Literaturkarussell. Physik

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,,Wenn mich niemand danach fragt ..." Zeit und Realitat. Von Wolf- ram Schommers, Die Graue Edition, Kusterdingen, 1997. 585 S., 45 Abb., geb. DM 48,-. ISBN 3-906336-20-4. Auf die Frage: ,,Was ist Zeit?" antwortete der Kirchenvater Augustinus vor uber eineinhalb Jahrtausenden: ,,Wenn mich nie- rnand danach fragt, weifi ich es; will ich es einem Fragenden er- klaren, weifi ich es nicht". Seit der Antike haben sich grofie Denker immer wieder mit der Frage nach der Natur oder dem Wesen der Zeit beschaftigt und vieles Staunenswerte entdeckt. Wolfram Schommers, Professor fur Theoretische Physik, behan- delt in seinem Buch den Zeitbe- griff unter physikalischen und philosophischen Gesichtspunk- ten. Den ersten Schwerpunkt setzt er bei Isaac Newton, der im 17. Jahrhundert das Konzept der ab- soluten Zeit schuf. In der Princi- pia schrieb er: ,,Die absolute, wahre und mathematische Zeit verfliefit an sich und vermoge ih- rer Natur gleichformig und ohne Beziehung zu irgendeinem aufie- ren Gegenstand." Die Zeit wirkt demnach gewissermafien als Me- tronom fur die Musik des Wel- tenlaufs. Uber 200 Jahre lang blieb dieses Konzept der absoluten Zeit unan- getastet, bis Einstein zu Beginn dieses Jahrhunderts mit der Spe- ziellen und Allgemeinen Relati- vitatstheorie die Zeit radikal neu interpretierte. Demnach vergeht sie unterschiedlich schnell, ab- hangig von der Geschwindigkeit eines Systems und seiner Position in einem Schwerkraftfeld. Uber- dies waren nun Zeit und Raum in einer vierdimensionalen Raum- zeit vereint. Schommers verfolgt die moderne Entwicklung des Zeitbegriffs bis zu Schwarzen Lochern und Wurmlochern, die vor wenigen Jahren als eine Mog- lichkeit zu Zeitreisen diskutiert wurden. Allerdings geht der Au- tor nicht mehr auf das von Steven Hawking und James Hartle vor- geschlagene Konzept einer zwei- ten Zeitdimension ein. Einen weiteren Schwerpunkt setzt Schornmers auf den Begriff des Zeitpfeils, also auf die Frage nach der Zeitrichtung, an deren Beginn Ludwig Boltzmanns Wahrscheinlichkeitsauffassung steht. Den Abschlufi bildet die Quantentheorie mit einem eher widerspruchlichen Zeitkonzept. Wolfram Schommen Zeit und Realit& Physikalische Ansib? - Philosophishe Aspekte Die Graue Mltlon Wahrend namlich der Kollaps der Wellenfunktion beim Mefiprozefi eine Zeitrichtung definiert, ist die zu den ersten Prinzipen der Quantenmechanik gehorende Schrodinger-Gleichung zeitsym- metrisch. Der Zeitbegriff, von Wolfram Schommers sehr anregend von vielen Seiten beleuchtet, bleibt nach Jahrhunderten der For- schung ratselhaft, und Augusti- nus spricht uns eigentlich noch immer aus der Seele: ,,Wenn mich einer fragt ...". Paul Jacobi, Wissenschaftsjournalist, Liinen Physik ohne vie1 Mathematik Briicke zur Physik. Von Norbert Treitz, Verlag Harri Deutsch, Frankfurt a.M. 2. iiberarb. Aufl., 1997. Zahlr. Abb., 424 S., DM 39,80. ISBN 3-8171-1518-0. Teile dieses Buch kann man auf einem Sofa liegend geniefien und erfahren, was Meteorologie ei- gentlich mit Meteoren zu tun hat. Und man kann sich auch be- muhen, die darin gestellten Auf- gaben, deren Losungen angege- ben sind, mit Bleistift, Papier, Rechner und Kopfchen zu losen. Das Buch bietet wahrhaft vie1 und aufierordentlich Verschie- denartiges. Der Verfasser wandelt haufig auf nicht ausgetretenen Pfaden. Laut Vorwort ist der Stoff so ausgewahlt, dafi man mit wenig Mathematik in wesentliche