrei der Frau bestätigt, der zu dem
diegetisch ist und somit zu einem Teil der Text- und Tonebene außerhalb des
bisherigen Clips wird.
8.2.2.1. Zusammenspiel von Bild und Text in ‚Aisha’
Führt man nun die rekonstruierten Symbolgehalte der einzelnen Stills in Verbindung
mit der genannten Textzeile wieder zusammen, so wird der Gehalt des Horrors
dieser Sequenz deutlich. Die Frau ist durch ihre leichte und auffällig rote Kleidung mit
Symbolwerten des sexualisierten weiblichen Opfers des modernen Slasher-Horrors
belegt. Ihre hektische und scheinbar ziellose Flucht symbolisiert das Vorhandensein
einer Bedrohung, vor der sie zu fliehen versucht. Dadurch wird ihre Opferrolle mit der
imaginierten Existenz einer personifizierten Bedrohung genauer definiert, die
verschiedenen Blickwinkel symbolisieren die Allgegenwärtigkeit der Bedrohung. Ihre
Flucht durch verschiedene Räume, besonders die Flucht die Treppe hinauf ist typisch
für den modernen Horror und zeigt zugleich deren Sinnlosigkeit. Das Haus als
geschlossener Raum grenzt sowohl die Fluchtmöglichkeiten als auch den Raum des
Bösen ein und so ist eine Flucht in höhergelegenere und kleinere Räume
gleichbedeutend mit der Konzentration der finalen Bedrohung auf immer weniger
Raum.
Die eigentliche Bedrohung ist dabei nie zu sehen, der direkte Angriff der Frau auf die
Kamera und ihr finaler Schrei in die Kamera eröffnen aber die Möglichkeit, die
Bedrohung hinter der Kamera respektive (unfreiwillig) in den ZuschauerInnen selbst
zu vermuten. Die Frau würde also recht vergeblich versuchen vor dem
116
aufdringlichen, eben bedrohlichen Blick der allgegenwärtigen Kamera zu fliehen,
ebenso wie die ZuschauerInnen vergeblich versuchen würden nicht in die Rolle des
Verfolgers zu schlüpfen, der sich in eben jenem Blick der Kamera verbirgt.
Allgemein kann man sagen, dass die Sequenz auf der Bildebene also einen
Ausschnitt aus der Flucht einer Frau vor einer fast unbekannten Bedrohung bis zur
Konfrontation mit dieser zeigt. Fast unbekannt ist die Bedrohung deswegen, weil es
wie erläutert ebenso möglich ist, dass die Bedrohung ein Killer ist, der lediglich im
Songtext vorhanden ist. Dafür spricht auch die Notwendigkeit des Horrors, dass ein
Opfer einem Täter bedarf und umgekehrt.
Diese Täter-Opfer-Paarung kommt im Videoclip zu ‚Aisha’ durch das Zusammenspiel
von Bild- und Textebene zu Stande, in dem sich der männliche, sozusagen
erzählende Täter auf der Textebene befindet und das weibliche, sozusagen
reagierende Opfer auf der Bildebene. Beide antizipieren auf ihrer Ebene die andere
Person, in dem sie ihre eigene Aktion bzw. Reaktion auf die/den Andere/n schildern.
Die Frau als Opfer, in dem sie auf der Bildebene vor dem Mörder auf der Textebene
flieht, der Mann als Mörder, in dem er auf der Textebene das fliehende Opfer auf der
Bildebene indirekt bedroht. Durch diese Rollenverteilung wird zugleich auch deutlich,
dass die Situation für die Frau in jeder Hinsicht ausweglos ist. Auf der Textebene ist
keine Hilfe zu erwarten, da diese wohl ausschließlich mit der Erzählung aus Sicht des
Killers belegt ist, zumindest aber eine übergeordnete, helfende Instanz abstreitet. Auf
der Bildebene sind ebenso weder zur Hilfe kommende Personen noch zur
Gegenwehr nutzbare Gegenstände vorhanden, der Status der Frau als
ausgeliefertes Opfer ist besiegelt.
Durch die konzeptuelle Aufteilung von Täter auf der Textebene und Opfer auf der
Bildebene ist aber auch die Möglichkeit genommen, dass eine der beiden Personen
in die andere Ebene übertritt. Der Text ist dabei vorgegeben und im Voraus bekannt
und abgeschlossen, was bedeuten würde, dass dieser Täter das Opfer auf der
Bildebene nicht bedrohen kann. Es könnte höchstens ein weiterer Täter auf der
Bildebene vorhanden sein. Das Opfer ist auf der Textebene namentlich vorhanden,
seine Geschichte ist bereits erzählt.
Der Horror dieser Sequenz entfaltet sich also in dem intensiven, sich ergänzenden
Zusammenspiel der beiden Ebenen. Die Tonebene hat am Aufbau des Horrors
durchaus auch einen Anteil, da die Flucht der Frau sich mit den treibenden Beats
und der Bassmelodie ergänzt. Die recht hohe verzerrte Gitarre und die
117
eingeworfenen Elektrosounds erzeugen auch auf musikalischer Ebene eine
angespannte, vielleicht etwas verstörende Atmosphäre, an welche die Hektik und die
Bedrohlichkeit dieser Szenerie angepasst erscheint. Wichtig ist die Tonebene am
Schluss der Sequenz, denn hier geht die Gitarre bereits in ein kreischendes
Geräusch über, worauf die Musik zunächst endet und nur der Schrei der Frau zu
hören ist. Dadurch wird der Horror kurzzeitig auf allen Ebenen manifestiert, da der
Schrei zu sehen und außer ihm kein weiterer Text zu hören ist.
8.2.2.2. Einordnung der Sequenz in den gesamten Videoclip
Bildebene
Die Handlungsanalyse zeigt, dass die Flucht der Frau auf der Bildebene das alleinige
und somit das Hauptmotiv des Clips ist, das Hauptmotiv auf der Textebene ist die
Existenz eines Mörders, der als Erzähler bzw. Kommentator fungiert. Somit ist die
aus dem Bild-Text-Verhältnis entstehende Täter-Opfer-Konstellation für den
gesamten Videoclip konstitutiv und die Ergebnisse der Symbolanalyse der
Beispielsequenz auf den gesamten Videoclip anwendbar. Die Personen und die
Handlungsorte sind dabei als stereotyp in der Tradition des modernen Horrorfilm zu
verstehen. Die Flucht führt die Frau aus einer Konfrontationssituation mit dem Täter
durch einen Wald, über Wiesen und Wege zu dem Haus, diese voranschreitende
räumliche Begrenzung ist gleichbedeutend mit der räumlichen Begrenzung des
Wirkungskreises des Täters. Die farbliche und sexualisierte Darstellung der Frau
weisen sie innerhalb der Horrorsymbolik als Opfer aus.
Der inhaltliche Bruch der Videocliphandlung folgt auf den Schrei der Frau im Moment
der größten Dichte des Horrors, in dem die sie würgenden Händen nicht etwa dem
Killer, sondern dem Regisseur eines Films gehören. Die Frau wird dadurch vom
Opfer eines Killers zur Darstellerin eines Opfers in einem Film, die bisherige
Handlung wird sowohl rückwirkend als auch vorausgreifend als fiktiv enttarnt.
Der Horror ist trotzdem in der erläuterten Form vorhanden, jedoch wird er auf eine
weitere Filmebene innerhalb des Videoclips gehoben, die Handlung wird sozusagen
zu einer Fiktion in der Fiktion. Die Ausweglosigkeit der Situation der Frau und ihre
Verzweiflung werden so aufgelöst, für die gesamte Clipgeschichte bedeutet dies
jedoch eine Steigerung der gezeigten Horrorhandlung: der Horror der gezeigten
Geschichte lässt sich nur abwenden, in dem er für diese Geschichte als eine fiktive
118
Erzählung dekonstruiert wird, nur dadurch, dass die Frau eine Schauspielerin in
einem Film ist, nur durch das Ende des Drehs dieser Szene kann sie diesem Horror
entkommen. Der Horror selbst kann nun erneut imaginär weitergedacht werden, in
dem nicht nur der fehlende Täter ergänzt wird, sondern auch die fehlende ‚Echtheit’
des Gesehenen durch das Wissen um den Ablauf solcher Horrorgeschichten
authentisch wird. Die im Anschluss an die enttarnende Filmset-Szenerie
wiederaufgegriffene Symbolik der Flucht und des Schreis setzen die Handlung fort,
haben ihre vorherige Wirkung jedoch verloren.
Textebene
Wie bereits an der Beispielsequenz dargestellt wurde, ist die Textebene die primäre
Handlungsebene des Täters. Betrachtet man den gesamten Text, so wird in diesem
die Person des Täters konkretisiert und dadurch das Zusammenwirken von Täter und
Opfer durch die Verknüpfung der Ebenen von Text und Bild deutlich. Der im Bild
unsichtbaren Bedrohung wird durch die Erzählung oder den Kommentar des
Sängers/ Verfassers eine fassbare Person zugewiesen, die sich zudem selbst
mehrmals als Mörder tituliert.
So beginnt der Song mit den Zeilen „Aisha, we’ve only just met, and I think you ought
to know I’m a murderer“, wodurch gleich zu Beginn die Personenkonstellation geklärt
wird. Der Sprecher ist der Mörder, er richtet seinen Text an die Person Aisha,
wodurch die auf der Bildebene fliehende Frau als eben die Person Aisha
ausgewiesen wird. Das lässt die Frau zum potentiellen Opfer des im Text
vorgestellten Mörders werden. Im Text wendet sich der Mörder direkt an sein ihm
namentlich bekanntes Opfer, was der Täter-Opfer-Beziehung eine gewisse
Vertrautheit unterstellt. Die Bemerkung „we’ve only just met“ deutet jedoch daraufhin,
dass der Täter sein Opfer besser kennen könnte als es umgekehrt der Fall ist. Durch
die geschlechtliche Konstellation von männlichem Sprecher als Mörder und
weiblichem Opfer auf der Flucht erscheint es plausibel, dass es sich um einen
Triebtäter handelt. In der Tradition des Slasher-Horrors verstärken die anfänglichen
Settings in der Natur sowie die sexualisierte Darstellung des weiblichen Opfers diese
Annahme.
In der zweiten Strophe heißt es „I have a portrait on my wall, he’s a serial killer“, was
durch die Rede in der dritten Person entweder auf eine andere Person als Killer oder
auf eine wie auch immer zu begründende gespaltene Persönlichkeit des Sprechers
119
schließen lässt, die der Tradition des Irren als modernes Halbwesen zwischen
Normalität und Wahnsinn Rechnung tragen würde. Das Bild eines Serienkillers kann
aber auch als Vorbild für den Sprecher dienen, jedenfalls wird die Eigenschaft des
Mörders an sich durch den Aspekt des Serienkillers spezifiziert. Die darauf folgende
Textzeile „I thought he wouldn’t escape, Aisha, he got out“ lässt sich ebenso aus den
genannten Blickwinkeln lesen, zum einen der entflohene Killer, zum anderen der
Ausbruch des Wahnsinns im eigenen Körper als psychische Störung. Im Songtext
werden sodann mit dem Friedhofs (cemetary) als kühler und feuchter Ort (cold and
damp place) und Leichen (dead bodies) weitere Horrorsymbole zur Erzeugung einer
unheimlichen und bedrohlichen Stimmung verwendet.
Gegen Ende des Texts heißt es „I still want to be human again, what am I? What am
I? I’m a murderer”, was zum einen auf die Nichtmenschlichkeit des Verfassers als
Monster unbekannter Art hindeutet, zum anderen bezeichnet er sich selbst in einer
Art der Selbstversicherung wieder als Mörder. Die Zeilen ‚Aisha I’m confused, Aisha
I’m vibrating’ verdeutlichen den verwirrten und psychisch labilen Zustand des Täters
gegenüber seinem Opfer und auch die Erregung auf Grund der Attraktivität des
Opfers und/oder der bevorstehenden Tat. Der Text endet mit der bereits in der
Symbolanalyse interpretierten Aussage ‚the gods all suck.’
Bei dem Musikvideo zu ‚Aisha’ von Death in Vegas handelt es sich um die Flucht
oder zumindest um den Teilmoment der Flucht einer Frau vor einem männlichen,
möglicherweise triebgesteuerten Täter. Diese Flucht führt die Frau aus der
anfänglichen Konfrontationssituation mit dem Täter durch einen Wald, über Wiesen
und Wege hin zu einem leerstehenden, aber wohnlichen Haus, in das sie sich rettet,
in dem aber auch letztlich die eigentliche Bedrohungssituation stattfindet. Die
Besonderheit liegt hierbei in dem erläuterten Zusammenspiel von Bild und Ton,
welches diese Geschichte erst ermöglicht. Auf dieser Handlungsebene wird der
Horror lediglich an Hand des Motivs der Flucht symbolisiert und konstant gesteigert,
bis dass er durch die Enttarnung des Gezeigten als Teil eines Films zunächst
abgeschwächt aber nicht komplett auflöst wird.
Die Konzeption aus allwissendem Täter auf der Textebene und unschuldigem,
sexualisiertem Opfer auf der Bildebene stellt dieses Musikvideo in die Tradition des
modernen Slasher-Horrors.
120
8.2.2.3. Die visuelle Funktion des Horrors in ‚Aisha’
Die Inszenierung des Horrors im Video zu ‚Aisha’ von Death In Vegas funktioniert
vornehmlich durch die erwähnte Kombination aus Bild und Text. Auch wenn sich die
Bildsprache des Videoclips bereits stark dem Horror zuordnen lässt, ist die im Text
angelegte Rolle des Mörders letztendlich ebenso entscheidend für die Entstehung
des Horrors hinsichtlich des gesamten Clips.
