»Lukas« – die Einleitungsfragen · tersemester 2014/2015 angekündigten Hauptseminars zeigt:...

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»Lukas« – die Einleitungsfragen § Der Verfasser des lukanischen Doppelwerks I ch gehe im folgenden davon aus, daß das von uns so genannte Lukas- evangelium und die Apostelgeschichte aus der Feder ein und desselben Verfassers stammen. Dies geht im übrigen schon aus den Proömien der beiden Bücher hervor, denen wir uns dann gleich noch etwas genauer zuwenden werden. Den Verfasser dieser beiden Schriften nenne ich mit der kirchlichen Tradition »Lukas«, ohne damit eine Vorentscheidung hin- sichtlich der Identität dieses Mannes zu treen. a) Der neutestamentliche Befund D as Problem der Identität des Verfassers des lukanischen Doppel- werkes hat dieser insofern sich selbst zuzuschreiben, als er seinen Namen weder im Proömium des Evangeliums noch im Proömium der Apostelgeschichte nennt. Dem Theophilos, dem Widmungsempfänger, war er natürlich bekannt, uns Späteren dagegen nicht. Die kirchliche Tra- dition nennt Lukas als den Verfasser und meint damit einen Mitarbeiter des Paulus, den dieser im Brief an Philemon erwähnt: Phlm σπζετα σε Επαφρ συναιχλωτ ου ν Χριστ Ιησο, Μρκο, ρσταρχο, Δη, Λουκ, ο συνεργο ου. „Es grüßt dich Epaphra . s, mein Mitgefangener in Christus Jesus, (sowie) Markus, Ari . starchos, Dema . s, Luka . s, meine Mitarbeiter“ (Phlm ). Grundlage der Ausführungen in diesem Kapitel ist das Pendant aus meiner Vor- lesung zur Apostelgeschichte, die ich verschiedentlich, zweimal auch in Erlangen, ge- halten habe. Die Erlanger Fassung ist dokumentiert unter http://www.die-apo- stelgeschichte.de/lehrveranstaltungen/vorlesung/vorlesung.html (hier findet man die frühere Fassung dieser Überlegungen im Kapitel Titelei auf den Seiten xi bis xlvi). Diese Annahme ist nicht selbstverständlich, wie der Titel meines für das Win- tersemester / angekündigten Hauptseminars zeigt: „Ein und derselbe Lukas? Stammt die Apostelgeschichte wirklich vom Verfasser des Lukasevangeliums?“

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Lukas die Einleitungsfragen

Der Verfasser des lukanischen Doppelwerks

Ich gehe im folgenden davon aus, da das von uns so genannte Lukas-evangelium und die Apostelgeschichte aus der Feder ein und desselbenVerfassers stammen. Dies geht im brigen schon aus den Promien derbeiden Bcher hervor, denen wir uns dann gleich noch etwas genauerzuwenden werden. Den Verfasser dieser beiden Schriften nenne ich mitder kirchlichen Tradition Lukas, ohne damit eine Vorentscheidung hin-sichtlich der Identitt dieses Mannes zu treffen.

a) Der neutestamentliche Befund

Das Problem der Identitt des Verfassers des lukanischen Doppel-werkes hat dieser insofern sich selbst zuzuschreiben, als er seinenNamen weder im Promium des Evangeliums noch im Promium derApostelgeschichte nennt. Dem Theophilos, dem Widmungsempfnger,war er natrlich bekannt, uns Spteren dagegen nicht. Die kirchliche Tra-dition nennt Lukas als den Verfasser und meint damit einen Mitarbeiterdes Paulus, den dieser im Brief an Philemon erwhnt: Phlm

,, , , , .

Es grt dich Epaphra.s, mein Mitgefangener in Christus Jesus,(sowie) Markus, Ari.starchos, Dema.s, Luka.s, meine Mitarbeiter

(Phlm ).

Grundlage der Ausfhrungen in diesem Kapitel ist das Pendant aus meiner Vor-lesung zur Apostelgeschichte, die ich verschiedentlich, zweimal auch in Erlangen, ge-halten habe. Die Erlanger Fassung ist dokumentiert unter http://www.die-apo-stelgeschichte.de/lehrveranstaltungen/vorlesung/vorlesung.html (hierfindet man die frhere Fassung dieser berlegungen im Kapitel Titelei auf den Seitenxi bis xlvi).

Diese Annahme ist nicht selbstverstndlich, wie der Titel meines fr das Win-tersemester / angekndigten Hauptseminars zeigt: Ein und derselbe Lukas?Stammt die Apostelgeschichte wirklich vom Verfasser des Lukasevangeliums?

Lukas die Einleitungsfragen

EineKol , zustzliche Information bietet der deuteropaulinische Kolosser-brief, wo es an entsprechender Stelle in , heit:

.

Es grt euch Lukas, der geliebte Arzt, und Dema.s.

Lukas ist demzufolge ein Mitarbeiter des Paulus,Lukas, der Arztund Mitarbeiter

des Paulus

ein beraus geschtzterMitarbeiter, der von Beruf Arzt ist. Diese einigermaen mageren Datenhat die kirchliche Tradition erweitert und miteinander kombiniert.

b) Die kirchliche Tradition

Bei den Autoren im zweiten Jahrhundert fehlen Zeugnisse ber Lu-kas. Das lteste Kanonsverzeichnis der sogenannte Canon Murato-ri, um n.Chr. berichtet folgendes:

tertio euangelii librum secando lucanlucas iste medicus post acensum .

cum eo paulus quasi ut iuris studiosumsecundum adsumsisset numeni suoex opinione concriset d

n

m

tamen nec ipseduidit in carne et idem pro asequi potuit.

ita et ad natiuitate iohannis incipet dicere. [Z. ] Acta autem omnium apostolorum

sub unu libro scribta sunt lucas obtime theofi-le conprindit quia sub praesentia eius singulagerebantur sicuti et semote passionem petri

euidenter declarat sed profectionem pauli au ur-bes ad spaniam proficescentis. [Z. ]

Noch genauere Informationen hinsichtlich der hier genannten Mitarbeiter desPaulus finden sich in Tim ,, wo v. auch Lukas noch einmal erwhnt wird.

Eine besondere Interpretation dieser Passagen bietet Adolf Harnack: Da unterdem Namen Lukas, der an dem dritten Evangelium und der Apostelgeschichte haf-tet, der in den paulinischen Briefen erwhnte Lukas zu verstehen ist, ist nie bezwei-felt worden. Nach diesen Briefen (Koloss. , ; Philem. ; II Tim. ,) war er ) eingeborener Hellene, ) Arzt, ) Begleiter des Paulus, ) Mitarbeiter des Paulus. (AdolfHarnack: Lukas der Arzt, der Verfasser des dritten Evangeliums und der Apostelge-schichte, Beitrge zur Einleitung in das Neue Testament I, Leipzig , S. .)

Methodisch bedenklich dabei ist, da Harnack die vier Briefe auf eine Ebene stelltund die in ihnen gebotenen Informationen einfach addiert.

Die einschlgigen Quellen sind zusammengestellt bei Henry J. Cadbury: The Tra-dition, in: The Beginnings of Christianity. Part I: The Acts of the Apostles, hg.v. F.J.Foakes Jackson und Kirsopp Lake, Vol. II: Prolegomena II. Criticism, London ,S. .

Der Verfasser des lukanischen Doppelwerks

Das dritte Buch des Evangeliums nach Lukas.Dieser Arzt Lukas hat es nach Christi Himmelfahrt,

da ihn Paulus als der Schrift Kundigenherangezogen hatte, unter seinem Namennach dessen Meinung verfat. Doch hat auch er den Herrn nichtim Fleische gesehen, und daher beginnt er so, wie es ihm erreichbar

war, auch von der Geburt des Johannes an zu erzhlen. [Z. ] Die Taten aller Apostel aber

sind in einem Buche geschrieben. Lukas fat fr den besten Theo-philus

zusammen, was in seiner Gegenwart im einzelnengeschehen ist, wie er das auch durch Fortlassen des Leidens des Pe-

trus einsichtig klar macht, ebenso durch (das Weglassen) der Reise des

Paulus, der sich vonder Stadt (Rom) nach Spanien begab. [Z. ]

Hier haben wir die Ansicht der kirchlichen Tradition vor uns: Der Ver-fasser des lukanischen Doppelwerkes ist der bekannte Reisebegleiter desPaulus, Lukas der Arzt.

Daneben sind einige Besonderheiten festzustellen: Merkwrdig ist dieZeitbestimmung in Z. , wonach Lukas sein Evangelium post acensum (Christou. ) verfat habe. Damit kann ersichtlich nicht gemeintsein, da Lukas sogleich nach der Himmelfahrt Christi zur Feder ge-griffen htte (das machen die folgenden Aussagen klar). Als allgemeinerterminus post quem ist diese Datierung aber andrerseits ziemlich trivial.Da Lukas nicht ein Augenzeuge gewesen ist, sagt er selbst in seinemPromium, und dies rumt auch der Canon Muratori ein. Umso engerwird die Verbindung zu Paulus geknpft: Lukas schreibt sein Evangeli-um zwar nicht im Namen des Paulus, aber ex opinione des Paulus, d.h.nach dessen Auffassung. Somit ist das Evangelium des Lukas gleichsamdas paulinische Evangelium.

Fr uns sind die Angaben zur Apostelgeschichte von besonderem In-teresse: War Lukas zwar nicht Augenzeuge des Lebens Jesu, so kann erdoch in seinem zweiten Buch Dinge berichten, die sich sub praesentia ei-us ereignet haben syntaktisch zielt das eius auf den besten Theophilos,

bersetzung von Wilhelm Schneemelcher: Der Canon Muratori, in: Neutesta-mentliche Apokryphen in deutscher bersetzung, hg.v. Wilhelm Schneemelcher.I. Band: Evangelien, Tbingen , S. ; hier S. .

Lukas die Einleitungsfragen

aber prsent ist nicht dieser gewesen, sondern Lukas. Die abschlieendenAussagen hinsichtlich des Leidens des Petrus und der Reise des Paulusnach Spanien sind wohl im Sinne eines terminus ad quem gemeint. DerCanon Muratori ist anscheinend der Auffassung, Lukas habe die Apostel-geschichte vor dem Martyrium des Petrus und vor der Reise des Paulusnach Spanien abgeschlossen.

ZusammenfassendZusammen-fassung:

Canon Muratori

kann man daher sagen, da es Phnomene und Aus-sagen des Evangeliums und der Apostelgeschichte selbst sind, aus denender Canon Muratori seine Schlsse gezogen hat. Nirgendwo stoen wirauf eine Tradition, die unabhngig davon wre.