Bereiche der Physik eindringen kann. Primar gedacht fur altere . Schuler, die sich fur Physik inter- essieren, sowie beginnende Phy- sikstudenten, die etwas wieder- holen und vertiefen wollen, zeigt das Werk auch reiferen Studenten und wohl auch manchem Dozen- ten noch anregende Aspekte scheinbar bekannter Physikpro- bleme auf. Vor allen Dingen zieht der Autor auch Randgebiete wie Astrono- mie und Physikgeschichte mit ein und unterhalt den Leser. Mit un- glaublich vielen Abbildungen veranschaulicht er die Sachver- halte. Aufierdem scheint er ein Fan von Briefmarken zu sein, da diese in grofier und durchaus in- teressant illustrierender Anzahl wiedergegeben sind. Leider mufi in diesem Zusam- menhang bemerkt werden, dafi die Druckqualitat vielfach ziem- lich bescheiden ist. Oft ist die Strichstarke zu dunn oder bei der Wiedergabe der Briefmarken der offsetahnliche Schwarzweifidruck einfach nicht geeignet. Hier sollte ein Verlagslektor im Vorfeld zwi- schen Autor einerseits und dem im Impressum genannten ,,Prazis Druck" hilfreich wirken. Insgesamt ein kurzweiliges, zu- gleich lehrreiches und preislich absolut erschwingliches Ge- schenk fur Schuler mit physikali- schen Interessen sowie beginnen- de Physikstudenten. Dr. Christian Ucke, TU Miinchen Eingeschrankter LesegenuR Optik, Laser, Wellenleiter. Von M. Young. Springer- Verlag, Heidelberg 1997, 486 S., 286 Abb., brosch. DM 64,-. ISBN 3-540-60358-1. Youngs Buch ist eine Einfuhrung n die Angewandte Optik. Wie ,m Klappentext angedeutet, sollen dabei u.a. auch physikalische An- wendungen und Instrumentie- rungen irn Vordergrund stehen. Als Adressaten werden neben Universitatsstudenten auch Stu- denten der Ingenieurwissenschaf- ten genannt. Fur Universitatsstudenten kann das Buch durchaus eine Bereiche- rung darstellen. Insbesondere die Kapitel uber Holographie und Bildverarbeitung, optische Wel- lenleiter, Faser-Mefitechnik bis hin zur integrierten Optik wer- den in Optiklehrbuchern selten derart ausfuhrlich dargestellt. Ahnliches gilt fur so manches Detail in den anderen Kapiteln, wie die Ulbricht-Kugel. Ebenso ist es fur Studenten sicher sehr hilfreich, eine Vielzahl von Ubungsaufgaben mit Losungen prasentiert zu bekommen. Fur Ingenieurstudenten aber ist das Buch zu theoretisch und wird dem Anspruch nicht gerecht. Ein Beispiel: Bei Lichtquellen sind Spektren gebrauchlicher Lam- pensysteme sinnvoller als die in jedem Lehrbuch zu findenden Kurven der Schwarzkorperstrah- lung. Ebenso fehlt 2.B. die fur In- genieure wichtige Anwendung moderner Berechnungsmethoden optischer Systeme ganzlich. Uberdies waren viele Teile ver- besserungswiirdig. Die Abbil- dungen sind ohne Zuhilfenahme des Textes vielfach unverstand- lich. Das Eindeutschen englischer Begriffe ist nicht immer gelungen (2.B. Schreibprojektor fur Overheadprojektor). Der Index mufi kritisch uberarbeitet wer- den. Beispielsweise findet man unter dem Stichwort Auflosungs- grenze nicht jene Seite, auf der sich ein ganzes Unterkapitel zu diesem Thema findet. Im Kapitel uber Lichtquellen konnte man die Photornetrie und Radiometrie in ein eigenes kleines Kapitel aus- gliedern, zumal die Kapiteluber- schrift Lichtquellen und Detek- toren ankundigt. Die Untertei- lung von Lichtquellen in Laser und thermische Quellen, wobei auch Linienstrahler zu letzteren gezahlt werden, ist zumindest unublich (man denke 2.B. an X

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,,Wenn mich niemand danach fragt ..."