Entsprechend der erstellten Typologie der rein visuellen (bildstrukturellen?) Funktion
von Horror auf der Bildebene, lässt sich ‚Aisha’ von Death In Vegas dem Typus der
Visualisierung des Songtexts zuordnen. Die Frau visualisiert auf der Bildebene das
notwendige Opfer, das zu einem Mörder gehört, der selbst jedoch auf die Darstellung
auf der Textebene beschränkt bleibt. Diese Form der Visualisierung stellt somit einen
Sonderfall dar, weil der Songtext bildlich nicht eins zu eins umgesetzt wird, sondern
die Bild- und die Textebene jeweils die Handlung und die Figur thematisieren, die auf
der jeweils anderen Ebene manifest fehlt. Somit ist aber auch gewährleistet, dass es
sich bei der Bildebene nicht nur um eine narrative Ergänzung des Textes handelt, da
beide Ebenen in direktem, inhaltlichen Bezug zueinander stehen.
Dieser Clip zeigt durch seine Gesamtstruktur sehr deutlich, wie die gleichberechtigte
Stellung der drei Ebenen Bild, Text und Ton zur Funktion und zum Verständnis eines
Musikvideos beiträgt. Es ist nicht möglich zu sagen, ob in diesem Videoclip die Text-
oder die Bildebene eine wichtigere oder entscheidendere Rolle spielen.
8.2.3. Kultursoziologische Deutungsmusteranalyse
8.2.3.1. Einordnung des Videoclips in das Deutungsmuster Horror
Die Flucht der Frau vor einer unbekannten Bedrohung, wahrscheinlich aber vor
einem männlichen Killer, lässt sich folgendermaßen deuten: wenn eine Frau auf der
Flucht ist, dann wird sie verfolgt. Diese recht allgemeine Deutung wird durch das für
den modernen Horror konstitutive Personenpaar von Täter und Opfer spezifiziert:
wenn eine Frau auf der Flucht ist, dann ist sie das Opfer eines Killers. Die Deutung
der Frau als das Opfer eines Killers geht hierbei aus den Ergebnissen der
Symbolanalyse hervor, und kann in Anlehnung an die Funktionsweise des modernen
Slasher-Films weiter detailliert werden: wenn eine Frau leicht oder aufreizend
121
gekleidet – oder allgemein sexualisiert inszeniert – auf der Flucht ist, dann ist sie das
Opfer eines, aus welchem Grund auch immer, irren Killers. Setzt man diese Deutung
in Bezug zu der Funktionsweise der Täter-Opfer-Konstellation im Horror, so lässt sich
daraus auf ein weiteres Deutungsmuster schließen: wenn die Frau das Opfer eines
Killers ist, dann wird sie von ihm getötet oder mindestens verletzt.
Ausschlaggebend sind also die Personenkonstellation, die Handlungsorte und der
Handlungsverlauf, sie alle ermöglichen in der Kombination aus den Ebenen Bild,
Text und Ton die Deutung der Handlung als ein Teil von Horror. Die Gültigkeit des
Deutungsmusters Horror wird allerdings erst mit dem Eintreten dieser implizit
vorausgesetzten Bedingungen erreicht, welche in dem gesellschaftlich etablierten
Wissen um den Ablauf von Horror begründet sind.
Das Video zu ‚Aisha’ zeigt zu Beginn aus subjektiver Sicht eine bedrohliche Situation
für das Opfer, jedoch keinen direkten Täter. Danach wird die gemäß des Ablaufs von
Horror als logisch erscheinende Flucht durch stereotype Handlungsorte gezeigt, der
Täter wird durch den Umstand der Flucht antizipiert, ist aber immer noch nicht
sichtbar. Auch die anschließende vergebliche Suche nach Hilfe entspricht dem
Deutungsmuster des Horrors und hält die Existenz einer Bedrohung, sowie das
mitgedachte Töten des Opfers aufrecht. Die Flucht in das Haus und somit die
räumliche Eingrenzung der möglichen Existenz einer personifizierten Bedrohung
führt zu einer weiteren Bestätigung der Deutung der Handlung als Horror, jedoch ist
bereits bekannt, dass sich genau an der Stelle des Auftretens der Bedrohung die
bisherige, und in der Folge auch die gesamte Handlung wandelt.
Durch das Auftreten des Filmteams wird die Handlung des Videoclips bis dato als
fiktiv enttarnt und die Frau vom Opfer eines Killers zur Darstellerin eines Opfers eines
Killers in einem Film. Denn wenn die Frau von einem Filmteam und von, für die
Produktion eines Films benötigtem technischem Equipment umgeben ist, dann ist sie
eine Schauspielerin. Die vorangestellten Deutungen der Handlung als Horror müssen
in der Folge auf die Erzählung eines Horrorfilms im Rahmen des Videoclips
umgedeutet oder transponiert werden. Die Deutung des Horrors wird damit also nicht
hinfällig, sie wird lediglich auf eine weitere Handlungsebene transferiert. Die Frau, die
als Schauspielerin ein Opfer in einem (Horror-)Film darstellt vereint in sich die selben
Deutungen, wie die Frau, die im Videoclip als Opfer auftritt. Das gilt auch für die
Handlungsorte, die Horrorsymbole und den imaginierten Täter. Die Deutungen
beruhen auf dem gedanklichen Weiterführen der Handlung durch die RezipientInnen
122
und ihrem Wissen darüber, wie die Handlung vor und nach dem im Videoclip bzw. im
Film im Videoclip gezeigten Handlungsausschnitt verlaufen musste und muss. Dafür
ist die Thematisierung eines Teils einer Horrorhandlung ausreichend.
Es ist weder ein Täter noch eine andere Art der Bedrohung zu sehen, noch wurde
die Frau verletzt oder getötet, sie wird sogar als Schauspielerin enttarnt. Für die Bild-
wie für die Textebene gilt somit, dass die Frau ist ein Opfer ist, das nicht getötet wird
und der männliche Täter ein Mörder ist, der nicht tötet. Der Horror findet faktisch
nicht statt, er ist alleine durch die Personenkombination von Mörder auf Textebene
und Opfer auf Bildebene latent vorhanden. In diesem Zusammenspiel von Bild und
Text erscheint es dem Täter auch gar nicht möglich zu sein auf der Bildebene
auftreten zu können, um das Opfer zu töten.
Die folgenden vier inhaltlichen Aspekte des Videoclips sprechen dafür, die Frau als
Schauspielerin als Variation des final girl’-Motivs zu deuten. Erstens dauert die Flucht
der Frau und somit auch ihre mögliche Gegenwehr recht lange, zweitens treten keine
anderen Personen auf als Hilfe auf, die Frau scheint auf sich gestellt zu sein, drittens
kommt es kommt zu einer finalen Gegenüberstellung von Täter und Opfer und
viertens wird der Täter durch die Auflösung der Handlung als Filmdreh für den
Moment besiegt, in dem er sich für die bisherige Handlung als fiktiv herausstellt.
Durch die Aufteilung der Täter-Opfer-Paarung auf Text- und Bildebene und das
Fehlen des manifesten Horrors sind diese Punkte als Variation des Motivs zu
verstehen.
8.2.3.2. ‚... and I think you ought to know, I’m a murderer’: der sexualisierte Horror
Das Opfer als Sexualobjekt
Die Ergebnisse der Symbolanalyse machen deutlich, dass die Frau in der Rolle des
Opfers sowohl bezogen auf ihre Kleidung und ihre Gestik, als auch mit
bildtechnischen Mitteln wie Kameraeinstellungen, Schnitten und Farbgebung stark
sexualisiert dargestellt wird. Ihre Einordnung in den Horror, genauer in den Slasher-
Film erfolgt über das Täter-Opfer-Muster und die Annahme, dass eine Frau, wenn
das Opfer eines irren Killers ist, sexualisiert dargestellt wird. Die Darstellung als
sexualisiertes Opfer auf der Bildebene wird dabei über die Existenz des Killers auf
der Textebene legitimiert.
123
Wie zuvor erläutert kann die Darstellung der Frau in ‚Aisha’ als Variation des ‚final
girl’-Motivs verstanden werden. Als stereotypisches Horrormotiv ermöglicht und
bedingt es die Reduktion der Frau zu einem hilflosen und schwachen Sexualobjekt in
der Fantasie eines allmächtigen männlichen Blicks. Der Videoclip zu ‚Aisha’ adaptiert
und reproduziert so durch seine Ästhetik und Inszenierung ein bestimmtes
Geschlechterverhältnis, in welchem die Eigenschaften der Frau auf ihre
Körperlichkeit beschränkt sind und die tragende Eigenschaft des Manns die
körperliche Eroberung und Dominierung der Frau ist. Für die Frau gibt es dabei kein
Entkommen aus dieser Konstellation, da ihr weiterer Weg als Opfer in einem
Horrorkontext vorgegeben ist. Der Videoclip zeigt die stereotypische Vorstellung, wie
ein solcher Horrorplot abzulaufen hat, wie die Rollen verteilt sein müssen und welche
Eigenschaften mit ihnen verbunden sind. Dies zeigt er nicht nur als Videoclip, der auf
eine kulturelle und gesellschaftliche Internalisierung der Funktionsweisen von
Slasher-Filmen rekurriert, er zeigt in sich selbst, auf einer übergeordneten Ebene die
Produktion eines solchen Films aus dessen Funktionsweisen er sich der Darstellung
und Inszenierung von Geschlechterverhältnissen bedient. Der Videoclip zu ‚Aisha’
folgt dabei der Form und Funktion des ‚final girl’-Motivs im Slasher-Film ohne den
Horror auszuführen oder den Täter zu zeigen, was die Handlung zu einem reinen
Abbild bestimmter Geschlechterverhältnisse werden lässt.
Durch den nicht ausgeführten Horror, d.h. dadurch, dass es zu keiner Konfrontation
der Frau als ‚final girl’ mit dem Killer kommt, wird ihr zum einen die Möglichkeit
genommen, sich in einer Konfrontationssituation zu beweisen, zum anderen kann sie
auch nicht endgültig als Opfer charakterisiert werden, da sie ohne die
Konfrontationssituation zu keinem werden kann. Die Chance sich dem allmächtigen
Killer entgegenzustellen und sich zur Wehr zu setzen wird ihr verwehrt. Es existiert
für die Frau keine Möglichkeit sich der männlichen Rolle anzunähern oder diese im
Sinne des Horrors durch den Sieg über den männlichen Killer selbst einzunehmen
bzw. das Geschlechterverhältnis zumindest zu egalisieren. In diesem Sinne wird die
Frau in ‚Aisha’ um die wesentlichen Eigenschaften eines ‚final girl’ reduziert, ihr wird
somit in der Funktionsweise des Horrors die Ausübung der Figur des ‚final girl’
versagt, sie darf sich noch nicht einmal vergeblich zur Wehr setzen. Dadurch bleibt
sie ein schwaches Sexualobjekt und der unsichtbare, antizipierte männliche Killer
allmächtig und allwissend. Er ist der Frau körperlich und strategisch sogar noch in
dem Moment überlegen, da sich die Frau nur noch so vor dem Killer retten kann, in
124
dem die Bildebene als fiktiv aufgelöst wird und die Frau vom Opfer zur Darstellerin
eines Opfers wird.
Diese geschlechtsbedingten Machtverhältnisse des Slasher-Horrors werden im Clip
zu ‚Aisha’ ebenso wenig manifest ausgeführt wie der Horror selbst, statt dessen
werden die Rollen zusätzlich strategisch auf die Bild- und die Textebene aufgeteilt.
Der männliche Mörder ist also nur über die Visualisierung des sexualisierten
weiblichen Opfer als seinem Gegenpart vorhanden, der Text sichert diese
Rollenverteilung ab. Die Frau ist dadurch nicht mehr das sexualisierte Opfer in einer
männlichen Fantasie eines Horrorfilms, sie ist nur noch eine Sexualfantasie. Ihrem
Körper nur die Funktion als Projektionsfläche sexueller Begierde zugestanden, nicht
die Funktion als Projektionsfläche des Horrors.
Die Qual als Lust(gewinn)
Die Flucht des weiblichen Opfers ist zugleich die Jagd des männlichen Täters. Durch
das Fehlen einer differenzierten Charakterisierung und Visualisierung des Täters und
durch die erläuterte Sexualisierung der Frau wird der Umstand der Jagd und des
Quälens des Opfers zu einem rein spezifischen Umgang des Lustgewinns. Zum
einen handelt es sich generell um die masochistische Perspektive des Killers, die
durch die sexuelle Komponente der Hetzjagd nach dem Opfer ebenfalls sadistisch
ist. Die Jagd als Spiel mit der Angst des Opfers verdeutlicht über die
Geschlechterkonstellation erneut das Machtmonopol des männlichen Täters über
das weibliche Opfer, ihr Leben liegt sprichwörtlich in seinen Händen. Die zuvor
erläuterten Aspekte verorten diese Jagd in den berechenbaren Rahmen eines
ungefährdeten Lustgewinns, denn der Frau als Lustobjekt stehen keine
Möglichkeiten der Gegenwehr oder des Entkommens zur Verfügung, wodurch die
Jagd keinen unbefriedigenden Ausgang nehmen kann.
Gewaltpotential
Das Potential an Gewaltdarstellungen ist im Video zu ‚Aisha’ relativ hoch, auch wenn
die manifeste Gewalt und ihre Darstellung eher gering bleibt. Die körperliche Gewalt
ist durch die Täter-Opfer-Konstellation latent vorhanden, im Horror ist ein Täter
immer ein Symbol von Gewalt. Dabei vereint die Figur des Täters in sich die ihm
widerfahrene Form von Gewalt mit jener Form der Gewalt, die er an seinen Opfer
ausübt. Diese Gewaltäußerungen müssen dabei nicht deckungsgleich sein, gerade
125
im Slasher-Film kompensiert der oftmals gestörte Täter die psychisch erfahrene
Gewalt durch die Ausführung physischer Gewalt. In ‚Aisha’ sind die
Gewaltdarstellungen per Definition ‚sauber’, wenngleich auch ihre Auswirkungen an
den körperlichen Reaktionen der Frau abzulesen sind. Die körperliche Gewalt scheint
im Clip auf Grund der Bedrohung durch die Jagd zu überwiegen. Es handelt sich
jedoch ebenso um eine Form psychischer Gewalt. Der Täter ist auf der Bildebene nur
imaginär, durch die Erzählung auf der Textebene erzeugt vorhanden. Die Gewalt ist
daher ebenso psychisch in der Erzählung als die Möglichkeit einer solchen
Bedrohung gegenwärtig, deren Existenz als Folge dessen auf der Bildebene
vorausgesetzt wird.