* * *

Irenus von Lyon bietet die folgende Nachricht hinsichtlich des Verfas-sers des dritten Evangeliums: et Lucas autem sectator Pauli, quod ab illopraedicabatur evangelium in libro condidit. Hier haben wir also ebenfallsdie These, Lukas sei der Reisebegleiter des Paulus gewesen, verbundenmit der romantischen Vorstellung, da sein Evangelium aus den Lehrvor-trgen des Paulus herausgewachsen sei. Eine eingehende Begrndung frdie Verbindung zwischen Paulus und Lukas liefert Irenus dann in III .Lukas wird hier als von Paulus unzertrennlich bezeichnet und zur Be-grndung auf die Darstellung der Apostelgeschichte verwiesen: quoniamautem is Lucas inseparabilis fuit a Paulo, et cooperarius eius in evangelio,ipse facit manifestum, non glorians, sed ab ipsa productus veritate (III ,).

Die Reise des Paulus nach Spanien ist vermutlich aus den einschlgigen Passagendes Rmerbriefs erschlossen (Rm , und ). Ob der historische Paulus wirklichnach Spanien gekommen ist, brauchen wir in diesem Zusammenhang nicht zu bespre-chen.

So auch Cadbury, a.a.O., S. : But even in the earliest Christian records thetreatment of authorship and kindred topics is evidently based primarily on variouswords and phrases of Scripture selected, combined, interpreted, allegorised, elaboratedand repeated until the very interpretation of them became a fixed tradition.

Die bei Euseb (KG V ) bewahrte griechische Fassung des Satzes lautet: , , ,vgl. Adolf Stieren [Hg.]: Sancti Irenaei Episcopi Lugdunensis . . . Contra omnes haere-ses libri quinque, Bd. I, Leipzig , S. (= III ,).

Stieren, Bd. I, S. . Cadbury bersetzt a.a.O., S. : But that this Luke wasinseparable from Paul and was his fellow-worker in the gospel he himself makes clear,not boasting of it, but compelled to do so by truth itself.

Der Verfasser des lukanischen Doppelwerks

Damit verweist Irenus mit klaren Worten auf seine offenbar einzigeQuelle: die Darstellung der Apostelgeschichte selbst. Schon in der Mit-te des . Jahrhunderts hatte der Bischof von Lyon also keine von derApostelgeschichte unabhngige Tradition ber Lukas mehr zur Verf-gung; d.h. Irenus tut im Prinzip nichts anderes als wir auch: Er versucht,die Frage nach dem Verfasser der Apostelgeschichte aufgrund dieses Bu-ches selbst zu lsen.

Dies geht aus der folgenden Argumentation des Irenus klar hervor. Ernimmt die sogenannten Wir-Passagen der Apostelgeschichte als Beweisdafr in Anspruch, da Lukas den Paulus seit der zweiten Missionsreisebegleitet habe: separatis enim, inquit [Lucas!], a Paulo et Barnaba et Ioan-ne, qui vocabatur Marcus, et quum navigassent Cyprum, nos venimus inTroadem [= Apg ,b: ]; et quum videsset Paulusper somnium virum Macedonem dicentem: veniens in Macedoniam opitu-lare nobis, Paule [= Apg ,: ];statim, ait, quaesivimus proficisci in Macedoniam, intelligentes quoniamprovocavit nos Dominus evangelizare eis [= Apg ,].

Irenus setzt ein bei dem Aufbruch der Missionare in Antiochien, derin Apg , geschildert wird. Hier erfolgt die Trennung von Barna-bas und Johannes, die Irenus zu Beginn unsrer Passage erwhnt. Diesebeiden brechen nach Zypern auf, und nun schlgt die Stunde des Lu-kas (der Abschnitt , sowie v. bleiben auen vor): Wir stiegennach Troas hinab, so zitiert Irenus flschlicherweise den Text von Apg,b und sieht in dem wir den Verfasser Lukas einbegriffen.

Irenus III , (= Stieren I, S. ). Die griechischen Zitate aus der Apostelge-schichte habe ich in das Zitat eingefgt.

Bei Nestle/Aland steht: , sie stiegen hinab nach Troas;vgl. auch den Apparat zur Stelle, wo fr die LA des Irenus kein weiterer Zeuge ge-nannt wird. Hier ist also eigentlich noch nicht der Beginn der Wir-Passage!

Die . Person Plural taucht erstmals in v. auf, wo es heit: .

Ich benutze die Gelegenheit, Sie auf die im Apparat zu dieser Stelle gebuchte Vari-ante aus Irenus eigens hinzuweisen; hier handelt es sich um unsere Irenus-Passage,die wir hier gerade diskutieren. Im Apparat lesen wir: nos venimus Irlat. Diese No-tiz knnen Sie nun verstehen: Die erste Person Plural wird nur von unserm FreundIrenus vertreten und zwar in einer Passage, die nur in der lateinischen bersetzungseines Werkes erhalten ist, nicht im griechischen Original.

Sie knnen an dieser Stelle die Problematik der Kirchenvterzitate im Apparat desNT schn studieren: Erstens wissen wir nicht genau, was nun wirklich im Text desIrenus gestanden hat. Zweitens knnen wir nicht wissen, ob Irenus das Zitat nach-geschlagen hat, oder ob er aus dem Gedchtnis zitiert. In letzterem Fall htte es dannauch zur Zeit des Irenus gar keine Handschrift gegeben, die seine LA bezeugt, die

Lukas die Einleitungsfragen

Lukas begleitet den Paulus also nicht erst von Troas nach Philippi. Mitder Vorverlegung der Wir-Passage zu dem Hinabsteigen nach Troas solloffenbar der Eindruck erweckt werden, Lukas sei nicht erst in Troas zuder Reisegruppe gestoen, sondern er sei von Anfang an (und das heitseit Antiochien) mit Paulus unterwegs gewesen. Diesen Eindruck ver-strkt die Syntax des Satzes, wo durch einen Ablativus absolutus die Tren-nung von Barnabas und Johannes Markus direkt mit dem Hinabstiegnach Troas verbunden wird. In diese Richtung weist schlielich auch dieschon notierte Beobachtung, da Irenus die Ereignisse zwischen Anti-ochien und Troas (Apg ,a) einfach weggelassen hat. So scheint mirein planvolles Vorgehen erkennbar mit dem Ziel, Lukas als Reisebeglei-ter des Paulus von Anfang der . Missionsreise an erscheinen zu lassen.Hauptargument des Irenus also ist der Wechsel von der . Person Pluralzur . Person Plural, dem berhmten wir, nach dem diese Abschnitteder Apostelgeschichte die Wir-Passagen genannt werden. Dieses wirwertet der Bischof von Lyon als Hinweis darauf, da der Verfasser andieser Stelle beansprucht, Augenzeuge des Geschehens gewesen zu sein.

Dies gilt auch fr den zweiten Wir-Bericht (Apg ,ff.), wo Pauluszusammen mit Lukas von Philippi Richtung Jerusalem aufbricht: et iter-um ait: nos autem navigavimus post dies azymorum a Philippis et venimusTroadem, ubi et commorati sumus diebus septem [= Apg ,: , - , ]. et reliqua omnia ex ordine cum Paulo refert, omni diligentiademonstrans et loca et civitates et quantitatem dierum, quoadusque Hieros-olymam ascenderent.

mithin also gar nicht LA genannt zu werden verdiente, da es dann nichts anderes alsein Irrtum wre . . .

Irenus III , (= Stieren I, S. ). Erstaunlich ist hier der exegetische Scharf-sinn des Irenus, der im wesentlichen die These von Dietrich-Alex Koch schon vorweg-nimmt; der Kochschen These zufolge geht dieser sehr przise Bericht auf einen Augen-zeugen, d.h. auf ein Mitglied der Delegation, die die Kollekte nach Jerusalem ber-brachte, zurck (vgl. dazu die Auslegung [die folgenden Angaben beziehen sich nichtauf die vorliegende Lukas-Vorlesung, sondern auf die Apostelgeschichte-Vorlesung,der dieses Kapitel entnommen ist, vgl. oben, Anm. ], S. , und den dort inAnm. genannten Kochschen Aufsatz: Kollektenbericht, Wir-Bericht und Itinerar.Neue [?] berlegungen zu einem alten Problem, NTS [], S. ).

Zu den sogenannten Wir-Berichten in der Apostelgeschichte vgl. die Studie vonJens Brstinghaus: Sturmfahrt und Schiffbruch. Zur lukanischen Verwendung einesliterarischen Topos in Apostelgeschichte ,,, WUNT II , Tbingen ,S. . Brstinghaus fhrt die oben zitierte These von Koch weiter und behandeltalle Wir-Berichte der Apostelgeschichte.

Der Verfasser des lukanischen Doppelwerks

Alles, was Lukas zusammen mit Paulus erlebt hat, berichtet er der Rei-he nach, vom Aufbruch in Philippi bis hin nach Jerusalem. Irenus be-scheinigt ihm hier ausdrcklich Sorgfalt diligentia hinsichtlich dertopographischen und der chronologischen Angaben. Dies gilt dem Bi-schof von Lyon zufolge nicht nur fr den Weg von Philippi nach Jeru-salem, sondern in gleicher Weise auch fr die Reise von Jerusalem nachRom. Ausdrcklich sagt er: omnibus his quum adesset Lucas, diligenter con-scripsit ea, uti neque mendax neque elatus deprehendi possit, eo quod omniahaec constarent, et seniorem eum esse omnibus qui nunc aliud docent, nequeignorare veritatem.

Fassen wir zusammen: Irenus hattekeine vom

Evangelium bzw.

der Apostelge-

schichte

unabhngigen

Nachrichten

Dieselbe Beobachtung, die wir in bezug auf denCanon Muratori formulierten, trifft auch fr den Bischof von Lyon zu:Auch Irenus hatte keine Quelle unabhngig von dem Text des Evan-geliums und der Apostelgeschichte. Was er hinsichtlich des Verfassersvorbringt, hat er diesen beiden Bchern selbst entnommen. Eine davonunabhngige, selbstndige Tradition haben wir auch bei Irenus nichtfinden knnen.

* * *

Eine kurze Zusammenfassung der kirchlichen Tradition bietet Eusebin seiner Kirchengeschichte: ,

, , ,

, ,

, , ,

Irenus III , (= Stieren I, S. ). Cadbury bersetzt a.a.O., S. : Since Lukehad been present at all these events, he carefully wrote them down, so that he can beconvicted of neither lying nor boasting, because all these things prove both that hewas earlier than all those who now teach otherwise, and that he was not ignorant ofthe truth.

Euseb, KG III , (Kirsopp Lake [Hg.]: Eusebius: The Ecclesiastical Histo-ry with an English Tradition, LCL , Cambridge/London mit vielen Nach-drucken; Text S. , bersetzung S. ).

Lukas die Einleitungsfragen

, .

, .