Zeit und Realitat. Von Wolf- ram Schommers, Die Graue Edition, Kusterdingen, 1997. 585 S., 45 Abb., geb. DM 48,-. ISBN 3-906336-20-4.

Auf die Frage: ,,Was ist Zeit?" antwortete der Kirchenvater Augustinus vor uber eineinhalb Jahrtausenden: ,,Wenn mich nie- rnand danach fragt, weifi ich es; will ich es einem Fragenden er- klaren, weifi ich es nicht". Seit der Antike haben sich grofie Denker immer wieder mit der Frage nach der Natur oder dem Wesen der Zeit beschaftigt und vieles Staunenswerte entdeckt. Wolfram Schommers, Professor fur Theoretische Physik, behan- delt in seinem Buch den Zeitbe- griff unter physikalischen und philosophischen Gesichtspunk- ten.

Den ersten Schwerpunkt setzt er bei Isaac Newton, der im 17. Jahrhundert das Konzept der ab- soluten Zeit schuf. In der Princi- pia schrieb er: ,,Die absolute, wahre und mathematische Zeit verfliefit an sich und vermoge ih- rer Natur gleichformig und ohne Beziehung zu irgendeinem aufie- ren Gegenstand." Die Zeit wirkt demnach gewissermafien als Me- tronom fur die Musik des Wel- tenlaufs.

Uber 200 Jahre lang blieb dieses Konzept der absoluten Zeit unan- getastet, bis Einstein zu Beginn dieses Jahrhunderts mit der Spe- ziellen und Allgemeinen Relati- vitatstheorie die Zeit radikal neu interpretierte. Demnach vergeht sie unterschiedlich schnell, ab- hangig von der Geschwindigkeit eines Systems und seiner Position in einem Schwerkraftfeld. Uber- dies waren nun Zeit und Raum in einer vierdimensionalen Raum- zeit vereint. Schommers verfolgt die moderne Entwicklung des Zeitbegriffs bis zu Schwarzen Lochern und Wurmlochern, die vor wenigen Jahren als eine Mog- lichkeit zu Zeitreisen diskutiert wurden. Allerdings geht der Au-

tor nicht mehr auf das von Steven Hawking und James Hartle vor- geschlagene Konzept einer zwei- ten Zeitdimension ein.

Einen weiteren Schwerpunkt setzt Schornmers auf den Begriff des Zeitpfeils, also auf die Frage nach der Zeitrichtung, an deren Beginn Ludwig Boltzmanns Wahrscheinlichkeitsauffassung steht. Den Abschlufi bildet die Quantentheorie mit einem eher widerspruchlichen Zeitkonzept.

Wolfram Schommen

Zeit und Realit& Physikalische Ansib? - Philosophishe Aspekte

Die Graue Mltlon

Wahrend namlich der Kollaps der Wellenfunktion beim Mefiprozefi eine Zeitrichtung definiert, ist die zu den ersten Prinzipen der Quantenmechanik gehorende Schrodinger-Gleichung zeitsym- metrisch.

Der Zeitbegriff, von Wolfram Schommers sehr anregend von vielen Seiten beleuchtet, bleibt nach Jahrhunderten der For- schung ratselhaft, und Augusti- nus spricht uns eigentlich noch immer aus der Seele: ,,Wenn mich einer fragt ...".

Paul Jacobi, Wissenschaftsjournalist, Liinen

Physik ohne vie1 Mathemati k

Briicke zur Physik. Von Norbert Treitz, Verlag Harri Deutsch, Frankfurt a.M. 2. iiberarb. Aufl., 1997. Zahlr. Abb., 424 S., DM 39,80. ISBN 3-8171-1518-0.