Die Frau in der Rolle des Opfers in einer Horrorhandlung ist das Ziel intendierter,
personaler, physischer Gewalt, die zu dem sexuell motiviert ist. Außerhalb ihrer
funktionalisierten Darstellung in der Horrorebene des Videoclips ist sie aber auch das
Abbild latenter gesellschaftlicher Gewalt, die ebenso sexuell motiviert sein kann.
Nicht im Sinne des Begehrens und sexueller Fügung, sondern in Bezug auf die
Durchsetzung und Reproduktion männlicher Macht in der Gesellschaft mittels einer
sexuell begründeten Definition des Geschlechterverhältnisses. Das weite Feld des
Horrors bietet eine große Grundlage für die Analyse geschlechtermotivierter
Gewaltdarstellungen. Der Verwendung dieser Form von Horror, wie sie im Clip zu
‚Aisha’ vorzufinden ist, kommt im Medium Musikvideoclip noch eine weitere
Bedeutung zu. Die erläuterte, auf die Sexualisierung reduzierte Inszenierung der
Frau im Videoclip unter dem inhaltlichen Vorwand der Frau als Opfer in einem
Slasher-Film, beinhaltet viel subtilere und unterschwelligere Darstellungen der
Diskriminierung von Frauen, die sich hinter dem populärkulturellen Schleier des
Wissens um die Funktionsweise des Slasher-Films verstecken. Eine solche
Darstellung männlicher Macht über weibliche Sexualobjekte ist viel weniger
offensichtlich als beispielsweise jene in den vieldiskutierten Rap- und HipHop
Videoclips. Somit wird auch das plumpe Gegenargument, den Frauen könnte ihre
Degradierung zum Sexualobjekt aus welchem Grund auch immer gefallen entkräftet,
denn sich mit einem Sexualobjekt zu identifizieren, das aus genau diesem Grund
abgeschlachtet wird, fällt bestimmt schwer.
126
8.2.4. Einordnung in den Videoclipkorpus
Das Video zu ‚Aisha’ ist innerhalb des Korpus und des Typus Mörder auf Grund der
erläuterten Struktur sicherlich ein Sonderfall, allerdings zeigt es bereits einen Aspekt
aller Videoclips dieses Typs auf: in keinem der Clips, die sich dem modernen
Horrormythos von Mördern, Killern und Irren zuordnen lassen, wird der Tatbestand
des Mords auf der Bildebene manifest gezeigt. In diesem Sinne arbeiten die Clip
dieses Typs mit einer ‚sauberen’ Darstellung der Gewalt in Bezug auf Horror.
Die detaillierteste Darstellung eines Mords auf der Bildebene findet sich in dem
größtenteils narrativen Video zu ‚Billie Jean’ der Gruppe The Bates, die sich nicht nur
nach Norman Bates aus Hitchcocks ‚Psycho’ benannt haben, sondern im genannten
Video auch noch die berühmteste Duschszene des Films nachstellen. Diese ist
allerdings im Clip dadurch abgeschwächt, dass weder das Messer noch das
fließende Blut oder das schreiende Opfer zu sehen sind, diese Komponenten
erbringen die RezipientInnen auf Grund der Bekanntheit der Szene selbst. Eine
Ausnahme ist der Videoclip zu Alice Cooper’s ‚(He’s back) the man behind the mask’,
denn der Song ist Teil des Soundtracks zu dem Horrorfilm ‚Freitag der 13. –Teil VI:
Jason lebt!’ und enthält daher zahlreiche Szenen von Jason Voorhees aus dem Film,
jedoch keine in denen er explizit tötet.
Auf der Textebene befasst sich Nick Cave’s Album ‚Murder Ballads’ von 1996 mit
dem Thema Liebe und Mord, die daraus hervorgegangenen Videos ‚Henry Lee’ und
‚Where the wild roses grow’ zeigen zwei vollkommen unterschiedliche Umsetzungen
des Themas. Das Duett ‚Henry Lee’ mit P.J. Harvey ist ein reiner Performance-Clip
und schildert auf der Textebene einen Eifersuchtsmord eines Mädchens an Henry
Lee. In dem bekannteren Clip zu ‚Where the wild roses grow’, ein Duett mit Kylie
Minogue, übernimmt diese die Schilderung aus Sicht des Opfers, während Nick Cave
den Täter verkörpert. Im Vergleich der Frau mit einer wilden, blühenden Rose, die
zwangsweise verwelken muss und mit der Begründung ‚All beauty must die'
erschlägt er sein Opfer. Der Videoclip zeigt die Geschichte danach, Kylie Minogue
liegt als getötetes Opfer unentdeckt in einem See, der Mörder ist dem gängigen
Muster der Kriminologie nach an den Ort seiner Tat zurückgekehrt und besingt die
fatale Liebschaft rückblickend.
In einigen Videoclips sind Mörder, Killer und Irre in Text und Bild latenter vorhanden.
In Slayers Clip zu ‚Bloodline’ in es heißt z.B. ‚I'll kill you and your dreams tonight’
127
oder in dem Song ‚Lords And Wolves’ der Band Underminded kommen die Zeilen
‚killing babies solely on greedy needs’ oder ‚will you please just kill me?’ und ;killing
you is what we want’ vor. Beide Songs beinhalten Schlagwörter wie ‚death’, ‚blood’
‚cut’ oder ‚hell’ usw., die symbolisch mit Mord und Tod im Horror verbunden werden
können. Die Verbindung zur Horrorfigur des Mörders so zwar ist symbolisch
vorhanden, jedoch eher schwach ausgeprägt. Der Clip zu ‚Lords And Wolves’ ist ein
hauptsächlich Performance-Clip, die Band spielt in einem dunklen Setting. In diese
Performance werden Bilder eines dunkelgekleideten Manns eingestreut, der nachts
an einem Gebäude einen roten Farbsprengsatz anbringt und zündet. Die rote Farbe
kann durchaus als Symbol für Blut in der Tradition des Splatterfilms verstanden
werden, besonders da die Farbe in Zeitlupe zerplatzt und einen großen Fleck
hinterlässt in dem der schwarze Schriftzug ‚Rise’ zu erkennen ist. Mit dieser
Einstellung endet das Video. Der Clip zu ‚Bloodline’ von Slayer ist nahezu ein reiner
Performance-Clip, der die Symbolik des Bluts in einer Doppelung der Bildebene sehr
deutlich verwendet, denn die Band wird abwechselnd normal und blutüberströmt
gezeigt. Dieses Blutmotiv wird durch zwei Symbole der Unschuld durchbrochen: zum
einen wird ein Kätzchen gezeigt, das von der Blutlache am Boden trinkt, zum
anderen eine junge Frau, die in der Blutlache kniend von einem Priester eine Hostie
empfängt.
Das Video zu ‚Compulsion’ der Gruppe The Flesh verwendet ähnliche
Gestaltungselemente wie der Clip zu Death In Vegas ‚Aisha’ jedoch ist die
Perspektive genau entgegengesetzt. In der Narration übernimmt die subjektive
Kamera die Perspektive eines Entführungsopfers, zu sehen sind nur die gefesselten
Hände und Füße. Das Setting ist eine verlassene und heruntergekommene Hütte, in
der die Sängerin der Band zusammen mit ein paar in schwarz gekleideten Männern
die Rolle der Bedrohung für das Opfer einnimmt. Ein Mord wird hier zwar nicht direkt
suggeriert, die antizipierte Geschichte lässt diese Deutung jedoch zu und auch der
Stil des Settings und der Kleidung der Männer kann über eine Entführung hinaus zu
einem möglichen Mord gedeutet werden. Die Narration des Clips wird durch die
Performance der Band in einem separaten Setting ergänzt.
Besonders hervorzuheben ist schließlich noch das Video zu ‚Serial Killer’ der Band
Motorhead, da es sich hierbei um eine poetische Spoken-Word Performance aus der
Sicht eines verurteilten Serienmörders handelt. Der Clip zeigt zunächst Sänger
Lemmy Kilmister in einem grünlich schalen Licht im Portrait, später wie er auf einem
128
elektrischen Stuhl sitzt. Dazu erzeugen blitzende Lichter und authentisch-
dokumentarisch wirkende schwarz-weiß Aufnahmen von Todeszellen und
Hinrichtungskammern eine verstörende Bildebene. Diese wird durch das Knistern
und Rauschen und die verzerrte Stimme auf der Tonebene verstärkt. Im Text
bezeichnet sich das lyrische Ich des Sängers unter anderem als ‚serial killer’, ‚bloody
hand’ und ‚black dead nightmare’. Insgesamt wird die reuelose Schilderung eines
Serienkillers im Moment seiner Hinrichtung inszeniert, seine Taten sind dabei
wiederum nur in der Imagination der RezipientInnen präsent.
129
9. Zusammenfassung und Fazit: Formen und Funktionen der Inszenierung von Horror in Musikvideoclips
Wie in der Beispielanalyse gezeigt werden konnte, decken die Videoclips zu
‚Everybody (Backstreet’s back)’ der Backstreet Boys und ‚Aisha’ von Death In Vegas
als Prototypen des gesamten Korpus alle neun erstellten Horrortypen ab. Bei dem
Musikvideoclipkorpus handelt es wie schon erwähnt um eine Auflistung, die keinen
Anspruch auf Vollständigkeit bezüglich ‚Horrorclips’ oder deren Verteilung gemäß der
Horrortypen erhebt. Die 136 Musikvideos des Korpus verdeutlichen vielmehr die
generelle Verbreitung visualisierter Horrormythen in der medialen Gattung des
Musikvideos, die sich über alle Musikstile, Videocliptypen und Bekanntheitsgrade der
InterpretInnen erstreckt. Die Analyse des Korpus hat zu dem weitere Ergebnisse
hervorgebracht, die in den beiden Beispielclips zum Teil nur angedeutet aufzufinden
sind.
Eine bereits angesprochene Auffälligkeit, der eine gesonderte Betrachtung
zukommen müsste, die im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich ist, betrifft das
Geschlechterverhältnis in den Videoclips des Korpus. Lediglich sechs der Clips
beinhalten weibliche Horrorfiguren: die Hexen in ‚Burn The Witch’ von Queens of the
Stone Age und ‚Witches! Witches! Rest Now In The Fire!’ von Get Well Soon, das
Halb-Mensch-Halb-Krake-Wesen Sheena in ‚Sheena Is A Parasite’ von The Horrors,
das ‚Living Dead Girl’ in Rob Zombies gleichnamigem Clip und die weiblichen
Vampire in den Clips zu ‚The Creeps’ von The Freaks und ‚Just Because Of You’ von
Us5. Als Opfer männlicher Halbwesen sind Frauen dagegen recht häufig vertreten,
so z.B. in ‚Aisha’ von Death In Vegas, ‚Where The Wild Roses Grow’ von Nick Cave,
‚Sumisu’ von Farin Urlaub, ‘Monster Hospital’ der Gruppe Metric oder in ‚Everybody
(Backstreet’s back)’ der Backstreet Boys. Die stereotypisch sexualisierte Darstellung
des attraktiven, schwachen und unschuldigen weiblichen Opfers ist fast allen jener
Clips gemeinsam. Die Eigenschaften der Opferrolle sind dabei oftmals
nebensächlich, der Horror wird nicht immer ausgeführt, was bedeutet, dass das
weibliche Opfer nicht immer direkt bedroht wird oder gar zu Tode kommt. In diesen
Fällen steht die inszenierte Attraktivität des weiblichen Körpers im Vordergrund und
nicht die Sterblichkeit oder die Zerstörbarkeit des menschlichen Körpers, die gerade
im modernen Horror lediglich attraktiv inszeniert wird um in der Folge um so
detaillierter derangiert zu werden.
130
Bezüglich den Interpretinnen fällt auf, dass nur in Peaches Clip zu ‚Kick It’ in Form
bedrohlicher Zombies Horrormythen explizit figurativ vertreten sind. Alle anderen
Videos von Künstlerinnen verwenden besonders auf der Bildebene eher sehr
abgeschwächte Horrorsymbole. So wird z.B. die Sängerin von Bat for Lashes in
‚What’s A Girl To Do’ auf dem Fahrrad von unheimlichen Menschen mit Tierköpfen
begleitet, das Gesicht einer der Sängerinnen von CSS ähnelt im Clip zu ‚Alala’ kurz
einem Zombie und das Video der Frauenband The Priscillas zu ‚All My Friends Are
Zombies’ kommt über den stereotyp an Zombies angelehnten Gang der nicht hinaus.
Alle weiteren Interpretinnen sind Sängerinnen in einer männlichen Band und treten in
den Clips auch in erster Linie als solche auf, wie in ‚Y Control’ von The Yeah Yeah
Yeahs, ‚Monster’ von You Say Party We Say Die! oder den oben genannten
Beispielen. Lediglich in ‚Monster Hospital’ der Gruppe Metric ist die Sängerin auch
das Opfer und in ‚Compulsion’ von The Flesh übernehmen Band und Sängerin die
Täterrollen.