Luke, who was by race an Antiochianand a physican by profession,was long a companion of Paul,and had careful conversation with the other Apostles,

and in two books left us examples of the medicine for soulswhich he had gained from them the Gospel,which he testifies that he had plannedaccording to the tradition received by him by those

who were from the beginning eyewitnesses and ministers of theword,

all of whom he says, moreover, he had followed from the beginning,and the Acts of the Apostleswhich he composed no longer on the evidence of hearingbut of his own eyes.

And they say that Paul was actually accustomedto quote from Lukes Gospelsince when writing of some Gospel as his own he used to say,According to my Gospel.

Lukas wird hier vorgestellt als Arzt aus Antiochien. Die Herkunft ausAntiochien war bei Irenus hchstens insofern angedeutet worden, alsder Bischof von Lyon die Begleitung des Paulus ab Antiochien behauptethatte. Die Berufsbezeichnung Arzt dagegen geht, wie wir gesehen haben,schon auf das Neue Testament zurck.

Wie berall wird hier bei Euseb der Zusammenhang mit Paulus betont,aber auch mit den andern Aposteln habe Lukas intensiven ( [ou pare. rgos] heit es in , Z. ) Kontakt gepflogen dies ist eineBehauptung, der wir bisher noch nicht begegnet sind. Im Unterschiedzum Evangelium, wo er sich auf das Hrensagen ( [di akoe. s], , Z. ) verlassen mute, ist Lukas bezglich der Ereignisse, die er in

Die Herkunft des Lukas aus Antiochien am Orontes wird im . Jahrhundertnoch vertreten von August Strobel: Lukas der Antiochener, ZNW (), S. .

Mein berhmter Erlanger Vorgnger Theodor Zahn hatte diese These bereits an derWende des . zum . Jahrhundert vertreten, vgl. Theodor Zahn: Einleitung in dasNeue Testament, Zwei Bnde, Leipzig bzw. ; hier Band II, S. .

Der Verfasser des lukanischen Doppelwerks

der Apostelgeschichte schildert, Augenzeuge ( [ophthalmoi.s de. paralabo. n syneta. xato], , Z. ) dies wirdin aller Allgemeinheit behauptet, soll also offenbar von Jerusalem bisRom gelten. Hier hat Euseb den Mund ersichtlich viel zu voll genom-men. Noch Irenus hatte Augenzeugenschaft erst fr die zweite Hlfteder Apostelgeschichte (ab ,) behauptet. Bei Euseb erscheint Lukasdagegen als der Augenzeuge schlechthin. Doch auch dem Evangeliumwird noch eine besondere Auszeichnung zuteil handelt es sich bei demEvangelium des Lukas doch um das paulinische Evangelium. Damit wirdzugleich behauptet, da das Evangelium des Lukas schon zu Lebzeitendes Paulus in schriftlicher Form vorlag auch dies eine beraus khneBehauptung.

Zusammenfassend Bei Euseb istLukas der

antiochenische

Arzt, weithin

Augenzeuge

ergibt sich, da Euseb in allen Punkten weit ber dieBehauptungen des Irenus hinausgeht: Lukas ist fr weite Bereiche selbstAugenzeuge und greift ansonsten auf den Bericht von solchen zurck. Erstammt aus Antiochien und ist von Beruf Arzt. Sein Evangelium ist daspaulinische.

* * *

Ein ganz anderes Zeugnis aus der Zeit der alten Kirchengeschichtemchte ich Ihnen nun abschlieend noch vorstellen. Und zwar han-delt es sich dabei um ein altes Vorwort zum Evangelium des Lukas, wirwrden sagen: um eine Einleitung zum Lukasevangelium:

, ,

Adolf von Harnack: Die ltesten Evangelien-Prologe und die Bildung des NeuenTestaments, SPAW , S. ; jetzt in: ders.: Kleine Schriften zur alten Kirche[II]. Berliner Akademieschriften , Opuscula IX , Leipzig , S. ;hier S. . Der Text ist bequem zugnglich in der Alandschen Synopse, S. (KurtAland [Hg.]: Synopsis quattuor evangeliorum locis parallelis evangeliorum apocrypho-rum et patrum adhibitis, Stuttgart ).

An der Herkunft des Lukas aus Antiochien wird von einigen bis heute festgehalten.August Strobel zufolge ist die Aussage ber die antiochenische Herkunft des Lukasohne Zweifel beachtlich alt und sie kann nicht einfach als wertlos abgetan werden(August Strobel, a.[Anm. ]a.O., S. ).

Peder Borgen: Philo, Luke and Geography, in: ders.: Philo, John and Paul. NewPerspectives on Judaism and Early Christianity, BJSt , Atlanta , S. ,bringt Argumente, die fr Ephesos als den Abfassungsort des lukanischen Werkessprechen, dagegen siehe die Auslegung der Vorlesung ber die Apostelgeschichte (vgl.oben Anm. ), S. sowie S. .

Lukas die Einleitungsfragen

, ,, , , .

Es ist Lukas ein Antiochener, ein Syrer,Arzt von Beruf,ein Schler von Aposteln;er folgte spter dem Paulus nach

bis zu dessen Martyrium;er diente dem Herrn unbeirrt;er war ohne Frau, ohne Kind;mit Jahren entschlief er in Boiotien,voll des Heiligen Geistes.

Schon bekannt sind uns die Herkunft des Lukas aus Antiochien, dieBerufsangabe Arzt findet sich sogar schon im Neuen Testament. Neuhingegen sind hier die biographischen Angaben im engeren Sinn: Lukaswar demzufolge unverheiratet und ohne Kinder. Er erreichte ein Lebens-alter von Jahren und starb in Boiotien. Die Jahre sind vielleicht ausder Angabe der Jahre der Anna in Luk , herausgesponnen. Fr eineWirksamkeit in Boiotien gibt es im lukanischen Doppelwerk allerdingsberhaupt keinen Anhaltspunkt.

* * *

Wenn wir nun zum SchluAuswertung die besprochenen Zeugnisse noch ein-mal Revue passieren lassen, so drngen sich folgende Beobachtun-gen auf:

() Schon im zweiten Jahrhundert existierte offenbar keine von demlukanischen Doppelwerk unabhngige Tradition ber seinen Verfassermehr.

() Daneben ziehen die patristischen Autoren die einschlgigen Stellenaus dem Corpus Paulinum zur Rekonstruktion heran.

Das heit ganz kurz zusammengefat: Die Autoren der alten Kir-che wuten ber Lukas und sein Werk auch nur das, was sie diesem und

Auf den Zusammenhang mit Anna macht Cadbury, a.a.O., S. , aufmerksam. Selbst Theodor Zahn, a.(Anm. )a.O., Band II, S. , hlt unseren Text fr eine

Legende und sieht von einer historischen Auswertung vllig ab. So hnlich auch Cadbury, S. : . . . much which is called external tradition

may be neither external nor tradition, but the earliest statement of the internal evi-dence interpreted in the light of a canonicity which had been already conceded.

Der Verfasser des lukanischen Doppelwerks

den Schriften des Paulus entnehmen zu knnen glaubten. Ihr Zeugnishat in dieser Hinsicht also keinen eigenstndigen Wert. Sie waren in der-selben Situation wie wir und hatten uns in bezug auf Lukas berhauptnichts voraus, wenn man einmal davon absieht, da das Griechische ihreMuttersprache war allerdings ein Vorteil, den wir nie einholen knnenwerden.

Daher komme ich zu dem Schlu, da wir fr Aussagen ber den Au-tor des lukanischen Doppelwerkes auf dieses selbst angewiesen sind. Wirwerden uns daher im folgenden mit dem Promium des Evangeliums(Luk ,) befassen, um diesen Text danach zu befragen, was wir ihmin bezug auf ihren Autor entnehmen knnen. Im Unterschied zu seinenEvangelistenkollegen verrt uns Lukas nmlich etwas ber sich und seineAbsichten.

c) Das Promium des Evangeliums (Luk ,)

Der Vorteil der ans Ende der Vorlesung gestellten Einleitungsfragenist, da man die interpretierten Texte hier nun schon voraussetzenkann. Mit dem Promium des Lukas haben wir uns zu Beginn dieserVorlesung ausgiebig befat, und so mag es hier gengen, die zusam-menfassenden Schlubemerkungen noch einmal zu wiederholen.

Lukas ist wie wir gesehen haben der erste und fr lange Zeit dereinzige Christ, den man mit einem gewissen Recht Geschichtsschreibernennen kann. Zwar gibt es neben seinem Doppelwerk dem Lukas-evangelium und der Apostelgeschichte noch drei andere Schriften imNeuen Testament, die man in einem weiteren Sinn der Geschichtsschrei-bung zuordnen knnte: Das Markusevangelium, das Matthusevangeli-um und das Johannesevangelium aber zunchst und vor allem denktman an Lukas und an sein Werk, wenn von Geschichtsschreibung imNeuen Testament die Rede ist. Die besondere Leistung des Lukas be-steht darin, da er nicht nur wie die anderen Evangelien die ZeitJesu darstellt. Im Unterschied zu seinen Evangelistenkollegen lt Lukasauf sein Evangelium ein zweites Werk folgen, in dem er die frhe Zeit

Vgl. oben den Paragraphen ! Ich kann im Rahmen dieser Einleitung auf die Frage nach der Gattung der

Apostelgeschichte nicht eigens eingehen; vgl. dazu zuletzt Bernhard Heininger: DasPaulusbild der Apostelgeschichte und die antike Biographie, in: Die griechische Biogra-phie in hellenistischer Zeit. Akten des internationalen Kongresses vom .. Juli in Wrzburg, hg.v. Michael Erler und Stefan Schorn, Beitrge zur Altertums-kunde , Mnchen , S. .

Lukas die Einleitungsfragen

der Kirche schildert. Damit ist Lukas im wahrsten Sinn des Wortes dererste Kirchengeschichtsschreiber und auf Jahrhunderte hinaus der einzi-ge. Den zweiten Versuch in diese Richtung sollte erst Euseb im Zeitalterdes Kaisers Konstantin unternehmen, rund Jahre nach Lukas.

ber Absicht und Ziel seines Werkes uert sich Lukas selbst am An-fang seines Evangeliums. Ich fasse die Ergebnisse kurz zusammen.

() Lukas ist nicht der erste, der einen solchen Versuch macht: Er stehtseinerseits schon in einer gewissen Tradition. Dies wird deutlich, wenn ersagt: Nachdem schon viele den Versuch gemacht haben, eine Erzhlungzusammenzustellen . . . . Zugleich ist klar, da Lukas diese Versuche sei-ner Vorgnger nicht fr geglckt hlt; wre das anders, bruchte er sichselbst nicht auch noch die Mhe machen, eine solche Erzhlung zu-sammenzustellen. Er unternimmt einen neuen Versuch, um die seinerMeinung nach unzulnglichen Darstellungen seiner Vorgnger zu ergn-zen, ja vielleicht sogar: zu ersetzen.