Teile dieses Buch kann man auf einem Sofa liegend geniefien und erfahren, was Meteorologie ei- gentlich mit Meteoren zu tun hat. Und man kann sich auch be- muhen, die darin gestellten Auf- gaben, deren Losungen angege- ben sind, mit Bleistift, Papier, Rechner und Kopfchen zu losen.

Das Buch bietet wahrhaft vie1 und aufierordentlich Verschie- denartiges. Der Verfasser wandelt haufig auf nicht ausgetretenen Pfaden. Laut Vorwort ist der Stoff so ausgewahlt, dafi man mit wenig Mathematik in wesentliche Bereiche der Physik eindringen kann. Primar gedacht fur altere . Schuler, die sich fur Physik inter- essieren, sowie beginnende Phy- sikstudenten, die etwas wieder- holen und vertiefen wollen, zeigt das Werk auch reiferen Studenten und wohl auch manchem Dozen- ten noch anregende Aspekte scheinbar bekannter Physikpro- bleme auf.

Vor allen Dingen zieht der Autor auch Randgebiete wie Astrono- mie und Physikgeschichte mit ein und unterhalt den Leser. Mit un- glaublich vielen Abbildungen veranschaulicht er die Sachver- halte. Aufierdem scheint er ein Fan von Briefmarken zu sein, da diese in grofier und durchaus in- teressant illustrierender Anzahl wiedergegeben sind.

Leider mufi in diesem Zusam- menhang bemerkt werden, dafi die Druckqualitat vielfach ziem- lich bescheiden ist. Oft ist die Strichstarke zu dunn oder bei der Wiedergabe der Briefmarken der offsetahnliche Schwarzweifidruck einfach nicht geeignet. Hier sollte ein Verlagslektor im Vorfeld zwi- schen Autor einerseits und dem im Impressum genannten ,,Prazis Druck" hilfreich wirken.

Insgesamt ein kurzweiliges, zu- gleich lehrreiches und preislich absolut erschwingliches Ge- schenk fur Schuler mit physikali- schen Interessen sowie beginnen- de Physikstudenten.

Dr. Christian Ucke, TU Miinchen

Eingeschrankter LesegenuR

Optik, Laser, Wellenleiter. Von M. Young. Springer- Verlag, Heidelberg 1997, 486 S., 286 Abb., brosch. DM 64,-. ISBN 3-540-60358-1.

Youngs Buch ist eine Einfuhrung n die Angewandte Optik. Wie ,m Klappentext angedeutet, sollen dabei u.a. auch physikalische An- wendungen und Instrumentie- rungen irn Vordergrund stehen. Als Adressaten werden neben Universitatsstudenten auch Stu- denten der Ingenieurwissenschaf- ten genannt.

Fur Universitatsstudenten kann das Buch durchaus eine Bereiche- rung darstellen. Insbesondere die Kapitel uber Holographie und Bildverarbeitung, optische Wel- lenleiter, Faser-Mefitechnik bis hin zur integrierten Optik wer- den in Optiklehrbuchern selten derart ausfuhrlich dargestellt. Ahnliches gilt fur so manches Detail in den anderen Kapiteln, wie die Ulbricht-Kugel. Ebenso ist es fur Studenten sicher sehr hilfreich, eine Vielzahl von Ubungsaufgaben mit Losungen prasentiert zu bekommen.

Fur Ingenieurstudenten aber ist das Buch zu theoretisch und wird dem Anspruch nicht gerecht. Ein Beispiel: Bei Lichtquellen sind Spektren gebrauchlicher Lam- pensysteme sinnvoller als die in jedem Lehrbuch zu findenden Kurven der Schwarzkorperstrah- lung. Ebenso fehlt 2.B. die fur In- genieure wichtige Anwendung moderner Berechnungsmethoden optischer Systeme ganzlich.