Nicht nur bei der erwähnten Darstellung von weiblichen Opfern, sondern auch bei
jener von Horrorfiguren und -mythen fällt in den Videoclips des Korpus auf, dass zur
Erzeugung bzw. Identifizierung von Horror auf der Bildebene die korrekte Darstellung
von Figuren und ihren Eigenschaften entsprechend der filmischen und literarischen
Vorlagen nicht zwangsweise nötig ist. Da sich das Musikvideo zwar an filmische
Darstellungen anlehnen kann, sich in seiner Machart aber klar vom Film abgrenzt,
muss es weder filmisch-dramaturgischen Regeln folgen, noch abgeschlossene
Stories erzählen oder Figuren logisch aufbauen. So ist es beispielsweise möglich,
dass der Protagonist im Clip zu ‚Born In 69’ der Band Rocket from the Crypt von
Außerirdischen entführt wird, die ihm ein fremdes aber menschliches Gehirn
transplantieren, wodurch er zu einem Vampir und nicht zu einem Zombie wird. Albert
Hammond verkörpert in seinem Clip zu ‚Back to the 101’ nach einem Unfall einen
Geist, der durch den Sprung in sein eigenes Grab aus diesem als Zombie wieder
hervorsteigt. Ebenso sind die zahlreichen Dance-Performances von Zombies in Clips
wie ‚Somebody’s Watching Me’ von Beatfreakz, ‚Just Because Of You’ von Us5 oder
auch Michael Jacksons ‚Thriller’ den apathischen Bewegungen ihrer filmischen
Vorlagen eher uneigen. Wie in der Analyse von ‚Everybody (Backstreet’s back)’
aufgezeigt wird, entspricht eine solche Verwendung von Horrorfiguren einer
Unterordnung des Bildinhalts unter die bildstrukturellen Vorgaben entsprechender
Boygroup- oder Pop-Videos. Dieses Analysebeispiel macht aber auch deutlich, dass
131
eine unpassende oder entfremdete Verwendung von Horrorfiguren im Videoclip nicht
automatisch oder ausschließlich eine parodistische Verwendung des Horrors
bedeuten muss. Die Videoclips zu ‚Sumisu’ von Farin Urlaub, ‚Living Dead Girl’ von
Rob Zombie oder ‚Billie Jean’ von The Bates können trotz ihrer weniger
schockierenden Machart durchaus als Hommage an die filmischen Vorlagen
‚Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens’, ‚Das Cabinet des Dr. Caligari’ und
‚Psycho’ verstanden werden, das Video zu ‚I Walked With A Zombie’ von Wednesday
13 beinhaltet sogar Szenen des gleichnamigen Horrorklassikers. Einige der Clips des
Korpus versuchen durch Einblendungen des Titels zu Beginn oder des Schriftzugs
‚The End’ den Eindruck eines Horrorfilms zu erwecken oder den Clip so zumindest in
die Tradition des Horrorfilms zu stellen. Die Schrift ist dann zumeist ästhetisch an die
bekannten Schriftzügen von Horrorfilmen angepasst. Beispiele hierfür finden sich in
‚Who Cares?’ von Gnarls Barkley, ‚Attack of the Ghost Riders’ von The Raveonettes,
‚Nightmares’ von King Gordy oder ‚Monster’ der Band The Automatic. Der Clip zu
‚Sumisu’ von Farin Urlaub adaptiert gar die typischen Kreisblenden seiner
Stummfilmvorlage ‚Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens’.
Zusammengefasst betrachtet fällt auf, dass in den 136 Musikvideoclips des Korpus
von den InterpretInnen fast nie die klassische, das Monster bekämpfende
Heldenrolle eingenommen wird. Wenn die KünstlerInnen selbst in der Narration des
Clips auftreten, dann in der Rolle einer Horrorfigur oder seltener in der Rolle der/des
Opfer/s. Es ist anzunehmen, dass gerade die Tatsache oder die Möglichkeit der
Produktion eines Horrorclips zu einem horrorfremden Song den Reiz der Darstellung
des Bösen ausübt, sozusagen die vermeintliche Chance sich einen Clip lang von
dem eigenen (Pop-)Image zu distanzieren. Diese Überlegung stellt sich nicht für
InterpretInnen, die bereits ein Horrorimage haben, denn in diesen Fällen bedingt das
Image die Darstellung von Horrorfiguren durch die InterpretInnen, da die Übernahme
der Opferrolle das Horrorimage verkehren würde. Die Inszenierung eines
Horrorimage durch Maskierungen ist auf narrativer Ebene in den relativ gleichartig
strukturierten Videoclips der Band Lordi zu erkennen, auf perfomativer Ebene z.B. in
den Clips der Gruppen Slipknot und Insane Clown Posse. Ästhetisch und
dramaturgisch stehen diese Darstellungen jedoch immer in Bezug zu dem Rahmen
der vom Musikfernsehen als Forum bereitgestellten Möglichkeiten.
Die Gemeinsamkeiten von Horror und Gewalt sind in der vorliegenden Arbeit
theoretisch dargelegt worden, die Clipanalyse von Death In Vegas ‚Aisha’ hat die
132
Latenz dieser Verbindung und eine Möglichkeit der Distanzierung in der
Visualisierung von Gewalt in Form von Horror aufgezeigt. Die Aufteilung der Täter-
Opfer-Konstellation auf die Bild- und die Textebene entschärft die Grausamkeit des
eigentlichen antizipierten Verbrechens, das sich in seiner Gänze in den Köpfen der
RezipientInnen abspielt. Allerdings wird auch klar, dass sich der Clip dadurch auf der
Bildebene ausschließlich auf die sexualisierte Inszenierung der Frau konzentriert
über die Horror und Gewalt auf latenter Ebene in den Clip transferiert werden.
Die Visualisierung von Horror in Musikvideoclips steht aus Gründen der Ästhetik und
Moral zwangsweise in einer ebenso engen Verbindung zum Thema der Zensur wie
die Darstellung von Gewalt an sich. Die Produktion eines Popvideoclips, der mit den
ursprünglich schrecklichen und grauenvollen Bildern des Horrors arbeitet, entspricht
nicht der kommerziellen Grundlage der Werbefunktion des Musikvideos. Der Horror
ist in jeder seiner Formen zunächst einmal negativ konnotiert, er kann auf Grund
seiner ursprünglichen Eigenschaften nicht als positive Werbefunktion genutzt
werden, seine bildliche Darstellung verbannt ihn in Sendeformate zu später Stunde
oder gleich in die Zensur.
In den relativ geringen und stereotypen Formen seiner Inszenierung ist der Horror mit
seinen Mythen und Figuren jedoch so stark im populärkulturellen Gedächtnis der
massenmedialen Unterhaltungsgesellschaft verankert, dass sein bloßes Abbild
ausreicht um als Horror erkannt und verstanden zu werden. In diesem Sinn sind die
eigentlichen schrecklichen Eigenschaften des Horrors jenseits des Abbilds des
Horrors ausgeblendet, sie lassen sich in einem populärkulturellen Kontext nicht
nutzen. Die äußere Form des Horrors siegt über seine funktionalen Eigenschaften,
wodurch der Horror neutralisiert, entdramatisiert und seinem eigenen Abbild reduziert
wird.
Durch eine solche funktionale Abschwächung mit gleichzeitiger formaler Aufwertung
kann der Horror in seiner Inszenierung eine positivere Konnotation erreichen, die ihn
für die populärkulturelle Gattung des Musikvideoclips inhaltlich und strukturell nutzbar
machen. In dem Analysebeispiel zu ‚Everybody (Backstreet’s back)’ zeigt sich diese
Profanisierung des Horrors in der Kombination mit Tanzelementen, die letztlich die
Oberhand im Musikvideo übernehmen. Der Horror existiert als sinnfreies Kostüm, in
das die Boygroup Backstreet Boys schlüpfen kann und in dem sie ihre normalen
Aktivitäten des Singens und Tanzens ebenso ausüben kann wie ohne Kostüm.
133
Bezogen auf die Bildebene als wesentliche Erweiterung des vorgegebenen Songs,
blendet das Musikvideo zu ‚Everybody (Backstreet’s back)’ die funktionalen
Eigenschaften des Horrors aus, in dem es ihn als visuelle Hülle, als Kostümierung für
die Boygroup nutzt. Der Clip zu ‚Aisha’ blendet auf der Bildebene die formalen
Eigenschaften des Horrors aus, in dem er den Täter auf der Textebene belässt und
die Frau im entscheidenden Moment der Videocliphandlung als Schauspielerin in
einem Film enttarnt und die Form des Horrors damit dekonstruiert. Die beiden
Videoclipanalysen stellen somit auch zwei Möglichkeiten dar, Horror zu verwenden
und die Zensur zu umgehen. Im Fall von ‚Aisha’ stellt sich die Frage der Zensur
allerdings auch unabhängig vom Horror in Bezug auf die sexualisierte Darstellung.
Wie bereits angedeutet wurde und wie auch im Korpus zu erkennen ist, existieren
auch drastischere Visualisierungen von Horror. Videoclips wie ‚Come To Daddy’ von
Aphex Twin oder ‚Rock DJ’ von Robbie Williams sind auf Grund ihrer, als besonders
künstlerisch definierten Machart oder eben weil sie als Popclip der Zensur zum Opfer
fielen Eingang in die Populärkultur gefunden. Abseits des Musikvideo-Mainstreams
existieren jedoch ganze Musikstile die sich bewusst auf das Horrorgenre stützen und
sich dessen ursprüngliche Ästhetik des Schreckens, Schocks und Ekels aneignen.
So lehnen sich im Horrorpunk die textlichen und visuellen Bestandteile der Musik an
frühe Monster B-Movies an247, ein Beispiel aus dem Korpus ist das Video ‚I Walked
With A Zombie’ der Band Wednesday 13. Auch die Ästhetik des Psychobilly steht
dem Horror nahe, hier werden Horrorsymboliken mit Elementen des Rock’n’roll der
1950er Jahre kombiniert248, im Korpus ist dieser Musikstil durch die Gruppe The
Ghastly Ones und ihr Video ‚Haulin’ Hearse’ vertreten. Horrorcore ist ein Subgenre
des Rap, in dem die Texte oftmals an bekannte Szenarien aus Splatterfilmen
angelehnt und mit Samples typischer Geräusche unterlegt sind249. Im Korpus ist
Horrorcore besonders durch jene Bands und Interpreten wie Insane Clown Posse,
Boondox oder MC Basstard vertreten, die unter den Typus Masken und Maskierung
fallen. Es ist also zu erkennen, das der Horror abseits des musikalischen Mainstream
auch in ursprünglicher Form und Funktion anzutreffen ist, jedoch selbst dann keine
spezifische Verbindung von Horror und Musikstil existiert.
In der Inszenierung in Musikvideoclips tritt der Horror in allen seinen Formen als
Figur oder Mythos auf. Das inhaltliche Zusammenspiel von Text und Bild ist dabei
247 vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Horrorpunk 248 vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Psychobilly 249 vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Horrorcore
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vollkommen frei, ein Horrortext zieht nicht notwendigerweise eine visuelle Umsetzung
auf der Bildebene nach sich, genauso wenig muss die Visualisierung von Horror eine
Erwähnung von Horror im Text voraussetzen. Die musikalische Richtung ist im
Zusammenspiel mit dem Horrorgenre weder für die Text- noch für die Bildebene
ausschlaggebend. Der Horror kann in seiner Verwendung in Musikvideoclips
besonders auf der Bildebene eine starke Funktion der Erzeugung oder Festigung
eines Image übernehmen, die Möglichkeiten dieser Funktion sind in der vorliegenden
Arbeit erläutert worden. Die Beispielanalysen und der Videoclipkorpus zeigen nicht
zuletzt, dass die Bezeichnung ‚Horrormusikvideo’ aus genretheoretischer Sicht nur
schwerlich möglich ist und einer gesonderten Erforschung bedarf.
135
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http://videos.antville.org/
http://www.indiepedia.de/
http://www.mvdbase.com/
http://www.popzoot.tv/cliparchiv/
http://www.videoville.org/
http://www.youtube.com/
Webplattform zur Transkription von audiovisuellen Produkten http://filmolator.designtist.org
11. Abstract
Die vorliegende Arbeit untersucht aus einer wissenssoziologischen Perspektive die
Formen und die Funktionen des Horrors in der medialen Gattung Musikvideoclips. Zu
Beginn wird in Titeln und Namen aufgezeigt, wie das Horrorgenre und das
Musikbusiness generell zusammenspielen.
Es folgt mit den Kapiteln zu Musikfernsehen, zu Musikvideoclips und zu Horror die
theoretische Grundlage dieser Arbeit. Zunächst wird die Entstehung des
Musikfernsehens in Form des Senders MTV und dessen Programmstruktur erläutert.
Als Gegenbeispiel werden in einem kurzen Abriss das Konzept des deutschen
Musiksenders VIVA und dessen internationale Rolle portraitiert. Als Schlusspunkt
des Kapitels wird die Besonderheit der Präsentation von Musikvideos im Format
Musikfernsehen erörtert.
Das Kapitel zu Musikvideoclips beginnt mit der Geschichte und der Entwicklung von
frühen Vorgängern bis hin zur heutigen Form der Clips. Dabei wird auch deren
werbetechnische Funktion erläutert. Nach der Darstellung verschiedener
Definitionsmöglichkeiten von Musikvideoclips, werden ihre Funktionen und ihre
Struktur aufgezeigt. Das Kapitel erarbeitet die Unterschiede der Bildebene des
Videoclips zu Film und Fernsehen und grenzt die Tonebene des Musikvideos von der
Filmmusik ab. Als erstes theoretisches Ergebnis schließt die Kategorisierung von
Musikvideoclips an. Die Arbeit folgt dabei dem Modell von Michael Altrogge, das vor
dem Hintergrund älterer Modelle dargestellt wird. Die drei grundlegenden Musikstile
und die vier Möglichkeiten Musikvideoclips zu kategorisieren dienen der Arbeit als
Grundlage für die spätere empirische Analyse. Die Vorstellung einiger
Zusammenhänge von Musikstil und Cliptypen leitet zum thematischen Fokus des
Horrors über.
Zunächst werden die Grundlagen des Horrors aus phantastischen Literatur heraus
und an Hand der Figur des Halbwesens erläutert. Die Typologie der Halbwesen ist
dabei theoretische Grundlage für die spätere empirische Arbeit. Die Trennung von
klassischem und modernem Horrorfilm und die Erläuterung der Symbolik des Horrors
bilden die Basis für die Untersuchung der Form des Horrors in Videoclips. Danach
werden die Funktionen wie z.B. Angst- und Spannungserzeugung des Horrors
vorgestellt und der Bogen zur medialen Darstellung von Gewalt in Film und
Fernsehen gespannt.
