Like / Dislike "Texts from Hillary"

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werbewoche 08 | 27.04.2012 24 MARKETING & KOMMUNIKATION www.e-college.ch A436321 Manuel P. Nappo, Studienleiter CAS Social Media Management an der HWZ, Chief Networking Officer bei Centralway. www.about.me/mpn Not a text from Hillary Clinton, but about her E in Foto, eine Nacht in einer Bar und eine Idee haben es innerhalb einer Woche um die ganze Welt geschafft und deren Erfinder gar ins Weisse Haus gebracht. Dieser Inter- net-Meme (Gedanke, der sich viral verbreitet und reproduziert wird) hat sich enorm schnell verbreitet − und ist genauso schnell auch wieder verschwunden. Am 4. April wurde ein erstes Bild im Blog http://textsfromhillaryclinton.tumblr.com gepostet, welches Hillary Clinton mit ernster Miene und dunkler Sonnenbrille beim Schreiben einer Kurznachricht zeigt. Dane- ben ein Foto von Barack Obama, ebenfalls am Handy, mit dem Text «Hey Hill, whatchu doing?». Bei der U.S. Secretary of State steht als Antwort: «Running the world.» In den kommenden Tagen folgten weitere unterhaltsame Bilder mit fiktiven Kurznach- richten zwischen Hillary und Persönlichkei- ten wie Sarah Palin, Bill Clinton oder Mark Zuckerberg. Innerhalb kürzester Zeit verbrei- tete sich der Meme in den Social Media und zahlreiche Online-Medien berichteten darü- ber. Der Blog zeigte Clinton also so, wie viele sie tatsächlich sehen: kühl und unbeschei- den. Dann die Überraschung am 10. April: Hillary Clinton nahm selbst Stellung zum Meme. Und nicht nur das − sie hat die Blogger kurzerhand ins Weisse Haus eingeladen und alberte angeblich mit ihnen herum. Einen Tag später folgte der letzte Eintrag im Blog: «As far as memes go – it has gone as far as it can go. Is it really possible to top a submission from the Secretary herself?» Tatsächlich reichte «Hillz» einen eigenen Meme ein, vor- läufig den letzten. Dass ausgerechnet die sonst sehr ernste Hillary Clinton so locker und amüsiert auf den Meme reagierte, hätte wohl niemand ge- ahnt. Aber es war das Cleverste, was sie tun konnte. So manch einer wird die U.S. Secre- tary of State jetzt mit etwas anderen Augen sehen. Und bereits wird gemunkelt, ob die beiden Blogger womöglich angeheuert wur- den und den Meme im Auftrag des Weissen Hauses ins Leben gerufen haben. Immerhin handelt es sich bei Adam und Stacy tatsäch- lich um zwei Kommunikationsexperten aus Washington D.C. Angesichts der Tat- sache, wie schnell und erfolgreich sich der Meme verbreitet hat, könnte an die- ser ese durchaus etwas dran sein. An- dererseits ist frag- lich, wie stark die Viralität eines Me- mes tatsächlich be- einflusst werden kann. Und weil Erfolg bekanntlich sexy ist, woll- ten andere Blogger auf dem Erfolg aufbauen und publizierten einen Tag nach dem Eintrag von Hillary Clinton weitere Memes unter www.textsfromhillary.com. Interessant da- bei ist, dass es bisher jedoch kaum Reaktio- nen darauf gab. Ein Beweis dafür, dass die Viralität eines Memes nicht geplant und vor- ausgesehen werden kann? Oder beweist dies gar das Gegenteil, dass Adam und Stacy tat- sächlich professionell agiert haben? Memes tauchen plötzlich und unverhofft auf, entwickeln sich mit unglaublicher Ge- schwindigkeit, reproduzieren und verwan- deln sich. Die meisten Memes sind sehr schnelllebig − nur wenige existieren länger als mehrere Wochen oder Monate. Ein politi- scher Meme, der noch heute allgegenwärtig ist, versteckt sich hinter dem bekannten HOPE-Plakat aus dem US-Wahlkampf 2008 von Barack Obama. Der Künstler Shepard Fairey hat dieses Werk ursprünglich auf der Strasse verkauft. Irgendwann schwirrte die digitale Version davon im Internet herum und wurde ein Meme, der auf verschiedenste Arten vervielfältigt wurde. Ein Meme, der heute sogar in der Smithsonian’s National Portrait Gallery hängt.