Uberdies waren viele Teile ver- besserungswiirdig. Die Abbil- dungen sind ohne Zuhilfenahme des Textes vielfach unverstand- lich. Das Eindeutschen englischer Begriffe ist nicht immer gelungen (2.B. Schreibprojektor fur Overheadprojektor). Der Index mufi kritisch uberarbeitet wer- den. Beispielsweise findet man unter dem Stichwort Auflosungs- grenze nicht jene Seite, auf der sich ein ganzes Unterkapitel zu diesem Thema findet. Im Kapitel uber Lichtquellen konnte man die Photornetrie und Radiometrie in ein eigenes kleines Kapitel aus- gliedern, zumal die Kapiteluber- schrift Lichtquellen und Detek- toren ankundigt. Die Untertei- lung von Lichtquellen in Laser und thermische Quellen, wobei auch Linienstrahler zu letzteren gezahlt werden, ist zumindest unublich (man denke 2.B. an

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LED'S). Unklar ist, wieso die La- ser erst in Kapitel8 und nicht di- rekt im Anschlufi an die Licht- quellen kommen.

D a m kommen leider eine game Reihe argerlicher Fehler. Einige Beispiele: Symbole im Text und in den Abbildungen sind ver- schieden. Die Bemerkungen zur Verwirrung bei der Vorzeichen- konvention sind verwirrend, zu- ma1 im Buch Widerspriiche vor- liegen. Es werden verschiedene Namen fur denselben Sachverhalt benutzt (Fokustiefe, Scharfentie- fe). Wieso werden bei Mikrosko- pen immer haufiger Tubuslangen von unendlich benutzt ? Die fun- damentale photometrische SI- Einheit ist das Candela und nicht wie behauptet das Lumen.

Diese und andere kleine Fehler beeintrachtigen den Lesegenufi erheblich. Infolgedessen kann das Buch nur eingeschrankt empfoh- len werden.

Prof: Dr. Michael Vollmer, FH Brandenburg

Vom Boxer zum Astronom

Edwin Hubble. Mariner of the Nebulae. Von Gale E. Christianson. Institute of Physics Publishing, Bristol, 1997.420 S., 27 Abb., geb. E 19,50. ISBN 0-7503-0423-5.

600 Kilometer iiber unseren Kopfen umkreist ein Teleskop die Erde und liefert aufierhalb der storenden Erdatmosphare astronomische Aufnahmen mit unerreichter Auflosung: das Hubble-Weltraumteleskop. Na- hem wochentlich sorgt es fur neue Schlagzeilen und ist wohl das derzeit beruhmteste wissen- schaftliche Instrument. Wer aber war dieser Edwin Hubble, der mit dem Superteleskop postum geehrt wurde?

Gale E. Christianson, Professor fur Geschichte an der Indiana State University, hat fur seine Biographie auf die umfangreiche Sammlung der Henry H. Hun- tington Library in San Marino, Kalifornien, zuriickgreifen kon- nen und hat zudem zahlreiche Personen interviewt, die den Astronomen noch gekannt ha- ben. Aus diesem reichhaltigen Reservoir hat Christianson eine angenehm lesbare Biographie des Mannes zusammengestellt, der unser Weltbild entscheidend ver- andert hat.

Edwin Hubble kam 1889 in Marshfield, einer kleinen Stadt im US-Bundesstaat Missouri zur Welt. Als Sohn eines Anwalts sollte auch Edwin Jura studieren. Er ging nach Oxford, wo er sich als talentierter Boxer und Leicht- athlet hervortat. Nachdem er in die USA zuriickgekehrt war, ent- sagte er jedoch der Juristerei und widmete sich immer mehr der Astronomie, fur die er schon als Junge eine Leidenschaft ent- wickelt hatte.