Ein Überblick über den Forschungsstand zu Gewalt und Horror in Musikvideoclips
leitet in den empirischen Teil der Arbeit über. Zuvor wird der Korpus der 136
Musikvideoclips beschrieben und die neun entwickelten Typen der Form des Horrors
in Musikvideos erklärt. Als Zwischenergebnis werden fünf Typen der visuellen
Funktion des Horrors genannt: Image, Verbildlichung des Songtexts, narrative
Ergänzung, symbolische Ergänzung und keine Funktion auf der Bildebene.
Es folgt die Darlegung des methodischen Vorgehens, bei dem es sich um eine
Kombination aus Filmanalyse, Videoclipanalyse als struktural-hermeneutische
Symbolanalyse und Deutungsmusteranalyse handelt. Diese drei methodischen
Ansätze werden jeweils in ihrer Konzeption erläutert, ihre Verwendung für die
Videoclipanalyse in der vorliegenden Arbeit wird diskutiert und die einzelnen
Arbeitsschritte der Videoclipanalyse werden erörtert.
Die Analyse zweier ausgewählter Musikvideos ist das Kernstück dieser Arbeit und
zugleich das abschließende Kapitel. An Hand der erläuterten Methoden werden der
Clip zu ‚Everybody (Backstreet’s back)’ der Boyband Backstreet Boys und das Video
zu ‚Aisha’ der Gruppe Death In Vegas analysiert. Beide Beispiele werden in der
Filmanalyse strukturell interpretiert und danach in der Videoclipanalyse als struktuarl-
hermeneutische Symbolanalyse je an Hand einer Beispielsequenz deskriptiv und
rekonstruktiv analysiert. Die Deutungsmusteranalysen erarbeiten auf dieser Basis die
latenten Sinngehalte in den beiden Clips. Hier sind die zentralen Ergebnisse zum
einen die entdramatisierte und die sexualisierte Form, die der Horror in den
Videoclips annimmt, zum anderen die Image erzeugende Funktion des Horrors auf
der Bildebene. Beide Videoclips decken die erstellten Typologien ab und werden am
Ende wieder im Korpus verortet.
Abschließend werden die Ergebnisse bezüglich der Formen und Funktionen von
Horror in Musikvideoclips nochmals zusammengefasst wiedergegeben.
Im Anhang finden sich die Filmprotokolle, Songtexte und die umfangreiche Liste der
Musikvideoclips des Korpus.
12. Lebenslauf Persönliche Daten Name, Vorname: Klug, Daniel Geburtsdatum, -ort: 18.Juli 1978, Aachen E-Mail: [email protected] Ausbildung 09/2006 – 06/2008 Magisterstudium der Soziologie an der Universität Wien 10/2002 – 08/2006 Bakkalaureatsstudium der Soziologie an der Universität Wien 10/1998 – 07/2000 Studium der Germanistik an der Ludwig-Maximilian-Universität
München 09/1988 – 07/1998 Gymnasium Olching 09/1984 – 07/1988 Grundschule Olching
Berufstätigkeit 06/2007 – 06/2008 Institut für Soziologie, Universität Wien
„Workshop & Workshow Visuelle Soziologie“ 05/2007 – 12/2007 L & R Sozialforschung Wien 12/2006 – 10/2007 Neuberger Research Markt- und Meinungsforschung Wien 05/2006 – 10/2007 TrendCom Markt- und Meinungsforschung Wien 08/2005 – 10/2005 Institut für Medienwissenschaft, Universität Basel
Projekt „CLIPS Bild- Text- Tonanalysen“ Projekt zur interdisziplinären Forschung und Lehre
04/2004 – 10/2004 Institut für Technikfolgen – Abschätzung Wien 03/2001 – 02/2002 Bayerischer Rundfunk München Veröffentlichungen Klug, Daniel; Taschek, Michaela: Das kurze Grauen. Horror in Musikvideoclips; in: Biedermann, Claudio; Stiegler, Christian: Horror und Ästhetik. Eine interdisziplinäre Spurensuche, UVK Verlag Konstanz (erscheint 06/2008) Vorträge 03/2007 Das kurze Grauen. Horror in Musikvideoclips; Symposium zu einer
inter-medialen Ästhetik des Horrors, 30./31.03.07, Wien 11/2007 Formen und Funktionen der Inszenierung von Horror in
Musikvideoclips; Workshop & Workshow Visuelle Soziologie, 23./24.11.07, Wien
13. Anhang Interpret: Backstreet Boys Titel: Everybody (Backstreet’s Back) Dauer: 5:01min. Regie: Joseph Kahn Jahr: 1997
Bildebene Textebene TonebeneNr. Dauer Screenshot Kamera Handlung Dialog Musik, Ton, Geräusch Memo (Horror)1 0:00 –
0.05
Halbnah Ein hölzernes Schlosstor geht auf; im Hintergrund Nacht und Blitze, die Backstreet Boys und ein Busfahrer vor dem Tor; kurzer Schwenk durch die Eingangshalle mit Kerzen und leeren Gängen
Orgel, Streicher Schloss, Blitz, Donner Musik schwillt an Knarrende Tür
Unbekannter, abgelegener Ort Sitz des Unbekannten und Unheimlichen, das Verborgene
2 0:06 –0:27
Halbnah Nah
BSB und Fahrer stehen vor dem offenen Tor Hintergrund: Blitz, Nacht Fahrer rennt weg
Nick: „This is the second time the bus broke down.“; Fahrer: “This ain’t my fault.”; Brian: “Yo, we’re not gonna make it to the next show.”; Durcheinander reden; Fahrer: “Ain’t my fault. Look, the bus broke down, I’ll get it fixed, y’all just chill here for a minute” Howie: “Honestly this place is creepy.” Fahrer: “Look, look. I’ll be back.”
Hintergrundmusik, Streicher Donner Musik steigert sich Tusch
Autopanne, verlassene Gegend Klassischer Teenie-Horror Anfang I’ll be back eben nicht Der Satz bedeutet das Gegenteil
3 0:28 –0:44
Halbtotal Groß Nah Groß
Brian in dunklem Zimmer mit großem Himmelbett Spinnweben an der Wand Draußen Nacht, Blitze Ausgestopfter Bärenkopf an Wand, Blitz Brian schüttelt Bettdecke auf Brian liegt in Bett, richtet sich auf Brian holt unter Bettdeck ausgestopftes Tier hervor
Leichte Hintergrundmusik Spinnweben, dunkel unheimlicher Ort, unheimliche Atmosphäre
Donner Musik schwillt an Quieken, Schrei
Das Alte Das Tote In diesem Schlafzimmer kann man keine Ruhe finden Schrei, Schrecken, Angst
4 0:45
Total Schloss zwischen spitzen Bergen Vollmond, dunkle Nacht; Blitze Fledermäuse
Schrei
Horrorsymbolik: Schloss, Fledermaus, Vollmond, Nacht Der äußere Ort wird genauer definiert
5 0:46 –1:01
Nah
Brian steht als Werwolf in seinem Zimmer Arme ausgebreitet Heult Kopf in Nacken
Everybody Rock your body Everybody Rock your body right
Intro Ruhige Musik, keine Beats Heulen
Werwolf, erstes Setting und erster Mythos
6 1:02 –1:04
Halbnah groß
Frau in rotem Kleid in Schlossgang, Augen geschlossen Gesicht der Frau öffnet Augen
Backstreet's Back alright
Musik steigert sich Stoppt, nur Gesang Musik setzt ein
Rot als Signalfarbe, Blut, Opfer
7 1:05 –1:14
Halbnah Groß
Brian turnt als Werwolf durchs Zimmer Gesicht alter Mann
Instrumentale Strophe
Werwolf Das Alte
Halbnah halbnah Groß Halbnah groß
mehrere Frauen bewegen sich lasziv vor einem Sarg Frau in rotem Kleid Frauen vor Sarg Frau leckt Sarg ab Sarg geht auf Howie als Vampir im Sarg
Oh my God
Erste Strophe (A.J.)
Sarg, hier als sexuelle Anziehung zweites Setting/Mythos Angedeutete erotische Komponente des Vampirs Zweiter Mythos: Vampir
8 1:15 –1:31
Groß Nah Halbnah Groß Groß
AJ als Phantom der Oper mit halber Maske sitzt mit Frauen an einer großen Festtafel mit Kerzenständer Ratte auf Tisch A.J. singt
we're back again Brothers, sisters, everybody sing We're gonna bring the flavor show you how I've gotta question for ya
Erste Strophe (A.J.) Ruhigere Musik, Bassriff
Drittes Setting/Mythos, Phantom der Oper Dekadenz, Maßlosigkeit (vgl. Todsünde), Gegensatz zwischen Luxus und gesellschaftlicher Abgeschiedenheit (vs. Frauen als Gäste)
Groß Ratte auf Tisch better answer now yeah
Ungeziefer (Wiederspruch)
9 1:31 –1:34
Halbnah Groß nah
Nick als Mumie in einem Sarkophag Ausgestopfter Bärenkopf an Wand Kevin von der Seite
Am I original? Yeah
Pre-Chorus plus Streicher
Viertes Setting/Mythos: Mumie Das Alte, hinaufbeschworen aus der Vergessenheit Das Tote Letztes Setting/Mythos?
10 1:35 –1:38
Nah Groß Nah nah
Brian als Werwolf Ausgestopfter Wildschweinkopf Kevin von der Seite
Am I the only one? Yeah
Zähne sehr deutlich als Markenzeichen des Werwolfs, das Animalische Das Tote
11 1:39 –1:44
Groß Halbnah nah
Nick als Mumie Howie als Vampir durch Zimmer Kevin von der Seite
Am I sexual? Yeah
Mumie bewegt sich, ist bereits von den Toten auferstanden bzw. hinaufbeschworen worden Vampir tritt aus Sarg in ‚normalen’ Raum/Leben über
12 1:45 –1:48
Groß Groß
Howie als Werwolf Nick als Mumie kommt aus Sarkophag
Am I everything you need?
Wieder die Zähne Bedrohlicher, aggressiver Blick?
nah Kevin dreht Kopf auf andere Seite, grün-blaues Gesicht, Kevin als Dr. Jekyll und Mr. Hide
You better rock you body now
Fünftes Setting/Mythos: Dr. Jekyll/ Mr. Hyde
13 1:49 –2:14
Nah Nah Halbnah Nah Halbnah Halbnah
Kevin als Dr.J &Mr.H von der Seite in Arbeitszimmer, bewegt Arm Howie Vampir tanzt vor offenem Sarg Nick Mumie tanzt vor Sarkophag, Arme Richtung Kamera Kevin Dr.J tanzt seitlich vor Wand Howie tanzt vor Sarg, daneben steht Dienstpersonal Brain Werwolf macht Backflip in Gang
Everybody Yeah Rock your body Yeah Everybody Rock your
Chorus Dance-Beat
Die innere Gespaltenheit, Widerspruch, psychische Labilität Das ‚Wahnsinnige’ Das Wilde, das Animalische, unkontrolliert
Groß Halbnah Groß Halbnah Halbnah Groß Halbnah Halbnah Groß Halbnah Halbnah Groß Zoom nah
Nick Mumie Howie Vampir tanzt Seine Füße Howie tanzt vor Sarg AJ als Ph. steht an Tischende und singt AJ singt mit Gestik wie Opernsänger Kevin steht vor Wand Nick tanzt vor Sarkophag Brian Kopf von Seite AJ steht an Tischende Werwolf Brian Festtafel Howie tanzt vor Sarg Zwei Dienstmädchen, eine dreht Kopf zur Kamera
Body Right Backstreet's back Alright alright
Bricht aus
14 2:15 –2:31
Halbnah Groß
AJ als Ph. in einem Raum, tanzt mit mehreren Frauen in roten und schwarzen Kleidern Morphing: Masken wird angedeutet, Bild verzerrt
Now throw your hands up in the air And wave 'em around like you just don't care Uh uh uh (Chor)
Zweite Strophe Keine Melodie, nur Beats/Gesang
Rot und schwarz Farbsymbolik des Horrors Maske, Geist (?)
Halbnah Groß halbnah
AJ und Frauen tanzen Morphing: Gesicht kommt aus Bildfläche AJ und Frauen, Tanzchoreografie
If you wanna party let me hear you yell Uuuuuh (Chor) 'Cause we've got it goin' on again
Phantom tanzt gesellschaftlich akzeptiertes Verhalten trotz der Abgeschiedenheit und Stigmatisierung als unheimliches Wesen Maske, das Verborgene (?)