() Auch die Vorgnger des Lukas sind nicht selbst Augenzeugen undDiener des Wortes von Anfang an gewesen: Vielmehr greifen schon die-se Vorgnger des Lukas auf das zurck, was die Augenzeugen (mndlich)berliefert haben. D.h. Lukas gibt sich hier als Mann der dritten Genera-tion zu erkennen: Die erste Generation, das sind die Augenzeugen undDiener des Wortes von Anfang an; von denen wird zur Zeit des Lu-kas kaum mehr einer am Leben gewesen sein, sie sind zum Teil schonvor lngerer Zeit gestorben. Die zweite Generation, das sind die vielenVorgnger des Lukas, die ihrerseits auf das von den Augenzeugen ber-lieferte zurckgreifen.Lukas als ein

Mann der

dritten

Generation

Lukas selbst gehrt der dritten Generation an. Erwird gegen Ende des ersten Jahrhunderts anzusetzen sein, man kann seinWerk mit aller gebotenen Vorsicht um nach Christus datieren.

() Lukas hat selbstndige Forschungen angestellt, die das gesamte Ge-schehen von Anfang an umfassen. Vor allem fr sein zweites Werk, dieApostelgeschichte, waren solche Forschungen gar nicht zu umgehen, dennnie hatte sich jemand ber die Geschichte der Kirche Gedanken gemacht,bevor Lukas auf die Idee kam, auch sie zum Gegenstand einer geschicht-lichen Darstellung zu machen. Aber auch in seinem Evangelium hat ersich nicht einfach auf seine Vorgnger verlassen, sondern er hat selbstMaterial gesammelt, das ber diese Vorgnger weit hinausfhrt. Dies

Hegesipp kommt als Nachfolger nicht wirklich in Frage.

. Die Datierung des lukanischen Doppelwerkes

wird schon gleich zu Beginn an den Kapiteln und seines Evangeliumsdeutlich.

() Sein Ziel formuliert Lukas dahingehend, da er alles Stck frStck aufschreiben will, was er erforscht hat, um damit den Christen imallgemeinen und dem Theophilos im besonderen eine solide Grundlagezu bieten.

In seinen beiden Bchern gibt uns Lukas eine Darstellung vom Anfangdes Weges Jesu bis zum Ende des Paulus in Rom, eine Darstellung, dieeinen Zeitraum von ungefhr Jahren umspannt. Und wir knnenuns glcklich schtzen, diese Darstellung des Lukas zu besitzen. Ohnesie wten wir ber die frhe Kirchengeschichte sehr viel weniger.

Eduard Meyer ist zuzustimmen: Unter den geschichtlichen Schrif-ten des Urchristentums, von denen uns ein ansehnlicher Teil im NeuenTestament erhalten ist, steht das Geschichtswerk des Lukas gesondert frsich allein da, im Gegensatz gegen alle andern.

Wir haben gesehen, da das Spezifikum des lukanischen Doppelwerksin seinem zweiten Teil der Apostelgeschichte liegt. Eduard Meyerspitzt diese Feststellung zu, wenn er sagt: Erst dadurch gelangt . . . derfundamentale Unterschied zum Bewutsein, da, whrend die Evangeli-en sich auf die Geschichte des Christus beschrnken und auf die weite-re Entwicklung, die Ausbreitung der Lehre, hchstens in prophetischenVerkndungen einen Blick werfen, Lukas diese als einen wesentlichenTeil der Heilsgeschichte, als die notwendige Ergnzung der WirksamkeitJesu auf Erden betrachtet. Ja man wird sagen drfen, da der eigentli-che Anreiz zu seinem Werk eben in diesem zweiten Teil gelegen hat under den ersten eigentlich nur als die dafr unentbehrliche Voraussetzungaufgenommen hat.

. Die Datierung des lukanischen Doppelwerkes

Wir haben gesehen, da Lukas zwar ein (ane. r Make-do. n), aber mit groer Wahrscheinlichkeit nicht ein Reisebegleiterdes Paulus gewesen ist. Er gibt sich in seinem Promium (Luk ,)vielmehr als ein Mann der dritten Generation zu erkennen: Die erste

Eduard Meyer: Ursprung und Anfnge des Christentums. Bd. I: Die Evangelien,Stuttgart und Berlin , S. .

Eduard Meyer, a.a.O., S. . Dies bezieht sich auf die Apostelgeschichte-Vorlesung; wir kommen darauf noch

des nheren zurck!

Lukas die Einleitungsfragen

Generation, das waren die Augenzeugen und Diener des Wortes, vondenen er in v. spricht. Die zweite Generation, das waren die vielenVorgnger, auf die er zurckblickt, und deren Werke er bertreffen will.Damit sind wir von vornherein auf das letzte Drittel des . Jahrhundertsgewiesen, was die Frage der Datierung angeht. Folgende Grnde kannman darber hinaus noch fr diese Ansetzung anfhren:

() Die Darstellung des Lukas reicht bis zum zweijhrigen Aufenthaltdes Paulus in Rom (Apg ,); in v. heit es ausdrcklich: - (ene.meinen de. dieti.an ho. len enidi. o mistho. mati) er blieb aber eine volle Periode von zwei Jahren ineiner eigenen Mietwohnung. Dieser Romaufenthalt ist mithin der ter-minus a quo, den uns das Werk des Lukas selbst vorgibt. Er fllt in dieRegierungszeit des Kaisers Nero ( n.Chr.). Wahrscheinlich ist Pau-lus eines der christlichen Opfer im Anschlu an den Brand Roms imJahr n.Chr. geworden. Lukas wei vom Tod des Paulus (vgl. Apg,; ,; ,), aber er berichtet ihn nicht, um den Schlu seinesWerkes (Apg ,) nicht zu gefhrden.

Somit knnen wir als erstes Zwischenergebnis festhalten: Das lukani-sche Doppelwerk ist auf jeden Fall nach n.Chr. entstanden.

() Lukas hat als Quelle fr sein erstes Buch unter anderem das Mar-kusevangelium benutzt. Damit ist die Entstehung dieses Evangeliumsein weiterer terminus a quo fr das lukanische Doppelwerk. Wir rckendamit fnf Jahre weiter vorwrts, d.h. vom soeben besprochenen Jahr n.Chr. bis kurz vor n.Chr. sagen wir, um eine Zahl zu nennen: n.Chr. Denn frher kann man das Markusevangelium schwerlich anset-zen, wie wir sogleich sehen werden.

Somit knnen wir als zweites Zwischenergebnis festhalten: Das lukani-sche Doppelwerk ist auf jeden Fall nach dem Markusevangelium ( n.Chr.)entstanden.

() Das Sondergut, das Lukas in seinem Evangelium verwendet, blickt, bereits auf das Geschehen der Zerstrung Jerusalems zurck.

Damals haben wir gesehen, da hier ein vaticinium ex eventu vorliegt.Anders ist die detaillierte Schilderung in fnf Punkten nicht interpre-

Vgl. dazu die mehrfach erwhnte Auslegung der Apostelgeschichte, die im Netzverfgbar ist, S. .

Zum Tod des Paulus und seiner Datierung vgl. die Auslegung, S. . Wir haben uns bei der Auslegung des Lukasevangeliums mit dieser Passage ein-

gehender befat, vgl. dazu oben Seite bis Seite den Abschnitt Jesus weint berJerusalem (Luk ,).

. Die Datierung des lukanischen Doppelwerkes

tierbar. Bei Markus , haben wir eine historisch mgliche Voraussagedes Untergangs Jerusalems (daher kann man Markus auch vor datie-ren). Das lukanische Sondergut, das Lukas in , benutzt, blickthingegen auf die Eroberung Jerusalems durch die Rmer zurck, ist al-so nach anzusetzen. Damit verschiebt sich der terminus a quo fr dieDatierung des lukanischen Doppelwerks erneut; leider kann man hieraber keine konkrete Anzahl von Jahren nennen. Wenn wir mit knapp Jahren operieren eine zugegebenermaen hypothetische Zahl , kmenwir auf n.Chr.

Somit knnen wir als drittes Zwischenergebnis festhalten: Setzt schondas lukanische Sondergut in , die Zerstrung Jerusalems voraus, kn-nen wir Lukas selbst frhestens auf ungefhr n.Chr. datieren.

() Die optimistische Haltung des Lukas hinsichtlich eines modus vi-vendi mit den rmischen Behrden ntigt uns, das lukanische Doppel-werk vor der Regierungszeit des Kaisers Trajan anzusetzen (Trajan regiert n.Chr.). Wie die Korrespondenz des Plinius mit Trajan zeigt, ha-ben wir sptestens jetzt mit zahlreichen christlichen Mrtyrern zu rech-nen. Die Briefe des Polykarp besttigen dies insbesondere fr Philippi,die Heimat des Lukas (wie wir noch sehen werden).

Plinius berichtet dem Trajan folgendes:

interim, in iis, qui ad me tamquam Vorerst habe ich bei denen, die beiChristiani deferebantur, hunc sum se- mir als Christen angezeigt wurden,cutus modum. folgendes Verfahren angewandt. interrogavi ipsos, an essent Chri- Ich habe sie gefragt, ob sie Chri-stiani. confitentes iterum ac tertio in- sten seien. Wer gestand, den ha-terrogavi supplicium minatus; perse- be ich unter Androhung der Todes-verantes duci iussi. neque enim dubi- strafe ein zweites und drittes Maltabam, qualecumque esset, quod fate- gefragt; blieb er dabei, lie ich ihnrentur, pertinaciam certe et inflexibi- abfhren. Denn mochten sie vor-lem obstinationem debere puniri. bringen, was sie wollten Eigen-

sinn und unbeugsame Halsstarrig-

Plinius: Epistulae X das Schreiben des Plinius an den Kaiser Trajan und X die Antwort des Kaisers Trajan.

Vgl. dazu Peter Pilhofer: Philippi, Band I. Die erste christliche Gemeinde Europas,WUNT , Tbingen , S. . Datiert man mit Philippi I den zweitenBrief des Polykarp allerdings erst in die Zeit des Hadrian (/ n.Chr. wird ebd.vorgeschlagen; die Teilung und gegebenenfallsige Datierung der beiden Teilbriefe desPolykarp sind in der Forschung umstritten), dann kann man die Mrtyrer in Philippiim obigen Zusammenhang nicht als Argument anfhren!

Lukas die Einleitungsfragen

keit glaubte ich auf jeden Fall be-strafen zu mssen.

Dieses Verfahren, das der Statthalter von Bithynien und Pontos seinemKaiser schildert, setzt voraus, da das Christsein zu dieser Zeit bereits alssolches ein todeswrdiges Verbrechen ist. Lukas kann daher unmglichin der Regierungszeit dieses Kaisers Trajan geschrieben haben.