Er gelangte schliet3lich 1919 an das Mount Wilson-Observatori- um, wo er unablassig ,,Nebel" beobachtete, iiber deren Natur die Astronomen damals heftig stritten. Der Durchbruch gelang ihm am 6. Oktober 1923, als er im Andromeda-Nebel einen ver- anderlichen Stern vom Typ Delta

Cephei entdeckte. Dies ermog- lichte es ihm, die Entfernung auf eine Million Lichtjahre zu be- stimmen. Damit war klar: der Andromeda-Nebel und die ande- ren spiralformigen Objekte wa- ren Sternsysteme wie unsere Milchstrafie.

Sechs Jahre danach gelang ihm der zweite grofie Wurf: Er fand heraus, dafi sich die Galaxien von der Milchstrafie fortbewegen, wobei die Geschwindigkeit mit wachsender Enternung linear zu- nimmt. Damit warder Beobach- tungsbefund fur ein neues Welt- bild gelegt: das Universum dehnt sich aus, woraus sich folgerichtig ergibt, dafi es aus einer unendli- che dichten Materieansammlung entstanden sein mufi.

Hubble selbst stand der Urknall- Theorie sein Leben lang skep- tisch gegenuber. Er starb 1953 - elf Jahre, bevor die kosmische Hintergrundstrahlung, das Echo des Urknalls, entdeckt wurde. Sie

wird heute als eines der schlag- kraftigsten Argumente fur die Big Bang-Theorie ins Feld gefiihrt. Christianson zeichnet Hubble als einen Mann, der hartnackig ein einmal gestecktes Ziel verfolgte und dabei nicht immer einfach zu nehmen war. Die Verdienste des grofien Astronomen bleiben un- umstritten.

DK Thomas Biihrke, Redaktion Physik in unserer Zeit

Ein Himmel voller Sterne

AHA - Der Kosmos. Multi- media CD-ROM fur Pentiurn und Pentium MMX, Spek- trum Akademischer Verlag, Heidelberg 1998. D M 89,90. ISBN 3-89695-1 11-4. '

Mit ,,Der Kosmos" legt Spektruin Akademischer Verlag nach ,,Der Mensch" die zweite CD-ROM in der sogenannten AHA-Reihe vor. Wissenschaft anschaulich und spielerisch erklaren ist das Ziel dieser Reihe. Wenn diese C D ein typisches Beispiel fur diese Reihe ist, so hat der Verlag seine An- spruche auf hervorragende Weise erfiillt.

Zu Beginn gelangt man auf die Biihne eines Sternentheaters, in dessen Kulisse sich Symbole be- finden, die zu den einzelnen astronomischen Bereichen fiihren. Der thematische Reigen umfafit alle Bereiche des Univer- sums von der Sonne iiber das Pla- netensystem, Sterne, Gas- und Spiralnebel bis zum Rand des Universums und letzlich zum Urknall. Auch die Geschichte der Astronomie erhalt einen gebiih- renden Platz. Hinter dem Biih- nenvorhang verbergen sich einige allgemeine Funktionen, wie die Online-Hilfe oder ein Index. Letzterer bietet sich an, um ohne schnelles Suchen zu einem be- stimmten Thema zu gelangen.

Klickt man eines der Symbole an, so gelangt man zu dem entspre- chenden Thema. Das wesentliche Strukturprinzip besteht nun dar- in, dat3 die Themen jeweils in ei- nen AHA- und einen Science-Teil unterteilt sind. Zunachst gelangt man in den AHA-Teil, in dem - oft mit einer angenehmen Prise Humor - interessante und iiber- raschende Themen aus unge- wohntem Blickwinkel vermittelt werden. , ,New Gliihbirnen pro Quadratmeter" oder ,,Schlank- heitskur fur Sterne" sind nur zwei

von Dutzenden von Beispielen. Uberraschend sind hier auch Au- dio-Teile, wie ein Ausschnitt aus Orson Welles Horspiel ,,War of the Worlds" von 1938 oder aku- stische Schwingungen der Sonne.

Anschaulichkeit bei fachlicher Korrektheit heifit auch die Devise im Science-Teil jedes Kapitels, das wissenschaftlich fundiertes Hin- tergrundwissen vermittelt. Durch einen Schalter ist man jederzeit in der Lage, zwischen Science- und AHA-Teil zu wechseln und kann so den Kosmos auf ganz indivi- duelle Weise erforschen.