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Kolumne "Like / Dislike" in der Werbewoche zum Thema "Texts from Hillary"

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www.e-college.ch

A43

6321

Manuel P. Nappo, Studienleiter CAS Social Media Management an der HWZ, Chief Networking Officer bei Centralway. www.about.me/mpn

Not a text from Hillary Clinton, but about her

E in Foto, eine Nacht in einer Bar und eine Idee haben es innerhalb einer Woche um

die ganze Welt geschafft und deren Erfinder gar ins Weisse Haus gebracht. Dieser Inter-net-Meme (Gedanke, der sich viral verbreitet und reproduziert wird) hat sich enorm schnell verbreitet − und ist genauso schnell auch wieder verschwunden.

Am 4. April wurde ein erstes Bild im Blog http://textsfromhillaryclinton.tumblr.com gepostet, welches Hillary Clinton mit ernster Miene und dunkler Sonnenbrille beim Schreiben einer Kurznachricht zeigt. Dane-ben ein Foto von Barack Obama, ebenfalls am Handy, mit dem Text «Hey Hill, whatchu doing?». Bei der U.S. Secretary of State steht als Antwort: «Running the world.»

In den kommenden Tagen folgten weitere unterhaltsame Bilder mit fiktiven Kurznach-richten zwischen Hillary und Persönlichkei-ten wie Sarah Palin, Bill Clinton oder Mark

Zuckerberg. Innerhalb kürzester Zeit verbrei-tete sich der Meme in den Social Media und zahlreiche Online-Medien berichteten darü-ber. Der Blog zeigte Clinton also so, wie viele sie tatsächlich sehen: kühl und unbeschei-den. Dann die Überraschung am 10. April: Hillary Clinton nahm selbst Stellung zum Meme. Und nicht nur das − sie hat die Blogger kurzerhand ins Weisse Haus eingeladen und alberte angeblich mit ihnen herum. Einen Tag später folgte der letzte Eintrag im Blog: «As far as memes go – it has gone as far as it can go. Is it really possible to top a submission from the Secretary herself?» Tatsächlich reichte «Hillz» einen eigenen Meme ein, vor-läufig den letzten.

Dass ausgerechnet die sonst sehr ernste Hillary Clinton so locker und amüsiert auf den Meme reagierte, hätte wohl niemand ge-ahnt. Aber es war das Cleverste, was sie tun konnte. So manch einer wird die U.S. Secre-tary of State jetzt mit etwas anderen Augen sehen. Und bereits wird gemunkelt, ob die beiden Blogger womöglich angeheuert wur-den und den Meme im Auftrag des Weissen Hauses ins Leben gerufen haben. Immerhin handelt es sich bei Adam und Stacy tatsäch-lich um zwei Kommunikationsexperten aus

Washington D.C. Angesichts der Tat-sache, wie schnell und erfolgreich sich der Meme verbreitet hat, könnte an die-ser These durchaus etwas dran sein. An-dererseits ist frag-lich, wie stark die Viralität eines Me-mes tatsächlich be-einflusst werden kann.

Und weil Erfolg bekanntlich sexy ist, woll-ten andere Blogger auf dem Erfolg aufbauen und publizierten einen Tag nach dem Eintrag von Hillary Clinton weitere Memes unter www.textsfromhillary.com. Interessant da-bei ist, dass es bisher jedoch kaum Reaktio-nen darauf gab. Ein Beweis dafür, dass die Viralität eines Memes nicht geplant und vor-ausgesehen werden kann? Oder beweist dies gar das Gegenteil, dass Adam und Stacy tat-sächlich professionell agiert haben?

Memes tauchen plötzlich und unverhofft auf, entwickeln sich mit unglaublicher Ge-schwindigkeit, reproduzieren und verwan-

deln sich. Die meisten Memes sind sehr schnelllebig − nur wenige existieren länger als mehrere Wochen oder Monate. Ein politi-scher Meme, der noch heute allgegenwärtig ist, versteckt sich hinter dem bekannten HOPE-Plakat aus dem US-Wahlkampf 2008 von Barack Obama. Der Künstler Shepard Fairey hat dieses Werk ursprünglich auf der Strasse verkauft. Irgendwann schwirrte die digitale Version davon im Internet herum und wurde ein Meme, der auf verschiedenste Arten vervielfältigt wurde. Ein Meme, der heute sogar in der Smithsonian’s National Portrait Gallery hängt.