Somit knnen wir als viertes Zwischenergebnis festhalten: Das lukani-sche Doppelwerk ist auf jeden Fall vor der Regierungszeit des Trajan anzu-setzen.

InsgesamtResultat: Lukasschreibt um

ergibt sich daraus dann ein Zeitraum zwischen dem Anfangder er Jahre und dem Ende der er Jahre des ersten Jahrhunderts.Abgekrzt sagen wir: um .

. Die Quellen des lukanischen Doppelwerkes

Nichts knnte unterschiedlicher sein als die Festlegung der Quellenin den beiden Bchern des lukanischen Doppelwerkes. Im erstenBuch lassen sie sich gleichsam von Vers zu Vers exakt angeben, im zwei-ten Buch tappen wir weitgehend im Dunkeln und sind durchweg aufmehr oder weniger plausible Vermutungen angewiesen.

a) Das Lukasevangelium

Wir behandeln in aller Krze das erste Buch. Drei Quellen sind es, diewir noch erreichen knnen: Mk, Q und LukS.

Die erste dieser Quellen der erste der Vielen, von denen in Luk, die Rede war, ist uns aus dem Neuen Testament bekannt: Es istdas Markusevangelium, das wir in unserem Neuen Testament als zwei-tes Buch finden. Dieses Markusevangelium hat Lukas fr seine eigene

Einzelheiten zum Text und zur bersetzung in meinem Aufsatz: Die konomi-sche Attraktivitt frher christlicher Gemeinden, in: Peter Pilhofer: Die frhen Chri-sten und ihre Welt. Greifswalder Aufstze . Mit Beitrgen von Jens Br-stinghaus und Eva Ebel, WUNT , Tbingen , S. ; hier S. .

In meinem roten Buch (vgl. dazu oben S. mit Anm. ) findet sich Text, ber-setzung und Diskussion dieses wichtigen Textes S. ; hier auch die wichtigsteLiteratur zu diesem Thema.

Vgl. dazu die Ausfhrungen im Rahmen der Auslegung des Promiums des Lu-kas oben in Paragraph .

. Die Quellen des lukanischen Doppelwerkes

Darstellung als Leitfaden zugrundegelegt. So ist es mglich, das Markus-evangelium Vers fr Vers, Abschnitt fr Abschnitt, Kapitel fr Kapitelmit Lukas zu vergleichen, um festzustellen, was Lukas aus dieser seinerVorlage gemacht hat.

Die zweite Quelle, die man abgekrzt als Q bezeichnet, heit in derFachsprache Spruchquelle oder Logienquelle das ist ein Buch, daszum grten Teil aus Logien, d.h. aus Worten Jesu bestand. Das BuchQ ist heute nicht mehr erhalten, es wurde durch die groen Evangeliendes Matthus und des Lukas berholt und berflssig. Deswegen wurdees dann nicht mehr abgeschrieben. Man kann den Text dieses Buchesaber durch einen Vergleich von Matthus und Lukas wiedergewinnen.Lukas hat dieses Buch blockweise in seine Darstellung eingefgt, wie esihm angemessen erschien. Dabei hat er aber hier wie auch im Falle desMarkus die Reihenfolge der Stcke im wesentlichen bestehen lassen, soda wir auch ber die Abfolge der einzelnen Q-Passagen recht gut imBilde sind.

Die dritte Quelle des Lukas dagegen ist eine etwas ungewissere Gre,gemeint ist damit das sogenannte lukanische Sondergut, LukS. Im Un-terschied zum Markusevangelium und zur Logienquelle lag dieses Son-dergut dem Lukas nicht als Buch vor; diese Stcke sind vielmehr demSammlerflei des Forschers Lukas zu verdanken. Dabei ist es gerade die-ses Sondergut, das auf weite Strecken dem Evangelium des Lukas seinbesonderes Geprge gibt: Denken Sie etwa an die Weihnachtsgeschichte(Luk ,.), an das Gleichnis vom verlorenen Sohn (Luk ,)oder vom reichen Mann und armen Lazarus (Luk ,); an den barm-herzigen Samariter (Luk ,) oder an Zachus (Luk ,); oderschlielich an die Emmausgeschichte (Luk ,).

Einen guten Eindruck vermittelt die Ausgabe von Paul Hoffmann und ChristophHeil: Die Spruchquelle Q. Studienausgabe. Griechisch und Deutsch, Darmstadt/Leu-ven .

So stelle ich mir die Dinge vor; es gibt aber auch die Auffassung, es handle sich beidem lukanischen Sondergut um einheitlichen Stoff, also schon so etwas wie ein Buch;mir scheint diese Auffassung weniger plausibel, da die Stcke doch recht disparat sind.

Lukas die Einleitungsfragen

b) Die Quellen der Apostelgeschichte

Schwieriger, viel schwieriger steht es mit dem zweiten Buch des Lukas.Das liegt daran, da Lukas fr dieses Buch keinen Vorgnger hattewie Markus, so da wir hier nicht zwei erhaltene Schriften nebeneinan-derlegen und vergleichen knnen. Wir sind hier ganz auf die Rckschls-se aus dem Buch des Lukas angewiesen.

Vor hundert Jahren stellte sich das Problem der Quellen etwa fr AdolfHarnack recht einfach dar: Fr die zweite Hlfte des Buches bedurfte Lu-kas berhaupt keiner Quellen, ist er doch ab , persnlich zugegen, soda er in bezug auf einen betrchtlichen Teil . . . als Augenzeuge ge-schrieben [hat], in bezug auf die anderen Partien auf Grund von Erzh-lungen mitwirkender Augenzeugen. Fr den zweiten Teil der Apostel-geschichte braucht man Harnack zufolge daher Quellen nicht zu postu-lieren: Schriftliche Quellen sind fr die zweite Hlfte des Buches (vonc. , an) an sich unwahrscheinlich und nirgends indiziert. Lukaskann als Augenzeuge und Beteiligter hier auch ganz ohne Quellen ausdem Vollen schpfen.

Anders steht es mit dem ersten Teil, den Kapiteln bis . Zwar rumtHarnack ein: Was die erste Hlfte betrifft, so schlgt jeder Versuch fehl,auf Grund des Lexikons oder des Stils Quellen sicher auszuscheiden. Ei-ne bis ins einzelnste gehende Untersuchung hat mich belehrt, da alleshier so lukanisch ist, da auf dem Wege sprachlicher Untersuchungennichts Gewisses zu gewinnen ist doch hlt ihn diese Einsicht nunganz und gar nicht davon ab, eine Reihe von Quellen fr den ersten Teilzu postulieren. Dabei handelt es sich um die folgenden:

Die Quelle A. Sie umfat folgende Stcke: ,, aus Jerusalem;, ber Philippus; ,, ber Petrus und Jerusalem; , die Verfolgung unter Agrippa I.

Adolf Harnack: Die Apostelgeschichte, Beitrge zur Einleitung in das Neue Testa-ment III, Leipzig , S. . Harnack fhrt fort: Fr die Vorgnge auf der . und .Missionsreise kommen Timotheus, die Macedonier Gajus und Aristarch (s. , ; ,; , ) in erster Linie in Betracht . . . . Was die Erzhlungen der letzten Vorgnge inJerusalem und Csarea (c. ) betrifft, so knnen wir eine bestimmte Person nichtnennen, denen er sie verdankt; aber Lukas war ja Begleiter des Paulus auf der langenSeereise von Csarea nach Rom, die diesen Vorgngen unmittelbar gefolgt ist (ebd.).

Ebd. Ebd. Eine bersichtliche Zusammenfassung bietet Harnack a.a.O., S. .

. Die Quellen des lukanischen Doppelwerkes

Die Quelle B. Sie umfat folgende Stcke: Kapitel aus Jerusalem;, ebenfalls aus Jerusalem.

Die antiochenisch(-jerusalemisch)e Quelle. Sie umfat folgende Stk-ke: ,, aus Jerusalem; ,,; ,,.

Nicht diesen Quellen zuzuordnen ist als Besonderheit , ber dieBekehrung des Paulus und das Kapitel , ber das Harnack sagt: Vonseinen beiden Teilen ist der erste, die Einleitung und den Himmelfahrts-bericht umfassend, wohl das jngste Sck der ApGesch. und von Lukasauf Grund der sptesten Legendenbildung eingestellt. Ob der zweite Teil,die Ergnzung des Apostelkollegs, als Einleitung zu c. gehrt oder zuden Traditionen , ff. oder ein ganz selbstndiges Stck der berliefe-rung ist, lt sich m. E. nicht ausmachen.

Die wichtigste Quelle sollte man gegen den Sprachgebrauch Harnackseinfach antiochenische Quelle nennen, nicht, wie Harnack selbst, an-tiochenisch-jerusalemische. Dann liegen die Dinge klar zutage und las-sen sich auch leicht einprgen: Wenn wir von Kapitel absehen, habenwir zwei Quellen aus Jerusalem, A und B genannt, auf die der Inhaltder Kapitel sowie groe Teile aus , zurckzufhren sind. Da-neben haben wir die antiochenische Quelle, die in , einsetzt und bis, durchluft; ihr gehrt dann noch ,, sowie der ganze Rest ab, zu (die erste Missionsreise in und plus der Apostelkonvent in).

Die Quelle A nennt Harnack einerseits jerusalemisch-csareensische,andrerseits auch Petrus-Philippus-Quelle. Die letztere Bezeichnungist einleuchtend, da an allen Stcken dieser Quelle entweder Petrus oderPhilippus beteiligt ist. Diese Quelle fhrt Harnack ganz oder grten-teils auf Philippus, bzw. auf ihn und seine Tchter zurck. Danebensieht er in dieser Quelle auch den Evangelisten Markus am Werk: In derTat sieht nun auch der Bericht ber die wunderbare Befreiung des Petrusaus der Gefangenschaft (c. ) durch seine Details (Haus der Mutter desMarkus; Versammlung daselbst; Magd Rhode im Hause) ganz wie ein

Eingefgtes Stck ber die Bekehrung des Paulus aus besonderer Quelle sagtHarnack, a.a.O., S. .

Harnack, a.a.O., S. , Anm. . So z.B. auf S. . Harnack, a.a.O., S. .

Lukas die Einleitungsfragen

Markusbericht aus, und ist es wohl auch, oder vielmehr: eine Markuser-zhlung wird hier eingeflossen sein.

Enthlt diese Quelle A also wertvolle authentische Information ausJerusalem, so steht es um die Quelle B sehr schlecht: Sie ist geradezuwertlos . . . : sie bietet das Zuverlssige in einer ganz verworrenen Rei-henfolge, hat Verschiedenes verschmolzen, lt Wichtiges vermissen undermangelt der gehrigen Motivierung.