Jedes Kapitel im Science- und AHA-Teil ist in eine Reihe von Unterkapitel gegliedert, die aus Bildern, Videoclips sowie ge- druckten oder gesprochenen Tex- ten bestehen. Alle Bilder lassen sich bildschirmfiillend darstellen. Sogenannte Hyperlinks - blau unterstrichene Textpassagen - bieten zusatzliche Verknupfun- gen zwischen unterschiedlichen Kapiteln.

Auf der Sternenbiihne wartet uberdies eine Rakete, mit der man eine ,,Sternenreise" durch ein fu- turistisch anmutendes Labyrinth unternehmen kann. An verschie- denen Stationen besteht die Mog- lichkeit, an Bildern, Filmen und Animationen Halt zu machen. Aufierdem kann der Anwender auch selbst aktiv werden und bei- spielsweise Keplers Spharenklan- ge anhoren, sich das Olberssche Paradoxon vor Augen fiihren las- sen oder den Einflufi der Rotati- onsrichtung eines Planeten auf die Tageslange interaktiv untersu- chen.

Erholung zwischen den Kapiteln bietet ein Flipper. Wahrend des Spiels werden immer wieder Fra- gen gestellt, die bei richtiger Ant- wort mit zusatzlichen Kugeln und Extrapunkten belohnt wer- den.

Mit ,,AHA der Kosmos" ist es dem Verlag gelungen, eine Multi- media-CD herauszubringen, die sich erfreulich positiv von ande- ren astronomischen CDs abhebt. Von Gestaltung und Inhalt her ist sie allen zu empfehlen, die sich fur Astronomie interessieren. Die Fiille an anschaulichen und fun- dierten Informationen ist so grofi, dafi man selbst nach mehreren Tagen intensiver Beschaftigung noch auf Neues stofien wird.

DK Gunnar Radons, Wissenschaftsjoumalist, Mannheim

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Page 3: Literaturkarussell. Physik

Nie wieder Sprachprobleme

Worterbuch der Physik. Deutsch-Englisch, Englisch- Deutsch. Von Walter Greulich und Dirk Meenenga. Spektmm Akademischer Verlag, Heidel- berg 1997. 800 S., geb. DM 148,-. ISBN 3-86025-251-3. CD-ROM, DM 148,-. ISBN 3-8274-0229-8. Buch und CD-ROM zu- sammenDM229,-. ISBN 3-8274-0230-1.

Von jedem Physiker wird heute erwartet, dafi er englischsprachige Veroffentlichungen lesen kann. Irn eigenen Fachgebiet ist dies im allgemeinen auch der Fall, aber schon in der Disziplin des Kolle- gen ist man haufig nicht mehr mit der englischen Terminologie ver- traut, und Rat bei einem Worter- buch hat sich jeder schon einmal gesucht, wenn er in der Frernd- sprache schreiben rnufite.

Fur den Bereich Physik hat es bislang an einem geeigneten Nachschlagewerk gemangelt. Diese Liicke schliefien nun die beiden Autoren, die als Physiker und Wissenschaftspublizisten wissen, wo der Schuh driickt.

Das Worterbuch der Physik um- fafit etwa 30 000 Stichworter pro Sprache und erstreckt sich dabei auch auf Randgebiete der Physik, wie Astronomie, Computertech- nik oder Medizinphysik. Erleich- tert wird die Arbeit mit diesem Buch durch Sachgebietshinweise oder Erlauterungen zu den Stich- wortern.

Voll irn Trend der rnodernen Me- dien haben die beiden Autoren das Worterbuch iiberdies auf ei- ner CD-ROM herausgebracht. Sie bietet neben dem normalen Suchmodus fur ein Wort, wie man ihn selbstredend genausogut im Buch ausfiihren kann, weiter- fiihrende Moglichkeiten, wie sie nur rnit einem elektronischen Medium moglich sind. So ist es

moglich, mittels spezieller Such- abfragen schnell detaillierte In- formationen zu Ubersetzungen und Riickiibersetzungen mit vie- len Zusatzinformationen zu be- kornmen, auch wenn sie an sehr weit auseinanderliegenden Stellen des Worterbuchs vorkommen.