15 2:32 –2:49
Halbnah Nah Halbnah
Kevin tanzt Frau in rotem Kleid, hinter ihr taucht Howie Vampir aus Morphing auf Nick Mumie stehend in Gruft mit anderen Mumie, Kreuz, langsam
Am I original? Yeah
Pre-Chorus Streicher
Hier auch: Zimmer als Arbeitszimmer Wissenschaft als Horror, der Wissenschaftler zwischen abgehobenem, weltfremden Wahnsinn und Wissenschaftlichkeit Frau als unschuldiges, unwissendes Opfer des Vampirs Schwerfälligkeit er Mumie, langsamer Horror
Halbnah Nah Halbnah Halbnah Groß Groß Nah, Zoom nah
Brian als Werwolf, leicht tanzend AJ Phantom mit Frauen Nick Mumie aus Sarkophag heraus Kevin nimmt Tasche von Gesicht weg, gute Seite Howie hinter Rücken von Frau Kevin von Seite böse Seite Howie mit Vampirfrauen, aufgerissene Münder, Hände ausgestreckt
Am I the only one? Yeah Am I sexual? Yeah Am I everything you need? You better rock you body now
Der Doppelgänger, das Verdecken der bösen Seite, Verstecken hinter der Wissenschaft (?) Zwischen Bedrohung und sexueller Anziehung
16 2:50 –3:15
Total
Brian macht Flick-Flacks in den Tanzsaal
Everybody
Chorus Melodie, Dance-Beat
Das Wilde
Nah Groß Halbnah Nah Halbnah Halbnah Nah Nah Nah Halbnah Zoom, nah Nah, halbnah
Nick tanzt mit zwei Mumie Choreo Kevin Dr.J Böse Seite Nick tanzt mit anderen Mumien Howie Vampir kurz vor Biss in Hals von Frau, Kopf zu Kamera Nick tanzt mit anderen Mumien Kevin Dr. J in aufgehender Tür, dreht sich Kevin frontal, beide Gesichter zu sehen Frau mit Howies Händen um Hals Kevin frontal, Ratte auf Schulter Brian Werwolf im Zimmer
Yeah Rock your body Yeah Every body Rock Your Body right
Keine Schwerfälligkeit mehr Zwiegespalten, jetzt: die böse Seite Wehrloses Opfer
Halbnah total
AJ am Banketttisch mit Frauen sitzend Nick tanzt mit anderen Mumien Brian in Halle Flickflacks an Wand, durch Halle
Backstreet's Back alright Alright
Musik wird ruhiger
17 3:16 –3:22
Halbnah Halbnah Nah Zoom weg Nah
Kevin Dr. J, Gesicht kommt hinter Tasche hervor Nick in Gruft Howie deutet Biss in Hals von Frau an AJ am Banketttisch Howie nochmals angedeuteter Biss
Ah yeah ah yeah
Musik fährt runter, wird tiefer
Sexuelle Andeutungen des Biss
Halbnah nah
Nick in Gruft Nochmals Howie angedeuteter Biss, Frau lächelt
Musik endet, Beats werden weniger
18 3:23 –3:39
Nah Nah Versch. Nah, zoom out Nah
Nick als Mumie singt Eisentor Aufschrift: ’Ballroom Dance Tonight’, Hintergrund Schloss BSB tanzen in zivil mit Frauen in vornehmen Ballkleidern, mittelalterliche Szene Nick als Mumie in Gruft AJ tanzt Nick als Mumie
So everybody everywhere Don't be afraid, don't have no fear Gonna tell the world, make it understand As long as there'll be
Mittelteil, Interlude Ruhig, nur Streicher
Wechsel der Handlung bzw. Erweiterung Tanz als gesellschaftliches Ereignis, als Verbindung zur Außenwelt Unschuldige Frauen zum Tanz Stellvertretend für das trotzdem vorhandene Horror-Alter Ego
Schloss in der Nacht, Blitz Nick tanzt in zivil
music we'll be coming back
Musik schwillt ein bisschen an
Schloss, Nacht, Blitz
19 3:40 –3:47
Halbtotal Halbnah Nah Halbnah Halbnah Halbnah halbnah
Howie kommt aus seinem Sarg Brian in Halle macht Backflip von Sofa Howie öffnet Mantel, Fledermäuse fliegen heraus, deutet Schrei an Brian macht Backflip durch Raum von Kevin Dr. J, der Tasche in Vordergrund hält Howie und Fledermäuse Kevin mit Tasche Frau in roten Kleid, aus Hintergrund kommen Fledermäuse Richtung Kamera bis Bild schwarz ist
again Musik setzt wieder ein, steigernd Musik steigert sich Beat beginnt wieder Beat setzt ein, Musik wird immer höher Stopp
Wieder das Wilde Verwandlung, das Tierische Fledermäuse Verbindung von Opfer, Bedrohung und dem Animalischen Symbolischer Ersatz für den Biss des Vampirs?
20 3:48 –4:29
Halbtotal Halbnah Nah Halbtotal Nah Halbtotal Nah Halbnah Nah Halbtotal Versch. Perspektiven Nah Zoom out
Tanzsaal, BSB in zivil mit TänzerInnengruppe, tanzen Choreo Brian singt und tanzt Alle Kevin Alle Howie Alle Brian Alle Alle Kevin AJ, andere im Hintergrund
Everybody Yeah Rock your body Yeah Everybody Rock your Body right Rock your body right Backstreet's Back Everybody Rock your body Backstreet's Back alright
Chorus Melodie, Dance-Beats Beat endet Musik endet Fade out
Hier z.T.: Tanzchoreografie imitiert Zombiebewegungen bzw. orientiert sich etwas daran (?) Hier: Ähnlichkeiten der Bewegung mit der von Zombies Zombies eher moderner Horror, angedeutet
21 4:30 –4:34
nah Brian schreckt in der Nacht aus seinem Bett auf; dunkle Nacht, Blitze Reibt sich die Arme
Donner, Blitze Leise Orgel
Aufschrecken, Albtraum, Ekel
Vergewissern, dass es nur ein Traum war
22 4:35 –5:01
Nah Zoom out Zoom out Zoom out Schneller Zoom, groß groß
Brian trifft Howie auf Gang, in zivil Gestikulierend Kevin kommt dazu AJ kommt dazu Nick kommt dazu Zoom out, halbnah Howie geht vor Zombie-Busfahrer steht vor Tür Alle BSB schreien
Brian: „Yo Howie, man, I gotta tell you bout this dream I had last night. I was a werewolf and I had hair all over my body and…” Howie: “ No way man, I had a dream also, I was a Dracula…” Kevin: “Did you guys had troubles sleeping last night?” AJ: “I had a creepy dream last night…” Nick “Yo yo guys man I had a dream, but I was a mummy and…” Durcheinander Howie: “Let’s just get outta here.” Busfahrer (mit Grabstimme): “Let’s go!”
Musik kommt auf Steigernd Steigernd Tusch, Donner Schrei, Tusch
Nicht glauben können, Realität vs. Traum Gegenseitiges Erzählen der Träume als Absicherung der Realität (für sich selbst und für die anderen)
Videoclipgeschichte wird zu Horrorgeschichte in der Erzählung der BSB Selbes Zusammenkunft wie zu Beginn des Videos bzw. der Erzählung Zombie, untot Schreien als Reaktion auf den Zombie-Busfahrer
Offenes Ende
Interpret: Death In Vegas Titel: Aisha Dauer: 4:00min. Regie: Terry Richardson Jahr: 2000
Bildebene
Textebene TonebeneNr. Dauer Screenshot Kamera Handlung Dialog Musik, Ton, Geräusch Memo (Horror)1 0:00 –
0:10
halbnah Wald, verschiedene Einstellungen Schweres Atmen einer Frau, Stöhnen
In Gefahr, Nervosität, Flucht Wald als stereotyper, undurchsichtiger Ort an dem die Gefahr lauert Möglichkeit eines tierischen Monsters
2 0:11 –0:19
Groß Nah Nah groß
Frauenbeine auf Waldboden, leicht scharrend, man kann unter den Rock sehen Von Seite durch Bäume: Frauenbeine, Unterleib, rotes Kleid, weiße Unterwäsche, Strapse rutscht auf Rücken rückwärts, starkes Bewegen der Beine, versucht aufzustehen Frau dreht sich um und läuft auf allen vieren Durch Bäume hindurch: Frau krabbelt
Aisha We've only just met
Musik beginnt, nur Gitarre Beat setzt ein
Die Frau als Lustobjekt und als Opfer evtl. verzweifelte Flucht, hektisch, hat keine Zeit Aus dem Blick des Täters? Die Bedrohung ist sehr nah
3 0:20 –0:48
Halbtotal Halbtotal Nah Groß Halbnah Nah Halbtotal nah
Frau läuft durch Wald, leicht ziellos Obersicht: Frau läuft durch Wald, bleibt kurz stehen sieht sich um, niemand zu sehen Frau läuft weiter Füße Frau von Seite: läuft, weicht Ästen aus Verschieden Einstellung der rennenden Frau Untersicht: Frau bleibt stehen, gebeugt, Rast Leerer Wald Frau gebeugt
And I think you ought to know I'm a murderer I have a portrait on my wall He's a serial killer I thought he wouldn't escape Aisha, He got out
Strophe Immer mehr musikalische Elemente werden zugefügt Treibende Beats
Verfolgung durch unbekannte Gefahr, Person Flucht vor Unbekannt Flucht wirkt ziellos, weil nicht klar ist wo sich die Bedrohung befindet und was die Bedrohung eigentlich ist Pause, vergewissern, ob jemand folgt Niemand da?
4 0:49 –1:13
Halbnah Halbnah Nah Halbtotal Nah Halbnah
Frau läuft aus Wald heraus über Wiese Frau von hinten: Läuft jetzt schneller, angestrengter Von vorne: Oberteil offen, rennt mit Armen ausholend Schaut sich um stolpert und fällt Steht auf läuft weiter, mit Händen vor Brust, Kleid ist offen, Kamera wackelt
We live in a cemetary
Strophe Leichter musikalischer Tusch
Rettet sich aus Wald, kann dem Horror-Setting entkommen, die Lage könnte sich bessern Die Flucht ist immer noch so existenziell bzw. akut, dass sie ihre Kleidung nicht so sehr beachtet
Sexualisierte Darstellung
Nah Halbnah Halbnah groß
Stolpert wieder, von hinten, läuft weiter, Kleidung offen Von Seite: Frau rennt in K. hinein, schaut zur Seite Von vorne: rennt, Kleid offen, verliert Schuh
A cold and damp place
Flucht wirkt angestrengter, ihre Kleidung (Schuhe) ist hinderlich und gibt den Blick auf ihren Körper frei Zuschauer hat Beobachterstatus vs. Zuschauer aus Sicht des Mörders?
5 1:14 –1:26
Groß Nah Halbnah Groß nah
Füße der Frau auf Weg Frau läuft auf Weg, Dreht sich um Frau rennend von Seite, dreht sich um Von vorne: Gesicht Frau von Seite rennend
And science runs through us Making us Gods The rules are all wrong
Strophe Flucht in die Zivilisation? Es könnte Hilfe kommen, ihre Lage könnte sich wieder bzw. weiter verbessern Immer noch Absichern gegen mögliche Verfolger
Groß Füße
6 1:27 –1:48
Totale Halbtotal Nah Halbtotal Nah Halbtotal groß
Frau läuft auf weißes Haus zu, vorne Wiese, Zaun, hinten Wald Frau vor Zaun Untersicht: Klettert über Zaun Frau hinter Zaun Läuft auf Eisentor zu, geht durch Eisentor Steht vor Hauswand klopft gegen Tür Frau vor Haus öffnet Tür, geht in Haus
Every borrusion/ perversion is justified They honestly believe dead bodies Anything goes around here
Strophe wie immer Beat ähnlich dem Klopfen Musik wird höher
Das Haus als Zeichen von Zivilisation, und eventueller Rettung Das Haus als einsamer, abgeschiedener Ort Hindernisse werden überwunden Sexualisierte Darstellung des Opfers... Niemand hört sie Steigerung der Sicherheit durch Betreten des Stalls?
7 1:49 –1:55
Halbtotal Halbtotal Nah halbtotal
Frau läuft suchend durch leere Stallungen raus wieder über Wiese auf weiteres weißes Haus zu Frau von Seite, schaut zurück Frau vor Haus
I still want to to be human again What am I?
s.o. Keine menschliche Rettung, Flucht geht weiter
8 1:56 –2:20
Nah Halbnah Halbnah Halbtotal Nah, groß
Von hinten: Frau läuft durch weißen Gang, schaut zurück Blick aus Innerem des Hauses (moderne Einrichtung, große Fenster): Frau läuft über Terrasse des Hauses Obersicht (aus oberem Stock?): Frau vor Fenster Von innen: Frau versucht Fenstertüren von außen zu öffnen Untersicht von innen (aus unterem Stock?): Frau klopft gegen Fenster, ruft verzweifelt
What am I? I'm a murderer Aisha
Musik um Melodie erweitert Musik wird härter, Gitarre
Flucht in das vermeintlich sichere Haus nicht möglich Perspektivenwechsel: an Zuschauer adressierte Hilfeforderung aus verschiedenen Sichten Kann nicht geholfen werden Ihre Lage wird schlechter, obwohl noch immer keine Bedrohung zu sehen ist
groß Von außen: Frau sinkt vor Fenster zusammen, steht dann erschöpft wieder auf
Leichte Resignation
9 2:21 –2:30
Halbnah Halbnah halbnah
Läuft wieder zurück den Balkon entlang Von hinten: Frau läuft um Haus herum, schaut zurück, Kamera stockend... Frau verliert Schuh Klettert in kleines rundes Fenster
Aisha I'm confused
Musik wird etwas hektischer in der Melodie Leicht geschrieen
Kraft geschöpft für weitere Flucht, sie gibt noch nicht auf Klare Verfolgerperspektive, die Bedrohung scheint wieder sehr nah zu sein (unüberlegte) Flucht ins Ungewisse, Verzweiflung
10 2:31 –2:45
Nah
Frau fällt in Schlafzimmer auf Bett mit Eisbärenfell
Aisha I'm vibrating
s.o. Leicht geschrieen Leicht geschrieen
Das Animalische, das Tote Zähne deuten eine Biss an, wieder das Animalische und das Tote
Groß Groß Nah Nah Groß halbnah
ausgestopfte Tierköpfe Schlange Frau schaut sich um Knochengebisse auf Anrichte Frau steht auf, Dekollete, rückwärts vor weiße Wand, ängstlich
I'm a murderer
Unheimliche Stimmung Die Lage hat sich durch die Flucht ins Haus nicht gebessert, der Horror scheint überall zu sein Sexualisierte Darstellung
11 2:46 –3:10
Halbtotal Halbtotal Halbnah, nah Halbnah Halbnah, nah
Obersicht: Frau rennt durch Wohnzimmer, Treppe hinauf Richtung Kamera Untersicht: Frau schaut von Treppenende runter Frau kommt in weiteres Wohnzimmer (moderne Einrichtung) nimmt Sachen von Tisch und wirft sie Richtung Kamera, schreit (Motherfucker) Läuft Treppen wieder runter
The Gods all suck s.o.