Von hohem Wert ist schlielich die antiochenische Quelle. Nur ausdieser Quelle erfahren wir von der wichtigen Spannung zwischen denHebrern und Hellenisten in der jerusalemischen Gemeinde, vonder Wahl der Sieben, einer zweiten Schicht von Aposteln, die aus die-ser Spannung hervorgegangen ist, und vor allem davon, da es in Je-rusalem in Stephanus und seinem Anhang einen eigenartigen Paulinis-mus vor Paulus gegeben hat . . . Interessant ist hier auch der Vergleichder ersten und der zweiten Missionsreise, den Harnack mit kurzen Stri-chen zeichnet: Die erste Missionsreise entstammt ja dieser antiocheni-schen Quelle, die zweite geht wie wir gehrt haben auf den Augen-zeugen Lukas zurck: Der dieser Quelle angehrige Bericht ber diesog.[enannte] erste Missionsreise des Paulus (,,) ist nicht so an-schaulich und zuverlssig . . . wie das Meiste in der zweiten Hlfte desWerkes. Augenscheinlich hat sich Lukas hier auch besondere Freiheitengenommen. Ich vermute, da die Quelle nur die Reiseroute (ohne Zeit-bestimmungen, die fast ganz fehlen) und einige besonders wichtige Anek-doten bot, was Lukas taliter qualiter zu einer Geschichte ausgestaltete,in der die eingeschaltete groe Rede in Antiochien mehr als ein Drittelbildet. Den Barnabas hat er hier gegen die Haltung der Quelle selbst allmhlich hinter Paulus zurcktreten lassen . . . . Ist unsere Quelleantiochenisch, so versteht man es, da sie in diesem Abschnitt sich nurfr Haupttatsachen interessierte.

* * *

Ich breche hier mit dem Referat der Harnackschen Quellenscheidungab. Harnacks Theorie hat sich nicht durchgesetzt, und auch in der Zeitzwischen den Weltkriegen und noch danach sind immer neue Quellen-scheidungen vorgeschlagen worden; ich nenne als Beispiele die Namen

Ebd. Harnack, a.a.O., S. . Harnack, a.a.O., S. . Harnack, a.a.O., S. .

. Die Quellen des lukanischen Doppelwerkes

Joachim Jeremias und Rudolf Bultmann. Mit dem bahnbrechendenKommentar von Ernst Haenchen (erstmals erschienen) ist die Quel-lenkritik dann in den Hintergrund getreten durch die stil- und formge-schichtliche Arbeitsweise, die wesentliche Anste durch P. Wendlandund Ed. Norden empfangen hatte und dann von M. Dibelius weiterge-fhrt wurde, wie Bultmann sagt. Die Intention Haenchens fat Bult-mann folgendermaen zusammen: Fr ihn sind die Acta nicht in er-ster Linie das Werk eines Historikers, das auf seinen Quellenwert befragtwerden mte. Sie mssen vielmehr als eine Komposition des Autorsgewrdigt werden, in der dessen Theologie, oder wohl besser: die inseiner Theologie begrndete Auffassung der urchristlichen Geschichteihren Ausdruck findet, einer Geschichte, in der sich das Verhltnis deschristlichen Glaubens zum Judentum und zum rmischen Staat erken-nen lt.

Auch die Analyse Bultmanns wirkt nach unserer Auslegung der Apostel-geschichte eher romantisch. Fr uns hat sich ergeben, da es noch zufrh ist, eine neue Scheidung von Quellen zu versuchen oder gar vorzu-

Joachim Jeremias: Untersuchungen zum Quellenproblem der Apostelgeschichte,ZNW (), S. . Er geht bei seiner Untersuchung von Harnacks Ergebnis-sen aus und kommt zu dem Schlu:. Die These, da in Act zwei parallel laufende Quellen verarbeitet seien, hlt derNachprfung nicht stand.. Die einzige, mit einiger Wahrscheinlichkeit rekonstruierbare Quelle der Apg. um-fat die Stcke - ff.. Aus ergibt sich, da die erste Missionsreise erst nach dem Apostelkonzil stattfand.(S. ).

Rudolf Bultmann: Zur Frage nach den Quellen der Apostelgeschichte, in: ders.:Exegetica. Aufstze zur Erforschung des Neuen Testaments, Tbingen , S. . Der Aufsatz erschien zuerst in der Gedenkschrift fr T.W. Manson.

Rudolf Bultmann, a.a.O., S. . Ebd. Bultmann selbst nimmt zwei Quellen an, die antiochenische Quelle in der

Tradition von Harnack und Jeremias und das Itinerar nach Haenchen. Seines Erach-tens ist die antiochenische Quelle jedoch im Wir-Stil geschrieben gewesen (RudolfBultmann, S. ). Darber hinaus vermutet Bultmann, Lukas, der Antiochener [!] ha-be beide Quellen im Archiv der Gemeinde von Antiochien eingesehen: Die Haupt-frage drfte die nach dem Verhltnis des von c. an zugrunde liegenden Itinerars zuder antiochenischen Quelle sein. Da beide Quellen eine literarische Einheit gebil-det haben, ist nicht gerade wahrscheinlich. Eher drfte man vermuten, da der oderdie Reisebegleiter des Paulus (es knnen ja durchaus mehrere nacheinander gewesensein) aus der antiochenischen Gemeinde stammten. Im Archiv der Gemeinde httedann der Autor, der vielleicht selbst Antiochener war, sowohl die antiochenischeQuelle wie das Itinerar benutzen knnen (ebd.).

Lukas die Einleitungsfragen

schlagen. Dazu wre eine grndliche Analyse aller Kapitel nach demMuster der Dissertation von Jean-Pierre Sterck-Degueldre die Vorausset-zung. Eine solche zu leisten, erfordert die Arbeit von Jahren.

Lediglich ein Ergebnis knnen wir vorweisen, das ber die Versuchedes . Jahrhunderts hinauszufhren verspricht. Dieses betrifft die Wir-Stcke, ber die wir im Laufe der Auslegung verschiedentlich diskutierthaben. Ihnen wollen wir uns daher hier kurz zuwenden.

* * *

Die Wir-StckeDie Wir-Stcke haben in der zweiten Hlfte des vorigen Jahrhun-derts eine intensive Debatte hervorgerufen, die ich in diesem Rah-men nicht nachzeichnen kann. Jens Brstinghaus war so freundlich, mirseine bersicht ber die verschiedenen Lsungen des Problems zur Ver-fgung zu stellen:

Grundstzlich hat man wohl soweit ich sehe fnf Mglichkeitenerwogen, diese Wir-Stcke zu erklren:

. Der traditionelle Ansatz: Man nimmt an, da der Verfasser durchdas Wir anzeigt, welchen Geschehnissen er als Augenzeuge undsomit historischer Paulusbegleiter selbst beigewohnt hat.

. Der quellenkritische Ansatz: Man nimmt an, da der Verfasser eineQuelle, die bestimmte Phasen der Paulusreisen schilderte und imsog. Wir-Stil verfat war, ganz oder auszugsweise bzw. gekrztzitiert und die . Pers. Pl. aus dieser Quelle bernimmt.

. Ein Anspruch des Verfassers: Man nimmt an, da der Verfasserdurch die Wir-Passagen einen (unberechtigten) Anspruch auf

Jean-Pierre Sterck-Degueldre: Eine Frau namens Lydia. Zu Geschichte und Kom-position in Apostelgeschichte ,., WUNT /, Tbingen .

Die Dissertation von Jens Brstinghaus hat den Titel: Seefahrt und Schiffbruch.Untersuchungen zur literarischen Motivik in Apg ,, und wird im Frhsom-mer dem Fachbereich Theologie der Philosophischen Fakultt Erlangen ein-gereicht. [So meine Fassung dieser Anmerkung aus dem Jahr . Mittlerweile istdie Arbeit von Brstinghaus gedruckt: Jens Brstinghaus: Sturmfahrt und Schiffbruch.Zur lukanischen Verwendung eines literarischen Topos in Apostelgeschichte ,,,WUNT II , Tbingen .]

Dies wird beispielsweise vertreten von Friedrich Blass: Acta apostolorum sive Lu-cae ad Theophilum liber alter. Editio philologica apparatu critico, commentario per-petuo, indice verborum illustrata, Gttingen , S. , wo es heit: itaque ubi primapersona est, cognoscimus adfuisse Lucam.

. Die Quellen des lukanischen Doppelwerkes

Augenzeugenschaft ( [autopsi.a]), oder zumindest auf - [empeiri.a] bzw. [autopa. theia] erhebt.

. Die literarische Erklrung: Man nimmt an, da Wir-Passagen einliterarisches Stilmittel sind, das auch sonst belegbar ist; der Verfas-ser hat sich dieses Stilmittel zunutze gemacht.

. Die theologische Erklrung: Man nimmt an, da der Verfasser dieWir-Passagen mit einer (im weiteren Sinne) theologischen Aussa-geabsicht eingesetzt hat.

Eine solche Einteilung kann man gewi auch ganz anders vornehmen;zudem vereinen die fnf aufgefhrten Erklrungstypen jeweils zum Teilrecht unterschiedliche Vorschlge. Auerdem schlieen die Erklrungeneinander keineswegs aus, vielmehr wurden zumeist Kombinationen er-wogen wie es ja bei einem solch rtselhaften Phnomen nicht verwun-dern kann. Die vorgenommene Einteilung ist also nicht als durch unddurch reflektierte Analyse der Forschungslage zu verstehen, sondern nurals Versuch, die verworrene Diskussion durch gewisse, schnell geschlage-ne Schneisen etwas durchsichtiger zu machen.

Bei der Auslegung haben wir gesehen, da das Itinerar der letzten Reisenach Jerusalem auf ein Mitglied der Kollektendelegation zurckzufhrenist, dessen schriftlicher Rechenschaftsbericht dem Lukas vorlag. Damitist das zweite Wir-Stck durch die Kochsche Hypothese hinreichend er-klrt.

In entsprechender Weise ist es Jens Brstinghaus gelungen, auch dasItinerar der Reise von Caesarea nach Rom zu erklren, wo in , dasdritte Wir-Stck auftaucht. Auch hier haben wir es mit einem Rechen-schaftsbericht eines Reisebegleiters des Paulus zu tun, den Lukas mgli-cherweise in der Gemeinde in Caesarea vorfand.

Damit sind fr die beiden lngeren Seereisen von Philippi nach Cae-sarea und Jerusalem und von Caesarea nach Rom Quellen des Lukasdurch die Koch-Brstinghaussche Hypothese aufgewiesen.

* * * Hier endet die Passage aus der oben zitierten Dissertation von Jens Brstinghaus. Vgl. dazu die Bemerkungen in der Auslegung, S. , sowie den Aufsatz von

Dietrich-Alex Koch, der schon oben S. , Anm. , genannt worden ist. Vgl. dazu die Auslegung, S. ; diese Erklrung geht auf die Dissertation

von Jens Brstinghaus zurck.