Uberdies lassen sich die Eintrage nicht nur drucken, sondern auch

in andere Anwendungen kopie- ren. AuBerdem kann man eigene Eintrage hinzufiigen und/oder bestehende Eintrage markieren und mit einer personlichen Notiz versehen oder beliebige Stich- worter zu individuell gestaltbaren Gruppen zusammenfassen. Das Worterbuch lafit sich sodann als sogenannte Schattendatei abspei- chern, so dafi man eine Kopie der Originaldatei zum gegenwartigen Zeitpunkt erhalt, die sich vollig frei bearbeiten lafit, ohne das Ori- ginalworterbuch zu verandern. Das elektronische Worterbuch kann auf diese Weise den eigenen Bediirfnissen optimal angepafit werden.

Qualitat hat seinen Preis, und so ist es auch bei diesern Werk. Qua- litat wird sich aber auch durch- setzen - trotz des Preises.

Dr. Thomas Biihrke, Redaktion Physik in unserer Zeit

Einf u h rung auf ho hem Niveau

Particle Physics. Von B. R. Martin und G. Shaw. John Wiley & Sons, Chichester 1997, 366 S., geb. 55,- 2, pb. 22,50 f. ISBN 0-471-97285-1.

Dieses Lehrbuch aus der ,,Man- Chester Physik-Reihe" wendet sich an Studenten, die einen Ein- fiihrungskurs in Quantenmecha- nik und Spezieller Relativitats- theorie bereits absolviert haben, aber noch nicht iiber Kenntnisse in der Teilchenphysik verfiigen. Das entsprechende mathemati- sche Riistzeug darf ebenfalls nicht fehlen, sonst werden meh- rere Kapitel und die immerhin 60 Seiten Anhang rasch unverdau- lich. Experimentelle Methoden werden ganz knapp beschrieben, dieses Gebiet ist allerdings auch nicht Gegenstand des Buches.

Martin und Shaw beginnen mit der relativistischen Wellenglei- chung und enden mit einern Aus- blick auf die Physik jenseits des Standardmodells. Bei einer so grofien thematischen Spannweite kann man den Stoff auf nur 280 Seiten (plus Anhang) nicht sehr ausfiihrlich darstellen, und so wird auf einen historischen Zu- gang verzichtet. Die wichtigen Ideen entwicklen die Autoren also nicht aus den Beobachtun- gen, sondern sie werden vorange- stellt. Mir fehlten da doch rnehre- re Diagramme, die einen Ver- gleich von Daten und Theorie

zeigen. Literaturangaben und Zi- tate von Originalarbeiten sind sparlich eingestreut und be- schranken sich auf wenige Fui3- noten.

Erfreulich das Kapitel uber Raum-Zeit-Symmetrien, in dem die Relationen zwischen Erhal- tungssatzen und Symmetrien er- klart und explizit auf Teilchen angewandt werden, so z.B. bei der Berechnung der Paritat des negativen Pions. Uberdies findet sich auch eine schone und leicht fafiliche Herleitung des Prinzips des detaillierten Gleichgewichts. Die Aktualitat in den Hauptkapi- teln ist gut, aber die CP-Verlet- zung beispielsweise wird auf dem Stand von 1970 diskutiert.

Insgesamt hinterlafit das Buch einen gemischten Eindruck. Als alleiniges Hilfsmittel zum Ge- brauch neben Vorlesungen ist es zu knapp und enthalt gerade fur Studierende zu wenig Erlauterun- gen. Interessant ist die Samrnlung von fast einhundert Ubungsauf- gaben, die durchaus anspruchs- voll sind und sinnvollerweise im Anhang mit Losungshinweisen versehen wurden.

Dr. Hans Bliimer CERN, Genf

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