Mehrere Beobachterperspektiven Zuschauer ist als Mörder überall, oben und unten Der (Wirkungs-)Raum der möglichen Bedrohung verdichtet sich immer mehr Direkte Adressierung an Kamera Verhältnis Kamera (Z.) und Opfer (Frau) verdichtet sich Sie wird aggressiv, pur Verzweiflung oder letztes Aufbäumen des Opfers durch die Konfrontation mit der Bedrohung, es wird
nah
Rennt wieder in Schlafzimmer Fällt auf Bett , setzt sich auf und schreit in Kamera
Musik endet und geht in Schrei über
existenziell Gegenwehr bleibt ohne Erfolg Flucht noch nicht zu Ende, kämpft Dichtester Horror im VC, auf Bild-, Text- und Tonebene zuglich vorhanden
12 3:11 –3:36
Nah Halbnah Halbnah, nah
Frau schreit noch immer, von rechts kommen Hände und würgen sie Mann würgt Frau, lässt von ihr ab, anderer Mann von links, fasst ihre Haare Mehrere Leute von Maske um Frau herum, richten sie wieder her (Lippen, Haare, Make-up) Frau trinkt aus Wasserflasche
Gesprochen: Is that alright?
Schrei geht noch weiter bzw. geht wieder in Musik über Musik setzt wieder ein, Gitarre ähnlich einem Schrei
Angriff des Killers, Tötungsversuch Unklar Wendepunkt am Höhepunkt des Horrors: Filmset = Auflösung der bisherigen Geschichte Film im VC Horror dekonstruiert Schminken/Maske als Betonung der Körperlichkeit ist jetzt gerechtfertigt
Halbnah
Frau, Gesicht (neu geschminkt)
Musik variert in Elementen und Melodie
13 3:37 –4:00
Halbtotal Nah Nah groß nah
Überblende: Frau rennt von Haus weg zu Kamera Frau Gesicht Rennt langsamer, stolpert, fällt Frau, Gesicht, schreit stark, lacht dann, lässt sich zur Seite fallen Liegt auf Seite in Wiese, erschöpft, lacht
Musik fadet aus
Erneute bzw. fortgesetzte Flucht vom Haus weg Schrei hat keine Wirkung mehr Horror wird nie explizit gezeigt, imaginisiert
MUSIKVIDEOCLIPKORPUS
1. Das künstliche Wesen
MUSIKVIDEOCLIP HORROR
Nr. Interpret Titel Dauer Typ Musikgenre Regie (Jahr) Horrormythos (Figur) Videoclipebene Visuelle Funktion des
Horrors
01 Alice Cooper Feed My Frankenstein 04:13 Performance Rock ? (1992) das künstliche Wesen Bild + Text Image
02 Animal Collective Peacebone 05:21 Narrativ Dancepop Timothy Saccenti (2007)
das künstliche Wesen Bild Narrative Ergänzung
03 Aphex Twin Come To Daddy 05:51 Narrativ + Konzept Dancepop Chris Cunningham
(1997) das künstliche Wesen Bild + Text + Ton Narrative Ergänzung,
Verbildlichung
04 Chemical Brothers Believe 04:22 Narrativ Dancepop Dom&Nic (2005) das künstliche Wesen Bild + Text Narrative Ergänzung
05 Dir En Grey Obscure 04:55 Performance + Konzept Heavy Metal Takashi Miike (2007) das künstliche
Wesen Bild Image, Symbolische Ergänzung
06 Marilyn Manson The Beautiful People 03:48 Performance Rock Floria Sigismondi (1997)
das künstliche Wesen Bild Image, Symbolische
Ergänzung
07 Rob Zombie Dragula 03:48 Performance + Narrativ Rock Rob Zombie (1998) das künstliche
Wesen Bild + Text Narrative Ergänzung, Image
08 Rocket From The Crypt Born In 69 02:17 Narrativ + Performance Rock Steven Hanft (1996) das künstliche
Wesen Bild Narrative Ergänzung
09 Six Feet Under The Day The Dead Walked 02:15 Performance +
Narrativ Heavy Metal ? (2001) das künstliche Wesen Bild + Text + Ton Image, Symbolische
Ergänzung
10 The Knife Silent Shout 04:53 Konzept + Performance Dancepop Andreas Nilsson
(2006) das künstliche Wesen Bild Symbolische Ergänzung
2. Wesen, die nicht tot und nicht lebendig sind
MUSIKVIDEOCLIP HORROR
Nr. Interpret Titel Dauer Typ Musikgenre Regie (Jahr) Horrormythos (Figur) VC Ebene Visuelle Funktion des
Horrors
01 Albert Hammond Jr. Back To The 101 03:25 Narrativ Rock Patrick Daughters (2006) Untote Bild Narrative Ergänzung
02 Alice Cooper Feed My Frankenstein 04:13 Performance Rock ? (1992) Untote Bild + Text Image
03 Annie Lennox Love Song For A Vampire 04:12 Performance +
Narrativ Softpop Sophie Mueller (1992) Untote Bild + Text (Titel) Verbildlichung
04 Anthrax What Doesn't Die 04:27 Performance + Narrativ Heavy Metal Michael John Sarna
(2004) Untote Bild + Text Verbildlichung
05 Audio Adrenaline Some Kind Of Zombie 04:49 Performance + Narrativ Rock Eric Welsh (1998) Untote Text keine Verwendung
Bildebene
06 Beatfreakz Somebody's Watching Me 02:50 Narrativ +
Performance Dancepop Justin Dickel (2006) Untote Bild Image, Narrative Ergänzung
07 Backstreet Boys Everybody (Backstreet's Back) 04:45 Perfomance +
Narrativ Dancepop Joseph Kahn (1997) Untote Bild Narrative Ergänzung
08 Beck E-Pro 03:12 Konzept Rock Shynola (2005) Untote Bild Symbolische Ergänzung
09 Braund Reynolds Rocket 02:52 Narrativ Dancepop Duncan Skiles (2005) Untote Bild Symbolische Ergänzung
10 Butthole Surfers Who Was In My Room Last Night? 03:10 Narrativ +
Performance Rock William Stobough (1993) Untote Bild + Text Verbildlichung
11 Chemical Brothers Hey Boy Hey Girl 03:42 Narrativ Dancepop Dom&Nic (1999) Untote Bild Symbolische Ergänzung
12 Chiodos One Day All Women Will Become Monsters 03:36 Performance +
Narrativ Rock Michael Grodner (2005) Untote Bild Symbolische Ergänzung
13 Chris Brown Wall To Wall 05:19 Performance + Narrativ Rap/HipHop Erik White (2007) Untote Bild Narrative Ergänzung
14 Coheed & Cambria Blood Red Summer 03:58 Narrativ + Performance Rock Marc Webb (2004) Untote Bild Narrative Ergänzung
15 Cradle Of Filth From Cradle To Enslave 04:32 Performance + Narrativ Heavy Metal Alex Chandon (1999) Untote Bild + Text Image, Symbolische
Ergänzung
16 CSS Alala 03:55 Performance + Narrativ Dancepop Cat Solen (2006) Untote Bild Symbolische Ergänzung
17 Daft Punk Around The World 03:51 Konzept Dancepop Michel Gondry (1997) Untote Bild Symbolische Ergänzung
18 Daft Punk Primetime Of Your Life 04:04 Narrativ + Konzept Dancepop Tony Gardner (2006) Untote Bild Narrative Ergänzung
19 Dr. Dre & Ice Cube Natural Born Killaz 06:36 Performance + Narrativ Rap/HipHop Gary Gray (1995) Untote Bild + Text (Titel) Symbolische Ergänzung
20 Farin Urlaub Sumisu 02:31 Narrativ Rock Norbert Heitker (2001) Untote Bild Narrative Ergänzung
21 Gorillaz Clint Eastwood 04:38 Performance + Narrativ Dancepop Jamie Hewlett, Pete
Candeland (2001) Untote Bild Narrative Ergänzung
22 Insane Clown Posse Hokus Pokus 03:53 Performance + Narrativ Rap/HipHop Steven Hanft (1998) Untote Bild + Text Image
23 Iron Maiden The Wicker Man 04:36 Performance + Narativ Heavy Metal Dean Karr (2000) Untote Text + Bild Image
24 John Fogerty Eye Of The Zombie 04:22 Konzept + Narrativ Rock Matt Mahurin (1986) Untote Bild + Text Narrative Ergänzung,
symbolische Ergänzung
25 Jon Spencer Blues Explosion Burn It Off 03:23 Performance +
Narrativ Rock StyleWar (2004) Untote Bild Narrative Ergänzung, symbolische Ergänzung
26 Jon Spencer Blues Explosion She Said 03:05 Performance +
Narrativ Rock Floria Sigismondi (2002) Untote Bild Narrative Ergänzung
27 Kante Zombi 03:49 Performance + Konzept Rock Showcase Beat Le
Mot (2004) Untote Text keine Verwendung auf Bildebene
28 Korn A.D.I.D.A.S. 02:36 Narrativ Rock Joseph Kahn (1997) Untote Bild Narrative Ergänzung
29 Lordi Blood Red Sandman 03:52 Performance + Narrativ Rock Pete Riski (2004) Untote Bild + Text + Ton Image, Verbildlichung
30 Lordi Devil Is A Loser 03:39 Performance + Narrativ Rock Pete Riski (2002) Untote Bild + Text + Ton Image, Verbildlichung
31 Lordi Hard Rock Hallelujah 03:14 Performance + Narrativ Rock Pete Riski (2006) Untote Bild + Text + Ton Image, Verbildlichung
32 Lordi Who's Your Daddy 03:36 Performance + Narrativ Rock Pete Riski (?) Untote Bild + Text + Ton Image, Verbildlichung
33 Lordi Would You Love A Monsterman 03:19 Performance +
Narrativ Rock Pete Riski (2006) Untote Bild + Text + Ton Image, Verbildlichung
34 Metric Monster Hospital 03:54 Performance+ Narrativ Rock Micah Meisner (2005) Untote Bild+ Text Verbildlichung
35 Michael Jackson Thriller 13:40 Perfomance + Narrativ Dancepop John Landis (1983) Untote Bild + Text + Ton Narrative Erzählung,
Verbildlichung
36 Mondo Fumatore Skeleton Town 03:27 Narrativ Dancepop ? (2003) Untote Bild + Text (Titel) Symbolische Ergänzung
37 Oxide & Neutrino Devil's Nightmare 03:40 Performance + Konzept Dancepop ? (2001) Untote Text keine Verwendung auf
Bildebene
38 Peaches feat. Iggy Pop Kick It 02:54 Performance+ Narrativ Rock Dawn Shadforth &
Alex Smith (2003) Untote Bild Symbolische Ergänzung
39 Phantom Planet Big Brat 04:02 Narrativ Rock Spike Jonze / AV Club (2003) Untote Bild Narrative Ergänzung
40 Queens of the Stone Age Burn The Witch 03:41 Narrativ +
Performance Rock Liam Lynch (2005) Untote Bild + Text Narrative Ergänzung, Verbildlichung
41 Queens of the Stone Age Go With The Flow 03:09 Performance +
Narrativ Rock Shynola (2003) Untote Bild Symbolische Ergänzung
42 Ramones Pet Semetary 03:26 Performance + Narrativ Rock Bill Fishman (1989) Untote Bild + Text Verbildlichung
43 Ray Parker Jr. Ghostbusters Theme 04:03 Performance + Narrativ Dancepop Ivan Reitman (1984) Untote Text + Bild Verbildlichung
44 Refused New Noise 05:14 Performance Rock Jocke Ahlund (1999) Untote Bild Symbolische Ergänzung
45 Rob Zombie Living Dead Girl 03:24 Narrativ Rock Rob Zombie (1999) Untote Bild + Text + Ton? Image, Verbildlichung
46 Robbie Williams Rock DJ 04:17 Performance + Konzept Dancepop Vaughan Arnell
(2000) Untote Bild Symbolische Ergänzung
47 Six Feet Under The Day The Dead Walked 02:15 Performance +
Narrativ Heavy Metall ? (2001) Untote Bild + Text Image, symbolische Ergänzung
48 The 69 Eyes Devils 03:25 Performance + Narrativ Heavy Metall
Niclas Fronda & Fredrik Lofberg (2004)
Untote Bild Image
49 The Aquabats Fashion Zombies 03:29 Performance + Narativ Dancepop
Christian Jacobs & Jason De Villiers (2005)
Untote Bild + Text Verbildlichung
50 The Ghost Frequency
Never Before Have I Seen A Man Alive That Looks So Exactly Like A Skeleton
03:29 Performance Rock ? (2007) Untote Bild + Text Image, Verbildlichung
51 The Ghost Frequency Nightmare 03:33 Performance Rock ? (2007) Untote Bild + Text Image, Verbildlichung
52 The Fashion Solo Impala 03:09 Performance + Narrativ Dancepop Jakob Printzlau Untote Bild Symbolische Ergänzung
53 The Flatlinerz Satanic Verses 04:48 Performance + Narrativ Rap/HipHop ? (1994) Untote Bild + Text Image, symbolische
Ergänzung
54 The Freaks The Creeps (Get On The Dancefloor) 02:51 Narrativ +
Performance Dancepop ? (2007) Untote Bild Narrative Ergänzung
55 The Killers Bones 03:48 Performance + Narrativ Rock Tim Burton (2006) Untote Bild + Text (Titel) Symbolische Ergänzung
56 The Hooters All You Zombies 04:41 Performance Rock Donald Cammell (1985) Untote Text keine Verwendung
Bildebene
57 The Priscillas All My Friends Are Zombies 02:51 Performance Rock ? (?) Untote Bild + Text (Titel) keine Verwendung
Bildebene
58 The Raveonettes Attack of the Ghost Riders 02:32 Narrativ Rock Peter Pedersen
(2002) Untote Bild + Text (Titel) Narrative Ergänzung