Lukas die Einleitungsfragen

Hier will ich mich nun abschlieend darauf beschrnken,Zusammenfas-sung zurQuellenfrage

einige Be-obachtungen zur Quellenfrage zusammenfassend zu notieren, die

sich uns whrend der Auslegung ergeben haben:

Lukas bietet gelegentlich Listen, die auf Quellen zurckgehen ms-sen (, die Liste der Sieben in Jerusalem; , die fhrenden Kpfeder Gemeinde von Antiochien; , die Mitglieder der Delegation,die Paulus nach Jerusalem begleitet) die Existenz von Quellenund ihre Nutzung durch Lukas stehen schon deswegen auer Fra-ge.

Die letzte Reise nach Jerusalem in weist im Unterschiedzu allen vorangegangenen Passagen durchweg Zge eines Itinerarsauf. Dieses geht vermutlich auf ein Mitglied der Kollektendelegati-on zurck, welches einen schriftlichen Bericht an seine Heimatge-meinde geliefert hat, auf den Lukas zurckgegriffen hat (KochscheHypothese).

In analoger Weise kann man den dritten Wir-Bericht in erklren, wie Jens Brstinghaus in seiner Dissertation nachweist;auch hier haben wir als Quelle einen Rechenschaftsbericht einesReisebegleiters des Paulus anzunehmen.

Ob sich solche Quellen dann auch fr andere Abschnitte der Apo-stelgeschichte etwa die erste Missionsreise oder Teile der zweitenMissionsreise rekonstruieren lassen, wage ich im Moment nochnicht zu entscheiden.

Zwischen Kapitel und Kapitel ist ein Wechsel der Tradition bzw.der Quelle zu vermuten; sehr verlockend ist die alte HarnackscheThese, die im wesentlichen ja von Jeremias und Bultmann besttigtworden ist, da hier die antiochenische Quelle einsetzt.

Schlielich ist damit zu rechnen, da Lukas durch persnliche For-schungen viele einzelne Traditionen und Informationen gesammelthat, wie wir im Laufe der Auslegung immer wieder haben konsta-tieren knnen.

. Der Text der Apostelgeschichte

. Der Text der Apostelgeschichte

Eigentlich hatte ich die Absicht, fr diese Einleitung die Beobach-tungen, die wir im Verlauf der Auslegung zum Text der Apostelge-schichte gesammelt haben, hier auszuwerten. Leider ist mir dies aus Zeit-grnden nicht mehr gelungen. Deshalb setze ich hier die Einleitung ausmeiner Ausgabe der Apostelgeschichte her, die Sie auch im Netz unter

www.die-apostelgeschichte.de

bewundern knnen, wenn Sie Der strittige Urtext anklicken. Diese solldie LeserInnen dieses Kommentars wenigstens ber das grundstzlicheProblem informieren.

Vor Jahren man hlt es heute kaum mehr fr mglich gab esgeradezu eine Flut von Apostelgeschichten. Den Anfang machte Fried-rich Blass im Jahr mit seinem Buch Acta apostolorum sive Lucae adTheophilum liber alter. Dieses Werk charakterisiert Bruce M. Metzgerfolgendermaen: According to Blass, Luke, having made a rough draftof his history of the primitive church, perhaps on the back of some pre-vious manuscript, desired to present a handsome copy of his work to hisdistinguished friend Theophilus. Not being rich enough to employ a pro-fessional scribe to make the copy, Luke had to make it himself; naturally,instead of slavishly following his first draft, he exercised the freedom thatan author can lawfully take with a work of his own, in altering phraseo-logy and deleting superfluities. From both forms of Acts, according toBlass, copies were made; the text current in most manuscripts representsthe polished, second edition prepared for Theophilus, while copies we-re also made from the original (longer) draft, which Blass supposed wastreasured and preserved in the Roman church.

Vier Jahre spter schon welchem Verleger wrde heute die Notwen-digkeit einer neuen Ausgabe so kurze Zeit spter einleuchten (von derWirtschaftlichkeit ganz zu schweigen) erschien eine vllig andere Aus-gabe der Apostelgeschichte aus der Feder des Altmeisters Adolf Hilgen-

Friedrich Blass: Acta apostolorum sive Lucae ad Theophilum liber alter. Editiophilologica apparatu critico, commentario perpetuo, indice verborum illustrata, Gt-tingen .

Bruce M. Metzger: A Textual Commentary on the Greek New Testament, A Com-panion Volume to the United Bible Societies Greek New Testament (Fourth RevisedEdition), Stuttgart , S. .

Lukas die Einleitungsfragen

feld. Er nimmt seinen Ausgangspunkt bei der Feststellung in bezug aufdie Blasssche Ausgabe: sed duplex Lucae liber alter ad Theophilum nonomnibus placuit die sich als wahrhaft prophetische erweisen sollte . . .

Seine Edition der Apostelgeschichte freilich fand noch wesentlich we-niger Adepten so wenige, da Metzger in seinem berblick einen Hin-weis auf Hilgenfeld fr gnzlich berflssig halten mochte. Das ver-wundert nicht, ist Hilgenfeld doch ein Anhnger des Codex D sowohlin seiner griechischen als auch in seiner lateinischen Fassung: Codicis Dtextus uterque (D graecus, d latinus) eo gravior est, quia alter non ex al-tero natus est. neque latina ex his graecis neque graeca ex his latinis versasunt, non ubique congruentia. quamvis proxime cognati tamen separatierant hi textus, priusquam in uno codice compositi sunt.

So ist es nicht verwunderlich, wenn die Prolegomena Hilgenfelds indem Satz gipfeln: genuinam vero formam maxime conservasse videturcodex D ex sociis, in primis Thoma Heracleensi, nonnunquam etiamemendandus.

Im Jahr erschien in Leipzig Die Urausgabe der Apostelgeschich-te des Lucas von Theodor Zahn. Er kehrte zu der Blassschen Thesezurck, wonach Lucas den zweiten Teil seines Geschichtswerks zweimalherausgegeben habe, und zwar das zweite Mal in einer verbessertenund an manchen Stellen verkrzten Auflage, die seit dem . Jahrhundertin der Kirche alleinherrschend geworden ist, whrend von der Uraus-gabe nur bedeutende Bruchstcke in ltesten Bibelbersetzungen, grie-chischen Handschriften und Citaten alter Schriftsteller auf uns gekom-men sind. Im Unterschied zu seinen Vorgngern Blass und Hilgenfeldwarnt Zahn jedoch vor einer berschtzung von D, der als eine sichereGrundlage fr die Rekonstruktion der Urausgabe und vor allem als Ma-

Adolf Hilgenfeld: Acta apostolorum graece et latine secundum antiquissimos te-stes edidit, Actus apostolorum extra canonem receptum et adnotationes ad textum etargumentum Actuum apostolorum addidit Adolfus Hilgenfeld, Berlin .

Die Literaturliste Metzgers auf S. xixii nennt zwar dieses und jenes, aber nichtHilgenfeld. videant consules . . .

Hilgenfeld , S. X. Hilgenfeld , S. XIV. Theodor Zahn: Die Urausgabe der Apostelgeschichte des Lucas, Forschungen zur

Geschichte des neutestamentlichen Kanons und der altkirchlichen Literatur IX, Leip-zig .

Theodor Zahn, S. . Die Annahme, da Lucas, der zeitlich etwa in der Mitte zwi-schen Polybius . . . und Eusebius steht, das zweite Buch seines Geschichtswerkes zwei-mal herausgegeben habe, hat zahllose Analogien in der Literatur der letzten Jahrhun-derte vor Lc und der nchsten Jahrhunderte nach ihm (S. ).

. Der Text der Apostelgeschichte

stab der Beurteilung der sonst noch in Betracht kommenden Materialien. . . wegen seines buntscheckigen Geprges nicht zu gebrauchen sei.

Die sichere Grundlage seiner Bemhungen sieht Zahn stattdessen in derltesten lateinischen bersetzung der Apostelgeschichte gegeben.

Mit der Zahnschen Ausgabe ebbten die Versuche, das zweite Buch desLukas herauszugeben, mitnichten ab. Zehn Jahre spter erschien die mo-numentale Ausgabe aus der Feder von James Hardy Ropes: The Text ofActs, ein stattlicher Band, dessen Einleitung bereits Seiten umfat insgesamt fehlt nicht viel an Seiten (welchem Verleger knnte Ropessein Werk in diesen Tagen im alten Europa anbieten?). Er sieht in derwestlichen Fassung the most important event in the history of the textof Acts aber eben ein Ereignis, das nichts mit dem Verfasser selbst zutun hat: the Western text is not from the hand of the same author asthe non-western text, and . . . it is a rewritten text, in general inferior tothe other text. Die Besonderheit dieser Ausgabe besteht darin, da Ro-pes beide Textformen auf einander gegenberliegenden Seiten abdruckt:Auf der linken Seite bietet er den Text des Codex Vaticanus und aufder rechten den des Codex Bezae (immer mit abweichenden Lesarten imjeweiligen Apparat). Das hat den Vorteil, da die Unterschiede der bei-den Textberlieferungen scharf hervortreten. Der Nachteil liegt auf derHand: Ein Text des zweiten Buches in der Fassung des Lukas wird nichtgeboten, ja noch nicht einmal angestrebt: The time for making a satis-factory new critical text does not appear to me to have yet arrived, andalthough often with reasons given I have fully stated the readings inwhich, with varying degrees of confidence, I am disposed to believe Co-dex Vaticanus is wrong, that is a very different thing from propoundinga complete new text . . .

Bereits sieben Jahre spter erschien die nchste Ausgabe der Apostel-geschichte von Albert C. Clark. Er vertrat die umgekehrte Reihenfolge:

Theodor Zahn, S. . Ebd. James Hardy Ropes: The Text of Acts, The Beginnings of Christianity, Part I: The

Acts of the Apostles, ed. by F.J. Foakes Jackson and Kirsopp Lake, Vol. III, London.

Ropes, S. x. Ropes, S. ccxxi. Ropes, S. x. Vgl. auch die Fortsetzung: In the nature of the case a new text could

not at present lay claim to finality, and the only certainty about it would seem to bethat it never existed until its author, the critic, created it.

Albert C. Clark: The Acts of the Apostles. A Critical Edition with Introductionand Notes on Selected Passages, Oxford .

Lukas die Einleitungsfragen

Hatte Ropes den westlichen Text fr eine Revision des ursprnglichenerklrt, so verfocht Clark die These, der ursprngliche westliche Text seispter bearbeitet und gekrzt worden. The Alexandrian abbreviator, hethinks, excised passages throughout the book for a variety of reasons; insome cases we can deduce that he eliminated what he considered to beotiose, but in other cases the excisions, Clark admits, show a singularwant of taste.