59 The Sleepy Jackson Vampire Racecourse 03:11 Performance Rock Nice Trees (2003) Untote Bild + Text (Titel) Symbolische Ergänzung, Verbildlichung
60 The White Stripes Seven Nation Army 03:56 Performance Rock Alex & Martin (2003) Untote Bild Symbolische Ergänzung
61 Us5 Just Because Of You 03:57 Performance + Narrativ Dancepop Oliver Sommer
(2005) Untote Bild Narrative Ergänzung
62 Wednesday 13 I Walked With A Zombie 03:43 Narrativ + Performance Heavy Metal P.R. Brown (2005) Untote Bild + Text Narrative Ergänzung,
Image
63 Yeah Yeah Yeahs Y Control 03:57 Performance + Konzept Rock Spike Jonze (2004) Untote Bild Visuelle ästhetische
Ergänzung
64 You Say Party! We Say Die! Monster 03:37 Narrativ +
Performance Rock Sean Wainsteim (?) Untote Bild + Text Narrative Ergänzung
65 Young Punx Wake Up Make Up Bring It Up Shake Up 03:18 Konzept +
Performance Dancepop Han Hoogerbrugge (2007) Untote Bild Image, symbolische
Ergänzung
66 Young Punx You've Got To 03:08 Konzept + Performance Dancepop Han Hoogerbrugge
(2007) Untote Bild Image, symbolische Ergänzung
67 Young Punx Your Music Is Killing Me 03:13 Konzept + Performance Dancepop Han Hoogerbrugge
(2007) Untote Bild + Text Image, symbolische Ergänzung
3. Tiermenschen
MUSIKVIDEOCLIP HORROR
Nr. Interpret Titel Dauer Typ Musikgenre Regie (Jahr) Horrormythos (Figur) VC Ebene Visuelle Funktion des
Horrors
01 Backstreet Boys Everybody (Backstreet's Back) 04:45 Perfomance +
Narrativ Dancepop Joseph Kahn (1997) Tiermensch Bild Narrative Ergänzung
02 Basement Jaxx Where's Your Head At 04:14 Narrativ + Performance Dancepop Traktor (2001) Tiermensch Bild Narrative Ergänzung
03 Beatfreakz Superfreak 03:34 Performance + Narrativ Dancepop Justin Dickel (2006) Tiermensch Bild Image, Narrative
Ergänzung
04 Billy Talent Fallen Leaves 03:20 Performance + Narrativ Rock Dean Carr (2006) Tiermensch Bild Narrative Ergänzung
05 Clor Good Stuff 04:00 Narrativ + Konzept Rock Frasier Jamieson
(2005) Tiermensch Bild Symbolische Ergänzung
06 Danzig Killer Wolf 03:57 Performance + Narrativ Rock Anton Corbijn (1990) Tiermensch Text keine Verwendung auf
Bildebene
07 Everytime I Die We're Wolf 03:42 Performance + Narrativ Rock ? (2007) Tiermensch Bild + Text Symbolische Ergänzung
08 Fatboy Slim Wonderful Night 03:00 Narrativ Dancepop John Watts (2004) Tiermensch Bild Narrative Ergänzung
09 Gnarls Barkley Who Cares 03:36 Narrativ Dancepop Barney Clay (2006) Tiermensch Bild Narrative Ergänzung
10 Gyroscope Beware Wolf 03:23 Performance + Narrativ Dancepop ? (2006) Tiermensch Bild Narrative Ergänzung,
Verbildlichung
11 Mastodon The Wolf Is Loose 03:37 Narrativ + Performance Heavy Metall Jonathan Rej & Tom
Bingham (2006) Tiermensch Bild + Text (Titel) Symbolische Ergänzung
12 Michael Jackson Thriller 13:40 Perfomance + Narrativ Dancepop John Landis (1983) Tiermensch Bild + Text Verbildlichung
13 Ozzy Osbourne Bark at the Moon 04:24 Performance + Narrativ Rock Mike Mansfield
(1983) Tiermensch Bild + Text Verbildlichung
14 Queens of the Stone Age Someone's In The Wolf 07:21 Narrativ Rock Chapman Baehler
(2005) Tiermensch Bild + Text Narrative Ergänzung, Verbildlichung
15 The Horrors Sheena Is A Parasite 01:40 Performance + Konzept Rock Chris Cunningham
(2006) Tiermensch Bild + Text Verbildlichung
16 Spider Virus Werewolf Ears 02:26 Performance + Narrativ Rock Mitch Riley (?) Tiermensch Bild + Text Symbolische Ergänzung
17 TV On The Radio Wolf Like Me 04:36 Narrativ + Performance Rock John Watts (2006) Tiermensch Bild + Text Narrative Ergänzung
4. Tiere mit menschlichen Zügen MUSIKVIDEOCLIP HORROR
Nr. Interpret Titel Dauer Typ Musikgenre Regie (Jahr) Horrormythos (Figur) VC Ebene Visuelle Funktion des
Horrors
01 Beastie Boys Intergalactic 04:33 Performance; Narrativ Rap/HipHop Nathaniel Hornblower
(1998) Tiere mit menschl. Zügen Bild Narrative Ergänzung
02 Prophet Omega The Right Thing 03:13 Narrativ + Performance Rock Sean Donnelly (2006) Tiere mit menschl.
Zügen Bild Narrative Ergänzung
03 Queens of the Stone Age No One Knows 04:18 Performance +
Narrativ Rock Dean Karr (2002) Tiere mit menschl. Zügen Bild Narrative Ergänzung
04 The Automatic Monster 03:50 Performance + Narrativ Rock Up The Resolution
(2006) Tiere mit menschl. Zügen Bild + Text Narrative Ergänzung
05 You Say Party! We Say Die! Monster 03:37 Narrativ +
Performance Rock Sean Wainsteim (2007)
Tiere mit menschl. Zügen Bild + Text Symbolische Ergänzung
5. Doppelgänger MUSIKVIDEOCLIP HORROR
Nr. Interpret Titel Dauer Typ Musikgenre Regie (Jahr) Horrormythos (Figur) VC Ebene Visuelle Funktion des
Horrors
01 Backstreet Boys Everybody (Backstreet's Back) 04:45 Perfomance +
Narrativ Dancepop Joseph Kahn (1997) Doppelgänger Bild Narrative Ergänzung
02 Busta Rhymes Gimme Some More 02:39 Narrativ + Performance Rap/HipHop Hype Williams (1998) Doppelgänger Bild Narrative Ergänzung
03 Prodigy Breathe 03:50 Performance Dancepop Walter Stern (1997) Doppelgänger Bild Symbolische Ergänzung
04 Rob Zombie Living Dead Girl 03:24 Narrativ Rock Rob Zombie (1999) Untote Bild + Text + Ton Verbildlichung, Image
6. Hexen und Hexerei MUSIKVIDEOCLIP HORROR
Nr. Interpret Titel Dauer Typ Musikgenre Regie (Jahr) Horrormythos (Figur) VC Ebene Visuelle Funktion des
Horrors
01 Get Well Soon Witches! Witches! Rest Now In The Fire! 03:57 Narrativ +
Performance Rock Gerster & Modersohn (2008) Hexen und Hexerei Bild + Text Verbildlichung
02 Queens of the Stone Age Burn The Witch 03:41 Narrativ +
Performance Rock Liam Lynch (2005) Hexen und Hexerei Bild + Text Verbildlichung, Narrative Ergänzung
03 Rob Zombie American Witch 03:33 Performance Rock ? (2006) Hexen und Hexerei Text + Bild Image, Verbildlichung
04 The Weird War Grand Fraud 06:06 Narrativ + Performance Rock ? (2004) Hexen und Hexerei Bild Narrative Ergänzung
7. Mörder, Killer und Irre MUSIKVIDEOCLIP HORROR
Nr. Interpret Titel Dauer Typ Musikgenre Regie (Jahr) Horrormythos (Figur) VC Ebene Visuelle Funktion des
Horrors
01 Alice Cooper (He's Back) The Man Behind The Mask 04:06 Performance +
Narrativ Rock Jeff Abelson (1986) Mörder Bild + Text Image, Narrative Ergänzung
02 Death In Vegas Aisha 04:00 Narrativ Dancepop Terry Richardson (2000) Mörder Bild + Text Verbildlichung, Narrative
Ergänzung
03 Foo Fighters Everlong 04:39 Narrativ + Performance Rock Michel Gondry (1997) Mörder Bild Symbolische Ergänzung
04 Iron Maiden Bring Your Daughter To The Slaughter 04:41 Performance +
Narrativ Heavy Metal ? (1990) Mörder Text + Bild Image, Narrative Ergänzung
05 Jet Look What You've Done 03:48 Performance + Narrativ Rock Robert Hales (2004) Mörder Bild Narrative Ergänzung
06 Motorhead Serial Killer 01:36 Performance Heavy Metal Stefan Browatzki (2002) Mörder Text + Bild Symbolische Ergänzung
07 Nick Cave Henry Lee 03:53 Performance Rock Rocky Schenk (1996) Mörder Text keine Verwendung auf Bildebene
08 Nick Cave Jack The Ripper 03:56 Performance Rock John Hillcoat (1992) Mörder Text + Bild Visualisierung, symbolische Ergänzung
09 Nick Cave Where the wild roses grow 04:43 Narrativ +
Performance Rock Rocky Schenk (1995) Mörder Text + Bild Visualisierung
10 Rockwell Somebody's Watching Me 03:34 Narrativ Dancepop Francis Delia (1984) Mörder Bild + Text Verbildlichung, Narrative
Ergänzung
11 Slayer Bloodline 03:41 Performance Heavy Metal Evan Bernard (2001) Mörder Bild + Text Image, symbolische Ergänzung
12 The Apes Black Tears 02:45 Narrativ Rock Divya Srinivasan (2001) Mörder Bild Symbolische Ergänzung
13 The Bates Billie Jean 04:15 Performance + Narrativ Rock ? (1995) Mörder Bild Narrative Ergänzung
14 The Flesh Compulsion 02:48 Narrativ + Performance Rock Geoff Plauger (?) Mörder Bild Narrative Ergänzung
15 Underminded Lords And Wolves 03:41 Performance + Narrativ Heavy Metal ? (?) Mörder Text keine Verwendung auf
Bildebene
8. Masken und Maskierungen
MUSIKVIDEOCLIP HORROR
Nr. Interpret Titel Dauer Typ Musikgenre Regie (Jahr) Horrormythos (Figur) VC Ebene Visuelle Funktion des
Horrors
01 Bat For Lashes What's A Girl To Do 02:57 Narrativ + Performance Rock Dougal Wilson (2007) Maskierung Bild Symbolische Ergänzung
02 Boondox Red Mist 03:16 Performance + Konzept Rap/HipHop ? (2006) Maskierung Bild+ Text Image
03 Boondox They Pray With Snakes 04:09 Performance + Narrativ Rap/HipHop Violent J (2006) Maskierung Bild Image
04 Insane Clown Posse Halls of Illusion 03:44 Performance + Narrativ Rap/HipHop Kevin Kerslake
(1997) Maskierung Bild Image
05 Insane Clown Posse Tilt-A-Whirl 04:08 Performance + Narrativ Rap/HipHop Marc Klasfeld (2000) Maskierung Bild + Text Image
06 Insane Clown Posse Piggy Pie 04:02 Performance Rap/HipHop ? (?) Maskierung Bild Image
07 Klobbermeister Screwed Up In Detox 03:08 Performance Rock Brian Rainey and Will Purcell (?) Maskierung Bild Image
08 MC Basstard Fegefeuer 03:18 Performance + Narrativ Rap/HipHop ? (2003) Maskierung Bild + Text Image
09 Mudvayne Dig 03:17 Performance Heavy Metal Thomas Mignone (2001) Maskierung Bild Image
10 Slipknot Duality 03:34 Performance + Narrativ Heavy Metal Tony Petrossian & M.
Shawn Crahan (2004) Maskierung Bild + (Ton ?) Image
11 Slipknot Left Behind 03:38 Narrativ + Performance Heavy Metal David Meyers (2001) Maskierung Bild + (Ton ?) Image
12 Slipknot Spit It Out 02:59 Performance + Narrativ Heavy Metal Thomas Mignone
(2000) Maskierung Bild + (Ton ?) Image
13 Slipknot Wait And Bleed 03:08 Performance Heavy Metal Thomas Mignone (2000) Maskierung Bild + (Ton ?) Image
14 The Ghastly Ones Haulin' Hearse 02:25 Performance + Narrative Rock Baron Shivers (?) Maskierung Bild + Ton Image
9. Albtraum
MUSIKVIDEOCLIP HORROR
Nr. Interpret Titel Dauer Typ Musikgenre Regie (Jahr) Horrormythos (Figur) VC Ebene Visuelle Funktion des
Horrors
01 Aiden Knife Blood Nightmare 03:16 Performance + Narrativ Rock ? (2005) Albtraum Bild + Text Symbolische Ergänzung
02 Backstreet Boys Everybody (Backstreet's Back) 04:45 Perfomance +
Narrativ Dancepop Joseph Kahn (1997) Albtraum Bild Narrative Ergänzung
03 Billy Talent Devil In A Midnight Mass 03:29 Performance + Narrativ Rock Sean Michael Turrell
(2006) Albtraum Bild + Text Narrative Ergänzung
04 Gravediggaz Diary Of A Madman 04:05 Performance + Narrativ Rap/HipHop Hype Williams (?) Albtraum Bild + Text keine Verwendung auf
Bildebene
05 King Gordy Nightmares 03:40 Performance + Narrativ Rap/HipHop Bill Fishman (2004) Albtraum Bild Narrative Ergänzung,
Verbildlichung
06 Kyuss Demon Cleaner 04:41 Narrativ + Konzept Rock ? (1994) Albtraum Bild Symbolische Ergänzung
07 Metallica Enter Sandman 05:31 Performance + Narrativ Heavy Metal Wayne Isham (1991) Albtraum Bild + Text Symbolische Ergänzung
08 The Cure Lullaby 04:08 Performance Rock Tim Pope (1989) Albtraum Bild + Text Image
136 insgesamt kursiv = doppelt oder mehrfach kategorisiert und nur einmal gezählt