Niemand wird der Einschtzung Metzgers widersprechen: After sur-veying the chief theories that have been offered to explain the originof the Western text, one is impressed by the wide diversity of hypothe-ses and the lack of any generally accepted explanation. Das Problemist nur: Der Benutzer des Greek New Testament oder des Nestle/Alandmerkt davon kaum etwas oder gar nichts. Die Ausgaben des Neuen Testa-ments, die in der Regel benutzt werden, suggerieren eine Sicherheit, dieim Falle der Apostelgeschichte nicht vorhanden ist.

* * *

In dieser Situation steckt sich der vorliegende Versuch ganz beschei-dene Ziele: Er will lediglich als Ergnzung zu einer Vorlesung odereinem Kommentar zur Apostelgeschichte verstanden werden. Da wederin einer Vorlesung noch in einem Kommentar genug Zeit bzw. Raum zurVerfgung steht, textkritische Probleme ausgiebig zu errtern, soll hierder Versuch gemacht werden, in diese Probleme anhand von ausgewhl-ten Beispielen einzufhren. Der Satz des Textes will auch denjenigen,die mit dem Griechischen noch nicht ganz vertraut sind, die Lektreermglichen.

Nun haben Bcher groe Vorteile gegenber dem Internet, wie manwei; einen Vorteil jedoch hat das Internet gegenber dem Buch: Eskann stndig aktualisiert werden, lngst bevor die erste Auflage ver-kauft ist. Diesen Vorteil will ich hier nutzen.

Was nunmehr vorliegt, ist ein erster Versuch, der sich zunchst auf dieKapitel beschrnkt. Er stammt vom Dezember . Die vollstndi-ge Fassung des Textes wird hoffentlich bis Ende dieses Wintersemestersnach und nach geliefert werden knnen.

Metzger, S. . Metzger, S. .

. Die Situation der Apostelgeschichte

. Die Situation der Apostelgeschichte

Wir haben Lukas als den ersten christlichen Geschichtsschreiberkennengelernt, der mit einem gesunden Selbstbewutsein ausge-stattet davon berzeugt ist, seine Vorgnger in den Schatten zu stellen.Wir haben sodann herausgefunden, da dieser Geschichtsschreiber inder Zeit zwischen dem Anfang der er Jahren und dem Ende der erJahre zur Feder gegriffen hat, wir sagen vereinfacht: um . Wir habenschlielich sein Verhltnis zu seinen Vorgngern fr sein erstes Buch undden Quellen fr sein zweites Buch untersucht. Nun bleibt brig, in die-sem letzten Schritt die Situation etwas nher zu beleuchten, in der Lukassein Werk zu Papier bringt. Da in dieser Hinsicht sein zweites Buch sehrviel aussagekrftiger ist als sein erstes, beschrnken wir uns hier auf dieApostelgeschichte.

a) Der Abfassungsort

Zwar ist Lukas unter den Evangelisten der einzige, der seinem Werkein richtiges Promium vorausschickt und in diesem auch von sichselbst und seinen Absichten spricht, wo er aber schreibt, verrt uns auchLukas nicht. Wir haben gesehen, da schon bei den Autoren der altenKirche ganz verschiedene Gegenden mit Lukas in Zusammenhang ge-bracht worden sind, so beispielsweise Antiochien am Orontes und Boio-tien. Hinzugekommen sind seither als mgliche Abfassungsorte beispiels-weise Ephesos oder Rom.

Im Verlauf der Auslegung hat sich gezeigt, da viele Regionen vonvornherein als Heimat des Lukas nicht in Frage kommen, weil ihm dortalle geographischen Kenntnisse fehlen, so etwa Palstina oder Galatien.In anderen Gegenden wei Lukas deutlich besser Bescheid, wie wir ge-sehen haben. Wenn man die Lnder durchmustert, die in der Apostel-geschichte durchzogen werden, so kommt man zu dem Ergebnis, dadie Kenntnisse des Lukas nirgendwo so gut sind wie in dem Abschnittvon Alexandria Troas ber Philippi nach Thessaloniki und Beroia. Da-her ist seit langem die These vertreten worden, da Lukas aus Makedo-nien stammt. Soweit ich wei, geht diese These auf keinen geringerenals Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher zurck sie feiert demnchstihr zweihundertjhriges Jubilum. In neuerer Zeit ist sie unter anderem

Lukas die Einleitungsfragen

von Franois Bovon in der Einleitung zu seinem Kommentar zum Lukas-evangelium vertreten worden.

Ich selbst habe in meinem Buch Philippi I diese Position zu strkenversucht und mit einer Reihe neuer Argumente untermauert. Diese sindim wesentlichen in die Auslegung von Kapitel eingeflossen, so daich sie hier nicht zu wiederholen brauche. Somit knnen wir als Ergeb-nis formulieren: Lukas schreibt sein Werk um in der rmischen KoloniePhilippi in Makedonien.

Damit erklrt sich der jeweilige Kenntnisstand des Lukas sehr schn:Die besten lokalen Kenntnisse finden sich in Kapitel ; ausgezeichnetist Lukas auch in bezug auf Thessaloniki und Alexandria Troas bis Assosinformiert. Gute Kenntnisse kann man ihm auch in Athen, Korinth undEphesos bescheinigen. Die gis das ist die Welt des Lukas. Hier ist erzu Hause. Hier kennt er nicht nur die Stdte und ihre ganz unterschied-liche Verwaltung, sondern auch die Verkehrswege: die Straen und ihreStationen und die Hfen.

Als Faustregel kann man sich daher merken: Je weiter von der gisentfernt, desto weniger zutreffend sind die Angaben des Lukas. Dies giltfr das Itinerar der ersten Missionsreise in Anatolien ebenso wie fr diegeographischen Vorstellungen in bezug auf Palstina, die das Lukasevan-gelium verrt.

b) Die lukanische Gemeinde in Philippi

Ist Lukas also in der Tat ein (ane. r Makedo. n) aus Philip-pi, so kme es darauf an, diese Gemeinde als die Adressatengemeindedes lukanischen Doppelwerkes einmal nher ins Auge zu fassen. D.h.man mte das gesamte lukanische Doppelwerk unter diesem Aspekt

Franois Bovon: Das Evangelium nach Lukas, . Teilband. Luk ,,, EKK III, Zrich/Neukirchen-Vluyn : Da das Wir erstmals in einer Darstellung derMission in der Nord-gis auftaucht, und zwar in Beziehung zur Erscheinung desMazedoniers im Traum des Paulus in Apg ,, ist fr mich ein Indiz fr die Her-kunft des Verfassers. Er drfte ein Makedonier sein, der Kontakte zu Troas unterhlt.Obwohl er an den Ereignissen, die er beschreibt, nicht teilgenommen hat, will er sichselbst in diesem Raum, der seine Heimat ist, situieren (S. ). Und dann S. : DaLukas aus Makedonien (Philippi?) stammt, ist auch aufgrund seiner przisen Kennt-nisse ber diese Region, besonders ber die rmischen Institutionen, wahrscheinlich wer Lukas nicht in Spanien schreiben lassen will oder in Britannien, wird diesemSchlu nicht leicht ausweichen knnen.

. Die Situation der Apostelgeschichte

lesen und interpretieren. Ich beschrnke mich im folgenden auf einigeBeobachtungen aus der Apostelgeschichte.

Lukas erweist sich durchweg als in bezug auf rmische Verhltnisseberdurchschnittlich sattelfest. Das beginnt bei den militrischen Ein-heiten und ihren Befehlshabern, setzt sich bei den Provinzen und denStatthaltern fort und reicht bis hin zur Frage des rmischen Brgerrechtsund des Prozesses des Paulus mit der Appellation an den Kaiser. Dieswird gut verstndlich, wenn man bercksichtigt, da Lukas in einer r-mischen Kolonie fr eine Gemeinde in dieser Kolonie schreibt. Die resRomanae sind den AdressatInnen genauso vertraut wie dem Verfasser.

Vielleicht darf man noch einen Schritt weitergehen und auch die Sym-pathie des Lukas fr das imperium Romanum auf diesem Hintergrunderklren. Im Unterschied zu andern Positionen die sich ebenfalls imNeuen Testament finden! erscheint das Rmische Reich bei Lukas nir-gendwo in einem auch nur ansatzweise kritischen Licht. Der Verfasseruert keinerlei Vorbehalte gegen das Reich und seine Vertreter. Die r-mischen Soldaten kommen ebenso gut weg wie die Spitzen der Verwal-tung. Sie alle stehen der Sache des Christentums wohlwollend gegenber.Die knftigen Probleme der ChristInnen im Rmischen Reich kommennoch nicht einmal ansatzweise in den Blick.

ber das Politische hinaus ist schlielich noch der weltanschaulicheund religise Aspekt in den Blick zu nehmen. Auch hier versteht manwohl manches lukanische Anliegen besser, wenn man es aus dem Blick-winkel der rmischen Kolonie Philippi ansieht. Die Mentalitt des Lukasist eine friedlich-konservative Loyalitt. Alles Radikale, gar Revolution-re ist ihm ein Greuel. Das pat sehr gut zur rmischen Mentalitt, wiesie in einer Kolonie herrschend ist. Auch die unhinterfragte Akzeptanzvon Hierarchien ordne ich in diesen Zusammenhang ein. Lukas tut seinBestes, um die Apostel als die Autoritt zu etablieren; das ist ganz undgar rmisch gedacht. Seine Loyalitt erstreckt sich auf alle Tradition ingleicher Weise, sei es rmische oder jdische. Es wre sehr interessant,seine durchgehende Abschwchung das ist noch eine verharmlosendeFormulierung des Sachverhalts; man sollte vielleicht besser sagen: Ent-wertung der Gesetzeskritik Jesu unter diesem Aspekt zu studieren. Dasjdische Gesetz ist alt und gut; es ist ein Wert an sich wie alter Wein. Da

Einige einschlgige Studien finden sich in meinem ersten Aufsatzband: Peter Pil-hofer: Die frhen Christen und ihre Welt. Greifswalder Aufstze . Mit Bei-trgen von Jens Brstinghaus und Eva Ebel, WUNT , Tbingen .

Lukas die Einleitungsfragen

kann Jesus bei Markus sagen was er will, gegen die lukanische Loyalittder Tradition gegenber hat er keine Chance. Abschlieend sei noch anden lukanischen Optimismus anthropologischer Art erinnert, der unsbei der Auslegung der Areopagrede aufgefallen ist. Der Mensch bedarfder Erlsung nicht das wre ein ganz und gar unrmischer Gedanke, er bedarf nur der Korrektur; in der Taegerschen Formulierung: Er istkein salvandus, sondern ein corrigendus.